Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, dem Herrn mit Geschenken zu huldigen.Aus dem heiligen Evangelium nach Markus. 21In jener Zeit fuhr Jesus im Boot an das andere Ufer des Sees von Galiläa hinüber und eine große Menschenmenge versammelte sich um ihn. Während er noch am See war, 22 kam einer der Synagogenvorsteher namens Jaírus zu ihm. Als er Jesus sah, fiel er ihm zu Füßen 23 und flehte ihn um Hilfe an; er sagte: Meine Tochter liegt im Sterben. Komm und leg ihr die Hände auf, damit sie geheilt wird und am Leben bleibt! 24Da ging Jesus mit ihm. Viele Menschen folgten ihm und drängten sich um ihn. 35bUnterwegs kamen Leute, die zum Haus des Synagogenvorstehers gehörten, und sagten zu Ja&itremaacute;rus: Deine Tochter ist gestorben. Warum bemühst du den Meister noch länger? 36Jesus, der diese Worte gehört hatte, sagte zu dem Synagogenvorsteher: Fürchte dich nicht! Glaube nur! 37Und er ließ keinen mitkommen außer Petrus, Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus. 38Sie gingen zum Haus des Synagogenvorstehers. Als Jesus den Tumult sah und wie sie heftig weinten und klagten, 39 trat er ein und sagte zu ihnen: Warum schreit und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, es schläft nur. 40Da lachten sie ihn aus. Er aber warf alle hinaus und nahm den Vater des Kindes und die Mutter und die, die mit ihm waren, und ging in den Raum, in dem das Kind lag. 41Er fasste das Kind an der Hand und sagte zu ihm: Talíta kum!, das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 42Sofort stand das Mädchen auf und ging umher. Es war zwölf Jahre alt. Die Leute waren ganz fassungslos vor Entsetzen. 43Doch er schärfte ihnen ein, niemand dürfe etwas davon erfahren; dann sagte er, man solle dem Mädchen etwas zu essen geben.Der Apostolische Stuhl 1983 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J. P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische Stuhl . .Ansprachen, Predigten u. Botschaften d. Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Red. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982 (1984)- NE: Ecclesia Catholica / Papa:; HST ISBN 3-7616-0769-5 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. P. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: J. P. Bachem, Köln Foto: KNA-Pressebild Vorwort Die vorliegende vollständige Dokumentation aller Äußerungen von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1983 ist der zweite Band in der neuen Reihe „Der Apostolische Stuhl“. Gegenüber dem Dokumentationsband für das Jahr 1982 ist das Stichwortverzeichnis erweitert und wesentlich verbessert worden. Die Herausgeber danken für alle Anregungen. Auch die Ausgabe 1983 ist übersichtlich und in den einzelnen Bereichen chronologisch gegliedert. Sie kann deshalb auch als „Lesebuch“ benutzt werden. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ kann die Ausgabe für das Jahr 1982 noch bezogen werden. V i Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei Generalaudienzen und beim Angelus Gott allein ist Anfang und Ende Vor dem Angelus am 1. Januar 3 Den Spuren des Meisters folgen! Vor dem Angelus in Rieti am Sonntag, 2. Januar 4 Die Worte der Neuvermählten Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Januar 5 „Ich wünsche, daß Polen in Frieden lebt“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 5. Januar 9 18 neue Kardinäle: Konsistorium am 2. Februar Ankündigung bei der Generalaudienz am 5. Januar 10 Und Johannes taufte ihn Vor dem Angelus am Sonntag, 9. Januar 11 Sprache der Liebe - Sprache der Treue Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Januar 12 Für die Einheit der Christen beten! Vor dem Angelus am Sonntag, 16. Januar 16 Die „Sprache des Leibes“ erlernen! Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Januar 18 Das Pauluswort — Ansporn für die Einheit Vor dem Angelus am 23. Januar 23 Tag für Tag dasselbe Zeichen Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Januar 24 Dank an die „Väter“ des Kodex Vor dem Angelus am 30. Januar 27 2. bis 9. März: Reise nach Mittelamerika Vor dem Angelus am Sonntag, 6. Februar 29 VII 31 Der Mensch: gefallen und erlöst zugleich Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Februar . . Dank für Solidarität und Hilfe Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 9. Februar 35 Kardinäle beraten den Bischof von Rom Vor dem Angelus am Sonntag, 13. Februar 35 Das Heilige Jahr - eine Gnadenzeit Ansprache bei der Generalaudienz am 16. Februar 37 Laß sie die Kraft in Christus wiederfinden Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 16. Februar 41 Eine Zeit der Katechese Vor dem Angelus am Sonntag, 20. Februar 41 „Ich will ihnen das sagen, worauf sie warten“ Vor dem Angelus am Sonntag, 27. Februar 44 Durch die Pforte der Gerechtigkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 1. März 45 „Ich vertraue Dir, Mutter, diese Reise an“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 1. März 49 Vom Gebet der gesamten Kirche begleitet Vordem Angelus am Sonntag, 13. März 49 Die Identität der Kirche in Lehre und Pastoral sicherstellen Ansprache bei der Generalaudienz am 16. März 51 Arbeitsbedingungen für Künstler verbessern Wort für Polen bei der Generalaudienz am 16. März 55 Heiliges Jahr und Heiliges Land Vor dem Angelus am Sonntag, 20. März 56 Das Geheimnis der Verkündigung Ansprache bei der Generalaudienz am 23. März 58 „Wir wollen dem Erlöser unsere Türen öffnen“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 23. März 61 Es sind die Tage des Kreuzes Ansprache bei der Generalaudienz am 30. März 62 VIII Ein neues Kapitel des Leidens Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 30. März 66 „Christus hat uns für immer befreit“ Ansprache bei der Generalaudienz am 6. April 66 Dank für „die Macht der Wahrheit“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 6. April 70 Mariens Weg ist auch unser Weg Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 10. April 71 „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ Ansprache bei der Generalaudienz am 13. April 73 An den Aufstand im Warschauer Getto erinnert Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 13. April 76 Ostern: ein Weg in die Freude Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 17. April 77 Ein Sühnopfer als Lösegeld für die Erlösung der Menschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 20. April 78 „Dir vertrauen wir unsere Jugend an!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 20. April 81 Die Hoffnung wachhalten Wort für den Libanon bei der Generalaudienz am 20. April .... 82 Das Geschenk der geistlichen Berufe würdigen Ansprache vor dem Regina Caeli am Sonntag, 24. April 83 Das Leid verwandelt sich in Freude Ansprache bei der Generalaudienz am 27. April 85 Am Fest des hl. Adalbert Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 27. April 88 Die Arbeit im Plan Gottes Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 1. Mai . . 89 Maria umfing den Heilswillen Gottes mit ganzem Herzen Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Mai 90 Denkwürdiger Tag in der Geschichte der Nation Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 4. Mai 93 IX Die Mutter des Erlösers möge alle Mütter segnen Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 8. Mai 94 Maria, die Mutter des Erlösers Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Mai 96 „Verliert niemals das Vertrauen!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 11. Mai 99 Zwei China-Missionare seliggesprochen Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 15. Mai 100 Die göttliche Einheit als Fundament und Vorbild Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Mai 102 „Sende deinen Geist und erneuere die Erde“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 18. Mai 106 Er traf die Zuhörer „mitten ins Herz“ Ansprache bei der Generalaudienz am 25. Mai 106 Vor zwei Jahren starb Kardinal Wyszynski Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 25. Mai 110 „Möge Gott euch zu Werkzeugen seines Friedens machen“ Vor dem Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai 110 Ein Bund, der unzerstörbar ist Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Juni 113 Das Sakrament: eine Quelle geistlicher Kraft Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 1. Juni 116 Unser „Danke“ gegenüber dem Vater Vor dem Angelus am 5. Juni 116 Das Brot, das alle teilen Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Juni 118 „Auch diesmal vertraue ich auf die Gottesmutter“ Vor dem Angelus am Sonntag, 12. Juni 121 Nicht nur ein bloßes Lobopfer Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Juni 123 „Morgen werde ich in meine Heimat reisen“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 15. Juni 126 X „Ich danke für eure Gebete“ Vor dem Angelus am Sonntag, 26. Juni 127 Dem Ja Mariens betend gedenken Vor dem Angelus am Sonntag, 3. Juli . 129 Die Erlösung führt den Menschen zur Würde seines Ursprungs zurück Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Juli 131 „Ich danke Dir, o Mutter von Jasna Göra!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 6. Juli 134 Gott inmitten seines Volkes Vor dem Angelus am Sonntag, 10. Juli 135 Die Harmonie zwischen Wahrheit und Freiheit ist zerbrochen Ansprache beider Generalaudienz am 13. Juli 137 „Ihn sollt ihr hören!“ Vor dem Angelus am Sonntag, 17. Juli, in Castel Gandolfo 140 Wir sind „Sklaven der Gerechtigkeit“ Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Juli 143 Zeichen der Hoffnung Vor dem Angelus am Sonntag, 24. Juli 146 Freiheit gegen die Moral endet in gegenseitiger Zerstörung Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Juli 148 Auch Maria fragt nach dem Warum Vor dem Angelus am 31. Juli 151 Das Gesetz des erlösten Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 3. August 154 Mutter des Neuen Jerusalem Vor dem Angelus am 7. August 156 „Ihr seid zur Freiheit berufen“ Ansprache bei der Generalaudienz am 10. August 158 Ziel der vollbrachten Sendung Vor dem Angelus am Sonntag, 14. August, in Castel Gandolfo ... 161 Das Gewissen bilden nach der Lehre der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 17. August 163 XI Abbild der Kirche Vor dem Angelus am 21. August 166 Eine „Verwandtschaft“ mit dem Guten Ansprache bei der Generalaudienz am 24. August . 167 Emanuela: ein neuer Papstappell Vor dem Angelus am 28. August 170 „Nur einer gewinnt den Preis“ Ansprache bei der Generalaudienz am 31. August 172 Libanon: Gebet für das „gequälte Land“ Vor dem Angelus am Sonntag, 4. September 175 Im Plan Gottes: das Kreuz Ansprache bei der Generalaudienz am 7. September 178 „Den Urheber des Lebens habt ihr getötet“ Ansprache bei der Generalaudienz am 14. September 182 Maria - Trösterin der Betrübten Vor dem Angelus am Sonntag, 18. September, in Castel Gandolfo . 185 Die Früchte der Erlösungstat Ansprache bei der Generalaudienz am 21. September 187 „Arm im Geist“ ist eine Tugend Vor dem Angelus am Sonntag, 25. September 191 Erlösung ist Befreiung aus der Gefangenschaft der Sünde Ansprache bei der Generalaudienz am 28. September 193 Schwierigkeiten sind vorauszusehen Wort zum Libanonkonflikt während der Generalaudienz am 28. September 196 Das Rosenkranzgebet Vor dem Angelus am 2. Oktober 197 Eine Schule der Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Oktober 198 „Die dem Herrn am nächsten stand“ Vor dem Angelus am Sonntag, 9. Oktober 202 „Der Mensch braucht einen anderen“ Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Oktober 203 XII Weihegebet von Fatima Vor dem Angelus am Sonntag, 16. Oktober 207 Nach seinem Bild und Gleichnis Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Oktober 210 „Habt Mut!“ Vor dem Angelus am Sonntag, 23. Oktober 214 Im Menschen etwas Göttliches Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Oktober 215 Krisenursachen: „Der Mangel gegenseitigen Vertrauens“ Wort bei der Generalaudienz am 26. Oktober . 219 Dem Erlöser immer ähnlicher werden! Vor dem Angelus am Sonntag, 30. Oktober 220 Wer sind die Heiligen? Vor dem Angelus am Allerheiligenfest, 1. November 221 Im Blick auf die Unsterblichkeit Ansprache bei der Generalaudienz am Allerseelentag, 2. November 223 Urbild der siegreichen Kirche Vor dem Angelus am Sonntag, 6. November 225 „Ein Schrei aus dem Innersten“ Ansprache bei der Generalaudienz am 9. November 227 Betet für alle Opfer der Gewalt! Vor dem Angelus am 13. November 230 Der Wert des Seins im Wahren, Guten und Schönen Ansprache bei der Generalaudienz am 16. November 231 Vorspiel endzeitlicher Wirklichkeit Vor dem Angelus am Sonntag, 20. November 235 Keine andere gültige Zukunft Ansprache bei der Generalaudienz am 23. November 237 „Auf den Schultern Wehrloser“ Gebetsaufruf für den Libanon und für Zypern bei der Generalaudienz am 23. November 240 Abrüstung: „den Dialog nicht abbrechen!“ Vor dem Angelus am 1. Adventssonntag, 27. November 241 XIII Die Erwartung aller Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 30. November 243 Die persönliche Antwort Mariens Vor dem Angelus am 2. Adventssonntag, 4. Dezember 246 Die Immaculata ist das erste Wunder der Erlösung Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Dezember 248 Wiedergeburt aus dem Geist Vor dem Angelus am 8. Dezember 250 Maria - „Meisterwerk Gottvaters“ Vor dem Angelus am Sonntag, 11. Dezember 252 „Befreiendes Eingreifen Gottes“ Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Dezember 254 Gott hält sein Versprechen Vor dem Angelus am Sonntag, 18. Dezember 257 Im „Buch des Trostes“ gelesen Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Dezember 258 Am Fest des hl. Stephanus Vor dem Angelus am 26. Dezember 260 Der Erlöser, Gott und Mensch zugleich Ansprache bei der Generalaudienz am 28. Dezember 262 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Apostolische Reise nach Mittelamerika (2. bis 10. März) 2. März Ansprache bei der Zwischenlandung in Lissabon 270 Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von San Jose (Costa Rica) 272 Ansprache an das Sekretariat der Bischöfe von Mittelamerika und Panama (SEDAC) in San Jose (Costa Rica) 275 XIV 3. März Predigt bei der Messe in San Jose (Costa Rica) 283 Ansprache an die Ordensfrauen in der Kathedrale von San Jose (Costa Rica) 287 Ansprache beim Wortgottesdienst für die Jugend im Sportstadion von San Jose (Costa Rica) 293 4. März Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Managua (Nicaragua) 299 Predigt bei der Messe in Managua (Nicaragua) 300 Predigt beim Wortgottesdienst für die Laien in Leon (Nicaragua) . 306 5. März Predigt bei der Messe für die Familien auf dem Flughafen Albrook Fields in Panama 312 Predigt beim Wortgottesdienst mit den Campesinos im Stadion der Revolution in Panama 316 6. März Predigt bei der Messe in San Salvador 322 Ansprache an die Priester in San Salvador 327 Wort in der Kathedrale von San Salvador 333 7. März Predigt bei der Messe auf dem Marsfeld in Guatemala-City .... 333 Ansprache an die Eingeborenenbevölkerung in Quezaltenango (Guatemala) 339 Ansprache bei der Begegnung mit den Ordensmännern in Guatemala-City 344 Botschaft an die Dozenten und Studenten der Universität in Guatemala 349 8. März Predigt bei der Messe im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Suyapa in Tegucigalpa (Honduras) 355 Predigt beim Wortgottesdienst mit den Katecheten in San Pedro Sula (Honduras) 362 XV 9. März Predigt bei der Messe auf dem Flughafen in Belize 366 Predigt beim Schlußgottesdienst des Eucharistischen Kongresses in Port-au-Prince (Haiti) 371 Ansprache an die 19. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM) in Port-au-Prince (Haiti) 378 2. Pastoralbesuch in Mailand (20. bis 22. Mai) 20. Mai Ansprache bei der Eucharistischen Anbetung auf dem Domplatz in Mailand 388 21. Mai Ansprache an die Arbeiter in Sesto San Giovanni 391 Ansprache an die Repräsentanten von Kunst und Kultur nach dem Konzert in der Mailänder Scala 396 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Monza 400 Ansprache an die Bevölkerung von Desio 404 22. Mai Ansprache an die Studenten und Professoren der Katholischen Universität Sacro Cuore in Mailand 409 Predigt bei dem feierlichen Schlußgottesdienst des XX. Italienischen Eucharistischen Kongresses in Mailand 415 Ansprache an die staatlichen und privaten Unternehmer in Mailand 421 3. Zweite Pilgerfahrt durch Polen (16. bis 23. Juni) 16. Juni Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Warschau .... 430 Predigt bei der Messe in der St.-Johannes-Kathedrale in Warschau 432 XVI 17. Juni Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern des polnischen Staates im Schloß Belvedere in Warschau 437 Ansprache vor Vertretern des Polnischen ökumenischen Rates in Warschau 442 Ansprache vor Vertretern der Katholischen Universität Lublin in Warschau 446 Predigt bei der Messe im Warschauer Stadion „Dziesieciolecia“ . . 448 18. Juni Predigt bei der Messe in Niepokalanöw 456 Ansprache an eine Pilgergruppe aus der Diözese Stettin-Cammin auf Jasna Göra 463 Ansprache an die Jugend auf Jasna Göra 466 19. Juni Predigt bei der Messe in Tschenstochau 471 Vor dem Angelus in Tschenstochau 478 Ansprache bei der Krönung von vier Marienbildern in Tschenstochau 480 Ansprache vor der Vollversammlung der Polnischen Bischofskonferenz in Tschenstochau 485 Gebet beim Appell von Jasna Göra in Tschenstochau 494 20. Juni Predigt bei der Messe zur Seligsprechung von Ursula Ledöchowska in Posen 499 Predigt bei der Marienfeier vor dem Gnadenbild der Muttergottes von Piekary in Kattowitz 505 21. Juni Predigt bei der Messe in Breslau 513 Predigt auf dem Annaberg 522 22. Juni Ansprache in der Jagiellonen-Universität von Krakau 527 XVII Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Rafael Kalinowski und Albert Chmielowski in Krakau 532 Predigt bei der Weihe der Maximilian-Kolbe-Kirche in Nowa Huta-Mistrzejowice 540 Ansprache zum Abschluß der Provinzialsynode in Krakau 545 23. Juni Ansprache vor dem Abflug von Krakau 548 4. Pilgerreise nach Lourdes (14. und 15. August) 14. August Ansprache an die Pilger bei der Grotte in Lourdes 552 Betrachtung beim Abschluß des Fackelzuges vor der Basilika in Lourdes 556 15. August Predigt während der Messe in Lourdes 562 Gebet an Unsere Liebe Frau von Lourdes 567 Ansprache in der unterirdischen Basilika in Lourdes 569 Ansprache an die Kranken in Lourdes 574 5. Pastoraireise nach Österreich (10. bis 13. September) 10. September Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Wien-Schwechat . . 580 Ansprache bei der Europa-Vesper auf dem Heldenplatz in Wien . . 581 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Wiener Prater-Stadion 588 11. September Ansprache an die Repräsentanten der christlichen Kirchen im Erzbischöflichen Palais in Wien 594 Predigt bei der Festmesse zum Abschluß des Österreichischen Katholikentages im Donaupark in Wien 598 XVIII Ansprache vor dem Angelus in Wien 605 Ansprache an die Behinderten, Kranken und Alten im Haus der Barmherzigkeit in Wien 606 Ansprache beim Empfang des Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg 609 Ansprache an das Diplomatische Korps in der Wiener Nuntiatur . . 614 12. September Predigt bei der Messe mit Vertretern des Laienapostolats und der kirchlichen Dienste im Wiener Stephansdom 617 Ansprache an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kunst im Kongreßzentrum der Wiener Hofburg 624 Ansprache an die österreichischen Bischöfe im Erzbischöflichen Palais in Wien 630 Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der UN-Behörden in der Wiener UNO-City 635 Ansprache bei der Begegnung mit österreichischen Arbeitnehmern und Gastarbeitern vor der Kirche Am Hof in Wien 639 Ansprache bei der Begegnung mit den Polen vor der Karlskirche in Wien 645 13. September Ansprache auf dem Kahlenberg in Wien 649 Predigt bei der Messe mit Priestern und Ordensleuten in Mariazell 652 Appell zum Gebet für Kirche und Weit in Mariazell 658 Weihegebet an die Gottesmutter in Mariazell 659 Ansprache vor dem Abflug von Wien-Schwechat 661 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar Der Dialog für den Frieden: eine Forderung an unsere Zeit Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 665 Gemeinsam nach dem Frieden suchen! Predigt bei der Messe in St. Peter am Weltfriedenstag, 1. Januar . . 678 XIX Freude, Freiheit und brüderliche Liebe Botschaft zum Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 800. Geburtsjahrs des hl. Franz von Assisi in Greccio am 2. Januar 680 „Um jene Nacht zu erleuchten“ Predigt bei der Eucharistiefeier in Rieti am Sonntag, 2. Januar . . . 684 Die christliche Identität konsequent leben Ansprache an die Teilnehmer des 16. nationalen Jugendkongresses der Katholischen Arbeiterverbände Italiens (ACLI) am 4. Januar . 688 Apostolisches Rundschreiben zum Jubiläumsjahr der Erlösung „Aperite portas redemptori“ vom 6. Januar 692 „Macht euch auf und führt andere!“ Predigt bei der feierlichen Messe und Bischofsweihe in Sankt Peter am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 706 Das Licht und der Glanz der Taufe Predigt bei der Messe und Taufe in der Sixtinischen Kapelle am Sonntag, 9. Januar 708 „Ich muß an meinen Besuch in Polen denken“ Gebet des Papstes für Polen am 12. Januar 711 Das Beispiel des hl. Josaphat Ansprache beim Besuch des Ukrainischen Kollegs in Rom am 15. Januar 712 „Verbündete in der Sache des Menschen“ Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps am 15. Januar 715 Vom Reichtum, der sich in jeder Kultur findet Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Kultur am 18. Januar . . 727 „Mit der Geschichte und Kultur Ihres Landes verbunden“ Ansprache an den niederländischen Botschafter beim Hl. Stuhl bei der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens am 22. Januar . 734 Jubiläumsjahr und Synode -Zeiten des Heils und außerordentlicher Gnade Schreiben an alle Bischöfe anläßlich der Veröffentlichung des „Instrumentum laboris“ für die 6. Vollversammlung der Bischofssynode vom 25. Januar 736 XX Vorbild zum „geistlichen Ökumenismus“ Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Sr. Maria Gabriella Sagheddu in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar . . . 742 Sacrae disciplinae leges Apostolische Konstitution zur Promulgation des neuen kirchlichen Gesetzbuches, 25. Januar 747 „... wenn er nicht in dir geboren wird“ Gebet für Polen am 26. Januar 753 „Gestalter der Sicherheit und Freiheit“ Ansprache an die Leiter und Teilnehmer des 61. Kurses der NATO-Verteidigungsakademie am 31. Januar 754 Februar „Ein Zeichen, dem widersprochen wird“ Predigt beim Gottesdienst in St. Peter am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar ' 755 „Bei euch suchen die Gläubigen Erleuchtung und Orientierung“ Ansprache beim öffentlichen Konsistorium in der Audienzhalle am 2. Februar 758 Das Kardinalskollegium - „ein Bild für die Einheit selbst“ Ansprache beim geheimen Konsistorium im Konsistoriensaal am 2. Februar 763 „Das Erbe juridischer Weisheit, das der Kirche gehört“ Ansprache bei der feierlichen Vorstellung des neuen Kirchenkodex in der Benediktionsaula am 3. Februar 766 In der Treue zum Apostolischen Stuhl Predigt bei der Totenmesse für Kardinal Antonio Samore in St. Peter am 5. Februar .- 775 Im Zeichen des Petrus Ansprache bei der Audienz für Kardinal Joachim Meisner und eine Berliner Besuchergruppe am 5. Februar 779 Ein Zeugnis der Verkündigung Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses der Neukatechumenalen Gemeinschaften am 10. Februar 780 XXI Ukraine: seit 995 Jahren Christianisierung Ansprache an die Synode der ukrainischen Bischöfe am 12. Februar 785 Die Wahrheit zur Geltung bringen Ansprache an die Journalisten des Katholischen Presseverbandes Italiens am 14. Februar 788 Die Fastenzeit - Aufforderung zur Umkehr Predigt beim Aschermittwochsgottesdienst in der Basilika Santa Sabina am 16. Februar 792 „Konkret und hochherzig teilen!“ Botschaft zur Fastenzeit 1983 794 Die „Schätze“ des Bistums Rom Ansprache an den römischen Klerus bei der Audienz zu Beginn der Fastenzeit am 17. Februar 796 Gemeinsame Quelle des Denkens und des Menschenideals Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des ersten Botschafters Norwegens beim Hl. Stuhl, 18. Februar .... 800 Zeichen der Hoffnung Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zum 25jährigen Bestehen der Fastenaktion Misereor vom 22. Februar 803 Vom alten zum neuen Kodex Ansprache an die Mitglieder der Sacra Romana Rota am 26. Februar 805 März Gewissenhaft und aufmerksam im Dienst für den Hl. Stuhl Schreiben an Kardinal Opilio Rossi zum 50jährigen Priesterjubiläum vom 1. März 810 Mit großem Schmerz Telegramm an den Präsidenten der Bischofskonferenz von Guatemala vom 5. März 811 Die Sensibilität für die Wirklichkeit Gottes wecken Predigt bei der Messe zur Einweihung des internationalen Jugendzentrums „San Lorenzo“ in Rom am 13. März 812 XXH Neue Domkirche — „ein neues Zeitalter“ Schreiben zur Ernennung von Kardinal Joseph Höffner zum päpstlichen Sonderbeauftragten bei den Einweihungsfeierlichkeiten der Kathedrale in Stockholm, 14. März 815 Stärkt euren Willen mit den Mitteln der Gnade Ansprache bei der Audienz für die Jugend in St. Peter am 16. März 817 Grußwort des Papstes an das Passionsspiel-Ensemble aus Oberammergau und die Mitglieder der Pan-Europa-Union am 16. März 819 In der ganzen Wahrheit der Offenbarung Predigt bei der Messe für die römischen Universitätsstudenten zur Vorbereitung auf Ostern in der Petersbasilika am 17. März . . . 820 Im Zauber vieler Traditionen Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen japanischen Botschafters beim Hl. Stuhl am 18. März .... 825 Die Arbeit - ein Gut des Menschen Predigt beim Wortgottesdienst mit den Arbeitern der Region Abruzzen und Molise in San Salvo am Fest des hl. Josef, 19. März . 827 „Bewahrt ungebrochen eure Begeisterung!“ Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses „Für eine neue Menschheit“ der Fokolar-Bewegung im römischen Sportpalast am 20. März 835 Die „christlichen Fasern“ Frankreichs Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des französischen Botschafters beim Hl. Stuhl am 21. März 841 Das Geschenk der Versöhnung Ansprache bei der Audienz für die deutschsprachigen Püger in St. Peter am 23. März 845 Für die Werte der Gerechtigkeit Der Papst gedenkt des Erzbischofs Romero am 3. Jahrestag seines Todes 846 Um gerechte Weltordnung bemüht Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des ersten schwedischen Botschafters beim Hl. Stuhl am 24. März . . . 847 XXIII Wir treten ein in den Raum der Gnade und des Heils Predigt bei der feierlichen Messe zur Eröffnung des Heiligen Jahres der Erlösung am 25. März 849 Engagierter Einsatz in der Nächstenliebe Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des Botschafters des Souveränen Malteserordens am 26. März 853 Die Kirche bricht von hier in die Karwoche auf Predigt bei der Palmsonntagsliturgie auf dem Petersplatz am 27. März 855 Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1983, 27. März . . 858 „Ich habe ihn mit dem öl gesalbt“ Predigt bei der Messe und Ölweihe in St. Peter am Gründonnerstag, 31. März 867 „Laß mich dir jetzt dienen!“ Predigt bei der Abendmahlsmesse in der Lateranbasüika am Gründonnerstag, 31. März 868 April „Sprich zu uns in der Sprache deines Kreuzes!“ Ansprache beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 1. April . 870 Wir sind „auf seinen Tod“ getauft Predigt bei der Feier der Osternacht in St. Peter am 2. April .... 872 Frieden gründet auf Gerechtigkeit Brief an den Bischof von Piacenza, Enrico Manfredini, anläßlich der Studientagung der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ vom 2. April 873 Die Kraft der Liebe ist stärker als der Tod Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 3. April 875 Die Lehre der Kirche über das Ordensleben neu verkünden Schreiben an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika vom 3. April 878 Hingabe und Opferbereitschaft Predigt beim Gottesdienst in der Kaserne der Carabinieri in Rom am 9. April 885 XXIV Unsere Generation hat das prophetische Wort von Anklage und Verheißung nötig Predigt bei der Eucharistiefeier mit den italienischen Bischöfen in St. Peter am 14. April 889 Katechese ist ein „Akt der Kirche“ Ansprache an den Internationalen Rat für Katechese am 15. April 895 Katholikos Karekin II. Sarkissian zu Besuch im Vatikan Ansprache an den armenischen Katholikos von Kilikien, Karekin II. Sarkissian, bei der Audienz am 16. April 899 Die Grundlage echten Friedens Ansprache an die Mitglieder der Trilateralen Kommission am 18. April 901 Durch das Wort unserer Väter Ansprache an die Mitglieder des Leitungsausschusses des Katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat am 22. April 904 „Daß die Menschen die Kirche kennenlemen“ Ansprache an die Teilnehmer der 11. Vollversammlung der Kongregation für die Glaubensverbreitung am 22. April 906 Christliche Überzeugung und echte Kunst Ansprache an die Redaktionsmitglieder und die Leser der katholischen Tageszeitung „La Croix“ am 23. April 909 „Gott ruft, wen er will“ Botschaft zum 20. Weltgebetstag für die geistlichen Berufe am Sonntag, 24. April 914 Die Bande der Freundschaft vertiefen An eine Delegation des „Simon-Wiesenthal-Center“ am 25. April 918 Gerechtigkeit und Liebe sind keine Gegensätze Ansprache an die Internationale Generalkonferenz der Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul am 28. April 919 Der gespaltenen Welt Christus bringen Ansprache an Repräsentanten verschiedener Kirchen in Großbritannien am 29. April 922 XXV Die Bischöfe versammeln sich gemeinsam „mit Petrus“ Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 30. April 925 Mai „Eure Arbeit ist noch lange nicht zu Ende“ Ansprache an das Generalkapitel der Gesellschaft für die Afrikamission am 5. Mai 929 Die oberste „Dienstanweisung“ Christi Predigt beim Gottesdienst für die Päpstliche Schweizergarde in der Sala Regia am 6. Mai 932 „Ganzhingabe an Gott und die Seelen“ Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute am 6. Mai 933 Mit Mut und Weitblick Weiterarbeiten Ansprache an die Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 7. Mai 937 „Ihr hütet ein wertvolles Erbe“ Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt des Schweizer Trachtenvereins am 7. Mai 940 Der Fall Galilei: „Wir geben zu, daß er seitens der Kirche zu leiden hatte“ Ansprache an eine Gruppe internationaler Wissenschaftler am 9. Mai 941 Ein „Hoffnungsanker“ für die Seele Predigt bei der feierlichen Messe in St. Peter am Fest Christi Himmelfahrt, 12. Mai 947 „Ihr alle sollt zu einem Chor werden“ Ansprache bei der Audienz für den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochia, Ignatius IV. Hazim, am 13. Mai .... 950 Unter den Armen präsent sein Ansprache an die internationale Versammlung der Generaloberinnen am 13. Mai 955 XXVI Kein Klima des Klassenkampfes Ansprache an den Christlichen Gewerkschaftsverband „Federation Valaisanne des Syndicates Chretiens“ des Schweizer Wallis am 14. Mai 960 „Neuer Elan“ für Katechese Brief an Erzbischof Oskar Saier anläßlich des katechetischen Kongresses in Freiburg vom 14. Mai 962 Die Medien müssen der Sache des Friedens wirksam dienen Botschaft zum 17. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am Sonntag, 15. Mai 964 Mutig für die Wahrheit gekämpft Predigt bei der feierlichen Seligsprechung der Salesianermärtyrer Luigi Versiglia und Callisto Caravario auf dem Petersplatz am 15. Mai 967 Die Regel des „poverello“ Ansprache an das Generalkapitel des Dritten Regular-Ordens des hl. Franz von Assisi am 19. Mai 972 „Es geht um die Konkretisierung der Soziallehre“ Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Fachkonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung über die Enzyklika „Laborem exercens“ am 27. Mai 973 Vorbeugung schafft wertvolle Voraussetzung für wirksame Hilfe Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses für Katastrophenmedizin am 28. Mai 975 Diplomatie kann auch Apostolat sein Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Diplomatenakademie am 28. Mai 979 „Nunmehr Erwachsene im Glauben“ Predigt bei der feierlichen Messe und Firmung im Petersdom am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai 982 Die Familie - eine Schule der Menschlichkeit Ansprache an die Teilnehmer der 1. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 30. Mai 985 Nächstenliebe, christlich motiviert Ansprache an die Teilnehmer der 12. Vollversammlung der Caritas Intemationalis am 30. Mai 990 XXVII Juni Antwort auf die brennendsten Fragen Predigt beim feierlichen Gottesdienst vor der Lateranbasilika am Fronleichnamsfest, 2. Juni 995 Ökumene auf örtlicher Ebene Ansprache an den Katholikos der Syrisch-Orthodoxen Kirche Indiens bei der Audienz am 3. Juni 998 In seinem „Tagebuch der Seele“ lesen Ansprache zum Abschluß der Gebetsstunde auf dem Petersplatz am 20. Todestag Papst Johannes XXIII., 3. Juni 1001 „Ihr seid Christus am nächsten!“ Predigt bei der Messe für die Kranken auf dem Petersplatz am Sonntag, 5. Juni 1003 „Den Nord-Süd-Dialog wieder aufnehmen!“ Botschaft an den Generalsekretär der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCTAD) anläßlich der Eröffnung der VI. Welthandelskonferenz in Belgrad am 6. Juni . . 1006 Weiheakt an das Herz Jesu erneuert Gebet für Polen am 8. Juni 1009 Die Hilfe aller Menschen guten Willens sammeln Botschaft zum Weltmissionssonntag, 23. Oktober, vom 10. Juni . . 1010 Brauchbare Initiativen vorschlagen Ansprache an die Gründungsgruppe der Internationalen Stiftung „Nova Spes“ am 10. Juni 1015 „Ihr sollt Christi Freunde werden“ Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe im Petersdom am Sonntag, 12. Juni 1017 Tun, was der Herr von uns verlangt Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Römische Kurie und die Angestellten des Vatikans in St. Peter am 28. Juni 1020 „Sorgfalt auf eine große Sachkompetenz verwenden“ Botschaft an die Vollversammlung der Konferenz der Internationalen Katholischen Organisationen vom 28. Juni .... 1025 XXVIII An den Gräbern der Apostelfürsten Predigt bei der Messe mit Segnung und Auflegung der Pallien auf dem Petersplatz am Fest Peter und Paul, 29. Juni 1029 In einer Berufung vereint Ansprache bei der Audienz für den Metropoliten von Calkedon am 30. Juni 1033 Juli Grußwort nach Kevelaer, 2. Juli 1035 In glühender Liebe zur Mutter Kirche Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Franziskanerkonventualen vom 9. Juli 1036 Vorbild und Ansporn für die anderen Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Vokationisten am 9. Juli 1040 Von der Gegenwart des Herrn ergriffen Predigt bei der Messe für die Angestellten der Päpstlichen Sommervilla in Castel Gandolfo am 17. Juli 1042 Im Namen Gottes und der Menschüchkeit Appell für die Freilassung von Emanuela Orlandi vom 21. Juli . . . 1044 August Paul VI. „hat für die Wahrheit gelebt“ Ansprache nach dem Rosenkranzgebet am Abend des 6. August . . 1045 „Wenn Gott Vater ist, sind die Menschen Brüder“ Intervention der Delegation des Hl. Stuhls bei der 2. Weltkonferenz für den Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung in Genf am 8. August 1046 Der Atheismus überfällt einen Teü der Menschheit Ansprache an das Generalkapitel des Augustinerordens in Castel Gandolfo am 25. August 1050 Maria, Zeichen der Hoffnung Schreiben an die Bischöfe von Malta zum Internationalen Marianischen Kongreß vom 26. August 1055 XXIX „Lebt im Geist der Demut die christlichen Wahrheiten!“ Predigt bei der Messe mit Studenten des „Opus Dei“ in Castel Gandolfo am Sonntag, 28. August . 1059 September Der Stimme des Geistes folgen Homilie beim Gottesdienst zum Beginn der 33. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu am 2. September 1061 „Überall Spuren Deines Wirkens“ Brief an Kardinal Franz König zu dessen 50. Priesterjubiläum vom 3. September 1068 Kunst: ein priesterlicher Dienst Ansprache an die Darsteller des „Jedermann“ in Castel Gandolfo am 3. September 1070 Rosenkranzgebet - eine „Grundmelodie“ Radiobotschaft für die Länder der deutschen Sprache vom 3. September 1071 Besonderes Siegel der Theologie Ansprache an die Teilnehmer des Generalkapitels des Dominikanerordens in Castel Gandolfo am 5. September 1072 Ein Recht und eine Pflicht Schreiben an den Generaldirektor der UNESCO zum Welttag der Alphabetisierung vom 5. September 1081 Mangelnde Achtung vor dem Gesetz Gottes Ansprache an die Teilnehmer des Studienseminars „Die verantwortliche Elternschaft“ in Castel Gandolfo am 17. September 1083 Liebe und Achtung für das Gesetz Ansprache an die Vollversammlung der Italienischen Bischofskonferenz in der Synodenaula am 21. September 1086 Austausch von Kräften und Gütern Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika (COGECAL) am 23. September 1091 Im echten Sinne sakral Predigt bei der Heilig-Jahr-Feier für die italienischen Kirchenchöre auf dem Petersplatz am 25. September 1093 XXX Ende einer Anfangsperiode Ansprache bei der Messe mit den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Laien in der Päpstlichen Privatkapelle am 26. September . . 1097 Groß ist die Dankesschuld Predigt bei der Gedächtnismesse für seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul I. in St. Peter am 28. September 1098 „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ Ansprache beim Eröffnungsgottesdienst der VI. Vollversammlung der Bischofssynode am 29. September 1100 Oktober Der Gruß des Engels eröffnet die Perspektive der Erlösung Predigt beim Gottesdienst für die marianischen Vereinigungen und Bewegungen auf dem Petersplatz am 2. Oktober . 1104 Friedensnobelpreis für Lech Walesa Glückwunschtelegramm vom 5. Oktober 1108 Eine Frage des Überlebens Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses „Wissenschaft und Technologie gegen den Hunger in der Welt“ am 7. Oktober 1109 „Sichere Führer und Vorbilder“ Ansprache beim feierlichen Gedenkakt für die Päpste Pius XII. und Johannes XXIII. in der Synodenaula am 8. Oktober 1111 Die offene „heilige Tür“ Ansprache vor ungarischen Pilgern am 8. Oktober 1114 „Christus will bei euch sein, immer!“ Predigt bei der feierlichen Brautmesse für 38 Brautpaare im Petersdom am Sonntag, 9. Oktober 1116 „Brot ist brüderliche Nahrung“ Ansprache an den europäischen Bäcker-Verband am 10. Oktober . 1120 „Ihr könnt auf große Schätze zurückgreifen“ Ansprache an eine Gruppe libanesischer Pilger am 13. Oktober . . 1123 „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ Ansprache bei der Audienz für die Rompügerfahrt des Fürstentums Liechtenstein am 14. Oktober 1126 XXXI „Beichtvater in unaufhörlichem Gebet“ Predigt bei der feierlichen Heiligsprechung des Kapuzinerpaters Leopold Mandic auf dem Petersplatz am 16. Oktober 1129 Das Weltwirtschaftssystem muß neugeordnet werden Schreiben an den Generaldirektor der FAO zum Weltemährungstag am 16. Oktober 1134 Alle Menschen guten Willens angesprochen Botschaft zum III. Welternährungstag, 16. Oktober 1137 Wir müssen in erster Linie zu den Armen gehen Predigt bei der feierlichen Messe in der Basilika St. Paul vor den Mauern am Weltmissionssonntag, 23. Oktober 1139 „Schmerz, Entsetzen und Abscheu“ Wort zum Attentat auf die internationale Friedenstruppe in Beirut nach dem Angelus am 23. Oktober 1144 „Umkehr“ - das erste Wort des Evangeliums Ansprache zum Abschluß der VI. Vollversammlung der Bischofssynode in der Synodenaula am 29. Oktober 1145 Genetische Manipulation macht das menschliche Leben zum Objekt Ansprache an die Mitglieder der Generalversammlung des Weltärztebundes am 29. Oktober 1153 „Wie ein Tautropfen, der zur Erde fällt“ Predigt bei der Seligsprechung der drei Ordensmänner Giacomo Cusmano, Domingo Iturrate Zubero und Jeremia Stoica auf dem Petersplatz am Sonntag, 30. Oktober 1159 Im „Dialog des Glaubens“ die Einheit suchen Schreiben anläßlich des 500. Geburtstags Martin Luthers an den Präsidenten des Sekretariats für die Einheit der Christen vom 31. Oktober 1164 November „Die Schätze der alten und der neuen Weisheit“ seiner Sorge anvertraut Predigt bei der Bischofsweihe von Msgr. Alfons Stickler in der Sixtinischen Kapelle am 1. November 1166 XXXII Wir kennen weder Tag noch Stunde Ansprache an deutschsprachige Pilgergruppen in der Audienzhalle am 2. November 1169 Der Glaubenseinheit und Gemeinschaft gedient Predigt bei der Gedenkmesse für die Päpste Pius XII. und Johannes XXIII. in der Petersbasilika am Sonntag, 6. November . . 1171 Eine „Schule der Menschlichkeit“ Ansprache an die Teilnehmer des 7. Internationalen Familienkongresses am 7. November 1175 Die wahre Demokratie ist eine schwierige Sache Ansprache an die Europäische Union Christlicher Demokraten (EUCD) am 10. November 1178 Internationale Wirtschaftsordnung notwendig Ansprache an die Mitglieder der 22. Sitzungsperiode der Konferenz der FAO am 10. November 1184 Friede wächst aus der Gerechtigkeit Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 12. November 1189 Unerschöpfliche Kraft der Erlösung Predigt bei der Seligsprechung der palästinensischen Ordensfrau Maria Baouardy im Petersdom am 13. November 1197 Symbol für ein Leben des Gebets Ansprache an die Gläubigen aus dem Vorderen Orient am 13. November 1201 Den Glauben bekennen, die Hoffnung verbinden Ansprache an das Generalkapitel der Pallottiner am 17. November 1204 Evangelisierung nur „im Namen der Kirche“ Ansprache an die Vollversammlung der Vereinigung der Europäischen Konferenzen der Höheren Ordensobern am 17. November 1206 „Herausforderung evangelischer Liebe“ Predigt bei der Messe für die Mitglieder der Vollversammlung von „Cor Unum“ in der päpstlichen Privatkapelle am 19. November . . 1211 XXXIII Anteil haben „am Los der Heiligen“ Predigt bei der Messe für die kirchlichen Laienbewegungen in der Petersbasilika am Christkönigssonntag, 20. November 1212 Ein Recht, vom Konzil gewünscht Ansprache an die Teilnehmer des Kurses der Päpstlichen Universität Gregoriana über das kirchliche Gesetzbuch am 21. November . . . 1217 Durch tiefe Bande verbunden Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. vom 22. November 1220 Dialog mit den Religionen Brief an die Versammlung der asiatischen Laien in Hongkong vom 24. November 1222 Europa muß seinen Beitrag leisten Ansprache an die Parlamentspräsidenten der Europäischen Gemeinschaft am 26. November 1225 Voll Freude dem Herrn entgegengehen Aus der Predigt in der römischen Pfarrkirche San Filippo Neri am Sonntag, 27. November 1229 Dezember Die Klangfarbe einer Stimme Ansprache an die Vertreter der katholischen Wochenzeitungen Italiens am 2. Dezember 1231 Drei „Zeichen der Zeit“ Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission am 5. Dezember 1235 Das Heilige Jahr der Erlösung hat adventlichen Charakter Predigt beim Gottesdienst in der Basilika Santa Maria Maggiore am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember 1240 „Du bist der Morgenstern!“ Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1243 „Hilferuf an die Macht der Erlösung“ Brief an alle Bischöfe der Kirche vom 8. Dezember 1245 XXXIV Weiheakt an die Gottesmutter Hochfest der Verkündigung des Herrn 1246 Gemeinsam nach dem Herrn Ausschau halten Ansprache beim Besuch der evangelisch-lutherischen Christus-Kirche in Rom am 11. Dezember 1249 Die Menschenrechte geltend machen Ansprache an den Vorsitzenden und die Delegationen des Europäischen Gerichtshofes und der Europäischen Menschenrechtskommission am 12. Dezember 1251 Ein Ja zum Guten, Schönen und Wahren Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur aus Anlaß des Heiligen Jahres der Erlösung am 15. Dezember 1255 Was ist Advent in diesem Jahr der Erlösung? Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Professoren und Studenten der römischen Universitäten und Vertreter von Kultur und Wissenschaft aus der ganzen Welt am 15. Dezember in Sankt Peter 1261 Die Kirche sammelt und bewahrt alles Eröffnung der Ausstellung zum Gedenken an die Türkenschlacht bei Wien vor 300 Jahren am 20. Dezember in den Vatikanischen Museen 1266 Friede - die Kirche ist „zu allem, was möglich ist, bereit“ Weihnachtsansprache an die Kardinäle und alle Mitglieder der Römischen Kurie am 22. Dezember 1267 „Die Gnade Gottes ist erschienen“ Predigt bei der Christmette in Sankt Peter am 25. Dezember .... 1278 „Höre, Vater, den Schrei nach Frieden“ Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ auf dem Petersplatz am 25. Dezember 1281 „Ich meine, euch etwas geben zu können“ Predigt beim Wortgottesdienst in der römischen Strafvollzugsanstalt Rebibbia am 27. Dezember 1284 XXXV IV. Ad-limina-Besuche Australien Die Verkündigung des Evangeliums 2. Juli 1291 Die Laien im Leben der Kirche 11. November 1296 Burundi Es geht um die Zukunft der Kirche 9. Juni 1300 Deutschland War nicht unser Leben immer schon „alternativ“? 14. Januar 1305 Rufer der Umkehr zu sein, ist nicht bequem 21. Januar 1310 Geistliche Führung nicht durch Kollektiv, sondern persönliche Verantwortung 28. Januar 1316 Dominikanische Republik Intensiviert euren pastoralen Einsatz 27. Mai 1321 Gabun Frucht christlicher Erziehung 19. Februar 1324 Guatemala Dienst an den Allerärmsten 5. November 1329 XXXVI Haiti Bilden und ermutigen: Ziele der Evangelisierung 11. Juni 1334 Honduras Große Themen: Familie und geistliche Berufe 26, September 1338 Jugoslawien „Auf daß der Glaube eurem Volk weiterhin Ehre macht“ 18. Februar 1343 „Die Tragödie der Spaltung in euren geliebten Nationen“ 18. März 1347 Kanada Erneuerung der christlichen Ehe 28. April 1353 Den Vorrang Gottes predigen! 23. September 1358 Die Bedeutung des Tauf Sakraments für unser Leben 30. September 1363 „Eine aufregende Periode“ 18. Oktober 1368 Kuba „Widerstand leisten in der Kraft des Glaubens“ 1. Juli 1373 Litauen Für die Welt ein Zeugnis unerschütterlichen Glaubens 22. April 1379 Malawi „Frische Kraft“ für eure Sendung 15. Oktober 1384 XXXVII Mexiko Von der Würde der Familie 1. Oktober 1388 Katechese führt Volkserziehung durch 28. Oktober 1392 Schule für „echte Jünger Jesu“ 2. Dezember 1397 Nicaragua Vereint in einer Umarmung des Friedens, der Einheit und der Hoffnung 16. Mai 1401 Niederlande Priesterbildung nur in echten Seminaren 22. Januar 1404 Panama „Animation“ in der Pastoralarbeit 17. November 1410 Portugal „Trost, mit dem Gott tröstet“ 4. Februar 1415 Niemand besitzt den Schlüssel für alle Lösungen 11. Februar 1420 Puerto Rico Priester muß ein Mann des Gebets sein 24. November 1427 Tschad Begegnung mit der afrikanischen Kultur 3. Juni . 1432 XXXVIII Vereinigte Staaten von Amerika Die Liebe Christi im Bußsakrament 15. April 1435 Bedeutung der Sonntagsliturgie 9. Juli 1440 Die universale Disziplin der Kirche in Treue annehmen 5. September 1445 „Gleicht euch nicht der Welt an!“ 9. September 1452 Aspekte des Ordenslebens 19. September 1457 Christliche Ehe und Familienleben 24. September 1463 Bischöfe „inmitten der Gläubigen“ 22. Oktober 1469 Katholische Erziehung als wirksame Dimension der Evangelisierung 28. Oktober 1476 Die Liturgie im Leben der Kirche 3. Dezember 1482 Zaire Das ganze Evangelium leben 12. April 1487 Zeugnis ablegen von der Lebenskraft und vom Reichtum der Kirche 21. April 1493 Das Problem der „afrikanischen Theologie“ 30. April 1499 V. Kongregationen Instrumentum laboris zum Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche der Bischofssynode 1983“ vom 25. Januar 1509 XXXIX und des Sekretariats des Katholikats des Gr. Hauses von Kilikien vom 19. April 1579 Gern. Kommunique des Sekretariats für die Einheit der Christen Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre an die Bischöfe der Katholischen Kirche über einige Fragen bezüglich des Dieners der Eucharistie, 6. August 1583 Dem „ewigen Hohenpriester“ gleichförmig Kardinal J. Ratzinger zum Dokument der Glaubenskongregation . 1592 Charta der Familienrechte vom Heiligen Stuhl allen Personen, Institutionen und Autoritäten vorgelegt, die mit der Sendung der Familie in der heutigen Welt befaßt sind, 22. Oktober 1595 „Urteil der Kirche unverändert“ Erklärung der Glaubenskongregation zur Freimaurerei vom 26. November 1610 Die Spaltungen und Spannungen dieser Welt überwinden Botschaft der Bischofssynode zum Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ vom 27. November 1611 Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung Kongregation für das katholische Bildungswesen, 1. Dezember . . 1615 VI. Anhang In Freiheit für das Heü der Menschen sorgen Schreiben von Kardinalstaatssekretär A. Casaroli an den Erzbischof von Prag, Kardinal F. Tomasek, vom 14. Februar 1659 Die Katastrophe muß verhindert werden Erklärung einer Gruppe von Wissenschaftlern nach Abschluß einer Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften über die Vermeidung eines Atomkrieges (23. bis 24. September) 1666 Der Heilige Stuhl und der Frieden Ansprache von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Literaturwissenschaften durch die Jesuiten-Universität in San Francisco am 18. November . 1671 XL /. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus AUDIENZEN UND ANGELUS Gott allein ist Anfang und Ende Vor dem Angelus am 1. Januar 1. „Durch Christus, mit Christus und in Christus sei Dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes, alle Ehre und Herrlichkeit.“ Am ersten Tag des neuen Jahres 1983 erweist die ganze Schöpfung dem einen und dreifältigen Gott Ehre und Verherrlichung. Die Ehre und Herrlichkeit, die er in Christus empfängt. So sagen wir in jeder heiligen Messe. So möchten wir es auch heute tun, wenn wir uns in der Mittagsstunde zum „Engel des Herrn“ versammeln. Die Zeit, die sich vor uns öffnet - das neue Jahr - wollen wir auf Gott hin orientieren, denn er allein ist der Anfang und das Ende von allem. 2. Wir freuen uns heute auch über die Gottesmutterschaft Mariens. Wir wollen wie immer an sie die Grußworte des Engels richten: „Gesegnet bist du unter den Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes, Jesus“ (.Lk 1, 42). Heute ist der achte Tag nach der Geburt des Herrn. An diesem Tag „wurde ihm der Name Jesus gegeben, den der Engel genannt hatte, noch ehe das Kind im Schoß seiner Mutter empfangen wurde“ (Lk 2, 21). Der Name Jesus bedeutet „Gott rettet“ (Jeho-shua), also „Heiland“. Eben in diesem Namen wurde die Welt gerettet. In diesem Namen wurde der Mensch gerettet. Im Namen Jesu sei die heilige Mutterschaft seiner Mutter gepriesen! Maria sei die Mutter unseres Heils, sei die Mutter des Heils der Welt! 3. Und schließlich wenden wir uns an diesem ersten Tag des Jahres 1983 an den Zeitabschnitt, der sich vor uns öffnet, und sagen mit den Worten der Liturgie: „Der Herr segne dich und behüte dich. Der Herr lasse sein Angesicht über dir leuchten und sei dir gnädig. Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil“ (Num 6, 24—26). Diese unsere glühenden Bitten und Wünsche können von dem einen Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist, im heiligen Namen Jesu durch die Fürsprache derer erhört werden, deren Gottesmutterschaft wir heute feiern. 3 AUDIENZEN UND ANGELUS Den Spuren des Meisters folgen! Vor dem Angelus in Rieti am 2. Januar „Sie gingen in das Haus und sahen das Kind und Maria, seine Mutter“ {Mt2, 5). 1. Indem wir uns zum marianischen Gebet des Angelus sammeln, richten sich unsere Gedanken auf die eindrucksvolle Begebenheit der Anbetung der Drei Könige, von der im Evangelium des heutigen Sonntags berichtet wird, an dem die italienische Ortskirche das Fest der Erscheinung des Herrn feiert. Bekanntlich bedeutet Epiphanie die Kundmachung Jesu vor den Völkern, das Sichtbarwerden des seit Jahrhunderten erwarteten Messias, das heißt des Sohnes Gottes, der Mensch geworden ist, um dem Menschen gleich zu sein und ihn von der Sünde loszukaufen. An diesem wesentlich missionarischen Fest weitet sich der Blick auf die ganze Welt und alle Völker, denen die Kirche beauftragt ist, das Licht des Heils zu bringen. Meine Gedanken gelten daher den Missionaren und Missionarinnen in aller Welt, die sich in fernen Ländern hochherzig einsetzen; doch heute denke ich besonders an den Diözesan- und Ordensklerus und die Ordensfrauen, die sich bemühen, Jesus den christlichen Gemeinden der Diözese Rieti nahezubringen, so wie die selige Jungfrau Christus den Drei Königen darbot. Mein Gruß gilt auch den Diakonen und Seminaristen, auf die sich die Hoffnungen dieser Diözese richten. 2. Liebe Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr um die Vertiefung des christlichen Lebens bemüht seid, ich möchte euch meine große Zuneigung beteuern, meine geistige Verbundenheit, meine Solidarität, die Einheit im Glauben und in der Gnade, im Priestertum und im Evangelisierungsauftrag. Mir sind die Schwierigkeiten und Mühen der Seelsorge bekannt, besonders in kleinen und weit verstreuten Pfarreien, nicht selten erschwert durch Alter und gesundheitliche Beschwerden. Aber ich kenne auch den Glauben und die Hingabebereitschaft, die traditionsgemäß den Klerus und die Ordensleute im Valle Santa beseelen. Neben einem intensiven pastoralen Einsatz und einer entschiedenen Bemühung, die Berufungen in den verschiedenen Altersgruppen und sozialen Schichten zu vermehren, zeichne euch immer der Wille aus, die eigene Disziplin, Kultur und Askese zu vervollkommnen. 4 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Kirche fordert, daß das Priester- und Ordensleben tief gelebt wird, so wie es sich für Jünger und Apostel ziemt, die voller Begeisterung den Spuren des Meisters folgen. 3. So werdet ihr euch - wie schon die Drei Könige aus der Ferne - immer stärker um die Suche und Entdeckung des Erlösers bemühen, indem ihr euch im Innern dieselbe Frage der Drei Weisen stellt: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ (Mt 2, 2). Dann werdet ihr den Weg zu ihm gehen in der Annahme der Zeichen, die die Vorsehung euch gibt; ihr werdet die Entscheidung bekräftigen, der Priester- und Ordensberufung hochherzig zu folgen; ihr werdet Feuer und Eifer wiederfinden, um für den Herrn Zeugnis zu geben; ihr werdet die manchmal schwierige, aber immer herrliche Freude ausdrücken, die die seelsorgliche Mühe und der apostolische Einsatz schenken. Die seligste Jungfrau, Königin der Apostel, unterstütze diese Vorsätze und mache sie fruchtbar: Sie zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht ihres Leibes, und beschütze auch alle Einwohner von Rieti und dieses schönen Tales, das dem hl. Franziskus so teuer war. Die Worte der Neuvermählten Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Januar 1. „Ich nehme dich an als meine Frau“ ... „Ich nehme dich an als meinen Mann.“ Diese Worte stehen im Mittelpunkt des Trauritus der Kirche. Diese Worte sprechen die Brautleute und kleiden sie in den folgenden Vermählungsspruch: „... ich ... verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe.“ Mit diesen Worten schließen die Brautleute die Ehe, und zugleich empfangen sie sie als Sakrament, dessen Spender beide sind. Beide, Mann und Frau, spenden das Sakrament. Sie tun das vor Zeugen. Bevollmächtigter Zeuge ist der Priester, der zugleich die Ehe segnet und bei der gesamten Liturgie des Sakraments den Vorsitz führt. Darüber hinaus sind gewissermaßen alle Teilnehmer am Trauritus Zeugen, einige von ihnen (gewöhnlich zwei) sind eigens dazu berufene „offizielle“ Trauzeugen. Sie müssen bezeugen, daß die Ehe vor Gott geschlossen und von der Kirche bestätigt worden ist. Unter normalen 5 AUDIENZEN UND ANGELUS Gegebenheiten ist die sakramentale Eheschließung ein öffentlicher Akt, durch den zwei Personen, ein Mann und eine Frau, vor der Gemeinschaft der Kirche Ehemann und Ehefrau werden, das heißt wirkliche Träger der ehelichen Berufung und des Ehelebens. 2. Die Ehe als Sakrament wird durch das Wort geschlossen, das aufgrund seines Inhalts sakramentales Zeichen ist: „Ich nehme dich an als meine Frau / meinen Mann und verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe.“ Doch dieses sakramentale Wort ist an sich nur das Zeichen der Eheschließung. Und die Eheschließung unterscheidet sich vom Vollzug dadurch, daß ohne diesen Vollzug die Ehe noch nicht voll verwirklicht ist. Die Feststellung, daß eine Ehe rechtlich geschlossen, aber nicht vollzogen wurde (ratum - non consummatum), entspricht der Feststellung, daß sie nicht voll als Ehe verwirklicht wurde. Denn die Worte „Ich nehme dich an als meine Frau / meinen Mann“ beziehen sich ja nicht nur auf eine bestimmte Wirklichkeit, sondern werden erst durch die geschlechtliche Vereinigung der Eheleute erfüllt. Diese Wirklichkeit (die geschlechtliche Vereinigung der Eheleute) ist zudem von Anfang an durch die Einsetzung der Ehe von seiten des Schöpfers festgelegt: „Der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2, 24). 3. So gelangen wir also von den Worten, mit denen der Mann und die Frau ihrer Bereitschaft Ausdruck geben, gemäß der ewigen, im Schöpfungsgeheimnis festgelegten Wahrheit „ein Fleisch“ zu werden, zu der Wirklichkeit, die diesen Worten entspricht. Beide Elemente sind wichtig im Hinblick auf die Struktur des sakramentalen Zeichens, dem heute die folgenden Überlegungen gewidmet sein sollen. Da das Sakrament das Zeichen ist, durch das die Heilswirklichkeit der Gnade und des Bundes ausgedrückt und verwirklicht wird, muß es nun unter dem Gesichtspunkt des Zeichens betrachtet werden, während die vorausgegangenen Überlegungen der Wirklichkeit der Gnade und des Bundes gewidmet waren. Die Ehe als Sakrament der Kirche wird durch die Worte der Spender dieses Sakraments, also der Brautleute, geschlossen: Worte, die ihrer Intention nach bedeuten und anzeigen, was die beiden von jetzt an füreinander und miteinander zu sein beschlossen haben. Die Worte der Brautleute gehören zur Gesamtstruktur des sakramentalen Zeichens nicht nur durch das, was sie bedeuten, sondern gewissermaßen auch mit dem, was sie bestimmen. Das sakramentale Zeichen besteht in der intentionalen Ordnung, insofern es gleichzeitig in der realen Ordnung besteht. 6 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Folglich wird das Zeichen des Ehesakraments durch die Worte der Brautleute gesetzt, insofern ihnen die Wirklichkeit entspricht, die sie selbst darstellen. Beide, Mann und Frau, stellen, da sie im Augenblick der Eheschließung Spender des Sakraments sind, das vollgültige und tatsächliche sichtbare Zeichen eben dieses Sakraments dar. Ihre Worte würden nicht in sich das sakramentale Zeichen der Ehe bilden, entspräche ihnen nicht die menschliche Subjektivität und zugleich das an ihr Mann- und Frausein gebundene Körperbewußtsein von Bräutigam und Braut. Hier darf ich an die lange Reihe der schon vor einiger Zeit abgeschlossenen Betrachtungen zum Buch Genesis erinnern (vgl. Gen 1, 2). Die Struktur des sakramentalen Zeichens bleibt nämlich ihrem Wesen nach dieselbe wie „im Anfang“. Sie bestimmt gewissermaßen „die Sprache des Leibes“, weil Mann und Frau, die durch die Ehe ein Fleisch werden sollen, in diesem Zeichen die gegenseitige Hingabe von Mann- und Frausein als Fundament der ehelichen Personengemeinschaft zum Ausdruck bringen. 5. Das Zeichen des Ehesakraments wird dadurch verwirklicht, daß die von den Neuvermählten gesprochenen Worte dieselbe „Sprache des Leibes“ wieder aufnehmen wie am „Anfang“ und ihr auf jeden Fall einen konkreten und unwiederholbaren Ausdruck verleihen. Sie geben ihr einen zielgerichteten Ausdruck auf der Ebene des Verstandes und des Willens, des Gewissens und des Herzens. Die Worte „Ich nehme dich an als meine Frau/meinen Mann“ weisen eben jene ewige und jedes Mal einmalige und unwiederholbare „Sprache des Leibes“ auf und stellen sie zugleich in den Zusammenhang der Personengemeinschaft: „Ich verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe.“ Die ewige und jedes Mal neue „Sprache des Leibes“ ist nicht bloß das „Substrat“, sondern gewissermaßen das Sein dieser Personengemeinschaft. Die Personen - Mann und Frau — werden zur gegenseitigen Hingabe füreinander. Sie werden in ihrem Mann- und Frausein zur Hingabe dadurch, daß sie die Bedeutung des Leibes für die Ehe entdecken und diese unwiderruflich auf sich anwenden: im ganzen Leben. 6. So erlaubt das Sakrament der Ehe als Zeichen die Worte der Neuvermählten, Worte, die einen neuen persönlichen (und zwischenpersönlichen) Aspekt in ihrem Leben bilden, auf der Grundlage der „Sprache des Leibes“. Die Spendung des Sakraments besteht darin: Im Augenblick der Eheschließung bilden Mann und Frau durch die entsprechenden Worte und in der Übernahme der ewigen „Sprache des Leibes“ ein 7 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeichen, ein unwiederholbares Zeichen, das auch eine perspektivische Bedeutung besitzt: „Solange ich lebe“, also bis zum Tod. Das ist das sichtbare und wirksame Zeichen des Bundes mit Gott in Christus, das heißt der Gnade, die in diesem Zeichen als „ihre Gnadengabe“ Teil von ihnen werden soll (wie es im ersten Korintherbrief 7, 7 heißt). 7. Wenn man die Frage in gesellschaftsrechtlichen Begriffen formuliert, kann man sagen, zwischen den Neuvermählten wird ein Ehevertrag mit klar festgelegtem Inhalt geschlossen. Außerdem kann man sagen, daß sie infolge dieses Vertrages auf gesellschaftlich gültige Weise zu Eheleuten geworden sind und damit auch die Familie als Grundzelle der Gesellschaft in ihrem Keim gegründet wurde. Diese Betrachtungsweise stimmt offensichtlich mit der menschlichen Wirklichkeit der Ehe überein, ja, sie ist grundlegend auch im religiösen und moralischen Sinn. Doch vom Gesichtspunkt der Theologie des Sakraments her bleibt der Schlüssel zum Verständnis der Ehe die Wirklichkeit des Zeichens, durch das die Ehe auf der Grundlage des Bundes des Menschen mit Gott in Christus und in der Kirche zustande kommt: Sie kommt zustande in der übernatürlichen Ordnung des die Gnade erfordernden heiligen Bandes. In dieser Ordnung ist die Ehe ein sichtbares und wirksames Zeichen. Ursprünglich im Geheimnis der Schöpfung beheimatet, hat es seinen neuen Ursprung im Geheimnis der Erlösung, indem es „der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und Liebe“ dient (Gaudium etspes, Nr. 24). Der Trauritus verleiht jenem Zeichen Gestalt: direkt während des sakramentalen Ritus auf Grund der Gesamtheit seiner vielsagenden Ausdrucksformen; indirekt während des ganzen Lebens. Mann und Frau tragen als Eheleute dieses Zeichen ihr ganzes Leben lang und behalten es bis zum Tod. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich willkommen und meine besten Wünsche für ein glückliches Neues Jahr! Möge dieses mit Gottes Hilfe für euch und eure Lieben in lebendiger Gemeinschaft mit der Kirche zu einem wirklichen „Heiligen Jahr“ werden. Unsere heutigen Überlegungen führen uns erneut zum Thema der christlichen Ehe. Braut und Bräutigam spenden sich durch ihr gegenseitiges Versprechen selbst das Ehesakrament. Ihre persönliche Überantwortung wird jedoch erst dann endgültig, wenn beide gemäß der Fügung des Schöpfers „am Anfang“ „ein Fleisch werden“ (Gen 2, 24). Versprechen 8 AUDIENZEN UND ANGELUS und Vollzug der Ehe sind integrierende Bestandteile des sakramentalen Zeichens. Durch das Ehesakrament werden Mann und Frau zu einer unwiderruflichen personalen Gemeinschaft verbunden. Dadurch wird die Ehe zum sichtbaren und wirksamen Zeichen des Liebesbundes zwischen Christus und der Kirche. Hierin gründet die große Würde und der hohe sittliche Anspruch der christlichen Ehe. Von Herzen erteile ich euch allen und besonders den Eheleuten unter euch meinen Apostolischen Segen. „Ich wünsche, daß Polen in Frieden lebt“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 5. Januar Herrin von Jasna Göra! Zu Beginn des Neuen Jahres knie ich wieder vor Deinem Gnadenbild. In ihm zeigt sich uns das Geheimnis der Gottesmutterschaft, das wir am achten Tag nach dem Geburtsfest des Herrn, der zugleich der Neujahrstag ist, verehren. Zu Deinen Füßen in Jasna Göra möchte ich die Wiederkehr dieses Tages erleben, zusammen mit meiner Nation, die seit sechshundert Jahren insbesondere in diesem Bilde den Blick auf Deine Gottesmutterschaft gerichtet hält. Dank diesem Bild findet die polnische Nation in Deiner Gottesmutterschaft seit unzähligen Generationen ihre eigene Mutter. Und dieser Mutter vertraut sie sich an: alle Menschen und ganz Polen — die Gemeinschaft der Nation und ihre Geschichte. In dieser schweren Stunde der Geschichte trage ich Dir, Mutter, die kindlichen Wünsche für Polen, für meine Heimat und für die Nation vor. Ich wünsche, daß diese Nation in Frieden und nicht in einem Zustand des Krieges lebe und daß sie ihr eigenes Leben leben kann. Ich wünsche, daß - als unerläßliche Vorbedingung für den Frieden -sämtliche Rechte des Menschen respektiert werden. Ich wünsche, daß ebenso alle Rechte der Nation geachtet werden, durch die diese Nation die Möglichkeit erhält, sie selbst zu sein und je nach ihren berechtigten Bestrebungen und Wünschen über sich zu entscheiden. Mutter von Jasna Göra, nimm diese Wünsche als Gebet an, mit dem wir Deine göttliche und zugleich menschliche Mutterschaft verehren. Erhöre unsere Bitte - und hilf, sie zu erfüllen! 9 AUDIENZEN UND ANGELUS 18 neue Kardinäle: Konsistorium am 2. Februar Ankündigung bei der Generalaudienz am 5. Januar Es ist mir eine Freude, nun anzukündigen, daß am 2. Februar, dem Fest der Darstellung des Herrn, ein Konsistorium stattfinden wird, in dessen Verlauf ich zum zweiten Mal während meines Pontifikats achtzehn neue Kardinäle ernennen werde. Ihre Namen sind: Antoine Pierre Khoraiche, maronitischer Patriarch von Antiochien in Beirut; Bernard Yago, Erzbischof von Abidjan; Aurelio Sabattani, Titu-larerzbischof, Präfekt des Obersten Tribunals der Apostolischen Signatur; Franjo Kuharic, Erzbischof von Zagreb; Giuseppe Casoria, Titularerzbi-schof, Pro-Präfekt der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst; Jose Ali Lebrun Moratinos, Erzbischof von Caracas; Joseph L. Bernardin, Erzbischof von Chicago; Michael Michai Kitbunchu, Erzbischof von Bangkok; Alexandre do Nascimento, Erzbischof von Lubango und Apostolischer Administrator „ad nutum Sanctae Sedis“ von Onjiva; Alfonso Lopez Trujillo, Erzbischof von Medellin, Präsident des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM); Godfried Danneels, Erzbischof von Mecheln und Brüssel; Thomas Stafford Wilhams, Erzbischof von Wellington; Carlo Maria Martini SJ, Erzbischof von Mailand; Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris; Jozef Glemp, Erzbischof von Gnesen und Warschau; Julijans Vaivods, Bischof, Apostolischer Administrator von Riga und Liepaja; Joachim Meisner, Bischof von Berlin; P. Henri De Lubac SJ. Wie ihr seht, wird der Geist der Universalität, der der gesamten Kirche eigen ist, im Heiligen Kollegium, der ehrwürdigen Versammlung der engsten Mitarbeiter des Papstes, eindeutig betont. Bei den Neuerwählten handelt es sich tatsächlich um Erzbischöfe und Bischöfe aus allen fünf Kontinenten: zwei aus Afrika (Elfenbeinküste und Angola); einer aus Nordamerika (USA); zwei aus Südamerika (Venezuela und Kolumbien); zwei aus Asien (Libanon und Thailand); sieben aus Europa (Jugoslawien, Belgien, Italien, Frankreich, Polen, Lettland und Deutschland); einer aus Ozeanien (Neuseeland). Zwei weitere sind Verantwortliche zweier Dika-sterien der Römischen Kurie. Und schließlich ist darunter der ehrwürdige Pater De Lubac, weltweit bekannt wegen seiner langen Tätigkeit auf theologischem und patristischem Gebiet. In Erwartung jenes Tages empfehle ich euch, nun für die Neuerwählten zu beten, auf daß sie in der Kirche stets „Lampen“ sein mögen, „die brennen und leuchten“ (vgl. Joh 5, 35) zur Ehre Gottes und zum Wohl der Menschen, unserer Brüder. 10 AUDIENZEN UND ANGELUS Und Johannes taufte ihn Vor dem Angelus am 9. Januar 1. „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden“ (Lk 3, 22). In der heutigen Liturgie hören wir diese Worte, die damals in der Gegend am Jordan vernommen wurden, als Christus aus den Händen des Johannes die Taufe empfing. Wie man weiß, war die Taufe des Johannes „eine Taufe zur Umkehr“ (Mk 1, 4). Als „Jesus von Galiläa an den Jordan ... kam, um sich taufen zu lassen“ (Mt 3, 13), „wollte es Johannes nicht zulassen und sagte zu ihm: Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir? Jesus antwortete ihm: Laß es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen“ (ebd. 3, 14-15). Und Johannes taufte ihn. 2. Mit dem Fest der Taufe des Herrn schließt die liturgische Zeit von Weihnachten und Epiphanie. Die Liturgie eilt voraus. Vor kurzem haben wir uns in der Weihnachtsnacht über das Kommen des Gottessohnes in diese Welt gefreut und erst vor wenigen Tagen über das Eintreffen der Könige aus dem Morgenland. Heute bücken wir auf jene Ereignisse aus der Sicht des inzwischen „etwa dreißig Jahre alten“ Jesus (Lk 3, 23) zurück. Und auch wenn wir am Fest der Darstellung des Herrn noch einmal in die Zeit der Kindheit Jesu zurückkehren, ist diese Perspektive doch schon heute gewissermaßen abgeschlossen. Wir lassen rasch die Zeit des verborgenen Lebens in Betlehem, in Ägypten und Nazaret zurück und finden uns an der Schwebe des messia-nischen und öffentüchen Wirkens des Erlösers. Genau in dem Augenblick, wo Johannes am Ufer des Jordan hinweist auf „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“ (vgl. Joh 1, 29), bestätigt eine Stimme von oben die Gottessohnschaft Christi. Somit sind wir zugleich mitten in der Epiphanie. Die Epiphanie ist ja die Offenbarung des Sohnes, der eines Wesens mit dem Vater ist, in dem von der Jungfrau Maria in der Weihnachtsnacht in Betlehem geborenen Jesus Christus. 3. Ich denke heute an die Bischöfe aus der Repubük Zimbabwe, die in diesem Jahr zu ihrem „Ad-limina“-Besuch gekommen sind. Es handelt 11 AUDIENZEN UND ANGELUS sich um sieben Bischöfe, die eine katholische Gemeinschaft vertreten, die ungefähr zehn Prozent der Bevölkerung jenes Landes ausmacht, von der sich übrigens 58 Prozent zum christlichen Glauben bekennen. Trotz der Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den kriegerischen Ereignissen der letzten Jahre ist die Kirche Zimbabwes lebendig und dynamisch und entfaltet eine intensive Wirksamkeit sowohl im erzieherischen Bereich wie bei Hilfsmaßnahmen und in der besonderen Aufgabe der Evangelisierung. Den Bischöfen stehen auf verschiedenen Ebenen Welt- und Ordenspriester, Ordensfrauen, Katecheten und auch Laienmissionare zur Seite, während in drei Seminarien die künftigen Verantwortlichen dieser Kirche ausgebildet werden. Beten wir zum Herrn, damit die Kirche in Zimbabwe wachsen und zunehmen möge an Umfang und noch mehr an Tiefe des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung und damit es ihr niemals an hochherzigen Menschen in ihrem Dienst fehle. Sprache der Liebe - Sprache der Treue Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Januar 1. Untersuchen wir nun die Sakramentalität der Ehe unter dem Aspekt des Zeichens. Wenn wir behaupten, daß zur Struktur der Ehe als sakramentales Zeichen wesentlich auch die Sprache des Leibes gehört, beziehen wir uns damit auf eine lange biblische Überlieferung. Sie hat ihren Ursprung im Buch Genesis (vor allem 2, 23-35) und findet ihre endgültige Krönung im Brief an die Epheser (vgl. Eph 5, 21-33). Die Propheten des Alten Testaments haben eine entscheidende Rolle bei der Entstehung dieser Uberheferung gespielt. Als wir die Texte von Hosea, Ezechiel, Deuterojesaja und anderer Propheten analysierten, befanden wir uns in der Liturgie jener großen Analogie, deren letzter Ausdruck die Verkündigung des Neuen Bundes in Gestalt eines Ehebundes zwischen Christus und der Kirche ist (vgl. ebd.). Auf Grund dieser langen Überlieferung kann man von einer spezifischen „prophetischen“ Sicht des Leibes sprechen, weil wir dieser Analogie vor allem bei den Propheten begegnen, aber auch im Hinblick auf ihren Inhalt. Diese „prophetische“ Sicht des Leibes drückt sich eben in der „Sprache des Leibes“ aus. 12 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Analogie scheint zweischichtig zu sein. In der ersten und grundlegenden Schicht vergleichen die Propheten den zwischen Gott und Israel geschlossenen Bund mit einer Ehe (was uns wiederum erlauben wird, die Ehe selbst als einen Bund zwischen Mann und Frau zu verstehen) (1). In diesem Fall geht der Bund von der Initiative Gottes, des Herrn Israels, aus. Die Tatsache, daß er als Schöpfer und Herr zuerst mit Abraham und dann mit Mose einen Bund schließt, ist bereits Beweis für eine besondere Erwählung. Und deshalb gehen die Propheten, während sie den ganzen sittenrechtlichen Inhalt des Bundes voraussetzen, mehr in die Tiefe, indem sie eine unvergleichlich innerlichere Dimension dieses Bundes enthüllen als die eines bloßen Vertrages. Als Gott Israel auserwählte, hat er sich durch Liebe und Gnade mit seinem Volk verbunden. Er hat sich ihm durch besondere, zutiefst persönliche Bande verbunden, und darum wird Israel, obwohl es Volk ist, in der prophetischen Schau des Bundes als „Braut“ oder „Gemahlin“, das heißt also gewissermaßen als Person vorgestellt: „... Dein Schöpfer ist dein Gemahl, ,Herr der Heere“ wird er genannt. Der heilige Gott Israels ist dein Befreier, ,Gott der ganzen Erde“ wird er genannt ... Spricht dein Gott ... Meine Gnade wird nie von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken“ (Jes 54, 5,6.10). 3. Jahwe ist der Herr Israels, aber er wurde auch Israels Bräutigam. Die Bücher des Alten Testaments bezeugen die völlige Originalität der Herrschaft Jahwes über sein Volk. Zu den übrigen Aspekten der Herrschaft Jahwes, dem Herrn des Bundes und Vater Israels, tritt ein neuer, von den Propheten enthüllter Aspekt hinzu, nämlich die großartige Dimension dieser Herrschaft, die in der Dimension des Ehebundes besteht. Auf diese Weise stellt sich die absolute Herrschaft als die absolute Liebe heraus. In Beziehung zu dieser absoluten Liebe bedeutet der Bruch des Bundes nicht nur die Verletzung des mit der Autorität des obersten Gesetzgebers verbundenen Vertrages, sondern sie bedeutet Untreue und Verrat: einen Schlag, der geradewegs sein Herz als Vater, als Bräutigam und als Herr durchbohrt. 4. Wenn man in der von den Propheten gebrauchten Analogie von Schichten sprechen kann, so ist das in gewissem Sinne die erste und grundlegende Schicht. Da der Bund Jahwes mit Israel den Charakter einer eheähnlichen Bindung hat, enthüllt die erste Schicht der Analogie die zweite, die eben die Sprache des Leibes ist. Wir denken hier an die Sprache im objektiven Sinn: die Propheten vergleichen den Bund mit der 13 AUDIENZEN UND ANGELUS Ehe, sie berufen sich auf jenes Ur-Sakrament, von dem in Genesis 2, 24 die Rede ist, in dem Mann und Frau aus freier Wahl „ein Fleisch“ werden. Charakteristisch für die Ausdrucksweise der Propheten ist jedoch die Tatsache, daß sie die Sprache des Leibes im objektiven Sinn voraussetzen, gleichzeitig aber zu ihrer subjektiven Bedeutung übergehen: das heißt, sie erlauben sozusagen dem Leib selbst zu sprechen. In den prophetischen Texten des Alten Bundes ist es auf Grund der Analogie mit der ehelichen Verbindung der Leib selbst, der spricht; er spricht in seinem Mann- oder Frausein, er spricht in der geheimnisvollen Sprache der persönlichen Hingabe, er spricht schließlich - und das ist am häufigsten der Fall - in der Sprache der Treue, also der Liebe, wie auch in der Sprache der ehelichen Untreue, also des Ehebruchs. 5. Bekanntlich waren es die verschiedenen Sünden des auserwählten Volkes - und vor allem die häufige Untreue in bezug auf die Verehrung des einen Gottes, also verschiedene Formen des Götzendienstes -, die den Propheten Anlaß zu der obengenannten Redeweise boten. Zum Propheten des „Ehebruchs“ Israels ist besonders Hosea geworden, der ihn nicht nur in Worten, sondern gewissermaßen auch in symbolischen Handlungen brandmarkt: „Geh, nimm dir eine Kultdirne zur Frau und zeuge Dirnenkinder! Denn das Land hat den Herrn verlassen und ist zur Dirne geworden“ (Hos 1, 2). Hosea hebt die ganze Herrlichkeit des Bundes hervor - jenes Ehebundes, in dem sich Jahwe als einfühlsamer, hebevoller, zur Vergebung bereiter und zugleich fordernder und gestrenger Bräutigam und Gemahl erweist. Der „Ehebruch“ und die „Prostitution“ Israels stellen einen offenkundigen Widerspruch zu der eheähnlichen Bindung dar, auf der der Bund beruht. 6. Ezechiel brandmarkt auf ähnliche Weise den Götzendienst und spricht symbolisch vom Ehebruch Jerusalems (vgl. Ez 16) und, an anderer Stelle, vom Ehebruch Jerusalems und Samarias (vgl. Ez 23): „Da kam ich an dir vorüber und sah dich, und ich sah, daß deine Zeit gekommen war, die Zeit der Liebe ... Ich leistete dir den Eid und ging mit dir einen Bund ein -Wort Gottes, des Herrn -, und du wurdest mein“ {Ez 16, 8). „Doch dann hast du dich auf deine Schönheit verlassen, du hast deinen Ruhm mißbraucht und dich zur Dirne gemacht. Jedem, der vorbeiging, hast du dich angeboten“ {Ez 16, 15). 7. In den prophetischen Texten spricht der menschliche Leib eine Sprache, deren „Autor“ nicht er ist. Ihr „Autor“ ist der Mensch als Mann oder 14 AUDIENZEN UND ANGELUS Frau, als Bräutigam oder Braut - der Mensch mit seiner immerwährenden Berufung zu personaler Gemeinschaft. Der Mensch ist jedoch gewissermaßen außerstande, diese einzigartige Sprache seiner personalen Existenz und Berufung ohne den Leib zum Ausdruck zu bringen. Er ist bereits „im Anfang“ so angelegt, daß die tiefsten Worte des Geistes: Worte der Liebe, Hingabe und Treue, nach einer entsprechenden „Sprache des Leibes“ verlangen. Ohne diese können sie nicht vollständig zum Ausdruck gebracht werden. Wir wissen aus dem Evangelium, daß sich das auf die Ehe wie auf die Ehelosigkeit „um des Himmelreiches willen“ bezieht. 8. Als inspirierte Sprecher für den Bund Jahwes mit Israels versuchen die Propheten gerade durch diese Sprache des Leibes die Tiefe des eheähnlichen Bundes wie auch all das, was ihm widerspricht, auszusagen. Sie loben die Treue, prangern hingegen die Untreue als „Ehebruch“ an - sie sprechen also in ethischen Kategorien, indem sie das sittlich Gute und Böse gegenüberstellen. Der Gegensatz von Gut und Böse ist für das Ethos wesentlich. Die prophetischen Texte haben hier eine entscheidende Bedeutung, wie wir bereits in unseren vorausgehenden Betrachtungen dargelegt haben. Die Sprache des Leibes scheint jedoch nach den Propheten nicht nur eine Sprache des Ethos, ein Lob der Treue und der Reinheit sowie eine Verurteilung des Ehebruchs und der Prostitution zu sein. In der Tat sind ja für jede Sprache als Erkenntnisausdruck die Kategorien der Wahrheit und der Unwahrheit (oder des Falschen) wesentlich. In den Texten der Propheten, die die Analogie des Bundes Jahwes mit Israel in der Ehe erblicken, sagt der Leib die Wahrheit aus durch Treue und eheliche Liebe, und wenn er Ehebruch begeht, lügt er, sagt er Falsches aus. 9. Es geht hier nicht darum, die ethischen Unterschiede durch logische zu ersetzen. Wenn die prophetischen Texte die eheliche Treue und Reinheit als „Wahrheit“, den Ehebruch oder die Prostitution hingegen als „Unwahrheit“, als „Falschheit“ der Sprache des Leibes bezeichnen, dann deshalb, weil im ersten Fall das Subjekt (d. h. Israel als Braut) im Einklang steht mit der Bedeutung, die dem menschlichen Leib in seinem Mannsein oder Frausein, in der Gesamtstruktur der Person zu eigen ist; im zweiten Fall hingegen steht dasselbe Subjekt im Gegensatz und im Widerspruch zu dieser Bedeutung. Wir können also sagen, das Wesentliche für die Ehe als Sakrament ist die in der Wahrheit neu erlernte Sprache des Leibes. Gerade darin besteht das sakramentale Zeichen. 15 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur heutigen Audienz. Euren Romaufenthalt und euren Lebensweg im neuen Jahr begleite ich mit meinen besten Wünschen und mit meinem Gebet. Unsere Überlegungen gelten auch heute der Sakramentalität der Ehe. Schon den Propheten im Alten Testament diente der Ehebund zur Veranschaulichung des Bundes zwischen Gott und seinem Volk. Gott ist mit Israel nicht nur durch einen „Vertrag“ verbunden, sondern durch Liebe und Gnade. Jahwe ist der Herr, aber auch der Bräutigam Israels. Darum bezeichnen die Propheten jeden Bruch dieses Bundes von seiten des Volkes als Untreue und Verrat. Osea spricht sogar von „Ehebruch“ und „Prostitution“. Die Vergehen Israels gegen Gott sind eine schwere Verletzung des bräutlichen Charakters des Bundes, so wie der Bruch der ehelichen Treue ein grober Verstoß gegen die bräutliche Bestimmung und die personale Ausrichtung des Leibes auf nur einen Partner ist. Die Ausdrucksweise und „Sprache des Leibes“ spricht die Wahrheit nur durch Treue und eheliche Liebe. Ehebruch hingegen ist Lüge. Von Herzen erteile ich euch und allen, die euch verbunden sind, meinen besonderen Apostolischen Segen. Für die Einheit der Christen beten! Vor dem Angelus am 16. Januar 1. „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2, 5). Diese Worte Mariens hören wir in dem Text des Johannesevangeliums in der heutigen Liturgie. Sie wurden in Kana in Galiläa bei der Hochzeit gesprochen, zu der Jesus mit seiner Mutter und seinen Jüngern eingeladen worden war. Maria sprach diese Worte zu den Dienern; zuvor aber hatte sie sich mit einer fragenden Bitte an ihren Sohn gewandt und ihn auf die schwierige Situation hingewiesen, in der sich die Gastgeber und das jungvermählte Paar befanden, als der Wein ausgegangen war. Wir wissen aus dem Evangelium, daß die Diener sogleich den Worten der Mutter Jesu gehorchten. Wir wissen, daß sie auf Jesu Geheiß die Krüge mit Wasser füllten und das Wasser dem Speisemeister reichten und daß 16 AUDIENZEN UND ANGELUS sich das Getränk als Wein herausstellte. „So tat Jesus sein erstes Zeichen, in Kana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2, 11). 2. „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2, 5). Auch wir wollen ein besonderes Gebot und den Willen des Herrn Christus erfüllen, wenn wir in den kommenden Tagen (vom 18. bis 25. Januar) die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen halten. In dieser Gebetswoche wollen wir vor allem mit unserem Herrn und Heiland vereint sein, der im Abendmahlssaal zu seinem Vater gebetet hat: „Damit sie eins sind“ (Joh 17, 11). Das Gebet Christi für die Einheit seiner Jünger und Bekenner in der ganzen Welt scheint in der heutigen Christenheit mit besonderer Kraft und Hoffnung Widerhall zu finden. Wir wollen deshalb besonders in den nächsten Tagen gemeinsam mit all unseren Brüdern, die noch nicht mit uns in voller christlicher Gemeinschaft stehen, dafür beten, daß die Zeit für die volle Einheit nahe und heranreife. Wir wollen das in diesem Jahr unter dem Leitwort tun: „Jesus Christus, das Leben der Welt“ (vgl. 1 Joh 1, 1-4), dem sich alle christlichen Gemeinschaften im Namen Christi anschließen. 3. Im vergangenen Jahr haben die Bischöfe Österreichs ihren „Ad-limina“-Besuch durchgeführt. So will ich heute mittag an Kardinal Franz König und die Bischöfe dieser geliebten Nation, die Priester und alle, die ihre Kräfte in den verschiedenen Bereichen der Pastoralarbeit einsetzen, einen besonderen Gruß richten. Im Verlauf ihres „Ad-hmina“-Besuches habe ich von den Brüdern im Bischofsamt genaue und dem neuesten Stand entsprechende Berichte über die Lage dieser Kirche erhalten, die auf reiche Traditionen christlichen Lebens zurückblicken kann und gegenwärtig um die Anpassung an die Erfordernisse der neuen Zeit in treuer Anhänglichkeit an die ewigen Werte der christlichen Botschaft bemüht ist. Voll Freude habe ich unter anderem den Einsatz der Pastoral zur Gewinnung neuer Berufe gewürdigt, um eine angemessene Zahl von Personen sicherzustellen, die sich ganz der Sache des Reiches Christi weihen, wie auch dem Dienst, den die christliche Gemeinschaft der Jugenderziehung und der karitativen Tätigkeit leistet. Während ich den Bischöfen Österreichs und durch sie allen Gläubigen dieser Nation erneut meinen herzlichen Dank für das Zeugnis der Verbundenheit mit dem Stuhl Petri, das sie auch bei dieser Gelegenheit 17 AUDIENZEN UND ANGELUS geboten haben, ausspreche, versichere ich sie meines ständigen Gebetes, insbesondere für einen guten Verlauf des Katholikentages, der im kommenden September in diesem Land stattfinden soll. Die „Sprache des Leibes“ erlernen! Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Januar Liebe Brüder und Schwestern! Diese Audienz findet am zweiten Tag der Gebetswoche für die Wiederherstellung der Einheit zwischen allen, die an Jesus Christus glauben und von ihm das Heil erwarten, statt. Das ist ein Augenblick von großer kirchlicher Bedeutung: ich möchte, daß er zutiefst geteilt wird von allen Gläubigen der katholischen Kirche und den Christen der noch von uns getrennten Kirchen und Gemeinschaften, denen ich meinen herzlichen und zuversichtlichen Gruß sende. Während wir uns von dem in diesem Jahr zur Besinnung vorgeschlagenen Leitwort „Jesus Christus, Leben der Welt“ (vgl. 1 Joh 1, 1-4) inspirieren lassen, beten wir, daß er alle, die an ihn glauben, immer stärker belebe und eine. Durch seine Gnade, unterstützt von einer beharrlichen Anstrengung in Demut, Liebe und gutem Willen, wollen wir eines Tages zu dem ersehnten Ziel gelangen, für das der Herr selber gebetet hat: „Damit sie eins sind“ (Joh 17, 11). 1. Die Texte der Propheten haben große Bedeutung für das Verständnis der Ehe als Bund zweier Menschen (nach dem Bild des Bundes Jahwes mit Israel) und insbesondere für das Verständnis des sakramentalen Bundes von Mann und Frau in der Dimension des Zeichens. Die Sprache des Leibes tritt - wie wir schon festgestellt haben - in die Gesamtstruktur des sakramentalen Zeichens ein, deren wesentliches Subjekt der Mensch als Mann und Frau ist. Die Worte des Eheversprechens sind dieses Zeichen. In ihnen drückt sich die Bedeutung des Leibes in seinem Mann-und Frausein für die Ehe aus. Zeichen des Bundes und der Gnade Eine solche Bedeutung kommt vor allem in den Worten zum Ausdruck: „Ich ... nehme dich ... zu meiner Frau ... zu meinem Mann.“ Außerdem 18 AUDIENZEN UND ANGELUS wird mit diesen Worten das wahre Wesen der Sprache des Leibes bestätigt und auch (wenigstens indirekt, implizit) die unwahre, falsche Sprache des Leibes ausgeschlossen. Denn der Leib sagt die Wahrheit durch Liebe, Treue und Ehrbarkeit, so wie die Unwahrheit, also die Falschheit, sich durch all das ausdrückt, was der ehelichen Liebe, Treue und Ehrbarkeit widerspricht. Man kann also sagen, daß sich die Brautleute in dem Augenblick, wo sie sich das Eheversprechen geben, auf die Linie der prophetischen Sicht des Leibes stellen, deren Wortführer die alten Propheten waren. Die Sprache des Leibes, die durch den Mund der Spender des Ehesakraments der Kirche zum Ausdruck gebracht wird, stiftet dasselbe sichtbare Zeichen des Bundes und der Gnade, das - in seinem Ursprung auf das Schöpfungsgeheimnis zurückgehend - sich ständig aus der Kraft der der Kirche von Christus geschenkten Erlösung des Leibes nährt. 2. Nach den Texten der Propheten spricht der Leib eine Sprache, deren Autor er nicht ist. Ihr Autor ist der Mensch, der als Mann und Frau, als Bräutigam und Braut die Bedeutung dieser Sprache sinngerecht erlernt. Er lernt also die Bedeutung des Leibes für die Ehe, die vollständig in die männliche oder weibliche Struktur der Person einbezogen ist. Ein sinngerechtes Erlernen „in der Wahrheit“ - das ist die unerläßliche Voraussetzung für die Verkündigung dieser Wahrheit oder die Einsetzung des sichtbaren Zeichens der Ehe als Sakrament. Die Brautleute verkünden eben diese in der Wahrheit neu erlernte Sprache des Leibes als Inhalt und Prinzip ihres neuen Lebens in Christus und in der Kirche. Das Eheversprechen ist ein Gelübde In der prophetischen Sicht des Leibes vollziehen die Spender des Ehesakraments einen Akt prophetischen Charakters. Sie bestätigen so ihre Teilhabe an der von Christus empfangenen prophetischen Sendung der Kirche. Prophet ist derjenige, der mit menschlichen Worten die von Gott kommende Wahrheit ausdrückt, der diese Wahrheit in Vertretung Gottes, in seinem Namen und gewissermaßen mit seiner Vollmacht ausspricht. 3. Das alles bezieht sich auf die Neuvermählten, die als Spender des Ehesakraments mit den Worten des Eheversprechens das sichtbare Zeichen setzen, indem sie die in der Wahrheit neuerlernte Sprache des Leibes als Inhalt und Prinzip ihres neuen Lebens in Christus und in der Kirche verkünden. Diese prophetische Verkündigung hat mannigfaltigen Cha- 19 AUDIENZEN UND ANGELUS rakter. Das Eheversprechen ist zugleich Ankündigung und Ursache der Realität, daß die beiden von nun an vor der Kirche und der Gesellschaft Ehemann und Ehefrau sind. (Eine solche Ankündigung verstehen wir als Anzeige - Hochzeitsanzeige - im üblichen Sinne des Wortes.) Doch das Eheversprechen hat vor allem den Charakter eines gegenseitigen Gelübdes der Neuvermählten, das vor Gott abgelegt wird. Man braucht sich nur aufmerksam den Text anzusehen, um sich davon zu überzeugen, daß die in der Wahrheit neuerlernte prophetische Sprache des Leibes sich unverzüglich und direkt vom Ich dem Du zuwendet: vom Mann zur Frau und von ihr zu ihm. Zentrale Stellung im Eheversprechen haben gerade die Worte, die auf die Person hinweisen, die Pronomina ich und du. Die in der Wahrheit seiner Bedeutung für die Ehe neuerlernte Sprache des Leibes stellt durch die Worte der Brautleute die Einswerdung zweier Personen her. Wenn das Eheversprechen prophetischen Charakter besitzt, wenn es die Verkündigung der von Gott kommenden Wahrheit und gewissermaßen die Bekanntgabe dieser Wahrheit im Namen Gottes ist, so erfüllt sich das vor allem in der Dimension der interpersonalen Gemeinschaft und nur indirekt vor den anderen und für die anderen. 4. Vor dem Hintergrund der von den Spendern des Ehesakraments gesprochenen Worte steht die ewige Sprache des Leibes, mit der Gott begonnen hat, als er den Menschen als Mann und Frau schuf: eine Sprache, die von Christus erneuert worden ist. Diese ewige Sprache des Leibes trägt die ganze Fülle und Tiefe des Geheimnisses in sich: zuerst das Schöpfungs- und dann das Erlösungsgeheimnis. Indem die Brautleute das sichtbare Zeichen des Sakraments durch die Worte ihres Eheversprechens setzen, drücken sie die Sprache des Leibes mit der ganzen Tiefe des Geheimnisses von Schöpfung und Erlösung aus (in der Liturgie des Ehesakraments finden sich dafür zahlreiche Belege). Indem sie die Sprache des Leibes neu erlernen, schließen die Brautleute in die Worte des Eheversprechens nicht nur die für die Verwirklichung des Zeichens dieses Sakraments unerläßliche subjektive Fülle des Gelübdes ein, sondern sie gelangen gewissermaßen auch zu den Quellen selbst, aus denen dieses Zeichen jedes Mal seine prophetische Bedeutung und sakramentale Kraft schöpft. Man darf nicht vergessen, daß die Sprache des Leibes, ehe sie vom Mund der Brautleute, den Spendern der Ehe als Sakrament der Kirche, gesprochen wird, durch das Wort des lebendigen Gottes verkündet wurde, vom Buch Genesis, über die Propheten des Alten Bundes bis zum Verfasser des Epheserbriefes. 20 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Wir gebrauchen hier, unter Berufung auf die prophetischen Texte, immer wieder den Ausdruck „Sprache des Leibes“. In diesen spricht, wie bereits gesagt, der menschliche Leib eine Sprache, deren Autor im eigentlichen Sinne des Wortes nicht er ist. Der Autor ist der Mensch -Mann und Frau -, der den wahren Sinn jener Sprache neu erlernt, indem er die Bedeutung des Leibes für die Ehe, als in die Struktur der männlichen und weiblichen Person eingeprägt, wieder sichtbar werden läßt. Worte von prophetischem Charakter Dieses Neu-Erlernen der wahren Sprache des Leibes verleiht den Worten des Eheversprechens, durch die Mann und Frau das sichtbare Zeichen der Ehe als Sakrament der Kirche setzen, von selbst einen prophetischen Charakter. Diese Worte drücken jedoch noch mehr aus als ein bloßes Neu-Erlernen jener Sprache in der Wahrheit, von der das aufeinanderbe-zogene Frau- und Mannsein der Neuvermählten spricht: „Ich nehme dich zu meiner Frau - zu meinem Mann.“ Die Worte des Eheversprechens schließen die Absicht, die Entscheidung und die Wahl ein. Beide, Braut und Bräutigam, beschließen, gemäß der neuerlernten, wahren Sprache des Leibes zu handeln. Wenn der Mensch, als Mann und Frau, der Autor dieser Sprache ist, dann vor allem deshalb, weil er seinem Verhalten und seinem Tun jene Bedeutung schenken will und tatsächlich schenkt, die der neuerlernten Bedeutung der Wahrheit des Mann- und Frauseins in den gegenseitigen ehelichen Beziehungen entspricht. 6. In diesem Bereich ist der Mensch Urheber von Handlungen, die an und für sich eine klare Bedeutung haben. Er ist also Urheber der Handlungen und zugleich Urheber ihrer Bedeutung. Die Summe jener Bedeutungen stellt gewissermaßen das Ganze der Sprache des Leibes dar, in der die Brautleute als Spender des Ehesakraments miteinander sprechen wollen. Das Zeichen, das sie mit den Worten des Eheversprechens setzen, ist nicht ein bloß spontanes, momentanes Zeichen, sondern ein zukunftweisendes Zeichen, das bleibende Gültigkeit hat, das heißt das eine und unauflösliche Ehebündnis meint „solange ich lebe“, d. h. bis zum Tod. Die Wahrheit des Zeichens In dieser Perspektive müssen sie das Zeichen mit dem vielfältigen Inhalt erfüllen, den die Ehe- und Familiengemeinschaft von Personen bietet, 21 AUDIENZEN UND ANGELUS auch mit jenem Inhalt, der seinen Ursprung in der Sprache des Leibes hat und ständig neu erlernt wird, um wahr zu bleiben. So bleibt die wesenhafte Wahrheit des Zeichens mit dem Ethos des ehelichen Verhaltens lebendig verbunden. In diese Wahrheit des Zeichens und folglich in das Ethos des ehelichen Verhaltens fügt sich die Leben schenkende Aufgabe des Leibes ein, also die Vater- und Mutterschaft, von der wir bereits früher gesprochen haben. Auf die Frage: „Seid ihr bereit, die Kinder, die Gott euch schenken will, anzunehmen und sie im Geiste Christi und seiner Kirche zu erziehen?“ - antworten Mann und Frau mit Ja. Bei späteren Begegnungen wollen wir dieses Thema weiter vertiefen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude grüße ich euch zu dieser heutigen Begegnung. Sie erfolgt in der Weltgebetsoktav für die Einheit der Christen. Schließt dieses große Anliegen Christi und der Kirche auch ganz besonders in euer persönliches Gebet ein. In unseren Überlegungen über die Sakramentalität der Ehe betrachten wir heute das gegenseitige Versprechen von Braut und Bräutigam: „Ich nehme dich zu meiner Ehefrau ... zu meinem Ehemann.“ Mit diesen Worten spenden die Brautleute einander das Ehesakrament. Der eine überantwortet sich dadurch dem andern zu einer innigen leiblich-personalen Gemeinschaft. Die Worte beinhalten ein Versprechen zu ausschließlicher gegenseitiger Hingabe, die es in ehelicher Liebe und Treue - in innerer Übereinstimmung mit dem bräutlichen Charakter des Leibes -gemeinsam zu verwirklichen gilt. Das Eheversprechen ist eine Willensentscheidung, auch danach handeln zu wollen. Sie schließt auch die Bereitschaft zur Fruchtbarkeit mit ein. Der so in Liebe und Treue gelebte Ehebund ist als Sakrament Abbild und wirksamer Ausdruck des Liebes-bundes zwischen Christus und der Kirche. Mit besten Wünschen für einen schönen Romaufenthalt erteile ich euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 22 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Pauluswort - Ansporn für die Einheit Vor dem Angelus am 23. Januar „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen“ (1 Kor 12, 13). 1. Diese Worte des hl. Apostels Paulus an die Christen in Korinth, die wir in der Liturgie des heutigen Sonntags hören, veranlassen uns, über die geheimnisvolle Realität der Kirche nachzudenken, die keine durch Initiative der Menschen entstandene Gesellschaft ist, sondern die lebendige Offenbarung Christi, der alle Getauften an sich bindet, um mit ihnen den einen vom Heiligen Geist beseelten mystischen Leib zu bilden. In der geistlichen Atmosphäre dieser Tage, die der Förderung des großen Anliegens der Einheit der Christen gewidmet sind, wird dieses Pauluswort wieder zum Ansporn für alle, die als Katholiken, Orthodoxe und Protestanten geeint sind in der gemeinsamen Anrufung des einen Herrn „Jesus Christus, des Lebens der Welt“. Möge dieses Leitwort der Weltgebetsoktav die Herzen zu einem Leben anspornen, das in Einheit und Gemeinschaft mit den anderen gelebt wird, ähnlich jener geheimnisvollen, tiefen Gemeinschaft, die zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist besteht, um so einen wirksamen geistlichen Beitrag zu dieser alljährlichen interkonfessionellen Initiative zu leisten, die die ökumenische Verständigung weiter verbessern soll. 2. Zum Abschluß dieser besonderen Gebetswoche werde ich mich am 25. Januar in die römische Basilika Sankt Paul vor den Mauern begeben, um am Grab jenes Apostels zu beten, der sein ganzes Leben bis zum blutigen Martyrium für die Verbreitung des christlichen Glaubens unter zahlreichen Gemeinden des Orients und Okzidents und für den Aufbau der einen Kirche eingesetzt hat. Im Laufe dieses Gottesdienstes soll die Dienerin Gottes Maria Gabriella Sagheddu zur Ehre der Altäre erhoben werden. Sie hat im betenden Schweigen der Trappistinnenabtei von Grottaferrata ihr Leben aufgeopfert, um vom Herrn das Geschenk der vollen Einheit unter den Christen zu erflehen. Das Beispiel und die Fürbitte dieser Ordensfrau, die tief unter dem Ärgernis der Spaltung unter den Christen litt, werden sicherlich Ansporn zur Verwirklichung dieses ersehnten Zieles sein. 3. Nun gehen meine Gedanken zu den Brüdern und Schwestern der katholischen Kirche in der Schweizer Eidgenossenschaft, wobei ich mich 23 AUDIENZEN UND ANGELUS daran erinnere, daß ich im vergangenen Juni Gelegenheit zu einem Blitzbesuch in Genf hatte. Einen Monat später, im Juli, konnte ich zu meiner Freude mit den Bischöfen dieser edlen Nation Zusammentreffen, die zu ihrem „Ad-limina“-Besuch nach Rom gekommen waren. Diese Begegnung war ein bedeutsamer Augenblick für das Leben und die Pastoraltätigkeit dieser Kirche, die 50 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht. Die katholische Kirche in der Schweiz zählt über 2500 Weltpriester, ungefähr 1800 Ordensmänner und über 10 000 Ordensfrauen. Auch der Betrieb der katholischen Schulen mit ungefähr 6000 Schülern sowie die zahlreichen von kirchlichen Organismen geleiteten Wohltätig-keits- und Fürsorgeeinrichtungen lassen für die Zukunft Gutes erhoffen. In der Hoffnung, den bereits programmierten Pastoralbesuch bei diesen Gläubigen durchführen zu können, lade ich euch ein, der mütterlichen Fürsorge der seligsten Jungfrau Maria, die im Heiligtum von Einsiedeln so sehr verehrt wird, alle Probleme anzuvertrauen, die dem geliebten Volk der Schweiz am Herzen liegen. Tag für Tag dasselbe Zeichen Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Januar 1. Das Zeichen der Ehe als Sakrament der Kirche wird jedes Mal nach der ihm vom Anfang an eigenen Dimension gesetzt, und es ruht zugleich auf dem Fundament der Liebe Christi zu seiner Braut, der Kirche, als der einzige und unwiederholbare Ausdruck des Bundes zwischen diesem Mann und dieser Frau, die Spender der Ehe als Sakrament ihrer Berufung und ihres Lebens sind. Wenn wir sagen, daß das Zeichen der Ehe als Sakrament der Kirche auf der Sprache des Leibes beruht, bedienen wir uns der Analogie, die wir bereits früher zu klären versucht haben. Es ist offensichtlich, daß nicht der Leib als solcher spricht, sondern der Mensch, indem er das neu erlernt, was eben auf Grund des Leibes des Mann- oder Frauseins der Person ausgedrückt werden soll, ja auf Grund dessen, was vom Menschen allein durch den Leib ausgedrückt werden kann. In diesem Sinn spricht der Mensch - als Mann oder Frau - nicht nur in der Sprache des Leibes, sondern erlaubt dem Leib sozusagen für ihn und in seinem Auftrag zu sprechen: ich würde sagen, in seinem Namen und mit seiner persönlichen Autorität. Auf diese Weise scheint auch die Vorstel- 24 A UDIENZEN UND ANGELUS lung von der „prophetischen“ Sicht des Leibes begründet zu sein: „Prophet“ ist der, der für und im Auftrag von jemandem spricht: im Namen und mit der Autorität einer Person. 2. Die Brautleute sind sich dessen bewußt, wenn sie den Ehebund schließen und dabei das sichtbare Zeichen setzen. In der Perspektive des gemeinsamen Lebens und der ehelichen Berufung bleibt das am Anfang gesetzte Zeichen der Ehe als Sakrament der Kirche in der prophetischen Sicht des Leibes als volle Wirklichkeit. Der Leib der Eheleute wird für und im Auftrag beider sprechen, er wird im Namen und mit der Autorität beider Personen sprechen. Sie führen den ehelichen Dialog, der ihrer Berufung eigen ist und sich der Sprache des Leibes bedient, die zur rechten Zeit in passender Weise und immer wieder neu erlernt wird - und es ist notwendig, daß sie in der Wahrheit neu erlernt wird! Die Eheleute sind dazu aufgerufen, ihr Leben und ihr Zusammenleben als Personengemeinschaft in dieser Sprache zu gestalten. Da der Sprache eine Fülle von Bedeutungen innewohnt, sind die Eheleute aufgerufen — durch ihr Verhalten und Betragen, durch ihre Handlungen und Gesten („in zarter Zuneigung“: vgl. Gaudium et spes, Nr. 49) — der Sprache des Leibes solche Inhalte zu geben, aus denen sich dann eheliche Liebe, Treue und Wahrhaftigkeit und der Bund, der unauflöslich bis zum Tod bleibt, aufbauen und ständig vertiefen. 3. Das Zeichen der Ehe als Sakrament der Kirche wird von den Inhalten bestimmt, die ihm die Eheleute geben. All diese Inhalte sind von Anfang an im ehelichen Einvernehmen in synthetischer Form gewissermaßen programmiert, um anschließend - auf mehr analytische Weise, Tag für Tag - dasselbe Zeichen zu bilden, indem sie sich mit ihm in die Dimension des ganzen Lebens einfügen. Es besteht eine organische Verbindung zwischen dem Neuerlernen der ganzen Inhalte der Sprache des Leibes in der Wahrheit und dem anschließenden Gebrauch dieser Sprache im ehelichen Leben. Im Gebrauch dieser Sprache ist der Mensch - als Mann und Frau - Urheber der Bedeutungen der Sprache des Leibes. Das schüeßt ein, daß diese seine Sprache der neuerlernten Wahrheit entspricht. Aufgrund der biblischen Uberheferung sprechen wir hier von der prophetischen Sicht des Leibes. Wenn der Mensch - als Mann und Frau -in der Ehe (und indirekt auch in allen Bereichen des Zusammenlebens) seinem Verhalten eine Bedeutung gibt, die der fundamentalen Wahrheit der Sprache des Leibes entspricht, dann ist auch er selbst „in der Wahrheit“. Im umgekehrten Fall lügt er und verfälscht die Sprache des Leibes. 25 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Wenn wir von der Sicht ehelichen Einvernehmens ausgehen, das - wie wir bereits gesagt haben - den Eheleuten eine besondere Beteiligung an der von Christus selbst der Kirche übertragenen prophetischen Sendung schenkt, kann man sich hier auch der biblischen Unterscheidung zwischen „wahren“ und „falschen“ Propheten bedienen. Durch die Ehe als Sakrament der Kirche sind Mann und Frau, indem sie in richtiger Weise von der Sprache des Leibes Gebrauch machen, ausdrücklich berufen, von der ehelichen und auf Nachwuchs ausgerichteten Liebe Zeugnis zu geben, ein Zeugnis, das „wahrer Propheten“ würdig ist. Darin besteht die richtige Bedeutung und Größe des Eheversprechens im Sakrament der Kirche. 5. Die Problematik des sakramentalen Zeichens der Ehe hat in hohem Maße anthropologischen Charakter. Wir stellen sie auf die Grundlage der theologischen Anthropologie, besonders - wie wir von Anfang dieser Überlegungen an betont haben - auf die Theologie des Leibes. Deshalb müssen wir, wenn wir diese Gedanken weiterführen, stets die vorausgegangenen Betrachtungen vor Augen haben, nämlich die Schlüsselworte Christi (wir sagen „Schlüsselworte“, weil sie uns wie ein Schlüssel die einzelnen Dimensionen der theologischen Anthropologie, besonders der Theologie des Leibes, öffnen). Wenn wir unsere Gedanken über das sakramentale Zeichen der Ehe, an dem auch nach der Ursünde Mann und Frau als geschichtlicher Mensch teilhaben, auf diese Grundlage stützen, müssen wir ständig an die Tatsache denken, daß der geschichtliche Mensch als Mann und Frau zugleich der Mensch der Begierde ist; als solcher tritt jeder Mann und jede Frau in die Heilsgeschichte ein und wird durch das Sakrament als sichtbares Zeichen des Bundes und der Gnade in sie hineingenommen. Deshalb müssen wir im Zusammenhang der gegenwärtigen Überlegungen zur sakramentalen Struktur des Zeichens der Ehe jeweils nicht nur dem Rechnung tragen, was Christus über die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe sagte, indem er sich auf den „Anfang“ berief, sondern auch und noch mehr dem, was er in der Bergpredigt darlegte, als er sich auf das „menschliche“ Herz bezog. Im Anschluß an diese Ansprache wandte sich der Papst an die nichtitalienischen Pilger und gab in den Hauptsprachen eine kurze Zusammenfassung seiner Gedanken. Außerdem richtete er an einzelne Gruppen kurze Grußworte. Auf deutsch sagte er: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zu dieser wöchentlichen Begegnung hier im 26 AUDIENZEN UND ANGELUS Vatikan. Ich erbitte euch daraus reiche geistliche Früchte für euren Glauben und euer christliches Lebenszeugnis. Gegenstand unserer Betrachtung ist weiterhin das Ehesakrament. Die christliche Ehe ist die ausschließliche und unwiderrufliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau nach dem Vorbild und in der Kraft des Liebesbundes Christi mit der Kirche. Ihre natürliche Zuordnung zueinander wird durch das gegenseitige Eheversprechen verankert und erhöht in einer gnadenhaften Einheit, die es in ehelicher Liebe, Treue und Aufrichtigkeit gemeinsam im Leben zu verwirklichen gilt, bis der Tod sie scheidet. Auch ihre leibliche eheliche Begegnung ist geprägt von der personalen Würde und Berufung der beiden Partner als Mann und Frau. Als Personen geben sie den leiblichen Ausdrucksformen ihren wahren Sinn und Inhalt. Ihr Leib selbst wird zur Sprache, die jedoch nur solange die „Wahrheit“ spricht, als sie die Ausschließlichkeit und Unauflöslichkeit des gemeinsamen Ehebundes achtet. Jeder Verstoß dagegen ist Unwahrhaftigkeit und Lüge. Von Herzen erteile ich euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. Dank an die „ Väter“ des Kodex Vor dem Angelus am 30. Januar 1. Am 25. Januar - Fest der Bekehrung des Apostels Paulus - wurde der neue Kodex des kanonischen Rechts promulgiert. Es sei mir heute anläßlich des Angelus-Gebets gestattet, im Geist zurückzugehen zum gleichen Datum des Jahres 1959, als dieser neue Kodex vom Diener Gottes Johannes XXIII. zum ersten Mal angekündigt wurde. Diese Ankündigung war wie ein Anzeichen der neuen Aufgaben der Kirche. Heute wollen wir dem Heiligen Geist danken für die Eingebung, die damals im Herzen des Papstes geboren wurde. Er kündigte die Einberufung des Ökumenischen Konzils und die Reform des kirchlichen Gesetzbuches an. Das waren Zielsetzungen von weitreichender Bedeutung. Das Zweite Vatikanische Konzil wurde in den Jahren 1962 bis 1965 verwirklicht. Die Reform des Kirchenrechts sollte den vom Konzil vorgezeichneten Richtlinien folgen. Und nun, genau 24 Jahre nach der ersten Ankündi- 27 A UDIEN ZEN UND ANGEL US gung, wird auch dieses Anliegen Papst Johannes’ in unseren Tagen Wirklichkeit. Während wir Gott im Gebet für dieses bedeutende Werk danken, wollen wir voll Dankbarkeit auch der Männer gedenken, die dazu beigetragen haben. Ich halte es für meine Pflicht, ganz besonders an den vor kurzem verstorbenen, viel betrauerten Kardinal Pericle Fehei zu erinnern, der sich als Vorsitzender der Päpstlichen Kommission für die Revision des Kirchenrechts lange Jahre hindurch mit Fleiß und unermüdlichem Eifer dieser mühevollen und hohen Aufgabe gewidmet hat. Mein Gedenken gilt sodann Pater Raimondo Bidagor. Möge Gott allen ihren Lohn zuteil werden lassen! 2. Dann möchte ich bei der heutigen Begegnung der Brüder im Bischofsamt der Kirche Belgiens gedenken, die im vergangenen September zu dem gewohnten „Ad-limina“-Besuch beim Stuhl Petri nach Rom kamen. An sie ergeht jetzt mein herzlicher und dankbarer Gruß: an den Erzbischof von Mecheln-Brüssel, Msgr. Godfried Danneels, dem ich zu meiner Freude die Kardinalswürde verleihen werde, und an alle anderen Mitbrüder, die ihn begleitet haben. Im Verlauf des erwähnten Besuches hatte ich die Möglichkeit, mit ihnen eingehend über die gegenwärtige Situation ihrer Kirchen, ihre Probleme, ihre Vorhaben, ihre Arbeit und ihre Hoffnungen zu sprechen. Wie wir wissen, ist das Christentum in jener Nation seit Jahrhunderten lebendig, und heute ist wie in der ganzen übrigen Welt die Kirche auch in Belgien mit der Verwirklichung der konziliaren Erneuerung beschäftigt. Obwohl es in den letzten Jahren einen gewissen Rückgang der Seelsorger gegeben hat, konnte ich mit Freude feststellen, daß das trotzdem kein Nachlassen der Pastoralarbeit zur Folge hatte, ja daß diese sogar sehr einschneidend war und alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens erfaßte, von der Erziehung bis zum sozialen und karitativen Einsatz. Obwohl also auch Belgien das weltweite Problem des Mangels an Berufungen spürt, läßt uns doch der Eifer all derer, die gegenwärtig an der Arbeit sind, für die Zukunft Gutes erhoffen. Indem ich den Bischöfen Belgiens und durch sie der ganzen geliebten Nation nochmals meinen Dank ausspreche für das Zeugnis der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, das auch bei dieser Gelegenheit erbracht wurde, versichere ich sie meines ständigen Gebetsgedenkens. Nach dem Angelus-Gebet fuhr der Papst fort: 28 AUDIENZEN UND ANGELUS Heute sind auf diesem Platz zahlreiche Brüder und Schwestern anwesend, die in der Petersbasilika an einem Gottesdienst zum 30. Welttag für die Leprakranken teilgenommen haben. Ihnen gilt mein besonders herzlicher Gruß. Ziel dieser Welt-Lepratage ist es, die Gewissen zu einem größeren Engagement brüderlicher Solidarität anzuspornen im Kampf gegen eine Krankheit, die zwar sehr schwer, aber doch heilbar ist, vorausgesetzt, daß die von ihr Betroffenen entsprechend behandelt werden. Darum schließe auch ich mich von Herzen der Abhaltung des heutigen Tages an mit dem Wunsch und dem Gebet, daß er in reichem Maße die Ergebnisse erziele, die er sich gesetzt hat, damit daraus ein wichtiger Beitrag erwachse zum Fortschritt der Menschheit bis zu jener Befreiung vom Übel, die eines Tages im Reich Gottes volle Wirklichkeit wird. Allen gilt mein Segen. 2. bis 9. März: Reise nach Mittelamerika Vor dem Angelus am 6. Februar 1. Mit großer Freude kann ich heute mitteilen, daß ich, so Gott will, in den ersten zehn Tagen des kommenden März einen Pastoralbesuch bei den Kirchen von Costa Rica, Nicaragua, Panama, El Salvador, Guatemala, Honduras, Belize und Haiti machen werde; ich folge damit der von den Bischöfen und den staatlichen Behörden jener Länder an mich ergangenen Einladung. Am ersten Tag der Reise, dem 2. März, habe ich die Freude, in San Jose de Costa Rica mit den Bischöfen des zentralamerikanischen Bischofssymposions zusammenzutreffen, und am 9. März, vor der Abreise aus Mittelamerika, wird es in der Kathedrale Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe zu einer Begegnung mit den Bischöfen des Lateinamerikanischen Bischofsrates kommen, die zu diesem Zeitpunkt in Port au Prince ihre Vollversammlung abhalten. Ich vertraue diesen Pastoralbesuch dem Schutz der von den Gläubigen dieser Länder so tief verehrten Jungfrau Maria und den Gebeten an, die ihr, wie ich hoffe, an den Herrn richten werdet, damit auch diese apostolische Reise in Länder, die meinem Herzen so teuer sind, reiche Früchte bringe. 29 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die besorgniserregenden Nachrichten, die von den Medien über den Massenauszug Hunderttausender afrikanischer Flüchtlinge aus Nigeria in ihre Ursprungsländer verbreitet werden, erfüllen mein Herz mit tiefer Trauer und großer Besorgnis angesichts all dessen, was diesen vielen Menschen, die alle unsere Brüder sind, widerfährt. Diese Tragödie, die in unserem Jahrhundert noch nie dagewesene Ausmaße erreicht hat, beunruhigt das Gewissen aller. Sie muß den Einsatz aller mobilisieren, die auf nationaler und internationaler Ebene die Macht haben, Einfluß zu nehmen, sei es auf die wirtschaftlichen Ereignisse, die die Ursache solcher Erschütterungen sind, sei es vor allem auf das Geschick so vieler Menschen, die sich in Ereignisse verstrickt sehen, bei denen sie der unterlegene und schutzlose Teil sind. Unverzüglich und mit immer selbstloseren Initiativen haben Gruppen, Organisationen, Regierungen bereits auf den Appell geantwortet, die Leiden jener Brüder und Schwestern durch erste Hilfsmaßnahmen zu lindern. Ich möchte die Aufforderung wiederholen, damit dieses Werk mit Eifer und der Schwere der Not angemessenen Hilfsmaßnahmen verstärkt wird. Den Erfolg dieser Maßnahmen empfehle ich der Fürsprache der seligsten Jungfrau, der Zuflucht der Bedrängten, mit der Bitte, die Flüchtlinge mögen so bald wie möglich von den schwersten Nöten befreit werden. 3. Jetzt will ich meiner Begegnung mit den Bischöfen der Nordischen Bischofskonferenz gedenken; die im vergangenen Oktober zu ihrem „Ad-limina“-Besuch in Rom waren; zu ihr gehören die katholischen Gemeinden Dänemarks, Finnlands, Islands, Norwegens und Schwedens. Ich spreche diesen Bischöfen noch einmal meine dankbare Anerkennung aus für das Werk christlicher Neubelebung, das sie in den fünf Diözesen und zwei Prälaturen entfalten, wo sie den Spuren der großen Glaubensverkünder und Glaubenszeugen folgen, die ihnen vorausgegangen sind: der Heiligen Ansgar, Knut, Heinrich, Olaf, Birgitta und ihrer Tochter Katharina. Zugleich grüße ich herzlich alle Gläubigen dieser edlen Nationen, die eine kleine Minderheit sind, sich aber hoher Achtung und Wertschätzung erfreuen aufgrund ihrer aktiven Präsenz in der Erziehung und Fürsorge wie auch dank der guten ökumenischen Beziehungen, die sie zu den Brüdern anderer christlicher Konfessionen, die ja die große Mehrheit in den skandinavischen Ländern bilden, herzustellen wußten. Ich lade die Anwesenden ein, sich mit mir im Gebet für die Söhne und 30 AUDIENZEN UND ANGELUS Töchter der Kirche zu vereinen und besonders um zahlreiche Priester-und Ordensberufe für die geliebten skandinavischen Gemeinden zu beten. Nach dem Angelus-Gebet fuhr der Papst fort: Einen besonderen Gruß möchte ich noch an alle Pilger richten, die anläßlich des letzten Konsistoriums nach Rom gekommen sind, um ihre in das Heilige Kollegium der Kardinale berufenen Bischöfe zu begleiten. Meine Lieben, ich hoffe, daß das Erlebnis dieser Tage eine tiefe Spur in euren Herzen hinterläßt und euch zu neuer Hochherzigkeit im Praktizieren des christlichen Glaubens ansport. Euch und euren Lieben meinen Apostolischen Segen. Weil wir heute den „Tag für das Leben“ begehen, der die Verteidigung und Förderung des keimenden Lebens zum Ziel hat, möchte ich alle daran erinnern, daß die Unantastbarkeit des Lebens die Grundlage jedes Rechts darstellt. Vergebüch wäre eine Verbesserung der Lebensqualität, wenn man dem entstehenden Leben nicht das Recht auf Leben zuerkennt. Anerkennung und Unterstützung verdienen daher alle jene Vereinigungen - wie die Bewegung für das Leben und die Zentren der Lebenshilfe, die auf freiwilliger Basis dafür arbeiten, das gefährdete Leben der Ungeborenen zu retten und den Müttern in Not konkret beistehen. Ich begrüße von Herzen die hier auf dem Platz anwesenden Vertreter der Bewegung und segne sie. Der Mensch: gefallen und erlöst zugleich Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Februar 1. Wie wir schon festgestellt haben, müssen wir im Rahmen unserer derzeitigen Überlegungen über die Struktur der Ehe als sakramentales Zeichen nicht nur das berücksichtigen, was Christus über die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe im Anfang erklärte, sondern auch (und noch mehr) das, was er in der Bergpredigt gesagt hat, als er sich auf das „menschliche Herz“ berief. Unter Berufung auf das Gebot „Du sollst nicht die Ehe brechen“ sprach Christus vom „Ehebruch im Herzen“: „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen“ {Mt 5, 28). Wenn wir also feststellen, daß das sakramentale Zeichen der Ehe - 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeichen des ehelichen Bundes zwischen Mann und Frau - durch die einmal (und immer wieder) in der Wahrheit neuerlernten Sprache des Leibes gesetzt wird, sind wir uns bewußt, daß, wer diese Sprache neu erlernt und sie dann doch nicht so zum Ausdruck bringt, wie es die Ehe als Vertrag und Sakrament fordert, in natürlicher und moralischer Hinsicht der Mensch der Begierde ist: Mann und Frau, jeder verstanden als „Mensch der Begierde“. Die Propheten des Alten Testaments haben sicherlich diesen Menschen vor Augen, wenn sie analog den „Ehebruch von Israel und Juda“ anprangern. Die Analyse der von Christus in der Bergpredigt verkündeten Worte führt uns zu einem tieferen Verständnis des Ehebruchs. Zugleich läßt sie uns erkennen, daß das menschliche Herz von Christus der Begierde wegen (concupiscentia carnis) nicht so sehr „angeklagt und verdammt“, als vielmehr aufgerufen wird. Hier geht die Anthropologie (bzw. anthropologische Hermeneutik) des Evangeliums entschieden andere Wege als einige einflußreiche Vertreter der modernen Hermeneutik des Menschen (die sogenannten Lehrer des Argwohns). „Ich verspreche dir . . 2. Wenn wir unsere derzeitige Analyse weiterführen, können wir feststellen, daß der Mensch seiner Natur nach — trotz des sakramentalen Zeichens der Ehe, des Eheversprechens und seiner Verwirklichung - der „Mensch der sinnlichen Begierde“ bleibt, jedoch gleichzeitig der Mensch der Berufung ist. Er ist berufen durch das Geheimnis der Erlösung des Leibes, ein göttliches Geheimnis, das zugleich - in Christus und durch Christus in jedem Menschen - menschliche Wirklichkeit ist. Zu diesem Geheimnis gehört außerdem ein bestimmtes Ethos, das seinem Wesen nach „menschlich“ ist und das wir bereits früher „Ethos der Erlösung“ genannt haben. 3. Im Licht der Worte Christi in der Bergpredigt, im Licht des ganzen Evangeliums und des Neuen Bundes zerstört die dreifache Begierde (und besonders die sinnliche Begierde) nicht die Fähigkeit, die Sprache des Leibes in der Wahrheit neu zu erlernen, und zwar in immer reiferer und vollkommenerer Weise, wofür das sakramentale Zeichen in seinem ersten liturgischen Vollzug und dann im ganzen Leben gesetzt wird. In diesem Licht ist festzustellen, daß, wenn auch beim Neuerlernen der Sprache des Leibes die Begierde an sich vielfache Irrtümer und in diesem Zusammenhang auch die Sünde, das sittliche Böse, das der Tugend der (sowohl ehelichen wie außerehelichen) Keuschheit Widersprechende, hervor- 32 AUDIENZEN UND ANGELUS bringt, dennoch immer die Möglichkeit besteht, im Bereich des Ethos der Erlösung vom Irrtum zur Wahrheit überzugehen, sowie auch die Möglichkeit der Rückkehr, das heißt der Umkehr von der Sünde zur Keuschheit als Ausdruck eines Lebens nach dem Geist (vgl. Gal 5, 16). 4. Vom Evangelium her und christlich gesehen ist also der geschichtliche Mensch (d. h. der Mensch nach dem Sündenfall) aufgrund der in der Wahrheit neuerlernten Sprache des Leibes - als Mann und Frau -imstande, das sakramentale Zeichen der ehelichen Liebe, Treue und Wahrhaftigkeit zu setzen, und zwar als bleibendes Zeichen: „Ich . . . verspreche dir die Treue in guten und bösen Tagen, in Gesundheit und Krankheit. Ich will dich lieben, achten und ehren, solange ich lebe.“ Das heißt, der Mensch ist wirklich Urheber der Bedeutung, mit denen er nach dem Neuerlernen der Sprache des Leibes in der Wahrheit diese Sprache auch in der ehelichen und vertraulichen Gemeinschaft der Personen in der Wahrheit gestalten kann. Er ist dazu auch als Mensch der Begierde in der Lage, weil er gleichzeitig von der Wirklichkeit der Erlösung Christi berufen ist (simul lapsus et redemptur— zugleich gefallen und erlöst). 5. Durch die Zeichenhaftigkeit der sakramentalen Ehe wird die besondere theologische Anthropologie, die besondere Hermeneutik des Menschen bestätigt, die man in diesem Fall auch „Hermeneutik des Sakraments“ nennen könnte, weil man mit ihr den Menschen vom sakramentalen Zeichen her begreifen kann. Der Mensch, Mann und Frau, als Verwalter des Sakraments Urheber (Mit-Urheber) des sakramentalen Zeichens, ist bewußtes und zur Selbstbestimmung fähiges Subjekt. Nur auf dieser Grundlage kann er die Sprache des Leibes sprechen wie auch Urheber (Mit-Urheber) der Ehe als eines Zeichens sein: des Zeichens der göttlichen Erschaffung und Erlösung des Leibes. Die Tatsache, daß der Mensch (Mann und Frau) Mensch der Begierde ist, beeinträchtigt nicht seine Fähigkeit, die Sprache des Leibes in der Wahrheit neu zu erlernen. Er ist der Mensch der Begierde, aber zugleich in der Lage, in der Sprache des Leibes wahr von falsch zu unterscheiden; er kann Urheber wahrer (oder falscher) Bedeutungen in jener Sprache sein. Nicht nur angeklagt, sondern berufen 6. Er ist der Mensch der Begierde, aber er wird nicht vollständig von ihr bestimmt (in dem Sinn wie dieser Begriff häufig verwendet wird). Ein solches Bedingtsein würde bedeuten, daß das ganze Verhalten des Men- 33 AUDIENZEN UND ANGELUS sehen, auch zum Beispiel die Entscheidung für die Enthaltsamkeit aus religiösen Motiven, sich nur durch jeweilige Veränderungen der Begierde erklären lasse. In diesem Fall wäre der Mensch - im Bereich der Sprache des Leibes - gewissermaßen zu wesentlichen Fehlhaltungen gezwungen: er würde nur ein besonderes Bedingtsein durch die Begierde zum Ausdruck bringen, aber nicht die Wahrheit (oder Falschheit) der ehelichen Liebe und der Gemeinschaft von Personen ausdrücken, selbst wenn er meinte, es zu tun. Er wäre infolgedessen gezwungen, der Wahrheit der Sprache des Leibes bei sich und anderen zu mißtrauen. Wegen der sinnlichen Begierde könnte er nur angeklagt, aber nicht wirklich berufen werden. Die Hermeneutik des Sakraments erlaubt uns den Schluß, daß der Mensch immer wesentlich berufen und nicht nur angeklagt ist, gerade als Mensch der Begierde. Im Anschluß an diese Ansprache wandte sich der Papst an die nichtitalienischen Pilger und gab in den Hauptsprachen eine kurze Zusammenfassung seiner Gedanken. Außerdem richtete er an einzelne Gruppen kurze Grußworte. Auf deutsch sagte er: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich willkommen in der Ewigen Stadt und bei der heutigen Audienz. Ich grüße euch und ermutige euch in eurem Glauben an Christus und seine Kirche. Unsere gegenwärtigen Überlegungen zum Ehesakrament verweisen uns erneut auf die Bergpredigt, wo Jesus sagt: „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in Gedanken schon Ehebruch mit ihr begangen“ {Mt 5, 28). Der Mensch ist seit dem Sündenfall beherrscht von der sinnlichen Begierde; dennoch ist er ihr nicht völlig verfallen. Deshalb verurteilt ihn auch Christus nicht einfachhin, sondern ruft ihn zu Besinnung und Umkehr. Christus ruft und führt den gefallenen Menschen aus der Fessel der Sinnlichkeit zur Teilnahme am Geheimnis der Erlösung des Leibes. Der Mensch ist fähig, diesem Ruf zu folgen und seine eheliche Liebe im Zeichen und in der Kraft des Ehesakramentes in aufrichtiger Treue und unauflöslicher personaler Gemeinschaft mit seinem Ehepartner zu leben. Der hohen christlichen Berufung der Eheleute entspricht ein gleich hoher sittlicher Anspruch für ihren gemeinsamen Lebenswandel. Von Herzen erteile ich allen hier Anwesenden meinen besonderen Apostolischen Segen. 34 AUDIENZEN UND ANGELUS Dank für Solidarität und Hilfe Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 9. Februar Am 3. Sonntag des Monats Januar hat sich die polnische Gemeinde in Rom in der Kirche des hl. Stanislaus zu einer heiligen Messe versammelt, um Gott für die Solidarität und Hilfe zu danken, die Kirche und Volk in unserer Heimat von seiten der Kirche Italiens und der ganzen Gesellschaft Italiens erhalten haben. Ein Sondertelegramm des Primas von Polen ließ wissen, daß sich dem römischen Dankgottesdienst die gesamte Kirche in Polen anschloß. Herrin von Jasna Gora! Heute möchte ich im Anschluß an dieses Ereignis zusammen mit meinen Landsleuten Dir in besonderer Weise für alle Beweise geistlicher Brüderlichkeit von verschiedenen Seiten danken, für alle Bekundungen der Solidarität mit der Nation und der Kirche in Polen: - mit der Nation, die ihr soziales Leben würdig zu gestalten sucht; - mitderKirche, dieindiesemBemühenderNationdienenundhelfenwill. Für all das möchte ich besonders Dir danken. Vor allem Dir, Mutter! Kardinäle beraten den Bischof von Rom Vor dem Angelus am 13. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Römische Kirche möchte Gott preisen und ihm danken für die neuen Kardinäle, die zu Beginn dieses Monats, am Fest der Darstellung des Herrn, zu Mitgliedern des Heiligen Kollegiums berufen worden sind. Vom Beginn ihres neuen Dienstamtes an bindet die Römische Kirche die neuen Kardinäle an sich, indem sie jedem eine Titelkirche zuweist. Auf diese Weise wird die Tradition lebendig erhalten, nach der die Kardinäle als Vertreter des römischen Klerus den Rat des Bischofs von Rom bildeten und nach dessen Tod seinen Nachfolger wählten. Die Römische Kirche dankt Gott dafür, daß die neuen Kardinäle die Universalität der Kirche widerspiegeln: Denn sie kommen aus zahlreichen Nationen und aus allen Kontinenten des Erdkreises. 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Da wir an diesem Sonntag zusammengekommen sind, um den „Engel des Herrn“ zu beten, möchte ich durch die Fürsprache der Mutter der Kirche die neuen Mitglieder des Kardinalskollegiums sowie das gesamte Heilige Kollegium dem Heiligen Geist empfehlen. Möge ihr Dienst der Gesamtkirche reiche Früchte bringen. 2. Nun will ich an die Begegnung erinnern, die ich im vergangenen November mit den Bischöfen Kameruns bei ihrem „Ad-limina“-Besuch hatte, und darüber hinaus allen Mitgliedern dieser Ortskirche meine Wertschätzung und die der ganzen Kirche für die Vitalität und den Eifer zum Ausdruck bringen, die ihr pastorales Wirken kennzeichnen. Von einer Gesamtbevölkerung von achteinhalb Millionen Einwohnern sind 2300000 Katholiken: darunter 19 Bischöfe; 864 Priester; 24 ständige Diakone; 244 Ordensmänner ohne Priesterweihe; 1304 Ordensfrauen; ungefähr 9000 Katecheten. Ich grüße herzlich die Gläubigen in Kamerun mit dem Wunsch, daß sie fortfahren mögen, stets ein hochherziges Zeugnis christlichen Lebens zu geben, und ganz besonders richte ich diesen Wunsch an die Studenten der fünf Priesterseminare und die Schüler der Knabenseminare. 3. Am kommenden Mittwoch beginnt, als Vorbereitung auf Ostern, die Fastenzeit. Ein höchst wichtiger Zeitabschnitt des liturgischen Jahres, der diesmal wegen der bevorstehenden Eröffnung des Jubiläumsjahres der Erlösung mit besonderem Eifer erlebt werden soll. Die Gedanken der Kirche gelten den Katechumenen, die sich durch die verschiedenen Phasen der Einführung in den christlichen Glauben auf das Taufsakrament vorbereiten, und sie gelten allen Gläubigen, die zur Buße und zur Umkehr aufgerufen sind. Deshalb wollen wir am Aschermittwoch den Herrn eindringlich darum bitten, daß das christliche Volk mit dem Fasten einen Weg echter Umkehr einschlagen kann, um mit den Waffen der Buße den Kampf gegen den Geist des Bösen siegreich aufzunehmen (vgl. Oration). In dieser besonderen Zeit des Kirchenjahres lädt die Kirche alle ein, mit aufmerksamer und gehorsamer Bereitschaft auf die Stimme des Herrn zu hören! 36 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Heilige Jahr — eine Gnadenzeit Ansprache bei der Generalaudienz am 16. Februar 1. Diese Generalaudienz findet am ersten Tag der Fastenzeit statt: am Aschermittwoch! Mit diesem Tag beginnt eine geistliche Zeit, die besonders verpflichtend für jeden Christen ist, der sich in würdiger Weise auf die Feier des Paschageheimnisses, also auf das Gedächtnis des Leidens, des Todes und der Auferstehung des Flerrn, vorbereiten will. Diese bedeutende liturgische Zeit ist von der biblischen Botschaft gekennzeichnet, die sich in einem einzigen Wort zusammenfassen läßt: „metanoeite“, „kehrt um!“ Dieses Gebot ergeht an die Gläubigen bei dem ernsten Ritus der Auflegung der geweihten Asche, einem Ritus, der mit den Worten „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ und mit dem Satz „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst!“ alle auffordert, über die Pflicht zur Umkehr nachzudenken, und sie an die unabwendbare Hinfälligkeit und Vergänglichkeit des dem Tode unterworfenen Menschenlebens erinnert. Leider stellen wir das jeden Tag fest, und traurige Geschehnisse lassen uns das nur allzuoft mit der Hand greifen: es genügt, die beiden schweren Unglücksfälle vom vergangenen Sonntag zu erwähnen, die sich in Turin bzw. im Aostatal ereignet haben. Sie haben zahlreiche Familien in Trauer gestürzt. Ich bringe ihnen noch einmal von Herzen mein Beileid zum Ausdruck, während ich für die Verstorbenen bete und den Verletzten mit meinen besten Wünschen Mut zuspreche. Die eindrucksvolle Zeremonie vom Aschermittwoch erhebt unseren Geist zu der ewigen Wirklichkeit, die unvergänglich ist, zu Gott, dem Anfang und Ende, dem Alpha und Omega unseres Daseins. Die Umkehr ist in der Tat nichts anderes als eine Rückkehr zu Gott, indem wir die irdische Wirklichkeit im unvergänglichen Licht seiner Wahrheit beurteilen. Das ist eine Beurteilung, die uns immer klarer die Tatsache zum Bewußtsein bringt, daß wir durch die beschwerlichen Erfahrungen dieser Erde nur hindurchgehen. Sie treibt und spornt uns an, jede Anstrengung zu unternehmen, damit das Reich Gottes in uns entstehe und seine Gerechtigkeit triumphiere. Buße heißt nicht: Trauer und Frustration 2. Ein Synonym für Umkehr ist auch das Wort „Buße“: die Fastenzeit fordert uns auf, Buße zu üben, aber nicht in der negativen Bedeutung von 37 AUDIENZEN UND ANGELUS Traurigkeit und Frustration, sondern in der Erhebung des Geistes, der Befreiung vom Übel, der Abkehr von der Sünde und allen Abhängigkeiten, die unseren Weg zur Fülle des Lebens behindern können. Buße als Medizin, als Wiederherstellung, als Gesinnungswandel, die auf den Glauben und die Gnade vorbereitet, aber Willen, Anstrengung und Ausdauer voraussetzt. Buße als Ausdruck freien und freudigen Einsatzes in der Nachfolge Christi, die die Annahme der fordernden, aber auch fruchtbringenden Worte des Meisters einschüeßt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Zu diesen Gedanken und Vorsätzen lädt uns die Fastenzeit ein. 3. Der Beginn dieser heiligen Zeit läßt uns auch an das Jubiläumsjahr der Erlösung denken, das, wie ihr wißt, gegen Ende der Fastenzeit eröffnet wird, und zwar am 25. März, dem Fest der Verkündigung des Herrn, im Gedenken an den von der Vorsehung bestimmten Augenblick, in dem das ewige Wort Gottes um unseres Heils willen im reinen Schoß der Jungfrau Maria Mensch geworden ist. Die eindrucksvolle Symbolik der Öffnung der Heiligen Pforte soll uns an dieses große Ereignis erinnern: der Himmel hat sich über der Erde geöffnet, der Mensch hat die Pforte gefunden, durch die er in und mit Christus in das „Himmelreich“ (vgl. Mt 3, 2; 4, 17), das heißt in die Freundschaft und den Frieden Gottes, eintreten kann. Von heute an möchte ich mit euch über Bedeutung und Zielsetzung der Feier dieses für die Geschichte der Menschheit und für das Schicksal eines jeden von uns entscheidenden Ereignisses sprechen: Die Feier dieses Jubiläums will in allen Gläubigen eine Neubesinnung und eine erneute Glaubensentscheidung für unseren barmherzigen Herrn und Erlöser Christus, den Gekreuzigten, bewirken und alle heutigen Menschen, auch die Nichtchristen, einladen, mit neuen Augen auf Ihn, die Quelle des universalen Heiles, zu blicken. 4. Wenn wir vom „Heiligen“ Jahr sprechen, dann deshalb, weil wir in dieser Gnadenzeit aufgerufen sind, mit besonderem Eifer das zu suchen, was Gottes Bereich ist, weil es ihm geweiht und heilig („sanctum“) ist, und zwar nicht nur unter ontologischem, sondern auch unter ethischem, psychologischem, geistlichem und geschichtlichem Gesichtspunkt. Tatsächlich ist jede Zeit Gottes Zeit, und die ganze Geschichte entfaltet in der Zeit den göttlichen Heilsplan; alle Jahre der Geschichte und alle Tage des Jahres laufen ab nach einem von Gott festgelegten Leitfaden und verwirklichen ontologisch seine Herrschaft, sein Königtum. 38 AUDIENZEN UND ANGELUS Aber der christliche Glaube schenkt dem Menschen zugleich ein neues Bewußtsein von der Heiligkeit der Zeit, der Geschichte und des Lebens, weil er ihn das „Geheimnis, das seit ewigen Zeiten verborgen war“ (Kol 1, 26), entdecken läßt, das heißt den Heilsplan Gottes, der mit der Menschwerdung begann, am Kreuz seine volle Verwirklichung fand und sich in der Geschichte fortschreitend entfaltet hat, nämlich durch das Wirken der Kirche von der Himmelfahrt bis zur Parusie, also der Wiederkunft Christi als König der ewigen Herrlichkeit. Christus, der „unvergängliche König der Ewigkeit“ (vgl. 1 Tim 1, 17), ist Herr der Geschichte, und durch ihn tritt die Zeit wieder in die Ewigkeit ein, das heißt, sie findet dort ihre Quelle wieder und letzten Endes auch ihre Erklärung und Rechtfertigung. Das Heilige Jahr will diese messianische und eschatologische Grundwahrheit des christlichen Glaubens in Erinnerung bringen. 5. Bekanntlich reicht die Praxis des Heiligen Jahres bis ins Alte Testament zurück. Es war Mose, der oberste Gesetzgeber Israels, der festlegte: „Du sollst sieben Jahreswochen ... zählen; ... am zehnten Tag des Monats sollst du das Jobei (Signalhorn) ertönen lassen; am Versöhnungstag sollt ihr das Horn im ganzen Land ertönen lassen. Erklärt dieses 50. Jahr für heilig, und ruft Freiheit für alle Bewohner des Landes aus! Es gelte euch als Jubeljahr“ (Lev 25, .8-10). Bezogen auf die messianische Zeit So wurde es wahrscheinlich nach dem Horn genannt, durch das es verkündet wurde. Das Jubiläum sollte anfangs den Zusammenhalt einer Gesellschaft sichern, die sich auf die Familie und die Güter der Familie gründete. Es sollte deshalb in Israel eine Neuordnung im sozialen, wirtschaftlichen und sogar ökologischen Bereich fördern. Durch die Befreiung der Sklaven, die Wiedereingliederung eines jeden in seine Sippe, den Erlaß der Schulden, die Wiederherstellung des väterlichen Erbes und die Ruhezeit des Ackerlandes. Später hat man wie die Propheten das Jubiläum ausdrücklich auf die messianische Zeit bezogen, in der endgültig das Ideal des Heiligen Jahres Wirklichkeit werden sollte, nämlich die Anerkennung der absoluten Oberhoheit Gottes über den Menschen und die Dinge und damit in Wahrheit sein „Reich“. Dies ist Wirklichkeit geworden mit dem Kommen Jesu, des ewigen Sohnes Gottes, der um unseres Heiles willen Mensch wurde, am Kreuz 39 AUDIENZEN UND ANGELUS starb und dann auferstand „gemäß der Schrift“. Mit ihm wurden die Vorbilder, die Verheißungen und die alten Erwartungen erfüllt, und es öffnete sich in der Welt für die ganze Menschheit die Quelle des Heiles. Mit Ihm „wurde eine Brücke zur Welt geschlagen“ - wie die hl. Katharina von Siena sich ausdrückt -, „damit auf ihr alle zu Gott aufsteigen können.“ Auf Christus, unseren Erlöser, wollen wir während dieser Fastenzeit mit neuem Glaubenseifer und mit Liebe hinblicken. Das wird die beste Vorbereitung auf die Feier des Heiligen Jahres sein. „Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade - sage ich euch mit dem Apostel Petrus ... Ihr wißt, daß ihr ... nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi...“ (1 Petr 1, 13-19). Das ist die tiefste Bedeutung des Jubiläumsjahres, das uns einlädt, uns mit Christus zu vereinigen als dem „lebendigen und heiligen Opfer, das Gott gefällt“ (Röm 12, 1). Im Anschluß an diese Ansprache wandte sich der Papst an die nichtitalienischen Pilger und gab in den Hauptsprachen eine kurze Zusammenfassung seiner Gedanken. Außerdem richtete er an einzelne Gruppen kurze Grußworte. Auf deutsch sagte er: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zu dieser Audienz. Der heutige Tag, der Aschermittwoch, lenkt unsere Gedanken auf die nun beginnende Fastenzeit. Der ernste Ritus der Auflegung der geweihten Asche soll uns an die Hinfälligkeit des menschlichen Lebens erinnern: „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und zum Staub wieder zurückkehren wirst.“ Die Liturgie der ganzen Fastenzeit ist geprägt von dem biblischen Ruf zu Umkehr und Buße. Bekehrung besagt Abkehr von Sünde und Schuld und Hinwendung zu Gott, dem Anfang und Ende aller Geschichte, dem Grund und Ursprung auch unseres wahren Glückes. Umkehr und Buße rufen uns in die Nachfolge Christi gemäß den Worten des Herrn: „Wer zu mir gehören will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir“ {Mt 16, 24). Wenn wir die Fastenzeit in diesem Geist leben, wird sie für uns zugleich zur besten Vorbereitung auf das bald beginnende Jubiläumsjahr der Erlösung. Dieses will alle Gläubigen noch näher und tiefer zu Christus führen, der am Kreuz der Erlöser aller Menschen geworden ist. Möge die Fastenzeit und das Jubiläumsjahr der Erlösung für euch alle zu einer Zeit der Gnade und des Heiles werden. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 40 AUDIENZEN UND ANGELUS Laß sie die Kraft in Christus wiederfinden Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 16. Februar Heute ist Aschermittwoch, der Anfang der Fastenzeit. Heute und auch am kommenden Sonntag werden in den Kathedralen, Kirchen und Kapellen in ganz Polen Millionen Menschen die Häupter neigen und zum Zeichen der Buße um die Auflegung der Asche bitten. Dabei werden sie die Worte hören: „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“, oder die Worte: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Mit diesen Worten beginnt die Fastenzeit, die Zeit der Vorbereitung auf Ostern. Herrin von Jasna Göra! Im Jubiläumsjahr knie ich vor Deinem Gnadenbild und vereinige mich mit meinen Brüdern und Schwestern im Glauben und zugleich mit den Söhnen und Töchtern meiner Heimat und bitte flehentlich, - laß sie in dieser heiligen Zeit aufs neue die Wahrheit entdecken, daß Gott die Welt geliebt hat: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16); - laß sie jene Kraft wiederfinden, die für jeden Menschen im gekreuzigten und auf erstandenen Christus liegt; - laß sie nicht den Mächten des Todes und der Sünde unterliegen, sondern sich mit ihrem ganzen menschlichen und christlichen Ich dem Leben weihen! Eine Zeit der Katechese Vor dem Angelus am 20. Februar 1. „Lob und Ehre sei dir, Herr Jesus! Lob sei dir, Wort Gottes! Diese Worte wiederholen wir während der Fastenzeit beinahe jeden Tag bei der heiligen Messe. Wir wollen auf diese Weise unsere Verehrung für das Wort Gottes zum Ausdruck bringen, das in dieser Zeit mit besonderer 41 A UDIENZEN UND ANGEL US Kraft zu uns spricht. Wir wollen unsere innere Bereitschaft zur Annahme dieses Wortes bekunden. Damit es in seiner ganzen Wahrheit zu uns kommt. Damit es tief in unsere Herzen und unser Bewußtsein dringt. Damit es uns erleuchtet. Damit es uns zur Umkehr bewegt. Damit es uns befreit. Die Fastenzeit ist immer eine Zeit großer Katechese gewesen. In den ersten Jahrhunderten galt diese Katechese vor allem den Katechumenen. Auch heute wird sie denen geboten, die sich auf die Taufe vorbereiten. Aber sie ist zugleich Katechese für alle Getauften, weil diese in ihrer Taufe immer aufs neue die Macht des Kreuzes: des Todes und der Auferstehung Christi, entdecken. 2. „Lob sei dir, Wort Gottes!“ Im Laufe der Fastenzeit 1983 wird am Fest der Verkündigung des Herrn, das uns an die Menschwerdung des ewigen Wortes erinnert, der Bischof von Rom das außerordentliche Jubüäumsjahr der Erlösung eröffnen. Ich bitte alle meine Brüder im Bischofsamt, gleichzeitig in ihren Kathedralen das Jubiläumsjahr zu eröffnen. 3. „Lob sei dir, Wort Gottes!“ Außerdem empfehle ich eurem Gebet, liebe Brüder und Schwestern, die Fastenexerzitien, die heute nachmittag im Vatikan beginnen. Damit das Wort Gottes tief in die Herzen aller, die an diesen heiligen Exerzitien teilnehmen, dringen möge. 4. In der Reihe der Grußworte an die Bischofskonferenzen, die im vergangenen Jahr zu ihrem Besuch „Ad limina Apostolorum“ nach Rom gekommen sind, möchte ich heute die Bischöfe Großbritanniens nennen. Sie sind bekanntlich in zwei Bischofskonferenzen unterteilt: jene von England und Wales und jene von Schottland. Die erste ist Sprachrohr und Leiterin einer katholischen Gemeinschaft, die nicht ganz 10 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht, aber eine beachtliche Zahl von Weltpriestern, Ordensmännern und Ordensfrauen und überdies ein gut vorbereitetes Laikat aufzuweisen hat. Für die Ausbildung des Diözesanklerus stehen vier Priesterseminare zur Verfügung, drei weitere befinden sich im Ausland, zwei davon in Rom. Und an Berufen mangelt es, Gott sei Dank, nicht. Die Schottische Bisehofskonferenz umfaßt zwei Erzdiözesen und sechs Diözesen für eine katholische Gemeinschaft von über 15 Prozent der Bevölkerung. Für die Weltpriester gibt es zwei Priesterseminare, außer- 42 AUDIENZEN UND ANGELUS dem zwei im Ausland, eines davon in Rom. Und auch hier gibt es genügend Berufungen. Ich bin voller Zuversicht, daß mein Pastoralbesuch in Großbritannien im vergangenen Jahr dazu beigetragen hat, einerseits die Katholiken in ihrem Glauben zu stärken und andererseits neue und feste Brücken für einen konstruktiven Dialog mit den anderen christlichen Konfessionen zu schlagen. Ich lade euch darum ein, heute für jene Brüder im Glauben und ihre verdienstvollen Bischöfe zu beten in der geheimnisvollen, aber wirklichen Verbundenheit der Gemeinschaft der Heiligen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Nun will ich noch an ein Datum erinnern: am kommenden Donnerstag, dem 24. Februar, jährt sich zum 100. Mal der Geburtstag des verstorbenen Kardinals Amleto Giovanni Cicognani, eines beispielhaften Mannes der Kirche und großen Dieners des Hl. Stuhls. Ein Vierteljahrhundert lang war er Apostolischer Delegat in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo er durch sein kluges, achtunggebietendes und dynamisches Handeln große Wertschätzung erwarb und äußerst beliebt war. Ich will hier auf den Einsatz hinweisen, den er im letzten Weltkrieg entfaltete, um die Leiden zu lindern und zusammen mit dem Papst Baumeister des Friedens zu sein. Er war dann Staatssekretär der Päpste Johannes XXIII. und Paul VI. Papst Johannes bewunderte an ihm seine Redlichkeit und Uneigennützigkeit, sein klares Urteilsvermögen, seine grenzenlose Hingabe an die Kirche. Paul VI. lobte seine „klaren und starken Gefühle der Treue, Güte und Liebe gegenüber dem Apostolischen Stuhl, in dessen Dienst er . . . sein ganzen Leben verbrachte“. Ich erinnere mich an die unermüdliche Aktivität Kardinal Cicognanis in den Jahren des Konzils. Er war Vorsitzender der Koordinierungskommission, die die Arbeiten des ökumenischen Konzils von 1962 bis 1965 leitete. An die Verdienste dieses Priesters, der seine Berufung mit allen Kräften liebte, wollte ich erinnern und vor allem die jungen Menschen, die zum Priesterberuf berufen sind, auf sein Vorbild hinweisen, damit auch sie der Kirche zu Ruhm und Trost gereichen. 43 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich will ihnen das sagen, worauf sie warten“ Vor dem Angelus am 27. Februar 1. Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium. Diese Worte haben wir am Aschermittwoch als Aufforderung für die ganze Fastenzeit vernommen. Diese Aufforderung begleitet uns Tag für Tag, sie weist uns den Weg der geistlichen Pilgerreise während der vierzig Tage, die uns zum Osterfest führen sollen. Auf dem Pilgerweg der Fastenzeit dieses Jahres steht die Pastoraireise in die Länder Zentralamerikas, die ich in wenigen Tagen antreten werde. Das ist ein bedeutsames Ereignis. Die Fastenzeit scheint für den Besuch gerade jener Länder besonders geeignet zu sein. Sie stehen im Mittelpunkt des Weltinteresses wegen der schmerzvollen Ereignisse, die besonders manche Bevölkerungsteile Mittelamerikas im Laufe der letzten Jahre erlebt haben. Diese Ereignisse, verbunden mit dem Tod Abertausender von Menschen, haben das Maß des Leids nicht nur einzelner Personen, sondern vieler Familien und ganzer Bevölkerungsgruppen übervoll gemacht. Wenn wir in der Fastenzeit aufgrund des Kreuzes Christi den leidenden Menschen besonders nahe sein müssen, dann müssen sich unsere Gedanken, unsere Solidarität, unser Dienst u. a. besonders den Völkern Zentralamerikas zuwenden. Wenn ich zu ihnen reise, möchte ich ihnen vor allem das sagen, worauf sie warten: Glaubt an das Evangelium - bekehrt euch und glaubt an das Evangelium! Ich hoffe, daß meine Brüder und Schwestern die Worte dieser Fastenbotschaft als Ausdruck der Liebe aufnehmen werden, die ich für sie hege, und als Ausdruck tiefer christlicher Solidarität. Ich bete unablässig darum, daß diese Pastoraireise des Bischofs von Rom - in enger Verbundenheit mit allen meinen Brüdern im Bischofsamt -durch die Fürsprache der Muttergottes von Guadalupe und von allen Heiligtümern Lateinamerikas Kraft vom Himmel erhalten möge. Und gleichzeitig empfehle ich voll dankbarer und glühender Hoffnung diese Pastoraireise, die mit Recht als besonders bedeutsam und mit Verantwortung beladen angesehen werden muß, dem Gebet der gesamten Kirche. 2. Jetzt möchte ich an den Ad-limina-Besuch erinnern, den die Bischöfe der Zentralafrikanischen Republik im vergangenen November durchgeführt haben. In diesem Land leben mehr als 400 000 Katholiken, die ein 44 AUDIENZEN UND ANGELUS Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen. An den Erzbischof von Bangui und die fünf bischöflichen Mitbrüder jener Nation, an die Welt-und Ordenspriester, an die Ordensschwestern und an alle, die hochherzig ihre Kräfte in den verschiedenen Bereichen des pastoralen Lebens und der Fürsorge- und Erziehungsarbeit einsetzen, richte ich meinen herzlichen Gruß und meine dankbare Anerkennung. Insbesondere freut es mich, darauf hinweisen zu können, mit welchem Einsatz diese Ortskirchen auf dem Gebiet der Berufungen tätig sind: Es gibt fünf Seminare, die über 500 Seminaristen aufgenommen haben. Im Hinblick auf die künftige Lebenskraft der jungen Kirchen gilt es vor allem, dem Keim der göttlichen Berufung, die an so viele Männer und Frauen ergangen ist, zu erkennen und zu stärken, damit sie sich völlig der Sache des Reiches Christi widmen. Ich fordere euch auf, für dieses Anliegen zur seligsten Jungfrau Maria zu beten. Durch die Pforte der Gerechtigkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 1. März 1. In wenigen Wochen wird mit der Öffnung der Heiligen Pforte das Jubiläumsjahr der Erlösung beginnen: ein Ritus, auf den eine alte, ehrwürdige Sehnsucht hinstrebt, die vielleicht ihren besten Ausdruck in jenen Versen aus dem 118. Psalm findet, die von den israelitischen Pilgern gesungen wurden, wenn sie am Laubhüttenfest in den Tempel von Jerusalem eintraten: „Öffnet mir die Tore der Gerechtigkeit, damit ich eintrete, um dem Herrn zu danken. Das ist das Tor zum Herrn, nur Gerechte treten hier ein“ (Ps 118, 19-20). Am Anfang des Psalms steht eine Einladung, die auch den Abschluß büdet: „Danket dem Herrn, denn er ist gütig; denn seine Huld währt ewig!“ (ebd. 1 u. 29). Gerechtigkeit und Erbarmen sind die untrennbare Synthese der geheimnisvollen Beziehung zwischen Gott und Mensch: dieser ist eingeladen, auf die unendliche Güte dessen zu vertrauen, der ihn aus Liebe erschaffen, aus Liebe erlöst, aus Liebe zu Taufe, Buße, Eucharistie, zur Kirche und zum ewigen Leben berufen hat. Und gleichfalls aus Liebe läßt Gott in diesen Tagen an uns seinen Aufruf zur Umkehr ergehen, die im Eintritt durch die Heilige Pforte versinnbildet wird. 45 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeint ist die innere und tiefe Umkehr (metänoia) des Menschen, der mit unerschütterlichem Vertrauen auf das Erbarmen Gottes die Forderungen seiner Gerechtigkeit erfüllen will. Das Heilige Jahr möchte diese Gnadenzeit (vgl. 2 Kor 6, 2) des Eintritts und der Umkehr für all jene sein, die von nah und fern auf die Heilige Pforte blicken und im Licht des Glaubens ihre Bedeutung erkennen: Pforte der Gerechtigkeit, Pforte des Erbarmens, durch die Kirche aufgetan, die der Welt Christus verkündet und ihn ihr geben will. 2. Christus ist die wahre Pforte: Er hat es selbst von sich gesagt (Joh 10, 7), wie er sich auch als den Weg zum Vater bezeichnet hat (vgl. Joh 14, 6). Er ist ein Tor und ein Weg der Gerechtigkeit. Durch ihn tritt man in die geordnete Beziehung zu Gott ein, die den Forderungen der Heiligkeit Gottes und des Wesens des Menschen entspricht: in die Ordnung der Rechtschaffenheit, der Unterordnung unter den göttlichen Willen, des Gehorsams gegenüber dem göttlichen Gesetz. Sie ist vom Wort Gottes in der Heiligen Schrift bestimmt; sie zeichnet sich aber bereits im freien und reinen Gewissen ab und spiegelt sich in den sittlichen Überzeugungen der unverdorbenen Menschen wider; sie wird vom christlichen Bewußtsein dann noch klarer erfaßt und von der inneren Weisung des Heiligen Geistes noch schärfer eingeprägt. Die Sünde des Menschen aber erschüttert die sittliche Ordnung wesentlich, nicht ohne Auswirkungen auf die Psyche, den Leib und sogar auf den Kosmos; der hl. Paulus hat es klar gesehen (vgl. Rom 8, 20), und die tägliche menschliche Erfahrung der Übel und Schmerzen der Welt bestätigt es. Nicht selten melden sich heute, wenn menschliches Unglück und Elend auf allen Ebenen des persönlichen, familiären und sozialen Lebens am schmerzlichsten spürbar werden, alarmierende und alarmierte Stimmen, die die Stunde der Katastrophe Voraussagen. In Stunden großer Aufrichtigkeit werden vielleicht viele von den gleichen schwermütigen Betrachtungen erfaßt, wie sie der hl. Paulus über die Lage des gefallenen und von der Sünde gleichsam aus den Angeln gehobenen Menschen anstellte (vgl. Rom 1, 18 ff.). Aber mit Paulus weiß der Glaubende, daß die Ordnung der göttlichen Gerechtigkeit von Christus wiederhergestellt wurde, den „Gott für uns zur Weisheit gemacht hat, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung . . .“ (1 Kor 1, 30). Der Glaubende weiß, daß Christus das Tor zur neuen Gerechtigkeit ist, weil er durch das Opfer seines Lebens die Beziehung zwischen der 46 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschheit und Gott wieder in die rechte Ordnung gebracht hat: Indem er die Sünde besiegte, führte er in die Welt die Kräfte der Erlösung ein, die weitaus mächtiger sind als jene der Sünde und des Todes. 3. Dieser Beginn der neuen Ordnung der Gerechtigkeit wäre nicht möglich, wenn nicht der ganze Heilsplan im Glanz des unendlichen Erbarmens Gottes erstrahlte, der seinem Wesen nach Liebe, Milde, hochherzige und helfende Güte ist. Da Gott uns geliebt hat, „hat er seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern ihn für uns alle hingegeben“, wie der hl. Paulus sagt {Rom 8, 32), und sein Opfer angenommen. Der gekreuzigte Christus ist das unwiderlegbare Zeichen der Liebe Gottes zu uns und die endgültige Offenbarung seines Erbarmens. Die Heilige Pforte versinnbildet also vor allem das Tor des Erbarmens, das auch der Mensch von heute in Christus finden kann. Viele Menschen unserer Tage haben es vielleicht vor allem nötig, in ihrer Hoffnung, die sich auf die Offenbarung von Gottes Erbarmen stützt, bestärkt zu werden. Deshalb habe ich diesem faszinierenden und grundlegenden Thema des Christentums meine zweite Enzyklika gewidmet (1981), die mit den Worten des hl. Paulus Gott gerade als Dives in misericordia (reich an Erbarmen) vorstellt (vgl. Eph 2, 4). Ich wünsche, hoffe und bete, daß das Heilige Jahr eine providentielle Gelegenheit für die Verkündigung und Katechese des Erbarmens mit weltweiter Ausstrahlung sein möge. 4. Der Eintritt durch die Pforte der Gerechtigkeit und des Erbarmens hat auch die Bedeutung einer neuen und entscheidenden Bekehrung unsererseits, die in der Haltung der Buße und im Bußsakrament konkrete Gestalt annimmt. Auch die Bekehrung ist ein Geschenk des Erbarmens, eine Gnade Gottes, eine Frucht der Erlösungstat Christi; sie schließt aber notwendig unseren freien Willensakt ein, der unter dem Wirken des Heiligen Geistes das Geschenk annimmt, die Liebe erwidert, in die Ordnung des ewigen Gesetzes und der Gerechtigkeit zurückkehrt und sich so der Anziehungskraft des göttlichen Erbarmens überläßt. Das Jahr 1983 wird wirklich ein Heiliges Jahr für alle sein, die sich in ihm mit Gott versöhnen lassen (vgl. 2 Kor 5, 20), die bereuen und Buße tun; für alle, die hier in Rom oder irgendwo sonst, auch in den abgelegensten Gegenden, wohin die Botschaft vom Kreuz gelangt ist, das Jubiläumsjahr begehen und daraufhin zum Altar gehen, um ihren Glauben zu bekennen und den himmlischen Vater anzurufen, aber auch den Weg zum Beicht- 47 AUDIENZEN UND ANGELUS Stuhl nehmen, um sich als Sünder zu bekennen, demütig Gott um Vergebung bitten und so ihr Gewissen im Blute Christi reinigen (vgl. Hebr 9, 14). An ihnen wird sich so das Werk des göttlichen Erbarmens erfüllen, das sie der Gerechtigkeit Christi teilhaftig macht, von dem all unser Heil herkommt, all unsere Möglichkeit zu hoffen und Erlösung zu finden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In wenigen Wochen wird mit der Öffnung der Heiligen Pforte das Jubiläumsjahr der Erlösung beginnen. Das Heilige Jahr lädt uns alle ein, die Pforten unseres Herzens Christus, dem Erlöser, seiner Gnade und seinem Erbarmen weit zu öffnen. Christus selbst ist für uns letztlich die Pforte und der Weg, durch die wir uns von der Sünde abwenden und neu den Zugang zur verzeihenden Liebe des Vaters finden können. Das Verhältnis des Menschen zu Gott, zu den Mitmenschen und zu sich selbst ist zutiefst gestört durch die Sünde. Die vielen persönlichen und sozialen Übel, Ungerechtigkeiten und Unfrieden im menschlichen Zusammenleben zeugen davon. Als Glaubende wissen wir jedoch, daß Christus durch seinen Erlösertod die Welt überwunden und sie zu neuer Hoffnung und zum Heil berufen hat. Die geöffnete Heilige Pforte ist Symbol für die Barmherzigkeit Gottes, die fortan in Christus allen Menschen zugänglich ist. Gerade der heutige Mensch bedarf ihrer in einer besonderen Weise. Deshalb ruft das Heilige Jahr uns alle zu einer entschlossenen inneren Umkehr durch konkrete Taten der Buße und der Versöhnung; es ruft uns zu einer ebenso entschlossenen Hinwendung zu Gott, unserem hebenden und verzeihenden Vater, der nach dem Zeugnis des hl. Paulus „voll Erbarmen ist“ (Eph 2, 4). Von Herzen erbitte ich euch allen eine fruchtbare Mitfeier des Jubiläumsjahres der Erlösung und empfehle dieses und meine nun bevorstehende neue Pastoraireise in verschiedene Länder Mittelamerikas auch ganz besonders eurem Gebet. Zusammen mit den hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern grüße ich heute noch besonders die Mitglieder des Schönstatt-Instituts/Diözesan-priester. Von Herzen ermutige ich euch, hebe Mitbrüder, in eurem Anliegen, eure priesterliche Berufung und euren seelsorglichen Dienst in den Gemeinden von einer gemeinsamen, tief verwurzelten Spiritualität her zu leben und für die Kirche fruchtbar zu machen. Möge eure Liebe zu Christus, dem ewigen Hohenpriester, und zur Kirche in der geistlichen Gemeinschaft mit dem Internationalen Schönstattwerk immer mehr 48 AUDIENZEN UND ANGELUS wachsen und erstarken. Das erbitte ich euch für diese eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel auf die Fürsprache der Gottesmutter, die ja in besonderer Weise auch „Mutter der Priester“ ist. „Ich vertraue Dir, Mutter, diese Reise an“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 1. März Herrin von Jasna Göra! Im Geiste knie ich vor Deinem geliebten Gnadenbild und möchte Dir heute meine apostolische Reise in die Länder Mittelamerikas empfehlen und anvertrauen! Ich werde diese Reise morgen antreten. Die polnischen Bischöfe haben sich auf ihrer jüngsten Vollversammlung in diesem Anliegen mit folgenden Worten an alle meine Landsleute gewandt: „Mit inbrünstigem Gebet und persönlicher Buße durch das Ertragen der täglichen Schwierigkeiten und Leiden wollen wir versuchen, im Angesicht Gottes dem Papst bei seiner schwierigen apostolischen Pilgerreise zu helfen.“ Ich danke sehr für diese geistliche Hilfe. Zugleich gebe ich meiner Überzeugung Ausdruck, daß die Erfahrungen meiner Nation mir helfen werden, die Sendung des Evangeliums für jene Völker zu erfüllen, die in dieser Stunde der Geschichte so schwer geprüft werden. Und darum vertraue ich Dir, Mutter, diese Reise an. Totus Tuus. Vom Gebet der gesamten Kirche begleitet Vor dem Angelus am 13. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5, 19). Diese Worte des hl. Paulus stehen heute, am vierten Fastensonntag, im Mittelpunkt der Liturgie. Es sind Worte aus dem zweiten Korintherbrief, 49 AUDIENZEN UND ANGELUS und wir lesen sie vor dem Hintergrund des Gleichnisses vom verlorenen Sohn aus dem Lukasevangelium. Dieses Gleichnis spricht in besonders überzeugender Weise zu uns. Es sagt: Seht, das ist Gott, der jedem Menschen entgegenkommt und der in Jesus Christus die Welt mit sich versöhnt hat. Wahrhaftig ein Gott „voll Erbarmen“ - „dives in misericor-dia“ (Eph 2, 4). Das ist für jeden von uns der Aufruf zur Umkehr, zur Aussöhnung mit Gott im Ostergeheimnis. Das ist das Wort, das uns auf die Feier des Heiligen Jahres der Erlösung vorbereitet, das bald in der Kirche beginnen wird. 2. Gott hat in Christus die Welt mit sich versöhnt. Heute ist es mir zum ersten Mal seit meiner Rückkehr aus Zentralamerika gegeben, zu euch zu sprechen. Ich möchte der göttlichen Vorsehung für diesen einzigartigen pastoralen Dienst danken. Ich konnte im Lauf der vergangenen Tage die folgenden Länder besuchen: Costa Rica, Nicaragua, Panama, El Salvador, Guatemala, Honduras, Belize und Haiti: Ich hatte die Freude, am Eucharisti-schen Kongreß in Haiti teilzunehmen. Es war mir gegeben, mit den Bischöfen Mittelamerikas und mit dem Lateinamerikanischen Bischofsrat (CELAM) zusammenzutreffen. Ich danke meinen Brüdern im Bischofsamt wie auch den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen der verschiedenen Orden und verschiedenen Kongregationen. Ich danke den Behörden der einzelnen Länder. Alle diese Dankadressen vereinige ich zu einer einzigen, die ich an die Bevölkerung der besuchten Länder richte. Denn sie bildet, zusammen mit ihren Bischöfen, das Volk Gottes von Zentralamerika. Starke Spannungen und Leid lasten auf dem Leben dieser Bevölkerungen. Die Ereignisse der letzten Jahre haben so viele Opfer gefordert. Ich habe vor allem versucht, die Liebe zu bekunden, die die Armen und alle, die von irgendeinem Leid heimgesucht werden, im Herzen der Kirche finden. Diese Liebe ruft nach Gerechtigkeit und Frieden für die Gesellschaft Zentralamerikas. Diese Liebe hat ihren Quell in Christus: in Christus, in dem Gott die Welt mit sich versöhnt hat! 3. Ich weiß, daß meine Pastoraireise nach Mittelamerika vom Gebet der gesamten Kirche begleitet wurde. Besonders glühend war das Gebet in Rom und in Italien. Ich danke dem Präsidenten der Italienischen Bischofskonferenz und dem Kardinalvikar von Rom; und ich danke den 50 AUDIENZEN UND ANGELUS katholischen Akademikern für ihren besonderen Aufruf. Ich bringe meine Dankbarkeit den verschiedenen Bewegungen zum Ausdruck, unter denen ich die zahlreichen Angehörigen der neokatechumenalen Gemeinschaften sehe. Ich danke euch allen für eure Anwesenheit heute auf dem Petersplatz. Möge unser gemeinsames Gebet den Völkern Zentralamerikas dabei helfen, die Gerechtigkeit auf dem Weg des Friedens zu verwirklichen. Möge die Kirche der großen Sache des Evangeliums dienen; dieses gibt in der Tat die Wege zu Frieden und Versöhnung an. Nach dem Angelus sagte der Papst: In Fortsetzung der Grußworte an die Bischofskonferenzen, die gegen Ende des vergangenen Jahres zu ihrem „Ad-liminia“-Besuch nach Rom gekommen sind, richte ich ein dankbares Gedenken an die Bischöfe von Kenia. Ihre Kirche ist noch verhältnismäßig jung, verfügt aber über eine feste Basis im Land, da die Katholiken ungefähr 20 Prozent der Gesamtbevölkerung stellen. Ein Blick auf die Angaben der letzten Jahre zeigt den hohen Grad von Lebendigkeit und Wirksamkeit, der das pastorale Wirken dieser Kirche kennzeichnet. Es war in der Tat eine beachtliche Zunahme an Seelsorgsarbeitern festzustellen, und - was im Hinblick auf die Zukunft noch mehr zählt - die Priesterberufe haben ein ermutigendes Anwachsen erfahren: Von 1977 bis 1981 betrug der Zuwachs an Seminaristen 49 Prozent. Ich lade euch ein, mit mir dem Herrn für das Gute zu danken, das er in jener edlen Schwesterkirche weckt, der ich in noch immer lebendiger Erinnerung an die tiefen Eindrücke während meiner apostolischen Reise im Mai 1980 bei dieser Gelegenheit erneut meine Hebevolle Zuneigung zum Ausdruck bringe. Die Identität der Kirche in Lehre und Pastorat sicherstellen Ansprache bei der Generalaudienz am 16. März 1. „In spiritu humilitatis et in animo contrito suscipiamur a te, Domine ...“ „Herr, wir kommen zu dir mit reumütigem Herzen und mit demütigem Sinn...“ Dir möge der pastorale Dienst gefallen, den du mich in den 51 AUDIENZEN UND ANGELUS vergangenen Tagen dieser Fastenzeit in den Ländern Mittelamerikas tun ließest. In der Zeit, in der die Kirche Christus besonders nahe sein will, der Versuchung und Leiden auf sich nimmt, hast du, o Gott, mich jenen Völkern nahe sein lassen, die in unseren Tagen in bitterer Weise an dieser Versuchung und den Leiden Christi teilhaben. Du hast mich mit ihnen das heilige Opfer feiern und über dein Wort nachdenken lassen, o Gott. Du hast mich zusammen mit ihnen die Mutter Christi verehren lassen, zumal im Heiligtum Suyapa in Honduras. Du hast mich die Einheit des Volkes Gottes erleben lassen, das sich in einer besonders schwierigen Etappe seiner irdischen Pilgerreise befindet. „Herr, wir kommen zu dir mit reumütigem Herzen und mit demütigem Sinn.“ Möge dir dieser pastorale Dienst des Bischofs von Rom gefallen ... „et sic fiat sacrificium nostrum in conspectu tuo hodie, ut placeat tibi, Domine Deus.“ - „Nimm uns an und gib, daß unser Opfer dir gefalle.“ 2. Es war angebracht, eine einzige Pilgerfahrt in die Länder Mittelamerikas zu unternehmen, ohne dabei zu vergessen, daß sie voneinander verschieden sind und nicht alle besuchten Länder streng genommen zu Mittelamerika gehören. In Costa Rica, Nicaragua, Panama, El Salvador, Guatemala und Honduras spricht man spanisch. In Belize, das erst vor kurzem die Unabhängigkeit erlangte, ist die offizielle Landessprache englisch. In Haiti, das seit der Zeit Napoleons unabhängig ist, spricht man französisch. Es handelt sich also um unterschiedliche Länder. In der großen Familie der Völker und Staaten gehören sie zu den kleinen Ländern. Keines von ihnen erreicht eine Einwohnerzahl von zehn Millionen. Alle zusammen zählen ungefähr 28 Millionen Einwohner. In territorialer Hinsicht drängen sie sich, mit Ausnahme von Haiti, auf der schmalen Landenge zusammen, die Nord- und Südamerika verbindet, und sind dicht besiedelt - wie zum Beispiel El Salvador. Ich habe vor allem die Menschen vor Augen, Millionen von Menschen, die sich während meiner dort verbrachten Tage um den Bischof von Rom versammelten, während der Feier der Gottesdienste und bei den Fahrten durch Straßen und Plätze. Diesen Menschen und Völkern wollte ich die Liebe und Solidarität der Kirche bezeugen. 3. Das Programm war auf die einzelnen Länder abgestimmt und galt gleichzeitig allen; und das wurde durch die sozialen Kommunikationsmittel, insbesondere das Fernsehen, erleichtert. So war zum Beispiel die 52 AUDIENZEN UND ANGELUS Begegnung mit der Jugend in Costa Rica gleichzeitig für die Jugend ganz Mittelamerikas bestimmt. Dasselbe galt für die Begegnung mit den Kleinbauern und Landarbeitern in Panama sowie für jene mit der Eingeborenenbevölkerung in Guatemala (in Quezaltenango). Besonders bedeutungsvoll waren die Begegnungen mit den Laien, die ihre Sendung im Apostolat und in .der Katechese erfüllen: den „Wortbeauftragten“ in Honduras (San Pedro Sula) und den „Glaubenserziehern“ in Nicaragua (Leon) sowie das bereits erwähnte Treffen in Guatemala, an dem auch die Katecheten teilnahmen. Delegierten wurde eine gesonderte Botschaft für die Arbeiter übergeben, mit denen kein eigenes Zusammentreffen möglich war. Mittelamerika ist ja vorwiegend ein Agrargebiet. Es gibt dort keine großen industriellen Ballungsgebiete. In Guatemala haben die Vertreter der Universität, Professoren und studentische Jugend, eine ähnliche Botschaft für den Hochschulbereich entgegengenommen. Von thematischen und pastoralen Gesichtspunkt aus war besonders wichtig die Begegnung mit den Klerikern, den Priestern und Ordensleuten: mit den Priestern in El Salvador, mit den Ordensmännern in Guatemala und mit den Ordensfrauen in Costa Rica. Jede dieser Begegnungen galt ebenfalls für ganz Mittelamerika. 4. Es ist allgemein bekannt, daß sich die Gesellschaften, denen ich im Laufe dieser Reise begegnet bin, in einem Zustand großer innerer Spannungen befinden, besonders einige von ihnen, die geradezu Kriegsschauplatz sind. Ursache der Spannungen sind die veralteten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen, die ungerecht sind, weil sie die Anhäufung der meisten Güter in den Händen einer kleinen Minderheit zulassen unter andauernder Armut und andauerndem Elend der großen Mehrheit der Gesellschaft. Dieses ungerechte System muß mit Hilfe geeigneter Reformen und unter Beachtung der Grundsätze der sozialen Demokratie verändert werden. Nur auf diesem Weg und unter Berücksichtigung der Eigenart der jeweiligen Gesellschaft muß sich auch eine für diese Gesellschaften notwendige beständige internationale Zusammenarbeit herausbilden. Die Ereignisse der letzten Jahre zeigen jedoch, daß man vielmehr versucht, mit Gewalt Lösungen herbeizuführen, indem man den Guerillakrieg auslöst, der allein in El Salvador bereits Zehntausende von Opfern, einschließlich des Erzbischofs Oscar Romero, gefordert hat. Dieser Kampf wird weitgehend mit Hilfe fremder Mächte und Waffen geführt, die gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Gesellschaft, die 53 AUDIENZEN UND ANGELUS sich nach Frieden und Demokratie sehnt, aus dem Ausland geliefert werden. Das erklärte einer der kompetentesten Vertreter des Epikopats in jenem Land. 5. In jedem der von mir besuchten Länder hatte ich Gelegenheit, mit den Ortsbischöfen zusammenzutreffen und mit ihnen über die Probleme der Seelsorge und der Glaubensverkündigung zu sprechen. Zugleich fand bereits am Abend des ersten Reisetages die Tagung von SEDAC statt, in dem alle Bischöfe Mittelamerikas unter dem Vorsitz des Erzbischofs von S an Jose, Msgr. Roman Arrieta Vülalobos, vereinigt sind; am letzten Tag war es mir dann vergönnt, in Haiti die regelmäßig stattfindende Versammlung der Delegierten von CELAM zu eröffnen, dessen Präsident vier Jahre lang der neuernannte Kardinal Alfonso Lopez Trujillo war. Zweck der jetzigen Tagung war auch die Wahl der neuenLeitung dieser Einrichtung. Außerdem soll diese offensichtlich eine Reihe von Problemen prüfen, die für die Kirche in ganz Lateinamerika lebenswichtig sind. Das Haupt- und Kernproblem ist, die Identität der Kirche auf dem Gebiet der Lehre und der Pastoral sicherzustellen, und zwar in Übereinstimmung mit der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils und mit den Weisungen der letzten Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe 1979 in Puebla. Im Widerspruch zu dieser Identität stehen die mannigfachen Versuche, den Inhalt des Evangeliums politischen Kategorien und Zielen unterzuordnen. Die Kirche des Volkes Gottes bringt ihr wahres Wesen vor allem in der Anbetung des Geheimnisses der Eucharistie zum Ausdruck; und es ist unerträglich, daß dieses Geheimnis eine Entstellung erleiden dürfe, wie sie sich leider in einem zum Glück isolierten Fall zugetragen hat. Eine derartige Entstellung grenzt an eine organisierte Entweihung der Eucharistiefeier. 6. Die Kirche in Zentralamerika wie in ganz Lateinamerika verfügt über großen Glaubensreichtum und tiefe Frömmigkeit. Es ist eine Volksfrömmigkeit, die sich auf die wichtigsten Geheimnisse des Glaubens, die Heiligste Dreifaltigkeit, die Erlösung und das Leiden Christi, die Eucharistie, den Heiligen Geist und die Gottesmutter, konzentriert. Von einem gesunden Glaubenssinn geleitet, muß das Volk Gottes durch den Dienst aller mit dem Bischof von Rom verbundenen Bischöfe Christus, dem Guten Hirten, folgen. Diese Verbundenheit, die dem Beistand des Heiligen Geistes zu verdanken ist, weist den Weg der wahren Evangelisierung und zugleich den Weg des wirklichen Dienstes für Frieden und Gerechtigkeit, die die Gesellschaften Mittelamerikas so dringend benötigen. 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Und die Gesamtkirche darf nicht nachlassen im Gebet und in der Sorge für unsere so schwergeprüften Brüder, besonders jetzt, wo wir uns dem außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung der Welt nähern. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Mit reumütigem Herzen und mit demütigem Sinn nimm uns an und gib, daß unser Opfer dir gefalle.“ Mit diesen Worten bitte ich den Herrn, daß er den Dienst meiner Pastoraireise nach Zentralamerika gnädig annehme und für die besuchten Länder und Völker fruchtbar mache. Die meisten der dort lebenden Menschen nehmen durch große äußere Not und tiefgreifende politische Umwälzungen, die bis zum offenen Bruderkrieg gehen, in einer besonderen Weise am Leiden Christi teil. Es war mein Wunsch, ihnen die Liebe und die Solidarität der Kirche zu bezeugen. Unvergeßlich bleiben mir die vielen Begegnungen mit den verschiedenen sozialen Gruppen und den einzelnen kirchlichen Gemeinschaften. Die großen internen Spannungen in diesen Ländern beruhen auf überalterten und ungerechten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Strukturen. Den wenigen Reichen steht die ungeheure Armut und das Elend der großen Masse gegenüber. Dieses System muß durch angemessene Reformen und die Respektierung der demokratischen Prinzipien geändert werden. Dazu bedarf es nicht des unglücklichen Waffenimports aus dem Ausland, sondern einer weltweiten, internationalen solidarischen Zusammenarbeit. Auch die Kirche ist bereit, dazu ihren spezifischen Beitrag zu leisten. Dabei muß jedoch stets die ihr eigene Identität und geistliche Sendung gewahrt bleiben. Ich empfehle die Lösung dieser schwierigen sozialen und politischen Probleme der Länder Zentralamerikas auch ganz besonders eurem Gebet. Arbeitsbedingungen für Künstler verbessern Wort für Polen bei der Generalaudienz am 16. März 1. Das Gnadenbild von Jasna Göra ist ein großes Kunstwerk. Die göttliche Vorsehung bedient sich des Werkes aus Menschenhand, des Werkes der Kunst und der schöpferischen Begabung des Menschen, um dem Verstand und dem Herzen die tiefsten Wahrheiten nahezubringen. Gott 55 AUDIENZEN UND ANGELUS wirkt durch das Werk des Menschen. Das Menschenwerk wird so gleichsam zu einem sichtbaren Zeichen des göttlichen Geheimnisses. 2. Im Schlußkommunique der jüngsten Vollversammlung der Bischöfe (23.-24. Februar) lesen wir: „Mit tiefer Sorge verfolgen die Bischöfe die Probleme, die im Bereich von Kultur und Kunst zu bewältigen sind, deren Beteiligung am Leben des Landes unentbehrlich ist. Für die in Kunst und Kultur tätigen Menschen müssen entsprechende Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie die Möglichkeit der Vereinsbildung gewährleistet werden. Während sich die Bischöfe auf den reichen Beitrag einer echten künstlerischen Produktion zur Nationalkultur berufen, wenden sie sich gleichzeitig an alle Künstler und kulturell tätigen Menschen, sie mögen in den - literarischen, bildnerischen, musikalischen, filmischen - Kunstwerken die Gefühle und Empfindungen ausdrücken und festigen, die zur Erfahrung des Jubiläumsjahres von Jasna Göra werden sollen ...“ 3. Herrin von Jasna Göra! Unter Bezugnahme auf diese Hirtenworte der polnischen Bischöfe vertraue ich Dir von ganzem Herzen die heutige Kunst und Kultur Polens und alle ihre Schöpfer an. Auf daß sie in Freiheit und Wahrheit dem Schönen dienen, wie es ein Gedanke Norwids ausdrückt: „Das Schöne ist dazu da, um für die Arbeit zu begeistern - die Arbeit gibt es, damit man aufersteht“ (Promethidion). Heiliges Jahr und Heiliges Land Vor dem Angelus am 20. März 1. Lob sei dir - Wort Gottes! Diese Anrufung sprechen wir in der Liturgie der Fastenzeit fast jeden Tag. Heute wollen wir sie mit besonderer Betonung sprechen. Denn der 25. März nähert sich und damit die liturgische Eröffnung des Heiligen Jahres der Erlösung, des außerordentlichen Jubiläumsjahres. Ich bitte alle meine Brüder im Bischofsamt, daß sie dieses Jubeljahr zugleich mit mir in jeder Diözese eröffnen. Denn wir wollen es gleichzeitig in Rom und in der gesamten Kirche erleben. Und deshalb wollen wir am Fest der Verkündigung des Herrn gemeinsam sprechen: „Lob sei dir, Wort Gottes.“ Wir wollen es tun, indem wir mit 56 AUDIENZEN UND ANGELUS diesen Worten die ganze Tiefe und Schlichtheit unseres Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in Erinnerung bringen. Lob sei dir, ewiges Wort, das durch das Wirken des Heiligen Geistes Mensch wird im Schoß der unbefleckten Jungfrau. Lob sei dir, Wort - eingeborener Sohn des ewigen Vaters -, du setzt mit deiner Menschwerdung den Anfang der Erlösung der Welt. Siehe, in deiner Menschwerdung zeigt sich schon die Perspektive des Kreuzes und der Auferstehung. Ave Crux! O Crux, ave, spes unica! Sei gegrüßt, Kreuz! O Kreuz, einzige Hoffnung, sei gegrüßt! Lob sei dir, Menschensohn! Siehe, deine Freude ist es, „unter den Menschenkindern“ zu sein (Spr 8, 31) und ihnen die Zeit des Heils „zu verkündigen“. Lob sei dir, an der Schwelle dieser neuen Zeit! Lob sei dir, an der Schwelle des Heiligen Jahres der Erlösung! Liebe Brüder und Schwestern! Zum „Engel des Herrn“ zusammengekommen, wollen wir inständig dafür beten, daß das Heilige Jahr der Erlösung unter uns beginne und seine Heilssendung in der ganzen Kirche erfülle. 2. Ein herzliches Gedenken will ich heute den Bischöfen der Republik Malta widmen, mit denen ich zu meiner Freude im vergangenen Dezember anläßlich ihres „Ad-limina“-Besuches zusammengetroffen bin, und mit ihnen grüße ich auch alle heben katholischen Brüder und Schwestern, die in diesem edlen Land die große Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Die Kirche Gottes in Malta, die mit Recht stolz ist auf ihren apostolischen Ursprung, hat immer - wie auch heute noch - das lebendige und aufrichtige Zeugnis eines glühenden christlichen Lebens gegeben: bei einer katholischen Gesamtbevölkerung von 330 000 entfalten 653 Diözesan-priester, 443 Ordenspriester, 108 Ordensbrüder und 1552 Ordensschwestern ihr intensives Apostolat; nicht mitgezählt sind dabei die Tausende von Laien - Kinder, Jugendliche, Männer und Frauen -, die in ihren jeweiligen Bereichen von Studium, Arbeit und Beruf christlich engagiert sind. Außerdem gibt es zwei Priester- und zwei Knabenseminare: Im Schuljahr 1980-1981 waren 132 Seminaristen im philosophischen und theologischen Studium und 613 Seminaristen im Schulstudium. Besonders fruchtbar, wirksam und vielfältig ist die Tätigkeit der Kirche auf dem Gebiet der Erziehung und der Fürsorge: Im Jahr 1981 besuchten ungefähr 25 000 Schüler die zahlreichen katholischen Schulen, und in den verschiedenen Fürsorge- und Wohltätigkeitszentren leisteten Pastoral- 57 AUDIENZEN UND ANGELUS arbeiter ihren Einsatz zum Schutz der alten Menschen, der Kinder und der Behinderten. Während ich allen katholischen Gläubigen der Republik Malta meine Genugtuung und Bewunderung für ihre geistliche Lebendigkeit ausspreche, hoffe ich, daß sie in voller Treue zu ihren Bischöfen auch weiter ein deutliches Beispiel der immerwährenden Wirksamkeit der evangelischen Botschaft zur echten Förderung des Menschen und der Gesellschaft geben. Nach dem Angelus sagte der Papst: Die Feier des Heihgen Jahres der Erlösung, vor dessen Beginn wir stehen, muß uns an das Land erinnern, wo Jesus Christus für unser Heil gestorben und auferstanden ist. Ihr wißt sehr wohl, hebe Brüder und Schwestern, daß im Heihgen Land, rund um die von unserem Erlöser geheiligten Stätten, auch heute noch eine kleine Schar (vgl. Lk 12, 32) von Christen lebt, die unsere Solidarität dringend nötig hat. Ich fordere euch deshalb auf, für die Christen im Heihgen Land zu beten und ihnen zu helfen, indem ihr euren Glauben in der Liebe zum Ausdruck bringt (vgl. Gal 5, 6) und euch, euren Möghchkeiten entsprechend, an der Kollekte beteihgt, die am Karfreitag - oder an einem anderen, von den Bischöfen festgesetzten Tag - für die Erhaltung der Heihgen Stätten im Heihgen Land und die dortigen kirchhchen Einrichtungen auf dem Gebiet der Pastoral, der Caritas, der Erziehung und der sozialen Fürsorge durchgeführt wird. Das Geheimnis der Verkündigung Ansprache bei der Generalaudienz am 23. März 1. Liebe Brüder und Schwestern, in zwei Tagen, am kommenden Freitag, feiern wir das Hochfest der Verkündigung des Herrn. Ein Fest, das wegen des großen Geheimnisses der Barmherzigkeit und Liebe, das es enthält und zum Ausdruck bringt, im hturgischen Kalender immer eine besondere Bedeutung gehabt hat: Wir feiern das Geheimnis des Sohnes Gottes, der zum Menschensohn wird, indem er im unbefleckten Schoß der Jungfrau Maria Fleisch annimmt. 58 AUDIENZEN UND ANGELUS Eine ganz besondere Bedeutung kommt dem Fest in diesem Jahr zu, weil es mit der Öffnung der Heiligen Pforte zusammenfällt: An dem Tag, der für das Gedächtnis des Geheimnisses der Menschwerdung bestimmt ist, beginnt feierlich das Jubiläumsjahr der Erlösung. Es handelt sich um zwei Gedenktage, die aufs engste miteinander verbunden sind: Die Menschwerdung ist ja in der Tat der Beginn der Erlösung, und in beiden Geheimnissen ist die Hauptgestalt ein und derselbe (unus idemque), nämlich „Christus dem Fleisch nach, der über allem als Gott steht, er ist gepriesen in Ewigkeit“ (Röm 9, 5). 2. Jesus Christus - das sei erneut hervorgehoben - ist die Hauptgestalt, er ist immer die einzige und wahre Hauptgestalt im ganzen Werk der Erlösung der Menschheit. Er ist es vom ersten Augenblick, eben dem der Menschwerdung an, da unmittelbar nach der vom Engel der allerseligsten Jungfrau Maria überbrachten Botschaft mit ihrer Zustimmung zu dieser Verkündigung „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1, 14). Am Beginn der Erlösung steht also die Menschwerdung: Das fleischgewordene Wort ist jetzt bereit für sein Werk. Denn beim Eintritt in die Welt kann Christus in Wahrheit zu Gott, seinem Vater, sagen: „Schlacht-und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen ... Da sagte ich: Ja, ich komme ..., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10, 5-7; vgl. Ps 39, 7-9). Und so wie er als wahrer Mensch in Betlehem geboren werden wird, so wird er auch als wahrer Mensch auf Golgota sterben. Das Erlösungswerk des Herrn wird durch die Verkündigung des Herrn vorbereitet. Dort in Galiläa, in dem bescheidenen Haus in Nazaret, ist außer dem Erzengel Gabriel, der die Verkündigung überbringt (Subjekt), und Maria, die diese Verkündigung empfängt (Ziel), Er anwesend, den nur der aufmerksame Blick des Glaubens schaut: Er ist Inhalt dieser Verkündigung (Objekt). Wir wollen darum den Engel der Verkündigung anrufen und preisen; wir wollen insbesondere Maria anrufen und preisen und sie mit dem schönen und der Volksfrömmigkeit so teuren Namen „Annun-tiata“, „Jungfrau der Verkündigung“, nennen und verehren; aber in der Mitte dieser beiden Personen wollen wir den erhabensten, bereits anwesenden und wirkenden Gast, den verkündeten Sohn Gottes, erblicken, ihn anrufen und preisen, ja anbeten. „Fürchte dich nicht, Maria ... Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: Dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden ...“ (Lk 1, 30-31). Das ist, zusammengefaßt in der bescheidenen 59 A UDIENZEN UND ANGEL US Schlichtheit der Sprache des Evangeliums, die Verkündigung: die Empfängnis und Geburt des Gottessohnes aus der Jungfrau. Diese Botschaft, die zuerst vom Engel an die Jungfrau Maria erging, wird dann ihrem Bräutigam Josef mitgeteilt (vgl. Mt 1, 20-21) und dann auch noch den Hirten und den Magiern verkündet (vgl. Lk 2, 10-11; Mt 2, 2f.): Er, der verheißen wurde und bald geboren wird bzw. gerade auf die Welt kam, ist der „Retter“, der „Erlöser“, denn seinem Namen entsprechend „wird er sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1, 21). Dieselbe Verkündigung gilt darum im Blick auf das Heil der ganzen Menschheit für alle Jahrhunderte; sie ist eine Botschaft unaussprechlicher Freude, in der sich das „Frohe“ des Evangeliums (= Frohbotschaft) verdichtet und buchstäblich erfüllt. 3. Das Geheimnis der Verkündigung hat zu allen Zeiten die Aufmerksamkeit der Künstler gewonnen und nicht selten berühmte Werke angeregt. Eindrucksvoll - wenn ich mich auf ein Werk beschränken darf - ist das Gemälde des Fra Angelico, das die geheimnisvolle Begegnung zwischen Gabriel und Maria darstellt. Es scheint, als warteten Himmel und Erde auf ihre Antwort, obwohl der Vorgang in seiner übernatürlichen Erhabenheit unaussprechlich bleibt. Und doch ist Jesus noch nicht sichtbar: Gewiß ist sein Geist da, der das große Wunder vollbringt und den jungfräulichen Schoß Mariens befruchtet: Gewiß ist die Kraft des Höchsten da, dem nichts unmöglich ist (vgl. Lk 1, 35-37). Aber Jesus ist noch nicht äußerlich sichtbar da. Man könnte sagen, so wie Himmel und Erde auf die Antwort Mariens warten, so wartet auch das Wort im Verborgenen und voll Sehnsucht auf diese Antwort, um sogleich den ewigen Plan des Vaters zu erfüllen. So befindet sich der Erwartete selber, von dem das Gesetz und die Propheten sagen, daß „ihn die Völker erwarten“ (vgl. Gen 49, 10; /es 9, 5-6; Joh 1, 45), in Erwartung: Von ihm sprechen bereits die beiden erhabenen Gesprächspartner, und sobald die Antwort erfolgt, das heißt in dem Augenblick, wo auf den Lippen der Jungfrau das Fiat („mir geschehe“) erklingt, tritt er unverzüglich in die Welt. 4. Ein großes Geheimnis, liebe Brüder, ein erhabenes Geheimnis ist die Menschwerdung, das zu begreifen unser schwacher Verstand sicher nicht aussreicht, weil er nicht imstande ist, die Gründe für Gottes Handeln zu erfassen. In diesem Geheimnis müssen wir immer mit aller Klarheit und Deutlichkeit Jesus Christus als den Sohn Gottes sehen, der Mensch wird, und 60 AUDIENZEN UND ANGELUS neben ihm die Mutter, die bei der Menschwerdung mitwirkt, indem sie ihm mit mütterlicher Liebe das Leben schenkt. Auf diese Weise wird die Ankündigung des Herrn die Aufgabe und das Verdienst Mariens nicht schmälern, die eben aufgrund ihrer Mutterschaft zusammen mit ihrem göttlichen Sohn gepriesen sein möge in Ewigkeit. Aber wir dürfen dieses Geheimnis nicht für sich allein sehen, sondern koordiniert und verbunden mit allen den verschiedenen Geheimnissen des verborgenen und öffentlichen Lebens Jesu bis hin zu dem anderen erhabenen Geheimnis der Erlösung. Von Nazaret nach Golgota führt in der Tat eine gerade Linie der Entwicklung in der Fortführung eines ungeteilten und unteilbaren Planes der Liebe. Darum werden wir auch auf dem Kalvarienberg Maria wieder antreffen, die dort, unter dem Kreuz des sterbenden Sohnes, wachend und betend als Mutter und zugleich als „Gefährtin“ ihren Platz hat, das heißt, die an seinem Heilswerk mitwirkt und so „unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung dient“ (Lumen gentium, Nr. 56). Wenn ich das Heilige Jahr der Erlösung im Namen Gottes eröffne, wünsche ich sowohl für euch, die ihr mir hier zuhört, wie für alle christlichen Brüder in der ganzen Welt, daß euch und ihnen der natürliche, spontane Übergang von der schönen und innerlichen Szene von Nazaret zu jenem blitzartigen, dramatischen Geschehen auf dem Kalvarienberg gelingen möge, damit die untrennbare Beziehung zwischen allen Geheimnissen des Lebens des menschgewordenen Gottessohnes klar zutagetreten möge. Durch das Geheimnis seiner Menschwerdung und vor allem durch das Geheimnis der Erlösung hat er uns alle gerettet. Es muß daher unsere Pflicht sein, während des unmittelbar bevorstehenden Jahres der Gnade und der Vergebung uns dieses Werk zunutze zu machen, indem wir seine göttliche Kraft in unsere Seelen einströmen lassen. „ Wir wollen dem Erlöser unsere Türen öffnen“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 23. März Herrin von Jasna Gora! In Deine mütterlichen Hände möchte ich das Heilige Jahr der Erlösung legen, das ich am Fest der Verkündigung des Herrn, am 25. März, als außerordentliches Jubiläumsjahr eröffnen darf. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS „In Verbundenheit mit dem Papst werden am selben Tag die polnischen Bischöfe in ihren Domkirchen das Heilige Jahr eröffnen. Wir wollen uns von jetzt an für die Dauer des ganzen Heiligen Jahres bei den Diözesan-wallfahrten, bei den von den Diözesanbischöfen festgesetzten Heilig-Jahr-Messen und insbesondere beim würdigen Empfang des Bußsakraments und der Eucharistie dem Erlöser öffnen . . . Wir wollen dem Erlöser die Türen unserer Häuser und Famiüen öffnen. Wir wollen den Erlöser neu in unser ganzes polnisches Leben aufnehmen.“ So schrieben die polnischen Bischöfe im Kommunique ihrer jüngsten Vollversammlung. O Herrin von Jasna Göra! Möge Christus durch das Jubiläumsjahr der Erlösung die Seelen der Söhne und Töchter meiner Nation , deren Mutter du bist, aufs neue mit seiner Kraft erfüllen! Es sind die Tage des Kreuzes Ansprache bei der Generalaudienz am 30. März 1. Heiliges Jahr, Heilige Pforte, Heilige Stätten, Heilige Woche . . .: diese herkömmliche Anerkennung der „Heiligkeit“ räumlicher oder zeitlicher Gegebenheiten beweist, daß die Volksseele oder sogar die Kirche in ihnen eine besondere Beziehung zu Gott entdeckt und somit die Bezeichung „geweiht“ für gerechtfertigt hält. Für uns Christen ist die sakrale Bedeutung dieser heiligen Tage durch das Gedenken an das Leiden und den Tod Christi gegeben, das wir in ihrem Verlauf mit lebendigem Glauben feiern, mit tiefer Frömmigkeit und bewußtem Ernst, mit unserem liturgischen und spirituellen Miterleben jenes Geheimnisses der Erlösung, das jeden Tag im Credo zum Ausdruck kommt: „Er wurde auch für uns gekreuzigt. . ., hat gelitten und wurde begraben.“ Es sind also die Tage des Kreuzes, die Tage, an welchen den Christen unwillkürlich der uralte liturgische Hymnus auf die Lippen kommt, der von Generation zu Generation weitergegeben und von Milhonen von Gläubigen zu allen Zeiten wiederholt wurde, auch während des ersten von Papst Bonifaz VIII. im Jahre 1300 ausgerufenen Heiligen Jahres: „Die Banner des Königs wallen empor, es leuchtet das Geheimnis des Kreuzes . . .“ 62 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Kreuz ist das Zeichen Christi, das wir verehren und besingen. Ja, aufgrund seiner Funktion als Werkzeug unserer Erlösung, das entsprechend dem Plan des Vaters aufs engste mit dem verbunden ist, der daran wie an einem Galgen aufgehängt wurde, verehren wir es gleichsam durch eine Ausweitung des Kultes, den wir dem menschgewordenen Gott Vorbehalten. Tatsächlich bedeutet das Kreuz verehren (wie wir es in liturgischer Form am Karfreitag tun werden), Christus selbst verehren: „Wir beten dich an, Christus, und preisen dich; denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst.“ 2. Das Kreuz gehört in der Tat wesentlich zu unserer Existenz, wie uns die Alltagserfahrung beweist. Ja, man könnte sagen, das Kreuz hat seinen Ursprung im Wesen der geschaffenen Dinge selbst. Der Mensch ist sich der Werte, aber auch der Grenzen bewußt. Hier haben wir das Problem des Bösen, das unter bestimmten Umständen physischer, psychischer und geistlicher Unruhe und Verwirrung Schmerz, Leiden und sogar Sünde ist. Warum gibt es das Böse, warum gibt es den Schmerz, warum gibt es dieses menschliche Kreuz, das zwar unserer Natur wesensentsprechend, doch in vielen Fällen so absurd zu sein scheint? Das sind Fragen, die seit jeher Verstand und Herz des Menschen quälen und auf die es vielleicht theoretische Teilantworten geben mag, die aber in der Wirklichkeit des Lebens immer wieder und mitunter in dramatischer Weise aufgeworfen werden, besonders dann, wenn es sich um den Schmerz der Unschuldigen, der Kinder, auch um den Schmerz von Gruppen von Menschen und von ganzen Völkern handelt, die von gewalttätigen Kräften unterdrückt werden, welche in der Welt den Triumph der Bosheit anzuzeigen scheinen. Wer von uns würde sich nicht angesichts so vieler schmerzlicher Vorkommnisse, so vieler Kreuze im Herzen verwundet fühlen? Es stimmt, daß die allgemeine Erfahrung uns auch die heilsamen Auswirkungen des Schmerzes als Quelle von Reife, Weisheit, Güte, Verständnis und Solidarität für viele Menschen lehrt, so daß man von seiner Fruchtbarkeit sprechen kann. Aber diese Feststellung läßt das Grundproblem ungelöst und beseitigt nicht die Versuchung Ijobs, vor der auch der Christ steht, wenn er sich veranlaßt fühlt, Gott zu fragen: Warum? Ja, für viele stellt das Problem des Bösen und des Schmerzes einen Widerspruch zur Vorsehung Gottes, wenn nicht gar einen Einwand gegen seine Existenz dar. Die Wirklichkeit des Kreuzes wird dann zu einem Ärgernis, weil es sich um ein Kreuz ohne Christus handelt: die drückendste und unerträglichste Wirklichkeit, mitunter schrecklich bis zur Tragödie! 63 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Das Kreuz mit Christus ist die große Offenbarung der Bedeutung des Schmerzes und des Wertes, den er im Leben und in der Geschichte besitzt. Wer das Kreuz begreift, wer es umfängt, schlägt einen ganz anderen Weg ein als den der Anklage oder Anfechtung Gottes: Im Kreuz findet er vielmehr den Antrieb zu einem neuen Aufstieg zu Ihm auf dem Weg Christi, der eben der Weg des Kreuzes ist. Das Kreuz ist der Beweis einer unendlichen Liebe, die eben in der Hostie (d. i. im Opfer) der Sühne und der Versöhnung das Prinzip der Wiederherstellung der Welt und insbesondere der Erlösung des Menschen niedergelegt hat: Erlösung von der Sünde und, wenigstens in ihren Wurzeln, vom Bösen, vom Schmerz und vom Tod. Das Kreuz fordert uns jedoch auf, die Liebe mit Liebe zu beantworten. Wir können Gott, der uns zuerst geliebt hat, den Beweis unserer innersten Anteilnahme und Mitwirkung an seinem Heilsplan geben. Es wird uns nicht immer gelingen, in diesem Plan das Warum der Schmerzen aufzudecken, denen wir auf unserem Lebensweg begegnen. Wenn wir uns auf den Glauben stützen, können wir jedoch zu der Gewißheit kommen, daß es sich um einen Plan der Liebe handelt, in welchem sich die ganze unendliche Skala der großen und kleinen Kreuze in dem einen Kreuz aufzulösen trachtet. Das Kreuz ist daher für uns eine Gewähr des Lebens, der Auferstehung und der Rettung, weil es die erneuernde Kraft der Erlösung Christi in sich enthält und den Gläubigen mitteilt. In ihm ist nach dem hl. Paulus auch die künftige Auferstehung und himmlische Verherrlichung, die in der Ewigkeit die glorreiche Mitteilung des von Christus mit seinem Leiden und seinem Tod errungenen Sieges darstellen wird, bereits Wirklichkeit. Wir sind mit der Erfahrung unseres täglichen Schmerzes dazu aufgerufen, an diesem Geheimnis teilzuhaben, das gewiß Leiden, aber auch Herrlichkeit bedeutet. 4. In diesen Tagen der Karwoche und des Heiligen Jahres sind wir eingeladen, auf Christus zu blicken, der uns so sehr geliebt hat, daß er für uns am Kreuz gestorben ist. Wir sind eingeladen, uns mit der Kirche zu vereinen, die insbesondere mit der Feier der das Erdenleben Christi abschließenden Mysterien uns ein lebendigeres Bewußtsein für das Erlösungsgeheimnis einflößen möchte; das ist auch das Grundanliegen des Jubiläumsj ahres. Im Kreuz, dem Zeichen und Werkzeug Christi, des Erlösers, grüßen wir das Fundament unserer Hoffnung, weil wir in ihm den Beweis der 64 AUDIENZEN UND ANGELUS allmächtigen und erbarmenden Liebe Gottes für den Menschen erkennen und erfahren. Wir wenden uns an das Kreuz und an den gekreuzigten Christus in dieser Passionszeit: einer Zeit, die nicht nur liturgischen, sondern auch geschichtlichen, sozialen und spirituellen Charakter trägt und in der wir sehen, wie viele Schmerzen, wie viele „Passionen“ und wie viele Kreuze leider ohne Christus sich über der Welt zusammenballen! Wir bitten den Erlöser im Namen seines Kreuzes darum, daß er seiner Kirche und der ganzen Menschheit die Gnade des Heiligen Jahres, die Gaben der Umkehr und der Heiligkeit gewähren möge, deren wir bedürfen. Das will das Heilige Jahr, und darum bittet uns Christus vom Kreuz herab: eine größere Offenheit für seine Erlösung, indem wir unsere Sünden bereuen und nach Heiligkeit streben. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit besonderer Freude grüße ich euch heute zu dieser ersten Audienz im Jubiläumsjahr der Erlösung hier auf dem weiten Petersplatz. Ich grüße jeden einzelnen, die Familien und verlesenen Gruppen, vor allem den großen Diözesanpilgerzug aus Münster unter der Leitung des hochwürdigsten Herrn Weihbischofs Ostermann. Unsere heutige Begegnung in der Mitte der Heiligen Woche ist ein gemeinsames Zeugnis unseres Glaubens an Christus, den Gekreuzigten, der uns durch sein Leiden und Sterben erlöst hat. Das Kreuz ist das Siegeszeichen Christi, unseres Erlösers. Zugleich gehört das Kreuz als Erfahrung von Leid, Schmerz und Tod zu unserem persönlichen Leben im Alltag. Auf die Frage nach dem Warum gibt es letztlich nur vom Kreuze Christi her eine Antwort. Er hat in seinem Sterben alles menschenmögliche Leid zutiefst verwandelt und uns dadurch auch unser Kreuz als Mittel und Weg zur Erlösung und Auferstehung aufgezeigt. Öffnen wir uns neu für diese trostreiche und ermutigende Heilsbotschaft der Heiligen Woche und des Jubiläumsjahres der Erlösung! Mit besten österlichen Wünschen erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 65 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein neues Kapitel des Leidens Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 30. März Allerseligste Mutter! An Dein vom Schwert des Schmerzes durchbohrtes Herz ergeht unser Ruf! Karwoche 1983. Durch Dein mütterliches Herz nähern wir uns dem unerforschlichen Geheimnis des Leidens Christi, dem Geheimnis seines Kreuzes. So geschieht es im ganzen polnischen Land. In allen Kirchen, Kapellen, Pfarreien, Gemeinden - in allen Herzen. Während der ganzen Fastenzeit denken wir über das Leiden und Sterben Christi nach. Wir erleben die Tage der Karwoche: den Donnerstag, Freitag und Samstag. Nimm, Mutter von Jasna Göra, unseren Willen an, mit Christus gekreuzigt und begraben zu werden. Nimm all das an, was in der Fastenzeit zur Bekehrung und zur Änderung des Lebens getan wurde. Nimm alle geistlichen Übungen an, die Tage der Einkehr, die Kreuzwege, die Klagelieder. Nimm alle Beichten und heiligen Kommunionen an. Nimm alle Gebete an. Nimm auch die Opfer aller derer an, die in Polen leiden: jenes ganz neue Kapitel des Leidens, das sich vor nunmehr zwei Jahren in unsere Geschichte einzuschreiben begann. Dein Sohn, Jesus Christus, der gepeinigt, gekreuzigt und begraben wurde - der Christus der Karwoche -, werde für uns auch in diesem Jahr zur Quelle der Kraft und zum Zeichen der Hoffnung. „ Christus hat uns für immer befreit“ Ansprache bei der Generalaudienz am 6. April 1. Wir befinden uns noch in der Osterstimmung, in welcher uns eine unaussprechliche geistliche Erfahrung die tiefe Wahrheit unseres Glaubens an den auferstandenen Christus „unser Paschalamm“ (1 Kor 5, 7), verkosten ließ, der sich für uns geopfert hat, aber nicht vom Tod besiegt wurde und dessen Geheimnis und Sendung noch nicht vollendet war, als er vom Kreuz herab die Worte sprach: „Es ist vollbracht“ (Joh 19, 30). 66 AUDIENZEN UND ANGELUS Denn in diesem Augenblick hat der Vollzug des Heilsplanes Gottes in der Menschheitsgeschichte eine neue Phase eröffnet, die Christus selbst mit seiner Auferstehung von den Toten einweihen sollte: den neuen kairos der Gewißheit des Lebens, gegründet auf diesen Erweis göttlicher Allmacht. Christus ist auferstanden, wie er verheißen hat, weil die Tiefe seiner Person identisch ist mit Gott, so daß er von sich sagen konnte: „Ich bin das Leben“ (Joh 14, 6), wie er ein anderes Mal verkündete: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Joh 11, 25). Mit ihm ist also die allmächtige Kraft des Lebens in die Welt gekommen und hat sich nach dem am Kreuz dargebrachten Opfer der Gerechtigkeit und Liebe in seinem Menschsein und durch es im Menschengeschlecht und gewissermaßen im ganzen Universum durchgesetzt. Seit jenem Augenblick birgt die Schöpfung das Geheimnis einer immer neuen Jugend in sich, und wir sind nicht mehr Sklaven der „Furcht vor dem Tod“ (Hebr 2, 15). Christus hat uns für immer befreit! Sieg des Lebens und der Freiheit Mit dem Jubiläumsjahr wollen wir auch diesen Sieg des Lebens und der Freiheit feiern, weil er dem Geheimnis der Erlösung weiten Raum gewährt und die Macht des Kreuzes offenbart. Mit Recht können wir daher in der Liturgie der Kirche das Kreuz als „einzige Hoffnung“ und Quelle von „Gnade“ und „Vergebung“ grüßen, und zwar nicht nur „hoc Passio-nis tempore“, jetzt in dieser Zeit des Leidens, wie wir es am Karfreitag getan haben, sondern auch „in hac triumphi gloria“, in dieser Herrlichkeit des Triumphes, wie wir am Fest der Kreuzerhöhung (14. September) singen werden, gleichsam als Echo des österlichen Halleluja. 2. Von diesem Geheimnis der strahlenden Herrlichkeit des Kreuzes (fulget Crucis mysterium) spricht zu uns der hl. Petrus in seinem ersten Brief an die Christengemeinden Kleinasiens, einem grundlegenden Zeugnis für die stets einfachen und geradlinigen, aber an christologischer Bedeutung reichen Erwägungen der Apostel und der ersten christlichen Gemeinden, wenn er schreibt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen“ (2 Petr 1, 3-4). Der auferstandene Christus beherrscht also den Schauplatz der 67 AUDIENZEN UND ANGELUS Geschichte und schenkt dem christlichen Leben eine schöpferische Kraft ewiger Hoffnung in diesem „kairos“, in diesem eschatologischen Zeitraum, der bereits mit dem Sieg über den Tod durch den begonnen hat, der „schon vor der Erschaffung der Welt dazu ausersehen war und euretwegen am Ende der Zeiten erschienen ist“ (7 Petr 1, 20). Diese Gewißheit brauchte die Welt, in der die Apostel das Evangelium Christi verkündeten; diese Hoffnung braucht die Menschheit unserer Zeit, der wir die Botschaft und die Gnade des Heiligen Jahres mitteilen wollen: Christus ist auf erstanden und hat durch seine Auferstehung das unterbrochen, was vielen als ein erbarmungsloser Strudel von Verfall, Niedergang und Verderbnis in der Geschichte erschien und noch immer erscheint. Der auferstandene Christus schenkt uns die Gewähr eines unvergänglichen Lebens, eines „unzerstörbaren Erbes“, einer „Obhut“ Gottes für die Gerechten, die, durch den Erlöser befreit und neugeboren, nun in Glauben und Hoffnung dem Reich des ewigen Lebens angehören. 3. Die irdische Geschichte und der Gang der Welt nehmen zweifellos weiter ihren Lauf, der nicht identisch ist mit den Entwicklungsabschnitten des Reiches Christi. In der Tat fordern der Schmerz, das Böse, die Sünde und der Tod trotz der Auferstehung Christi noch immer ihre Opfer. Der Kreislauf der Abfolge und des Werdens steht durchaus nicht still: denn das wäre der Abschluß der Geschichte! Ja, es wiederholen sich ständig Taten und Ereignisse, die an einen unheilbaren Konflikt hier auf Erden zwischen den beiden Reichen oder, wie der hl. Augustinus sagte, zwischen den beiden Staaten erinnern. Denkt zum Beispiel an den Gegensatz, der in diesem Heiligen Jahr deutlich wird zwischen der Feier der Erlösung einerseits und den Beleidigungen Gottes und Verbrechen am Menschen andererseits, die gleichzeitig weiter verübt werden und im Grunde Herausforderungen gegenüber Christus sind. Hier stehen wir vor dem erschütterndsten Aspekt und der geheimnisvollen Dimension der geschichtlichen Dialektik zwischen den Kräften des Guten und des Bösen: nämlich vor der Tatsache, daß man Hindernisse errichtet bzw. Gleichgültigkeit zur Schau trägt gegenüber den Kräften der Erlösung, die Christus mit seiner Auferstehung als entscheidendes Prinzip zur Aufhebung des Gegensatzes zwischen Tod und Leben in die Welt gebracht hat. Aber da ist noch eine andere Wahrheit, die den Christen vom hl. Petrus zur Überlegung angeboten wird und die aus den Seligpreisungen stammt: Inmitten von Leiden und Schwierigkeiten der vergänglichen Zeit sind die 68 AUDIENZEN UND ANGELUS Christen, alle Christen, aufgerufen, wie Er die Gerechten zu sein, die leiden, während sie in der Gewißheit des Glaubens und der Hoffnung ausharren und gerade auf diese Weise in der großen Dialektik der Geschichte ihren Platz einnehmen und ihre Sendung erfüllen: Mit Christus und für Christus sind sie Kraft der Erneuerung, Sauerteig des neuen Lebens. Daher die Ermahnung: „Laßt euch nicht mehr von euren Begierden treiben wie früher, in der Zeit eurer Unwissenheit. Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: Seid heilig, denn ich bin heilig“ (7 Petr 1, 14-16; vgl. Mt 10, 17). Künder und Zeugen der Erlösung Die Welt hat es heute wie gestern und mehr als früher nötig, daß in den Wechselfällen, Konflikten und dem Wandel der Zeiten, die nicht selten zu schwierigen, mitunter geradezu dramatischen Situationen führen, das „neue Volk“ weiterbesteht, das sich mit Demut, Mut und Ausdauer dem Dienst der Erlösung widmet und in einer echt christlichen Lebensführung die erneuernde Kraft der Auferstehung Christi zum Ausdruck bringt. Das ist die Aufgabe der Christen als Künder und Zeugen der Erlösung in der Geschichte; das ist die geschichtliche und eschatologische Sendung, zu der uns das Heilige Jahr auf ruft. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In der Freude des auferstandenen Herrn grüße ich euch herzlich zu dieser österlichen Begegnung im Vatikan. Ich grüße die genannten Gruppen, darunter die Seminaristen aus den Diözesen Salzburg und Gurk-Klagen-furt, eine Gruppe von Schülern und Eltern vom Erzbischöflichen Studienseminar in Traunstein sowie die Romwallfahrt von Jugendlichen aus der Diözese Regensburg. Dazu begrüße ich auch alle Einzelpilger wie auch eure Angehörigen und Gemeinden in der Heimat. Möge das Jubiläumsjahr der Erlösung durch eine fruchtbare Mitfeier für euch alle zu einem Jahr der Gnade und des Heils werden. Durch Tod und Auferstehung ist Christus für uns und die ganze Menschheit zum unversiegbaren Quell des Lebens, der Hoffnung und der Versöhnung geworden. Durch das Geheimnis der Erlösung hat er uns der Knechtschaft des Todes entrissen und für Gott und sein Reich befreit. Es bleiben zwar Schmerz und Leid, Sünde und Tod. Die Christen sind aber 69 AUDIENZEN UND ANGELUS berufen, die Prüfungen und Schwierigkeiten dieser Zeit mit Christus voll Glaube und Hoffnung zu tragen und dadurch selber für andere zum Kraftquell der Erneuerung und des Heiles zu werden. Der hl. Petrus ermahnt uns: Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden (1 Petr 1, 16). Diese Heiligung eures Lebens erbitte ich euch als Gnade des Jubiläumsjahres der Erlösung mit meinem besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik de verschillende groepen pelgrims uit Nederland en in het bijzonder de leerlingen van de Sint-Jozefschool. Graag verleen ik mijn Apostolische Zegen aan u, hier op het Sint-Pietersplein, en aan allen die u dierbaar zijn in Nederland. Dank für „die Macht der Wahrheit“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 6. April „Freu Dich, Himmelskönigin, freu Dich, engelgleiche Herrin . . ., denn Dein Sohn ist auf erstanden . . .“ Wir stehen vor Dir, Mutter von Jasna Göra, in der Osteroktav. Seit sechshundert Jahren singt die Kirche in Polen für Dich die Antiphon auf Deinen auferstandenen Sohn, „den Du zu tragen würdig warst, Halleluja“. In dieser marianischen Osterantiphon vereinige ich mich vor dem Antlitz der Mutter von Jasna Göra mit euch, hebe Landsleute, Söhne und Töchter derselben großen Familien der Nation, desselben Vaterlandes. Danken wir für alles, was für jeden von uns die Auferstehung Christi bedeutet. Danken wir für alles, was die Auferstehung Christi für sämtliche Generationen war und ist. Danken wir für die in ihr enthaltene, endgültige Hoffnung des Menschen. Danken wir für die Macht der Wahrheit, die endlich nicht zum Tod verurteilt werden kann. Danken wir für den Sieg des Lebens, das nicht vernichtet werden kann, weil es aus der Macht des Geistes wiederersteht. Singen wir zur Muttergottes: „Freu Dich, Himmelskönigin, bitte Christus, den Herrn, für uns, Halleluja.“ 70 AUDIENZEN UND ANGELUS In Jasna Göra legen wir, zusammen mit unserer Mutter, vor dem Auf erstandenen auch die größten Nöte und Sorgen der Menschen und der Nation im Jahr des Herrn 1983 nieder. Mariens Weg ist auch unser Weg Vor dem Regina Caeli am 10. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Regina caeli, laetare, alleluja! Das schöne, alte Gebet, das wir gleich sprechen werden und in das immer wieder das Halleluja jubelnder Freude eingefügt ist, spricht zu uns sehr deutlich von der Freude der Mutter des Herrn über die Auferstehung ihres göttlichen Sohnes und mit ihr und in ihr von der Freude der Kirche und uns allen. Die Evangelien sagen uns nichts über eine Erscheinung des auferstandenen Jesus vor seiner Mutter; dieses unaussprechliche Geheimnis der Freude bleibt unter dem Schleier eines mystischen Schweigens verborgen. Es ist freilich gewiß, daß sie, die Ersterlöste, so wie sie dem Kreuz des Sohnes besonders nahe war (vgl. Joh 19, 25), auch eine bevorzugte Erfahrung des Auferstandenen gehabt hat, die in ihr eine gewaltige Freude auslöste, die im Vergleich zur Freude der übrigen durch das Blut Christi erlösten Geschöpfe einmalig war. 2. Lassen wir uns von Maria führen, wenn wir die Geheimnisse des Herrn kennenlernen wollen: Wie wir in ihr und mit ihr den Sinn des Kreuzes verstehen, so gelangen wir in ihr und mit ihr dahin, die Bedeutung der Auferstehung zu erfassen, indem wir die Freude kosten, die solcher Erfahrung entspringt. Denn von Anfang an hat Maria - unter allen Geschöpfen - an das geglaubt, was das Wort, das in ihr Fleisch wurde, in der Welt zur Erlösung der Welt vollbracht hat. In einem wachsenden Aufstieg gelangte ihre Freude, auf den Glauben gestützt, von dem hoffnungsvollen Magnifikat zu jener allerreinsten ewigen Freude über den triumphalen Sieg ihres Sohnes über Sünde und Tod. 71 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria hat, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, „beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen“ {Lumen gentium, Nr. 61). Und nun „trägt sie Sorge für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen“ {ebd., Nr. 62). Brüder und Schwestern! Der Weg Mariens soll auch unser Weg sein. Ihre Freude soll auch unsere Freude sein. Und wie sie, voller Freude über die Auferstehung ihres Sohnes, „Ursache unserer Freude“ ist, so bemühen wir uns, die Freude Mariens zu sein, indem wir Christus, den Erlöser, in uns das übernatürliche Leben formen lassen bis hin zu der ewigen Freude in der seligen Heimat. Mit ihr, der Himmelskönigin. Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: Morgen, am 11. April, begehen wir den 20. Jahrestag der Unterzeichnung der Enzyklika Papst Johannes’ XXIII. Pacem in terris. Dieses Dokument hat in der ganzen Welt, auch in der nichtkatholischen, breite Resonanz gefunden, indem es Zeugnis gab von dem tiefgehenden Verständnis für die menschlichen Probleme, das dieser große Papst besaß. Darüber hinaus lenkte es die Aufmerksamkeit aller Menschen guten Willens auf den Einsatz der Kirche für den Frieden unter den Menschen und erläuterte gleicherweise die Beweggründe ihres Handelns: „Der volle Respekt vor der von Gott gewollten Ordnung . . ., einer Ordnung, gegründet auf der Wahrheit, errichtet nach der Gerechtigkeit, verlebendigt und ausgeübt in der Liebe und verwirklicht in der Freiheit“ (AASLV, 1963, S. 257, 303). Mit einer Weitsicht, die man fast als prophetisch bezeichnen kann, wies damals Papst Johannes XXIII. die Menschheit auf die festen Grundlagen hin, auf denen einzig und allein der wahre Friede errichtet werden könne, ein dauerhafter Friede, der möglich sei, weil er den Menschen in all seinen Dimensionen im Auge habe. Papst Johannes XXIII. gelten deshalb am Jahrestag dieser bedeutenden Enzyklika unsere Gedanken voll Bewegung und Dankbarkeit. 72 AUDIENZEN UND ANGELUS „Laßt euch mit Gott versöhnen!“ Ansprache bei der Generalaudienz am 13. April 1. „Gott hat uns durch Christus mit sich versöhnt“ (2 Kor 5, 18). Liebe Brüder und Schwestern, der Mensch bedarf der Versöhnung! Durch die Sünde hat er die Freundschaft mit Gott gebrochen und steht allein und verzweifelt da, weil sich seine Bestimmung ohne diese Freundschaft nicht verwirklichen kann. Er sehnt sich deshalb nach der Versöhnung, auch wenn er nicht imstande ist, sie von sich aus zu erlangen. Denn aus eigener Kraft vermag er sein Herz nicht zu läutern, sich nicht von der Last der Sünde zu befreien und sich nicht der belebenden Wärme der Liebe Gottes zu öffnen. Die „frohe Kunde“, die der Glaube uns mitteilt, ist gerade die folgende: Gott ist in seiner Güte dem Menschen entgegengekommen. Er hat ein für allemal die Versöhnung der Menschheit mit sich bewirkt, indem er ihr die Schuld vergab und in Christus einen neuen, reinen und heiligen Menschen schuf. Der hl. Paulus betont die Souveränität dieses göttlichen Handelns, wenn er von der neuen Schöpfung spricht und erklärt: „Das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt hat“ (2 Kor. 5, 18). Und er fügt hinzu: „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete“ (5, 19). In dem Bewußtsein, von Gott den Dienst der Versöhnung erhalten zu haben, schließt der Apostel daher mit der leidenschaftlichen Mahnung: „Laßt euch mit Gott versöhnen“ (ebd. 5, 20). Gott allein ist der Retter: Die Überzeugung, daß sich der Mensch aus eigener Kraft nicht retten kann und das ganze Heil von Gott kommt, war von der Offenbarung des Alten Testaments eingeprägt worden: „Es gibt keinen Gott außer mir, außer mir gibt es keinen gerechten und rettenden Gott“ (Jes 45,21). Mit dieser Feststellung versicherte Gott aber auch, daß er den Menschen nie seinem eigenen Schicksal überlassen würde. Er werde ihn retten. Und in der Tat hat er, der sich als der Retter-Gott offenbarte, mit dem Kommen Christi auf die Erde kundgetan, daß er dieser Retter war. 2. In der Tat hat die Erfüllung die Verheißung übertroffen, denn in Christus hat sich das Heilsgeheimnis als Geheimnis Gottvaters geoffen-bart, der den Sohn für die Erlösung der Menschheit zum Opfer hingibt. Während das jüdische Volk auf einen menschlichen Messias wartete, ist der Sohn Gottes in Person zu den Menschen gekommen und ist als wahrer 73 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott und wahrer Mensch unser Erlöser geworden. Er hat durch sein Opfer die Menschen mit Gott versöhnt. Wir können diesen großartigen Gedanken des göttlichen Heilsplanes nur bestaunen: Der menschgewordene Sohn hat in seinem Leben, Sterben und Auferstehen unter uns als Retter-Gott gehandelt. Als Sohn hat er das Werk, das ihm der Vater anvertraut hat, vollendet. Er betrachtet dieses Werk sowohl als das des Vaters wie auch als sein eigenes. Es ist vor allem ein Werk des Vaters, weil dieser es begonnen hat und auch weiterführt. Der Vater hat dieses Werk in die Hände seines Sohnes gelegt, doch er ist derjenige, der es lenkt und zu Ende führt. Jesus erkennt im Vater denjenigen, der den Weg des Opfers als Heilsweg vorge-zeichnet hat. Er will die Verantwortung der Menschen für seine Verurteilung zum Tod nicht leugnen. Aber in dem Drama, das sich vorbereitet, erkennt er das souveräne Handeln des Vaters, der, bei aller Achtung der menschlichen Freiheit, das Geschehen nach dem höheren Plan lenkt. In Getsemani nimmt er den Willen des Vaters an, und als er bei seiner Verhaftung Petrus gebietet, das Schwert in die Scheide zu stecken, nennt er den Grund seines Gehorsams: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat -, soll ich ihn nicht trinken?“ (Joh 18, 11). Jede Erklärung des Geschehens auf dem Kalvarienberg durch bloß geschichtliche Ursachen wäre ungenügend. Das Erlösungsopfer ist nicht jenen zu verdanken, die Jesus verurteilt haben, sondern dem Vater, der auf diese Weise die Rettung der Menschheit vollziehen wollte. 3. Dieses Geheimnis überrascht uns immer aufs neue, weil die Menschen, die die Frohbotschaft hören, nicht auf die Frage verzichten können: Warum hat der Vater das Opfer als Mittel für die Erlösung der Menschheit gewählt? Ist er nicht grausam, wenn er seinen Sohn dem Opfertod überantwortet? Liegt darin nicht unmäßige Strenge? Die Antwort der Offenbarung ist klar: Weit davon entfernt, ein Akt der Grausamkeit oder harter Strenge zu sein, ist das Tun des Vaters, der den Sohn zum Opfer hingibt, Gipfel der Liebe: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Der hl. Johannes, der diese Worte im Evangelium überliefert, erläutert sie in seinem ersten Brief: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott gebebt haben, sondern daß er uns gebebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4, 10). Der Vater wollte ein Opfer zur Wiedergutmachung der Schuld der 74 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschheit, aber er selbst hat mit der Hingabe seines Sohnes den Preis für dieses Opfer bezahlt. Mit dieser Gabe hat er gezeigt, in welchem Maße er Retter-Gott war und wie sehr er die Menschen liebte. Seine Tat ist die endgültige Tat der Liebe. Darum ist das Ostergeheimnis „der Gipfelpunkt der Offenbarung und Verwirklichung des Erbarmens“ Gottes (Enzyklika Dives in misericordia, Nr. 7). Niemals dürfen wir vergessen, daß unsere Versöhnung den Vater einen so hohen Preis gekostet hat. Und wie sollten wir ihm nicht danken für diese Liebe, die uns mit dem Heil auch Frieden und Freude gebracht hat? In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zu dieser Audienz im Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich grüße die Gruppen und jeden einzelnen Pilger, besonders die Familien, die anwesenden Priester und Ordensleute sowie die Seminaristen des Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom und die aus den Priesterseminaren in Bonn und der Diözese Bozen-Brixen. Allen Pilgern erbitte ich für ihre Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt reiche Gnaden von Christus, unserem Erlöser. Gott hat uns „durch Christus mit sich versöhnt“ (2 Kor 5, 18). Das ist die Frohe Botschaft an uns Menschen, die durch die Sünde die Freundschaft mit Gott verloren. Um die Schuld der Menschheit zu tilgen und uns mit Gott wieder zu versöhnen, forderte seine Gerechtigkeit ein Opfer der Sühne und der Wiedergutmachung. Gott selber hat dieses für uns vollzogen durch den Opfertod seines Sohnes am Kreuze. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Erneuern wir im Jubiläumsjahr der Erlösung unseren Glauben an Christus, unseren Erlöser, und danken wir ihm mit inniger Gottes- und Nächstenliebe! Das erbitte ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Een hartelijke groet rieht ik tot de verschülende groepen pelgrims uit Nederland, met name tot de pelgrimstocht uit het bisdom Roermond en tot de leerlingen van het Sint-Oelbertgymnasium uit Oosterhout. Gaarne verleen ik mijn Apostolische Zegen aan u allen en aan uw familieleden en andere dierbaren in Nederland. 75 AUDIENZEN UND ANGELUS An den Aufstand im Warschauer Getto erinnert Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 13. April Während meiner Pilgerreise im Juni 1979 hielt ich in Auschwitz vor der in hebräischer Schrift verfaßten Gedenktafel, die den Opfern dieses Todeslagers gewidmet ist, inne und sprach die folgenden Worte: „Diese Inschrift hält das Andenken an das Volk wach, dessen Söhne und Töchter zur totalen Ausrottung bestimmt waren. Dieses Volk führt seinen Ursprung auf Abraham zurück, der der Vater unseres Glaubens ist (vgl. Röm 4, 12), wie Paulus von Tarsus es ausdrückte. Gerade dieses Volk, das von Gott das Gebot empfing: ,Du sollst nicht töten1, hat an sich selbst in besonderem Ausmaß erfahren müssen, was Töten bedeutet. An diesem Gedenkstein darf niemand gleichgültig Vorbeigehen.“ Heute möchte ich mich noch einmal auf diese Worte berufen, indem ich zusammen mit der ganzen Kirche in Polen und mit der gesamten jüdischen Nation der schrecklichen Tage des Aufstandes und der Vernichtung des Warschauer Gettos vor vierzig Jahren (19. April bis Mitte Juli 1943) gedenke. Es war ein verzweifelter Schrei nach dem Recht auf Leben, nach der Freiheit und nach der Rettung der Würde des Menschen. Herrin von Jasna Göra! Im Rahmen des sechshundertjährigen Jubiläums Deines Gnadenbildes finde ich mich jede Woche vor Dir ein. Heute bitte ich Dich, die Hekatombe der Opfer dieser unserer Brüder und Schwestern anzunehmen, die als Angehörige des jüdischen Volkes mit uns die Heimsuchung der furchtbaren nazistischen Okkupation geteilt und durch die Hand des Besetzers in der Hauptstadt Polens den grausamen Tod erlitten haben. Indem wir das Andenken der unschuldigen Opfer ehren, beten wir: der ewige Gott möge dieses Opfer zum Wohl und zum Heil der Welt annehmen. 76 AUDIENZEN UND ANGELUS Ostern: ein Weg in die Freude Vor dem Regina Caeli am Sonntag, 17. April 1. Auch bei der freudigen Begegnung dieses Sonntags wollen wir unsere Gedanken auf die selige Jungfrau Maria richten in der Intensität der Gefühle, die das vor kurzem gefeierte Ostern in uns weckt. Wir wollen heute in ihr, Maria, das betrachten, was wir den „Erfolg“ des Paschageheimnisses nennen könnten: sein „Gelingen“, seinen glücklichen Ausgang. In der Tat, das Paschamysterium, die Verherrlichung des Lebens, ist in Raum und Zeit eine ständige Quelle des Lebens, die, in der Nachfolge Christi erfahren, immer Früchte des Lebens mit sich bringt. Jesus ist nicht vergebens gestorben: sein Tod ist wie die Saat, die in das Erdreich gesenkt wird, reich an Ergebnissen. Und seine höchste und erhabenste Frucht ist der glorreiche Triumph seiner Mutter Maria. Sie ist die köstlichste Frucht der Saat ewigen Lebens, die Gott in Jesus Christus in das Herz der heilsbedürftigen Menschheit nach der Sünde Adams gesenkt hat. Maria ist der höchste „Erfolg“ des Paschageheimnisses und die am vollkommensten „gelungene“ Frau in der Ordnung der Natur wie der Gnade, denn mehr als jedes andere Geschöpf wußte sie zu meditieren, zu verstehen und danach zu leben. Für den Christen ist es unmöglich, den Sinn des Paschamysteriums zu verkosten, wenn er davon absieht, wie Maria mit Christus und durch Christus gelebt und über den alten Widersacher gesiegt hat. Im Geheimnis ihrer Aufnahme mit Leib und Seele in den Himmel feiert die ganze Kirche die Erfüllung des Paschamysteriums, denn in der so verherrlichten Gottesmutter sieht sie den Idealtyp und das Ziel ihres Weges durch die Jahrhunderte. In Maria und mit Maria also können wir in den Sinn des Ostergeheimnis-ses eindringen, indem wir ihr erlauben, uns den unermeßlichen Reichtum seiner Wirkungen und seiner Früchte ewigen Lebens zu vermitteln; in ihr und mit ihr, die nicht wie wir alle von der Sünde zur Gnade gekommen ist, sondern, durch ein einzigartiges Privileg im Hinblick auf die Verdienste Christi vor der Sünde bewahrt, vom ersten Moment ihres Daseins an auf das ewige Ostern zugeht. Ja, ihr ganzes Leben war ein „Pascha“, ein Übergang, ein Weg in Freude: von der Freude der Hoffnung im Augenblick der Prüfung bis zur Freude des Besitzes nach dem Sieg über den Tod. Ihre menschliche Person hat, wie wir durch feierliche Definition wissen, in der Nachfolge des Auf erstandenen den Pascha-Übergang vom Tod zum glorreichen ewigen Leben mit Seele und Leib vollzogen. 77 AUDIENZEN UND ANGELUS Auch wir sind nach dem Beispiel Mariens aufgefordert, Christus aufzunehmen, der uns verzeiht, uns erlöst, uns das Heil schenkt und in uns den Pascha-Ubergang vom Tod zum Leben bewirkt. Ein Sühnopfer als Lösegeld für die Erlösung der Menschheit Ansprache bei der Generalaudienz am 20. April 1. In der Osterzeit erleben wir in Fülle die Freude der Versöhnung mit Gott, die der auferstandene Christus uns mit seinem Gruß „Friede sei mit euch!“ (Joh 20, 21) wünscht und verkündigt. Er verkündet sie uns, indem er uns „seine Hände und seine Seite zeigt“ (ebd., 20) und uns einlädt, den Blick auf das Opfer zu richten, das uns diese Versöhnung erwirkt hat. Durch sein Leiden und Sterben für uns hat Christus uns ja die Verzeihung unserer Sünden verdient und den Bund zwischen Gott und der Menschheit neu aufgerichtet. Er hat ein Sühnopfer dargebracht, ein Opfer der Wiedergutmachung, um Nachlaß der Schuld zu erlangen. Im Gottesdienst des alten Bundes gab es solche Sühneopfer. Im Buch Jesaja wird uns die Idealgestalt des „Gottesknechtes“ beschrieben, der in einer furchtbaren Prüfung sein Leben als Sühnopfer darbringt (Jes 53, 10). Jesus spielt auf diese Gestalt des Gottesknechtes an, wenn er den Sinn seiner irdischen Sendung beschreibt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10, 45; Mt 20, 28). Er weiß ganz klar, warum er in den Tod geht: sein Opfer ist der Preis, das Lösegeld für die Erlösung der Menschheit. Bei der Einsetzung der Eucharistie bietet er sein Blut zum Trank an, das für viele vergossen werden soll zur Vergebung der Sünden {Mt 26, 28). Jesus ist sich also bewußt, ein Sühnopfer darzubringen, das sich von denen des jüdischen Kultes unterscheidet, weil es in der Hingabe seines Lebens besteht und ein für allemal der ganzen Menschheit die Vergebung der Sünden erwirbt. In der theologischen Reflexion wurde dieses Opfer später mit den Begriffen „Genugtuung“ und „Verdienst“ ausgedrückt. Christus hat für die Sünden Genugtuung geleistet und uns dadurch das Heil verdient. Das Konzil von Trient erklärt, daß „unser Herr Jesus Christus uns durch sein 78 AUDIENZEN UND ANGELUS heiliges Leiden am Holz des Kreuzes die Rechtfertigung verdient und dem Vater für uns Genugtuung geleistet hat“ (DS 1529). 2. Das Sühnopfer des Kreuzes läßt uns die Schwere der Sünde erkennen. In den Augen Gottes ist die Sünde nie bedeutungslos. Der Vater hebt die Menschen und wird durch ihre Übertretung und ihre Auflehnung zutiefst beleidigt. Auch wenn er bereit ist zu verzeihen, so verlangt er doch zum Wohl und zur Ehre des Menschen selber eine Wiedergutmachung. Aber gerade hier zeigt sich Gottes Großmut in höchst überraschender Weise. Der Vater schenkt der Menschheit seinen eigenen Sohn, damit er die Wiedergutmachung leiste. Damit zeigt er die unendliche Schwere der Sünde, denn er verlangt die höchstmögliche Genugtuung, nämlich jene, die sein eigener Sohn leistet. Zugleich offenbart er die unendliche Größe seiner Liebe, denn durch die Hingabe seines Sohnes ist er der erste, der die Last der Wiedergutmachung auf sich nimmt. Straft Gott also seinen unschuldigen Sohn? Wird hier nicht offenkundig die Gerechtigkeit verletzt? Suchen wir es zu verstehen. Es ist wahr: Christus vertritt in gewisser Weise die sündige Menschheit; er nimmt die Folgen der Sünde, nämlich Leiden und Tod, auf sich. Aber was Strafe gewesen wäre, wenn dieses Leiden und dieser Tod über Schuldige verhängt worden wären, erhält einen neuen Sinn, wenn der Sohn Gottes dies freiwillig auf sich nimmt: Es wird zum Sühnopfer für die Sünden der Welt. Christus tritt als Unschuldiger an die Stelle der Schuldigen. Der Blick, den der Vater auf ihn richtet, wie er am Kreuz leidet, ist nicht ein Blick des Zornes oder der strafenden Gerechtigkeit, sondern vielmehr ein Blick vollkommenen Wohlgefallens, die Annahme seines heroischen Opfers. 3. Sollten wir diese ergreifende Solidarität Christi, der die Last unserer Schuld tragen wollte, nicht bewundern? Auch wenn wir nur das Böse betrachten, das sich heute in der Welt zeigt, können wir die ungeheure Last ermessen, die auf den Schultern des Erlösers lag. Als menschgewordener Sohn Gottes vermochte er die Sündenlast der Menschen aller Zeiten auf sich zu nehmen. Indem er vor dem Vater diese Aufgabe übernahm und vollkommene Wiedergutmachung leistete, hat er das Antlitz der Menschheit verändert und das Herz der Menschen von der Knechtschaft der Sünde befreit. Wie sollten wir ihm dafür nicht dankbar sein? Jesus rechnet mit unserer Dankbarkeit. Wenn er auch in seinem Sühnopfer uns alle vertreten hat, so war es doch nicht seine Absicht, uns jede Wiedergutmachung zu ersparen. 79 AUDIENZEN UND ANGELUS Er erwartet vielmehr unsere tatkräftige Mirwirkung an seinem Heilswerk. Diese Mitwirkung nimmt liturgische Form an in der Feier der Eucharistie, in der das Sühnopfer Christi vergegenwärtigt wird, um die Gemeinschaft der Gläubigen in das Opfer mit einzubeziehen. Sie erstreckt sich dann auf das ganze christliche Leben, das notwendigerweise im Zeichen des Kreuzes steht. In seinem ganzen Dasein ist der Christ aufgefordert, sich in Verbindung mit dem Opfer Christi als geistige Opfergabe dem Vater darzubringen. Glücklich darüber, daß wir durch Christus mit Gott versöhnt sind, empfinden wir es als Ehre, an seinem wunderbaren Opfer, das uns das Heil gebracht hat, teilzunehmen, und wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, daß die Früchte der Versöhnung der ganzen Welt von heute zukommen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude grüße ich euch wiederum in so großer Zahl bei der heutigen Jubiläumsaudienz: aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. Herzlich willkommen heiße ich besonders die große Romwallfahrt der Diözese Graz-Seckau. Euch allen, den Einzelpilgern, den Gruppen, den anwesenden Familien, den Priestern und Ordensleuten, erbitte ich reiche Gnaden aus der lebendigen Mitfeier des Jubiläumsjahres der Erlösung durch die Rompilgerfahrt. Voll österlicher Freude hören wir in der heutigen Schriftlesung den Ostergruß des auferstandenen Herrn: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20, 21). Diesen Frieden hat Christus selbst uns verdient durch sein Sühnopfer am Kreuz. Um seiner Liebe und Hingabe willen ist Gott bereit, uns unsere Sünden zu vergeben und uns erneut seine Freundschaft zu schenken. Der von Christus für unsere Erlösung gezahlte hohe Preis zeigt uns deutlich die Schwere der Sünde und zugleich die Grenzenlosigkeit der Liebe Gottes zu uns Menschen. Danken wir Gott für das unermeßliche Geschenk der Erlösung! Empfangen wir häufig das Sakrament der Versöhnung, in dem uns der auf erstandene Herr immer wieder neu jenen tiefen inneren Frieden mitteilen möchte, der in der Versöhnung und Freundschaft mit Gott besteht. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Sodalen der Marianischen Männerkongregation der bayerischen Diözesen. Mit eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt wollt ihr zugleich dankbar jener Begegnungen gedenken, die uns während meines Pastoralbesuchs in Altötting und München geschenkt waren. Möge Maria, die Patronin Bayerns, immer ihre gütige Hand über euch und eure Heimat halten und euch 80 AUDIENZEN UND ANGELUS helfen, nach dem Vorbild von Pater Rupert Mayer mit ganzem Einsatz als Christen zu leben und zu wirken. Für reiche Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung erteile ich euch und allen anwesenden Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik de verschillende groepen pelgrims uit Nederland, onder wie met name de leden van een parochieraad uit Maastricht en de bedevaart van de parochie van de heilige Dominicus uit Rotterdam. Gaarne verleen ik aan u allen hier op het Sint-Pietersplein en aan uw dierbaren in Nederland mijn Apostolische Zegen. „Dir vertrauen wir unsere Jugend an!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 20. April Herrin von Jasna Göra und Mutter meines Vaterlandes! Heute möchte ich in besonderer Weise die polnische Jugend Deiner Mutterliebe anempfehlen. Bei der letzten Vollversammlung der polnischen Bischöfe wurde über die Probleme der jungen Polen von heute, besonders jene der arbeitenden Jugend, diskutiert, wie aus der Verlautbarung dieser Versammlung hervorgeht. Ich führe sie hier an: „Manche Kreise der Jugend sehen sich an einem Scheideweg und fragen sich: Besteht in unserem Land noch die Möglichkeit, die berechtigten Lebenserwartungen zu verwirklichen? Einige, die für sich keine Zukunftsperspektiven mehr sehen, verlassen das Land. Aber das Vaterland braucht intelligente junge Leute und starke Hände.“ Herrin von Jasna Göra! Bewahre diese begabten jungen Menschen und diese starken Hände für die große gemeinsame Sache, die den Namen „Polen“ trägt. Hilf der Kirche, wirksam dafür zu sorgen, daß für die Jugendlichen die nötigen Voraussetzungen für ihre Charakterbildung geschaffen werden. Gestatte, daß ich noch mehr zu sagen wage: Lenke Du als Mutter die Vorbereitung der Jugend auf die Übernahme der Verantwortung für ihr eigenes Leben, für das Geschick des Landes und der Kirche! Trage auch 81 AUDIENZEN UND ANGELUS Sorge, unbefleckte Mutter, für die ganze Jugendseelsorge und besonders für die Bewegung „Oase“ und „Licht und Leben“, die sich dem Dienst der Liturgie widmen und von den Bischöfen in ihrer Verlautbarung erwähnt werden. Mutter von Jasna Göra! Dir vertrauen wir unsere Jugend an! Dir vertrauen wir unsere Zukunft an! Die Hoffnung wachhalten Wort für den Libanon bei der Generalaudienz am 20. April Heute lade ich euch ein, mit mir für den schwer heimgesuchten Libanon zu beten, wo die zerstörerischen Kräfte blinder Gewalt in dem unheilvollen Attentat auf die Botschaft der Vereinigten Staaten in Beirut erneut zahlreiche unschuldige Opfer gefordert haben. Vor allem wollen wir für die beten, die unter den Trümmern ums Leben kamen, daß der Herr ihnen den ewigen Frieden schenke. Wir bitten um Trost für die Verwundeten und für die Familien, die in ihren tiefsten Empfindungen so schwer getroffen wurden. Wir wollen den Herrn auch anrufen, er möge in dem geliebten, so hart geprüften libanesischen Volk die Hoffnung auf eine friedliche, gerechte und dauerhafte Lösung der augenblicklich so schwierigen Lage der Dinge immer wachhalten. Wir sind uns bewußt, daß solche Handlungen, die das Gewissen aller verurteilt und verwirft, nicht dazu beitragen, die Eintracht und den Frieden wiederherzustellen, nach dem sich diese Nation zutiefst sehnt. Jesus, der Herr, der über den Tod triumphiert hat, gewähre dem edlen libanesischen Volk und allen Völkern dieser ganzen Region, daß sie den ersehnten Frieden wiedergewinnen sowie in gegenseitiger Achtung und Versöhnung untereinander leben. Möge der Herr unser inständiges Flehen erhören, das wir jetzt mit dem Singen des Vaterunser bekräftigen wollen 82 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Geschenk der geistlichen Berufe würdigen Vor dem Regina Caeli am 24. April 1. Es gibt keine frohere und wichtigere Botschaft für unser Heil als die von den Aposteln verkündete: „Der Herr ist wirklich auferstanden“ (Lk 24, 34). In Jesus wurde der furchtbare Zweikampf zwischen Tod und Leben zugunsten des letzteren gelöst: Er ist der Lebendige, der Sieger über die Macht des Bösen, der Herr der Geschichte (vgl. 2 Kor 13, 4; Offb 5,5; Phil 2,11). Er ist nicht zu dem früheren - noch dem Tod geweihten -Leben zurückgekehrt wie Lazarus, sondern hat ein neues und nie gekanntes Leben angenommen: „Christus, von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr, der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Röm 6, 9). 2. Weil Jesus der „Erste“ und der „Erstgeborene der Toten“ ist (1 Kor 15, 20; Kol 1,18), holt er alle Gläubigen zu sich. Und zuerst seine Mutter, die im Gefolge des Auferstandenen verherrlicht ist, wie es die Kirche immer in Übereinstimmung mit der Stellung der Jungfrau im Heilsplan erfaßt hat. Deshalb freuen auch wir uns mit den Generationen, die uns vorausgegangen sind, die frohe Botschaft zu verkündigen: Maria lebt beim Herrn, sie lebt in einem vollen und nie gekannten Leben! Auch über sie hat der Tod durch Christi Gnade keine Macht mehr! Diese Überzeugung ist die Voraussetzung des vertrauensvollen Gebetes, das die Gläubigen mindestens seit dem 3. Jh. an sie richten, in dem sie sie in der Antiphon „Sub tuum praesidium“ als Mutter Gottes, Begnadete, Mutter der Reinheit und der Barmherzigkeit anrufen. Mit unermeßlicher Freude schauen wir Maria, die im Gefolge des Aufer-standenen lebt und verherrlicht ist. In ihr sehen wir die Bestimmung der Kirche vorgebildet. Wenn wir Christus treu bleiben, folgen auch wir dem Weg Mariens und sehen die Pforte des Lebens sich vor uns öffnen. Ihr Beispiel stärkt unsere Gewißheit, ihr Gebet begleitet unseren Weg und unsere Hoffnung. 3. Wir feiern heute den Welttag für die Priester- und Ordensberufe. Am heutigen Sonntag stellt uns die Liturgie die Gestalt des Guten Hirten vor Augen, und wir sind alle aufgefordert, über den Bedarf der Kirche an zahlreichen und heiligen Berufungen nachzudenken. Ich möchte euch zunächst einladen, dem Herrn für die Zunahme an Berufungen zu danken, die in der letzten Zeit in nicht wenigen Diözesen der Welt festzustellen ist. Dieser Anstieg ist ein großer Trost. 83 AUDIENZEN UND ANGELUS Weil die Berufungen ein Geschenk Gottes sind, ist es notwendig, die Gebete zu verstärken, um den Herrn zu bitten, eine genügende Zahl von Arbeitern in seine Ernte zu senden, die gegenwärtig so überreich ist. In diesem Heiligen Jahr, in dem wir mit besonderer Eindringlichkeit das Geheimnis der Erlösung erleben, dürfen in keiner Pfarrei und in keiner christlichen Familie besondere Gebete fehlen, damit viele die Freude und den Mut haben, auf den Ruf des Herrn zu antworten. Meine Gedanken richten sich besonders auf die Famiüen, die für die Entwicklung der Keime der Berufung so wichtig sind. Ich hoffe, daß sie immer das Geschenk der religiösen Berufung ihrer Söhne und Töchter hochhalten und würdigen und sich geehrt fühlen, wenn der Herrn jemanden aus ihrer Mitte berufen will, ihm nachzufolgen durch seine Hingabe an Gott im Priester- oder Ordensberuf. In dieser Meinung wollen wir heute das „Regina Caeli“ beten. Anschließend sagte der Papst: Vor einigen Tagen hatte ich die Freude, den armenischen Katholikos von Kilikien, Seine Heiligkeit Karekin II. Sarkissian, in feierlicher Audienz zu empfangen. Bei dieser Begegnung, die einen neuen Schritt im brüderlichen Dialog zwischen unseren Kirchen darstellt, haben wir zusammen für die armenische Gemeinschaft und das libanesische Volk gebetet, und ich habe betont, daß es im gegenwärtigen Augenblick für alle, die den Sieg Christi bekennen, eine Pflicht sei, vor der Welt in Einheit ihre Hoffnung zu bezeugen; daß es ihre Pflicht sei, alle, die an Gott glauben, und alle Menschen guten Willens zur Hoffnung und zum Wiederaufbau zu ermutigen. Wenn ich am heutigen Sonntag erneut meinen geziemenden Gruß und meine besten Wünsche an Katholikos Karekin II. richte, möchte ich ihm versichern, daß wir mit ihm und der armenischen Kirche vereint zum Herrn um all das beten, was ihnen in ihren Überheferungen am teuersten ist, und besonders für das ehrwürdige Andenken derjenigen unter ihren Söhnen, die ihr Leben geopfert haben. 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Leid verwandelt sich in Freude Ansprache bei der Generalaudienz am 27. April 1. Die österliche Freude, die normale Verfassung des Christen, die wir in dieser Zeit des Kirchenjahres ganz besonders schätzen, darf uns, liebe Brüder und Schwestern, nicht die unermeßlichen Leiden der Welt vergessen lassen. Verweist uns übrigens die Auferstehung Christi, in der unsere Freude ihren Ursprung hat, nicht beständig auf das Geheimnis seiner Passion? Auch die Menschheit, die zu Ostern in das Mysterium des Leidens und der Auferstehung des Erlösers eingeführt wurde, ist berufen, fortwährend den Übergang vom Leid zur Freude zu vollziehen. Nach dem göttlichen Heilsplan soll ja gerade dort, wo ein Übermaß an Leid und Schmerz herrscht, die Freude überfließen. In seinem Versöhnungswerk hat der menschgewordene Gottessohn frei-wülig Leiden und Tod auf sich genommen, die die Menschen für ihre Sünden verdient hatten. Uns hat er dieses Leid und diesen Tod auch nicht erspart, denn er will uns an seinem Erlösungsopfer teilnehmen lassen. Er hat den Sinn des Schmerzes gewandelt: Dieser hätte eine Strafe für die begangenen Verfehlungen sein müssen, nun aber haben wir im gekreuzigten Christus die Möglichkeit, ihn der göttlichen Liebe als Opfer anzubieten, zur Gestaltung einer neuen Menschheit. Leiden dienen dem Wachstum der Liebe Jesus hat die Meinung korrigiert, das Leid sei nur Bestrafung der Sünde. Denn auf die Frage seiner Jünger über den Blindgeborenen schließt er aus, daß dieses Gebrechen von der Sünde kommt, und sagt, ihr Grund sei die Offenbarung der Werke Gottes, eine Offenbarung, die sich im Wunder der Heilung und mehr noch darin vollzieht, daß der geheilte Kranke sich dem Licht des Glaubens öffnet (vgl. Joh 9, 3). 2. Will man den Sinn des Leidens verstehen, darf man nicht so sehr auf den sündigen Menschen als vielmehr auf Jesus Christus, seinen Erlöser, blicken. Der Sohn Gottes, der das Leiden nicht verdiente und sich ihm hätte entziehen können, hat sich hingegen aus Liebe zu uns ganz und gar auf den Weg des Leidens eingelassen. Er hat Schmerzen jeder Art, sowohl körperliche wie seelische, ertragen. Zu den seelischen Leiden gehörten nicht nur die Schmähungen, die falschen Beschuldigungen und die Verachtung der Feinde sowie die Enttäuschung über das schändliche Verhal- 85 AUDIENZEN UND ANGELUS ten der Jünger; hinzukam die geheimnisvolle Not im Innersten seiner Seele über das Verlassensein von seiten des Vaters. Das Leid durchdrang und überwältigte das gesamte menschliche Sein des menschgewordenen Sohnes. Das Wort „Seht, da ist der Mensch!“ (Joh 19, 5), das Pilatus gesprochen hat, um die Ankläger von ihrem Plan abzubringen, indem er ihnen zeigte, in welch bedauernswertem Zustand sich Jesus befand, wurde von den Christen als Aufforderung verstanden und bewahrt, ein neues Antlitz des Menschen zu entdecken. Jesus erscheint als der von Schmerz, Haß, Gewalt und Hohn niedergedrückte und zur Ohnmacht verurteilte Mensch. In jenem Augenblick verkörperte er die tiefsten Leiden der Menschheit. Nie hat ein Mensch je so intensiv und total gelitten, und dieser Mensch ist Gottes Sohn. In seinem menschlichen Antlitz scheint ein höherer Adel durch. Christus verwirklicht das Ideal des Menschen, der im Schmerz den Wert der Existenz auf die höchste Stufe hebt. 3. Dieser Wert ergibt sich nicht allein aus dem Leid, sondern aus der Liebe, die sich im Leid ausprägt. „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13, 1). Im Geheimnis der Passion erreicht die Liebe Christi zu uns ihren Höhepunkt. Gerade von diesem Höhepunkt aus ergießt sich ein Licht, das alle menschlichen Leiden erhellt und ihnen Sinn gibt. Im Plan Gottes sind die Leiden dazu bestimmt, das Wachsen der Liebe zu fördern und dadurch die menschliche Existenz zu adeln und zu bereichern. Das Leid wird von Gott niemals verfügt, um die menschliche Person zu zerschlagen oder zu erniedrigen noch um ihre Entfaltung zu behindern. Es hat immer den Sinn, die Qualität des Lebens zu erhöhen, indem es zu größerer Hochherzigkeit anspornt. Natürlich müssen wir uns in der Nachfolge Jesu bemühen, die Leiden der Menschen in unserer Umgebung zu erleichtern und nach Möglichkeit zu beseitigen. Jesus bewies während seines Erdenlebens seine Zuneigung zu allen Unglücklichen und leistete ihnen wirksame Hilfe, indem er eine große Zahl von Kranken und Leidenden heilte. Seinen Jüngern trug er dann auf, allen Unglücklichen zu helfen und in jedem von ihnen sein Antlitz zu erkennen. Doch in dem Leid, das uns persönlich trifft und das wir nicht vermeiden können, sollen wir nach der Aufforderung Christi die Möglichkeit zu größerer Liebe wahrnehmen. Er weist seine Jünger darauf hin, daß sie in besonderer Weise an seinem erlösenden Leiden teilnehmen werden: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr werdet weinen und klagen, aber die 86 AUDIENZEN UND ANGELUS Welt wird sich freuen; ihr werdet bekümmert sein, aber euer Kummer wird sich in Freude verwandeln“ {Joh 16, 20). Jesus ist nicht gekommen, ein irdisches Paradies zu schaffen, aus dem der Schmerz verbannt ist. Wer immer besonders innig mit seinem Schicksal verbunden ist, muß auf Leid gefaßt sein. Dieses Leid wird sich jedoch verwandeln in Freude wie der Schmerz einer Frau, die ihr Kind zur Welt bringt (vgl. Joh 16, 21). Kurzer Übergang zu dauerhafter Freude Das Leid ist immer ein kurzer Übergang zu dauerhafter Freude (vgl. Röm 8, 18), und diese Freude gründet in der wunderbaren Fruchtbarkeit des Schmerzes. Im Plan Gottes ist jeder Schmerz wie Geburtswehen; er trägt zur Geburt einer neuen Menschheit bei. Wir dürfen daher sagen, daß Christus, der durch sein Opfer den Menschen mit Gott versöhnt hat, ihn mit dem Leid versöhnt hat, weil er dieses zu einem Zeugnis der Liebe und zu einem fruchtbringenden Akt für die Schaffung einer besseren Welt werden läßt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch alle zusammen und jeden einzelnen von euch. Jeder fühle sich persönlich aufrichtig willkommen zur heutigen Audienz im Jubiläumsjahr der Erlösung. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die anwesenden Priester aus dem Bistum Rottenburg-Stuttgart, an die große Romwallfahrt aus der Region Odenwald-Tauber im Erzbistum Freiburg und an die Kirchenchöre der Region Mosel-Eifel-Hunsrück. Das Heilige Jahr lenkt unsere Gedanken auf das Geheimnis unserer Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Christi. Der Herr hat uns durch sein Leiden und Sterben aus der Knechtschaft der Sünde befreit, Leid und Schmerz selbst jedoch nicht aus der Welt verbannt. Er lädt uns ein, unser persönliches Leid mit seinem Erlösungsopfer zu verbinden und so für das Heil der Menschen fruchtbar zu machen. Christus hat durch seinen Kreuzestod den Sinn des menschlichen Leidens zutiefst gewandelt. Es ist nicht mehr nur Strafe für begangene Vergehen; es bewirkt persönliche Läuterung und führt zu größerer innerer Reife. Leid und Prüfungen verbinden uns noch enger mit Christus, unserem Erlöser, und rufen uns zu noch größerer Liebe und Hingabe. Von Herzen erteile ich euch, besonders denen unter euch, die von Leid 87 AUDIENZEN UND ANGELUS heimgesucht sind, für Gottes Trost und Beistand meinen Apostolischen Segen. Am Fest des hl. Adalbert Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 27. April 1. Ich will die Worte der Papstbotschaft zur Tausendjahrfeier der Bischofsweihe des hl. Adalbert zitieren. Sie hat am 29. Juni des Jahres 983 in Verona stattgefunden; bei der diesjährigen Jubiläumsfeier hatte Kardinal Wladyslaw Rubin den Vorsitz. In dem Brief heißt es: „Das Beispiel des hl. Adalbert ist heute für Europa aktueller denn je. Für ein Europa, das zwar den unvergleichlichen Schatz der christlichen Wahrheit bewahrt, aber erleben muß, daß in seiner Mitte die verschiedensten Formen der Kräfte der Auflösung und Zersetzung sich erheben, die kennzeichnend waren für jenes heidnische Denken, das von der Neuheit des Evangeliums überwunden wurde, überwunden dank des hochherzigen, ja geradezu heroischen Wirkens der ersten Missionare, zu denen eben auch der Schutzheilige von Prag gehört.“ 2. Der hl. Adalbert ist zusammen mit dem hl. Stanislaus der erste Patron Polens neben Dir, Herrin von Jasna Göra und Königin von Polen. Während ich mich im Geiste dem alljährlichen Fest des hl. Adalbert anschließe, das am vergangenen Sonntag am Sitz des Primas in Gnesen seinen Mittelpunkt hatte, empfehle ich unser Vaterland und alle meine Landsleute der Fürbitte dieses Heiligen. Er, dessen heilige Reliquien schon bald nach der Christianisierung Polens zum Fundament der hierarchischen Einheit des Vaterlandes geworden sind, möge für uns eintreten, damit wir in den Prüfungen der heutigen Zeit unserem Taufgelöbnis treu bleiben und die Taufe für uns eine Quelle geistlicher Kraft bleibe. 88 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Arbeit im Plan Gottes Vor dem Regina Caeli am 1. Mai 1. Heute, am 1. Mai, feiert man in der ganzen Welt das Fest der Arbeit. Daher will ich diesen sonntäglichen Gruß allen Arbeitern widmen, um gute Wünsche sowie ein Wort der Solidarität, der Anerkennung und der Hoffnung an sie zu richten. Durch die Arbeit sorgt der Mensch für den täglichen und notwendigen Lebensunterhalt für sich und seine Angehörigen, und zugleich leistet er einen persönlichen entsprechenden Beitrag zum wissenschaftlichen und technischen Fortschritt der Gesellschaft und vor allem zum ständigen ethischen Aufstieg der ganzen Menschheit. Die Arbeit, die ein spezifisches Kennzeichen des Menschen und eine Grunddimension seines Erdendaseins ist, gehört in den Plan Gottes, der dem Menschen, den er als sein Ebenbild schuf, den Auftrag gegeben hat, sich die Erde zu unterwerfen, sie zu beherrschen (vgl. Gen 1, 28). Das Wort Gottes bietet uns das, was ich in meiner Enzyklika Laborem exercens das „Evangelium der Arbeit“ genannt habe, jene Botschaft der Freude und des Heils, die verkündet, daß Grundlage und Ziel der Arbeit der Mensch ist. 2. An diesem Tag allgemeiner Freude möchte ich gegenüber allen Arbeitern die aufrichtige Hoffnung aussprechen, daß ihre Würde, ihre Grundrechte, ihr unersetzlicher Beitrag zum Fortschritt der Gesellschaft immer und überall anerkannt, gewahrt, geschützt und respektiert werden mögen, daß die Arbeit niemals gegen den Menschen eingesetzt werde, sondern in ihrem Ablauf so organisiert und auferlegt werde, daß sie dem Menschen erlaubt, „mehr Mensch“ zu werden und sich nicht durch Verschleiß seiner Kräfte und Verletzung seiner Würde zu erniedrigen. Man muß dahinwirken, daß durch die Arbeit auf Erden nicht nur die Früchte unseres Fleißes, sondern auch Solidarität, Brüderlichkeit und Freiheit wachsen. Und die Brüder und Schwestern, die im Glauben an Christus miteinander verbunden sind, will ich heute an das erinnern, was ich in der genannten Enzyklika geschrieben habe: „Der Christ, der auf das Wort des lebendigen Gottes hört und die Arbeit mit dem Gebet verbindet, soll wissen, welcher Platz seiner Arbeit zukommt, nicht nur im irdischen Fortschritt, sondern auch bei der Entfaltung des Reiches Gottes, in das wir alle berufen sind durch die Kraft des Heiligen Geistes und das Wort des Evangeliums“ (Laborem exercens, Nr. 27). Ich vertraue meine Wünsche der seligsten Jungfrau an, heute, zu Beginn 89 AUDIENZEN UND ANGELUS des Monats, den christliche Frömmigkeit in besonderer Weise ihrer Lobpreisung und Verherrlichung geweiht hat; ich vertraue sie dem hl. Josef an, dem himmlischen Patron der Arbeiter, dessen Titel und Würde als Arbeiter die Kirche eigens die Liturgie des 1. Mai gewidmet hat. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst u. a. in deutscher Sprache: Liebe Pilger! Das heutige Fest - Josef, der Arbeiter - will uns die Würde des Menschen bewußt machen, der in der Arbeit die Schöpfung vollendet, seine Kräfte entfaltet und seinen Charakter formt. Durch die Arbeit sichert er sein Leben und dient er zugleich der Gemeinschaft. Danken wir für das Geschenk der Arbeit und beten wir um ausreichende und gute Arbeitsplätze! Maria umfing den Heilswillen Gottes mit ganzem Herzen Ansprache bei der Generalaudienz am 4. Mai 1. „Feindschaft stifte ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf“ (Gen 3, 15). Liebe Brüder und Schwestern, in diesem Maimonat erheben wir unsere Augen zu Maria, der Frau, die in einzigartiger Weise am Versöhnungswerk der Menschheit mit Gott beteiligt ist. Nach dem Plan des Vaters sollte Christus dieses Werk durch sein Kreuzesopfer vollbringen; ihm zur Seite sollte jedoch eine Frau stehen, die unbefleckte Jungfrau, die sich uns somit als höchstes Vorbild des Mitwirkens am Heilswerk vorstellt. Der Bericht vom Sündenfall Adams und Evas zeigt die Beteiligung der Frau an der Sünde; er erwähnt jedoch auch Gottes Absicht, die Frau als Verbündete im Kampf gegen die Sünde und ihre Folgen zu berufen. Eine ganz besondere Offenbarung dieser Absicht war die Verkündigungsszene, in der Gott der Jungfrau von Nazaret die erhabenste Mutterschaft anbot und ihre Zustimmung zum Kommen des Erlösers in die Welt erbat. Das hat das Zweite Vatikanische Konzil sehr passend hervorgehoben: „Der Vater der Erbarmungen wollte aber, daß vor der Menschwerdung die vorherbestimmte Mutter ihr empfangendes Ja sagte, damit auf diese Weise, so wie eine Frau zum Tode beigetragen hat, auch eine Frau zum Leben beitrüge“ (Lumen gentium, Nr. 56). 90 AUDIENZEN UND ANGELUS Sollte man darin etwa nicht eine einzigartige Aufwertung der Frau als Person sehen? In Maria haben wir die vollkommene Befreiung der Frau vor uns: Im Namen der ganzen Menschheit wird die Jungfrau von Nazaret aufgefordert, das von Gott erwartete Ja zu sprechen. Sie wird zur bevorzugten Mitarbeiterin Gottes im Neuen Bund. 2. Maria enttäuschte den, der sie um ihre Mitarbeit bat, nicht. Ihre Antwort kennzeichnet einen entscheidenden Augenblick in der Menschheitsgeschichte, und die Christen wiederholen mit Recht voll Freude die Antwort im Gebet, wobei sie versuchen, sich die Geisteshaltung, die Maria bewegte, anzueignen: „Ich bin die Magd des Herrn; mir gesehehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38). Das Zweite Vatikanische Konzil erläutert diese Worte und unterstreicht ihre weitreichende Bedeutung: „So ist die Adamstochter Maria, dem Wort Gottes zustimmend, Mutter Jesu geworden. Sie umfing den Heilswillen Gottes mit ganzem Herzen und von Sünde unbehindert und gab sich als Magd des Herrn ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes hin und diente so unter ihm und mit ihm in der Gnade des allmächtigen Gottes dem Geheimnis der Erlösung“ (Lumen gentium, Nr. 56). Das Ja der Verkündigung bedeutete nicht nur die Annahme der angebotenen Mutterschaft, sondern vor allem den Einsatz Mariens für das Geheimnis der Erlösung. Die Erlösung war das Werk des Sohnes; Maria wurde daran in untergeordneter Weise beteiligt. Dennoch war ihre Beteiligung wirklich und gewichtig. Mit ihrer Zustimmung zur Botschaft des Engels willigte Maria ein, am gesamten Werk der Versöhnung der Menschheit mit Gott mitzuwirken, so wie es ihr Sohn tatsächlich vollbringen würde. Einen ersten klaren Hinweis darauf, wie der von Jesus gewählte Weg aussehen würde, erhielt Maria bei der Darstellung Jesu im Tempel. Nachdem Simeon den Widerspruch prophezeit hatte, auf den das Kind bei seiner Sendung stoßen würde, wandte er sich an sie mit den Worten: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ {Lk 2, 35). Der Heilige Geist hatte Simeon veranlaßt, sich in den Tempel zu begeben, gerade als Maria und Josef sich dort einfanden, um das Kind Gott darzustellen. Unter Eingebung des Heiligen Geistes sprach Simeon die prophetischen Worte, die Maria über das leidvolle Los des Messias und das dramatische Geschehen, in das ihr mütterliches Herz einbezogen werden sollte, aufklärten. Daraufhin verstand Maria die Bedeutung der Darstellung im Tempel viel klarer. Indem sie ihren Sohn darbot, bot sie sich selbst freiwillig dem Schwert dar. Während sie sich zum Ja der Ver- 91 AUDIENZEN UND ANGELUS kündigung verpflichtete und bereit erklärte, in der Hingabe ihrer selbst an das Erlösungswerk bis zum Äußersten zu gehen, wich sie vor dem großen Leid, das ihr angekündigt wurde, nicht zurück. 3. Die Ausrichtung auf das Erlösungsopfer beherrschte das ganze mütterliche Leben Mariens. Im Unterschied zu anderen Müttern, die nicht im voraus um die Schmerzen wissen können, die durch ihre Kinder auf sie zukommen werden, wußte Maria bereits seit jenen ersten Tagen, daß ihre Mutterschaft sie auf den Weg der äußersten Prüfung führen würde. Für sie wurde die Teilnahme am Erlösungsgeschehen der Abschluß eines langen Weges. Nachdem sie festgestellt hatte, wie sich die Prophezeihung der Widersprüche gegen Jesus in den Ereignissen seines öffentlichen Lebens und Wirkens erfüllte, erfaßte Maria zu Füßen des Kreuzes tiefer, was jene Worte bedeuteten: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen.“ Ihre Anwesenheit auf Kalvaria, die ihr erlaubte, sich mit ganzem Herzen mit den Leiden des Sohnes zu verbinden, gehörte zum göttlichen Heilsplan: Es war der Wille des Vaters, daß sie, die zur höchsten Mitwirkung am Erlösungsgeheimnis berufen war, völlig mit dem Opfer verbunden sein und alle Schmerzen des Gekreuzigten teilen sollte, indem sie in dem Wunsch, die Welt zu retten, ihren Willen mit dem seinen vereinigte. Diese Verbundenheit Mariens mit dem Kreuzesopfer Christi stellt eine Wahrheit heraus, die auch in unserem Leben ihre Anwendung findet: Wer immer in tiefer Einheit mit Christus lebt, ist dazu bestimmt, in der Tiefe sein Erlöserleiden zu teilen. Während wir Maria für ihre Mitwirkung am Erlöserwerk danken, wollen wir nicht versäumen, sie um ihre mütterliche Hilfe zu bitten, daß auch wir den Weg des Kreuzes gehen, unsere Leiden aufopfern und so zu einem fruchtbareren Leben gelangen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Bürder und Schwestern! Herzlich willkommen zu der heutigen Audienz und zur Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung in der Ewigen Stadt. Ich grüße euch alle und jeden einzelnen; besonders die Teilnehmer der großen Romwallfahrten der Marianischen Bürgersodalität Trier und der katholischen Wochenzeitung „neue bildpost“, die Gruppe des Internationalen Katholischen Missionswerkes Aachen sowie die anwesenden Missionsbenediktinerinnen von Tutzing. Der Monat Mai lenkt unsere Gedanken auf Maria, die in einer besonde- 92 AUDIENZEN UND ANGELUS ren Weise mit dem Erlösungswerk ihres Sohnes verbunden ist. Von Anfang an steht Maria ganz im Dienst des Erlösers. Sie empfängt ihn durch ihr „Fiat“ stellvertretend für die ganze Menschheit. Schon bei der Darstellung Jesu im Tempel verheißt ihr der greise Simeon, daß ein Schwert ihre Seele durchdringen wird (vgl. Lk 2, 35). Ihr Ja zur Menschwerdung Christi ist zugleich Ausdruck ihrer Bereitschaft zum Mitleiden mit ihm bis zum Kreuzesopfer auf Golgota. Maria steht nicht nur unter dem Kreuze, sondern sie leidet und opfert mit Christus für die Erlösung der Menschheit. Erbitten wir uns von ihr die Gnade, daß wir auch mit unseren persönlichen Leiden und Prüfungen Christus auf seinem Kreuzweg begleiten, um dadurch mit dem auferstandenen Herrn zum unvergänglichen, vollkommenen Leben zu gelangen. Das schenke euch Gott mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Denkwürdiger Tag in der Geschichte der Nation Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 4. Mai Ein Wort zum 3. Mai. Ich bin im Geist mit allen vereint, die heute zum Heiligtum in Jasna Göra, der großen marianischen Stadt, der Königin Polens, pilgern. Wie oft bin ich an diesem Festtag dort gewesen. Wie oft habe ich dort das heilige Meßopfer gefeiert! „O Gott, der Du in der seligen Jungfrau Maria dem polnischen Volk einen wunderbaren Beistand und Schutz geschenkt hast, gewähre gnädig, daß sich durch die Fürsprache unserer Mutter und Königin die Religion dauernder Freiheit und das Vaterland der Sicherheit erfreue.“ Das sind die Worte des liturgischen Gebetes des Festes vom 3. Mai, des denkwürdigen Tages der Geschichte der Nation. Die an jenem Tag des Jahres 1791 verkündete Verfassung sollte die Republik in dem Augenblick wiederherstellen, in dem sie von Todesgefahr bedroht war. Obgleich sich die Gefahr zunächst als mächtiger erwies, überlebte dennoch die Verfassung als Beweis für den Willen der Nation zum Leben und zur Selbstbestimmung. Heute, am Fest des 3. Mai, bitten wir Dich, Mutter von Jasna Göra, Königin Polens, uns alle mit Deinem mütterlichen Herzen als Dein geistiges Erbe zu umfangen. 93 AUDIENZEN UND ANGELUS Dein Beistand und Schutz mögen stets in der ganzen Nation den Willen zum Leben und zur Selbstbestimmung erneuern. Schließlich empfehle ich Dir, Herrin von Jasna Göra, alle, denen in meiner Heimat im Zusammenhang mit den Ereignissen der letzten Tage Leid widerfahren ist. „Maria, Königin Polens, ich bin Dir nahe, ich gedenke Deiner, ich wache!“ Die Mutter des Erlösers möge alle Mütter segnen Vor dem Regina Caeli am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! Heute wird im Heiligtum der seligsten Jungfrau vom Rosenkranz in Pompeji die Hundertjahrfeier des Bittgebets an die Madonna begangen. Dieses glühende und bewegende Gebet, das jedes Jahr am Mittag des 8. Mai und des ersten Oktobersonntags verrichtet wird, kommt aus dem großen Herzen des sei. Bartolo Longo. Dieser in Latiano (Brindisi) 1841 geborene Rechtsanwalt starb 1926 in Pompeji nach einem langen Leben, das dem intensiven und fruchtbaren Apostolat besonders auf dem Gebiet der Sozialhilfe und Kindererziehung gewidmet war durch glänzende Werke der Nächstenliebe, wie die Errichtung von Kindergärten, Schulen, Erholungsstätten, Werkstätten, Waisenhäusern rings um die Wallfahrtskirche von Pompeji, die er zu Ehren U. L. Frau vom Rosenkranz erbauen wollte. Die Hochherzigkeit von Gläubigen aus allen Erdteilen hat dieses Heiligtum in diesen Jahren immer mehr verschönt und zum Erfolg der von dem Sehgen geschaffenen Initiativen zur sozialen und christlichen Förderung der Armen beigetragen. Die göttliche Vorsehung wollte mir die Freude machen, Bartolo Longo durch Seligsprechung am 26. Oktober 1980 zur Ehre der Altäre zu erheben. Und heute, bei der Hundertjahrfeier des Bittgebets, möchte auch ich mich mit der unermeßlichen Menge vereinigen, die in glühendem Gebet im Heiligtum der Madonna und auf dem großen Platz von Pompeji versammelt ist. Ich lade deshalb alle, die mich in diesem Moment hören, ein, sich geistig 94 AUDIENZEN UND ANGELUS diesem betenden Chor und dem folgenden letzten Teil des Bittgebets anzuschließen: „O gesegneter Rosenkranz Mariens, süße Kette, die uns mit Gott verknüpft, Band der Liebe, das uns mit den Engeln verbindet. Turm der Rettung vor den Angriffen der Hölle, sicherer Hafen beim gemeinsamen Schiffbruch, wir werden nie von Dir lassen. Du wirst uns Stärkung sein in der Stunde des Todes, Dir der letzte Kuß des erlöschenden Lebens. Und das letzte Wort auf unseren Lippen wird Dein süßer Name sein, o Rosenkranzkönigin von Pompeji, unsere hebe Mutter, Zuflucht der Sünder, erhabene Trösterin der Betrübten. Sei überall gepriesen, heute und immer, im Himmel und auf Erden. Amen. Sei gegrüßt, o Königin, Mutter der Barmherzigkeit, unser Leben, unsre Wonne und unsre Hoffnung, sei gegrüßt! Zu Dir rufen wir verbannte Kinder Evas; zu Dir seufzen wir trauernd und weinend in diesem Tal der Tränen. Wohlan denn, unsere Fürsprecherin, wende Deine barmherzigen Augen uns zu, und nach diesem Elend zeige uns Jesus, die gebenedeite Frucht Deines Leibes. O gütige, o milde, o süße Jungfrau Maria.“ Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: Heute feiern die orthodoxen Kirchen Ostern. An dieser großen Gedächtnisfeier der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus wenden sich meine Gedanken all diesen Brüdern zu, und mit ihnen verbunden in dem fundamentalen Ereignis unseres Glaubens sage ich: Cristos anesti! Christus ist wahrhaft auf erstanden! Ich richte an alle Brüder der orthodoxen Kirchen meinen frohen und herzlichen Ostergruß. In besonderer Weise an den Patriarchen Ignatius IV. von Antiochien, der im Lauf dieser Woche die Kirche von Rom besuchen wird und am kommenden Donnerstag in der vatikanischen Petersbasilika an der Messe teilnehmen wird, die ich aus Anlaß des Himmelfahrtsfestes feiern werde. Auf deutsch sagte er: Einen herzlichen Gruß richte ich auch an die anwesenden Besucher deutscher Sprache. Der Monat Mai lädt uns ein, die Verbundenheit mit Maria besonders lebendig zu pflegen. Möge sie, die Mutter des Erlösers, heute vor allem die Mütter segnen, deren die Familien an diesem Sonntag in Liebe und Dankbarkeit gedenken. 95 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria, die Mutter des Erlösers Ansprache bei der Generalaudienz am 11. Mai 1. „Jesus sagte zu seiner Mutter: Frau, siehe, dein Sohn! Dann sagte er zu dem Jünger: Siehe, deine Mutter!“ (Joh 19, 26 f.). In diesem Heiligen Jahr wenden wir uns mit noch mehr Andacht an Maria, denn es war ein ganz besonderes Zeichen der Versöhnung der Menschheit mit Gott, als er ihr auf dem Kalvarienberg die Aufgabe übertrug, Mutter aller Erlösten zu sein. Die Situation, in der diese Mutterschaft Mariens verkündet wurde, kennzeichnet die Bedeutung, die der Erlöser dem Ereignis beimaß. Genau in dem Augenblick, als Jesus seinen Opfertod erlitt, sprach er zu seiner Mutter jene entscheidenden Worte: „Frau, siehe, dein Sohn“, und zum Jünger: „Siehe, deine Mutter“ (Joh 19, 26-27). Und der Evangelist fügte hinzu, daß Jesus, als er diese Worte sprach, wußte, daß nun alles vollbracht war. Seine Mutter war das Geschenk des Abschieds, das er als Frucht seines Opfers der Menschheit gewährte. Es handelt sich also um eine Geste, die das Erlösungswerk krönen soll. Mit der Bitte an Maria, seinen Lieblingsjünger wir ihren Sohn zu behandeln, fordert Jesus sie auf, das Opfer seines Todes anzunehmen und als Lohn für diese Annahme eine neue Mutterschaft zu akzeptieren. Als Retter der ganzen Menschheit will er der Mutterschaft Mariens die größte Ausweitung verleihen. Er wählt darum Johannes als Symbol aller von ihm geliebten Jünger und gibt zu verstehen, daß das Geschenk - seine Mutter — das Zeichen einer besonderen Ausrichtung seiner Liebe ist, mit der er alle umfängt, die er als Jünger gewinnen will, das heißt alle Christen und alle Menschen. Darüber hinaus bekundet Jesus damit, daß er dieser Mutterschaft eine individuelle Form gibt, den Willen, Maria nicht einfach zur Mutter der Gesamtheit seiner Jünger zu machen, sondern zur Mutter jedes einzelnen von ihnen, so als wäre er ihr Sohn, der die Stelle ihres einzigen wirklichen Sohnes einnimmt. 2. Diese universale geistige Mutterschaft war die letzte Konsequenz der Mitwirkung Mariens am Werk ihres göttlichen Sohnes, einer Mitwirkung, die mit der bangen Freude der Verkündigung ihren Anfang nahm und sich weiter entfaltete bis zum unermeßlichen Schmerz auf dem Kalvarienberg. Dies hat das Zweite Vatikanische Konzil unterstrichen, als es die Rolle aufzeigte, zu der Maria in der Kirche bestimmt war: „Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater darstellte und mit ihrem 96 A UDIENZEN UND ANGELUS am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter“ {Lumen gentium, Nr. 61). Die Mutterschaft Mariens in der Gnadenordnung „dauert unaufhörlich fort“ bis zum Ende der Welt, versichert das Konzil und unterstreicht insbesondere die Hilfe, die von seiten der Jungfrau den Brüdern ihres Sohnes in den Gefahren und Bedrängnissen zuteil wird (vgl. ebd., Nr. 62). Die Mittlerschaft Mariens stellt eine einzigartige Teilnahme an der einzigen Mittlerschaft Christi dar, welcher dadurch freilich nicht im geringsten Abbruch getan wird, die vielmehr als zentrales Ereignis im gesamten Heilswerk bestehen bleibt. Die Marienverehrung begann auf Kalvaria Die Verehrung der Gottesmutter steht darum auch nicht im Widerspruch zur Verehrung ihres Sohnes. Ja, man kann sagen: Jesus hat, als er seinen Lieblingsjünger bat, Maria als seine Mutter anzunehmen, die Marienverehrung begründet. Johannes kam mit Eifer dem Willen des Meisters nach: Von da an nahm er Maria in sein Haus und erwies ihr eine Sohneshebe, die ihrer mütterlichen Liebe entsprach, und schuf auf diese Weise eine Beziehung geistlicher Innigkeit, die die Beziehung zum Meister vertiefen half, dessen unverkennbare Züge er im Antlitz der Mutter wiederfand. Von Kalvaria hat somit die Bewegung der Marienverehrung ihren Ausgang genommen, die in der Folge in der christlichen Gemeinschaft unaufhörlich zunahm. 3. Die Worte, die Christus vom Kreuz herab an seine Mutter und den Lieblingsjünger richtete, haben der religiösen Lage der Menschen eine neue Dimension verliehen. Die Anwesenheit einer Mutter im Leben der Gnade ist Quelle des Trostes und der Freude. Im mütterlichen Antlitz Mariens erkennen die Christen einen ganz besonderen Ausdruck der erbarmenden Liebe Gottes, der mittels der Gegenwart einer Mutter seine väterliche Sorge und Güte besser begreiflich macht. Maria erscheint als diejenige, die die Sünder an sich zieht und ihnen mit ihrem Wohlwollen und ihrer Nachsicht das Versöhnungsangebot Gottes offenbart. Die Mutterschaft Mariens gilt nicht nur den einzelnen. Sie besitzt einen Wert für die Gemeinschaft, der im Titel „Mutter der Kirche“ zum Ausdruck kommt. Denn auf dem Kalvarienberg schloß sie sich dem Opfer 97 AUDIENZEN UND ANGELUS des Sohnes an, das auf das Entstehen der Kirche hinzielte; ihr Mutterherz teilte bis zum Äußersten den Wunsch und Willen Christi, „die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Da sie für die Kirche gelitten hatte, verdiente es Maria, die Mutter aller Jünger ihres Sohnes, die Mutter ihrer Einheit zu werden. Deshalb stellt das Konzil fest, daß „die katholische Kirche, vom Heiligen Geist belehrt, sie in kindlicher Liebe als geliebte Mutter verehrt“ (Lumen gentium, Nr 53). Die Kirche sieht in ihr eine Mutter, die über ihre Entwicklung wacht und unaufhörlich bei ihrem Sohn Fürbitte einlegt, um für die Christen eine tiefere Bereitschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu erlangen. Maria bemüht sich, die Einheit der Christen nach Kräften zu fördern, denn eine Mutter scheut keine Mühe, die Eintracht zwischen ihren Kindern zu bewahren. Es gibt kein größeres, kein brennenderes Herz für die Ökumene als das Herz Mariens. Zu dieser vollkommenen Mutter fleht die Kirche in all ihren Nöten; ihr vertraut sie ihre Pläne an, weil sie weiß, daß sie mit ihren Bitten und ihrer Liebe zu Maria dem Wunsch des Erlösers am Kreuz entspricht, und sie weiß, daß ihre Bitten nicht enttäuscht werden. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz. Ich grüße euch aus Deutschland, Österreich, aus der Schweiz und den Niederlanden. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die große Romwallfahrt der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen, an die Mitglieder des Rundfunkrates im Bayerischen Rundfunk zusammen mit der Agrippina-Gruppe aus Köln sowie an die wiederum zahlreichen Jugendlichen. Die Feier des Heiligen Jahres richtet unseren Bück auf Maria, die Mutter des Erlösers, die unter dem Kreuz die Mutter aller Erlösten geworden ist. Stellvertretend für alle Menschen empfiehlt Christus ihr auf Golgota seinen Lieblingsjünger Johannes: „Frau, dies ist dein Sohn . . . Dies ist deine Mutter“ (Joh 19, 26-27). Wie Maria auf das engste beim Erlösungswerk Christi mitgewirkt hat, soll auch ihre Mutterschaft ohne Unterbrechung fortdauern und alle Menschen umfassen. Ihre mütterliche Liebe und Sorge richtet sich auf jeden einzelnen ganz persönlich. Zugleich ist sie auch in einer besonderen Weise die Mutter der ganzen Kirche. Sie führt uns den Weg zu Christus, dem einzigen Vermittler des Heiles. In diesem Jubiläumsjahr der Erlösung empfehle ich euch alle ihrem besonderen mütterlichen Schutz und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 98 AUDIENZEN UND ANGELUS In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik de verschillende groepen pilgrims uit Nederland, onder wie met name de groep uit Berg en Dal. Gaarne verleen ik aan u hier op het Sint-Pietersplein en aan al uw dierbaren in Nederland mijn Apostolische Zegen. „ Verliert niemals das Vertrauen!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 11. Mai Am Hochfest des hl. Stanislaus, des Bischofs von Krakau, Märtyrers und Schutzpatrons Polens, möchte ich die Worte in Erinnerung rufen, die ich während meiner ersten Pilgerreise in meine Heimat auf der großen Wiese in Krakau (Blonia Krakowskie) gesprochen habe: „Ich bitte euch . . ., nehmt noch einmal das ganze geistige Erbe an, das ,Polen1 heißt, nehmt es an im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe -wie es uns Christus in der heiligen Taufe eingepflanzt hat. Ich bitte euch: - zieht dieses Erbe niemals in Zweifel, werdet seiner nicht leid und nicht überdrüssig; - reißt euch nicht selbst los von den Wurzeln, aus denen wir hervorwachsen; - habt bei all eurer Schwachheit Vertrauen; - sucht die geistige Kraft immer bei dem, bei welchem so viele Generationen unserer Väter und Mütter sie fanden; - verlaßt es niemals; - verliert niemals jene Freiheit des Geistes, zu der er den Menschen befreit; - verachtet nie die Liebe, die die größte ist, sich am Kreuz ausdrückt und ohne die das menschliche Leben weder Wurzeln noch Sinn hat.“ Diese Worte habe ich am neunhundertsten Jahrestag des Martyriums des hl. Stanislaus gesprochen. Heute senke ich sie Dir ins Herz, Herrin von Jasna Göra, und bitte Dich, diese Worte in den Herzen meiner Landsleute zu bewahren. 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Zwei China-Missionare seliggesprochen Vor dem Regina Caeli am 15. Mai 1. Bevor wir diese Feier beenden, lade ich euch ein, eure Gedanken zur Jungfrau Maria zu erheben und beim Gebet des Regina Caeli darüber nachzudenken, welche tiefe Verehrung die beiden neuen Sehgen für die Gottesmutter hegten. Msgr. Versiglia pflegte zu sagen: „Ohne Maria, unsere Helferin, sind wir Salesianer nichts.“ Das gilt nicht nur für die Salesianer, sondern für uns alle. Ohne die Fürsprache Mariens können wir uns nicht retten. Denn dem heiligmäßigen Bischof war die große Macht wohlbekannt, die Maria bei der Bekehrung der Herzen besitzt. Er betrachtete die Gottesmutter als die Königin Chinas. Vertrauen wir ihrem unbefleckten Herzen die ersten Probleme der Evangelisierung und Bekehrung an: Ihr mächtiger Schutz unterstütze auch heute die Arbeiter des Evangeliums, die zu einer unermeßlichen Ernte in Erwartung des Heils ausgesandt werden. Und Don Caravario? Wie sehr liebte er den Marienmonat Mai! In diesem Monat war er zum Priester geweiht worden, und in einem Brief an seine geliebte Mutter, die Vertraute seines geistlichen Weges, beschrieb er das große Ereignis mit den folgenden Worten: „Ist es nicht eine ausgesprochene Freundlichkeit, die die Gottesmutter mir erweist?“ Als der junge Priester Caravario als Missionar nach China entsandt wurde, widmete er sich mit großem Eifer dem Erlernen der Landessprache, und die erste Predigt, die er schon nach kurzer Zeit in Chinesisch hielt, galt der Muttergottes. Im Namen der seligen Jungfrau begann er die Verkündigung des Evangeliums an das große Volk Chinas. Und mit der Anrufung Mariens, dem Angelus-Gebet, beendete er als Blutzeuge das Werk der beiden heldenmütigen Missionare. Mögen sie auch uns lehren, unseren irdischen Lebensweg mit dem heiligen Namen Mariens' auf den Lippen zu beenden! 2. Meine Gedanken gelten sodann dem großen Ereignis des Eucharisti-schen Kongresses, der gestern in Mailand begonnen hat und die gesamte Kirche in Italien erneut zu dem Vorsatz aufruft, in der lebendigen Gemeinschaft, dem mystischen Leib Christi, für ein fruchtbares evangelisches Zeugnis in der Welt von heute immer mehr zu wachsen. Auch ich werde, wie ihr wißt, an diesem Kongreß teilnehmen. Ich werde Freitag abend in Mailand eintreffen und bis Sonntag dort bleiben. 100 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich vertraue der Jungfrau Maria schon jetzt diese neue Pilgerfahrt in das geliebte Land Italien an. 3. Heute wird der 17. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel begangen, dessen Thema lautet: „Die sozialen Kommunikationsmittel und die Förderung des Friedens.“ Zur Erläuterung dieses wichtigen Themas habe ich eine Botschaft an die Gläubigen der Kirche und die Menschen guten Willens gesandt, damit alle und vor allem diejenigen, denen die größte Verantwortung obliegt, die ungeheuren Informationsmöglichkeiten als Mittel zur Erlangung von immer mehr Gerechtigkeit und Frieden unter den Völkern und für das menschliche und geistliche Wachstum der Menschen einsetzen können. Nach dem Regina Caeli sagte der Papst u. a. auf deutsch: Liebe Pilger deutscher Sprache! Ich freue mich mit euch, daß wir bei der heutigen Feier der Seligsprechung wieder eindringlich erleben konnten, wie lebendig der Geist Christi in der Kirche wirkt. Beten wir in den Tagen der Pfingstnovene um diesen Geist, der auch die beiden neuen Sehgen in ihrem Leben und Sterben gestärkt hat; erbitten wir ihn für jeden von uns, für die ganze Kirche und besonders für jene, die heute ihren Glauben durch das Martyrium bezeugen! Zum Schluß sagte der Papst in Italienisch: Einen herzlichen Gruß richte ich dann an die Haushälterinnen, die in diesen Tagen in Rom am 6. internationalen Kongreß der Internationalen Arbeitsgemeinschaft teilgenommen haben, die die entsprechenden christlichen Landesverbände in Österreich, Belgien, Kolumbien, Deutschland, Portugal, Spanien, der Schweiz und in Italien umfaßt. Euch allen wünsche ich herzüch, daß ihr mit verstärktem Einsatz die Botschaft des Evangeliums in eurer täglichen oft unscheinbaren Arbeit, die aber voll menschlicher, sozialer und christlicher Würde ist, verwirklicht. 101 AUDIENZEN UND ANGELUS Die göttliche Einheit als Fundament und Vorbild Ansprache bei der Generalaudienz am 18. Mai 1. Christus ist „unser Friede“; er versöhnte uns „durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib“ (vgl. Eph 2, 14-16). Meine Lieben, es ist Mai, der Monat der Gottesmutter: Im Licht Mariens verstehen wir besser die Tiefe der Versöhnung, die Christus zwischen uns und Gott gewirkt hat. Die Liebe der Mutter Jesu, die jedem von uns gilt, schenkt uns ein sichtbares Zeichen des Wohlwollens und der Güte des Vaters. Darüber hinaus läßt uns diese Liebe besser verstehen, daß unsere Versöhnung auch die Beziehungen der Menschen untereinander betrifft, denn als Mutter der Kirche ist Maria Mutter der Einheit, und sie bemüht sich, alles das zu fördern, was ihre Kinder eint, was sie einander näherbringt. Wenn wir die Früchte des Erlösungswerkes Christi betrachten, stellen wir den engen Zusammenhang der beiden Weisen der Versöhnung fest: jener des Menschen mit Gott und jener der Menschen untereinander. Dadurch, daß alle Menschen mit Gott versöhnt sind, sind sie auch untereinander versöhnt. Wir müssen daran denken, daß nach der Offenbarung der Bibel die Sünde, die den Menschen von Gott trennt, als unvermeidliche Nebenwirkung die Entzweiung der Menschen untereinander zur Folge hat. Wenn die Ablehnung einen Graben zwischen dem Menschen und Gott aufreißt, bewirkt sie auch, daß der Mensch sich gegen seinesgleichen auflehnt. Am Beispiel des Turmbaus zu Babel hat uns die Bibel ein eindrucksvolles Bild dieser umgekehrten Dynamik vor Augen gestellt. Als die Menschen in ihrem Hochmut die Errichtung eines Turmes beschließen, dessen Spitze den Himmel berühren soll, weil sie über eine Macht verfügen möchten, die mit der Macht Gottes konkurrieren kann, müssen sie die verheerende Erfahrung der Uneinigkeit und Zwietracht machen, die als Folge der Sprachunterschiede zwischen ihnen ausbricht (vgl. Gen 11, 1-9). Sich Gott widersetzen und sich mit ihm messen wollen, ohne seine souveräne Herrschaft anzuerkennen, hat das Aufbrechen zerstörerischer, erbitterter Spannungen in den zwischenmenschlichen Beziehungen zur Folge. Dagegen weckt die Versöhnung mit Gott im Sünder das Verlangen nach der Versöhnung mit den Brüdern und Schwestern. Diese Wahrheit unterstreicht der hl. Paulus, wenn er sagt, daß in Christus die beiden Teile der Menschheit, Juden und Heiden, mit Gott versöhnt wurden, um einen 102 AUDIENZEN UND ANGELUS einzigen Leib, einen neuen Menschen zu bilden. Durch sein Opfer hat Christus in seinem Leib den Haß, der die Menschen spaltete, getilgt; indem er allen die gleiche Möglichkeit des Zuganges zum Vater in einem einzigen Geist bot, hat er die trennenden Schranken zwischen ihnen aufgehoben und Frieden hergestellt. Darum ist Christus „unser Friede“ (.Eph 2, 14). 2. Der hl. Paulus wußte aus persönlicher Erfahrung, was diese universale Versöhnung bedeutete. Vor seiner Bekehrung hatte er feindselige Maßnahmen gegen alle getroffen, die nicht dem jüdischen Kult anhingen. Als sich sein Herz jedoch zu Christus bekehrte, kam es zu einer überraschenden Änderung seiner Haltung, ja, er wurde sogar zum Apostel der Heiden. Von jenem Augenblick an duldete er keine Schranken mehr gegen den Universalismus. So wie er im Judentum ein erbitterter Verfolger der Christen gewesen war, wurde er dann bei der Verbreitung des christüchen Glaubens ein begeisterter Bote mit unermeßlich weitem, alle Grenzen sprengendem Herzen. Wer erinnert sich nicht seiner starken Worte: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ,einer4 in Christus Jesus“ (Gal 3, 28)! Paulus bestreitet natürlich nicht, daß Unterschiede zwischen den Menschen bestehen. Was er sagen will, ist, daß diese Unterschiede nicht mehr Anlaß zur Spaltung sein dürfen, weil Christus in seiner Person alles geeint hat. Die Auffassung des Apostels gibt auf vollkommene Weise den Gedanken Jesu wieder. Um sich davon zu überzeugen, braucht man nur an jene außerordentlich gehaltvolle Stelle zu denken, in der Johannes das Hohe-priesterliche Gebet des göttlichen Meisters zusammenfaßt. Mit der Bitte an den Vater, daß alle eins seien, wie der Vater und er eins sind (Joh 17, 21-22), weist Jesus auf das vollkommene Vorbild der Einheit hin, die er begründen will. Die Versöhnung, die sein Opfer für die Menschheit erwirken soll, hebt nicht nur die bestehenden Spaltungen auf und stellt wieder Eintracht her; sie hat zum Ziel, eine Einheit höherer Ordnung zu schaffen, dadurch daß sie die Einheit der göttlichen Personen der Gemeinschaft der menschlichen Personen mitteilt. Die Versöhnung ist also mehr als eine Wiederherstellung der verlorenen Einheit; sie hebt die Eintracht unter den Menschen auf die Ebene einer Teilnahme an dem vollkommenen Einklang, der in der göttlichen Gemeinschaft herrscht. Nicht zufällig hebt die Heilige Schrift die grundlegende Rolle hervor, die dabei dem Heiligen Geist zukommt: Als die personhafte Liebe des Vaters und des Sohnes 103 AUDIENZEN UND ANGELUS wirkt er in der Menschheit, um eine Einheit herbeizuführen, deren Fundament und Vorbild die göttliche Einheit ist. Pflicht zur Versöhnung 3. Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Meister in seiner Belehrung wiederholt die Aufmerksamkeit seiner Jünger auf die dringende Pflicht gelenkt hat, sich überall dort, wo Zwietracht herrscht, um Versöhnung zu bemühen. Der Wille zur Versöhnung ist eine unerläßliche Voraussetzung für ein Gott wohlgefälliges Gebet: Wer sein Opfer am Altar darbringen will, muß sich vor allem mit seinem Bruder aussöhnen {Mt 5, 23-24). Wie schwer und wie häufig die erfahrene Beleidigung auch immer sein mag -das Bemühen um Versöhnung darf niemals auf gegeben werden, weil der Jünger seiner Vergebung keine Grenzen setzen darf, gemäß der Weisung des Herrn an Petrus: „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal“ {Mt 18, 22). Indem Jesus sagt: „Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen. Segnet die, die euch verfluchen, betet für die, die euch mißhandeln“ {Lk 6, 27-28), zeigt er, daß die Versöhnung sich unverzüglich in innerer Bereitschaft kundtun muß: auch dort, wo eine wirksame Versöhnung wegen der feindseligen Haltung des anderen noch nicht möglich ist, muß der Christ von einer echten, aufrichtigen Liebe beseelt sein. Für ihn besteht die Pflicht der Versöhnung im Herzen, einer persönlichen Versöhnung durch Gefühle des Wohlwollens. Christus kennt gut die Schwierigkeiten der Menschen, wenn sie sich miteinander versöhnen sollen. Durch sein Erlösungsopfer hat er für alle die notwendige Kraft zur Überwindung dieser Schwierigkeiten erworben. Kein Mensch kann also sagen, es sei ihm unmöglich, sich mit dem Nächsten auszusöhnen, wie er auch nicht sagen kann, es sei ihm unmöglich, sich mit Gott zu versöhnen. Das Kreuz hat alle Schranken niedergerissen, die die Herzen der Menschen gegeneinander verschließen. In der Welt ist ein ungeheures Bedürfnis nach Versöhnung wahrzunehmen. Der Streit sucht bisweilen alle Bereiche des persönlichen, familiären, sozialen, nationalen und internationalen Lebens heim. Wenn Christus nicht für die Schaffung der Einheit in der menschlichen Gemeinschaft gelitten hätte, könnte man diese Konflikte für unüberwindbar halten. Doch der Heiland ruft alle Menschen wirksam zu Einheit und Versöhnung; durch den Heiligen Geist eint er sie immer mehr in seiner Liebe. Erneuern wir darum unseren Glauben an diese in der Welt wirksame göttliche Kraft und verpflichten wir uns, mit ihr zusammenzuwirken, um 104 AUDIENZEN UND ANGELUS so zum Kommen des Friedens unter den Menschen und zur Verbreitung der Freude beizutragen, die aus ihm folgt. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude begrüße ich euch zur heutigen Jubiläumsaudienz: die genannten Gruppen und jeden einzelnen, besonders die zahlreichen Pfarrgrup-pen und die Jugendlichen von verschiedenen deutschen Schulen. Möge eure Romwallfahrt im Heiligen Jahr der Erlösung euch, euren Familien und Gemeinden in der Heimat reiche Gnaden vermitteln. Christus hat uns durch sein Erlösungsopfer mit Gott versöhnt. Zugleich hat er dadurch auch Frieden gestiftet unter den Menschen. Die Versöhnung mit Gott reißt gleichzeitig alle trennenden Schranken zwischen den Menschen nieder. Wie der hl. Paulus sagt, gibt es in Christus „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle ,einer in Jesus Christus“ (Gal 3, 28). Christus hat den Vater gebeten, daß alle eins seien, so wie er mit dem Vater eins ist. Christliche Versöhnung und Gemeinschaft ist so innig wie die Einheit zwischen den göttlichen Personen. Unsere Versöhnung mit dem Bruder ist die unerläßliche Voraussetzung für ein Gott wohlgefälliges Beten und Opfern. Christus ermahnt uns, unserem Bruder nicht nur siebenmal, sondern sieben-undsiebzigmal zu verzeihen und sogar unsere Feinde zu heben. Die heutige Menschheit bedarf so dringlich der christlichen Versöhnung. Stiften und schenken wir sie dort, wo wir sie anderen zu vermitteln vermögen: in unserer Familie, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde. Dazu verhelfe euch Gott mit meinem besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik de nederlandse pelgrims die vandaag hier, op deze audientie aanwezig zijn, en in het bijzonder de leraren en leerlingen van het gymnasium Rolduc uit Kerkrade. Gaarne verleen ik aan u en aan uw familieleden en andere dierbaren in Nederland mijn Apostolische Zegen. 105 AUDIENZEN UND ANGELUS „Sende deinen Geist und erneuere die Erde“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 18. Mai Meine lieben Landsleute! Jetzt ist im Leben der Kirche die große Zeit des Gebets - sozusagen eine große Novene. Christus hat, als er durch die Himmelfahrt die Welt verließ, seine Jünger angewiesen, im Gebet zu verharren und auf die Herabkunft des Trösters, des Geistes der Wahrheit, zu warten. Die Apostel hielten sich an die Weisung ihres Meisters und Herrn und verharrten mit Maria, der Mutter Jesu, im Gebet. Der Gebetsort war der Abendmahlssaal, derselbe Raum, in dem die Eucharistie eingesetzt wurde und wo der auferstandene Christus den Aposteln begegnete und ihnen die Macht gab, Sünden zu vergeben. Während dieser Tage, zwischen der Himmelfahrt des Herrn und dem Pfingstfest, wird die ganze Kirche in gewisserWeise zum Abendmahlssaal. Liebe Landsleute! Verharrt in der Heimat im Gebet, verbunden mit unserer Mutter von Jasna Gora. Um sie herum bilden wir alle in diesen Tagen gleichsam unseren eigenen polnischen Abendmahlssaal. „Sende deinen Geist herab, Herr, und erneuere die Erde“: die ganze Erde - und unser Polen. Wir beten um die Gaben des Heiligen Geistes, der die Herzen der Menschen verwandelt. Denn das Antlitz der Erde wird nur dann erneuert, wenn die Herzen der lebendigen Menschen durch den Heiligen Geist verwandelt werden. Er traf die Zuhörer „mitten ins Herz“ Ansprache bei der Generalaudienz am 25. Mai 1. „Nachdem er durch die rechte Hand Gottes erhöht worden war und vom Vater den verheißenen Heiligen Geist empfangen hatte, hat er ihn ausgegossen“ (Apg 2, 33). Meine Lieben, am vergangenen Sonntag war das Pfingstfest. Ich hatte bekanntlich die Freude, dieses bedeutende kirchliche Ereignis mit der Bevölkerung von Mailand zu erleben, die ich zum feierlichen Abschluß des Nationalen Eucharistischen Kongresses 106 AUDIENZEN UND ANGELUS besuchen wollte. Es war eine reichhaltige Erfahrung, und ich werde bei anderer Gelegenheit darauf zurückkommen. Heute vormittag hegt mir daran, eure Aufmerksamkeit auf die grundlegende Bedeutung des Pfingstfestes im Leben der Kirche hinzulenken, die in jenem Ereignis ihre eigentliche Geburtsstunde und den Beginn ihrer Ausbreitung in der Welt sieht. Durch die Ausgießung des Geistes wurden die Jünger ganz umgestaltet und begannen die Wundertaten Gottes zu verkünden. Jene Ausgießung griff dann auf Personen jeder Rasse und Sprache über, die von dem Brausen beim Kommen des Geistes angelockt worden waren. Als Petrus die Bedeutung des Ereignisses erklärte, das die unumschränkte Macht des kurz zuvor auf Verlangen des Volkes Gekreuzigten an den Tag brachte, traf es die Zuhörer „mitten ins Herz“. Der Geist hatte die Seele derer zutiefst aufgerüttelt, die vor Pilatus geschrien hatten: „Kreuzige ihn!“, und sie bereit gemacht zur Bekehrung. Auf die Aufforderung des Petrus: „Tut Buße!“, antworteten dreitausend damit, daß sie sich taufen ließen (vgl. Apg 2, 37-41). Angesichts dieser wunderbaren Ernte an Bekehrungen gelangen wir zu der Erkenntnis, daß der Heilige Geist derjenige ist, der in den Herzen der Menschen die Versöhnung mit Christus und Gott wirkt. Er „trifft die Menschen mitten ins Herz“, um den Ausdruck der Apostelgeschichte wieder aufzunehmen, und veranlaßt sie, von der Feindseligkeit gegen Christus zu einer von Glaube und Liebe getragenen Zustimmung zu seiner Person und seiner Botschaft überzugehen. Er ist es, der Petrus die Worte eingibt, als er die Zuhörer zu Buße und Umkehr aufruft und der bewirkt, daß sie eine staunenswerte Wirkung auslösen. Mit diesen ersten Bekehrungen beginnt eine Bewegung, die im Laufe der Jahre und Jahrhunderte nicht mehr zum Stillstand kommen sollte. An Pfingsten leitet der Heilige Geist das große Werk der Erneuerung der Menschheit ein. Seit jenem Tag zieht er unablässig Menschen zu Christus hin, weckt er in ihnen das Verlangen nach Umkehr und Vergebung der Sünden und versöhnt so immer neue Menschenherzen mit Gott. 2. Der Heilige Geist wirkt also als inneres Licht, das den Sünder zur Erkenntnis seiner Sünde führt. Solange der Mensch vor seiner eigenen Schuld die Augen verschließt, kann er sich nicht bekehren: Der Heilige Geist läßt Gottes Auge in die Seele eindringen, damit es das Auge des Gewissens erleuchtet und der Sünder von den Vorurteilen befreit wird, die die begangene Schuld vor seinen Augen verschleiern. Darum entdeckten jene, die sich an der Verurteilung Jesu beteiligt und seinen Tod 107 AUDIENZEN UND ANGELUS gefordert hatten, plötzlich unter dem Wirken seines Lichtes, daß ihr Verhalten gänzlich falsch gewesen war. Während der Heilige Geist zu Buße und Bekehrung anregt, läßt er erkennen, daß die göttliche Vergebung den Sündern dank des Opfers Christi angeboten wird. Diese Vergebung ist allen zugänglich. Jene, die die Rede des Petrus gehört haben, fragen: „Brüder, was sollen wir tun?“ Wie kann der Sünder seinen Zustand ändern? In der Tat, es wäre ihm nicht möglich, wenn ihm der Weg der Vergebung verschlossen wäre! Aber dieser Weg steht weit offen; man braucht ihn nur zu gehen. Der Heilige Geist weckt Gefühle des Vertrauens zur verzeihenden Liebe Gottes und in die Wirksamkeit der vom Heiland vollbrachten Erlösung. Ohne Barrieren der verschiedenen Sprachen Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt des versöhnenden Wirkens des Geistes, den wir nicht verschweigen können. Zu Pfingsten leitet er das Werk der Versöhnung der Menschen untereinander ein. Denn durch sein Kommen ruft der Geist Menschen verschiedener Herkunft zusammen, „fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“, heißt es in der Apostelgeschichte (Apg 2, 5). Er bekundet damit seine Absicht, alle Völker und Nationen in ein und demselben Glauben zusammenzuführen und ihre Herzen für das Verständnis der Heilsbotschaft zu öffnen. Er will insbesondere die Völker vereinen, indem er die Barrieren der verschiedenen Sprachen zwischen ihnen niederreißt. Das Zeugnis der Apostel, die die Wundertaten Gottes verkünden, wird von jedem Zuhörer in seiner Muttersprache vernommen (vgl. Apg 2, 8). Die Verschiedenheit der Sprachen bildet kein Hindernis mehr für die einmütige Annahme der Botschaft Christi, weil der Geist die Verkündigung der Frohbotschaft in jedes Herz dringen läßt. Seit Pfingsten ist die Versöhnung aller Völker nicht mehr ein Traum für eine ferne Zukunft. Sie ist zu einer Wirklichkeit geworden, die mit der weltweiten Ausbreitung der Kirche unaufhörlich wachsen soll. Der Heilige Geist verwirklicht als Geist der Liebe und der Einheit das Ziel des Erlösungsopfers Christi, die Vereinigung der einst zerstreuten Kinder Gottes. 3. Bei diesem einigenden Wirken lassen sich zwei Gesichtspunkte unterscheiden. Indem der Heilige Geist die Menschen dazu führt, sich Christus anzuschließen, verbindet er sie in der Einheit eines einzigen Leibes, der Kirche, und versöhnt Menschen, die geographisch und kulturell weit 108 AUDIENZEN UND ANGELUS voneinander entfernt sind, in der gleichen Freundschaft. Er macht die Kirche zu einem ständigen Zentrum der Einheit und Versöhnung. Darüber hinaus kann man sagen, daß der Heilige Geist in gewisser Weise sein versöhnendes Wirken auch an denen ausübt, die außerhalb der Kirche stehen. Er weckt in ihnen das Verlangen nach einer größeren Einheit aller Nationen und aller Menschen und spornt die Bemühungen zur Überwindung der zahllosen Konflikte an, die die Welt immer noch spalten. Wir wollen zum Schluß daran denken, daß der Heilige Geist diese Versöhnung der Menschheit mit Hilfe Mariens, der Mutter aller Menschen, vollbringt. Zu Beginn der Kirche hat sie zusammen mit den Aposteln und ersten Jüngern im Gebet eine reichliche Ausgießung der Gaben des Geistes erwirkt. Auch heute wirkt Maria mit dem göttlichen Geist bei der Vereinigung der Menschen zusammen, weü ihre mütterliche Liebe, die sich allen und jedem einzelnen zuwendet, die Einheit fordert. Möge der Heilige Geist diese ihre tiefe Sehnsucht erfüllen, indem er die Menschheit immer mehr dazu bereit macht, ihren mütterlichen Anregungen zu Brüderlichkeit und Solidarität nachzukommen. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In der Freude des Pfingstfestes, das wir soeben gefeiert haben, heiße ich euch zur heutigen Audienz herzlich willkommen. Das Pfingstfest ist der offizielle Geburtstag der Kirche, der Beginn der Ausbreitung der Frohen Botschaft Jesu Christi in die ganze Welt. Der Heilige Geist hat am ersten Pfingsttag die Herzen der Jünger verwandelt. Er wirkt im Inneren eines jeden Menschen; er erleuchtet ihn, läßt ihn seine Sünden erkennen, vermittelt ihm Vertrauen in Gottes Liebe und Vergebung und führt ihn so auf den Weg des Heiles. Der Heilige Geist versöhnt die Menschen mit Gott, zugleich aber auch untereinander. In Jerusalem waren zugegen „fromme Männer aus jedem Volk unter dem Himmel“ {Apg 2, 5). Ein jeder von ihnen verkündete die eine und selbe Frohe Botschaft von den Heilstaten Gottes in seiner jeweiligen Muttersprache. Der Geist Gottes vereinigt alle Menschen und Völker in der einen Kirche Jesu Christi und eint durch sie die gesamte Menschheit. Möge der göttliche Geist auch einem jeden von euch dieses Gnadengeschenk mit euren Mitmenschen vermitteln. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 109 AUDIENZEN UND ANGELUS Vor zwei Jahren starb Kardinal Wyszynski Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 25. Mai Herrin von Jasna Göra! Heute möchte ich Deinem mütterlichen Herzen, o Maria, unsere Helferin, den Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszynski seligen Angedenkens, empfehlen, den der himmlische Vater vor zwei Jahren in die Ewigkeit abberufen hat. Es war am 28. Mai, dem Fest der Himmelfahrt des Herrn. Was für ein bedeutungsvoller Tag! Er sagt uns, daß der Zeitpunkt des Todes zugleich der Zeitpunkt der Geburt zur Fülle des Lebens in Gott ist. Am Tag Christi Himmelfahrt hat uns der Primas der Tausendjahrfeier verlassen - der Mann, dem es aufgegeben war, dem Volk Gottes in Polen in einer kritischen und schwierigen Zeit zu dienen. Wie inständig hat der verstorbene Primas Dich, Herrin von Jasna Göra und Mutter der Kirche, geliebt! Wie sehr hat er die Kirche Deines Sohnes geliebt! Wie treu hat er das Vaterland und alle Polen geliebt! Er hat wahrhaftig ein großes Erbe hinterlassen. Möge dieses Erbe in uns fortleben! Mögen die Kirche und die Nation stark bleiben durch das Erbe Kardinal Stefan Wyszynskis. „Möge Gott euch zu Werkzeugen seines Friedens machen“ Vor dem Angelus am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai 1. Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist! Am heutigen Sonntag läßt uns die Liturgie über die zentrale Wahrheit des Christentums nachdenken: die Heiligste Dreifaltigkeit. Jesus offenbarte uns die Geheimnisse des göttlichen Lebens und seine Kundmachung in der Welt durch die Verkündigung, daß der einzige Gott in drei gleichen und verschiedenen Personen existiert: dem Vater, Schöpfer des Himmels und der Erde; dem Sohn, der zum Heil des Menschen Mensch wird; und dem Heiligen Geist, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, um die Kirche aufzubauen und alle Werke der Heiligung zu vollbringen. 110 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Bei unserer heutigen Gebetsbegegnung wollen wir die Anbetung dieses Mysteriums mit der Verehrung jener Person vereinen, der es mehr als jedem anderen Geschöpf gewährt war, dieses Geheimnis kennenzulernen und - so dürfen wir sagen - eine intime Erfahrung mit ihm zu haben: Maria, der Gottesmutter. Denn ganz besonderer Art und einmalig ist die Gemeinschaft der Jungfrau mit den drei göttlichen Personen: nachdem sie vom Heiligen Geist empfangen hatte, wurde sie Mutter des menschgewordenen Wortes, weshalb ihr Sohn der Sohn des Vaters ist. Wer stünde also der Heiligsten Dreifaltigkeit näher als sie? Welches Geschöpf könnte uns besser helfen, die Heilige Dreifaltigkeit kennenzulernen und zu heben? Wenn die Kirche, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, „das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk“ (Lumen gentium, Nr. 4) und Maria die Mutter der Kirche ist, bedeutet das, daß wir nur durch ihre mütterliche Fürsprache immer besser erfassen, daß der Heilige Geist die Einheit der Kirche dadurch schafft, bewahrt und vervollkommnet, daß er sie im Laufe der Geschichte zur Fülle der Wahrheit führt. Die heilige Jungfrau ist die erwählte Wohnung der Heiligsten Dreifaltigkeit, der Tempel, wo ihre Herrlichkeit wohnt (vgl. Ps 26, 8). Sie erwirkt von ihrem Sohn für uns, daß auch wir Gottes Tempel seien, bewohnt und bewegt vom Geist des Herrn (vgl. 1 Kor 3, 16). Dank ihres Gebetes wird die ganze Kirche zusammengehalten und wächst „zu einem heiligen Tempel im Herrn“ (Eph 2, 21). 3. Am vergangenen Sonntag hatte ich die Freude, das Mariengebet zu Mittag vom Balkon des Mailänder Domes zu sprechen. Ich möchte heute der lieben Stadt Mailand noch einmal meinen Dank für den herzlichen Empfang aussprechen. Ich danke von Herzen dem Kardinalerzbischof und allen, die mit ihm an der Organisation des Nationalen Eucharistischen Kongresses und meines Pastoralbesuches mitgewirkt haben; ich danke den Behörden der Stadt und bringe allen Mailändern meine Anerkennung zum Ausdruck, indem ich sie meiner Zuneigung und meiner Wertschätzung versichere. Der Gedanke der Eucharistie war bei jeder Begegnung dort gegenwärtig, nicht nur weil in ihr eingeschrieben ist, was das Leben jedes Menschen an tiefem, innerem Gehalt besitzt, sondern auch weil mein Besuch vor allem den Zweck hatte, mich zum Abschluß des Eucharistischen Kongresses mit den Gläubigen bei der Anbetung des Allerheiligsten in jenem „Abendmahlssaal“ zu vereinen. Ich wünsche, daß die Eucharistie immer das Herz 111 AUDIENZEN UND ANGELUS der Mailänder Kirche wie der Gesamtkirche und der Mittelpunkt jedes christlichen Daseins sein möge. 4. Voll innerer Bewegtheit und Genugtuung denke ich an meine apostolische Pilgerreise nach Großbritannien, die vor nunmehr einem Jahr, vom 28. Mai bis 2. Juni, stattfand: Sie war vorwiegend eine Pastoraireise, bei welcher ich verschiedene kirchliche Begegnungen hatte. Ich hatte die Freude, auch einige Sakramente zu spenden und Friedensbote zu sein, indem ich eine Botschaft der Versöhnung und Liebe verkündete. In jeder Region Großbritanniens hatte ich zudem unvergeßliche ökumenische Begegnungen mit den Brüdern, die anderen christlichen Gemeinschaften angehören, mit denen ich zusammen betete, besonders in der Kathedrale von Canterbury mit Erzbischof Runde und den Vertretern der Anglikanischen Kirchengemeinschaft. Ich wiederhole heute den Gruß und Wunsch, den ich bei meinem Abschied von Großbritannien ausgesprochen habe: „Allen Menschen von England, Schottland und Wales sage ich: Gott segne euch alle! Möge er euch zu Werkzeugen seines Friedens machen, und möge der Friede Christi in euren Herzen und euren Heimen herrschen!“ Nach dem Angelus kündigte der Papst seine Reise nach Lourdes an und fuhr fort: Am kommenden Donnerstag feiert die Kirche das Fronleichnamsfest. Es ist ein Fest, das dazu dienen soll, unseren Glauben und unsere Liebe zu Christus, dem Brot für das Leben der Menschen, zu vertiefen und auch zu bekunden. Am Donnerstagnachmittag werde ich vor der Lateranbasilika die heilige Messe feiern und dann die eucharistische Prozession zur Basilika Santa Maria Maggiore anführen. Zur Vorbereitung auf das Fest hat die Diözese Rom auch für den Vorabend, Mittwoch, in sämtlichen Pfarreien eine euchristische Anbetung geplant. Ich segne von Herzen alle, die an diesen Feiern zu Ehren des in der Eucharistie gegenwärtigen Christus teilnehmen werden. Der Papst richtete dann Grußworte in verschiedenen Sprachen an die anwesenden Pilger. Auf deutsch sagte er: Ebenso herzlich begrüße ich auch alle Besucher aus den Ländern deutscher Sprache und erbitte euch reiche Gnaden zum heutigen Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit. 112 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein Bund, der unzerstörbar ist Ansprache bei der Generalaudienz am 1. Juni 1. Liebe Brüder und Schwestern! Morgen feiern wir das Fronleichnamsfest, das „Fest vom Leib und Blut Christi“. In diesem Jubiläumsjahr, in dem das Geheimnis der Erlösung auf ganz besondere Weise in unserem Gebet und unserer Betrachtung gegenwärtig ist, kommt dem Fest der Eucharistie eine ungewöhnlich große Bedeutung zu. Denn in der Eucharistie wird die Erlösung tatsächlich wieder lebendig: Das Opfer Christi bringt als Opfer der Kirche im Menschen von heute seine Früchte der Versöhnung und des Heiles hervor. Wenn der Priester im Namen und in der Person Christi die Worte spricht: „Dies ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“, dann bestätigt er damit nicht nur die Gegenwart des Leibes Christi, sondern er bringt auch das Opfer zum Ausdruck, mit dem Jesus sein Leben für die Rettung aller hingegeben hat. Eben das hat Christus mit der Einsetzung der Eucharistie beabsichtigt. Hatte er in der Rede von Kafarnaum schon nach der Brotvermehrung, um die Besonderheit des Brotes, mit dem er die hungernde Menge speisen wollte, begreiflich zu machen, erklärt: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch (ich gebe es hin) für das Leben der Welt“ (Joh 6, 51). Die Gabe der eucharistischen Speise sollte Jesus die Opferung seines eigenen Leibes kosten. Durch das Opfer würde dieser Leib das Leben vermitteln können. Die über den Wein gesprochenen Wandlungsworte machen das noch deutlicher: „Das ist der Kelch meines Blutes für den neuen und ewigen Bund, das für euch und für alle vergossen wird zur Vergebung der Sünden.“ Das als Trank dargereichte Blut ist das Blut, das auf dem Kalvarienberg zur Errichtung des Neuen Bundes vergossen worden ist. Die Sünde hatte den ersten Bund zerbrochen; Christus setzt einen neuen Bund ein, der nicht mehr zerbrochen werden kann, weil er sich in seiner Person verwirklicht, in welcher die Menschheit endgültig mit Gott versöhnt wurde. 2. So wird in der Wandlung von Brot und Wein das Erlösungsopfer gegenwärtig. Durch die Vermittlung des Priesters opfert sich Christus auf geheimnisvolle Weise und bringt dem Vater die einst am Kreuz vollbrachte Hingabe seines Lebens dar. Die Eucharistie ist nicht nur eine Erinnerung an das ein für allemal auf dem Kalvarienberg dargebrachte 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Opfer. Jenes Opfer wird stets von neuem gegenwärtig dadurch, daß es sich in jeder Gemeinde, die es durch die Hand des geweihten Liturgen darbringt, in der Gestalt des Sakramentes erneuert. Es stimmt, daß das Opfer des Kalvarienberges ausgereicht hat, um für die Menschheit alle Erlösungsgnaden zu erlangen: im eucharistischen Opfer werden nur seine Früchte geerntet. Doch Christus wollte, daß sein Opfer ständig gegenwärtig gemacht wird, um die christliche Gemeinde daran teilnehmen zu lassen. In jeder Eucharistie verpfändet sich die Kirche im Opfer ihres Herrn, und die Christen sind aufgerufen, mit diesem ihr persönliches Opfer zu vereinigen. Die Eucharistie ist zugleich Opfer Christi und Opfer der Kirche, weil in ihr Christus die Kirche dadurch, daß er sie an seinem Opfer teilnehmen läßt, an sein Erlösungswerk bindet. Wie wichtig ist es daher, daß die Gläubigen, wenn sie an der Eucharistie teilnehmen, eine persönliche Opferhaltung annehmen. Es reicht weder aus, daß sie das Wort Gottes hören noch daß sie gemeinsam beten; sie müssen das Opfer Christi zu ihrem eigenen machen, indem sie mit ihm und in ihm ihre Sorgen, ihre Schwierigkeiten, ihre Prüfungen und noch mehr sich selbst darbringen, um diese ihre Opfergabe zusammen mit der Opfergabe Christi zum Vater aufsteigen zu lassen. Wenn sie sich am Opfer des Erlösers beteiligen, nehmen sie an dem Sieg teil, den er über das Böse in der Welt errungen hat. Wenn uns der Anblick des Bösen, das sich in der Welt ausbreitet, und aller Zerstörungen, die es anrichtet, erschüttert, dürfen wir nicht vergessen, daß der Ausbruch der Kräfte des Bösen durch die heilbringende Macht Christi gebändigt wird. Jedesmal wenn in der Messe die Worte der Wandlung gesprochen und der Leib und das Blut des Herrn in der Opferhandlung gegenwärtig werden, ist auch der Triumph der Liebe über den Haß und der Heiligkeit über die Sünde gegenwärtig. Jede Eucharistiefeier ist stärker als alles Böse in der Welt; sie ist eine wirkliche und tatsächliche Erfüllung der Erlösung und eine immer tiefere Versöhnung der sündigen Menschheit mit Gott in der Aussicht auf eine bessere Welt. 3. Da die Anwendung des Erlösungswerkes ausgeweitet wird, trägt das eucharistische Opfer zum Aufbau der Kirche bei. Auf dem Kalvarienberg hat Christus nicht nur für jeden einzelnen Menschen, sondern für die gesamte Gemeinschaft das Heil erworben; sein Opfer hat die Gnade der Wiedervereinigung aller Menschen im Leib der Kirche verwirklicht. Die Eucharistie trachtet danach, dieses Ziel konkret dadurch zu verwirklichen, daß sie täglich die Gemeinschaft der Kirche aufbaut. Das Opfer 114 AUDIENZEN UND ANGELUS auf dem Altar bewirkt die Stärkung der Heiligkeit der Kirche und fördert ihre Ausbreitung in der Welt. In diesem Sinn kann man sagen, daß die Eucharistiefeier immer eine missionarische Handlung ist; auf unsichtbare Weise erreicht sie, daß die Kraft der Kirche, alle Bereiche des menschlichen Lebens zu durchdringen, immer größer wird. Im übrigen heißt Kirche aufbauen, ihre Einheit immer mehr festigen. Nicht zufällig hat Jesus beim letzten Abendmahl für die Einheit seiner Jünger gebetet. Daher verstehen wir, warum die Kirche bei jeder Eucharistiefeier dem Beispiel ihres Meisters folgt und darum betet, daß die Einheit immer wirklicher und vollkommener werden möge. Auf diese Weise fördert die Eucharistie die ökumenische Annäherung aller Christen und bewirkt innerhalb der katholischen Kirche, daß die Bande, welche die Gläubigen über die zwischen ihnen bestehenden berechtigten Unterschiede hinaus verbinden, enger werden. Durch ihre verantwortungsvolle Mitwirkung an dieser Dynamik der Einheit werden die Christen vor der Welt beweisen, daß ihr Meister nicht vergebens für die Einheit der Menschen gelitten hat. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich freue ich mich über eure Teilnahme an dieser Jubiläumsaudienz. Ich grüße alle genannten Gruppen, besonders die Familien, die Priester und Ordensleute sowie die zahlreichen Jugendlichen. Beste Segenswünsche gelten den Franziskanerinnen von Dillingen zu ihrem Ordensjubiläum. Die ökumenische Jugendgruppe aus Bayern und die anwesenden evangelischen Christen aus Nürnberg und Rothenburg lade ich brüderlich ein, in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung mit der katholischen Kirche in einer besonderen Weise für die Einheit aller Christen zu beten. Das bevorstehende Fronleichnamsfest lenkt heute unsere Betrachtung auf die heilige Eucharistie. Durch die Verwandlung von Brot und Wein in den Leib und das Blut Jesu Christi wird sein Erlösungsopfer von Golgota selbst sakramental unter uns gegenwärtig. Die Eucharistie vermittelt uns die Früchte der Erlösung und lädt uns zugleich ein, uns durch unser persönliches Opfer mit Christus in seiner Hingabe an den Vater zu vereinigen. Das eucharistische Opfer und Mahl trägt entscheidend bei zur Auferbauung der Kirche; es festigt und fördert ihre innere Einheit und die Einheit unter allen Christen. Erweisen wir Christus in der heiligen Eucharistie stets unsere tiefe Verehrung und Liebe! Von Herzen erteile ich euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. 115 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Sakrament: eine Quelle geistlicher Kraft Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 1. Juni „Sei gegrüßt, Jesus, Mariens Sohn, lebendiger Gott in der heiligen Hostie.“ Morgen ist Fronleichnam. Durch die Straßen der polnischen Städte, auf den Wegen und Pfaden der Dörfer werden die Worte dieses Liedes - und vieler anderer eucharisti-scher Lieder - erklingen. Das Volk Gottes wird nach der heiligen Messe an der Fronleichnamsprozession teilnehmen und bei den vier Altären innehalten, um die Worte des Evangeliums zu hören, die sich auf das eucharistische Geheimnis beziehen. Fronleichnam: Dieses Fest ist den Herzen der Polen so teuer - ist es doch der Tag, an dem wir öffentlich die Verehrung und Liebe kundtun können, mit der wir den Leib und das Blut des Herrn im Altarsakrament umgeben. „Verehrung werde der lebendigen Hostie zuteil, in welcher sich die Gottheit Jesu Christi verbirgt.“ Herrin von Jasna Göra! Seit sechshundert Jahren geleitest Du mütterlich das ganze Volk Gottes im polnischen Land am jährlichen Fest der Verehrung der Eucharistie. Du hast Christus einen menschlichen Leib und Blut gegeben — und Du vor allen anderen verehrst sie als Sakrament des heiligen Opfers unter den Gestalten von Brot und Wein. O Mutter! Laß dieses Sakrament in unserer schweren Zeit mehr denn je zur Speise meiner Landsleute werden. Es sei für sie Quelle des Lebens und des Lichts! Es sei Quelle der geistlichen Kraft! „Sei gegrüßt, Jesus, Mariens Sohn, lebendiger Gott in der heiligen Hostie.“ Unser „Danke“ gegenüber dem Vater Vor dem Angelus am 5. Juni „Ave, verum corpus natum de Maria virgine!“ „Wahrer Leib, o sei gegrüßet, den Maria uns gebar!“ Am Fronleichnamsfest ist unser „Danke“ zum Vater aufgestiegen, der uns das göttliche Wort, das vom Himmel herabgekommene lebendige 116 AUDIENZEN UND ANGELUS Brot geschenkt hat, und erhob sich voll Freude zur Jungfrau, die dem Herrn den unschuldigen Leib und das kostbare Blut, das wir am Altar empfangen, geopfert hat. „Ave, verum corpus: wahrer Leib, o sei gegrü-ßet: durch das Werk des Heiligen Geistes empfangen, ,voll Liebe1 im Schoß getragen (2. Adventspräfation) und geboren von Maria, der Jungfrau: natum de Maria virgine.“ Jener göttliche Leib und jenes Blut, die nach der Wandlung am Altar gegenwärtig sind und, dem Vater dargebracht, zur Liebesgemeinschaft für alle werden, indem sie uns in der die Kirche begründenden Einheit des Geistes stärken, bewahren ihre ursprüngliche Herkunft aus Maria. Sie war es, die jenen Leib und jenes Blut vorbereitet hat, bevor sie sie als Geschenk der ganzen Menschheitsfamilie dem Wort angeboten hat, damit er als unser Erlöser, Hohepriester und Opfer sich damit bekleide. An den Wurzeln der Eucharistie steht also das jungfräuliche und mütterliche Leben Mariens, ihre überquellende Gotteserfahrung, ihr Weg des Glaubens und der Liebe, der durch das Wirken des Heiligen Geistes ihren Leib zu einem Tempel und ihr Herz zu einem Altar werden ließ: Denn sie empfing nicht auf natürliche Weise, sondern durch den Glauben, in freier und bewußter Haltung: der Haltung des Gehorsams. Und wenn der Leib, den wir essen, und das Blut, das wir trinken, das unschätzbare Geschenk des auferstandenen Herrn an uns Pilger ist, so tragen sie, wie frisches Brot, noch den Geschmack und den Wohlgeruch der Jungfrau und Mutter an sich. „Vere passum, immolatum in cruce pro homine: Der für unsre Schuld gebüßet und am Kreuz das Opfer war!“ Geboren von der Jungfrau, um reine, heilige und unbefleckte Opfergabe zu sein, hat Christus auf dem Altar des Kreuzes das eine und vollkommene Opfer vollbracht, das jede Messe auf unblutige Weise erneuert und gegenwärtig macht. An diesem einen Opfer hatte Maria, die Ersterlöste, die Mutter der Kirche, aktiven Anteil. Sie stand neben dem Gekreuzigten und litt zutiefst mit ihrem eingeborenen Sohn; mit mütterlichem Herzen nahm sie an seinem Opfer teil; liebevoll stimmte sie seiner Hinopferung zu (vgl. Lumen gentium, Nr. 58; Marialis cultus, Nr. 20): Sie hat ihn und sich selbst dem Vater geopfert. Jede Eucharistie ist die Erinnerung an dieses Opfer und das Pascha, das der Welt das Leben zurückgab; jede Messe bringt uns in innige Verbundenheit mit ihr, der Mutter, deren Opfer „wieder gegenwärtig wird“ (vgl. Predigt beim Fronleichnamsgottesdienst, 2. Juni 1983, Nr. 2). Heute nachmittag werde ich die Heilig-Jahr-Feier für die Kranken leiten; mit mir werden ein Erzbischof und mehrere kranke Priester die heilige 117 AUDIENZEN UND ANGELUS Messe zelebrieren. Bei dieser Gelegenheit möchte ich alle Glieder der Kirche einladen, an die Verpflichtung zu denken, die sie gegenüber den von Krankheit heimgesuchten Brüdern und Schwestern haben, in denen uns der Glaube das Antlitz des leidenden Christus gewahr werden läßt. Nach dem Angelusgebet richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Pilger, u. a. sagte er auf deutsch: Herzlich grüße ich auch alle deutschsprachigen Teilnehmer an unserem gemeinsamen Mariengebet. Möge dieser Rombesuch im Jubiläumsjahr der Erlösung euch in eurem Glauben bestärken und euch für eine christliche Lebensführung mit reichen Gnaden beschenken. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Das Brot, das alle teilen Ansprache bei der Generalaudienz am 8. Juni 1. „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben“ (Joh 6, 54). Als Christus am Vorabend seines Todes die Eucharistie einsetzte, wollte er der Kirche eine Speise geben, von der sie sich ständig nähren und durch die sie am Leben des Auferstandenen selbst teilnehmen sollte. Lange vor der Einsetzung hatte Jesus diese in ihrer Art einzigartige Speise angekündigt. Im jüdischen Gottesdienst fehlte es nicht an Kultmählern, die man in Gottes Gegenwart einnahm und die die Freude über die göttliche Gnade offenbarten. Jesus übertrifft das alles: Nun ist er es, der in seinem Fleisch und in seinem Blut zu Speise und Trank der Menschheit wird. Beim eucharistischen Mahl nährt sich der Mensch von Gott. Als Jesus zum ersten Mal diese Speise ankündigt, ruft er bei seinen Zuhörern Verwunderung hervor: Sie sind nicht imstande, einen so erhabenen göttlichen Plan zu verstehen. Jesus unterstreicht darum nachdrücklich die objektive Wahrheit seiner Worte, indem er die Notwendigkeit der eucharistischen Speise bekräftigt: „Amen, amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht eßt und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das ewige Leben nicht in euch“ (Joh 6, 53). Es handelt sich dabei nicht um eine bloß geistliche Speise, bei der die Ausdrücke „das Fleisch Christi essen“ und „sein Blut trinken“ eine übertragene Bedeutung hätten. Es ist eine wirkliche Speise, wie Jesus mit Nachdruck erklärt: 118 AUDIENZEN UND ANGELUS „Mein Fleisch ist wirklich eine Speise, und mein Blut ist wirklich ein Trank“ (Joh 6, 55). Diese Speise ist im übrigen für die Entfaltung des göttlichen Lebens in den Gläubigen nicht weniger notwendig, als es die materiellen Speisen für die Erhaltung und Entwicklung des leiblichen Lebens sind. Die Eucharistie ist kein Luxus, der denen angeboten würde, die mit Christus inniger vereint leben wollen: Sie ist ein Erfordernis des christlichen Lebens. Dieses Erfordernis ist von den Jüngern verstanden worden, denn nach dem Zeugnis der Apostelgeschichte wurde in den Anfangszeiten der Kirche jeden Tag in den Häusern der Gläubigen „das Brot gebrochen“, und „in Freude und Einfalt des Herzens“ hielten sie miteinander das eucharisti-sche Mahl (vgl. Apg 2, 46). 2. Bei der Verheißung der Eucharistie erklärt Jesus, warum diese Speise notwendig ist: „Ich bin das Brot des Lebens“, erklärte er (Joh 6, 48). „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich ißt, durch mich leben“ (Joh 6, 57). Der Vater ist der Urquell des Lebens: Dieses Leben hat er dem Sohn geschenkt, der es seinerseits der Menschheit mitteilt. Wer sich in der Eucharistie von Christus nährt, braucht nicht auf das Jenseits zu warten, um ewiges Leben zu empfangen: Er besitzt es bereits hier auf Erden, und in ihm besitzt er auch die Garantie für seine leibliche Auferstehung am Ende der Zeiten: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben, und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag“ (Joh 6, 54). Diese Garantie der Auferstehung hat ihren Ursprung in der Tatsache, daß das Fleisch des Menschensohnes, das als Speise gereicht wird, sein Leib im Verklärungszustand der Auferstehung ist. Die Zuhörer, die die Verheißung von der Eucharistie vernahmen, hatten diese Wahrheit nicht erfaßt: Sie dachten, Jesus spreche von seinem Fleisch im Zustand seines irdischen Lebens, und zeigten daher großen Widerwillen gegen eine solche Speise. Der Meister berichtigt ihre Auffassung durch die Erklärung, daß es sich um das Fleisch des Menschensohnes handle, „der hinaufgestiegen ist, dorthin, wo er vorher war“ {Joh 6, 62), also im Triumphzustand der Himmelfahrt. Dieser verklärte Leib ist vom Leben des Heiligen Geistes erfüllt und vermag daher die Menschen, die sich von ihm nähren, zu heiligen und ihnen das Unterpfand für die ewige Seligkeit zu schenken. In der Eucharistie empfangen wir also das Leben des auferstandenen Christus. Wenn nämlich das Opfer in sakramentaler Form auf dem Altar vollzogen wird, wird in ihm nicht bloß das Geheimnis vom Leiden und Sterben des Erlösers vergegenwärtigt, sondern auch das Geheimnis der 119 AUDIENZEN UND ANGELUS Auferstehung, in welcher das Opfer seinen Höhepunkt findet. Die Eucharistiefeier läßt uns am Erlösungsopfer, aber auch an dem triumphierenden Leben des auferstandenen Christus teilhaben. Das ist der Grund für die freudige Stimmung, die jede Eucharistiefeier kennzeichnet. Denn während sie des einst von unermeßlichem Schmerz gezeichneten Dramas von Golgota gedenken, freuen sich Priester und Gläubige, die ihr Opfer mit dem Christi vereinen, weil sie wissen, daß sie zugleich das von diesem Opfer untrennbare Geheimnis der Auferstehung erleben. 3. Das Leben des auf erstandenen Christus zeichnet sich durch seine Kraft und seine Fülle aus. Wer kommuniziert, empfängt die geistliche Kraft, die er braucht, um allen Hindernissen und Prüfungen entgegenzutreten und seinen Christenpflichten treu zu bleiben. Außerdem schöpft er aus dem Sakrament wie aus einer überreichen Quelle ständig neue Kraft für die Entfaltung aller seiner Fähigkeiten und Eigenschaften, und das mit der Glut der Freude, die zur Hochherzigkeit antreibt. Im besonderen gewinnt er die belebende Kraft der Nächstenliebe. In der Tradition der Kirche ist die Eucharistie stets als das Sakrament der Einheit und der Liebe schlechthin betrachtet und gelebt worden. Schon der hl. Paulus stellt das fest: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (I Kor 10, 17). Die Eucharistiefeier vereint alle Christen, welche Unterschiede auch immer zwischen ihnen bestehen mögen, zu einem einmütigen Opfer und einemvMahl, an dem alle teilnehmen. Sie versammelt sie alle in der gleichen Würde als Brüder und Schwestern Christi und Kinder des Vaters; sie lädt sie ein zu gegenseitiger Achtung und Liebe und zum gegenseitigen Dienst. Die Kommunion gibt ferner jedem die erforderliche sittliche Kraft, daß er sich über die Gründe der Trennung und des Gegensatzes hinwegsetzt, erlittenes Unrecht verzeiht und sich erneut um Versöhnung und brüderliche Verständigung bemüht. Ist es im übrigen nicht von besonderer Bedeutung, daß Christus das Gebot gegenseitiger Liebe in seiner erhabensten Form gerade während des Letzten Abendmahles bei der Einsetzung der Eucharistie ausgesprochen hat? Jeder Gläubige denke daran, wenn er zum Tisch des eucharistischen Mahles hinzutritt, und bemühe sich, das, was er im Mysterium feiert, nicht durch sein Leben Lügen zu strafen. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz. Sie ist, wie 120 AUDIENZEN UND ANGELUS ihr wißt, als Jubiläumsaudienz ein wichtiger Bestandteil der Feier des Heiligen Jahres der Erlösung. Ich erbitte euch durch die Gewinnung des Jubiläumsablasses reiche Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers. Christus ist seiner Kirche in einer ganz besonderen Weise nahe in der heiligen Eucharistie. Sie ist Opfer und Mahl zugleich. Er selber hat uns verheißen: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben“ (Joh 6, 54). Im eucharistischen Mahl wird der Mensch durch Gott selbst genährt, und zwar durch den verklärten Leib seines geopferten und auferstandenen Sohnes. Es ist für uns Christen lebensnotwendig, diese göttliche Speise regelmäßig zu empfangen. Sie vermittelt uns Kraft und Ausdauer, um die Schwierigkeiten und Prüfungen auf unserem christlichen Lebensweg erfolgreich zu überwinden. Das eucharistische Mahl vereint die Christen untereinander zu einer brüderüchen Gemeinschaft und gibt uns allen die Verheißung künftiger Auferstehung. Bemühen wir uns deshalb stets um eine würdige und fruchtbare Teilnahme an der Feier der heiligen Eucharistie. Von Herzen erteile ich euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Evenzo groet ik hartelijk e nederlandstalige bezockers, onder wie de pelgrims van het weekblad „Elseviers“. God zal u allen beschermen en zegenen! „Auch diesmal vertraue ich auf die Gottesmutter“ Vor dem Angelus am 12. Juni 1. In vielen Kreisen und besonders in Jugendbewegungen, so stellen wir fest, wird heute der Wert des Gebets wiederentdeckt. Man entdeckt den tief menschlichen und biblischen Sinn des Gebets wieder: nämlich die Begegnung mit Gott, sich seinem Willen in bezug auf uns selbst und die anderen zu öffnen, in radikaler illusionsloser Armut vor dem unermeßlichen göttlichen Reichtum zu stehen. In solchen glücklichen Augenblicken begreifen wir - wie die hl. Katharina von Siena gesagt hat -, daß wir unser Sein nicht „von uns“ haben, sondern „von dem, der da ist“. 2. Das Gebet gehört zu den erhabensten Tätigkeiten der Heiligen im Himmelreich, angefangen von Christus, dem Heiligen Gottes. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Neue Testament versichert uns, daß Jesus auch weiterhin für uns beim Vater bitten und Fürsprache einlegen wird (vgl. Joh 14, 16; 1 Joh 2, 1; Rom 8, 34). Der Brief an die Hebräer präzisiert, daß Jesus „auch die, die durch ihn vor Gott hintreten, für immer retten kann; denn er lebt allezeit, um für sie einzutreten“ (Hebrl, 25). Diese betende und heilende Haltung Christi schließt das Gebet der Gläubigen und Heiligen nicht aus, sondern erwartet, daß sie in Einheit mit ihm, für sich und die anderen die Gnaden der Erlösung erflehen. Welch wunderbare göttliche Fügung! Das Gebet erhellt und trägt den Lauf der Geschichte und das Schicksal der Brüder! Es ist ein Zeichen der Solidarität der Menschen und der gegenseitigen Hilfe, die sie einander bieten können, wenn sie sich den Plänen Gottes zur Verfügung stellen! Welches Geschöpf aber wäre für den Herrn verfügbarer als Maria, seine Mutter und Magd? Wer preist ohne Unterlaß mehr als sie im Himmel den Herrn, betet ihn an und fleht zu ihm? Sie - sagt das Zweite Vatikanische Konzil - „hat, in den Himmel aufgenommen, diesen heilbringenden Auftrag nicht aufgegeben, sondern fährt durch ihre vielfältige Fürbitte fort, uns die Gaben des ewigen Heils zu erwirken“ (Lumen gentium, Nr. 62). Ja, Maria ist die große Betende, sie breitet ihre Hände aus in der Haltung der Öffnung zu Gott und der universalen Fürbitte, mütterlich besorgt um das Heil aller. Denken wir immer daran, daß im Himmel Maria für uns betet, und stützen wir uns darum voll Vertrauen auf ihre mächtige Fürsprache mit dem Wunsch, daß sich an uns der Wille Gottes erfülle. 3. Dem Schutz und der Fürsprache Mariens wie auch euren Gebeten vertraue ich die Pilgerreise an, zu der ich, so Gott will, am kommenden Donnerstag anläßlich der 600-Jahr-Feier des Gnadenbildes von Jasna Göra nach Polen aufbrechen werde. Möge Gott diese pastorale Initiative segnen und reiche Früchte zum Wohl der Kirche und der ganzen geliebten polnischen Nation daraus wachsen lassen. 122 AUDIENZEN UND ANGELUS Nicht nur ein bloßes Lobopfer Ansprache bei der Generalaudienz am 15. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Durch die stets neue sakramentale Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers will die Eucharistie die von Christus ein für allemal für die Menschheit aller Zeiten erwirkte Versöhnung den Menschen von heute zuwenden. Die Worte, die der Priester bei der Wandlung des Weines spricht, sind unmittelbarer Ausdruck dieser Wirksamkeit, insofern sie besagen, daß das Blut Christi, das auf dem Altar gegenwärtig ist, für die vielen Menschen vergossen wurde „zur Vergebung der Sünden“. Das sind wirksame Worte; jede eucharistische Wandlung bewirkt eine Sündenvergebung für die Welt und trägt so zur Versöhnung der sündigen Menschheit mit Gott bei. Das in der Eucharistie dargebrachte Opfer ist in der Tat nicht ein bloßes Lobopfer: es ist ein Wiedergutmachungs- bzw. „Sühn“-Opfer, wie es das Konzil von Trient erklärt hat (DS 1753); denn in ihm erneuert sich das Kreuzesopfer, durch das Christus für alle Sühne geleistet und die Vergebung der Schuld der Menschheit verdient hat. Alle, die am eucharistischen Opfer teilnehmen, empfangen daher eine besondere Gnade der Vergebung und Versöhnung. Indem sie sich mit dem Opfer Christi vereinigen, können sie in reicherem Maß die Frucht seiner Selbsthingabe am Kreuz empfangen. Eucharistie erfordert besondere Reinheit Doch die wichtigste Frucht des Sakramentes der Eucharistie ist nicht die Sündenvergebung für die, die daran teilnehmen. Zu diesem Zweck ist durch Jesus Christus ausdrücklich ein anderes Sakrament eingesetzt worden. Nach seiner Auferstehung sprach der auferstandene Heiland zu seinen Jüngern: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert!“ (Joh 20, 22-23). Denjenigen, die er mit dem Priesteramt betraut, verleiht er die Vollmacht, alle Sünden zu vergeben: Die göttliche Vergebung wird in der Kirche durch deren Diener erteilt. Die Eucharistie kann nicht den Platz des Sakramentes der Vergebung und Versöhnung einnehmen, das seinen Eigenwert behält, auch wenn es aufs engste mit dem Opfer des Altares verbunden ist. 123 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Eucharistie erfordert eine besondere Reinheit, was Jesus beim letzten Abendmahl ausdrücklich betont hat. Als er sich anschickte, den Jüngern die Füße zu waschen, wollte er ihnen damit gewiß eine Lehre demütigen Dienstes erteilen, denn mit jener Geste antwortete er auf den unter ihnen ausgebrochenen Streit, wer von ihnen der Größte sei (vgl. Lk 22, 24). Aber während er sie über den Weg der Demut aufklärte und durch sein Beispiel einlud, mutig diesen Weg zu beschreiten, wollte er ihnen darüber hinaus zu verstehen geben, daß für das eucharistische Mahl auch die Reinheit des Herzens unerläßlich ist, die nur er, der Heiland, zu geben vermag. Er erkannte damals diese Reinheit in den Zwölfen, außer in einem: „Ihr seid rein, aber nicht alle“ (Joh 13, 10). Derjenige, der sich anschickte, ihn zu verraten, konnte an dem Mahl nur mit heuchlerischen Gefühlen teilnehmen. Der Evangelist berichtet uns, daß in dem Augenblick, als Judas den ihm von Jesus gereichten Bissen Brot genommen hatte, „der Satan in ihn fuhr“ (Joh 13, 27). Um die Gnaden der eucharistischen Speise zu empfangen, ist eine bestimmte Disposition der Seele Voraussetzung: fehlt diese, dann droht das Mahl sich in Verrat zu verwandeln. Als Zeuge gewisser Spaltungen, die in skandalöser Weise während der Feier des Herrenmahles in Korinth sich ereignet hatten, hebt der hl. Paulus zu einer Ermahnung an, die nicht nur jene Gläubigen, sondern viele andere Christen zum Nachdenken bringen soll: „Wer also unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und Blut des Herrn. Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken. Denn wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt“ (7 Kor 11, 27-29). Der Christ wird also aufgefordert, sich selbst zu prüfen, ehe er zum Tisch der Eucharistie schreitet, um sicher zu sein, daß seine innere Verfassung ihm auch tatsächlich den würdigen Empfang der Kommunion erlaubt. Wohlverstanden: Eigentlich ist niemand würdig, den Leib Christi als Speise zu empfangen, und die Teilnehmer an der Eucharistie bekennen im Augenblick der Kommunion, daß sie nicht würdig sind, den Herrn in sich aufzunehmen. Doch die Unwürdigkeit, von der der hl. Paulus spricht, bedeutet etwas anderes: Sie bezieht sich auf innere Haltungen, die mit dem eucharistischen Mahl nicht vereinbar sind, weil sie den Empfang Christi unmöglich machen. 3. Um die Gläubigen besser zu vergewissern, daß solche negativen Haltungen nicht vorhanden sind, sieht die Liturgie zu Beginn der Eucharistie- 124 AUDIENZEN UND ANGELUS feier einen Bußakt vor: Die Teilnehmer bekennen sich als Sünder und bitten um die göttliche Vergebung. Auch wenn sie eigentlich in der Freundschaft des Herrn leben, wird ihnen immer wieder ihre Schuld und Unvollkommenheit bewußt und die Tatsache, daß sie des göttlichen Erbarmens bedürfen. Sie wollen im Zustand größtmöglicher Reinheit zur Eucharistie hinzutreten. Dieser vorbereitende Bußakt wäre jedoch für diejenigen, die eine Todsünde auf dem Gewissen haben, ungenügend. In diesem Fall muß man das Bußsakrament in Anspruch nehmen, um die Kommunion würdig empfangen zu können. Der Bußakt zu Beginn der Messe Die Kirche wünscht freilich, daß auch außerhalb dieser Notwendigkeit die Christen in vernünftigen Zeitabständen zum Sakrament der Versöhnung hintreten, um in sich selbst immer bessere innere Haltungen wachsen zu lassen. Der Bußakt zu Beginn jeder Meßfeier darf also nicht dazu führen, daß das Sakrament der Versöhnung für unnütz gehalten wird; sie soll vielmehr in den Teilnehmern das Wissen um die Notwendigkeit immer größerer Reinheit beleben und sie dadurch immer besser den Wert der sakramentalen Gnade erkennen lassen. Das Sakrament der Versöhnung ist nicht nur denen Vorbehalten, die schwere Sünden begehen. Es ist zur Vergebung aller Sünden eingesetzt, und die von ihm ausströmende Gnade hat besondere reinigende Wirkung und hilft bei dem Bemühen um Besserung und Fortschritt. Es ist ein unersetzliches Sakrament im Leben des Christen; es darf weder unterschätzt noch vernachlässigt werden, wenn der Keim des göttlichen Lebens sich im Christen entfalten und alle ersehnten Früchte tragen soll. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich die genannten Gruppen und auch alle nichtgenannten Einzelpüger und Familien; ganz besonders jedoch die Pilgergruppe der Diözese Linz unter der Leitung ihres Bischofs Maximilian Aichem. Euch allen erbitte ich als Gnade eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt Glaubenskraft und Mut für ein überzeugt christliches Lebenszeugnis in euren Familien, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft. In unserer Betrachtung über die heilige Eucharistie bedenken wir heute, daß Christus sein Blut vergossen hat „zur Vergebung der Sünden“. Die sühnende und vergebende Kraft seines Kreuzesopfers wird gegenwärtig in 125 AUDIENZEN UND ANGELUS jeder Meßfeier und wird den Teilnehmern in einer besonderen Weise angeboten. Dazu hat Christus jedoch nach seiner Auferstehung noch ein eigenes Sakrament der Sündenvergebung und der Versöhnung gestiftet, das Bußsakrament. Obwohl auch die Eucharistie Sünden vergibt, verlangt es die Gegenwart Gottes im Sakrament, daß wir würdig, das heißt im Stande der Gnade, an den Tisch des Herrn herantreten. Der hl. Paulus sagt: „Wer unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und Blut des Herrn“ (1 Kor 11, 27). Wer im Stand der Todsünde ist, muß sich zuvor im Bußsakrament wieder mit Gott versöhnen. Prüfen wir uns deshalb immer gewissenhaft, bevor wir Christus in der heiligen Kommunion empfangen! Von Herzen erteile ich euch allen meinen besonderen Apostolischen Segen. ,,Morgen werde ich in meine Heimat reisen“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 15. Juni Herrin von Jasna Göra! Morgen werde ich meine Pilgerreise in die Heimat antreten dürfen, eine Pilgerreise der Danksagung für die 600 Jahre Deines mütterlichen Zugegenseins in der Gestalt des Gnadenbildes von Jasna Göra. Diesen Dank möchte ich gemeinsam mit der ganzen Kirche in Polen darbringen. Ich danke meinen Landsleuten für die Einladung. Ich danke sowohl der Staatsführung wie dem Episkopat. Zugleich empfehle ich vor allem Dir, Mutter von Jasna Göra, diesen besonderen Dienst, den ich in einem erhabenen und zugleich schwierigen Augenblick im Leben meines Vaterlandes zu erfüllen im Begriff stehe. Ich bitte Dich, diese Pilgerreise möge der Wahrheit und der Liebe, der Freiheit und der Gerechtigkeit, der Versöhnung und dem Frieden dienen. Ich bitte Dich darum durch die Fürsprache des hl. Märtyrers Maximilian Maria und durch die Fürsprache der Diener Gottes, die ich während dieser Pilgerfahrt seligsprechen werde: Rafael Kalinowski, Bruder Albert Chmielowski und Mutter Ursula Ledöchowska. Der Gute Hirte unserer Seelen gewähre, daß wir alle uns im Gebet und in der Hoffnung zusammenfinden. 126 A UDIEN ZEN UND ANGEL US „Ich danke für eure Gebete“ Vor dem Angelus am 26. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nach der Rückkehr von meiner Pilgerreise nach Polen richte ich zunächst an euch, hebe Römer, und an euch Pilger, die ihr hier anwesend seid, einen herzlichen Gruß und danke auch für die Gebete, mit denen ihr meine apostolische Reise zu den Menschen meines Landes begleitet habt. Im Heiligtum von Jasna Göra habe ich inständig für die Diözese Rom und für alle christlichen Gemeinschaften gebetet; ich habe den mütterlichen Schutz Mariens auf die ganze Kirche herabgefleht, indem ich ihr deren Wachstum im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe empfohlen habe. 2. Bei der Meditation über den „Engel des Herrn“ beginnen wir heute mit einer neuen Betrachtungsreihe, die die Vorbilder Mariens im Alten Testament zum Thema hat. Das Zweite Vatikanische Konzil hat der Gottesmutter den Namen „erhabene Tochter Sion“ zuerkannt). Ein Beiname, der seinen Ursprung den Uberheferungen des Alten Testaments verdankt und orientalischer Ausdrucksweise entspricht. Sion war ja der Burgberg des alten Jerusalem. Auf seine Höhe ließ König David die Bundeslade bringen), und sein Sohn Salomon baute dort den Tempel <1>). Seither wurde mit dem Namen Sion vor allem der Tempelberg bezeichnet <2>). Sion war also gleichsam das Herz Jerusalems, der heiligste Teil der Heiligen Stadt; denn hier wohnte der Herr in seinem Haus. Mit der Zeit wurde mit dem Berg Sion ganz Jerusalem bezeichnet <3>) und sogar ganz Israel <4>), dessen religiöses und politisches Zentrum Jerusalem war. <1> Maria kann insofern „Tochter Sion“ (Tochter des Sion) genannt werden, als in ihrer Person die Berufung des alten Jerusalem und des gesamten auserwählten Volkes ihren Höhepunkt erreicht und sich kon- kretisiert. Sie ist die Blüte Israels, die am Ende eines langen, licht- und schattenreichen Weges aufbrach, eines Weges, auf dem Gott Israel auf die Aufnahme des Messias vorbereitete. In Maria von Nazaret verwirklicht Gott im voraus die Abraham und seinen Nachkommen gegebenen Verheißungen. Nach Ansicht vieler Exegeten können wir in den Worten des Engels Gabriel an Maria gleichsam den Widerhall der freudenreichen Botschaft 127 AUDIENZEN UND ANGELUS hören, die die Propheten an die Tochter Sion gerichtet hatten. In der Tat, Maria wird aufgefordert, sich zu freuen („Freue dich, du Begnadete“)), weil Gottes Sohn in ihr Wohnung nehmen wird). Er wird König und Retter des neuen Hauses Jakobs sein), das die Kirche ist. 4. Als „Tochter Sion“ stellte die Jungfrau somit den Ausklang des Alten Testaments und den Beginn der Kirche dar. Sie ist darum ständiges Zeichen, Hinweis, der uns an die Bande erinnern soll, die uns eng mit Abraham, „unserem Vater im Glauben“), und dem Volk verbinden, das auf das Ereignis der Erlösung gehofft und gewartet hat. Und sie ist darüber hinaus eine Aufforderung an die Kirche, die neue „Tochter Sion“, in der Freude zu leben). Denn Christus ist stets unter uns). Angesichts der Ungewißheiten unseres irdischen Pilgerweges sollen wir wohl besorgt sein, aber keine Furcht haben wie die „Kleingläubigen“). Christus ist der Mächtige, der uns vor Egoismus und Gleichgültigkeit bewahrt. Er, der sein Blut vergossen hat, nimmt als König von uns Besitz, damit jedes Geschöpf das vollkommene Maß der Liebe erlangt. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Am kommenden Mittwoch feiern wir das Fest der hll. Apostel Petrus und Paulus. Aus diesem Anlaß werde ich auf dem Petersplatz die Messe zelebrieren, bei der ich einigen neuen Erzbischöfen das Pallium überreiche. Ich lade alle ein, ihr Gebet an die beiden ruhmreichen Apostel zu richten und sie um ihre Fürsprache für die Kirche und ganz besonders für diese Kirche von Rom zu bitten, deren Anfänge sie mit ihrem Blut geheiligt haben. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Pilger deutscher Sprache! Der heutige Sonntag steht zwischen den Festtagen Johannes des Täufers und der Apostelfürsten Petrus und Paulus. Wie diese drei großen Heiligen, so hat auch jeder von uns seinen ganz persönlichen und unverwechselbaren Dienst in dem großen Auftrag, dem Herrn einen Weg zu bereiten in die Herzen der Menschen. Für diesen Dienst erteile ich euch von Herzen meinen Segen. Anmerkungen ■) Lumen gentium, Nr. 55. 2) 2 Sam 6. 3) 2 Sam 24, 16-25 (vgl. Chr 3, 1); 1 Kön 6). 4) Jes 18, 7; Jer 26, 18; Ps 2, 6; 48, 2-3. 128 AUDIENZEN UND ANGELUS 5) Jes 37, 32; 51, 1; Jer 26, 18; 51, 35; tFewA 3, 16. 6) /ei 46, 13; Ps 149, 2. 7) Lk 1,28. 8) Z./fc 1, 31-32a. 9) Lk 1, 32b-33. 10) 1. Eucharistisches Hochgebet. n) Vgl. Phil 4, 4. >2) Mt 28, 20; vgl. Lk\, 33. 13) Mt 8, 26 u. Par. Mk 4, 40 sowie Lk 8, 25. Dem Ja Mariens betend gedenken Vor dem Angelus am 3. Juli Das Fiat Mariens bei der Verkündigung ermöglicht Gott, ein neues Bündnis mit der Menschheit zu schließen, das noch wunderbarer ist als der mit dem Volk Israel geschlossene Bund. 1. Denken wir einen Augenblick wieder an jenen weit zurückliegenden, doch einmaligen Tag, an dem der Herr zu Füßen des Berges Sinai durch den Propheten Mose, seinen Sprecher, den Stämmen Israels das Angebot seines Liebesbündnis vortragen ließ. Gott sprach zum Volk: „Ihr habt gesehen, was ich Ägypten angetan habe, wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und hierher zu mir gebracht habe. Jetzt aber, wenn ihr auf meine Stimme hört und meinen Bund haltet, werdet ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein. Mir gehört die ganze Erde, ihr aber sollt mir als ein Reich von Priestern und als ein heiliges Volk gehören.“1) Mose erklärte nun seinen Brüdern und Schwestern den Inhalt der göttlichen Botschaft; er unterwies sie, um ihnen diesen Plan des Herrn verständlich zu machen. Gott, auch wenn er gebietet, vergewaltigt nicht den Willen. Er, der seine Kinder als freie Menschen geschaffen hat, ist der eifersüchtigste Hüter ihrer Freiheit. Nachdem es durch die Weisung des Mose unterrichtet worden war, antwortete das ganze Volk einstimmig: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun.“2) Diese Worte, die in der jüdischen Spiritualität aller Zeiten denkwürdig geblieben sind, waren gleichsam das Fiat, das Ja, mit dem Israel einwilligte, sich mit Jahwe, seinem Gott, wie die Braut mit dem Bräutigam zu verbinden. 129 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Im Lichte dieses Geschehens können wir vielleicht die Verkündigungsszene besser begreifen. Der von Gott gesandte Engel Gabriel eröffnet der Jungfrau den Plan, den der Herr mit ihr vorhat: Sie soll den Sohn Gottes gebären, der König und Retter des neuen Gottesvolkes, der Kirche, sein wird3). Es ist die neue Form eines Bundes. Diesmal will Gott sich mit uns verbünden, indem er unsere Gestalt annimmt. Maria verhält sich angesichts des göttlichen Angebotes klug und frei. Wenn Gott sie fragt, so fragt auch sie ihren Gott: „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“4) Der Engel gibt ihr weitere Aufklärung über den göttlichen Willen: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten.“5) Da ruft Maria, obwohl sie aufgefordert ist, das Unglaubliche zu glauben, aus: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“6) In diesen Worten der Jungfrau vernehmen wir im wesentlichen das Echo der Worte, die vom ganzen Volk Israel gesprochen worden waren, als es das Geschenk des Bundes am Sinai annahm. Und das will heißen, daß der Glaube Israels auf den Lippen Mariens zur vollen Reife gelangt ist. Sie ist wahrhaftig „Tochter Sions“! 3. Dem Fiat Mariens wollen wir jetzt beim Angelus betend gedenken. Wir bitten die Jungfrau, das Ja immer wieder zu erleuchten und fruchtbar zu machen und es in den täglichen Verpflichtungen unseres Glaubenszeugnisses zu erneuern. So werden wir unser Bündnis mit dem Herrn in seiner Kirche, dem Herzen der Welt, auf würdige Weise leben. Nach dem Angelus richtete der Papst an die Pilger Grußworte in verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: Liebe Rombesucher deutscher Sprache! Das tägliche Gedenken an die Menschwerdung Gottes im Schoß Mariens verbindet uns immer wieder mit dem Volk des Alten Bundes, dessen jahrhundertelange Erwartung in Maria ihren Höhepunkt findet. Halten auch wir diese Erwartung in uns lebendig; denn das Kommen Jesu ist ja nicht nur Vergangenheit, sondern auch Gegenwart und Zukunft. Anmerkungen 1) Ex 19, 4-6a. 2) Ex 19, 8; vgl. 24, 3. 7. 3) Lk 1, 31-33. *) LA: 1,34. s) Lk 1,35. <9 Lk 1, 38a. 130 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Erlösung führt den Menschen zur Würde seines Ursprungs zurück Ansprache bei der Generalaudienz am 6. Juli 1. „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4, 24). Die Worte des Apostels Paulus, Hebe Brüder und Schwestern, verweisen uns auf das frohe Ereignis der Erlösung, das uns zu „neuen Geschöpfen“ gemacht hat. In Christus sind wir durch das Geschenk des Geistes gleichsam neu geschaffen worden. Um die Tragweite dieses Ereignisses voH zu ermessen, müssen wir in Gedanken zur „ersten Schöpfung“ zurückgehen, wie sie auf den ersten Seiten des Buches Genesis beschrieben wird. Es gilt, sich in jenen Zustand zurückzuversetzen, da der Mensch soeben aus den Schöpferhänden Gottes hervorgegangen war: in den Zustand der „Ur-Gerechtigkeit“. Er bestand in der vollen, von Liebe getragenen Unterordnung des Menschen unter den Schöpfer: Sein ganzes Sein war in der Wahrheit, in der Ordnung gegründet, vor aHem, was die Beziehung zu Gott betraf. Aus dieser „Gerechtigkeit“ gegenüber dem Schöpfer erwuchs im Menschen eine tiefe innere Einheit, eine Einordnung aller Komponenten, die sein personales Sein ausmachen, der leibhchen, seehschen und geistigen Komponente. Da er mit Gott in Frieden lebte, war der Mensch auch mit sich selbst in Frieden. Die Beziehung zur anderen menschlichen Person, zur Frau, wurde ebenfalls in Wahrheit und Gerechtigkeit gelebt: Es war eine Beziehung tiefer interpersonaler Gemeinschaft, gegründet auf der Hingabe seiner selbst an den anderen. Ein „Selbst“, über das der Mensch in voller Freiheit entscheiden konnte, weil die innere Einheit seines personalen Seins noch nicht gebrochen war. Im Frieden mit Gott und sich selbst Der Schöpfungsakt Gottes vollzog sich bereits im „verborgenen Geheimnis“ Christi (vgl. Eph 1, 9), er war dessen erste, ursprüngüche Offenbarung und Verwirklichung. Mit diesem Schöpfungsakt begann die Verwirk-Hchung des götthchen Willens, der „uns in ihm erwählt hat vor der Erschaffung der Welt, damit wir heiHg und untadehg leben vor Gott; er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ (Eph 1, 4-5). Die Erschaffung des Menschen war sozusagen bereits in die ewige Erwählung in Christus einbezogen. Aus diesem 131 AUDIENZEN UND ANGELUS Grund wurde der Mensch von Anfang an des Geschenks der Gotteskindschaft teilhaftig im Hinblick auf den, der von Ewigkeit her als Sohn geliebt war. Nach Vollendung seines Schöpfungswerks „sah Gott, daß alles, was er gemacht hatte, sehr gut war“ (Gen 1, 31). Die Gutheit der Dinge ist ihr Sein. Die Gutheit des Menschen, das heißt sein Wert, besteht in seinem Sein: darin, daß er „nach dem Bild Gottes in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit geschaffen ist“ (Eph 4, 24). 2. Frucht der Erlösung ist das „neue Geschöpf“; die Erlösung ist eine „neue Schöpfung“. Warum „neu“? Weil der Mensch durch die Sünde seine „ursprüngliche Gerechtigkeit“ verloren hat. Er hat den Bund mit Gott gebrochen, was einerseits seine innere Auflösung zur Folge hatte und andererseits die Unfähigkeit zum Aufbau von Gemeinschaft mit den anderen in der Wahrheit der Hingabe seiner selbst. Uber diese von der Sünde verursachte Auflösung kann man nie genug nachdenken. Wir feiern dieses außerordentliche Heilige Jahr, um unser Sündenbewußtsein zu vertiefen als unerläßlichen Ausgangspunkt für unsere persönliche Beteiligung am Erlösungsgeheimnis. Die von Christus vollbrachte Erlösung hat den Menschen „zur Würde seines ersten Ursprungs“ zurückgeführt, wie es in der Liturgie heißt. In Christus hat Gott den Menschen neu geschaffen, so daß Christus zum zweiten und wahren Adam geworden ist, von dem die neue Menschheit ausgeht. „Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung: Das Alte ist vergangen, Neues ist geworden“ (2 Kor 5, 17). Es handelt sich um einen Wandel im Sein der menschlichen Person selbst, die erlöst wird. „Ihr habt den alten Menschen mit seinen Taten abgelegt und seid zu einem neuen Menschen geworden, der nach dem Bild seines Schöpfers erneuert wird, um ihn zu erkennen“ (Kol 3, 9-10). Diese letzten Worte des hl. Paulus - so wird man sicher feststellen - verweisen auf den Text der Genesis, gemäß dem der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen worden ist. Die neue Schöpfung, nämlich die Erlösung, erneuert den Menschen, indem sie ihn zur Fülle seines tiefsten Seins zurückführt und ihn wieder in seine Wahrheit einsetzt: in sein Selbst, d. h. Ebenbild Gottes sein. Der erste Tag der neuen Schöpfung Der erste Akt der neuen Schöpfung - nicht nur chronologisch, sondern weil in ihm der neue „Anfang“ gesetzt wird - ist der Akt, mit dem Gott 132 AUDIENZEN UND ANGELUS seinen für unsere Sünden gestorbenen Sohn auferweckt hat. Ostern ist der erste Tag der neuen Woche der Erlösung, die im Sabbat des ewigen Lebens enden wird, wenn auch unsere Leiber auferweckt werden und es dem Sieger aufs neue gestattet sein wird, vom Baum des Lebens zu essen, der im Paradies Gottes steht (vgl. Offb 2, 7). Dann wird die neue Schöpfung, die am Ostermorgen begonnen hat, vollendet sein. Danken wir dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns auf wunderbare Weise geschaffen und auf noch wunderbarere Weise neu geschaffen hat. Am Ursprung des Schöpfungs- wie des Erlösungsaktes steht seine Liebe: die einzig entsprechende Antwort darauf von seiten des Menschen ist die dankerfüllte Anbetung, in der sich der Mensch der schöpferischen und erlösenden Liebe Gottes übergibt. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur nun beginnenden Ferienzeit hier auf dem Petersplatz. Auch im Urlaub, bei Entspannung und Erholung, müssen wir uns unserer Würde und Verantwortung als Christen bewußt sein. Möge euch das heutige Erlebnis glaubensfroher Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri in eurer christlichen Berufung bestärken. Der hl. Paulus ermahnt uns: „Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4, 24). Der Christ ist ein durch die Erlösung Christi und die Taufgnade erneuerter Mensch, gleichsam ein neues Geschöpf. Durch den Sühnetod am Kreuz und seine Auferstehung hat Christus den Menschen zur Würde seines Ursprungs als Ebenbild Gottes zurückgebracht. Die Schuld der Ursünde ist getilgt und die Freundschaft mit Gott wiederhergestellt. Deshalb sind wir nun aufgerufen und verpflichtet, unserer neuen Existenz entsprechend wahrhaft gerecht und heilig zu leben. Wir sollen als „neue Menschen“, das heißt als wahre Christen unser Leben gestalten. Dazu erbitte ich euch die reichen Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 133 A UDIENZEN UND ANGEL US „Ich danke Dir, o Mutter von Jasna Göra!“ Gebet für Polen bei der Generalaudienz am 6. Juli Herrin von Jasna Göra! Du hast mir die Erfüllung meines Herzenswunsches — und zugleich des Wunsches vieler meiner Landsleute - möglich gemacht. Ich habe zum Jubiläum von Jasna Göra als Pilger in meine Heimat reisen können. Inmitten der Söhne und Töchter Polens konnte ich Gott in der Heiligsten Dreifaltigkeit für die sechshundert Jahre Deiner mütterlichen Anwesenheit, o Maria, unter uns im Gnadenbild von Jasna Göra danken. Für all das preise ich heute noch einmal erneut Deinen heiligen Namen und erweise Dir Ehre. Ich danke für den ganzen Dienst, den ich in Jasna Göra und im Rahmen des heimatlichen Jubiläums leisten durfte. Ich danke dafür, daß ich von Warschau und Niepokalanöv nach Jasna Göra pilgern durfte, auf dem Weg des hl. Maximilian Maria und des Primas des Millenniums, des Kardinals Stefan Wyszynski seligen Angedenkens. Ich danke dafür, daß ich von Breslau über den Annaberg nach Jasna Göra pilgern durfte, vom Land jener Piasten aus, von denen einer, der Fürst von Oppeln, der Gründer von Jasna Göra ist. Ich danke dafür, daß ich auch das Heiligtum der Muttergottes von Piekary in Kattowitz besuchen konnte. Schließlich danke ich dafür, daß ich im Verlauf dieser Jubiläumspilgerfahrt in Posen die selige Ursula Ledöchowska und in Krakau die seligen P. Rafael Kalinowski und Bruder Albert Chmielowski zur Ehre der Altäre erheben durfte. Ich danke Dir, o Mutter von Jasna Göra, für jeden pastoralen Dienst, wo immer ich ihn leisten konnte. Ich danke Dir, daß ich in dieser Zeit mit Millionen meiner Landsleute Zusammentreffen konnte, daß ich mit ihnen beten konnte, daß ich bei ihnen sein konnte! Schließlich bitte ich Dich, o Mutter, noch einmal für alle, die an dieser Pilgerfahrt teilgenommen, sie vorbereitet und an ihr mitgearbeitet haben — ich bitte Dich, o Mutter, noch einmal: „Nimm die ganze Nation unter Deinen Schutz!“ 134 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott inmitten seines Volkes Vor dem Angelus am 10. Juli Die christliche Frömmigkeit ehrt die hl. Jungfrau mit dem Beinamen „Arche des Bundes“, eine Bezeichnung, die sehr alt ist. 1. Die heiligen Bücher des Alten Testaments bringen unaufhörlich die freudige Gewißheit zum Ausdruck, daß Gott inmitten seines Volkes ist; daß er Israel zu seiner Wohnstatt erwählt hat. Die Anwesenheit des Herrn bei dem von ihm auserwählten Volk steht in enger Beziehung mit dem Bund, den er am Berg Sinai geschlossen hat. Ja, man kann sagen, Gott macht sich so sehr zum „Verbündeten“, das heißt zum Nächsten, zum Freund und Gefährten des Menschen, daß er immer bei ihm weilen will. Er selbst erklärt: „Ich schlage meine Wohnung in eurer Mitte auf und habe vor euch keine Abscheu. Ich gehe in eurer Mitte; ich bin euer Gott, und ihr seid mein Volk.“) Unmittelbar nachdem das Bündnis auf den Hängen des Sinai geschlossen worden war, errichtete das Volk auf Gottes Geheiß <5>) die sogenannte „Stiftshütte“, in der die Bundeslade ihren Platz fand: Sie enthielt die beiden Tafeln, auf denen die Zehn Gebote niedergeschrieben waren, die der Herr dem Mose gegeben hatte <6>). Die Bundeslade sollte als sichtbares Zeichen der Anwesenheit Gottes das Volk auf seinem Zug durch die Wüste bis zu seiner Niederlassung in Palästina begleiten. Dort ließ dann Salomo den Tempel von Jerusalem errichten. Im verborgensten Raum dieses Tempels, dem sogenannten „Allerheiligsten“, wurde die Bundeslade auf gestellt <7>). Das war der heiligste Ort ganz Israels. In diesem Raum wohnte in symbolischer Form der Herr. <5> Und nun kommt eine unerwartete Wandlung. Als der Engel Gabriel Maria die Botschaft überbrachte, offenbarte Gott dieser jungen Frau seine Absicht, die Wohnung im Tempel von Jerusalem aufzugeben, um in anderer Form unter seinem Volk gegenwärtig zu sein. Er wollte sich nämlich mit uns vereinen, indem er einer von uns wurde, unsere Gestalt annahm. Um die Anwesenheit Gottes inmitten seines Volkes darzustellen, gebraucht die religiöse Sprache des Alten Testaments häufig das Bild von der „Wolke“. Unter Verwendung dieses bildhaften Ausdrucks sprechen die heiligen Bücher von Gott, der herabsteigt, um auf dem Berg Sinai, im Zelt der Begegnung und im Tempel von Jerusalem zu wohnen. 135 A UDIENZEN UND ANGEL US Maria, umfangen von der geheimnisvollen Wolke des Heiligen Geistes, gibt ihre Zustimmung zu dem Plan Gottes. Von jenem Augenblick an wird ihr Schoß zur Arche des Neuen Bundes, zu dem Heiligtum, in das der menschgewordene Gott herabgestiegen ist, um hier Wohnung zu nehmen. 3. Als Arche des Bundes, die den menschgewordenen Herrn in sich trägt, ist Maria Vorbild jedes Gläubigen. Denn jeder von uns macht, wenn er Gottes Wort mit seinem Fiat annimmt, sich selbst zum Heiligtum der göttlichen Wohnstatt. Das versichert uns Jesus, wenn er sagt: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen.“5) Nach dem Angelus begrüßte der Papst u. a. die Pilger deutscher Sprache: Liebe Pilger deutscher Sprache! Jedesmal, wenn wir den „Engel des Herrn“ beten, wird uns vor Augen gestellt, daß Gott sein Heilswirken von der freien Zustimmung des Menschen abhängig macht. „Mir geschehe nach deinem Wort“, sagte Maria und stellte sich freiwillig in den Dienst der Erlösung. Öffnen auch wir uns in hochherziger Freiheit für das, was Gott in uns und durch uns wirken will! Zum Abschluß sagte der Papst: Wie schon am vergangenen Sonntag will ich auch heute Emanuela Orlandi, auf deren Rückkehr ich und wir alle zusammen mit den schwergeprüften Angehörigen voll Bangen warten, eurem Gebet empfehlen. Wer könnte angesichts dieser wie anderer ähnlich grausamer Prüfungen gleichgültig bleiben? Unser Gebet um Schutz und Unversehrtheit der jungen Emanuela will darüber hinaus Trost und Mut für ihre Lieben erbitten. Den Eltern Emanuelas spreche ich noch einmal meine Anteilnahme an ihrem Drama aus. Ich darf sie meinerseits versichern, daß man das menschenmögliche tut, um zu einer glücklichen Lösung des schmerzlichen Ereignisses beizutragen. Möge Gott auf das Bangen dieser Tage schließlich die Freude folgen lassen, daß die Eltern und Geschwister das Mädchen wieder in die Arme schließen können! Anmerkungen 1) Lev 26,11-12. 2) Ex 25-21. 3) Dtn 10, 5. 4) 1 Kört 8, 6. 5) Loh 14, 23. 136 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Harmonie zwischen Wahrheit und Freiheit ist zerbrochen Ansprache bei der Generalaudienz am 13. Juli 1. „Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott im voraus für uns bereitet hat“ (Eph 2, 10). Liebe Brüder und Schwestern, die Erlösung hat den Menschen dadurch erneuert, daß sie ihm in Christus ein neues Dasein gab. Dieser seiner neuen Existenz muß nun ein neues Tun entsprechen. Über dieses neue Ethos der Erlösung wollen wir heute nachdenken, um es in seinem Ursprung selbst zu erfassen. Von „Ethos“ sprechen heißt, auf eine Erfahrung hinweisen, die jeder Mensch, nicht nur der Christ, täglich macht: Sie ist zugleich einfach und komplex, tiefgreifend und elementar. Eine solche Erfahrung ist stets mit der Erfahrung der eigenen Freiheit verbunden, das heißt der Tatsache, daß jeder von uns wirklich und wahrhaftig die Ursache seiner eigenen Handlungen ist. Aber die ethische Erfahrung bewirkt, daß wir uns in einer ganz besonderen Weise frei fühlen: Es ist eine bedingte Freiheit, die wir erfahren. Bedingt nicht von außen her - es geht nicht um äußere Nötigung oder Zwang -, sondern von innen her: Es ist die Freiheit als solche, die eher in der einen als in der anderen Weise tätig werden muß. Diese geheimnisvolle und wunderbare „Notwendigeit“, die der Freiheit innewohnt, ohne sie auszulöschen, hat ihre Wurzel eben in der Kraft des sittlichen Wertes, den der Mensch mit seinem Verstand erkennt: Sie ist Ausdruck der maßgebenden Kraft der Wahrheit des Guten. Mit ihrem Bemühen, diese Wahrheit zu tun, steht die Freiheit in der Ordnung, die von der schöpferischen Weisheit Gottes in das Universum des Seins eingeschrieben worden ist. In der sittlichen Erfahrung kommt es somit zu einer Verbindung zwischen Wahrheit und Freiheit, dank welcher die Person im Gehorsam gegenüber der schöpferischen Weisheit Gottes immer mehr sie selbst wird. 2. „Ich tue nicht das, was ich will, sondern das, was ich hasse . . . Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will“ (Rom 7, 15 u. 19). Diese Worte des hl. Paulus beschreiben das Ethos des Menschen, der gesündigt hat und damit der „anfänglichen Gerechtigkeit“ verlustig gegangen ist. In der neuen Situation nimmt der Mensch einen Widerspruch wahr zwischen seinem Wollen und Tun — „ich tue nicht das, 137 AUDIENZEN UND ANGELUS was ich will“ —, obwohl er weiterhin in sich das Gute erfaßt und sich zu ihm hingezogen fühlt. Die Harmonie zwischen Wahrheit und Freiheit ist insofern zerbrochen, als die Freiheit sich für das entscheidet, was gegen die Wahrheit des Menschen gerichtet ist, und die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niedergehalten wird (vgl. Röm 1, 18). Woher kommt letztlich dieser innere Zwiespalt im Menschen? Seine Geschichte als Sünder beginnt damit, daß er den Herrn nicht mehr als seinen Schöpfer anerkennt und selbst in absoluter Autonomie und Unabhängigkeit entscheiden möchte, was gut und was böse ist: „Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“, heißt es in der ersten Versuchung (vgl. Gen 3, 5). Der Mensch will nicht mehr Gottes Gesetz als Maß seines Daseins gelten lassen, er nimmt sich nicht mehr aus den Schöpferhänden Gottes entgegen, sondern beschließt, selbst Maß und Ziel zu sein. Die Wahrheit seines Geschaffenseins wird von einer Freiheit geleugnet, die sich vom Gesetz Gottes, dem einzig wahren Maß des Menschen, gelöst hat. Auf den ersten Blick könnte es den Anschein haben, als sei die Freiheit des Sünders die wahre Freiheit, weil sie nicht mehr der Wahrheit unterworfen ist. In Wirklichkeit jedoch ist es allein die Wahrheit, die uns frei macht. Der Mensch ist frei, wenn er sich der Wahrheit unterwirft. Bezeugt das im übrigen nicht unsere Erfahrung, die wir täglich machen? „Das also ist die Liebe zur Wahrheit“ - stellte schon der hl. Augustinus fest-, „daß alle, die etwas anderes lieben, wünschen müssen, das, was sie lieben, möchte die Wahrheit sein; und weil sie nicht getäuscht werden wollen, lehnen sie es auch ab, von ihrer Täuschung überzeugt zu werden. Sie hassen also die Wahrheit aus Liebe zu dem, was sie für Wahrheit halten. Sie lieben an ihr das Licht, sie hassen an ihr das Gericht. Denn weil sie nicht betrogen sein wollen, sondern selbst betrügen wollen, so lieben sie die Wahrheit, die sich offenbart, und hassen die Wahrheit, die sie selbst entlarvt . . . Und dennoch will der Mensch in dieser unglücklichen Lage sich lieber am Wahren als am Falschen freuen. Glücklich also wird er sein, wenn er frei von Irrungen und Wirrungen sich an der einzigen Wahrheit freuen kann, kraft der alle Dinge wahr sind“ (Bekenntnisse, X, 23, 34). 3. Die Erlösung ist eine Neuschöpfung, weil sie den Menschen aus der Situation, wie sie der hl. Paulus in dem zitierten Abschnitt des Römerbriefes beschreibt, zu seiner Wahrheit und Freiheit zurückführt. Der als „Bild und Gleichnis“ Gottes geschaffene Mensch war berufen, sich in der Wahrheit dieses „Bildes und Gleichnisses“ zu verwirklichen. In der Neuschöpfung, also in der Erlösung, wird der Mensch dem Bild des 138 AUDIENZEN UND ANGELUS eingeborenen Sohnes ähnlich, von der Sünde befreit, die die Schönheit seines ursprünglichen Menschseins befleckte. Das Ethos der Erlösung reicht mit seinen Wurzeln in diesen Erlösungsakt hinab und schöpft aus ihm unaufhörlich seine Kraft: eine Kraft, durch die der Mensch in die Lage versetzt wird, die Wahrheit seiner Beziehung zu Gott und zu den Geschöpfen zu erkennen und anzunehmen. So wird er frei, „die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ (Eph 2, 10). Das Ethos der Erlösung ist die Begegnung von Wahrheit und Freiheit im Menschen. „Freude an der Wahrheit bedeutet Seligkeit. Freude an dir, o Gott, der du die Wahrheit bist“, hat Augustinus geschrieben (Bekenntnisse'.X., 23, 33): Dieses „selige“ Leben ist das Ethos der Erlösung. Im Anschluß an seine Ansprache wandte sich der Papst den innenpolitischen Problemen in Chile zu: In diesen Tagen widmet die Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit dem Unbehagen und der sozialen Spannung, in der die Bevölkerung Chiles lebt, dieses edlen katholischen Landes, das mir so lieb ist. Die chilenischen Bischöfe sind sich der Schwere der Situation bewußt und haben schon in der Erklärung des ständigen Komitees der Konferenz vom vergangenen 24. Juni mit der Ausgewogenheit und Klugheit von Hirten dazu auf gef ordert, nicht den Weg der Gewalt zu beschreiten, sei es auch in der Absicht, die Verwirklichung berechtigter Erwartungen zu erreichen. Gleichzeitig haben sie die für die öffentliche Gewalt unabdingbare Notwendigkeit betont, wirksame Instanzen des Dialogs tatsächlich zu hören. Wenn man Gewaltakte vermeiden will, „muß man nach positiven Antworten auf die Situationen und die Bedingungen für Gewaltanwendung suchen“. Ich möchte mir den Appell der Bischöfe dieser geliebten Nation zu eigen machen und alle auffordern, für Chile zu beten. Beten wir mit Ausdauer und Hoffnung, indem wir mit unserem Gebet ein glühendes Gedenken an die heiligste Jungfrau verbinden, damit der Einsatz für die Wahrheit, für die Achtung des Menschen, für die Liebe zur Gerechtigkeit und zum Frieden Vorsatz und Handlungsweise aller werden, zum zeitlichen und geistlichen Wohl des chilenischen Volkes. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Heiligen Jahr feiern wir unsere Erlösung, die - geschichtlich betrachtet - vor neunzehneinhalb Jahrhunderten geschehen ist. Wovon mußten wir erlöst werden? Wir werden erlöst von dem schmerzlichen 139 AUDIENZEN UND ANGELUS Zwiespalt in unserem Herzen: Auf der einen Seite sehen und fühlen wir genau, wie verpflichtend es ist, das Gute zu tun, und wie sehr es dem Menschen und der ganzen Schöpfung entspricht; auf der anderen Seite spüren wir tausend Kräfte, welche die Leuchtkraft des Guten und die Klarheit unseres Blickes trüben wollen und uns das Ungute als etwas hinstellen wollen, das für uns gut und richtig sei. So sind wir hin- und hergerissen zwischen dem wahrhaft Guten und dem vermeintlich Guten; zwischen dem, was unserem tiefsten Wesen entspricht, und dem, was unserer Eitelkeit oder Bequemlichkeit oder Begierde schmeichelt. Als wahrhaft frei erleben wir uns nur in der Entscheidung für das wahrhaft Gute. Das Licht und die Kraft zu dieser Entscheidung kommt aus der Erlösung durch Jesus Christus. Nehmen wir in diesem Heiligen Jahr das Geschenk unserer Erlösung wieder ganz bewußt und dankbar an! Dazu erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. „Ihn sollt ihr hören!“ Vor dem Angelus am 17. Juli in Castel Gandolfo 1. „Was er euch sagt, das tut.“1) Mit diesen Worten weist die Mutter Jesu, die an einer Hochzeit in Kana in Galiläa teilnahm2), die Diener beim Hochzeitsmahl an zu tun, was ihnen Jesus geboten hatte. Die Spiritualität des Alten Testaments kann uns auf den Weg bringen, den fernen Ursprung dieser Aufforderung Mariens zu finden. Am Berg Sinai hatte der Herr in der Tat durch Mose das Volk Israel aufgefordert, mit ihm den Bund zu schließen3). Als Antwort auf die göttliche Einladung rief das ganze Volk einmütig: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun.“4) Man kann sagen, daß jede Generation des auserwählten Volkes jene spontane Gehorsamsbezeigung aufs neue in Erinnerung gerufen hat, jene Erklärung, die an dem Tag, als sie sich am Fuß des Sinai versammelt hatten5), abgegeben wurde. Durch sein Gedenken daran wollte Israel die Frische „seiner ersten Liebe“ zurückgewinnen6). Tatsächlich wurde der Inhalt dieser Erklärung jedesmal gewissenhaft wiederholt, wenn im Laufe der Geschichte des Alten Testaments das Volk unter der Leitung seiner Führer die Verpflichtungen des Bundes vom Sinai erneuerte7). 140 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Die Worte - schrieb mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. im Apostolischen Schreiben Marialis cultuss) die die Jungfrau bei der Hochzeit zu Kana an die Diener richtete, „wollen scheinbar nur den Wunsch ausdrük-ken, das Hochzeitsmahl vor einem Mißgeschick zu bewahren; wenn man jedoch die besondere Eigenart des vierten Evangeliums beachtet, erinnern sie offensichtlich an die Formel, die das Volk Israel beim Bundesschluß am Sinai gebrauchte9) oder bei der Erneuerung der Bundestreue10). Sie stimmen auch wunderbar zusammen mit der Stimme des Vaters bei der Theophanie auf dem Berg Tabor: ,Ihn sollt ihr hören!1 “ n). Die Diener der Hochzeit, liebe Brüder und Schwestern, das sind heute wir. Was sie in Kana gesagt hat, wiederholt Maria unaufhörlich für uns alle, ihre Söhne und Töchter. Man könnte jene Weisung ihr geistliches Testament nennen. Es ist in der Tat das letzte Wort, das uns die Evangelisten von ihr, der heiligen Mutter, überliefert haben. Nehmen wir es auf und bewahren es im Herzen! Meine Gedanken gehen heute erneut in den Nahen Osten und besonders in den Libanon, wo die Feindseligkeiten bewaffneter Gruppen und die Besetzung weiter Teile des Landes durch fremde Truppen ohne Unterlaß Kämpfe, Zerstörungen und Opfer hervorrufen und den ersehnten Tag des Friedens in aussichtslose Ferne rücken. Wachsender Widerstand und zunehmende Schwierigkeiten scheinen die bisher unternommenen Bemühungen zunichte gemacht zu haben. Bemühungen um ein globales Einvernehmen, auf das man mit neuer Hoffnung geblickt hatte. Die von Enttäuschungen und Leid entmutigte und gefolterte libanesische Bevölkerung appelliert mit mir an die Solidarität und Hilfe der friedliebenden Länder und ruft alle Verantwortlichen auf, ihren guten Willen unter Beweis zu stellen und es den nationalen Kräften des Libanon zu ermöglichen, sich dem Wiederaufbau des Landes zu widmen, eines Landes, daß endlich frei von fremden Einmischungen und in seiner Souveränität und Würde respektiert werden sollte. Ich fordere euch zu gemeinsamem Gebet an den Herrn auf, damit das libanesische Volk und seine Regierung mit vermehrtem Einsatz beim Bemühen um Versöhnung und nationale Verständigung ausharren und die Nachbarländer und alle interessierten Seiten loyal Zusammenarbeiten, um dem Libanon die Freiheit zurückzugeben, selbst über sein Schicksal entscheiden zu können. Die Fürsprache der allerseligsten Jungfrau, der Schutzherrin des Libanon, stehe ihnen bei. 141 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelus begrüßte der Papst u. a. auch die deutschsprachigen Pilger: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun!“ So sprach das Volk Israel am Sinai und dann immer wieder neu. „Alles, was er euch sagt, das tut“, so spricht Maria auf der Hochzeit zu Kana. Es ist das letzte Wort, das die Evangelisten von ihr berichten, gleichsam ihr Testament. Die ganze Geschichte ihres Volkes gibt sie damit an uns weiter. Seien wir also wahre Israeliten und sprechen wir nach dem Wort und Beispiel Marias: „Herr, alles, was du mir sagst, das will ich tun.“ Mit diesem Wunsch grüße ich alle deutschsprachigen Besucher, unter ihnen die Pilgergruppe aus Vechta im Bistum Münster. Zuletzt rief der Papst noch einmal zum Gebet für die am 22. Juni entführte 15jährige Emanuela Orlandi auf: Noch einmal lade ich euch ein, euch mit mir im Gebet für Emanuela Orlandi zu vereinen, über deren Schicksal die vorübergehenden Tage leider keinerlei Klärung gebracht haben. Mit inniger Anteilnahme weise ich auf das Bangen der Eltern hin. Der erschütternde Schmerz einer Familie, die um nichts anderes bittet, als ihr Kind wieder in die Arme schließen zu können, darf nicht weiter verlängert werden. Zusammen mit euch bitte ich Gott, daß er in ein Haus, auf dem schon allzu lange eine so schmerzliche Tragödie lastet, wieder Friede und Freude einkehren lasse. Anmerkungen 1) Joh 2, 5. 2) Joh 2, 1-12. 3) Ex 18, 3-7. 4) Ex 19, 8; vgl. 24, 3.7. 5) Dtn 4, 10. 6) Vgl. Jer 2, 2; Hos 2, 17b. 3) Jos 24, 24; Esr 10, 12; Nehemia 5, 12 . .. 8) Marialis cultus, Nr. 57. 9) Ex 19, 8; 24, 3.7; Dtn 5, 27. i°) Jos 24, 24; Esr 10, 12, Nehemia 5, 12. ii) Mt 17, 5. 142 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir sind „Sklaven der Gerechtigkeit“ Ansprache bei der Generalaudienz am 20. Juli 1. „Seine Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“ {Eph 2, 10). Unsere Erlösung in Christus, dieses große Geheimnis, das wir in diesem Heiligen Jahr in besonderer Weise feiern, befähigt uns dazu, in der Fülle der Liebe jene guten Werke zu vollbringen, „die Gott für uns im voraus vorbereitet hat“. Unser gutes Handeln ist die Frucht der Erlösung. Der hl. Paulus lehrt darum, daß wir kraft der Tatsache, erlöst worden zu sein, zu „Sklaven der Gerechtigkeit“ (Röm 6, 18) geworden sind. Daß wir „Sklaven der Gerechtigkeit“ sind, darin besteht unsere wahre Freiheit. 2. Worin besteht das gute menschliche Handeln? Wenn wir unsere Alltagserfahrung betrachten, sehen wir, daß unter den verschiedenen Aktivitäten, in denen sich unsere Person ausdrückt, manche in uns entstehen, aber nicht eigentlich unsere Taten sind, während andere nicht nur in uns entstehen, sondern wirklich unsere eigenen Taten sind. Das sind die Handlungen, sie aus unserer Freiheit erwachsen: Taten, deren Urheber im wahren und eigentlichen Sinn jeder von uns ist. Kurz gesagt, es handelt sich um die freien Taten. Wenn der Apostel uns lehrt, daß wir Geschöpfe Gottes sind, „in Christus Jesus dazu geschaffen, die guten Werke zu tun“, so sind diese guten Werke die Taten, die die menschliche Person mit Gottes Hilfe aus freien Stücken vollbringt: Das Gutsein ist eine Qualität unseres freien Handelns. Also jenes Handelns, dessen Grund und Ursache die Person ist; für das sie also verantwortlich ist. Durch sein freies Handeln bringt der Mensch sich selbst zum Ausdruck, und zugleich verwirklicht er sich. Der auf die göttliche Offenbarung gegründete Glaube der Kirche lehrt uns, daß jeder von uns nach seinen Werken gerichtet werden wird. Man beachte: Unsere Person wird auf Grund ihrer Werke gerichtet werden. Daraus erkennt man, daß es unsere Person ist, die in unseren Werken zum Ausdruck kommt, sich verwirklicht und sozusagen Gestalt annimmt. Jeder ist nicht nur für seine freien Handlungen verantwortlich, sondern durch diese Handlungen wird er für sich selbst verantwortlich. 3. Im Licht dieser tiefen Beziehung zwischen der Person und ihrem freien Handeln können wir verstehen, worin das Gute unserer Taten besteht, das 143 AUDIENZEN UND ANGELUS heißt, was jene guten Werke sind, „die Gott für uns im voraus bereitet hat, damit wir sie ausführen“. Die Person des Menschen ist nicht absolute Herrin ihrer selbst. Sie ist von Gott geschaffen. Ihr Sein ist ein Geschenk: das, was sie ist, und ihr eigentliches Sein selbst sind ein Geschenk Gottes. „Wir sind seine Geschöpfe“, lehrt uns der Apostel, „in Christus Jesus geschaffen“ (Eph 2, 10). Während sich der Mensch ständig aus den Schöpferhänden Gottes empfängt, ist er vor ihm für sein Tun verantwortlich. Wenn die in Freiheit vollzogene Tat dem Sein und Wesen der Person entspricht, ist sie gut. Es ist notwendig, diese fundamentale Beziehung zwischen der von der Person ausgeführten Tat und der Person, die sie ausführt, zu betonen. Die menschliche Person ist mit ihrer eigenen Wahrheit, mit ihrer eigenen inneren Ordnung, ihrer eigenen Verfassung ausgestattet. Wenn ihre Werke mit dieser Ordnung, mit der Verfassung der von Gott geschaffenen menschlichen Person übereinstimmen, sind es gute Werke, die „Gott für uns im voraus bereitet hat, damit wir sie ausführen“. Das Gute unseres Handelns entspricht einer tiefen Harmonie zwischen der Person und ihren Werken, während umgekehrt das moralisch Schlechte einen Bruch, eine tiefe Spaltung zwischen der handelnden Person und ihren Taten bedeutet. Die ihrem Sein eingeschriebene Ordnung, jene Ordnung, die ihr eigentliches Gut ist, wird in und von den Taten nicht mehr respektiert. Die menschliche Person befindet sich nicht mehr in ihrer Wahrheit. Das sittlich Schlechte ist genau das Böse der Person als solcher; das sittliche Gute ist das Gute der Person als solcher. 4. Wir feiern dieses Heilige Jahr der Erlösung, um das Geheimnis unseres Heils immer besser zu begreifen, um immer tiefer an der erlösenden Kraft der Gnade Gottes in Christus teilzuhaben. Im Licht alles Gesagten verstehen wir, warum die Frucht der Erlösung in uns eben die guten Werke sein sollen, „die Gott für uns im voraus bereitet hat, damit wir sie ausführen“. Die Gnade der Erlösung erzeugt ein Ethos der Erlösung. Die Erlösung erneuert tatsächlich die menschliche Person, die gleichsam „in Gerechtigkeit und Heiligkeit“ neu geschaffen wird. Die Gnade der Erlösung befreit und erhebt den Verstand und den Willen der Person, so daß ihre Freiheit von der Gnade selber befähigt wird, richtig zu handeln. So wird die menschliche Person in ihrem irdischen Leben voll erlöst. Denn, wie ich zuvor schon gesagt habe, verwirklicht der Mensch in der richtigen Tat die Wahrheit seines Wesens, während er, wenn er nicht richtig handelt, das Böse in ihm in die Tat umsetzt und damit die Ordnung 144 AUDIENZEN UND ANGELUS seines eigenen Seins zerstört. Die tatsächliche und tiefste Entfremdung des Menschen besteht in der moralisch schlechten Tat: In ihr verliert die Person nicht, was sie hat, sondern sie verliert, was sie ist, das heißt sich selbst. „Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben verliert?“, sagt der Herr zu uns. Das einzige wirkliche Übel, das ganz und gar Böse, ist für die menschliche Person das moralisch Böse. Die Erlösung erschafft uns neu „in Gerechtigkeit und Heiligkeit“ und ermöglicht es uns, in Übereinstimmung mit diesem unserem Zustand der Gerechtigkeit und Heiligkeit zu handeln. Sie gibt den Menschen sich selbst zurück, sie läßt ihn aus der Verbannung in seine Heimat zurückkehren: zu seiner Wahrheit, zu seiner Freiheit als Geschöpf Gottes. Und das Zeichen, die Frucht dieser Rückkehr sind die guten Werke. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache! Herzlich grüße ich euch bei dieser Audienz im Heiligen Jahr der Erlösung. Unsere Besinnung gilt heute dem Tun die erlösten Menschen. Das Tun des Menschen kommt nicht immer aus seiner personalen Mitte; oft hat es seine Ursache in unbewußter Gewohnheit oder Nachahmung oder in sonstigen psychologischen Gesetzmäßigkeiten. Wirklich unsere Akte sind jene, deren Ursache wir selber sind — wir mit unserer Freiheit, wir als Person. Entsprechen diese freien Akte unserem wahren Wesen, so kommt in ihnen dieses Wesen zur Entfaltung; widersprechen sie ihm, so drängen sie dieses Wesen zurück. Dieses Wesen aber geben wir uns nicht selbst; wir empfangen es von Gott. So heißt es im Brief an die Epheser: Gottes „Geschöpfe sind wir, in Christus Jesus dazu geschaffen, in unserem Leben die guten Werke zu tun, die Gott für uns im voraus bereitet hat“. Nehmen wir - gerade im Heiligen Jahr der Erlösung - diese Neuschöpfung in Christus, dem Erlöser, immer wieder an und lassen wir sie mit seiner Gnade wirksam werden in unserem Tun! In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik alle nederlandse pelgrims en met bijzondere vreugde de jongeren uit de bisdommen Rotterdam in Roermond die naar Rome gekomen zijn samen mit de aartsbisschop-coadjutor van Utrecht, mgr. Simonis, en de bisschop van Roermond, mgr. Gijsen. Möge jullie bezoek 145 A UDIENZEN UND ANGELUS aan Rome bijadragen tot groei en versterking van jullie geloof en van jullie trouw aan de Kerk, de Paus en de bisschopen. Graag verleen ik speciaal daarvoor mijn Apostolische Zegen. Zeichen der Hoffnung Vor dem Angelus am 24. Juli 1. „Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach.“) So bezeugt der Evangelist Lukas die Gedanken Mariens, die die Erinnerung an die Kindheit Jesu bewahrte. Auch darin zeigt die Jungfrau, daß sie den Glauben des Volkes Israel geerbt hat, dem Gott die Weisung gegeben hatte, „im Herzen“ sich all dessen zu erinnern, was er für es getan hat. Wir müssen aber feststellen, daß das „Gedenken“, gemäß der Bibel, in der Hauptsache dynamisch, aktualisierend ist, vorwärtstreibt. Und der Grund ist: das, was Gott in der Vergangenheit gewirkt hat, um seinem Volk zu helfen, ist die Garantie, daß er sich unter gegenwärtigen und zukünftigen Umständen genau so verhalten wird <8>), „denn seine Huld währt ewig“ <9>). Deshalb ist das Gedenken Mariens aktiv angesichts der Ereignisse und der Worte Jesu. Auf der einen Seite „bewahrt“ sie das Andenken an sie; auf der anderen Seite jedoch überlegt sie, um zu einem vertieften Verständnis zu gelangen, indem sie „darüber nachdenkt“ <10>), d. h„ sie versucht, ihnen einen rechten Sinn zu geben, sie recht zu verstehen. <8> Auch die Kirche lebt nach dem Beispiel Mariens, indem sie unaufhör- lich das erwähnt, was der Herr gesagt und getan hat. Der Apostel Paulus gab dem Apostel Timotheus diesen Auftrag: „Denk daran, daß Jesus Christus, der Nachkomme Davids, von den Toten auferstanden ist; so 146 AUDIENZEN UND ANGELUS Meine Gedanken gehen nun zu den Christen, Orthodoxen, Anglikanern und Protestanten, die ab heute bis zum 10. August in Vancouver (Kanada) zur VI. Generalversammlung des ökumenischen Rates der Kirchen zusammengetreten sind. Dieses Treffen zeugt von der starken Sehnsucht der Gläubigen nach der vollen Einheit, die unser Herr seiner Kirche gegeben hat. Die Berufung aller Christen zur Einheit ist nicht jedem freigestellt. Ihre Spaltung nämlich schmälert und schädigt das Zeugnis, das sie für das Evangelium vor der Welt geben (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1); darüber hinaus steht sie im Widerspruch zum klaren Willen des Herrn und zum Wesen der Kirche. Deshalb ist für die katholische Kirche, die sich entschlossen und unwiderruflich in der ökumenischen Bewegung einsetzt, die Suche nach der Einheit eine ihrer pastoralen Hauptanliegen. Sie will alle Wege nutzen, die zur Einheit führen und schon jetzt ein gemeinsames Zeugnis der Christen für Christus und sein Heilswerk ermöglichen können. Die katholische Kirche ist in Vancouver mit einer Delegation von 20 Beobachtern vertreten. Diejenigen, die sich zu dieser Versammlung begegnen, tun es im Namen Jesu Christi, des Lebens der Welt. Das ist ein Zeichen der Hoffnung. „Wenn wir Erlösung feiern, betreten wir ein Feld jenseits historischer Mißverständnisse und zufälliger Kontroversen und befinden uns auf dem gemeinsamen Boden unseres Christseins, d. h. Erlöstseins. Die Erlösung eint uns alle in der einen Liebe zu Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen“ (Weihnachtsansprache an die Kardi-näle und alle Mitarbeiter der Römischen Kurie vom 23. 12. 82). Darum lade ich euch, die ihr hier anwesend seid, und alle Katholiken in der Welt ein, für diese Versammlung zu beten. Gott segne ihre Arbeiten und bewirke, daß sie nach seinem Willen der guten Sache der Einheit und des Friedens unter den Christen und der ganzen Menschheitsfamilie dienen. Der Papst begrüßte die Pilger in verschiedenen Sprachen und sagte auf deutsch: Liebe Besucher deutscher Sprache! Für das auserwählte Volk offenbart sich Gott in seinem Tun; so hält es die Taten Gottes in seinem Gedächtnis lebendig. Als Tochter ihres Volkes hat auch Maria „in ihrem Herzen“ das Wirken Gottes „bewahrt und erwogen“. Sie kann uns helfen, das Wirken Gottes in der Heilsgeschichte und in unserem persönlichen Leben immer wieder zu bedenken. 147 AUDIENZEN UND ANGELUS Anmerkungen •) Lk2, 19; vgl. 2, 51b. 2) Vgl. Dt 7, 17-21. 3) Ps 136, lff. 4) Lk 2, 19 b: griechisch: symballousa. 5) 2 Tim 2, 8; 1, 14. 6) Lfc22, 19; 1 Kor 11, 24.25. Freiheit gegen die Moral endet in gegenseitiger Zerstörung Ansprache bei der Generalaudienz am 27. Juli 1. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe. Darum laßt uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts“ (Röm 13,12). Die Erlösung, das Geheimnis, über das wir in diesem Heiligen Jahr nachdenken und das wir in besonderer Weise leben wollen, hat den Menschen in einen neuen Zustand des Lebens versetzt, hat ihn innerlich verwandelt. Daher muß er die Werke der Finsternis ablegen, muß sich also im Licht wandelnd „rechtschaffen“ verhalten. Was für ein Licht ist es, in dem der leben soll, der erlöst worden ist? Es ist Gottes Gesetz: Jesus ist nicht gekommen, um dieses Gesetz aufzuheben, sondern um es zur endgültigen Erfüllung zu bringen (vgl. Mt 5, 17). Wenn der Mensch vom Moralgesetz hört, denkt er instinktiv an etwas, das sich seiner Freiheit entgegenstellt und sie zerstört. Andererseits findet sich jedoch jeder von uns völlig in den Worten des Apostels wieder, der schreibt: „Denn in meinem Inneren freue ich mich am Gesetz Gottes“ (Röm 7, 22). Es gibt eine tiefe Übereinstimmung zwischen der größten Wahrheit in uns und dem, was das Gesetz Gottes uns befiehlt, auch wenn, um noch einmal die Worte des Apostels zu gebrauchen, „ich aber ein anderes Gesetz sehe, das mit dem Gesetz meiner Vernunft im Streit hegt“ (ebd23). Die Frucht der Erlösung ist die Befreiung des Menschen aus dieser dramatischen Situation und seine Befähigung zu rechtschaffenem Verhalten, würdig für einen Sohn des Lichts. 148 AUDIENZEN UND ANGELUS „Gesetz meiner Vernunft“ 2. Man beachte: Der Apostel nennt das Gesetz Gottes „Gesetz meiner Vernunft“. Das Moralgesetz ist gleichzeitig Gesetz Gottes und Gesetz des Menschen. Um diese Wahrheit zu verstehen, müssen wir immer wieder in der Tiefe unseres Herzens zur höchsten Wahrheit des Credo zurückfinden: „Ich glaube an Gott Vater, ... den Schöpfer.“ Gott erschafft den Menschen, und dieser wird, wie jedes Geschöpf, von der Vorsehung Gottes getragen, denn der Herr verläßt kein Werk seiner Schöpferhände. Das bedeutet, daß er Sorge trägt für sein Geschöpf, es mit Stärke und Milde zu seiner eigentlichen Bestimmung leitet, in der es die Fülle seines Seins erreicht. Denn Gott neidet seinen Geschöpfen nicht das Glück, jedoch will er, daß sie in Erfüllung leben. Auch der Mensch, sogar gerade der Mensch, ist Gegenstand der göttlichen Vorsehung: Er wird von der göttlichen Vorsehung zu seiner letzten Bestimmung geleitet, zur Gemeinschaft mit Gott und den anderen Menschen im Ewigen Leben. In dieser Gemeinschaft erreicht der Mensch die Erfüllung seines Personseins. Es ist immer derselbe Regen, der die Erde befruchtet, es ist immer dasselbe Sonnenlicht, das in der Natur das Leben erweckt. Beide jedoch schränken nicht die Vielfalt der Lebewesen ein: Jedes von ihnen wächst gemäß seiner eigenen Art, auch wenn der Regen wie auch die Sonne identisch sind. Dies ist ein fahles Abbild der weisen Vorsehung Gottes: Diese leitet jedes Geschöpf in einer der Natur angemessenen Weise, die ihm eigen ist. Der Mensch ist als Mensch der Vorsehung Gottes unterworfen, d. h. als intelligentes und freies Wesen. Als solches ist er imstande, an der göttlichen Vorsehung teilzuhaben, indem er die wesentlichen Grundzüge erkennt, die in sein eigenes Menschsein eingeschrieben sind. Dieser Schöpfungsakt Gottes, den der Mensch erkannt und an dem er teilhat, ist das, was wir Moralgesetz nennen. Das Moralgesetz ist daher Ausdruck der Bedürfnisse des Menschen, der von der schöpferischen Weisheit Gottes erdacht und gewollt ist und in der Gemeinschaft mit Gott seine Bestimmung findet. 3. Dieses Gesetz ist das Gesetz des Menschen („das Gesetz meiner Vernunft“, sagt der Apostel), ein Gesetz, welches dem Menschen eigen ist: Nur der Mensch ist dem Moralgesetz unterworfen und eben darin liegt seine wahre Würde. Nur der Mensch hat - in seiner Eigenschaft als intelligentes und freies Wesen - an der Vorsehung Gottes Anteil und ist bewußt mit der schöpferischen Weisheit verbunden. Das Gesetz dieses Bundes ist nicht in erster Linie in Büchern zu finden, sondern in der 149 AUDIENZEN UND ANGELUS Vernunft des Menschen („das Gesetz meiner Vernunft“), in jenem Teil, dank dessen er als „Abbild und Ähnlichkeit Gottes“ geschaffen ist. „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder“ - sagt der Apostel Paulus - „Nur nehmt die Freiheit nicht zum Vorwand für das Fleisch, sondern dient einander in Liebe ... Wenn ihr einander beißt und verschlingt, dann gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt“ (Gal 5, 13 u. 15). Wird die Freiheit als vom Moralgesetz getrennte Macht gelebt, offenbart sich die zerstörerische Macht des Menschen: seiner selbst und der anderen. „Gebt acht, daß ihr euch nicht gegenseitig umbringt“, mahnt der Apostel. Die Absicht allein genügt nicht Das Ergebnis eines Gebrauchs der Freiheit gegen das Moralgesetz ist letztlich die gegenseitige Zerstörung. Anstatt sich daher der Freiheit entgegenzustellen, garantiert das Moralgesetz die Freiheit, macht sie nicht zu einer falschen Maske, sondern zu der wahren Freiheit: die Macht, das eigene Sein gemäß der Wahrheit zu verwirküchen. Diese Unterordnung der Freiheit unter die Wahrheit des Moralgesetzes darf sich allerdings nicht nur auf die Absichten unseres Tuns beschränken. Es genügt nicht, die Absicht zu rechtem Tun zu haben, damit unser Handeln objektiv richtig ist und mit dem Moralgesetz übereinstimmt. Man kann in der Absicht handeln, sich selbst zu verwirklichen und die anderen in Humanität wachsen zu lassen: aber die Absicht allein genügt nicht, damit wir oder die anderen in der Wirklichkeit durch unser Tun erkannt werden. Die durch das Moralgesetz ausgedrückte Wahrheit ist die Wahrheit des Seins, so wie dieses nicht von uns geplant und gewollt ist, sondern von Gott, der uns erschaffen hat. Das Moralgesetz ist das Gesetz des Menschen, weil es das Gesetz Gottes ist. Die Erlösung, die den Menschen wieder ganz zu seiner Wahrheit und Freiheit zurückführt, schenkt ihm auch die volle Würde seiner Person wieder. Die Erlösung stärkt so den Bund der menschlichen Person mit der schöpferischen Weisheit. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Gebote Gottes werden leicht mißverstanden - als Einschränkung und Beengung, gleichsam als würde uns Gott die Freuden des Lebens nicht gönnen. In Wirklichkeit will Gott unser Bestes, und seine Gebote zeigen uns, auf welchem Weg wir es erreichen können. Deshalb ist das Gesetz Gottes zugleich das Gesetz des Menschen, das Gesetz, das unserem 150 A UDIENZEN UND ANGEL US wahren, von ihm geschaffenen Wesen entspringt. „Gesetz meiner Vernunft“ nennt es der heilige Paulus. Versuchen wir also in aller Demut immer wieder zu erspüren, was sich aus dem Gesetz unserer Vernunft, aus dem Wesen des Menschen für unser Tun ergibt! Die gute Absicht allein bewahrt uns nicht vor Irrtum; wir können auch mit guter Absicht etwas tun, was in Wirklichkeit uns oder anderen schädlich ist. Die Erlösungstat Christi, die wir uns in diesem Heiligen Jahr besonders bewußt machen, befreit uns von der Tyrannei des Ungeordneten in uns und macht uns fähig, das wahrhaft Menschliche zu erkennen und zu tun. Dies läßt uns mit Paulus sprechen: „Dank sei Gott, durch Jesus Christus, unseren Herrn!“ (Röm 7, 25). Auch Maria fragt nach dem Warum Vor dem Angelus am 31. Juli Als Maria und Josef den Jesusknaben nach drei Tagen angstvoller Suche im Tempel wiederfanden, konnte seine Mutter die liebevolle Klage nicht zurückhalten: „Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht“ (Lk 2, 48). Es ist für uns tröstlich zu wissen, daß auch die Gottesmutter in einer Situation heftigen Schmerzes Jesus die Frage nach dem Warum stellt. Wir erkennen in ihren Worten ein Thema, das bereits in den Büchern des Alten Testaments immer wiederkehrt. Aus diesen verehrungswürdigen Schriften lernen wir, daß häufig das Gottesvolk, oder eines seiner Glieder, Prüfungen des Kreuzes durchleidet. In ähnlichen Umständen taucht die Frage auf: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Ps 22, 2) - „Warum schläfst du, Herr? ... Warum verbirgst du dein Gesicht, vergißt unsere Not und Bedrängnis?“ (Ps 44, 24 u. 25). Um auf dieses so sehr menschliche „Warum“ zu antworten, wendet sich der Psalmist der V er gangenheit des Volkes Israel zu, überdenkt er die Geschichte der Väter, insbesondere den Auszug aus Ägypten, und kommt zu folgendem Schluß: Auch diese wurden geprüft wie das Gold im Feuer, und doch rettete sie der Herr auf viele verschiedene Weisen und auf oft unerwarteten 151 AUDIENZEN UND ANGELUS Wegen; und so also, wie Gott, der Herr, treu ist, wird er auch jetzt wie einst das Heil schenken, auf die Art und Weise und zu dem Zeitpunkt, der ihm gefällt (Ps 22, 5-6; Sir 2, 10; 51, 8; Judit 8, 15-17, 26). So ging auch die selige Jungfrau - lehrt das Zweite Vatikanische Konzil -den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz (Lumen gentium, 58). Die Episode vom Wiederfinden im Tempel zeigt, daß sie nicht immer und nicht sofort das Verhalten des Sohnes verstehen konnte. Tatsächlich vermerkt Lukas, daß sowohl sie als auch Josef die Antwort Jesu nicht verstanden (Lk 2, 50). Trotzdem jedoch bewahrte Maria alles, was geschehen war, in ihrem Herzen (Lk 2, 51b). Dann werden die Tage kommen, an denen Jesus seinen Tod und seine Auferstehung ankündigt, wie ein Zeichen, von dem die Schriften gesprochen hatten (Lk 9, 22.43-44; 18, 31-33; 24, 6-7.26-27). Sie jedoch, sicherlich als wahre „Tochter Sion“, wird die schmerzensreiche Sendung des Sohnes mit den Augen des Glaubens verfolgt haben (vgl. Lk 11, 27-28). Wenn Gott im Geschick seines Volkes so viele Male die Ketten der Gerechten in der Bedrängnis gelöst hatte, kann er auch jetzt sein Versprechen einlösen, daß Christus von den Toten auf er stehen muß (vgl. Hebt 11, 19; Rom 4, 17). Das Verhalten Mariens inspiriert unseren Glauben. Wenn die Unwetter toben und alles unterzugehen droht, richtet uns das Gedächtnis an dem, was der Herr getan hat, wieder auf. Denken wir vor allem an den Tod und die Auferstehung Jesu; und sodann an die unzähligen Befreiungen, die Christus in der Geschichte der Kirche, in der Welt und in jedem einzelnen Gläubigen gewirkt hat. Auf diesem Hintergrund wird die Gewißheit fruchtbarer und froher entspringen, daß auch in der Gegenwart, so sehr sie bedrohlich wirkt, der Erlöser mit uns an Bord des gleichen Schiffes ist. Ihm gehorchen Wind und Meer (vgl. Mk 4, 41; Mt 8, 27; Lk 8, 25). Im Anschluß daran sagte der Papst: Ich möchte noch an einige schmerzliche Tatsachen der Gewalt erinnern, die in diesen Tagen in verschiedenen Teilen der Welt geschehen sind und zahlreiche Opfer gefordert haben. Es sind Nachrichten, die ihr vielleicht alle kennt, aber die ich erwähne, um euch zum gemeinsamen Gebet mir mir einzuladen. - Im Libanon, dem immer wieder gequälten Land, hören die Auseinandersetzungen bewaffneter gegensätzlicher Gruppierungen mit zahlreichen Toten und Verwundeten nicht auf. 152 AUDIENZEN UND ANGELUS - Woanders, in Paris, haben sich schwere Zwischenfälle des Terrorismus am Flughafen ereignet und wenige Tage darauf an einer diplomatischen Residenz in Lissabon, wobei unschuldige Menschen ihr Leben verloren haben und viele andere verletzt wurden. - Es sind nun zwei Tage her, daß in einem grauenhaften Blutbad in Palermo ein verdienter Richter und andere Personen bei der Ausübung ihrer Pflichten ermordet wurden. - Meine Aufmerksamkeit wendet sich schließlich den Spannungen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Singalesen und Tamilen in Sri Lanka zu. Wir müssen dafür beten, auf daß in diesen Bevölkerungsteilen der Geist des Verstehens und der Toleranz vorherrsche, der schon tief in ihren religiösen und kulturellen Traditionen verwurzelt ist, im Respekt der fundamentalen Grundsätze von Gerechtigkeit und Würde eines jeden Menschen. Die Christen - auch wenn sie nicht zahlreich sind -werden sicherlich nicht versäumen, in wirksamer Weise zur gewünschten Versöhnung beizutragen, indem sie ein Beispiel eines wahrhaften Dialogs geben, die wesentliche Bedingung für den sozialen Frieden. Erbitten wir vom Herrn Erbarmen für die Opfer und Tröstung für die von Trauer und Leid geschlagenen und getroffenen Familien. Beten wir, daß überall der Respekt für die fundamentalen Menschenrechte und die Suche nach friedlichen Konfliktlösungen die Oberhand gewinnen möge und jede Form von terroristischem oder unterdrückerischem Versuch zurückgedrängt werde. Laßt uns diese unsere Gebetsmeinungen der heiligsten Jungfrau anvertrauen, der Mutter des Friedensfürsten, auf daß sie mit ihrer Fürsprache unsere Bitten stärke. Nach dem Angelus sagte der Papst in deutscher Sprache: Liebe Pilger! Aus den Bedrängnissen dieses Lebens steigt immer wieder ein besonderes Wort zum Himmel, das Wort „warum?“ „Herr, warum läßt du das geschehen?“ Diese Frage durchzieht die Gebete Israels. In ihnen findet sie aber auch die Antwort; sie heißt: „Gott hat doch immer alles zum Guten gewendet!“ — So empfand auch Maria in den Stunden des Nichtverstehens. „Mein Kind, warum hast du uns das getan?“, fragt sie den Zwölfjährigen, den sie mit Josef so schmerzlich gesucht hatte. Verbieten wir uns nicht dieses „Warum?“, aber lenken wir es hin zu Gott - er hat uns noch immer geholfen! 153 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Gesetz des erlösten Menschen Ansprache bei der Generalaudienz vom 3. August 1. „Denn das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus hat dich freigemacht vom Gesetz der Sünde und des Todes . . . dies tat er, damit die Forderungen des Gesetzes durch uns erfüllt werden, die wir nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben“ (Röm 8, 2 u. 4). Nach dem Geist leben, und so unser Leben in Übereinstimmung mit Gottes Willen führen, ist eine Frucht , der Erlösung, des großen Mysteriums, das wir in diesem außerordentlichen Heiligen Jahr feiern. Der Heilige Geist ist das Geschenk par excellence, das der Erlöser dem macht, der sich im Glauben an ihn wendet; der Geist, wie der Apostel schreibt, ist das Gesetz des erlösten Menschen. Was bedeutet es, wenn wir sagen: „Das Gesetz des erlösten Menschen ist der Heilige Geist?“ Es bedeutet, daß in der „neuen Kreatur“, der Frucht der Erlösung der Geist Einkehr gehalten hat, indem er eine Gottesgegenwart verwirklicht, die viel enger ist als diejenige, die sich aus der Schöpfung ergab. Es handelt sich nämlich nicht nur um das Geschenk der Existenz, sondern auch um das Geschenk des Lebens Gottes selbst, des Lebens, gelebt von den drei Personen in der Trinität. Der Mensch, in dessen spiritueller Tiefe der Geist seinen Aufenthalt genommen hat, ist erleuchtet in seiner Intelligenz und bewegt in seinem Willen, damit er begreife und erfülle, was „der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12, 2). Auf diese Weise wird die alte Weissagung verwirklicht: „Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (Jer 31, 33). Und ferner: „Ichlege meinen Geist in euch hinein und bewirke, daß ihr nach meinen Gesetzen lebt und meine Gebote achtet und erfüllt“ (Ez 36, 27). 2. Mit dem Akt selbst, mit dem Gott den Menschen schafft, legt er sein Gesetz in das Herz des Menschen hinein. Das persönliche Sein des Menschen ist ausgestattet mit einer ihm eigenen Ordnung, ist ausgerichtet auf die Verbindung mit Gott und mit den anderen menschlichen Personen. Mit einem Wort: Es ist ausgestattet mit einer ihm eigenen Wahrheit, der die Freiheit untergeordnet ist. Im Status der „ursprünglichen Gerechtigkeit“ ist diese Subordination voll verwirklicht. Der Mensch erfreute sich einer vollkommenen Freiheit, weil er das Gute wollte: Er wollte es nicht auf Grund einer äußeren Auflage, sondern gemäß einer „inneren 154 A UDIENZEN UND ANGEL US Übereinstimmung“ seines Willens mit der Wahrheit seines Seins, geschaffen von Gott. Als Folge seiner Auflehnung gegen Gott ist im Menschen das Band zwischen Freiheit und Wahrheit gerissen, und das Gesetz Gottes geriet in Konflikt mit seiner eigenen Freiheit. Es war das Herz der Person selbst, das gespalten wurde. Auf der einen Seite wird sie in ihrer freien Subjektivität dazu gebracht, Böses zu tun und sich - als einzelne oder als Gemeinschaft - in ihrem Verhalten gegen die Schöpfungsweisheit Gottes zu stellen. Anderseits aber hat die Sünde nicht völlig die Wahrheit und Gutheit des Seins zerstört, die der Mensch durch den Schöpfungsakt als Gut anvertraut bekam. Er sehnt sich danach, mit den tiefen Wurzeln des eigenen Seins in Harmonie zu bleiben. Jeder von uns empfindet dieses Gespaltensein, das sich in unserem Herzen als Kampf zwischen Gut und Böse bemerkbar macht. Das Resultat:. Wenn der so beschaffene Mensch den bösen Neigungen nachgibt, wird er zu ihrem Sklaven; wenn er hingegen das Gesetz Gottes befolgt, erfährt er diesen Gehorsam als Unterwerfung unter ein äußeres Gebot, also nicht als Akt vollkommener Freiheit. 3. Es ist das Geschenk des Geistes, das uns befreit zur wahren Freiheit, indem er selbst unser Gesetz wird. Die menschliche Person handelt in Freiheit, wenn ihre Aktionen wirklich und vollkommen vom eigenen Ich her entstehen; wenn sie Handlungen der Person sind und nicht nur solche, die sich in der Person ereignen. Der Geist, der im Herzen des erlösten Menschen weilt, formt die Subjektivität der Person um und bringt sie in Übereinstimmung mit Gottes Gesetz und seiner Heilsökonomie. Das Wirken des Geistes ermöglicht also, daß das Gesetz Gottes, die unveränderlichen Forderungen der Wahrheit unseres erschaffenen und erlösten Seins zutiefst unsere personale Subjektivität in einer Weise durchdringen, daß, wann immer man sich im Handeln ausdrückt und verwirklicht, man dies nur in der Wahrheit kann. Der Geist ist der Geist der Wahrheit. Er führt uns in die Wahrheit ein oder - noch besser -, er führt die Wahrheit immer tiefer in unser Sein hinein: Die Wahrheit wird immer mehr in unsere Person integriert, so daß sich unsere Freiheit gleichsam in tiefer Freude und spontan ihr unterordnet. 4. Was ist es schließlich, das den Menschen, in dem der Geist wohnt, so eng und somit so zutiefst frei an das Gute bindet? Es ist die Tatsache, daß der Geist in unseren Herzen die Liebe ausströmt. Wohlgemerkt:. Die Liebe ist nicht irgendeine. Es ist die, welche Gott selbst in uns gegenwärtig 155 AUDIENZEN UND ANGELUS hält als Freund, als unser ewiger Begleiter. Keine Handlung ist freier als eine solche, die in Liebe ausgeführt wird. Ebenso ist nichts zwingender als die Liebe. Der hl. Thomas schreibt: „Genau dies ist der Freundschaft eigen: die geliebte Person in dem, was sie will, zufriedenzustellen . . . Deshalb hat uns der Geist zu Liebenden Gottes gemacht, vom selben Geist sind wir gedrängt, seine Gebote zu erfüllen“ (Summa contra gentes, IV, 22). Hier liegt die Definition dessen, was wir als Ethos der Erlösung und der Freiheit bezeichnen: das Ethos, welches seinen Ursprung im Geschenk des Geistes hat, der in uns wohnt; es ist die Freiheit dessen, der tut, was er will, indem er das tut, was er tun muß. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Ich begrüße euch herzlich bei dieser Audienz. Im Jubiläumsjahr der Erlösung wollen wir bedenken, was die Erlösung in unserem Herzen bewirkt. Unser Herz ist geteilt. Auf der einen Seite empfindet es das Gute als einen lästigen Zwang. Anderseits fühlt es eine tiefe Sehnsucht nach dem Guten. Diese Sehnsucht wird durch die Erlösung erfüllt. Der Heilige Geist, der durch die Erlösung in unseren Herzen wohnt, öffnet unser Denken und Wollen für das Gute; er läßt uns verstehen, daß es uns weit und frei macht. Er läßt uns das Gute in Freude tun - in Liebe zu unserem Schöpfer, der es aus Liebe als sein Gesetz in unser Herz gelegt hat. Öffnen wir uns diesem Wirken des Geistes! Er ist der Geist der Wahrheit. Er führt uns ein in die tiefste Wahrheit unseres Wesens: in unsere Berufung zur Gemeinschaft mit Gott und miteinander; und er macht es für unsere Freiheit schön und leicht, diese Berufung zu bejahen. Das schenke er uns gerade in diesem Heiligen Jahr! Mutter des Neuen Jerusalem Vor dem Angelus am 7. August 1. Der Impuls, den das Zweite Vatikanische Konzil der ökumenischen Bewegung gegeben hat, läßt uns auf Maria blicken, „Mutter der Einheit“ und „Mutter der versprengten Söhne Gottes“. 156 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Alten Testament sind die „versprengten Söhne Gottes“ die in fremdem Land verbannten, insbesondere in Babylon. Der Herr hat sie zerstreut unter die Völker wegen ihrer Sünden (Dtn 4, 25-27; 28, 62-66), jedoch wenn sie sich wieder den Worten der Propheten zuwenden (Dtn 4, 29-31; 30, 1-6), holt sie Gott aus der Verstreuung und läßt sie in ihr Land zurückkehren. Der Tempel von Jerusalem, aus den Ruinen erbaut, ist der bevorzugte Ort solcher Wiedervereinigung (Ez 37, 21.26-28; 2 Makk 1, 27-29; 2, 18). Unter seinen Gewölben beten die Bekehrten, die Glieder eines neuen Bundes geworden sind, den selben Herrn an; und Jerusalem wird „universelle Mutter“ dieser zahllosen Söhne, die Jahwe, ihr Bräutigam, in ihre Mauern geleitet hat (Jes 49, 21; 60, 1-9; Ps 87; Tob 13, 11-13). Dieser Mauergürtel in der Tat versinnbildlicht einen Mutterschoß, der den Tempel und mit ihm alle umschließt, die sich dort versammeln, um den Einen Gott anzubeten. Es ist vor allem der Evangelist Johannes, der im Licht der von Christus bewirkten Erlösung diese Themen wieder aufnimmt, die im alten Bund vorbereitet sind. Es ist Jesus, der mit seinem Tod die versprengten Söhne Gottes in der Einheit versammelt (Joh 11, 51-52). Die „Versprengten“ nun sind alle Menschen, soweit sie Opfer des Bösen sind, das beraubt und verstreut (Joh 10, 12). Sie können jedoch „Söhne Gottes“ werden, wenn sie Christus und sein Wort aufnehmen (Joh 1, 12; 1 Joh 5, 1). Und Christus versammelt die versprengte Menschheit in einem anderen Tempel, nämlich in seiner eigenen Person, die den Vater offenbart und die Menschen zur vollkommenen Einheit mit ihm bringt (Joh 10, 30; 17, 21). Und das wahre Jerusalem ist aus der Herde seiner Jünger gebildet, nämlich der Kirche, in der Jesus Juden und Heiden zusammenführt (Joh 10, 16; 11, 51-52; 12, 32-33). Von diesem Neuen Jerusalem ist Maria die Mutter; „Blick auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir“, sagt der Prophet zum alten Jerusalem (Jes 60, 4 [LXX]). „Frau, siehe, dein Sohn!“, sagt Jesus zu seiner Mutter, als er vom Kreuz herab ihr den geliebten Jünger anempfiehlt (Joh 19, 26), der alle seine Jünger aller Zeiten repräsentierte. 3. Daher bitten wir die Mutter Gottes und der Menschen in empfindsamer Achtsamkeit gegenüber den ökumenischen Forderungen des Konzils und in Gemeinschaft mit unseren Brüdern, den Mitgliedern des Ökumenischen Kirchenrates in Vancouver, „auf daß alle Völkerfamilien ... in Frieden und Eintracht glückselig zum einen Gottesvolk versammelt wer- 157 A UDIENZEN UND ANGEL US den, zur Ehre der heiligsten und ungeteilten Dreifaltigkeit“ (Lumen gentium, 69). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wenn wir in diesen Tagen für die Beratungen des Weltkirchenrates in Vancouver beten, dann liegt es nahe, beim heutigen Angelus Maria als die Mutter der Einheit anzurufen. Wie Gott die zerstreuten Kinder Israels in die mütterliche Stadt Jerusalem versammelte, so möge er alle Christen und schließlich die ganze Menschheit unter Marias mütterlichem Wirken in seiner Kirche zur ersehnten Einheit führen. Mutter der Einheit, bitte für uns! Nach dem Angelus sagte der Papst: Gestern, am 6. August, am Fest der Verklärung des Herrn, haben wir der unvergeßlichen Gestalt meines geliebten Vorgängers Pauls VI. gedacht, genau fünf Jahre nach seinem Tod. Ich möchte auch jetzt das hebe Andenken an diesen Papst wachrufen, der sich selbst ganz für den Dienst der Kirche verausgabt hat. Wie nur wenige hat er es verstanden, sie zu heben, zu loben, zu verteidigen und darzustellen mit einer geduldigen und gelehrten Katechese, indem er ihre innerste Natur, die sichtbare und unsichtbare Wirklichkeit, die äußere Struktur und ihre innere Lebenskraft darlegte, die ihr Stärke und Wirksamkeit verleiht. Nun ist er in der Einheit mit dem in der Auferstehung verklärten Christus: Wir freuen uns, ihn so zu sehen, während wir den himmlischen Vater bitten, daß er nicht ablasse, ihn mit seinem Licht zu überfluten und uns gewähre, seinen Lehren und seinem Beispiel zu folgen, die uns bis heute erbauen. „Ihr seid zur Freiheit berufen“ Ansprache bei der Generalaudienz am 10. August 1. „Ihr seid zur Freiheit berufen, Brüder“ (Gal 5, 13). Die Erlösung versetzt uns in einen Zustand der Freiheit, die eine Frucht der Gegenwart des Geistes in uns ist, denn „wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit“ (2 Kor 3, 17). 158 A UDIENZEN UND ANGELUS Diese Freiheit ist Geschenk und Aufgabe zugleich, Gnade und Imperativ. Denn im gleichen Augenblick, in dem der Apostel uns daran erinnert, daß wir zur Freiheit berufen sind, macht er uns auch auf die Gefahr aufmerksam, die uns droht, wenn wir schlechten Gebrauch von ihr machen: „Nur nehmt die Freiheit - mahnt er - nicht zum Vorwand für das Fleisch“ (Gal 5, 13). „Fleisch“ bedeutet nach paulinischer Ausdrucksweise nicht „menschlicher Leib“, sondern die ganze Person des Menschen, insofern sie diesen falschen Werten unterworfen und in ihnen befangen ist, Werten, die mit verführerischen Versprechungen eines dem Anschein nach volleren Lebens den Menschen anziehen (vgl. Gal 5, 13; 6, 10). 2. Das Kriterium zur Unterscheidung, ob der Gebrauch, den wir von unserer Freiheit machen, unserer Berufung zum Freisein entspricht, oder ob er in Wirklichkeit einen Rückfall in die Sklaverei darstellt, ist unsere Unterordnung oder Nicht-Unterordnung unter die Liebe, das heißt unter die Forderungen, die sich aus ihr ergeben. Von grundlegender Bedeutung ist die Feststellung, daß dieses Unterscheidungsmerkmal uns im Leben Christi geschenkt wird: Die Freiheit Christi ist die wahre Freiheit, und unsere Berufung zur Freiheit ist eine Berufung zur Teilnahme an der Freiheit Christi. Christus lebte in voller Freiheit, weil er in radikalem Gehorsam gegenüber dem Vater „sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (7 Tim 2, 6). Das ist die Botschaft des Heils. Christus ist vollkommen frei gerade im Augenblick seiner äußersten Unterordnung und seines totalen Gehorsams gegenüber der heilschenkenden Liebe des Vaters: im Augenblick seines Todes. „Ihr seid zur Freiheit berufen“, sagt der Apostel. Wir sind der Freiheit Christi selbst teilhaftig geworden: der Freiheit, sich selbst hinzugeben. Der vollkommene Ausdruck der Freiheit ist das Verbundensein in der wahren Liebe. Vor jedem Menschen hat sich nach dieser Berufung der Raum einer entscheidenden und dramatischen Alternative auf getan: die Wahl zwischen einer (Pseudo-)Freiheit in persönlicher oder kollektiver Selbstbehauptung gegen Gott und gegen die andern - und einer wahren Freiheit der Selbsthingabe an Gott und die anderen. Wer die Selbstbehauptung wählt, bleibt unter der Knechtschaft des Fleisches, fern von Gott. Wer die Selbsthingabe wählt, lebt schon das ewige Leben. 3. Die wahre Freiheit ist jene, die der Liebe untergeordnet ist, denn — so lehrt uns der Apostel - „die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes“ (Röm 13, 10). Das läßt uns aufs neue verstehen, daß es für den Apostel im gerechtfertigten Menschen keinen Gegensatz zwischen Freiheit und Sit- 159 AUDIENZEN UND ANGELUS tengesetz gibt. Und der Grund besteht gerade darin, daß die Liebe die Erfüllung des Gesetzes ist. Der letzte Sinn jeder sittlichen Norm ist die Liebe; jede sittliche Norm drückt nur eine Forderung der Wahrheit der Liebe aus. Dies ist ein sehr bedeutender Punkt des Ethos der Erlösung, ja einfach des menschlichen Ethos, und er ist es wert, daß wir ihm gleich noch mehr auf den Grund gehen. Wir alle, welcher Kultur auch immer wir angehören, definieren die Liebe als: „das Wohl der geliebten Peson wünschen“. Man beachte: der geliebten Person um deren selbst willen und nicht nur das Wohl dessen, der liebt. In diesem letzteren Fall wäre die Liebe ja in Wirklichkeit nichts anderes als die Tarnung einer eigennützig und hedonistisch gefärbten Beziehung zum anderen. Das Wohl der Person ist das, was diese ist: Es ist ihr Sein. Das Wohl wünschen heißt, wollen, daß der andere in der Fülle seines Seins sei. Deshalb ist der denkbar reinste Akt der Liebe der schöpferische Akt Gottes: Er bewirkt, daß jeder von uns einfach da ist. 4. Es besteht also ein unlösbarer Zusammenhang zwischen der Liebe zu einer Person und der Anerkennung der Wahrheit ihres Seins: Die Wahrheit ist das Fundament der Liebe. Man kann die Absicht haben, jemand zu lieben, aber man liebt ihn in Wirklichkeit nicht, wenn man nicht die Wahrheit seines Seins anerkennt. Man würde tatsächlich nicht den anderen lieben, sondern jenes Bild des anderen, das wir uns zurechtgemacht haben, und man würde sich so dem Risiko aussetzen, im Namen der Liebe zum Menschen die größten Ungerechtigkeiten zu begehen. Denn dieser Mensch wäre nicht der wirkliche, in der Wahrheit seines Seins, sondern der gedachte, den wir vom Fundament seiner objektiven Wahrheit losgelöst haben. Die sittlichen Normen sind die unabänderlichen Forderungen, die sich aus der Wahrheit eines jeden Seins ergeben. Jedes Sein verlangt anerkannt zu werden: Gott als Gott, Mensch als Mensch, die Dinge als Dinge. „Die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes“, lehrt der Apostel. Wie wahr ist diese Feststellung! Die Liebe ist die volle Verwirklichung jeder sittlichen Norm, weil sie das Wohl jedes Seins in seiner Wahrheit will: jener Wahrheit, deren normative Gewalt im Hinblick auf die Freiheit von den sittlichen Normen ausgedrückt wird. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Freiheit, zu der Jesus Christus uns erlöst hat, ist für uns Gabe und 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufgabe. Sie ist kein Freipaß zur Willkür, zu einem Leben unverbindlichen Vergnügens. Über der Freiheit steht die Liebe. Die Liebe richtet sich nicht nach der Laune - auch nicht nach der Laune des anderen. Sie tut, was für den anderen gut ist. Sie richtet sich nach dem Sein des anderen. Die moralischen Gebote finden in dieser Liebe ihre Begründung; und, aus Liebe befolgt, sind sie nicht eine Knechtung unserer Freiheit, sondern ihr Vollzug. In der liebenden Hingabe an Gott und im liebenden Dienst für den Nächsten findet unsere Freiheit ihre Vollendung. Das Heilige Jahr der Erlösung bestärke uns in dieser Freiheit! Ziel der vollbrachten Sendung Vor dem Angelus am 14. August in Castel Gandolfo 1. Seit den ältesten Zeiten wurde die Vigü des Festes der Aufnahme der seligen Jungfrau Maria in den Himmel in verschiedenen Formen, aber immer mit großer Feierlichkeit begangen. In diesem Jubiläumsjahr der Erlösung tritt dieses Fest besonders hervor, denn in der Verherrlichung, die der ohne Sünde empfangenen Mutter Gottes, der hochherzigen Gefährtin des Erlösers, an Seele und Leib zuteil wurde, ist das Erlösungswerk Christi, des Herrn, erstmals und auf höchst bedeutsame Weise zur vollen Auswirkung gekommen. Das endzeitliche Geheimnis, mit dem der geschichtliche Weg Mariens zum Abschluß kam, zeigt zwei grundlegende Aspekte; einen, der sich auf ihre Person bezieht, und einen, der auf Christus und sein Werk bezogen ist. Im Hinblick auf ihre Person stellt die Aufnahme in den Himmel für Maria das Ziel der im Heilsplan Gottes von ihr vollbrachten Sendung und die Krönung all ihrer Privilegien dar. Unter dem christologischen Aspekt ist die Glorie der Aufnahme in den Himmel und des Königtums Mariens die volle Verwirklichung jenes einzigartigen Ratschlusses göttlicher Vorherbestimmung, der das Leben, die Vorzüge und die Mitwirkung Mariens nicht nur an das irdische Leben und Wirken Christi, sondern auch an sein Königtum und seine himmlische Herrlichkeit band. 2. Die Aufnahme in den Himmel ist der eschatologische Abschluß der ständig fortschreitenden Gleichgestaltung mit Christus, die Maria auf 161 AUDIENZEN UND ANGELUS ihrem irdischen Weg durch die schwierigen Forderungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe führte, in voller Annahme und Verfügbarkeit für den Heilswillen Gottes und in großmütigem und verantwortlichem Dienst am Erlösungswerk des Sohnes. Mit Recht gedenkt die Kirche im Glauben und in der Liturgie dieses marianischen Dogmas, da ja in ihm in sehr bezeichnender Weise der Sieg Christi über die Sünde und ihre Folgen, über die Hinfälligkeit der Materie und die Vergänglichkeit der Zeit gefeiert wird. 3. In diesem Jubiläumsjahr der Erlösung werde ich die Freude haben, das Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel in Lourdes zu feiern, wo die Gottesmutter achtzehnmal der kleinen Bernadette erschienen ist. Dorthin werde ich heute nachmittag als Pilger kommen. Ich werde euch sehr dankbar sein, wenn ihr mich mit eurem Gebet begleiten wollt. Der bittere, quälende Schmerz über die bedrängenden Situationen, unter denen so viele Teile der Welt leiden, geht mit mir nach Lourdes: Ich denke besonders an die endlose Tragödie des Libanon und an die letzten traurigen Ereignisse in Chile. Ich bete, daß der Weg der Brüderlichkeit und der Weisheit wiedergefunden werde; ich bete besonders für die Opfer der Gewalt und für ihre Familien. Bei der Grotte von Massabielle werde ich euch und eure Anliegen ebenso wie die zahlreichen Nöte der Kirche und der Menschheitsfamilie der Mutter Gottes empfehlen. Auf deutsch sagte der Papst: Auch euren Blick, liebe Besucher deutscher Sprache, möchte ich hinlenken auf das morgige Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. In Maria hat sich auf volle und beispielhafte Weise verwirklicht, was Gott im Plan seiner Liebe jedem Menschen verheißt, der mit ganzer Kraft und mit treuem Herzen nach dem Willen Gottes lebt. Bei meinem morgigen Besuch in Lourdes werde ich auch euer Leben der mütterlichen Führung Mariens im Gebet anvertrauen. 162 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Gewissen bilden nach der Lehre der Kirche Ansprache bei der Generalaudienz am 17. August 1. Die Worte des Apostels, die wir soeben hörten, beschreiben die Aufgabe, zu der das Gewissen des Menschen berufen ist: „zu prüfen und zu erkennen, was der Wille Gottes ist, was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“. In unseren Überlegungen zum Ethos der Erlösung wollen wir heute „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen“ betrachten, „wo er allein ist mit Gott“, wie das Zweite Vatikanische Konzil das Gewissen des Menschen definiert (Gaudium et spes, Nr. 16). Ein inneres Auge Was meint der Apostel, wenn er in diesem Bereich von „Prüfen und Erkennen“, von Unterscheidung spricht? Wenn wir unserer inneren Erfahrung Aufmerksamkeit schenken, stellen wir fest, daß sich in uns eine geistige Tätigkeit vollzieht, die wir wertbeurteilende Tätigkeit nennen könnten. Kommt es nicht oft vor, daß wir denken oder sagen: „Das ist richtig, das ist nicht richtig?“ Es gibt also in jedem von uns so etwas wie ein sittliches Empfinden, das uns unterscheiden läßt, was gut und was böse ist, geradeso wie es ein ästhetisches Empfinden gibt, das uns das Schöne vom Häßlichen unterscheiden läßt. Es ist wie ein inneres Auge, ein Sehvermögen des Geistes, das fähig ist, unsere Schritte auf dem Weg des Guten zu leiten. Aber die Worte des Apostels haben eine noch tiefere Bedeutung. Die Tätigkeit des sittlichen Empfindens betrifft nicht nur das, was ganz allgemein gut und böse ist. Seine Unterscheidung richtet sich jeweils auf die eine und konkrete freie Handlung, die wir vollziehen wollen oder vollzogen haben. Uber diese spricht das Gewissen zu uns, und über diese gibt uns das Gewissen das Werturteil ab: „Was du da tust (oder getan hast), du, in deiner unwiederholbaren Einmaligkeit - so sagt uns das Gewissen ist gut oder ist böse.“ 2. Woher nimmt das Gewissen die Wertmaßstäbe zu seinem Urteil? Aufgrund wessen beurteilt unser Gewissen die Handlungen, die wir vollziehen wollen oder vollzogen haben? Hören wir aufmerksam auf die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die höchste Norm des menschlichen Lebens ist das göttliche Gesetz selber, das ewige, objektive 163 AUDIENZEN UND ANGELUS und universale, durch das Gott nach dem Ratschluß seiner Weisheit und Liebe die ganze Welt und die Wege der Menschengemeinschaft ordnet, leitet und regiert. . . Nun aber werden die Gebote des göttlichen Gesetzes vom Menschen durch die Vermittlung des Gewissens erkannt und anerkannt; ihm muß er in seinem gesamten Tun in Treue folgen, damit er zu Gott, seinem Ziel, gelange“ (Dignitatis humanae, Nr. 3). „Allein mit Gott“ Über diese so dichten und lichtvollen Worte wollen wir aufmerksam nachdenken. Das Gewissen ist kein autonomer Richter über unser Handeln. Die Wertmaßstäbe für seine Urteile entnimmt es jenem „ewigen, objektiven und universalen göttlichen Gesetz“, jener „unveränderlichen Wahrheit“, von der der Konzilstext spricht, jenem Gesetz und jener Wahrheit nämlich, die die Intelligenz des Menschen in der Seinsordnung entdecken kann. Deshalb sagt das Konzil, der Mensch sei in seinem Gewissen „allein mit Gott“. Man beachte: Der Text beschränkt sich nicht darauf, festzustellen: „Er ist allein“, sondern er fügt hinzu: „mit Gott“. Das Gewissen schließt den Menschen nicht in eine unüberschreitbare und undurchdringliche Einsamkeit ein, sondern öffnet ihn für den Ruf, für die Stimme Gottes. Auch das Gewissen kann irren Darin und in nichts anderem besteht das ganze Geheimnis und die Würde des sittlichen Gewissens: daß es nämlich der Ort ist, der heilige Raum, in dem Gott zum Menschen spricht. Daraus folgt, daß der Mensch, wenn er nicht auf sein Gewissen hört, wenn er zuläßt, daß der Irrtum sich in ihm festsetzt, das Band der innersten Bindung an seinen Schöpfer zerreißt. 3. Wenn das Gewissen nicht die letzte Instanz zur Unterscheidung von Gut und Böse ist, sondern sich nach der unwandelbaren Wahrheit des Sittengesetzes richten muß, so folgt daraus, daß es kein unfehlbarer Richter ist: Es kann irren. Dieser Punkt bedarf heute besonderer Aufmerksamkeit: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“, lehrt der Apostel, „sondern wandelt euch und erneuert euer Denken“ (Röm 12, 2). In die Urteile unseres Gewissens nistet sich immer die Möglichkeit des Irrtums ein. Die Folgen, die sich aus einem solchen Irrtum ergeben, sind sehr ernst. Wenn der Mensch seinem irrigen Gewissen folgt, ist sein Handeln nicht richtig, es ist nicht die 164 AUDIENZEN UND ANGELUS objektive Verwirklichung dessen, was zum Wohl des Menschen dient, einfach deshalb, weil das Urteil des Gewissens nicht die letzte moralische Instanz ist. Gewiß, „nicht selten geschieht es“ - wie das Konzil unmittelbar darauf genauer darlegt - „daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt“ (Gaudium et spes, Nr. 16). In diesem Fall „verliert es nicht seine Würde“ (vgl. ebd.), und der Mensch, der diesem Urteil folgt, sündigt nicht. Der gleiche Konzilstext fährt jedoch fort: „Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum bemüht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch die Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird“ (ebd.). Suche unermüdlich die Wahrheit Es genügt also nicht, dem Menschen zu sagen: „Folge immer deinem Gewissen.“ Man muß unbedingt sogleich und immer hinzufügen: „Frage dich, ob dein Gewissen das Wahre oder das Falsche sagt, und suche unermüdlich die Wahrheit kennenzulernen!“ Ohne diese notwendige genauere Bestimmung liefe der Mensch Gefahr, in seinem Gewissen eine sein echtes Menschsein zerstörende Kraft zu finden anstatt den heiligen Ort, wo Gott ihn sein wahres Wohl erkennen läßt. Es ist notwendig, sein Gewissen zu bilden. Der Glaubende weiß, daß er bei dieser Aufgabe besondere Hilfe in der Lehre der Kirche findet. „Denn nach dem Willen Christi ist die katholische Kirche die Lehrerin der Wahrheit; ihre Aufgabe ist es, die Wahrheit, die Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren, zugleich auch die Prinzipien der sittüchen Ordnung, die aus dem Wesen des Menschen selbst hervorgehen, autoritativ zu erklären und zu bestätigen“ (Dignitatis humanae, Nr. 14). Erbitten wir von Christus, unserem Erlöser, inständig die Gnade, „prüfen und erkennen zu können, was der Wille Gottes ist, was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“, das heißt, das Geschenk, in der Wahrheit zu sein, um die Wahrheit zu tun. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Um in seinem sittlichen Leben zwischen Gut und Böse zu unterscheiden, besitzt der Mensch das Gewissen. Es ist jedoch nicht autonom in seinem Urteil, sondern nimmt seine Kriterien von der ewigen Wahrheit Gottes. Der menschliche Geist ist fähig, diese aus der Schöpfungsordnung zu erkennen. Deswegen ist das Gewissen der Ort, wo der Mensch, wie das 165 AUDIENZEN UND ANGELUS Konzil sagt, „allein mit Gott ist“; wo Gott zum Menschen spricht. Darin liegt seine Würde begründet. Das Gewissen kann zwar auch irren. Wer aber einem unüberwindlich irrigen Gewissen folgt, sündigt nicht. Der Mensch ist jedoch stets verpflichtet, sein Gewissensurteil nach der göttlichen Wahrheit auszurichten. Die Lehre der Kirche bietet ihm hierfür eine zuverlässige Hilfe. Ich grüße alle hier anwesenden Pilger sehr herzlich und erbitte ihnen die Gnade, daß sie mit einem lauteren Gewissen stets prüfen und erkennen können, was der Wille Gottes ist. Dazu segne ich Euch alle von Herzen! Abbild der Kirche Vor dem Angelus am 21. August 1. Wir haben nun vor einigen Tagen das Geheimnis der unmittelbaren persönlichen Verherrlichung der Mutter und Helferin des Erlösers gefeiert, die gleich nach Ablauf ihres irdischen Lebens erfolgte. Die gesamte Kirche hat mit Freude dieses Privilegs der hl. Jungfrau gedacht, auch weil sie darin über das vollendete Bild jener letztendlichen Bestimmung in Herrlichkeit nachdenkt, der sie selbst entgegengeht. Mit der Aufnahme Mariens hat die Verherrlichung der gesamten Kirche Christi ihren Anfang genommen, die ihre Vollendung am letzten Tag der Geschichte haben wird. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Bezug der Aufnahme Mariens in den Himmel auf die Kirche unterstrichen. Die unbefleckte Jungfrau von Nazaret ist nicht nur das erste und makellose Glied der Kirche in der Geschichte, sondern stellt auch mit ihrer unmittelbaren Verherrlichung den Beginn und das fehlerlose Abbild der Kirche im neuen Zeitalter dar. Die in den Himmel Aufgenommene hat in Zeit und Geschichte die Bedeutung eines eschatologischen Zeichens für die Hoffnung des pilgernden Gottesvolkes, solange sich nicht der Tag des Herrn erfüllt. Das Konzil hat uns sagen wollen, als es die Gottesmutter als Anfang und Abbild der triumphierenden Kirche bezeichnete, daß mit der Aufnahme Mariens in den Himmel die Parusie der Kirche bereits begonnen hat, d.h. also das Offenbarwerden des mystischen Leibes in seiner vollendeten und vollkommenen Wirklichkeit. 2. Im Heilsplan Gottes hat dieses Ereignis, das in verschiedener Hinsicht einzigartig ist, endgültige Zeichenhaftigkeit für das gesamte Gottesvölk: 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeichen der sicheren Hoffnung für das vollständige Erreichen des Reiches Gottes. Gestärkt von diesem glorreichen Zeichen wartet die Kirche auf ihrem Weg durch die Geschichte auf die eigene endgültige Verwirklichung nicht nur in passiver oder sich entfremdender Haltung, sondern im Bemühen, ihr historisches Wesen inmitten der Ereignisse der Welt zu entfalten. Dabei weiß sie, daß sie zu jedem Augenblick auf die Fürsprache Mariens, der in die Herrlichkeit des Himmels Aufgenommenen, rechnen darf. Als sie der Herr in diesen Stand des Privilegs erhob, wollte er, daß sie in der Lage sei, in der Kirche und für die Kirche diese mütterliche Funktion zugunsten der Menschen fortzusetzen, die sie bereits in ihrem historischen Leben an der Seite Christi, des Erlösers, begonnen hatte. Und niemals haben wir sie so sehr wie heute als unsere Mutter und unsere Helferin empfunden. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Besucher deutscher Sprache! Das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, das wir am Montag feierten, stellt uns lebendig vor Augen, was unser aller Ziel ist: die Teilnahme an der Herrlichkeit des Gottmenschen mit Leib und Seele. In Maria hat die neue Schöpfung schon begonnen. In mütterlicher Liebe hilft sie uns auf dem Weg in die Vollendung. Jeden einzelnen von Euch empfehle ich ihrem treuen Schutz. Eine ,, Verwandtschaft“ mit dem Guten Ansprache bei der Generalaudienz am 24. August 1. „Wir sollen nicht mehr unmündige Kinder sein, ein Spiel der Wellen, hin und her getrieben von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert, der Verschlagenheit, die in die Irre führt“ (Eph 4, 14). Meine Lieben, der Apostel Paulus ruft uns mit diesen Worten in Erinnerung, daß wir im Glauben mündige Menschen sein müssen, reif im Urteil und mit einem Gewissen ausgestattet, das fähig ist, Urteile zu fällen, die „von der Liebe geleitet“ sind und sich „an die Wahrheit halten“ (ebd15). Eine wesentliche Aufgabe ist die Gewissensbildung. Der Grund ist sehr einfach: Unser Gewissen kann irren. Und wenn der Irrtum in ihm 167 AUDIENZEN UND ANGELUS vorherrscht, wird er Ursache zu größtem Schaden für die Person des Menschen: Er verhindert es, daß der Mensch durch Unterordnung seines freien Handelns unter die Wahrheit sich selbst verwirklicht. Der Weg zu einem reifen Gewissen kann jedoch auch nicht beschritten werden, wenn der Geist nicht von einer tödlichen, heute sehr verbreiteten Krankheit frei ist: der Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit. Wie könnte uns denn auch etwas daran liegen, daß die Wahrheit in unserem Gewissen wohne, wenn wir das In-der-Wahrheit-Sein nicht als einen Wert betrachten, der für den Menschen von entscheidender Bedeutung ist? Gleichgültig gegenüber der Wahrheit 2. Zahlreich sind die Symptome dieser Krankheit. Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit zeigt sich zum Beispiel darin, daß man der Ansicht ist, im ethischen Bereich seien Wahrheit und Falschheit nur eine Frage des Geschmacks, der persönlichen Entscheidung sowie kultureller und sozialer Bedingungen. Oder es genüge zu tun, was wir denken, ohne uns weiter darum zu sorgen, ob das, was wir denken, wahr oder falsch ist. Oder wir meinen, ein gottgefälliges Leben hänge gar nicht ab von der Wahrheit dessen, was wir von ihm denken, es komme nur darauf an, daß wir aufrichtig an das glauben, was wir bekennen. Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit besteht ferner darin, die Suche nach der Wahrheit für wichtiger zu halten, als tatsächlich zu ihr hinzufinden, da sie sich letztlich unerreichbar entziehe, und so verwechselt man folglich auch die jedem Menschen, unabhängig von seiner Einstellung, geschuldete Achtung mit der Leugnung einer objektiven Wahrheit. Wenn ein Mensch in diesem Sinn gleichgültig gegen die Wahrheit ist, denkt er nicht daran, sein Gewissen zu bilden, und früher oder später wird er die Treue zu seinem Gewissen mit der Anhänglichkeit an irgendeine persönliche Meinung oder an die Meinung der Mehrheit verwechseln. Woher kommt diese äußerst schwere geistige Krankheit? Ihr Ursprung ist letztlich der Stolz, der nach der moralischen Tradition der Kirche die Wurzel alles Bösen im Menschen ist. Der Stolz bringt den Menschen dazu, sich für den höchsten Schiedsrichter zu halten und sich die Entscheidungsgewalt über das, was wahr und was falsch ist, anzumaßen. Er leugnet, im Hinblick auf unsere geschaffene Vernunft, die Transzendenz der Wahrheit und bestreitet folglich die Pflicht, sich dieser Wahrheit zu öffnen und sie als Geschenk, das uns vom unerschaffenen Licht gegeben wird, anzunehmen - und nicht etwa als unsere eigene Erfindung. Es tritt also klar in Erscheinung, daß der Ursprung der Gleichgültigkeit 168 AUDIENZEN UND ANGELUS gegen die Wahrheit in der Tiefe des menschlichen Herzens seinen Sitz hat. Man findet die Wahrheit nicht, wenn man sie nicht liebt, man erkennt die Wahrheit nicht, wenn man sie nicht kennenlernen will. 3. Von der Liebe geleitet, uns an die Wahrheit zu halten, dazu lädt uns der Apostel ein. Wir haben die Liebe zur Wahrheit als Ausgangspunkt für die Gewissensbildung erkannt. Nun können wir dazu noch ein paar wichtige Punkte herausstellen. Zum Bußsakrament zurückkehren Als eine der positiven Auswirkungen wird von diesem außerordentlichen Heiligen Jahr erwartet, daß man in der Kirche wieder zum eifrigen Empfang des Bußsakramentes zurückkehrt. Gerade im Bereich unserer heutigen Überlegungen wird der Ruf nach diesem Sakrament besonders bedeutungsvoll. Die Bekehrung des Herzens ist ja das kostbarste Geschenk dieses gnadenvollen Geschehens. Das zum Herrn und zur Liebe des Guten bekehrte Herz ist die letzte Quelle wahrer Gewissensurteile. Denn - vergessen wir nicht - um konkret das Böse vom Guten zu unterscheiden, genügt es nicht - auch wenn das notwendig ist -, das allgemeine Sittengesetz zu kennen, sondern es muß auch zwischen der menschlichen Person und dem wahren Guten eine Art „Verwandtschaft“ bestehen (vgl. z.B. St. Thomas, Summa Theologiae 2, 2 q.45, a.2). Aufgrund dieser „Verwandtschaft“ wird das Gewissen fähig, durch eine Art geistigen Instinkt zu erkennen, wo das Gute hegt und welche Entscheidung also im konkreten Fall erforderlich ist. Nun aber führt gerade die Gnade des mit Eifer und Ernst empfangenen Bußsakramentes zu dieser immer mehr vertieften „Verwandtschaft“ des Menschen mit der Wahrheit und dem Guten. In Treue zum Lehramt In dem paulinischen Text, von dem wir ausgegangen sind, heißt es, Christus gab „den einen das Apostelamt, andere setzte er als Propheten ein . . . für den Aufbau des Leibes Christi“. In der Kirche also wächst und reift das moralische Bewußtsein des Menschen, sein Gewissen. Die Kirche hilft ihm, daß es nicht „hin und her getrieben wird von jedem Widerstreit der Meinungen, dem Betrug der Menschen ausgeliefert“. Die Kirche ist ja „die Säule und das Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3, 15). Die Treue zum Lehramt der Kirche bewahrt daher das Gewissen davor, von der Wahrheit hinsichtlich des menschlichen Wohls abzuweichen. 169 A UDIENZEN UND ANGEL US Es ist also nicht recht, das Gewissen des einzelnen und das Lehramt der Kirche in gegenseitigem Widerstreit zu sehen, wie zwei Wahrheiten, die miteinander in Konflikt stehen. Die Autorität, deren sich das Lehramt nach dem Willen Christi erfreut, ist dazu da, daß das Gewissen mit Sicherheit zur Wahrheit finden und in ihr bleiben kann. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit den Worten der heutigen Lesung erinnert uns der Apostel Paulus an die Notwendigkeit, in unserem Glauben erwachsene, mündige Menschen zu werden mit einem reifen sittlichen Urteilsvermögen. Dafür ist von grundlegender Wichtigkeit, daß wir unser Gewissen bilden. Wir müssen alle Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit überwinden und uns ihrem verpflichtenden Anspruch stellen. Nicht der Mensch ist das Maß aller Dinge, der letzte Richter über Gut und Böse, sondern die Wahrheit Gottes. Nach ihr müssen wir in demütiger Selbstbescheidung unser Gewissen ausrichten. Um die Wahrheit aber zu erkennen, müssen wir sie vor allem lieben und sie auch wirklich erkennen wollen. Das Sakrament der Beichte will uns helfen, unser Denken und Handeln immer wieder an der göttlichen Wahrheit zu messen und ihr immer gleichförmiger zu werden. Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger. Ich erbitte euch mit meinem besonderen Segen zum Jubiläumsjahr der Erlösung vor allem die Gabe der Unterscheidung durch ein reifes und lauteres Gewissen. Emanuela: ein neuer Papstappell Vor dem Angelus am 28. August 1. Hören wir heute wieder das Jubellied der Jungfrau Maria: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut... Denn der Mächtige hat Großes an mir getan.“) Schon im Alten Bund sind Freude und Danksagung die gewohnte Antwort des ganzen Volkes und all seiner Mitglieder, wenn Jahwe zu ihren Gunsten einschreitet. So erblühen in der alttestamentlichen Literatur Danklieder von seiten des ganzen Volkes Israels) und einzelner Personen <11>). <11> Liebe Brüder und Schwestern, die Betrachtung der heiligsten Jungfrau verjüngt also unsere Freude und macht sie reich, wie Paul VI. in dem erwähnten Dokument sagte: „Ohne auf eine realistische Sicht zu verzichten, sollten die christlichen Gemeinden Orte des Optimismus werden, wo alle ihre Mitglieder sich entschlossen darum bemühen, von den Personen und Ereignissen die jeweils positive Seite zu entdecken ... Die Erziehung zu einer solchen Sichtweise ist nicht nur eine psychologische Angelegenheit. Sie ist auch eine Frucht des Heiligen Geistes ... Dieser positive Blick findet bei den Christen eine bevorzugte Kraftquelle: die Feier des österlichen Geheimnisses Jesu ... Zeichen und Quelle der christlichen Freude und Vorbereitung auf das ewige Fest.“3 4) 170 AUDIENZEN UND ANGELUS Und das Psalmengebet, das zum größten Teil liturgischen Zwecken diente, erzog das auserwählte Volk und all seine Angehörigen dazu, den Herrn zu preisen und ihm zu danken für die Wunder, die er zu ihrer Hilfe gewirkt hatte. 2. Unter den Betenden des Neuen Testaments nimmt Maria den ersten Platz ein. Sie sprach das Danklied des „Magnificat“. Ich möchte hier auf das verweisen, was mein verehrter Vorgänger, Paul VI., im Apostolischen Schreiben Gaudete in Domino niedergeschrieben hat: „Keineswegs blieben ihr die Leiden erspart: Sie steht unter dem Kreuz und nimmt in hervorragendem Maß als Mutter der Schmerzen Anteil am Opfer des unschuldigen Gottesknechtes. Aber sie ist auch ganz und gar offen für die Freude der Auferstehung; sie ist mit Leib und Seele aufgenommen in die Herrlichkeit des Himmels... Sie ist das vollkommene Urbild der Kirche auf Erden und in der Herrlichkeit des Himmels ... An der Seite Christi vereint sie in sich alle Freude, sie lebt die vollendete Freude, die der Kirche verheißen ist: Mater plena sanctae laetitiae — Mutter voll heiliger Freude. Deshalb wenden sich ihre Kinder auf Erden zu Recht an sie und rufen sie an als die Ursache ihrer Freude.“ 171 AUDIENZEN UND ANGELUS Leids für ihre Familien ist und großer Verwirrung in der Öffentlichkeit. Ich bin den Eltern der jungen Schülerinnen nahe und teile ihre unsagbare Angst. Und ich flehe zum Herrn, er möge das Herz derer rühren, die behaupten, diese unschuldigen und schutzlosen Wesen in ihrer Gewalt zu haben, wie ich auch immer für die Person meines Attentäters bete. Ich möchte eure Aufmerksamkeit auch auf die schwere Notlage richten, in der sich die Völker einiger Länder Lateinamerikas befinden, die hart von Naturkatastrophen betroffen sind: Überschwemmungen, Erdbeben und Trockenheit. Bolivien, Ekuador und Peru haben um dringende Hilfe gebeten; auch in Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Paraguay erfordert die Lage besondere Hilfsmaßnahmen. Indem ich diesen hartgeprüften Völkern meine persönliche Anteilnahme an ihrem Leid ausdrücke, appelliere ich an die Hochherzigkeit des christlichen Volkes und den geschuldeten Sinn für menschliche und kirchliche Solidarität, um der Not unserer Brüder zu Hilfe zu kommen. Ich will auch an die Worte von Papst Paul VI. erinnern, den Tag der Wahl seines unmittelbaren Nachfolgers Papst Johannes Paul I., den 26. August 1978, ins Gedächtnis rufen, ich will die Seele dieses wunderbaren Hirten der Kirche unseren heutigen Gebeten empfehlen. Anmerkungen ') Lk 1,46-49. 2) Ex 15, 1-18. 20-21; Jes 61, 10-11. 3) 1 Sam 2, 1-10; Ri 5, 1-31; Jes 38, 9-20; Jona 2, 2-10; Dan 3, 51-90; Tob 13; 7*16, 1-17 ... Vgl. Lk 1, 67-69 und 2, 28-32. 4) Gaudete in Domino, IV und Schluß. ,,Nur einer gewinnt den Preis“ Ansprache bei der Generalaudienz am 31. August 1. „Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus Christus an“ (Röm 13,14): Diese Worte, liebe Brüder und Schwestern, umschreiben für uns vollständig das Ethos der Erlösung. Der aus Wasser und dem Heiligen Geist erneuerte und neugeschaffene Mensch hat die Berufung und Aufgabe empfangen, „als neues Gewand den Herrn Jesus Christus anzulegen“, das heißt, Christus immer ähnlicher zu werden: in seinem Denken, in seinen Entscheidungen, in seinem alltäglichen Verhalten. 172 AUDIENZEN UND ANGELUS Der tiefste Grund für diese Seinsverpflichtung des erlösten Menschen besteht darin, daß der Erlösungsakt tatsächlich das Sein der menschlichen Person verändert hat, und das Handeln ist die Verwirklichung des Seins. Der Erlösungsakt hat den Menschen in Christus aufgenommen, indem er ihn an der Gotteskindschaft des Wortes teilnehmen läßt: Wir sind Söhne im eingeborenen Sohn des Vaters. „Denn Christus - schreibt der hl. Thomas und wiederholt damit eine bleibende Lehre der Kirche - empfing in seinem Menschsein die höchste Gnadenfülle; da er der eingeborene Sohn des Vaters ist, fheßt die Gnade von ihm auf die anderen zurück, so daß der menschgewordene Sohn Gottes die Menschen zu Söhnen Gottes macht“ (Compendium Theologiae, c. 214). Diese tiefe Einheit zwischen Christus und dem gerechtfertigten Menschen stellt an ihn die Anforderung, „als neues Gewand den Herrn Jesus anzulegen“ und „so gesinnt zu sein, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht“ (vgl. Phil 2, 5). Das praktische Handeln des Christen darf nicht im Widerspruch zu seinem Sein stehen. 2. Auf diese Weise erlangt unser Menschsein die Fülle seiner Wahrheit. Denn wir sind erschaffen worden, um Söhne durch den Sohn zu werden (vgl. Eph 1, 5), im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben (vgl. Röm 8, 29). Christus ist die ganze Wahrheit des Menschen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22), und infolgedessen ist Christus das Gesetz für das Leben des Menschen (vgl. 1 Kor 9, 21). Diese Beziehung zwischen dem erlösten Menschen und Christus darf nicht in dem Sinn verstanden werden, als wäre Christus lediglich ein Leitbild, das uns gegenüber und außerhalb von uns steht und das nachgeahmt werden soll. Uns ist der Heilige Geist geschenkt worden, damit er uns von innen her antreibt, in Christus und wie Christus zu handeln. Das Gesetz Christi ist durch den Geist in unsere Herzen eingeschrieben. „So erkennt auch keiner Gott - nur der Geist Gottes“ (1 Kor 2, 11). Der Heilige Geist, die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, wohnt in Gott, er kennt sozusagen von innen her die Pläne des Vaters, seine Geheimnisse, und vermag sie uns daher zu enthüllen. „Wir aber haben nicht den Geist der Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott stammt, damit wir das erkennen, was uns von Gott geschenkt worden ist“, versichert uns der Apostel (1 Kor 2, 12). In Gott und im Herzen des Erlösten wohnt der Geist und wirkt dahin, daß wir „alles, was uns der Vater geschenkt hat“, erkennen und auf dieses Geschenk eingehen können. Worin besteht das Geschenk des Vaters? Alles im Leben des Christen ist 173 AUDIENZEN UND ANGELUS Geschenk. Geschenk ist der eingeborene Sohn des Vaters (vgl. Joh 3, 16), in dem wir erschaffen worden sind. Geschenk ist der Heilige Geist: „Donum Dei altissimi“ (Geschenk des höchsten Gottes - vgl. Lk 11,13). Der Geist drängt uns dazu, unser Wesen in seiner tiefsten Wahrheit zu verwirklichen, und er gestaltet uns nach dem Bild Christi. Noch bevor er unter dem Herzen seiner Mutter empfangen wurde, ist ein jeder von uns im Herzen Gottes empfangen, das heißt erdacht und gewollt worden. Der Geist kennt Gottes Plan für unser Leben. Er lenkt unser Dasein, damit unser ideales Sein, wie es von Ewigkeit her erdacht worden ist, sich in der Zeit verwirklicht. 3. „Die Nacht ist vorgerückt, der Tag ist nahe“ (Röm 13,12): Das ist die Zeit, in der wir auf gerufen sind, den Herrn Jesus Christus anzuziehen. Es ist die Zeit zwischen dem Ende einer Nacht und dem Beginn des Tages. Denn wenn es wahr ist, daß jeder von uns bereits erlöst ist, so ist ebenso wahr, daß die Erlösung in uns noch nicht vollendet ist: Das wird erst geschehen, wenn wir in den vollen Tag des ewigen Lebens eintreten. Eine asketische Spannung Die notwendige und unmittelbare Folge dieser Seinssituation des Gläubigen besteht darin, daß er sich mit Christus bekleiden muß, indem er durch Abtötung und Selbstverleugnung gegen das Böse kämpft. „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“, sagt der Herr {Mt 16, 24). Das Ethos der Erlösung ist damit auch von einer starken asketischen Spannung gekennzeichnet: Es ist ein Ethos des entschlossenen Kampfes gegen alles, was den Christen daran hindert, „den Herrn Jesus Christus anzuziehen“. „Wißt ihr nicht“, sagt der Apostel, „daß die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber daß nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, daß ihr ihn gewinnt. Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam; jene tun dies, um einen vergänglichen, wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen“ (1 Kor 9, 24-25). Nur durch diesen geistlichen Kampf vermag die „Gestalt Christi“ alle Schichten des erlösten Menschen zu durchdringen und seine freie Anhänglichkeit an das Gute zu wahren. Die Freiheit des Glaubenden ist in der Tat immer in Gefahr, sich dadurch selbst zu zerstören, daß sie sich von der vollen Wahrheit Christi lossagt, um eine Selbstverwirklichung anzustreben, die seiner überirdischen Bestimmung nicht entspricht. Durch 174 AUDIENZEN UND ANGELUS die Askese wird die Verbindung von Freiheit und Wahrheit immer mehr gefestigt und erneuert. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur heutigen Audienz im Jubiläumsjahr der Erlösung. Mein Gruß gilt allen einzelnen Pilgern und den genannten Gruppen. Ich erbitte allen Anwesenden die reichen Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers. Der Apostel Paulus ermahnt uns, unser Leben immer mehr auf Christus auszurichten. Wir sollen ihm im Denken und Handeln ähnlich werden. Deshalb sagt er: „Legt (als neues Gewand) den Herrn, Jesus Christus, an“ (Röm 13, 14). Christus ist für uns nicht nur Vorbild, sondern zugleich die geistige Kraft unserer inneren Erneuerung. Sein Gesetz ist durch den Heiligen Geist in unsere Herzen geschrieben. Wir sollen es zu unserer Lebensregel machen. Das aber verlangt von uns Mühe und Opfer. Nur durch einen entschlossenen geistigen Kampf kann Christus wirklich Gestalt in uns gewinnen. Dazu erbitte ich euch allen von Herzen die Kraft und den Beistand des göttlichen Geistes mit meinem besonderen Apostolischen Segen. An die polnischen Audienzteilnehmer gewandt sagte der Papst u. a.: Heute jährt sich zum dritten Mal die Vereinbarung zwischen den polnischen Behörden und den Arbeitern in Danzig und Stettin, ein Ereignis von besonderer Bedeutung in der jüngsten Geschichte Polens. Beten wir heute zusammen mit der ganzen Kirche Polens sowie mit allen Menschen guten Willens auf der ganzen Welt, daß diese Vereinbarung durch einen wahren Dialog der Behörden mit der Bevölkerung verwirklicht werde. Dazu haben auch die polnischen Bischöfe während ihrer jüngsten Vollversammlung auf gerufen. Libanon: Gebet für das ,,gequälte Land“ Vor dem Angelus am 4. September 1. Wir rufen die Jungfrau Maria als „Sitz der Weisheit“ an. Aber was ist die Weisheit? Oder vielmehr, wer ist die Weisheit? In einigen Texten des Alten Testaments, die insbesondere nach der 175 AUDIENZEN UND ANGELUS babylonischen Gefangenschaft geschrieben worden sind, wird die Weisheit mit dem Gesetz des Moses), ja mit der ganzen Heiligen Schrift) gleichgesetzt. In jenen ehrwürdigen Büchern ist die Geschichte des Herrn mit seinem Volk niedergelegt, und darum wird in ihnen die Weisheit Gottes enthüllt, das heißt sein Plan, seine Gedanken nicht nur im Hinblick auf Israel, sondern auf die gesamte Menschheit und die ganze Schöpfung <12>). <12> In der Nachfolge Mariens wird das Herz jedes Gläubigen zu einer Der Weise ist demzufolge jener, der die Heiligen Bücher liest und erforscht und die Torah im Herzen bewahrt, um daraus Lehren für das Leben abzuleiten <13>). Wohnstätte der Weisheit, die Christus ist. Ähnlich dem, was zwischen Dieser liebevolle Umgang mit der heiligen Geschichte wird in Zeiten des Leidens <14>), nämlich dann wenn Gottes Verhalten rätselhaft erscheint, intensiver <15>): „Seine Gedanken sind tiefer als das Meer - sagt die Schrift -, und sein Rat ist ein großer Abgrund.“ <16>) dem wahren Israeliten und der Weisheit geschah, bildet sich auch zwi- schen uns und dem Herrn eine geheimnisvolle Form der geistlichen Verwandtschaft. Jesus selbst spricht davon: „Wer den Willen meines Der fromme Israelit, der durch das Studium der Schrift weise geworden ist, sieht die Menschen und die Welt in der Sicht Gottes. Ja, wenn er so lebt, knüpft er besondere Bande mit Gott; er wird Sohn <17>), Bruder <18>), Freund), Bräutigam) der Weisheit. himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter.“16) 2. Die Botschaft des Neuen Testaments lehrt, daß Christus „die Weisheit Gottes“ ist). In seiner Person, in seinen Worten und seinen Taten enthüllt der Vater endgültig seinen Erlösungsplan). Dieser Plan läßt sich nur schwer begreifen, weil er das Ärgernis des Leidens und des Kreuzes einschließt). Die heilige Jungfrau Maria ist „Sitz der Weisheit“, weil sie Jesus, die menschgewordene Weisheit, in ihrem Herzen und Schoß aufnahm. Mit ihrem „Ja“ bei der Verkündigung nahm sie es auf sich, dem göttlichen Willen zu dienen, und die Weisheit wohnte in ihrem Schoß und machte aus ihr eine vorbildliche Schülerin. Die Jungfrau war nicht so sehr deshalb seligzupreisen, weil sie den Sohn Gottes genährt hatte, sondern vielmehr darum, weü sie sich selbst von der heilbringenden Milch des Wortes Gottes genährt hatte). 176 AUDIENZEN UND ANGELUS Maria leite und helfe uns, in dieser Weise unsere Beziehungen zu Jesus dem Erlöser zu leben. Nach dem Angelus sagte der Papst: Im Laufe dieses Monats finden in Malta zwei wichtige kirchliche Ereignisse statt: der IX. Internationale Mariologenkongreß vom 8. bis 15. September und der XVI. Internationale Marianische Kongreß vom 15. bis 18. September unter dem Thema „Maria, Mutter der Versöhnung“. Den Gläubigen in Malta werden sich viele Menschen aus zahlreichen anderen Nationen anschließen. Auch orthodoxe, anglikanische und protestantische Persönlichkeiten werden einen erhofften Beitrag geben. Ich selbst werde von Seiner Eminenz Kardinal Salvatore Pappalardo, dem Erzbischof von Palermo, als meinem Sondergesandten vertreten. Ich fordere euch auf, für das Gelingen der beiden Kongresse von Malta zu beten, die ja mitten im Jubiläumsjahr stattfinden. Maria, die Mutter der Versöhnung, möge für die Bischofssynode, die am 29. September beginnen wird, erwirken, daß sie zur Wiederentdeckung des Sakraments der Versöhnung im christlichen Volk beitrage; sie erwirke insbesondere, daß die Bevölkerung der Insel Malta in einer Atmosphäre des religiösen Friedens und einträchtiger Arbeit leben kann, im frohen Zeugnis des christlichen Glaubens, der vom Apostel Paulus nach Malta gebracht worden ist; damit die Kirche von Malta nach Überwindung der augenblicklichen Schwierigkeiten unbehindert ihre Sendung auch auf dem Gebiet der Sozialhilfe und Erziehung zum Wohle aller entfalten kann. An eine Pilgergruppe aus dem Libanon richtete der Papst folgendes Grußwort: Tiefbewegt begrüße ich auch eine Gruppe von einigen Hundert Pilgern aus dem Libanon. Liebe Libanesen, eure Anwesenheit, heute mittag, läßt uns an die dramatische Situation denken, die gerade in den letzten Tagen eure Landsleute neuerlich erleben mußten und die durch das entsetzliche Massaker an den Christen des Dorfes Bmariam, das bei allen Abscheu ausgelöst hat, noch verschlimmert wird. Ich nehme aus ganzem Herzen an dem Schmerz der leidgeprüften Familien und der Maronitengemeinde teil, während ich euch alle einlade, Unsere Liebe Frau vom Libanon zu bitten, daß dieses gequälte Land durch die Umkehr der Herzen wieder zu einem Land der Begegnung in Einheit und Frieden werden kann. 177 AUDIENZEN UND ANGELUS Zu den deutschsprachigen Pilgern sagte der Papst: Mit den Pilgern aus Österreich und dem ganzen deutschen Sprachraum denke ich heute an den in dieser Woche beginnenden Österreichischen Katholikentag. Ich freue mich darauf, Gast dieses schönen Landes zu sein. In Gemeinschaft mit den Gläubigen der Diözesen Österreichs möchte ich „Hoffnung leben und Hoffnung geben“. Maria, unter deren Namen diese Tage in besonderer Weise stehen, möge uns dazu Gottes gütige Hilfe erflehen. Anmerkungen 0 Dtn 4, 6; Sir 24, 1-25; Bar 3, 12; 4, 1 . . . 2) Sir, Prolog 1-3.6-14 . .. 3) Sir 42, 15; 50, 24; Weish 8, 8; 9, 9.18; 10, 1-19, 22 . . . 4) Ps 107, 1-42.43; Sir 50, 27-28 . . . 5) Jdt 8, 25-29 . . . 6) Sir 4, 17-18 . . . 7) Sir 24, 27. 8) Sir 15, 2. 9) Spr 7, 4. 10) Weish 8, 18. ») Weish 8, 2.9.16; Sir 15, 2. > <19>) 1 Kor 1, 24. <19> Aber zu diesem Verständnis kam ein weiteres hinzu. Wenn Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte, bewies das doch wohl, daß jener Tod zu den geheimnisvollen Plänen Gottes gehörte, daß er ein Teil des göttlichen Heilsplanes war. Darum begann man zu verkündigen, daß der Tod Jesu „gemäß der Schrift“ geschah, daß er geschehen „mußte“ und in einen größeren, die ganze Menschheit umfassenden Plan gehörte. Jesus selbst hatte die Jünger zu diesem Verständnis angeleitet, als er zum Beispiel zu den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus sagte: „Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben! Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24, 25-26). Und der hl. Lukas schrieb einige Verse weiter, als er vom Abschied Jesu von den Seinen berichtete: „Dann sprach er zu ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muß in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist. Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift. Er sagte zu 13) Vgl. Lk 1, 29.30.35. 14) 1 Kor 1, 25. 15) Vgl. Lk 11, 27-28. 16) Mt 12, 50; vgl. Mk 3, 35 und Lk 8, 21. Im Plan Gottes: das Kreuz Ansprache bei der Generalaudienz am 7. September 1. „Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat...“ (Apg4,10). Diese Worte des Apostels Petrus stellen uns kraftvoll und umfassend vor die Wirklichkeit des Erlösungsgeheimnisses. Sie erinnern uns an das, was vor tausendneunhundertfünfzig Jahren auf Kalvaria geschehen ist. Es handelt sich um ein geheimnisvolles Geschehen, das voll zu begreifen die Fähigkeiten des menschlichen Verstandes übersteigt, dem es niemals gelingen wird, bis in die letzte Tiefe des in 178 AUDIENZEN UND ANGELUS unerforschlicher Weise am Kreuz verwirklichten Planes Gottes vorzudringen. Die wesentlichen Züge dieses Geschehens sind uns in den Texten des Neuen Testamentes erhalten geblieben und uns wohlvertraut. Nach dem schmerzlichen und unbegreiflichen Tod des Meisters — denken wir an den bitteren Gram der beiden Emmausjünger: „Sie haben ihn zum Tod verurteilen und ans Kreuz schlagen lassen. Wir aber hatten gehofft, daß er der sei, der Israel erlösen werde“ (vgl. Lk 24, 20-21) - dürfen die Jünger nun freudig den lebendigen, auferstandenen Christus erfahren. Vor dem Hohen Rat in Jerusalem wird Petrus, auch im Namen der übrigen Apostel, sagen: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt“ (Apg 5, 30). Der Gott des Lebens triumphiert Was zunächst wie das Scheitern Jesu aussah, erwies sich als sein endgültiger Sieg, dank der Allmacht Gottes, der in ihm den Tod besiegte. Am Kreuz Christi standen Tod und Leben sich gegenüber („mors et vita duello conflixere mirando“), und das Leben errang den Sieg über den Tod: Der Gott des Lebens triumphierte über jene, die den Tod wollten. Dieser Freudenruf des Glaubens auf die Nachricht von der Auferstehung Christi war die erste und grundlegende Einsicht, zu der die Urgemeinde über das „absurde“ Geschehen des Todes ihres Herrn gelangte. <20> <20> Aber zu diesem Verständnis kam ein weiteres hinzu. Wenn Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte, bewies das doch wohl, daß jener Tod zu den geheimnisvollen Plänen Gottes gehörte, daß er ein Teil des göttlichen Heilsplanes war. Darum begann man zu verkündigen, daß der Tod Jesu „gemäß der Schrift“ geschah, daß er geschehen „mußte“ und in einen größeren, die ganze Menschheit umfassenden Plan gehörte. Jesus selbst hatte die Jünger zu diesem Verständnis angeleitet, als er zum Beispiel zu den beiden Jüngern auf dem Weg nach Emmaus sagte: „Wie schwer fällt es euch, alles zu glauben, was die Propheten gesagt haben! Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24, 25-26). Und der hl. Lukas schrieb einige Verse weiter, als er vom Abschied Jesu von den Seinen berichtete: „Dann sprach er zu ihnen: Das sind die Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Alles muß in Erfüllung gehen, was im Gesetz des Mose, bei den Propheten und in den Psalmen über mich gesagt ist. Darauf öffnete er ihnen die Augen für das Verständnis der Schrift. Er sagte zu 179 A UDIENZEN UND ANGEL US ihnen: So steht es in der Schrift: Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lk 24, 44-47). So enthüllte sich nach und nach das Geheimnis. Wenn der Tod Jesu nach dem in der Schrift aufgezeigten Plan Gottes erfolgt war, dann war er „für uns“, „für unsere Sünden“ „zu unserer Rechtfertigung“ geschehen, da ja „in keinem anderen das Heil zu finden ist“ (Apg 4, 12). Das Glaubensbekenntnis, an das der hl. Paulus die Korinther erinnert, sagt: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift“ [1 Kor 15, 3). Das wird kraftvoll in der apostolischen Verkündigung des Todes Jesu bestätigt. „Christus ist für uns gestorben, als wir noch Sünder waren“, bezeugt der hl. Paulus mit Nachdruck [Rom 5, 8). Und im Brief an die Galater schreibt er: „Er hat sich für unsere Sünden hingegeben“ [Gal 1, 4). Und an anderer Stelle: „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben“ [Gal 2, 20). Der hl. Petrus aber erwähnt: „Christus hat für euch gelitten ... Er hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben“ [1 Petri, 21.24). 3. In den erwähnten Textstellen wird zwischen den Ausdrücken „für uns“ und „für unsere Sünden“ nicht unterschieden, weil wir alle Sünder sind, Jesu Tod aber die Schuld aller tilgen und uns den Sieg über die Sünde möglich machen mußte. Daher die „frohe Botschaft“, die seit dem Ostermorgen unaufhörlich in der Welt erklingt: Der Kreuzestod Jesu Christi war nicht das Ende, sondern der Anfang; er war nur ein scheinbarer Triumph des Todes. In Wirklichkeit erfüllte sich in jenem Augenblick Gottes Sieg über den Tod und das Böse. Sein Tod steht im Mittelpunkt eines großartigen Heilsplanes, der in den Schriften des Alten und des Neuen Testamentes aufgezeichnet ist. Ein Plan, der die gesamte Menschheit, jeden einzelnen Mann und jede einzelne Frau betrifft. Christus „wurde hingegeben“ für uns, er wurde für uns „dem Tod ausgeliefert“, damit wir von der zerstörerischen Gewalt der Sünde und von der Verzeiflung des Todes befreit würden. Deshalb ist für den Christen das Kreuz Zeichen der Befreiung und der Hoffnung, nachdem es Werkzeug für den Sieg des Herrn gewesen war. Mit Recht singt daher die Kirche gerade am Karfreitag: „Vexilla regis prodeunt, fulget crucis misterium“ - „Die Feldzeichen des Königs rücken vor, das Geheimnis des Kreuzes leuchtet auf.“ 180 A UDIENZEN UND ANGEL US „Ich habe an dich gedacht“ Das Kreuz erinnert uns an die persönliche Hingabe und Liebe Christi für einen jeden von uns. Wir denken an die Worte, die Pascal Christus in den Mund legt: „Ich habe an dich gedacht in meinem Todeskampf, einige Tropfen meines Blutes habe ich für dich vergossen“ (Gedanken, Nr. 533). Jesus hat seinerseits alles getan; in ihm hat sich Gott uns geschenkt und sich zu unserem Nächsten gemacht. Nun hegt es an uns, durch unser Leben und unseren Einsatz dem zu antworten, der „dem Tod die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht hat durch das Evangelium“ (2 Tim 1, 10). Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Christi Tod am Kreuz, den wir in diesem Jubiläumsjahr vertieft bedenken, bedeutete für menschliches Urteil das Scheitern seines Auftrages; im Plan Gottes war er gerade dessen Erfüllung. Deshalb weist ja der Auf erstandene die Jünger immer wieder auf die Schriften hin, die seinen Tod längst vorhergesagt hatten. Der Tod Jesu war kein Verhängnis. Er geschah für uns, für jeden einzelnen von uns. So kann Pascal dem Herrn die Worte in den Mund legen: „In meinem Todeskampf dachte ich an dich.“ Unsere Sünde verlangte diese Hingabe. Nun hegt es an uns, sie zu beantworten! Zur Feier ihres fünfundzwanzigsten Weihejubiläums begrüße und beglückwünsche ich die Priestergruppe aus Regensburg. Der für uns gekreuzigte und auferstandene Erlöser sei immer die Mitte eures Lebens und Wirkens und auch eurer brüderlichen Verbundenheit! Einen herzlichen Gruß der lutherischen Pfarrei Sankt Laurentius in Möhrendorf! Euer Pfarrpatron, dessen Grab ihr hier in Rom besucht, sei euch ein Zeichen der Lebendigkeit der Kirche Christi in den verschiedenen Diensten und in den verschiedensten Situationen. Erfahrung von Kirche wünsche ich auch der interkonfessionellen Studentengruppe aus Basel. Ich danke euch für euer Kommen! Besonders herzlich begrüße ich heute die Pilger aus Österreich, wo in dieser Woche der Katholikentag stattfindet, zu dessen feierlichem Höhepunkt ich eingeladen bin. Ich freue mich auf meinen Besuch in eurem schönen Land und bin gewiß, daß die mit soviel Sorgfalt vorbereiteten Tage für uns alle zu Tagen der Gnade werden. Gruß und Segen schließlich dem großen Pilgerzug der Erzdiözese München und Freising! Die vielen Sänger unter euch erinnern uns an das Wort des hl. Paulus: „Singt Gott in euren Herzen!“ {Kol3,16). Der Gesang im 181 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottesdienst ist Abbild und Nahrung jenes Gesanges, der immerfort aus unseren Herzen aufsteigen will zu Gott. Ihnen und allen Pilgern aus dem deutschen Sprachraum nochmals meine herzlichen Segenswünsche. „Den Urheber des Lebens habt ihr getötet“ Ansprache bei der Generalaudienz am 14. September 1. „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern, um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10, 45). Liebe Brüder und Schwestern, mit diesen Worten, die er während seines irdischen Lebens gesprochen hat, machte Jesus den Jüngern die wahre Bedeutung seines Lebens und seines Todes klar. Heute, am 14. September, dem Tag, an dem die Kirche das Fest Kreuzerhöhung feiert, wollen wir über die Bedeutung des Erlösungstodes Christi nachdenken. Da erhebt sich in unserem Herzen sogleich eine Frage: Hat Jesus seinen Tod vorausgesehen und ihn als einen Tod für die Menschen verstanden? Hat er ihn in diesem Sinn angenommen und gewollt? Aus den Evangelien geht klar hervor, daß Jesus freiwillig in den Tod ging. „Ich muß mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt, solange sie noch nicht vollzogen ist“ (Lk 12, 50; vgl. Mk 10, 39; Mt20, 23). Er hätte sich dem Tod durch Flucht entziehen können, wie das schon einige verfolgte Propheten, Elias und andere, getan haben. Aber Jesus wollte „nach Jerusalem hinaufgehen“, „in Jerusalem einziehen“, den Tempel reinigen, das Letzte Abendmahl mit seinen Jüngern feiern, sich nach Getsemani begeben, damit „die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und so handle, wie es mir der Vater aufgetragen hat“ (vgl. Joh 14,31). Ebenso unleugbar steht fest, daß für seinen Tod die Menschen verantwortlich waren. „Ihr habt ihn verraten und vor Pilatus verleugnet - sagt Petrus vor dem Volk von Jerusalem -, obwohl dieser entschieden hatte, ihn freizulassen. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und die Freilassung eines Mörders gefordert. Den Urheber des Lebens habt ihr getötet (Apg 3,13—15). Verantwortlich waren die Römer und die Führer der Juden; dazu kam die Forderung einer schlau manipulierten Volksmenge. 182 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Im Leiden und Tod Jesu werden nahezu sämtliche Äußerungen des Bösen, der Sünde und des Leidens sichtbar: Berechnung, Mißgunst, Feigheit, Verrat, Geiz, Machtgier, Gewaltanwendung, Undankbarkeit auf der einen und Verlassenheit auf der anderen Seite, körperlicher und seelischer Schmerz, Einsamkeit, Betrübnis und Trostlosigkeit, Angst und Beklemmung. Denken wir an die qualvollen Worte in Getsemani: „Meine Seele ist zu Tode betrübt“ (Mk 14, 34); „und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte“ (Lk 22, 44). Jesu Tod war ein erhabenes Beispiel der Ehrenhaftigkeit, der Konsequenz und der Treue zur Wahrheit bis zur äußersten Selbstaufopferung. Darum sind Leiden und Tod Jesu schon immer Sinnbild für den Tod eines Gerechten, der in heroischer Weise das Martyrium auf sich nimmt, um seinem Gewissen nicht untreu zu werden und die Forderungen der Wahrheit und des ethischen Gesetzes zu erfüllen. Ja, die Passion Christi beeindruckt uns unablässig durch ihr Beispiel. Das hat bereits der erste Petrusbrief betont (vgl. 1 Petr 2, 20-23). 3. Jesus hat seinen Tod freiwillig auf sich genommen. Wir wissen ja, daß er ihn wiederholt vorausgesagt hat: dreimal kündigte er ihn auf seinem Weg nach Jerusalem an: er würde „vieles erleiden müssen; er werde getötet werden, aber am dritten Tag werde er auferstehen“ (Mt 16, 21; 17, 22; 20, 18 und Parallelen). Dann erzählte er in Jerusalem mit klarer Anspielung auf sich selbst das Gleichnis vom Gutsherrn, dessen Sohn die undankbaren Winzer töteten (vgl. Mt 21, 33 ff.). Als Jesus schließlich beim feierlichen letzten Abendmahl den Sinn seines Lebens und seines Todes in der Form eines Opfers zusammenfaßt, das für die anderen, für alle Menschen dargebracht wird, spricht er von seinem „Leib, der für euch hingegeben wird“, und von seinem „Blut, das für euch vergossen wird“ (Lk 22, 19-20 und Parallelstellen). Das Leben Jesu ist also eine Existenz für die anderen, ein Leben, das im Tod für die anderen seinen Höhepunkt erreicht, wobei in den „anderen“ ■die gesamte Menschheitsfamilie mit der ganzen Last ihrer Schuld, die sie seit ihren Anfängen in sich trägt, eingeschlossen ist. 4. Wenn wir uns dann den Bericht über seinen Tod ansehen, so werfen die letzten Worte Jesu weiteres Licht auf die Bedeutung, die er seinem irdischen Leben gegeben hat. Die Evangelisten überliefern uns einige dieser Worte. Lukas vermerkt den lauten Schrei: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23, 46); es ist der letzte und endgültige Akt 183 AUDIENZEN UND ANGELUS der Hingabe Jesu als Mensch an den Vater. Johannes spricht von der Neigung des Hauptes und den Worten: „Es ist vollbracht“ (Joh 19, 30); das ist der Höhepunkt des Gehorsams gegenüber dem Plan Gottes, „der seinen Sohn nicht in die Welt gesandt hat, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3, 17). Die Evangelisten Matthäus und Markus hingegen heben den Ruf hervor: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ {Mt 21, 46; Mk 15, 34) und stellen uns den äußersten Schmerz Christi vor Augen, der den Tod mit einem zutiefst menschlichen, wenn auch paradoxen Aufschrei erleidet, in dem auf dramatische Weise das Wissen um die Gegenwart dessen eingeschlossen ist, der in jenem Augenblick abwesend zu sein schien: „Mein Gott, mein Gott!“ Ohne Zweifel hat Jesus sein Leben und Sterben als Lösepreis für die Menschen verstanden. Wir befinden uns hier im Herzen des Lebensgeheimnisses Jesu. Er wollte sich für uns hingeben, wie der hl. Paulus geschrieben hat: „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Das heutige Fest „Kreuzerhöhung“ erinnert mich an die eindrucksvolle Europavesper am vergangenen Samstag in Wien, in deren Mitte das Kreuz als Zeichen unserer Hoffnung stand. Für Jesus bedeutete das Kreuz einen Abgrund von Qualen, bereitet durch Intrige, Feigheit und Verrat. Zugleich aber war es für ihn ein Auftrag des Vaters für unser Heil. So hat er es nicht rein passiv erlitten, sondern angenommen und dargebracht. Auch die Jahre des öffentlichen Wirkens, die für viele eher einem Siegeszug glichen, standen für Jesus schon unter dem Zeichen des Kreuzes, der Hingabe für die anderen: „Der Menschensohn“, so sagt er, „ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen.“ Auch wir sollen die Selbsthingabe, die wir einmal im Sterben zu vollziehen haben, zum Thema unseres Lebens machen - in der Selbstentäußerung des Dienens: „Wer bei euch der erste sein will, soll der Sklave aller sein.“ In diesem täglichen Sterben, in welchem wir wie Jesus zugleich unser letztes Sterben einüben, erfahren wir die lichtvolle Kraft der Auferstehung. Von ihr her gesehen ist das Kreuz ein Zeichen der siegenden Liebe, wie es in Wien die Jugend mit ihrem Blumenkreuz so schön zum Ausdruck brachte. So erbitte ich uns allen die reichen Gnaden, die der gekreuzigte und 184 AUDIENZEN UND ANGELUS auf erstandene Erlöser am heutigen Fest und im ganzen Heiligen Jahr der Erlösung uns in besonderer Weise anbietet. Eigens begrüße ich noch die Pilgergruppe aus der Erzdiözese Paderborn; diese Romfahrt vertiefe Eure Einheit untereinander und mit der ganzen Kirche. Für sein Kommen danke ich ferner dem Ökumenischen Gesprächskreis des evangelischen Kirchenkreises Herne; das Erlebnis der Jahrhunderte gemeinsamer Geschichte gebe Euch neue Kraft in Eurem Dienst an der wachsenden Einheit. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Met grote vreugde groet ik de pelgrims uit Nederland, van de RABO-Eindhoven, van Hotelplan en Cultura. Graag geef ik mijn Apostolische zegen aan U en aan uw dierbaren in Nederland. Een hartelijke groet wil ik ook richten tot de missionarissen van Scheut, die naar de Eeuwige Stad zijn gekomen om het Jubileum van de Verlossing te vieren. Gaarne breng ik hulde aan de edelmoedigheid waarmee zij de evangelisatie in vele landen hebben gediend. In dankbaarheid verleen ik aan hen en aan hun medebroeders en wel-doeners mijn Apostolische Zegen. Maria - Trösterin der Betrübten Vor dem Angelus in Castel Gandolfo am 18. September 1. „Trösterin der Betrübten“: Das ist eine weitere Dimension der mütterlichen Gegenwart Mariens in Kirche und Welt. Nach der Lehre des Alten Testaments hat der Trost seinen Ursprung in Gott, der ihn allen Geschöpfen spendet. Wenn der Herr die Vertriebenen nach Palästina zurückführen wird, wird er Jerusalem zum Heiligtum seines Trostes machen. Im Schoße der Heiligen Stadt werden alle Völker zusammengeführt, und alle werden Gottes liebevolle Sorge erfahren dürfen. Zu diesem Zweck bedient sich die vom Propheten Jesaja verkündete göttliche Botschaft in poetischer Weise fraulicher Bilder und Symbole. Jerusalem wird mit einer Mutter verglichen, die ihre Kinder stillt und sie 185 AUDIENZEN UND ANGELUS mit liebevoller Sorge umgibt: „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust, trinkt und labt euch an ihrem Reichtum! Ihre Kinder wird man auf den Armen tragen und auf den Knien schaukeln:“) Als er dann zu den praktischen Folgen kommt, ist diese symbolische Sprache in folgende Worte gefaßt: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“) In der Erwartung des auserwählten Volkes sollte der Messias „die Tröstung Israels“ sein <21>). <21> Brüder und Schwestern, ihr ahnt es bereits! Um die heilige Jungfrau in 2. Mit dem Erlösungswerk Christi wird ein neues Jerusalem, nämlich die Kirche geboren. In dieser Familie tröstet die Liebe Gottes, die im Herzen Christi offenbar wurde, jeden Menschen, der in diese Welt kommt, indem sie ihn gleichsam auf den Knien herzt. Und wenn wir von der Kirche sprechen, so gilt unsere Rede in besonderer Weise der heiligen Jungfrau, der Mutter der Kirche <22>), dem vollkommenen Vorbild für die Jünger des Herrn <23>). Mit derselben überströmenden Liebe, mit der sie sich der Brüder ihres Sohnes annimmt, schenkt uns Gott, „der voll Erbarmen ist“ <24>), sozusagen den mütterlichen Widerschein seines Trostes. würdiger Weise als Trösterin der Betrübten zu verehren, müssen wir selbst vor der Welt durchscheinende Zeichen des göttlichen Trostes sein8). Niemandem darf es entgehen, daß in unseren christlichen Gemeinden die Wie ich in der Enzyklika Dives in misericordia geschrieben habe: „Gerade an dieser ,sich erbarmenden Liebe, die vor allem bei der Begegnung mit dem moralischen und physischen Übel wirksam wird, hatte das Herz derer, die dem Gekreuzigten und Auferstandenen Mutter war, in außergewöhnlicher Weise Anteil. In ihr und durch sie offenbart sich die erbarmende Liebe weiterhin in der Geschichte der Kirche und der Menschheit.“ <25>) Würde des Menschen gefördert, geschützt und befreit wird, falls sie AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe Brüder und Schwestern! „Trösterin der Betrübten“ nennen wir Maria, und sicher haben schon viele von uns persönlich erfahren, wie sehr sie diesen Titel verdient. Als mütterliche Trösterin übernimmt Maria die Rolle der heiligen Stadt Jerusalem, von der es bei Jesaja heißt: „Saugt euch satt an ihrer tröstenden Brust; in Jerusalem findt ihr Trost“ (66, 11a. 13c). Diese Mütterlichkeit kommt aus dem Herzen Gottes selbst: „Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch“, sagt Gott (Jes 66, 13), „der reich ist an Erbarmen“ (Eph 2, 4). Geben wir dieses mütterlich tröstende Erbarmen weiter! Anmerkungen ■) Jes 66, 11.12 c-d. 2) Jes 66, 13. 3) Lk 2, 26 ff. «) Joh 19, 25-27. 5) II. Vat. Konzil, Sacrosanctum Concilium, Nr. 103: Paul IV., Marialis cultus, Nr. 37. 6) Eph 2, 4. 7) Dives in misericordia, Nr. 9. «). Vgl. 2 Kor 1, 3-7. ’) Rom 12, 15. i°) Joh 2, 1. ii) /öA.19,,25. Die Früchte der Erlösungstat Ansprache bei der Generalaudienz am 21. September 1. „Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt“ (Eph 5, 2). Mit diesen Worten stellt uns der Apostel Paulus das Leiden und Sterben Christi vor Augen, wobei er sich des klassischen und seinen Zeitgenossen wohlbekannten Bildes vom Opfer bedient. Es war ein Gott willkommenes und angenehmes Opfer. Wir wollen nun versuchen, die Bedeutung dieses Begriffes zu vertiefen, der den Menschen der Antike vertrauter war als uns. Denn die Juden kannten die vielen im Tempel dargebrachten Opfer; auch Griechen und Römer — um nur diese beiden antiken Völker zu nennen - brachten ihren Gottheiten immer wieder Dank- oder Sühnopfer dar. Es braucht uns 187 A VDIEN ZEN UND ANGEL US daher nicht zu wundern, daß die Apostel und ersten Jünger Jesu den Tod Christi als das wahre, große Opfer verstanden, das ein für allemal zum Heil aller Menschen dargebracht worden ist. Opfer des Neuen Bundes Jesus selbst hatte ja bei seiner letzten innigen Begegnung mit den Zwölfen beim letzten Abendmahl ihnen die Bedeutung seines Todes erschlossen, als er ihn als Opfer des Neuen Bundes ankündigte, der mit seinem Blut besiegelt werden sollte. Wir kennen mit Sicherheit seine Worte, wie sie uns von den Evangelisten und vom hl. Paulus überliefert wurden: „Das ist mein Leib ... Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ {Mt 26, 26-28). Sicher ist, daß uns die Deutung des Todes Christi als Opfer im ganzen Neuen Testament begegnet. In dem zitierten Abschnitt vom Letzten Abendmahl wird die Anspielung auf die von Mose vollbrachte Opferhandlung beim Abschluß des Bundes zwischen Gott und dem jüdischen Volk auf dem Berg Sinai deutlich. Im Verlauf dieser Handlung nahm Mose die Hälfte des Blutes der geopferten Tiere und besprengte damit den Altar, der Gott darstellte; und nachdem er dem Volk das Gesetzesbuch verlesen hatte, nahm er die andere Hälfte des Blutes „und besprengte damit das Volk und sagte: Das ist das Blut des Bundes, den der Herr aufgrund all dieser Worte mit euch geschlossen hat“ (vgl. Ex 24, 4-8). In diesem Ritus vereinte dasselbe Blut Gott und das Volk in einem heiligen unauflöslichen Bündnis gegenseitiger Treue: dem Alten Bund. 2. Aber auch auf andere Opfer konnten die Jünger Jesu zurückgreifen, um seinen Tod für die Menschen besser zu verstehen. Ihnen war z. B. das Opfer des Paschalammes vertraut. Der Evangelist Johannes erkennt mit aller Klarheit, daß sich im Tod Jesu das Vorbild des Päschalammes erfüllt (vgl. Joh 19, 36). Im selben Auslegungsverständnis schreibt der Apostel Paulus an die Korinther: „Als unser Paschalamm ist Christus geopfert worden“ (I Kor 5, 7). So werden wir erneut auf das Buch Exodus verwiesen, wo von Mose das Ritual der Opferung des Lammes festgelegt wurde als Zeichen für den Aufbruch des Volkes aus der Knechtschaft in Ägypten und für seinen Eintritt in die Freiheit. Das Blut des Lammes, an die Türpfosten gestrichen, war Gewähr für die Befreiung von Vernichtung und Tod (vgl. Ex 12, 1-14) und Zeichen der Berufung zur Freiheit. Der Zusammenhang zwischen diesem Ritus und dem Tod Christi wurde durch den Umstand 188 AUDIENZEN UND ANGELUS nahegelegt, daß der Tod in dem Augenblick eintrat, als man im Tempel die Lämmer für das Paschamahl opferte. Schließlich gibt es noch eine dritte Art von Opfer, mit dem der Tod Jesu im Neuen Testament in Zusammenhang gebracht wird. Gemeint ist das Opfer des großen Versöhnungstages, das - nach dem Bericht im Buch Levitikus - dazu bestimmt war, alle vom Volk im Laufe des Jahres begangenen Sünden und Freveltaten zu sühnen und zu tilgen. Nach genauen rituellen Anweisungen (vgl. Lev 16, 1-16) betrat der Hohepriester den heiligsten Raum des Tempels, das Allerheiligste, trat an die Bundeslade heran und besprengte mit dem Blut der geopferten Tiere die Deckplatte (das Kapporet), die unter den beiden Cherubinen auf der Lade lag und als Ort der Anwesenheit Gottes angesehen wurde. Jenes Blut verkörperte das Leben des Volkes, und durch die Besprengung des heiligsten Ortes der Gegenwart Gottes mit diesem Blut wurde der unwiderrufliche Wille des Volkes zum Ausdruck gebracht, ihm anzugehören und in neue Gemeinschaft mit ihm zu treten durch Beseitigung der von der Sünde hervorgerufenen Trennung und Distanz. Vor allem der Verfasser des Hebräerbriefes hat den Kreuzestod Christi mit Hilfe dieses Rituals erklärt, wobei er auf die überragende Wirksamkeit des Opfers Christi hinwies, der „ein für allemal in das Heiligtum hineingegangen ist, nicht mit dem Blut von Böcken und jungen Stieren, sondern mit seinem eigenen Blut, und so hat er eine ewige Erlösung bewirkt“ (Hebr. 9, 12). „ Wirksam durch Glauben“ 3. Jesus vollbrachte dieses Opfer an unser Statt, in unserem Namen und für uns kraft jener Solidarität, in die er durch seine Menschwerdung mit unserer Menschennatur eintrat. Und er vollbrachte dies als einen Akt der Liebe und des freiwilligen Gehorsams und verwirklichte damit den Plan Gottes, der ihn für alle Menschen zum „neuen Adam“ und Vermittler seiner heilbringenden Gerechtigkeit und seines Erbarmens eingesetzt hatte. Darum zögert der hl. Paulus nicht, auf das Kreuz als das neue Kapporet (Deckplatte der Bundeslade) hinzuweisen, über welche Christus für uns das Blut der Versöhnung und der wiedergefundenen Gemeinschaft der Menschheit mit Gott vergossen hat: „Alle haben gesündigt - schreibt er -und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus. Ihn 189 AUDIENZEN UND ANGELUS hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch Glauben“ (Röm 3, 23-25). „Wirksam durch Glauben“: Das ist das große Wort, die große persönliche Möglichkeit jedes Menschen, sich die Früchte der Erlösungstat Christi anzueignen. Die drei Aspekte des heilbringenden Bundes, der befreienden Erlösung und der reinigenden Versöhnung ergänzen sich gegenseitig, um uns ein gewisses Verständnis der umfassenden Liebestat zu vermitteln, mit der Christus uns erlöst hat, indem er dem barmherzigen Ratschluß des Vaters gehorchte. Wir können also sagen, daß das Opfer Christi uns einen Weg eröffnet hat aus der Sünde zur Gnade, aus der Knechtschaft in die Freiheit und aus dem Tod zur Gemeinschaft und zum Leben. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Christus hat uns geliebt und sich für uns hingegeben als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt“ (Eph 5, 2). Dieser Satz des hl. Paulus, den wir eben bei der Verkündigung des Wortes Gottes gehört haben, enthält eine der wichtigsten Wahrheiten unseres Glaubens: Jesus von Nazaret hat uns mit Leib und Seele in seiner Gottheit und Menschheit geliebt und als höchsten Ausdruck dieser Liebe sich selbst, sein ganzes Leben in die Waagschale geworfen, um die Sünde der Welt, die Sünden der vielen einzelnen zu sühnen. Sein reines, heiliges Leben ist so ein Opfer geworden, unendlich wertvoll in den Augen Gottes. So hat uns Christus einen Weg eröffnet aus der Sünde zur Versöhnung, aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus dem Tod zum Leben in Gott. Dankt Gott für dieses beglückende Ergebnis seiner Liebe! Laßt euer ganzes Leben diese neue Freiheit bezeugen! Mit diesem Aufruf begrüße ich alle Gruppen und Einzelbesucher aus den Gegenden deutscher Sprache, darunter vor allem die Pilger der Katholischen Arbeitnehmerbewegung aus Osnabrück. Einen besonderen mitbrüderlichen Gruß an eine Gruppe von Priestern aus der Diözese Paderborn! In niederländischer Sprache sagte der Papst: Met vreugde begroet ik de pelgrims uit Nederland uit de verschillende bisdommen en van RABO-Eindhoven. Graag geef ik mijn apostolische zegen aan U en aan Uw familieleden. 190 AUDIENZEN UND ANGELUS „Arm im Geist“ ist eine Tugend Vor dem Angelus am 25. September 1. „Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut... Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.“) Mit diesen Worten preist Maria die göttliche Weisheit, die Gefallen findet an den Demütigen und die zu Fall bringt, die sich ausschließlich auf ihre eigene Sicherheit verlassen. Die Armut ist eine Tugend, die von der Spiritualität des Alten Testaments erst allmählich begriffen wurde. In der Folge der Babylonischen Gefangenschaft gewinnt dieser Begriff eine immer stärker verinnerlichte Bedeutung. Das heißt, „arm“ ist derjenige, der mit ganzem Herzen dem Herrn anhängt, indem er seinem Willen gehorcht, der im Gesetz des Mose seinen konkreten Ausdruck findet). Die so verstandene Armut beschränkte sich aber nicht auf eine hohle Innerlichkeit, die sich nicht um die Verpflichtung zur sozialen Gerechtigkeit zu kümmern brauchte. Im Gegenteil, die Beobachtung des mosaischen Gesetzes brachte sichtbare Wirkungen der Brüderlichkeit hervor. Denn es forderte dringend die Unterstützung der Bedürftigen, der Witwen, der Waisen, der Sklaven und der Fremden; außerdem sah es anläßlich des Sabbat- und Jubeljahres den Schuldennachlaß vor. 2. Maria, schreibt das Zweite Vatikanische Konzil, „ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen“ <26>). <26> Auch für uns als Jünger des Herrn bedeutet die Armut im Geiste soviel In der Armut Mariens erreicht die Armut, wie sie von vielen Gerechten des Alten Testaments gelebt wurde, ihren Höhepunkt. Die Verkündigung weist die Jungfrau als Geschöpf aus, das „arm im Geist“ ist, die sich aber mit ihrem „mir geschehe, wie du es gesagt hast“ in vollkommener Fügsamkeit dem Willen Gottes öffnet <27>). wie den bedingungslosen Gehorsam gegenüber seinem Evangelium. Das Bis zu ihrem Eingehen in die himmlische Herrlichkeit sollte die Armut Mariens in der hochherzigen Hingabe an die Person und das Werk ihres Sohnes bestehen. Und immer im Helldunkel des Glaubens! <28>) ist eine Herzenserziehung, zu der Paulus mit folgenden Worten mahnt: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus 191 AUDIENZEN UND ANGELUS Gerade auch das soziale Problem, verstanden als gerechte Verteilung der materiellen und ethischen Güter, hängt mehr denn je von einem ähnlichen Armutsstil ab. Die aufrichtige Zustimmung zum Wort Christi erträgt die Schande der Ungerechtigkeit und Unterdrückung nicht. Die Urgemeinde in Jerusalem, zu der Maria gehörte7), war eifrig darauf bedacht, „festzuhalten an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“8), und als Folge dieses Eifers für das Evangelium hatten sie alles gemeinsam, und keiner von ihnen litt Not9). Möge Christus in euch die Armut Mariens wecken! Dann wird die Macht seines Geistes euch freien Zugang zu der „großen Sache“ der Erlösung schenken. Dann werden wir selig sein, denn uns gehört das Himmelreich10). Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst: Ich möchte den Kirchenchören des Italienischen Cäcilienverbandes noch einmal meinen Beifall und mein Wohlgefallen ausdrücken; sie haben heute an der festlichen Liturgiefeier teilgenommen und diese durch die vollkommene Ausführung der liturgischen Gesänge noch intensiver und eindrucksvoller gemacht. Meinen Gruß und meine Ermutigung auch allen Mitgliedern der verdienten Vereinigung in allen Regionen Italiens. Dann begrüßte Papst verschiedene Pilgergruppen und sagte u. a. auf deutsch: Liebe Brüder und Schwestern! Maria, die Mutter Jesu, gehörte zu jenen Menschen, welche die Heilige Schrift im geistlichen Sinne „die Armen“ nennt. Sie war arm, weil Gott allein die Grundlage ihres Lebens, ihrer Hoffnung, ihrer Zukunft war. Sie war arm, weil ihr ganzes Streben dahinging, den Willen Gottes zu erkennen und anzunehmen. Sie war arm, weil sie sich dem Erlösungswerk ihres Sohnes bis unter das Kreuz zur Verfügung stellte. Sie war arm, weil sie mit den Aposteln das lebendige Herz der Gemeinschaft der jungen Kirche in Jerusalem bildete. Auf ihre Fürsprache hin erbitte ich euch und euren Familien Gesundheit und Frieden, Hoffnung und Zuversicht für euren weiteren Lebensweg. Anmerkungen 1) Lk 1, 48 a. 52. 2) vgl. Weish 3, 12-13; Jes 66, 2; Jdt 9, 11.14. 3) Lumen gentium, Nr. 55. 192 AUDIENZEN UND ANGELUS 4) Lk 1, 49 a. 52.54. 5) Vgl. Lk 2, 34.35.48-50; 1, 14; 4, 23-30; 8, lb-3; 12, 1; 28, 22. «) Phil 2, 5; vgl. Mt 11, 28-29; /alt 1, 21. 7) 1, 14. s) Apg 2, 42. 9) ^2, 44-45; 4, 32.34-35; vgl. Dtn 15, 4; 2 Kor 8, 13. 10) Vgl. Mt 5, 3. Erlösung ist Befreiung aus der Gefangenschaft der Sünde Ansprache bei der Generalaudienz am 28. September 1. „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart, daß Gott seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat, damit wir durch ihn leben“ (7 Joh 4, 9). Liebe Brüder und Schwestern, am Anfang von allem steht Gottes Liebe, die uns auf wunderbare Weise erschaffen und mit allen Geschöpfen zusammen ins Dasein gerufen, von der Schuld befreit und gereinigt hat durch Jesus Christus, der unsere Sünden gesühnt und getilgt und uns wieder in die Gnade und in die Gemeinschaft mit Gott eingesetzt hat. Diese durch Jesus Christus vollbrachte Tat Gottes ist etwas so Gewaltiges und so Geheimnisvolles, daß kein menschliches Wort es gebührend auszudrücken vermag. Die Verfasser des Neuen Testaments, die sie als neues Paschaopfer, als Opfer des Neuen Bundes und als großes Sühneopfer bezeichnet haben, waren sich wohl bewußt, daß keiner dieser Begriffe die Erlösungstat Christi, in dem sich das Erbarmen des um unser Schicksal väterlich besorgten Gottes offenbart, umfassend ausdrücken kann. Darum haben sie neben den Bildern vom Opfer auch Worte und Bilder verwendet, die sie ihrer religiösen und profanen Erfahrung entnahmen. So lesen wir denn im Neuen Testament, daß Jesus für uns gesühnt hat, daß Gott uns in Christus erlöst, uns losgekauft und versöhnt hat und daß er uns von unserer Schuld und Unreinheit befreit und gereinigt hat. Gegen die Ehre des Schöpfers 2. Richten wir unsere Aufmerksamkeit einen Augenblick auf einige dieser Ausdrücke. Sie beschreiben vor allem einen Zustand, aus dem wir 193 AUDIENZEN UND ANGELUS herausgerissen wurden, etwas Negatives, Dunkles wie Versklavung, Korruption, Gefahr, Entfremdung, Verderben und Feindschaft, um uns in einen neuen Zustand der Heiligkeit, der Freiheit und des Lebens zu versetzen. Aus einem Zustand des Todes und der Sünde sind wir in einen Zustand der Befreiung und Gnade gelangt. Um das Geschenk der Erlösung in seiner ganzen Tiefe zu verstehen, müssen wir also erfassen, was für ein gewaltiges Übel die Sünde ist, „quanti ponderis sit peccatum“ (hl. Anselm). Das Zweite Vatikanische Konzil legt in der Konstitution Gaudium et spes (Nr. 27) zunächst eine erschreckende Aufzählung moderner Sünden vor und bemerkt dann: „All diese und andere ähnliche Taten sind an sich schon eine Schande; sie sind eine Zersetzung der menschlichen Kultur, entwürdigen weit mehr jene, die das Unrecht tun, als jene, die es erleiden. Zugleich sind sie in höchstem 'Maße ein Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers.“ Die letzten Worte erinnern an die bekannte Definition der Sünde als Gott zugefügte Beleidigung durch Ungehorsam gegenüber seinem Gesetz, das ein Gesetz der Liebe ist. Wir alle sind uns solchen Ungehorsams mehr oder weniger bewußt. Wir alle sündigen in der einen oder anderen Weise und haben die Herrlichkeit und Ehre Gottes verletzt (vgl. Röm 3, 23). Nun aber befreit uns der Tod Christi von unseren Sünden, denn die Erlösung ist ja ihrem Wesen nach die Vernichtung der Sünde. 3. Wir können nun das Vokabular der Erlösung besser verstehen, das heißt die Begriffe, mit welchen das Neue Testament die Erlösung bezeichnet, wo es vom Glauben der Apostel und der ersten christlichen Gemeinde Zeugnis gibt. Einer der am häufigsten wiederkehrenden Ausdrücke ist „Erlösung“, „apolytrosis“. Wenn wir sagen, Jesus hat uns „erlöst“, dann verwenden wir ein Bild, das die Befreiung aus der Sklaverei, aus der Gefangenschaft - gemeint ist die Gefangenschaft der Sünde - bezeichnet. Wie Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat, wie man einen Gefangenen um Lösegeld freikauft, wie man ein wertvolles Gut, das in den Besitz eines anderen geraten ist, zurückkauft, so hat Gott uns durch das Blut Christi freigekauft. „Nicht um einen vergänglichen Preis, nicht um Silber oder Gold — schreibt der hl. Petrus - wurdet ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise losgekauft, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1, 18). Ein anderer klassischer Ausdruck ist Sühne: Jesus hat unsere Sünden gesühnt. So schreibt zum Beispiel der hl. Johannes: „Gott hat uns geliebt und 194 AUDIENZEN UND ANGELUS seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt“ (1 Joh 4, 10), „aber nicht nur für unsere Sünden, sondern auch für die der ganzen Welt“ (1 Joh 2, 2). In der Sprache der Bibel bedeutet „Sühne“ Tilgung. Reinigung, Vernichtung der Schuld und ihrer verderblichen Auswirkungen. Durch den Tod Christi und seine gänzliche Hingabe an den Vater wird die Sünde des Menschen getilgt und ausgemerzt, und der Mensch wird gereinigt und Gott wohlgefällig. 4. Aber es gibt eine Möglichkeit, das Werk Christi zu beschreiben, die für uns am klarsten und einsichtigsten ist; sie geht aus der Erfahrung der Versöhnung hervor: Im Tode Christi sind wir mit Gott versöhnt worden. Urheber der Versöhnung ist Gott, der die Initiative dazu in Freiheit ergriffen hat; Jesus Christus hat sie vollzogen und vermittelt; der Mensch ist ihr Empfänger. In der Tat steigt die Versöhnung von Gott zum Menschen herab, erfaßt ihn durch Jesus Christus und schafft in ihm ein neues Sein, läßt ihn von einer Existenzweise in eine andere übergehen und erschließt ihm die Möglichkeit der Versöhnung nicht nur mit Gott, sondern auch mit den Brüdern. Das Heilige Jahr will vor allem eine eindringliche und leidenschaftliche Aufforderung sein, das Herz dem göttlichen Geschenk der Versöhnung zu öffnen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Graag begroet ik de pelgrims uit Nederland afkomstig uit de verschillende bisdommen, speciaal de groep van de Katholicke Radio Omroep te Hilversum. Möge God U en Uw familieleden rijkelijk zegenen. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Das Werk unserer Erlösung ist etwas so Gewaltiges, daß es weder in einem Menschenleben noch in der Geschichte der Kirche gebührend erlebt und erfaßt werden kann. Menschliches Denken und Sprechen kann sich an solche Geheimnisse nur herantasten. „Erlösen“, „loskaufen“, „befreien“, „reinigen“, „waschen“, „befrieden“, so heißt es in den Büchern der Schrift. Übergang also von Versklavung und Entstellung zur herrlichen Schönheit und Freiheit der Kinder Gottes. Übergang durch das Wirken des Vaters in seinem Sohn: „Gott hat seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt, damit wir durch ihn leben.“ Dieses Leben aber ist Gemeinschaft mit ihm, so wie die Knechtschaft der 195 AUDIENZEN UND ANGELUS Sünde Trennung von ihm bedeutet. Und so ist Erlösung immer auch Versöhnung. Versöhnung im Sohn. Lassen wir uns mit Gott versöhnen! Eigens begrüße ich euch, ihr Seminaristen des Niels-Stensen-Kollegs. Mögen euch diese Tage in Rom dazu helfen, als Seminaristen und einst als Priester im Geiste von Niels Stensen zu leben und zu wirken! Aus dem Erzbistum Köln grüße ich die Bonner Pilgergruppe und die Lesergemeinschaft der Kirchenzeitung. Eure Romwallfahrt und die Verbundenheit mit der Kirche im Bistum und in der Welt durch die Lektüre der kirchlichen Presse helfen euch, mit frohem Herzen und wachem Geist Kirche Jesu Christi zu sein. Ein herzliches Willkommen auch dem Bund der deutschen Zollbeamten. Mit Ihrem Einsatz im Sinne des Europagedankens bereichern Sie Ihr Berufsethos um einen wertvollen Akzent. Gott segne Ihre Arbeit! Ein hohes Berufsethos ist es auch, das den Kraftfahr-Verband der deutschen Ärzte beseelt, dessen Vertreter ich hier begrüße. Möge die Straße mit ihren Belastungen und Gefahren immer auch Gegenstand und Schauplatz jener Nächstenliebe sein, die uns der Herr im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter so einladend vor Augen stellt. Schwierigkeiten sind vorauszusehen Wort zum Libanonkonflikt während der Generalaudienz am 28. September Auch heute lade ich euch zum Gebet für den Libanon ein. Nach den heftigen Gefechten, die sich über mehrere Wochen hingezogen und in beängstigendem Maße Zerstörungen und Opfer unter den Kämpfenden sowie unter der völlig entmutigten und erschöpften Zivilbevölkerung hervorgerufen haben, wurde endlich ein Waffenstillstand erreicht. Dieser ist noch unsicher und bedarf, wenn er wirksam werden soll, des guten Willens aller. Er ist jedoch von großer Wichtigkeit, vor allem, weil nicht mehr geschossen wird, und weil er ferner Garantien gegen ein Wiederaufflammen der Kämpfe vorsieht und ein Vorgehen verspricht, das zu einer Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den beteiligten Gruppen führen sollte mit dem Ziel, eine nationale Versöhnung zu erreichen. Wenn man an die früheren Erfahrungen denkt, kann man die Hindernisse und Schwierigkeiten, die noch zu überwinden sind, voraussehen; man darf 196 AUDIENZEN UND ANGELUS aber hoffen — und muß vor allem darum beten —, daß der gute Wille und das Verantwortungsbewußtsein sowohl bei den Verantwortlichen der Gruppen innerhalb des Libanon als auch bei den Autoritäten jener Regierungen sich durchsetzen, die irgendwie am Schicksal des geplagten Landes interessiert sind. Die heilige Jungfrau, Herrin und Königin des Libanon, möge alle Bemühungen des guten Willens unterstützen, die auf eine Wiederherstellung des Friedens und der Einheit in dieser geliebten Nation abzielen. Das Rosenkranzgebet Vor dem Angelus am 2. Oktober 1. Im Monat Oktober, der traditionell dem Rosenkranz geweiht ist, will ich die kurze Betrachtung vor dem Angelus diesem Gebet widmen, das den Katholiken so sehr am Herzen liegt, das ich selbst so sehr hebe und das von meinen Vorgängern so sehr empfohlen wurde. In diesem außerordentlichen Heiligen Jahr der Erlösung gewinnt auch das Rosenkranzgebet neue Perspektiven und wird mit stärkeren und weitgrei-fenderen Intentionen erfüllt als in der Vergangenheit. Heute brauchen wir nicht mehr große Siege zu erbitten wie einst bei Lepanto und Wien, es geht vielmehr darum, Maria zu bitten, daß sie uns zu kraftvollen Kämpfern gegen den Geist des Irrtums und des Bösen macht, mit den Waffen des Evangeliums, das heißt dem Kreuz und dem Wort Gottes. Das Rosenkranzgebet ist ein Gebet des Menschen für den Menschen: Es ist das Gebet der menschlichen Solidarität, das gemeinsame Gebet der Erlösten, in dem sich Geist und Absichten Mariens, der Ersterlösten, der Mutter und des Urbilds der Kirche widerspiegeln: das Gebet für alle Menschen der Welt und der Geschichte, lebende und tote, die berufen sind, zusammen mit uns Leib Christi zu sein und mit ihm zum Miterben der Herrlichkeit des Vaters zu werden. 2. Wenn wir die geistlichen Richtlinien betrachten, die uns das schlichte und evangelische Rosenkranzgebet nahelegt (vgl. Marialis cultus, Nr. 46), finden wir die Intentionen wieder, die der hl. Cyprian in seinem „Vaterunser-Kommentar“ festhielt. Er schrieb: „Der Herr, Meister des Friedens und der Einheit, wollte nicht, daß wir für uns persönlich und allein beten 197 AUDIENZEN UND ANGELUS sollten. Und in der Tat sagen wir auch nicht: ,Mein Vater im Himmel1, und ebensowenig: ,Gib mir mein tägliches Brot.1 Unser Gebet ist für alle; wenn wir beten, tun wir das also nicht für einen einzelnen, sondern für das ganze Volk, denn zusammen mit dem ganzen Volk sind wir eins“ {De dominica oratione, 8). Das Rosenkranzgebet richtet sich mit aller-Inständigkeit an diejenige, die der höchste Ausdruck der betenden Menschheit ist, Vorbild der betenden und bittenden Kirche in Christus, dem Erbarmen des Vaters. Wie Christus „allezeit lebt, um für uns einzutreten“ (vgl. Hebrl, 25), so dauert Mariens Sendung als Mutter auch im Himmel unaufhörlich fort, und sie macht sich zur Sprecherin aller Menschen für alle Menschen, bis zur Krönung der Auserwählten (vgl. Lumen gentium, Nr. 62). In diesem Gebet bitten wir sie inständig, uns während der ganzen Spanne unseres gegenwärtigen Lebens beizustehen und vor allem in dem für unser ewiges Schicksal entscheidendsten Augenblick, in der „Stunde unseres Todes“. Der Rosenkranz ist ein Gebet, das die Perspektive des Gottesreiches besitzt und die Menschen dazu anhält, die Früchte der Erlösung zu empfangen. Zu den deutschsprachigen Pilgern sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch die Besucher aus den Gegenden deutscher Sprache. Ich wünsche euch einen gesegneten Aufenthalt in der Stadt der Apostel Petrus und Paulus. Wir stehen am Anfang des Monats Oktober, in dem das Rosenkranzgebet besonders gepflegt wird. Nutzt diese so menschliche Gebetsform, um die Geheimnisse unserer Erlösung tief und innig zu betrachten. Laßt euch von Jesus Christus durch alles Kreuz und Leid zur Freude der Auferstehung führen! Eine Schule der Heiligkeit Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Oktober 1. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5, 20). Liebe Brüder und Schwestern, diese Worte des Apostels Paulus führen unsere Gedanken unwillkürlich zu einem der wichtigsten Ereignisse dieses Heiligen Jahres der Erlösung hin, nämlich zur Versammlung der Bischofssynode, die in diesen Tagen in Rom stattfindet. Mehr als 198 AUDIENZEN UND ANGELUS zweihundert Bischöfe sind aus allen Teilen der Welt hier zusammenge-kommen, um über „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ zu diskutieren. Die Kirche hat den Auftrag, allen Völkern die Erlösung zu bringen, daß heißt die Versöhnung, die der Vater jedem Menschen in Tod und Auferstehung seines Sohnes angeboten hat und weiter anbietet. Thema und Ziel der Synode stehen also in vollem Einklang mit der tieferen Bedeutung der Erlösung und des Heiligen Jahres. Das Verlangen nach dem Guten Bereits in ihren Vorbereitungsdokumenten fordert die Synode den Menschen auf, nach den eigentlichen Ursachen seines Dramas zu suchen, sich seiner Hinfälligkeit, aber auch seines Verlangens nach dem Guten klar bewußt zu werden. Denn - wie das Zweite Vatikanische Konzil feststellt -„die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, hängen mit jener tiefer hegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprüchlichen Elemente gegeben. (...) So leidet er an einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 10). 2. Aber die Synode bleibt hier nicht stehen. Sie zeigt auch den Weg der Befreiung von den Fesseln der Sünde, nach der sich der Mensch innerlich sehnt, und sie weist auf die Größe des göttlichen Erbarmens hin. Gottes Stimme fragt jeden Sünder In der Tat, wir Sünder bekehren uns dank der Initiative Gottes: „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5, 19). Das bekennen wir demütig mit den Worten des vierten Eucharistischen Hochgebetes aus dem Römischen Meßbuch: „Als er im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden.“ Die Initiative des Erbarmens Gottes geht unablässig weiter. Gottes Stimme fragt jeden Sünder, wie einst Adam, als er gesündigt hatte: „Wo bist du?“ ( Gen 3, 9). Und der Mensch ist imstande, sein eigenes Gewissen zu hören; auch wenn die Ursünde tiefe Wunden in ihm hinterlassen hat, so hat sie doch nicht seine grundlegende Fähigkeit zerstört, mit Hilfe der 199 AUDIENZEN UND ANGELUS Gnade auf die Stimme des Gewissens zu hören und ihr zu folgen, das Gute statt des Bösen zu wählen und sich zu entscheiden wie der verlorene Sohn: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“ (Lk 15, 18). Die Initiative der barmherzigen Liebe Gottes gegenüber dem durch die Sünde entfremdeten Menschen fordert seine Antwort heraus, die Umkehr, die Rückkehr zu Gott, die Bereitschaft, die Brüder wieder in die Arme zu schließen, die eigenen Sünden zu bekennen, die aus ihnen erwachsenen Folgen gutzumachen und das eigene Leben nach dem Willen des Vaters zu gestalten. So wird der Mensch durch den Tod und die Auferstehung Christi sowie durch das Wirken des Heiligen Geistes zu „einer neuen Schöpfung“ (2 Kor 5, 17), zu einem neuen Menschen (vgl. Gal 6, 15), und durch das Werk der Versöhnung wird die Menschheit selbst zu einer neuen menschlichen Gemeinschaft (vgl. Eph 2, 14-18), in welcher in reichem Maße Friede mit Gott und den Brüdern herrscht. 3. Die Synode ist aufgerufen, die Bedeutung der Erlösung im Sendungsauftrag der Kirche tiefer herauszuarbeiten und die Wege für eine immer bessere Erfüllung dieser Sendung aufzuzeigen. Unser Herr hat, bevor er zum Himmel auffuhr, den Aposteln und ihren Nachfolgern die Aufgabe anvertraut, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen, das im wesentlichen die Frohbotschaft von der Versöhnung mit Gott ist; sie zu taufen zur Vergebung der Sünden und im Namen Gottes die Sünden zu vergeben oder zu behalten: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 23; vgl. Mt 18, 28). Sich selbst und die Umwelt erneuern Die Synode prüft, wie in der Kirche die erneuernde Kraft des Bußsakraments aufgefaßt und fruchtbar gemacht wird, ein Geschenk, das aus der durchbohrten Seite des Erlösers entspringt, ein Geschenk, das jahrhundertelang Quelle der Erneuerung und des inneren und äußeren Friedens war und es immer noch ist, Werkzeug der Reifung und des Wachstums, Schule der Heiligkeit, Schule neuer Berufungen. Mit der Umkehr, die in diesem Sakrament bestätigt und gefestigt wird, nimmt jede echte, tiefgreifende Verbesserung der Lebensgewohnheiten und der Gesellschaft ihren Anfang; hier werden die Grundlagen für eine neue moralische Ordnung in 200 AUDIENZEN UND ANGELUS der Familie, bei der Arbeit im wirtschaftlichen, sozialen und politischen Leben gelegt. Wenn es wahr ist, daß „die bösen Absichten aus dem Herzen des Menschen stammen“, so ist ebenso wahr, daß dieses Herz fähig ist, auf die Stimme des Vaters zu hören, Vergebung zu erbitten und zu erlangen, zu neuem Leben aufzuerstehen, sich selbst und die Umwelt zu erneuern. Bitten wir daher alle den Heiligen Geist, daß er die zur Synode versammelten Bischöfe stärken und bei ihren Beratungen leiten möge. Beten wir ferner, daß die Synode, die in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung stattfindet, allen Gewissen helfe, den Sinn für Gott und die Sünde neu zu wecken, die Größe des göttlichen Erbarmens und die Bedeutung des Bußsakramentes für das Wachstum der Christen, für die geistliche Erneuerung der Kirche und für die moralische Gesundung der Gesellschaft zu verstehen. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude grüße ich euch heute wiederum in so großer Zahl und heiße euch herzlich willkommen zu dieser Jubiläumsaudienz. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich noch an die zahlreichen Teilnehmer der Rompilgerreise aus den Diözesen Limburg, Fulda und Mainz sowie an den Diözesanpilgerzug der Diözese Innsbruck unter Leitung ihres Bischofs Msgr. Stecher. Ebenso begrüße ich die Gruppe von Richtern aus Wien, die zu einer Studientagung in Rom weilen, und auch die Behinderten und Helfer der Pilgerfahrt „Rom im Rollstuhl“ aus der Schweiz. Euch und allen hier anwesenden Pilgern deutscher Sprache erteile ich für reiche Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers, von Herzen den Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Met vreugde begroet ik de pelgrims uit Nederland, onder wie de pelgrims van de Katholieke Radio Omroep te Hilversum. Met grote dank begroet ik de Vereniging van Nationale Bedevaarten die de honderdste verjaardag viert. Gedurende deze honderd jaren hebt u talloze pelgrims naar Rome en Lourdes gebracht. Ik feliciteer u van harte; möge God uw werk blijven zegenen. 201 AUDIENZEN UND ANGELUS „Die dem Herrn am nächsten stand“ Vor dem Angelus am 9. Oktober 1. Von den vielen Eigenschaften, die Päpste, Heilige und Gelehrte dem Rosenkranzgebet zugeschrieben haben, wird eine in diesem Jubiläumsjahr in gebührender Weise bedacht. Der Rosenkranz ist ein fortwährendes Gedenken an die Erlösung in ihren entscheidenden Phasen: von der Menschwerdung des Wortes, über sein Leiden und Sterben für uns bis zum Osterfest, das er eingeleitet hat und das seine ewige Erfüllung im Himmel finden wird. Und in der Tat, wenn wir die kontemplativen Elemente des Rosenkranzes, also die Geheimnisse, um die sich die Gebetsworte ranken, betrachten, können wir besser verstehen, warum dieser Kranz des „Ave“ als „Marienpsalter“ bezeichnet wurde. Wie die Psalmen Israel an die Wunder des Auszugs aus Ägypten und die von Gott bewirkte Rettung erinnerten und das Volk ständig zur Treue gegenüber dem Bund vom Sinai riefen, so erinnert der Rosenkranz das Volk des Neuen Bundes unablässig an die Wunder des Erbarmens und der Macht, die Gott in Christus zugunsten des Menschen gewirkt hat, und ruft es zur Treue gegenüber dem Taufversprechen. Wir sind sein Volk, er ist unser Gott. 2. Aber diese Erinnerung an Gottes Wunder und dieser ständige Ruf zur Treue verläuft gewissermaßen über Maria, die gläubige Jungfrau. Die aufeinanderfolgenden „Ave“ helfen uns von Mal zu Mal tiefer, in das höchste Geheimnis des menschgewordenen und heilbringenden Wortes (vgl. Lumen gentium, Nr. 65) einzudringen „mit dem Herzen derjenigen, die dem Herrn am nächsten stand“ (Marialis cultus, Nr. 47). Denn auch Maria hat als Tochter Sions und Erbin der geistlichen Weisheit Israels die Wunder des Auszugs aus Ägypten besungen; doch als erste und vollkommenste Jüngerin Christi hat sie das Osterfest des Neuen Bundes vorweggenommen und gelebt, indem sie jedes Wort und jede Handlung des Sohnes im Herzen bewahrte und überdachte, sich in bedingungsloser Treue ihm anschloß und allen den Weg des neuen Bundes zeigte: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2, 5). In ihrer jetzigen Herrlichkeit im Himmel beweist sie, daß sich in ihr der Zug des neuen Volkes ins verheißene Land verwirklicht hat. 3. Das Rosenkranzgebet lasse uns also eihtauchen in die Geheimnisse Christi und stelle im Antlitz der Mutter jedem Gläubigen und der ganzen 202 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirche das vollkommene Vorbild dafür vor Augen, wie die Welt, die sich erst noch auf dem Weg zu ihrem Heil befindet, jedes Wort und jedes Geschehen Gottes annehmen, bewahren und leben soll. Nach dem Angelus begrüßte der Papst u. a. auch die Pilger deutscher Sprache: Auch die Besucher deutscher Sprache möchte ich grüßen und segnen. In diesem Monat Oktober vertraue ich euch vor allem der Gottesmutter Maria an. Mit ihr zusammen könnt ihr im Rosenkranzgebet die Geheimnisse unserer Erlösung betrachten und tiefer verkosten. Auch dies ist eine gute Art, das Jubiläumsjahr der Erlösung zu leben. „Der Mensch braucht einen anderen“ Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Oktober 1. „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe“ (Joh 4, 15). Die Bitte der Samariterin an Jesus bringt in ihrer tiefsten Bedeutung das unerfüllbare Bedürfnis und das unstillbare Verlangen des Menschen zum Ausdruck. Denn jeder Mensch, der dieses Namens würdig ist, erkennt unvermeidlich eine ihm angeborene Unfähigkeit, dem Wunsch nach Wahrheit, Güte und Schönheit, der dem tiefsten Grund seines Wesens entspringt, zu entsprechen. Je länger er lebt, desto mehr entdeckt er wie die Samariterin, daß er unfähig ist, den Durst nach Fülle, den er in sich trägt, zu stillen. Von heute bis Weihnachten werden die Betrachtungen dieser wöchentlichen Begegnung der Sehnsucht des Menschen nach Erlösung gelten. Der Mensch braucht einen anderen; er lebt, ob er es weiß oder nicht, in Erwartung eines anderen, der ihn von der angeborenen Unfähigkeit, seine Erwartungen und Hoffnungen zu stillen, erlöst. Aber wie kann er ihm begegnen? Unerläßliche Vorbedingung für diese entscheidende Begegnung ist, daß der Mensch sich des existentiellen Durstes, der ihn quält, und seines radikalen Unvermögens, ihn zu löschen, bewußt ist. Der Weg, um sich dessen bewußt zu werden, ist für den heutigen Menschen wie für den Menschen aller Zeiten das Nachdenken über die eigene Erfahrung. Das hatte bereits die antike Weisheit intuitiv 203 AUDIENZEN UND ANGELUS erkannt. Wer würde nicht an die weithin sichtbare Aufschrift auf dem Apolltempel in Delphi denken? Sie lautet: „Mensch, erkenne dich selbst.“ Diese gebieterische Aufforderung, die auch in noch älteren Kulturen in verschiedener Weise und Form Ausdruck fand, hat die Geschichte überdauert und stellt sich mit derselben Dringlichkeit auch dem modernen Menschen. Das Johannesevangelium bezeugt in einigen wichtigen Episoden gut, wie Jesus selbst, wenn er als der vom Vater Gesandte auftrat, an diese dem Menschen eigene Fähigkeit appellierte, sein Geheimnis verstehen zu lernen, indem er seine Erfahrungen erwägt. Man braucht nur an die angeführte Begegnung mit der Samariterin zu denken oder an die Begegnung mit Nikodemus, der Ehebrecherin oder dem Blindgeborenen. 2. Aber wie läßt sich diese tiefe menschliche Erfahrung, die dem Menschen den Weg zum echten Selbstverständnis weist, umschreiben? Sie ist die ständige Spannung zwischen dem Ich und seiner Bestimmung. Die wahre menschliche Erfahrung kommt nur in jener echten Öffnung für die Wirklichkeit zustande, die der Person als zur Erkenntnis fähigem Einzelwesen mit all ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten erlaubt, sich in der Wahrheit ihres Seins zu erkennen. Welches sind aber die Merkmale einer solchen Erfahrung, dank der der Mensch sich entschlossen und ernsthaft der Aufgabe des „Erkenne dich selbst“ stellen kann, ohne sich bei dieser Suche zu verirren? Zwei Grundbedingungen muß er beachten. Er muß sich vor allem für jene Gesamtheit von Ansprüchen, Bedürfnissen und Wünschen interessieren, die sein Ich kennzeichnen. Zum zweiten muß er sich einer objektiven Begegnung mit der gesamten Wirklichkeit öffnen. Der hl. Paulus weist die Christen unaufhörlich auf diese grundlegenden Merkmale jeder menschlichen Erfahrung hin, wenn er mit Nachdruck hervorhebt: „Alles gehört euch; ihr aber gehört Christus, und Christus gehört Gott“ (1 Kor 3, 23), oder wenn er die Christen von Thesalonich auffordert: „Prüft alles, und behaltet das Gute!“ (1 Thess 5, 21). In diesem ständigen Vergleich mit dem Wirklichen bei der Suche nach dem, was der eigenen Bestimmung entspricht oder nicht, macht der Mensch die elementare Erfahrung der Wahrheit, jene Erfahrung, die von den Scholastikern und vom hl. Thomas in vortrefflicher Weise als „Übereinstimmung des Verstandes mit der Wirklichkeit“ definiert wird (Thomas v. Aquin, De Veritate, q 1 a 1 corpus). 204 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Um echt zu sein, muß die Erfahrung vollständig sein und den Menschen für das Ganze aufschließen; so begreift man nur zu gut, wo für den Menschen die Gefahr des Irrtums liegt: Er muß sich vor jeder Verkürzung hüten. Er muß die Versuchung überwinden, die Erfahrung z. B. auf bloße soziologische Fragen oder auf ausschließlich psychologische Aspekte zu beschränken. Ebenso muß er auf der Hut sein, Denkmuster und Vorurteile, die ihm das Milieu, in dem er normalerweise lebt und arbeitet, nahelegt, mit der Erfahrung zu verwechseln. Solche Vorurteile sind heutzutage um so häufiger und gefährlicher, weil sie mit dem Mythos der Wissenschaft oder mit der angemaßten Vollständigkeit einer Ideologie bemäntelt werden. Wie schwierig ist es für den Menschen in der heutigen Welt, den sicheren Hafen der echten Selbsterfahrung zu erreichen, wo sich ihm der wahre Sinn seiner Bestimmung enthüllt. Er ist ständig von der Gefahr bedroht, jenen falschen Vorstellungen nachzugeben, die ihn seine Wesensnatur, nämlich als Ebenbild Gottes geschaffen zu sein, vergessen und ihn in tiefste Verzweiflung fallen lassen, oder, was noch schlimmer ist, einem Zynismus zu überlassen, den nichts mehr berührt. Wie befreiend erscheint im Licht dieser Überlegungen der von der Samariterin gesprochene Satz: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich keinen Durst mehr habe!“ In der Tat, dieser Satz gilt für jeden Menschen, ja er ist, genau besehen, eine tiefgründige Beschreibung seiner Natur als solcher. So entdeckt sich der Mensch, der sich ernsthaft mit sich selbst auseinandersetzt und mit klarem Blick seine Erfahrung nach den von uns genannten Kriterien erwägt, mehr oder weniger bewußt als ein Wesen, das zugleich voll von Bedürfnissen ist, auf die er keine Antwort finden kann, und durchdrungen von einer Sehnsucht, von einem Durst nach Selbstverwirklichung, den er allein nicht zu stillen vermag. Der Mensch erkennt somit, daß er von seiner eigenen Natur her dazu bestimmt ist, einen anderen zu erwarten, der seine Unvollkommenheit in Fülle verwandeln kann. Eine Unruhe bewegt unaufhörlich sein Dasein, wie sie der hl. Augustinus zu Beginn seiner „Bekenntnisse“ zum Ausdruck bringt: „Du hast uns für dich geschaffen, o Herr, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir“ (Bekenntnisse, I, 1). Wenn der Mensch sein Menschsein ernst nimmt, erkennt er, daß er aus sich heraus machtlos ist. Christus ist derjenige, der ihn rettet. Er allein kann ihn aus dieser ausweglosen Situation befreien, indem er den existentiellen Durst stillt, der ihn quält. 205 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich die vielen soeben genannten Gruppen. Ich grüße jeden einzelnen Pilger; besonders die Priester und Ordensleute sowie die anwesenden Familien. Ich wünsche euch allen, daß ihr euren Rombesuch als Jubiläumswallfahrt zum Heiligen Jahr der Erlösung gestaltet und daraus reiche geistliche Früchte empfangt. Im Innersten seines Herzens sehnt sich der Mensch nach Erlösung. Er erfährt sein eigenes Unvermögen und die menschliche Unerfüllbarkeit seiner tiefsten Wünsche und Hoffnungen. Je mehr der Mensch sich erkennt, um so mehr wird er über seine Grenzen hinaus auf einen anderen verwiesen, der allein seinen existentiellen Durst zu stillen vermag. Mit der Samariterin im Evangelium möchte jeder Mensch zu Christus, seinem Erlöser, sagen: „Herr, gib mir dieses Wasser, damit ich nicht mehr durstig werde“ (Joh 4, 15). Der Mensch ist ausgerichtet auf die Gesamtwirklichkeit seiner Fülle. „Alles gehört euch“, schreibt der Apostel Paulus, „ihr aber gehört Christus und Christus gehört Gott“ (1 Kor 3, 23). Der hl. Augustinus drückt diese Grunderfahrung des Menschen mit dem bekannten Wort aus: „Du, o Herr, hast uns für dich geschaffen; und unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in dir.“ Christus ist es, der uns erlöst und alle unsere Hoffnungen erfüllen kann. Ihm gilt unsere besondere Verehrung im jetzigen Jubiläumsjahr der Erlösung. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die großen Pilgerzüge aus den Diözesen Münster und Paderborn und aus der Region Düren-Jülich im Bistum Aachen. Eure Wallfahrt zu den Gräbern der Apostel bestärke euch in eurem persönlichen Bekenntnis zu Christus und befruchte dadurch auch segensreich die Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung in euren Heimatdiözesen und Pfarrgemeinden. Herzlich freue ich mich sodann über die große Zahl der anwesenden Chorsänger und -Sängerinnen des Cäcilienverbandes im Bistum Essen. Singt zu Gottes Lob nicht nur mit der Stimme, sondern auch mit dem Herzen, ja mit eurem Leben. „Seid, was ihr singt“, sagt der hl. Augustinus. Verherrlicht Gott zugleich auch mit einem echt christlichen Leben. Ein weiterer herzlicher Gruß gilt den Mitgliedern des Generalkapitels der Missionare von der Heiligen Familie, den Neupriestern des Collegium Germanicum-Ungaricum zusammen mit ihren Angehörigen und Freunden wie auch dem Weihekurs der Altgermaniker, die vor 30 Jahren die Priesterweihe empfangen haben. Ich empfehle euch und euren priesterli-chen Dienst in einer besonderen Weise Christus, dem Ewigen Hohenprie- 206 A UDIENZEN UND ANGELUS ster, und dem Schutz seiner Mutter, die zugleich die Mutter der Kirche und unsere Mutter ist. Mit meinen besten Segenswünschen begleite ich ferner die Rompilger der Arbeitsgemeinschaft der katholischen Studentenverbände. Werdet, liebe junge Freunde, durch diese eure Mitfeier des Heiligen Jahres selbst zu Boten der Versöhnung unter den Menschen! Schließlich richte ich noch ein Wort der Anerkennung und der Ermutigung an die Teilnehmer des 3. Internationalen Ökumenischen Fortbildungsseminars für Gehörlosenseelsorge, das zur Zeit hier in Rom stattfindet. „Der Glaube kommt vom Hören“, sagt der hl. Paulus. Das gilt auch für die Gehörlosen. Es ist Ihre schwierige pastorale Aufgabe, die diesen geprüften Mitchristen bestverständliche „Sprache“ zu finden und zu vervollkommnen, um auch ihnen die Frohe Botschaft Christi in ihrem ganzen Reichtum zu verkünden. Da ihr äußeres Ohr verschlossen ist, gilt es um so mehr, ihr inneres Ohr für das Wort Gottes zu öffnen und zu schärfen, das jeden Menschen führt und erleuchtet, der in diese Welt kommt. Ich erbitte Ihren wichtigen Beratungen und Ihrem seelsorglichen Wirken im Dienst der Gehörlosen Gottes besonderen Beistand. Zugleich erteile ich allen hier anwesenden Pilgern deutscher Sprache für eine religiös fruchtbare Mitfeier des Jubiläumsjahres der Erlösung von Herzen meinen Apostolischen Segen. Weihegebet von Fatima Vor dem Angelus am 16. Oktober 1. „Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Darum, o Mutter der Menschen und Völker, die Du „alle ihre Leiden und Hoffnungen kennst“ und mit mütterlichem Herzen an allen Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis Anteil nimmst, die unsere heutige Welt erschüttern, höre unser Rufen, das wir unter dem Antrieb des Heiligen Geistes direkt an Dein Herz richten, und umfange mit Deiner mütterlichen und dienenden Liebe diese unsere Welt, die wir Dir anvertrauen und weihen, erfüllt von Sorge um das irdische Heil der Menschen und Völker. Vor allem überantworten und weihen wir Dir jene 207 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschen und Völker, die dieser Überantwortung und Weihe besonders bedürfen. „Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten! Verschmähe es nicht! Nimm an den Akt unseres demütigen Vertrauens und unserer Überantwortung! 2. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Diese Liebe hat bewirkt, daß der Gottessohn sich selbst geweiht hat: „Für sie heilige ich mich, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ (Joh 17, 19). Kraft dieser Weihe sind die Jünger aller Zeiten dazu berufen, sich für die Rettung der Welt einzusetzen und für den Leib Christi, die Kirche, zu ergänzen, was an seinen Leiden noch fehlt (vgl. 2 Kor 12, 15; Kol 1, 24). Vor Dir, Mutter Christi, vor Deinem unbefleckten Herzen möchte ich mich heute zusammen mit der ganzen Kirche unserem Erlöser in dieser seiner Heiligung für die Welt und die Menschen verbinden; nur in seinem göttlichen Herzen findet ja solche Heiligung die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten. Die Kraft dieser Weihe dauert durch alle Zeiten und erreicht alle Menschen, Völker, Nationen; sie überwindet alles Böse, welches der Fürst der Finsternis im Herzen des Menschen und in seiner Geschichte wecken kann und in unseren Zeiten auch tatsächlich weckt. Mit dieser Weihe unseres Erlösers verbindet sich durch den Dienst des Nachfolgers Petri die Kirche, der mystische Leib Christi. Wie notwendig ist doch diese in Einheit mit Christus vollzogene Weihe für die Menschheit und für die Welt, für unsere heutige Welt! Die Erlösungstat Christi muß ja von der Welt mitvollzogen werden durch die Kirche. Wie weh tut uns allen, was sich in der Kirche und in jedem von uns der Heiligkeit und der Weihe entgegenstellt! Wie weh tut es uns, daß die Einladung zu Buße, Umkehr und Gebet nicht jene Aufnahme fand, die ihr zukam! Wie weh tut es uns, daß viele so halbherzig die Erlösungstat Christi mitvollziehen! Daß unser irdisches Leben so ungenügend ergänzt, „was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1, 24)! Selig all jene, die dem Ruf der ewigen Liebe Folge leisten! Selig jene, die in nimmermüder Hochherzigkeit sich Tag für Tag von Dir, o Mutter, bewegen lassen, zu tun, was Dein Jesus sagt (vgl. Joh 2, 5) und Kirche und Welt das zuversichtliche Zeugnis eines Lebens geben, das sich am Evangelium ausrichtet. 208 AUDIENZEN UND ANGELUS Selig über alles, Du, Magd des Herrn, die dem göttlichen Anruf in vollkommenster Weise folgt! Sei gegrüßt, die Du der erlösenden Weihe Deines Sohnes Dich ganz verbindest! Mutter der Kirche! Erleuchte das Volk Gottes auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Hilf uns, die Wahrheit der Weihe Christi für die gesamte Menschheitsfamilie und die heutige Welt in ihrer ganzen Fülle zu leben! 3. Wenn wir Dir, o Mutter, die Welt, alle Menschen und alle Völker anvertrauen, so vertrauen wir Dir dabei auch diese unsere Weihe für die Welt an und legen sie in Dein mütterliches Herz. O unbeflecktes Herz, hilf uns, die Gefahr des Bösen zu überwinden, das sich so leicht in den Herzen der heutigen Menschen einnistet und dessen unvorstellbare Auswirkungen über unserer Gegenwart lasten und den Weg in die Zukunft zu versperren scheinen. Von Hunger und Krieg: befreie uns! Von Atomkrieg, unkontrollierbarer Selbstzerstörung und jeder Art des Krieges: befreie uns! Von den Sünden gegen das Leben des Menschen von seinen Anfängen an: befreie uns! Vom Haß und von der Mißachtung der Würde der Söhne und Töchter Gottes: befreie uns! Von jeder Ungerechtigkeit im sozialen, nationalen und internationalen Leben: befreie uns! Von leichtfertiger Übertretung der Gebote Gottes: befreie uns! Vom Versuch, in den Herzen der Menschen die Wahrheit Gottes zu ersticken: befreie uns! Von den Sünden gegen den Heiligen Geist: befreie uns, befreie uns! Höre, Mutter Christi, diesen Hilfeschrei, in welchem die Not aller Menschen zu Dir ruft, die Not ganzer Völker! Noch einmal zeige sich in der Geschichte der Welt die unendliche Macht der erbarmenden Liebe. Daß sie dem Bösen Einhalt gebiete! Daß sie die Gewissen wandle! In Deinem unbefleckten Herzen offenbare sich allen das Licht der Hoffnung! Nach dem Angelus sagte der Papst auf deutsch: Herzlich grüße ich auch die Besucher deutscher Sprache, die den großen Ehrentag des heiligen Kapuziners Leopold Mandic miterleben. Möge uns dieser unermüdliche Beichtvater eine aufrichtige Bekehrung des Herzens bei Gott erbitten, wann immer wir sie nötig haben. 209 AUDIENZEN UND ANGELUS In Italienisch fuhr der Papst fort: Heute wird der von der FAO angeregte 3. Welternährungstag begangen. Ich brauche wohl nicht eigens die Bedeutung und Dringlichkeit des Appells zu unterstreichen, den dieser Tag an unser Gewissen richten will. Wir Christen müssen uns in vorderster Linie miteinbezogen und aufgerufen fühlen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um dem gewaltigen Hilfeschrei der Armen zu begegnen, der aus vielen Teilen der Welt an unser Ohr dringt. Nach seinem Bild und Gleichnis Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Oktober 1. „Was ist der Mensch, und wozu nützt er? Was ist gut an ihm, und was ist schlecht?“ (Sir 18, 8). Die Fragen im soeben gehörten Abschnitt des Buches Jesus Sirach, die in der gesamten biblischen Weisheitsliteratur widerhallen, wo ebenso über den Sinn von Geburt und Hinfälligkeit des Menschen nachgedacht wird, gehen auf einen Bereich von Erfahrungen ein, die absolut allen Menschen gemeinsam ist. Diese Fragen trägt jeder Mensch im Innersten seines Herzens, wie der dichterische Genius aller Zeiten und Völker beweist, der wie eine Prophezeiung der Menschheit immer wieder die ernsten Fragen stellt, die den Menschen erst wirklich zum Menschen machen. Sie drücken die Dringlichkeit aus, ein Warum des Daseins, jedes seiner Augenblicke, der wichtigen und entscheidenden Perioden wie auch des gewöhnlichen Alltags zu finden. In diesen Fragen bestätigt sich die tiefe Vernünftigkeit des menschlichen Daseins, denn Verstand und Wille des Menschen werden hier angeregt, in Freiheit nach einer Lösung zu suchen, die dem Leben einen vollen Sinn zu bieten vermag. Diese Fragen stellen daher den erhabensten Ausdruck der Natur des Menschen dar: Infolgedessen ist die Antwort auf sie der Maßstab für die Tiefe, mit der er sein Dasein bewältigt. 2. Besonders wenn man bei der Suche nach der letzten und erschöpfendsten Antwort das Warum der Dinge voll erforschen will, erreicht die menschliche Vernunft ihren Gipfel und öffnet sich dem Religiösen. Dieses stellt ja den erhabensten Ausdruck der menschlichen Person dar, denn es 210 A UDIENZEN UND ANGELUS ist der Gipfel ihrer Vernunftnatur. Es entspringt der tiefen Sehnsucht des Menschen nach der Wahrheit und liegt seinem freien und persönlichen Suchen nach dem Göttlichen zugrunde. In dieser Sicht versteht man die Bedeutung der Lehre des Konzils, die im Zusammenhang mit der Religionsfreiheit feststellt: „Die Forderung nach Freiheit in der menschlichen Gesellschaft bezieht sich besonders auf die geistigen Werte des Menschen und am meisten auf das, was zur freien Übung der Religion in der Gesellschaft gehört“ (Dignitatis humanae, Nr. 1). Die religiöse Haltung des menschlichen Geistes stellt sich gleichsam als eine unserem Sein wesenseigene Fähigkeit dar. Darum können Fragen und Antworten über die letzte Bedeutung der Dinge aus dem Herzen des Menschen niemals gelöscht werden. Wie hartnäckig man sie auch im eigenen Dasein ablehnen und ihnen widersprechen mag, es gelingt nie, sie zum Schweigen zu bringen. Jeder Mensch, der oberflächlichste wie der gelehrteste, der überzeugendste Verfechter der Religion wie ihr erbittertster Gegner, muß, um leben zu können, eine Antwort auf diese grundlegende Frage geben, und er gibt sie tatsächlich. Das Vorhandensein und die Universalität der Frage nach dem Sinn des Lebens findet ihre aufsehenerregendste Bestätigung darin, daß wer immer sie leugnet, sie im Leugnen selber zugeben muß! Das ist der sicherste Beweis für das metaphysische Fundament des religiösen Sinnes des Menschen. Und das steht in vollkommenem Einklang mit dem, was wir soeben über das Religiöse als Höhepunkt der Vernunft gesagt haben. Der religiöse Sinn des Menschen hängt an sich nicht von seinem Willen ab, sondern geht auf die Initiative dessen zurück, der den Menschen geschaffen hat. Die Entdeckung des religiösen Sinnes ist also das erste Ergebnis, zu dem der Mensch gelangt, wenn er sich ernsthaft der Erfahrung des strukturellen Unvermögens stellt, das ihn kennzeichnet. 3. Die religiöse Überlieferung nennt die Antwort auf diese letzte und erschöpfende Frage nach dem Dasein „Gott“. Die Bibel, in der das universale Vorhandensein des religiösen Sinnes im Menschen auf verschiedenartigste und dramatische Weise bezeugt wird, bezeichnet den lebendigen und wahren Gott als diese grundlegende Antwort. Doch in Zeiten der Versuchung und der Sünde macht sich Israel das Götzenbild, einen falschen und tatenlosen Gott. Das gilt für den Menschen aller Zeiten, auch der unsrigen. Auf die Frage nach seiner letzten Bestimmung kann er mit der Anerkennung der Exi- 211 AUDIENZEN UND ANGELUS stenz Gottes antworten oder aber, indem er an seine Stelle ein von ihm selbst erfundenes Zerrbild setzt, einen Götzen, wie zum Beispiel Geld, Nutzen, Vergnügen. Deshalb der harte Tadel des hl. Paulus im Römerbrief: „Sie behaupteten, weise zu sein, und wurden zu Toren. Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen und fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere darstellen“ (Röm 1, 22-23). Bedeutet dieses Urteil des Paulus nicht die Unvermeidbarkeit der religiösen Frage im Menschen? Gleichsam als die Stimme Gottes, als das unserem Geist eingegossene Licht von seinem Antlitz ist in der Seele jedes Menschen der religiöse Drang vorhanden. Ob er ihn in der Anerkennung dessen verwirklicht, von dem sein ganzes hinfälliges und zugleich strahlendes Sein abhängt, oder ob er versucht, sich seinem Zugriff zu entziehen, indem er verschiedenartige, aber immer nur Teilgründe für seine Existenz anführt, der religiöse Drang wird immer im tiefsten Innern des Menschen bestehen bleiben, der von Gott als sein Bild und Gleichnis geschaffen wurde. Denn Gott allein vermag den Durst des instinktiv nach dem unendlichen Gut strebenden menschlichen Geistes zu stillen. Wir, die wir an Christus glauben und in diesem außerordentlichen Heiligen Jahr der Erlösung den ruhmreichen Namen Christen in Ehren tragen wollen, beten darum, daß jeder Mensch die Grundausrichtung, zu der der religiöse Sinn ihn bewegt, annehmen möge. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In dieser großen Gemeinschaft von Gläubigen aus aller Welt heiße ich euch sehr herzlich willkommen. Ich grüße alle einzelnen Pilger und Besucher, die Gruppen und Familien; besonders grüße ich die zahlreichen Teilnehmer der Rom wallfahrt der Erzdiözese Bamberg. Die geöffnete Heilige Pforte an den römischen Hauptbasiliken ermahnt euch, auch eure Pforten, die Pforten eures Herzens und eures Lebens, Christus, dem Erlöser, weit zu öffnen. Laßt Christus in diesen Gnadentagen des Heiligen Jahres wieder neu eintreten in euer Leben, in eure Familien und Gemeinden! Christus allein ist die gültige Antwort auf die tiefsten Hoffnungen und Wünsche des Menschen. Im Buch Jesus Sirach finden wir die Frage: „Was ist der Mensch, und wozu nützt er? Was ist gut an ihm, und was ist schlecht?“ (18, 8). Es ist die Frage nach dem letzten Sinn des Lebens, die im Innersten jeden Menschen bewegt. Die Hinfälligkeit des menschlichen Daseins und der Dinge 212 AUDIENZEN UND ANGELUS fordert eine Antwort nach dem „Warum“. Auf der Suche nach ihr eröffnet sich dem Menschen die religiöse Dimension seiner Existenz. Diese weist ihn über sich hinaus auf einen anderen, den die Bibel uns als Gott, unseren Schöpfer und Erlöser, offenbart. Der Mensch ist von seiner inneren Natur her auf Gott ausgerichtet. Er kann ihn zwar durch einen selbstgemachten Götzen ersetzen, die Frage nach Gott und die Religion aber nicht völlig aus seinem Leben verbannen. Bitten wir, die wir an Christus, unseren Erlöser, glauben, daß alle Menschen zur Erkenntnis und zur Anbetung des einen wahren Gottes gelangen. Von Herzen erteile ich euch allen und euren Angehörigen in der Heimat meinen besonderen Apostolischen Segen. Zum Schluß sagte der Papst: Ich möchte meine tiefe Anteilnahme an der beklemmenden Angst über die kürzliche Entführung zum Ausdruck bringen, deren Opfer in der Nähe von Lucca ein Kind von kaum 17 Monaten wurde. Der Gewaltakt hat in der Öffentlichkeit tiefe Erschütterung ausgelöst, wo man über solche Formen der Kriminalität, die überhaupt keine Grenzen mehr zu kennen scheinen, bestürzt ist. Während ich an die Täter den eindringlichen Appell richte, ihr Herz nicht jenem Gefühl der Menschlichkeit zu verschließen, von dem doch auch in ihnen noch ein Rest vorhanden sein muß, fordere ich alle Anwesenden auf, sich im Gebet zu Gott für das kleine Mädchen, für seine Eltern und Großeltern mir anzuschließen: Möge der Herr dieses unschuldige Geschöpf unter seinen besonderen Schutz nehmen und es so rasch wie möglich wieder der Liebe seiner Angehörigen zurückgeben. Meine Gedanken gelten darüber hinaus allen entführten Personen, die bisher noch nicht nach Hause zurückkehren konnten. Auch ihnen gilt mein Gebet, das sich inständig zu Gott erhebt, um für diese seine Kinder neben dem nötigen Trost den raschen und glücklichen Abschluß der schrecklichen Prüfung zu erflehen. 213 AUDIENZEN UND ANGELUS „Habt Mut!“ Vor dem Angelus am 23. Oktober 1. Der heilige Rosenkranz ist ein christliches, ein evangelisches und kirchliches Gebet, aber auch ein Gebet, das die Empfindungen und die Liebe des Menschen zum Ausdruck bringt und erhebt. In den freudenreichen Geheimnissen, bei denen wir heute kurz innehalten wollen, sehen wir das alles: die Freude der Familie, der Mutterschaft, der verwandtschaftlichen Beziehung, der gegenseitigen Hilfe. Diese Freuden, die die Sünde nicht gänzlich ausgelöscht hat, nahm Christus bei seiner Geburt in sich auf und heiligte sie. Er hat das durch Maria vollbracht. So können wir durch sie auch heute die Freuden des Menschen wahrnehmen und zu unseren eigenen machen: in sich bescheidene, schlichte Freuden, die aber in Maria und Jesus zu großen und heiligen Freuden werden. In Maria, der mit Josef vermählten Jungfrau, die durch den Geist Gottes Mutter geworden war, lebt die Freude der keuschen Liebe der Ehegatten und der Mutterschaft, die als Geschenk Gottes angenommen und bewahrt wurde; in Maria, die zu Elisabeth eilt, lebt die Freude, den Brüdern dadurch zu dienen, daß wir ihnen Gottes Gegenwart nahebringen; in Maria, die den Hirten und den Magiern den von Israel Erwarteten zeigt, gibt es das spontane und vertrauensvolle Sich-Mitteilen, wie es der Freundschaft eigen ist; in Maria, die im Tempel ihren Sohn dem himmlischen Vater darbietet, die mit Sorge gemischte Freude, die Eltern und Erzieher für die Kinder oder die Schüler empfinden; in Maria, die nach drei Tagen angstvoller Suche Jesus wiederfindet, die leidvoll erfahrene Freude der Mutter, die weiß, daß ihr Sohn zuallererst Gott gehört, bevor er ihr gehört. 2. Die Kirche begeht heute den Weltmissionssonntag. Aus diesem Anlaß habe ich heute vormittag in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern den Gottesdienst gefeiert, in dessen Verlauf ich einer Gruppe von Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien, die in die Missionen aufbrechen, das Missionskreuz überreicht habe. „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ {Mt 9, 37). Liebe Brüder, wir müssen unser Interesse für das Problem der Mission durch größeren geistlichen und materiellen Einsatz für die Missionswerke verstärken: kulturelle und Fürsorgeeinrichtungen, Schulen, Krankenhäuser, soziale Werke bilden „Zeichen der Glaubwürdigkeit“ und zugleich das Zeugnis für die wirksame missionarische Tätigkeit selbst. 214 AUDIENZEN UND ANGELUS Gleichzeitig möchte ich in meinem eigenen Namen und in dem der ganzen Kirche einen herzlichen und besonderen Gruß an die Missionare und Missionarinnen richten, die fern ihrer Heimat die Botschaft vom Heil in Christus verkünden. Meine Gedanken gelten den Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen, Laien, Ärzten, Katecheten, allen, die ihre besten Kräfte für die Ausbreitung des Reiches Gottes unter allen Völkern der Erde einsetzen und hingeben. Geliebte Brüder und Schwestern! Der Papst und die ganze Kirche sind euch zutiefst dankbar. Sie sind bei euch und sind euch nahe mit ihrer Liebe, ihrer Dankbarkeit, ihrem Gebet! Habt Mut! Der Herr, den ihr den Völkern verkündet, wird eure Herzen mit jener tiefen Freude erfüllen, über die wir bei dieser unserer sonntäglichen Begegnung zum Angelusgebet gesprochen haben. Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst u. a. auf deutsch: Beim heutigen Angelus-Gebet grüße ich sehr herzlich auch alle deutschsprachigen Teilnehmer. Der Weltmissionssonntag ruft alle Gläubigen zu einem noch größeren Einsatz für die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden. Bittet auch ihr den Herrn der Ernte, daß er viele Arbeiter in seine Ernte sende! Im Menschen etwas Göttliches Ansprache bei der Generalaudienz am 26. Oktober 1. Liebe Brüder und Schwestern! Der Apostel Paulus spricht von „Menschen, die die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“ (Röm 1, 18) und die schließlich von dem Weg abkommen, der sie nach der Erfahrung der geschaffenen Welt hätte zu Gott führen sollen. Auf diese Weise wird jene unauslöschliche Sehnsucht nach dem Göttlichen unterdrückt, die im Herzen eines jeden Menschen brennt, der über seine eigene menschliche Erfahrung ernsthaft nachzudenken imstande ist. Welches sind nun die Klippen, auf die das Boot des Menschen auf dem Weg zum Unendlichen am häufigsten auffährt? Wir könnten sie kurz in drei große Gruppen von Irrtümern einteilen. Da ist einmal vor allem jene Überheblichkeit (Hybris), die den Menschen dazu verleitet, seine Geschöpflichkeit, seine wesentliche Abhängigkeit 215 AUDIENZEN UND ANGELUS von einem anderen nicht anzuerkennen. Diese Illusion tritt beim heutigen Menschen besonders hartnäckig hervor. Als Kind des modernen Autonomiestrebens und geblendet vom eigenen Glanz („. . . du hast mich wunderbar gestaltet“: Ps 139, 13), vergißt er, daß er Geschöpf ist. Er erfährt, wie uns die Bibel lehrt, den Reiz der Versuchung, sich gegen Gott zu erheben mit dem Argument der Schlange im irdischen Paradies: „Ihr werdet sein wie Gott“ (Gen 3, 5). Im Menschen gibt es tatsächlich etwas Göttliches. Ausgehend von der Bibel, hat die große christliche Überlieferung stets diese tiefe Wahrheit durch die „Imago-Dei“-Lehre verkündet. Gott hat den Menschen nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen. Thomas und die großen Scholastiker formulieren diese Wahrheit mit dem Psalmwort: „Herr, laß dein Angesicht über uns leuchten!“ (Ps 4, 7). Doch die Quelle dieses Lichtes liegt nicht im Menschen, sondern in Gott. Denn der Mensch ist Geschöpf. An ihm nimmt man nur den Widerschein der Herrlichkeit des Schöpfers wahr. Urteil und Maß für Gut und Böse Auch wer Jesus Christus nicht kennt, aber sich ernsthaft mit seiner unendlichen Erfahrung auseinandersetzt, kommt an dieser Wahrheit nicht vorbei. Er muß mit jeder Faser seines Seins, aus dem Inneren seiner Existenz heraus diese Gegenwart eines anderen, Größeren als er selbst wahrnehmen, von dem wahrhaft das Urteil und Maß für Gut und Böse abhängen. Der hl. Paulus ist in dieser Hinsicht unerbittlich: Er macht die Römer für ihre Sünden verantwortlich, weil „seit Erschaffung der Welt seine (Gottes) unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen wird . . .“ (Röm 1, 20). Wenn der Mensch seine Abhängigkeit von Gott nicht anerkennen will, den die Liturgie als „Rerum . . . tenax vigor“ (feste Kraft der Welt) bezeichnet (Römisches Brevier, Hymnus der Non), geht er unvermeidlich in die Irre. Seine Vernunft macht sich zum Maß der Wirklichkeit, indem sie das von ihr nicht Ermeßbare für inexistent hält. Entsprechend fühlt sich sein Wille nicht mehr von dem Gesetz ängerufen, das der Schöpfer seinem Verstand eingegeben hat (vgl. Röm 7, 23), und hört auf, das Gute anzustreben, obwohl er sich von ihm angezogen fühlt. Er begreift sich als absoluter Herr über Wahrheit und Irrtum, wenn er sie irrtümlich für gleichrangig hält. Damit verschwindet aus dem Blickfeld menschlicher Erfahrung die geistliche Dimension der Wirklichkeit und folglich die Fähigkeit, das Mysterium wahrzunehmen. 216 AUDIENZEN UND ANGELUS Wie soll sich der Mensch da jener Spannung bewußt werden, die er in sich trägt, der Spannung zwischen seinem Ich voller Bedürfnisse und seiner Unfähigkeit, sie zu erfüllen? Wie soll er den harten Gegensatz zwischen seiner Sehnsucht nach dem unendlichen Sein und Gut und seinem begrenzten Leben als Geschöpf unter anderen Geschöpfen wahrnehmen können? Wie soll er eine echte Selbsterfahrung machen, durch die er in den letzten Tiefen seines Seins die Sehnsucht nach Erlösung erfährt? 2. Die zweite Art von Irrtum, die eine echt menschliche Erfahrung verhindert, ist jener, der den Menschen dazu verleitet, jedes Begehren und jede Erwartung, die über sein begrenztes Dasein hinausgehen, in sich zu ersticken, um sich mit dem zu begnügen, was er besitzt. Das ist vielleicht die traurigste Art, wie der Mensch sich selbst vergessen kann, weil sie seine wirkliche Selbstentfremdung bedeutet: Er entfremdet sich von seinem eigentlichen Dasein, um sich in Besitz- und Konsumgüter zu verlieren. Die Anstrengungen des Menschen, sich und seine Angehörigen eine materielle und soziale Sicherheit zu schaffen, darf gewiß nicht geringgeschätzt werden. Die Suche nach Zuverlässigkeit und Beständigkeit, mit welcher die Natur durch das vielschichtige Phänomen der Zuneigung Mann und Frau einander zuführt, ist staunenswert. Aber wie leicht geschieht es in der Praxis, daß diese lobenswerten menschlichen Sicherheiten so aufgesplittert bzw. aufgereizt werden, daß sie im Menschen Verblendung und falsche Hoffnungen hervorgerufen! Jesus hat im Evangelium schreckliche Worte für diese Sünde (vgl. Lk 12, 16-21). Auch in diesem Fall beraubt sich der Mensch einer ganz menschlichen Erfahrung, weil er seine wahre Natur als geistiges Geschöpf nicht anerkennt und sozusagen in seinem Herzen gleichsam jede Sehnsucht nach der Wahrheit von sich selbst ersterben läßt, die ihn für das wunderbare Geschenk der Erlösung öffnen sollte. Die Versuchung zur Sünde besiegen 3. Vor einer dritten Art von Irrtum, in die der Mensch auf der Suche nach seiner eigentlichen Erfahrung verfällt, stehen wir, wenn er seine sämtlichen Kräfte — Verstand, Wille und Sinne — für eine endlose und aufreibende Suche einsetzt, die sich allein seiner Innerlichkeit zuwendet. Das macht ihn unfähig, sich bewußt zu werden, daß jede psychologische Erfahrung zu ihrer Entstehung die Annahme der objektiven Wirklichkeit braucht; erst dann kann das Subjekt auf vollendete Weise sich selbst 217 AUDIENZEN UND ANGELUS zuwenden. Der Mensch, der sich in dieser freiwilligen psychologischen Einsamkeit verschließt, wird unfähig zu jeglicher objektiver Kommunikation mit der Wirklichkeit. Für diese egoistische und pathetische Menschengestalt wird der andere schließlich zu einem bequem verwendbaren Phantasiegebilde herabgemindert. Der Mensch, der sich der angeborenen Notwendigkeit widersetzt, sich der Wirklichkeit, wie sie in sich ist, und dem Leben mit seiner dramatischen Wahrheit zu öffnen, erhebt sich letzten Endes gegen deren Schöpfer und versperrt sich die Möglichkeit, in ihm die Antwort zu finden, die ihn allein befriedigen könnte. Meine Lieben, wir haben auf diese Schwierigkeiten des Menschen, aus seiner ganzen Erfahrung zu leben, hingewiesen, weil auch wir uns in diesem Heiligen Jahr der Erlösung aufgefordert fühlen, durch unseren Glauben neue Menschen zu sein. Auch wir, die Christus, dem Erlöser, begegnet sind, müssen immer von neuem aufrecht vor ihm stehen, indem wir in uns die Versuchung zur Sünde besiegen, damit „er das gute Werk, das er in uns begonnen hat, auch vollenden kann“ (Phil 1, 6). Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich freue ich mich über eure zahlreiche Teilnahme an der heutigen Audienz. Ich grüße alle Gruppen und Einzelpilger. Von Herzen begleite ich euch während dieser eurer Romwallfahrt zum Jubiläumsjahr der Erlösung mit meinem besonderen Gebet und Segen. Wie wir bei den früheren Generalaudienzen betrachtet haben, ist der Mensch von seiner inneren Natur her auf Gott ausgerichtet. Doch hat der Mensch die Möglichkeit, sich seiner übernatürlichen Berufung zu widersetzen. Die größte Gefährdung Hegt für ihn in der Versuchung zur Überheblichkeit und zum Stolz, indem er sich weigert, seine Geschöpf-lichkeit und Abhängigkeit von Gott anzuerkennen. Nur zu leicht macht der Mensch sich selbst zum Maß aller Dinge. Folglich versucht er alle Fragen und Erwartungen, die über sein begrenztes Dasein hinausweisen, aus seinem Leben zu verdrängen. Er sucht letzte Sicherheit und Erfüllung im diesseitigen Leben, in Besitz und Wohlergehen, oder flüchtet sich in eine isolierte Innerlichkeit, die ihn unfähig macht, die objektive Wahrheit und Wirklichkeit Gottes gebührend ernst zu nehmen. Diesen Versuchungen, die die rehgiöse Dimension der menschlichen Existenz leugnen, gilt es, im Glauben zu widerstehen. Der Christ weiß um seine Verwiesenheit auf Gott als seinen Schöpfer und Erlöser und auch darum, daß letzthch 218 AUDIENZEN UND ANGELUS alles sein unverdientes Geschenk ist. öffnen wir uns im Heiligen Jahr wieder neu für Gott und seine erlösende Gnade! Einen besonderen Gruß richte ich an die Pilgergruppe der Wiener Kirchenzeitung sowie an die Romwallfahrt der katholischen Elternzeitschrift „Leben und Erziehen“ aus Aachen und der Bistumszeitung Konradsblatt aus Freiburg. Die pastorale Sorge der Kirche gilt heute in einer besonderen Weise der Familie. Mögen die genannten katholischen Pressemedien die Leser stets ermutigen und ihnen helfen, das Leben in der Familie nach christlichen Grundsätzen zu gestalten. Das Fundament für ein glückliches Familienleben sind Liebe zu Christus, Liebe zum Ehepartner, Liebe zu den Kindern. Die Eltern müssen ihren Kindern in der Familie die Werte des Lebens nicht nur durch Worte vermitteln, sondern vor allem dadurch, daß sie diese Werte persönlich Vorleben. Von Herzen erteile ich euch und allen hier anwesenden Pilgern meinen besonderen Apostolischen Segen. In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Met genoegen rieht ik een hartelijke groet aan alle nederlandse pelgrims. In het bijzonder begroet ik Zijne Eminentie Kardinal Alfrink met de groep pelgrims uit Tilburg en de groep van Hotelplan uit Rijswijk. Gaarne verleen ik aan u en aan al uw familieleden in Nederland mijn Apostolische Zegen. Krisenursachen: „Der Mangel gegenseitigen Vertrauens“ Wort bei der Generalaudienz am 26. Oktober Ich kann euch nicht verbergen, daß mich die internationale Lage mit Angst und tiefer Sorge erfüllt. Am vergangenen Sonntag haben im Libanon zwei Terroranschläge über zweihundert Tote unter den amerikanischen und französischen Soldaten gefordert, die im Dienst der multinationalen Friedenstruppe standen. Am anderen Ende der Welt, im karibischen Raum, ist eine neue Krise ausgebrochen mit den besorgniserregenden Ereignissen auf der Insel Grenada, vor zwei Wochen Schauplatz eines Staatsstreichs und jetzt einer Landung von Streitkräften; beide Ereignisse haben auch Opfer von Menschenleben gefordert. Gleichzeitig nehmen in Europa und in der 219 AUDIENZEN UND ANGELUS übrigen Welt die Unsicherheit und Sorge wegen der Verzögerung der ersehnten positiven Entwicklung der Abrüstungsverhandlungen zu. Es handelt sich hier um Krisen, die ihre je eigenen Beweggründe haben, sich aber auf eine allen gemeinsame und sehr ernste Ursache zurückführen lassen: den Mangel gegenseitigen Vertrauens, der, wie uns eine schmerzliche Erfahrung aus der Geschichte lehrt, zu den folgenschwersten Spannungen bis hin zu möglichen kriegerischen Auseinandersetzungen führen kann. Wir müssen inständig beten, daß Gott, der liebende Vater aller Menschen, den Verantwortlichen der Nationen ein immer lebendigeres und entschiedeneres Bewußtsein dafür eingebe, daß der Friede für sie und für die anderen Völker ein wahrlich unverzichtbares und höchstes Gut ist. Dem Erlöser immer ähnlicher werden! Vor dem Angelus am 30. Oktober An diesem letzten Sonntag im Oktober wollen wir unsere Gedanken noch einmal dem Rosenkranzgebet zuwenden. In den schmerzensreichen Geheimnissen betrachten wir in Christus alle Schmerzen des Menschen: in ihm, der von Todesangst heimgesucht, der verraten, verlassen, gefesselt und gefangengenommen wurde; in ihm, der ungerechterweise einem Prozeß unterzogen und gegeißelt wurde; in ihm, der im Hinblick auf seine Sendung nicht verstanden und verhöhnt wurde; in ihm, der unter Mitwirkung der politischen Macht verurteilt wurde; in ihm, der öffentlich hingerichtet und der schmählichsten Todesart ausgesetzt wurde; in ihm, dem von Jesaja prophezeiten Schmerzensmann, wird jeder menschliche Schmerz aufgenommen und geheiligt. Als Dienender des Vaters, Erstgeborener unter vielen Brüdern und Haupt der Menschheit verwandelt er das Leid des Menschen in eine Gott willkommene Gabe, in das erlösende Opfer. Er ist das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, der treue Zeuge, der jedes Martyrium in sich zusammenfaßt und zu einem Verdienst macht. Auf seinem Leidensweg und auf dem Kalvarienberg ist seine Mutter bei ihm, die erste Märtyrerin. Und mit dem Herzen der Mutter, der er vom Kreuz herab jeden seiner Jünger und jeden Menschen testamentarisch anvertraute, versetzen wir uns tiefbewegt in die Leiden Christi und lernen 220 AUDIENZEN UND ANGELUS von ihm den Gehorsam bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz; von Maria lernen wir, jeden Menschen als Bruder anzunehmen, um mit ihr unter den unzähligen Kreuzen zu stehen, an die der Herr der Herrlichkeit noch immer ungerechterweise geschlagen wird, nicht in seinem glorreichen Leib, sondern in den schmerzenden Gliedern seines mystischen Leibes. Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst u. a. in deutscher Sprache: Herzlich grüße ich auch alle deutschsprachigen Pilger und Besucher. Am heutigen letzten Sonntag im Oktober empfehle ich euch noch einmal das Rosenkranzgebet. Maria, die Mutter Christi, führt uns darin in die tiefen Geheimnisse des Lebens und Sterbens unseres Erlösers ein, damit wir ihm selber immer ähnlicher werden. Das schenke euch der Herr mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Wer sind die Heiligen? Vor dem Angelus am Allerheiligenfest, 1. November Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen?“ (Offb 7, 13). Wer sind die Heiligen? Die Heiligen sind jene, die das weiße Gewand des „neuen Menschen“ angezogen (Kol 3,10) und die Tauf gnade zur vollen Entfaltung gebracht haben. Sie sind die Teilhaber und Zeugen des heiligen, des „verborgenen“ Gottes (Jes 45, 15). Durch sie offenbart er sich, wird sichtbar und gegenwärtig unter uns. Der „Heilige Gottes“ ist natürlich Jesus Christus, der Menschgewordene, die höchste Offenbarung Gottes und seiner Heiligkeit. „Du allein bist der Heilige, du allein der Herr, du allein der Höchste, Jesus Christus.“ Nachdem er in seiner glorreichen Auferstehung zum „Herrn“ eingesetzt wurde, übermittelt Jesus durch den Geist seine Heiligkeit allen Gläubigen. In den würdig empfangenen Sakramenten wird ihnen das neue Leben in Christus Jesus zuteil: Sie werden daher Heilige genannt und sind es auch wirklich. Woher kommen sie? Hören wir die Beschreibung der Apokalypse: „Und ich erfuhr die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet waren. Es waren hundertvier-undvierzigtausend aus allen Stämmen der Söhne Israels . . . 221 AUDIENZEN UND ANGELUS Danach sah ich: eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen ... Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7, 4.9.14). Die Heiligen sind das Volk Gottes, das durch das Blut des Herrn erlöst wurde: eine unermeßliche Menge, die aus allen Stämmen Israels kommen und aus allen Völkern. Alle zusammen bilden das „wahre Israel“, die Gemeinschaft der Heiligen, die Kirche Gottes, die Nachkommenschaft Abrahams, in dem die Völker gesegnet sind. Inmitten dieser edlen, unermeßlichen Schar befindet sich an der Seite Christi Maria, die wir als „Königin aller Heiligen“ anrufen. Sie, die „hervorragt unter den Demütigen und Armen des Herrn“ (Lumen gentium, Nr. 55), verkörpert in idealer Weise die Heiligkeit des Gottesvolkes und bringt sie zur Vollendung. Maria ist der Anfang und die Mutter der Kirche der Heiligen: aller jener, die, geboren aus dem Geist und lebend in Christus, Kinder des Vaters sind. Der Geist des lebendigen Gottes, der sie in Besitz genommen und sie zu einem neuen Geschöpf gemacht hat, der entscheidend in ihr Leben eingegriffen hat, indem er sie zur Magd und Mutter des Herrn weihte, hat schließlich ihr Dasein verwandelt und es dem Bild Christi in der Herrlichkeit gleichgestaltet. Sie lebt jetzt zusammen mit dem Herrn im himmlischen Jerusalem und feiert mit dem hl. Josef und allen Heiligen die ewige Liturgie der Erlösten. Sie leistet für uns Fürsprache beim Herrn bis zur ewigen Krönung der Schar der Erwählten. Zusammen mit dem Volk Gottes rufen wir sie an: „Du Königin aller Heiligen, bitte für uns!“ Auf deutsch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß auch an die deutschsprachigen Pilger. Die Heiligen, deren wir am heutigen Festtag gedenken, sind ein Lobpreis auf Gottes Gnade, die in ihnen zur Vollendung gelangt ist. Christus ist der „Heilige Gottes“. Durch die Taufe haben auch wir schon Anteil an seiner Heiligkeit. Möge er sie auf die Fürsprache Marias, der Königin aller Heiligen, auch in uns einst vollenden in seiner himmlischen Herrlichkeit! 222 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Blick auf die Unsterblichkeit Ansprache bei der Generalaudienz am Allerseelentag, 2. November 1. „Ich erwarte die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Am heutigen Tag, an dem die Liturgie der Toten gedenkt, gelten unsere Gedanken der Schar unserer Brüder und Schwestern, die vor uns das große Ziel der Ewigkeit erreicht haben. Wir sind eingeladen, im innersten Herzen jenen Dialog mit ihnen weiterzuführen, den der Tod nicht abbrechen darf. Es gibt niemand, der nicht Verwandte, Freunde und Bekannte hat, deren er gedenkt. Es gibt keine Familie, die nicht mit Gefühlen der Trauer, in menschlicher und christlicher Verbundenheit sich ihrer Vorfahren erinnert. Aber unser Gedenken will über die berechtigten und teuren gefühlsmäßigen Bindungen hinausgeheit und die ganze Welt umfassen. Auf diese Weise erreichen wir alle Toten, wo immer sie begraben sind, in jedem Winkel der Erde, von den Friedhöfen der Großstädte bis zu denen der kleinsten Dörfer. Für alle richten wir mit brüderlichem Herzen das fromme Fürbittgebet an den Herrn über Leben und Tod. 2. Der Allerseelentag soll auch ein Tag der Besinnung sein, besonders in diesem außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung, das wir feiern. In der Tat regt uns das Gedenken der Verstorbenen vor allem an, über die eschatologische Botschaft des Christentums nachzudenken: aufgrund der Offenbarungsworte Christi, des Erlösers, sind wir der Unsterblichkeit der Seele gewiß. Das Leben ist ja wirklich nicht in den Horizont dieser Welt eingeschlossen: die unmittelbar von Gott geschaffene Seele bleibt, wenn der leibliche Tod eintritt, unsterblich, und unsere Leiber werden verwandelt und vergeistigt auferstehen. Die tiefe und entscheidende Bedeutung unseres irdischen und menschlichen Daseins besteht in unserer personalen Unsterblichkeit: Jesus ist gekommen, um uns diese Wahrheit zu offenbaren. Das Christentum ist gewiß auch ein Humanismus und verteidigt entschieden die ganzheitliche Entwicklung jedes Menschen und jedes Volkes, womit es alle Bewegungen bejaht, die den individuellen und sozialen Fortschritt wollen; seine Botschaft ist jedoch ihrem Wesen nach überirdisch, da sie den ganzen Sinn des Daseins in die Perspektive der Unsterblichkeit und der Verantwortung verlegt. Somit sind also die unübersehbaren Scharen lebendig, die bereits in den vergangenen Jahrhunderten am Ende ihres Lebens angelangt sind; unsere lieben Verstor- 223 A UDIENZEN UND ANGEL US benen sind noch immer lebendig und auf bestimmte Weise auch auf unserem täglichen Lebensweg anwesend. „Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen; und wenn die Herberge dieser irdischen Pilgerschaft zerfällt, wird ihnen im Himmel eine ewige Wohnung bereitet!“ (Präfation für die Verstorbenen.) 3. Sodann erinnert uns dieser Tag mit Recht an die Gebrechlichkeit und Vorläufigkeit unseres Lebens, an die Sterblichkeit unserer Existenz. Wie viele Menschen sind bereits über diese unsere Erde hinweggegangen! Wie viele, die uns einst ihre Liebe und Nähe geschenkt haben, weilen nicht mehr unter uns! Wir sind Pilger auf Erden und kennen nicht die Dauer der uns noch gewährten Zeit. Der Verfasser des Hebräerbriefes warnt nachdenklich: „Es ist dem Menschen bestimmt, ein einziges Mal zu sterben, worauf dann das Gericht folgt“ (Hebr 9, 27). Das Heilige Jahr der Erlösung erinnert uns besonders daran, daß Christus gekommen ist, um uns die göttliche Gnade zu bringen, die Menschheit von der Sünde zu erlösen und die Schuld zu vergeben. An die Realität unseres Todes erinnert uns die eindringliche Mahnung des göttlichen Meisters: „Seid wachsam!“ (vgl. Mt 24, 32; 25,13; Mk 13, 35). Wir müssen also in Gottes Gnade leben durch das Gebet, häufige Beichte und die Eucharistie; wir müssen in Frieden mit Gott, mit uns selbst und mit den anderen leben. 4. Die gesamte Lehre Jesu und sein ganzes Verhalten sind auf die ewige Wirklichkeit ausgerichtet, für die der göttliche Meister nicht zögert, harten Verzicht und schwere Opfer zu verlangen. Die Realität unseres Todes soll aber das Leben weder traurig machen noch unsere Tätigkeit hemmen; sie soll ihm nur großen Ernst verleihen. Der Verfasser des Hebräerbriefes ermahnt uns, daß „wir hier keine Stadt haben, die bestehen bleibt, sondern wir suchen die künftige“ {Hebr 13, 14). Der hl. Paulus stimmt dem mit einer Äußerung von lebendigem Realismus zu: „Ich züchtige und unterwerfe meinen Leib, damit ich nicht anderen predige und selbst verworfen werde“ (1 Kor 9, 27). Denn wir wissen, daß „die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ {Röm 8, 18). 5. Im Rahmen der dem Heiligen Jahr eigenen Botschaft erinnert uns dieser Allerseelentag ferner an die große kostbare Wirklichkeit des Ablasses, den die Kirche zur Erlassung der Sündenstrafen gewährt. Gewiß erläßt der Herr jenen die Schuld, die ehrlich bereuen und im Sakrament der Buße zu ihm zurückkehren; es bleibt jedoch sozusagen jene dunkle 224 AUDIENZEN UND ANGELUS Zone, die eben Sündenstrafe genannt wird, das heißt, es bleibt die Verpflichtung zur vollkommenen Läuterung, um nach diesem Leben die unmittelbare Gottesschau zu erlangen. Der Jubiläumsablaß kann - wie die anderen Ablässe - als Fürbittgebet den Verstorbenen zugewandt werden. Ich fordere euch deshalb auf, immer, zumal in diesem Jahr, den großen Schatz der Barmherzigkeit Gottes zu nützen, um euch seiner Freundschaft zu erfreuen und einer unendlichen Glückseligkeit würdig zu werden. 6. Geliebte Brüder und Schwestern! Die Erwägungen, die der Allerseelentag uns nahelegt, versetzen uns in den großen Bereich der letzten Dinge - Tod, Gericht, Himmel und Hölle. Diese Perspektive müssen wir ununterbrochen vor Augen haben; hier hegt das Geheimnis, warum das Leben immer bedeutungsvoll ist und sich jeden Tag in der Kraft der Hoffnung entfaltet. Betrachten wir oft die letzten Dinge, dann werden wir den tiefen Sinn des Lebens immer besser begreifen. Mit dieser väterlichen Mahnung erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Urbild, der siegreichen Kirche Vor dem Angelus am 6. November In den glorreichen Geheimnissen des Rosenkranzes werden die Hoffnungen des Christen wieder lebendig: die Hoffnungen auf das ewige Leben, die Gottes Allmacht verpflichten, und die Erwartungen der gegenwärtigen Zeit, die die Menschen zur Zusammenarbeit mit Gott verpflichten. Im auferstandenen Christus aufersteht die ganze Welt, und es beginnt der neue Himmel und die neue Erde, die vollendet wird bei seiner glorreichen Wiederkunft, wenn „der Tod nicht mehr sein wird, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Offb 21, 4). In ihm, der zum Himmel auf steigt, wird die menschliche Natur erhöht und verherrlicht, zur Rechten Gottes gesetzt, und den Jüngern wird der Auftrag erteilt, die Welt zu evangelisieren. Christus ist aber durch seine Himmelfahrt keineswegs von der Erde verschwunden: Er verbirgt sich im Antlitz jedes Menschen, besonders der Unglücklichsten: der Armen, der Kranken, der Ausgestoßenen, der Verfolgten ... 225 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes zu Pfingsten hat er den Jüngern die Kraft geschenkt, zu heben und seine Wahrheit zu verbreiten; er hat Einigkeit und Gemeinschaft gefordert beim Aufbau einer Welt, die des erlösten Menschen würdig ist, und die Fähigkeit gewährt, alle Dinge zu heiligen, dem Willen des himmlischen Vaters gehorsam. Auf diese Weise hat er im Herzen dessen, der gibt, wieder die Freude am Geben entfacht und im Herzen des Unglücklichen die Gewißheit, daß er geliebt wird. In der Herrlichkeit der in den Himmel aufgenommenen und ersterlösten Jungfrau schauen wir unter anderem die wahre Sublimierung der Blutsbande und der Liebe der Familienmitglieder: denn Christus hat Maria nicht nur verherrlicht, weil sie unbefleckt und der „Schrein“ der göttlichen Gegenwart war, sondern auch, damit der Sohn die Mutter ehre: Die heiligen irdischen Bande zerbrechen im Himmel nicht. Ja, in der Sorge der Jungfrau und Mutter, die in den Himmel aufgenommen wurde, um unsere Anwältin und Fürsprecherin, das Urbild der siegreichen Kirche zu werden, erblicken wir ebenso das inspirierende Vorbild der fürsorglichen Liebe unserer lieben Verstorbenen zu uns, einer Liebe, die durch den Tod nicht erloschen ist, sondern im Licht Gottes verstärkt wird. Schließlich feiern wir in der Vision der von allen Geschöpfen verherrlichten Maria das endzeitliche Geheimnis einer Menschheit, die in Christus in vollkommener Einheit wiederhergestellt wurde, ohne Spaltungen, ohne Rivalität, damit nicht einer dem anderen die Liebe wegnehme. Denn Gott ist die Liebe. In den Geheimnissen des Rosenkranzes betrachten und erleben wir also die Freuden, die Schmerzen und die Herrüchkeit Christi und seiner heiligen Mutter, die zu den Freuden, Schmerzen und Hoffnungen des Menschen werden. Auf deutsch sagte der Papst: Beim Gebet des glorreichen Rosenkranzes betrachten wir die Vollendung des Reiches Gottes im Geheimnis der Auferstehung und der Teilnahme an der himmlischen Herrüchkeit. Der neue Himmel und die neue Erde sind das Ziel unserer christüchen Hoffnung. Möge diese schon unser jetziges Leben erhellen und uns Freude und Zuversicht schenken. Das erbitte ich euch allen von Herzen durch meinen Apostolischen Segen. 226 A UDIENZEN UND ANGEL US „Ein Schrei aus dem Innersten“ Ansprache bei der Generalaudienz am 9. November 1. Die eben gehörte Lesung aus dem Buch Jesus Sirach lädt uns, liebe Brüder und Schwestern, ein, über das Geheimnis des Menschen nachzudenken: dieses „aus Erde geschaffene“ Wesen, dem es bestimmt ist, „wieder zu ihr zurückzukehren“, und das dennoch „nach Gottes Bild geschaffen ist“ (vgl. Sir 17, 1.3); dieses vergängliche Geschöpf, dem „gezählte Tage und bestimmte Zeit“ zugewiesen wurden (ebd., V. 2) und dessen Augen trotzdem fähig sind, „die Größe der Herrlichkeit Gottes zu betrachten“ (ebd., V. 13). In diesem ursprünglichen Geheimnis des Menschen wurzelt die existentielle Spannung, die jeder seiner Erfahrungen zugrunde hegt. Die Sehnsucht nach dem Ewigen, die in ihm gegenwärtig ist durch den göttlichen Widerschein auf seinem Antlitz, stößt auf die strukturelle Unfähigkeit, sie zu erfüllen, und das untergräbt alle seine Anstrengungen. Einer der großen christlichen Denker am Anfang dieses Jahrhunderts, Maurice Blondel, hat einen Großteil seines Lebens damit verbracht, über diese geheimnisvolle Sehnsucht des Menschen nach dem Unendlichen nachzudenken. Er schreibt: „Wir sind gezwungen, das werden zu wollen, was wir von uns selbst aus weder erreichen noch besitzen können ... Eben weil ich das Verlangen nach unendlichem Sein habe, fühle ich mein Unvermögen: Ich habe mich nicht selbst gemacht, ich vermag nicht das, was ich will, bin gezwungen, mich zu übertreffen“ (M. Blondel, L’action, Paris, 1982, S. 354). Wenn der Mensch in seinem konkreten Dasein dieses radikale Unvermögen wahrnimmt, das ihn kennzeichnet, deckt er damit nur eine tiefe und nicht auszufüllende Einsamkeit auf. Eine ursprüngliche Einsamkeit, die sich für ihn aus dem akuten und manchmal dramatischen Bewußtsein ergibt, daß niemand, weder er selber noch irgendeiner seiner Mitmenschen, sein Bedürfnis endgültig befriedigen und seine Sehnsucht erfüllen kann. Erfahrung der Einsamkeit 2. Paradoxerweise bringt jedoch diese ursprüngliche Einsamkeit, von der der Mensch weiß, daß er für ihre Überwindung auf nichts rein Menschliches zählen kann, die tiefste und echteste Gemeinschaft unter Menschen hervor. Gerade diese harte Erfahrung der Einsamkeit ist der Ursprung für eine echte Gemeinschaft, die bereit ist, auf die Gewaltsamkeit der Ideolo- 227 AUDIENZEN UND ANGELUS gie und den Mißbrauch der Macht zu verzichten. Es handelt sich um ein Paradox: Wenn es nicht dieses tiefe Mitleid mit dem anderen gäbe, das man erst entdeckt, wenn man in sich diese völlige Einsamkeit wahrnimmt, wer würde dann den Menschen, der sich seines Zustandes bewußt ist, zum Abenteuer der Gemeinschaft anspornen? Wie könnte unter solchen Voraussetzungen die Gesellschaft etwas anderes sein als der Ort der Herrschaft des Stärkeren, des „homo homini lupus“ (des Menschen, der des Menschen Wolf ist), was die moderne Staatsauffassung nicht nur theoretisch formuliert, sondern auch tragisch in die Tat umgesetzt hat? Dank eines so ehrlichen Blickes auf sich selbst kann der Mensch sich mit allen anderen Menschen solidarisch fühlen und in ihnen Wesen mit dem gleichen Unvermögen und der gleichen Sehnsucht nach vollkommener Verwirklichung sehen. Die Erfahrung der Einsamkeit wird damit zum entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Antwort auf die radikale Frage. Denn sie bewirkt eine tiefe Verbundenheit mit den anderen Menschen, die durch dasselbe Schicksal vereint und von der gleichen Hoffnung beseelt sind. So entspringt dieser abgrundtiefen Einsamkeit das ernsthafte Ringen des Menschen um sein Menschsein, ein Ringen, das zur Hingabe für den anderen und zur Solidarität mit jedem und mit allen wird. Für den Menschen ist also echte Gemeinschaft möglich, weil ihre Grundlage nicht egoistische Erwägungen sind, sondern die Bereitschaft zur Hingabe an alles Wahre, das in ihm selbst und in allen anderen lebt. 3. Die Solidarität mit dem anderen wird im eigentlichen Sinn zur Begegnung mit ihm in den verschiedenen existentiellen Ausdrucksformen, die die menschlichen Beziehungen kennzeichnen. Die wichtigste von ihnen scheint die affektive Beziehung zwischen Mann und Frau zu sein, weil sie sich auf ein Werturteil stützt, in dem der Mensch alle seine Lebensenergien in einzigartiger Weise einsetzt: seinen Verstand, seinen Willen und sein Empfindungsvermögen. Er macht hier die Erfahrung — aber nicht ohne Schmerzen - jener tiefsten Intimität, die der Schöpfer seiner Natur am Anfang mitgegeben hat: „Gott, der Herr, baute aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. Und der Mensch sprach: Das endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch“ (Gen 2, 23). An Hand dieser ursprünglichen Gemeinschaftserfahrung widmet sich der Mensch zusammen mit den anderen dem Aufbau einer Gesellschaft, die sich als geordnetes Gemeinwesen versteht. Der gewonnene Sinn für Solidarität mit der ganzen Menschheit konkretisiert sich vor allem in 228 AUDIENZEN UND ANGELUS einem Geflecht von Beziehungen, in dem der Mensch im wesentlichen zu leben und sich auszudrücken berufen ist, dadurch, daß er für die anderen seinen Beitrag leistet und, umgekehrt, in seiner Persönlichkeitsentwicklung einen beachtlichen Einfluß erfährt. In den verschiedenen Milieus, wo sich sein Wachstum vollzieht, lernt der Mensch den Wert kennen, einem Volk zuzugehören als unabweisbare Bedingung, die Dimensionen der Welt zu erleben. 4. Die Doppelbegriffe Mann - Frau, Person - Gesellschaft und, noch radikaler, Seele - Leib bezeichnen konstitutive Dimensionen des Menschen. Auf diese drei Dimensionen beschränkt sich, genau genommen, die gesamte vorchristliche Anthropologie in dem Sinne, daß sie alles umfassen, was der Mensch von sich aus — ohne Christus — zu sagen vermag. Aber sie sind gekennzeichnet durch ihr Gegenüber. Sie schließen nämlich eine unvermeidliche dialektische Spannung ein. Seele - Leib, Mann -Frau, Person - Gesellschaft sind drei Begriffspaare, die Bestimmung und Leben eines unvollendeten Wesens zum Ausdruck bringen. Sie sind erneut ein Schrei, der sich aus der innersten Erfahrung des Menschen erhebt. Sie sind eine Bitte um Einheit und inneren Frieden, sie sind das Verlangen nach einer Antwort auf das in den gegenseitigen Beziehungen angelegte Drama. Man kann sagen, sie sind der Anruf an einen anderen, den Durst nach Einheit, Wahrheit und Schönheit zu stillen, der sich aus ihrem Gegenüber ergibt. Auch aus dem Wesen der Begegnung mit dem anderen - so können wir schließen — ergibt sich die Dringlichkeit eines Eingreifens von oben, damit der Mensch vor einem dramatischen und sonst unvermeidlichen Scheitern bewahrt bleibe. Auf deutsch sagte der Papst: Einen besonderen Gruß richte ich an die Gruppe von Kranken aus der Erzdiözese Freiburg. Opfert eure Beschwerden unter dem Schutz Mariens auf für die Kirche und den Frieden in der Welt. Maria hat ja in Fatima die Menschen zur Umkehr, zum inneren und äußeren Frieden aufgerufen. Helft ihr mit, ihn durch euer geduldig ertragenes Leiden der Menschheit zu erbitten. Gott behüte und beschütze euch! 229 A UDIENZEN UND ANGELUS Betet für alle Opfer der Gewalt! Vor dem Angelus am 13. November 1. Die Kirche ist vor allem eine betende Gemeinschaft. Das Volk Gottes wurde erlöst, um die Verehrung des Herrn feierlich zu begehen. Das ganze Leben der Erlösten muß ein Akt der Verehrung, eine Liturgie des Lobpreises, ein Gott gefälliges Opfer sein. Die Verwandlung unseres Lebens und der Welt in ein Opfer des Lobpreises ist nicht unser Werk, sondern das Werk des Herrn. Indem wir uns mit Christus, dem Hohenpriester, mit seinem Opfer und seinem Gebet verbinden, werden wir zusammen mit dem ganzen Universum zu einer Opfergabe an den Herrn. Die Gläubigen sind im wesentlichen eine liturgische Gemeinde: Im Tempel, in den Häusern, im Leben üben sie das Priesteramt aus. Die Apostelgeschichte, die die wesentlichen Züge der Urkirche darlegt, unterstreicht die Bedeutung, die in dieser Urkirche dem „Gebet“ zukam: „Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten ... Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot ... Sie lobten Gott“ (Apg 2, 42.46-47). Und an anderer Stelle: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit ... Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1, 14). 2. In der im Gebet vereinten Gemeinschaft der Gläubigen ist Maria zugegen, und das nicht nur in den Anfangszeiten des Glaubens, sondern zu allen Zeiten. „So erscheint Maria beim Besuch der Mutter des Vorläufers, bei dem ihre Seele überströmt in Worten der Verherrlichung Gottes, der Demut, des Glaubens und der Hoffnung. Davon spricht das Magnificat, das Gebet Mariens, im wahrsten Sinne des Wortes, das Lied der messianischen Zeiten, in dem der Jubel des alten und neuen Israel zusammenklingt“ (Apostol. Schreiben Pauls VI. Marialis cultus, Nr. 18, in: Wort und Weisung, 1974, S. 448). Maria erscheint als betende Jungfrau in Kana, ebenso als betende Jungfrau im Abendmahlssaal. „Die betende Gegenwart Mariens in der werdenden Kirche und in der Kirche aller Zeiten, weil sie nach ihrer Aufnahme in den Himmel ihre Mission als Fürsprecherin und Helferin nicht aufgegeben hat; betende Jungfrau auch die Kirche, die Gott jeden Tag die Anliegen ihrer Kinder vorträgt, ,unaufhörlich den Herrn lobt und für das Heil der Welt eintritt“ “ (ebd., Nr. 18, S. 448-449). 230 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Segen fügte der Papst noch einige Worte zum Erntedankfest an und schloß mit folgendem Gebetsaufruf: Liebe Brüder und Schwestern! Die Apostelgeschichte sagt uns von der Urgemeinde in Jerusalem: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu.“ Ja, eine wesentliche Tätigkeit einer christlichen Gemeinschaft ist das Beten, der Lobpreis Gottes. Und solches einmütige Beten geschieht auch heute „zusammen mit Maria, der Mutter Jesu“. Ihrer treuen Fürbitte vertraue ich euch und eure Familien an. Gott segne euch! Zu den deutschsprachigen Pilgern sagte der Papst: In diesem Monat November, in welchem das Gebet der Christen für die Toten besonders inständig ist, bitte ich euch um ein besonderes Gedenken für die zahlreichen Opfer von Gewalt und Kriegen, die viele Teile der Welt erschüttern. In diesen Tagen hat eine Nachricht in meinem Herzen einen besonderen Schmerz hervorgerufen, nämlich die der Ermordung des guatemaltekischen Franziskanerpaters Ramirez Monasterio, der wegen seiner karitativen Werke sehr bekannt und behebt war. In besonderer Weise muß ich immer an all die Gebiete denken, die vom Krieg gezeichnet sind, wo die Zivilbevölkerung und nicht zuletzt unschuldige Kinder großes Leid erdulden müssen. Ich denke an die übrigen Länder Zentralamerikas, an den Libanon, an Afghanistan und den Konflikt zwischen Irak und Iran. Indem wir inständig für alle Toten beten, flehen wir zu Gott, er möge alle Menschen guten Willens veranlassen, vor allem die Ursachen zu bekämpfen, die so viele Tote und Zerstörung zufolge haben. Der Wert des Seins im Wahren, Guten und Schönen Ansprache bei der Generalaüdienz am 16. November 1. Nikodemus entgegnete Jesus: „Wie kann ein Mensch, der schon alt ist, geboren werden? Er kann doch nicht in den Schoß seiner Mutter zurückkehren und ein zweites Mal geboren werden?“ (Joh 3, 4). Die Frage des Nikodemus bringt gut die Verwunderung und Beunruhi- 231 A UDIEN ZEN UND ANGEL US gung des Menschen gegenüber dem Geheimnis Gottes zum Ausdruck, das er bei der Begegnung mit Christus entdeckt. Das ganze Gespräch zwischen Jesus und Nikodemus enthüllt die außerordentliche Sinnfülle jeder Begegnung, auch der eines Menschen mit dem anderen. Denn die Begegnung mit dem anderen ist ein erstaunlicher und wirklicher Vorgang, durch den der Mensch aus seiner ursprünglichen Einsamkeit heraustritt, um sich mit seinem Dasein auseinanderzusetzen. Dies ist die normale Vorbedingung, die ihn veranlaßt, den Wert der Wirklichkeit, der Personen und Dinge, die diese Wirklichkeit ausmachen, kurz, der Geschichte, zu erfassen. In diesem Sinne ist sie mit einer Wiedergeburt zu vergleichen. Im Johannesevangelium beinhaltet die Begegnung Christi mit Nikodemus die Geburt zum endgültigen Leben, zum Leben des Reiches Gottes. Aber sind es im Leben eines Menschen nicht die Begegnungen, die das unvorhergesehene und konkrete Geflecht des Daseins weben? Liegen nicht sie der Geburt jenes handlungsfähigen Selbstbewußtseins zugrunde, das allein ein Leben gestattet, das den Namen „menschenwürdig“ verdient? In der Begegnung mit dem anderen entdeckt der Mensch, daß er Person ist und den anderen Menschen gleiche Würde zuerkennen muß. Durch bedeutsame Begegnungen lernt er den Wert der grundlegenden Dimensionen des menschlichen Daseins kennen, allen voran jene der Religion, der Familie und des Volkes, dem er angehört. 2. Der Wert des Seins mit seinen universalen Merkmalen des Wahren, Guten und Schönen, erscheint dem Menschen sinnenhaft verkörpert in den entscheidenden Begegnungen seines Lebens. In der ehelichen Zuneigung beginnt die Begegnung zwischen dem Liebenden und dem Geliebten, die in der Ehe ihre Erfüllung findet, mit der sinnenhaften Erfahrung des in der „Gestalt“ des anderen verkörperten Schönen. Aber das Sein verlangt durch die Anziehungskraft des Schönen danach, sich in der Fülle des echten Guten auszudrücken. Daß der andere da sei, daß sich das Gute in ihm verwirkliche, daß sich die von Gottes Vorsehung für ihn vorgezeichnete Bestimmung erfülle, das ist der lebhafte und uneigennützige Wunsch jeder Person, die wahrhaftig hebt. Der Wille zum bleibenden Guten, der fähig ist zum Zeugen bzw. zur Fortpflanzung in den Kindern, wäre im übrigen nicht möglich, wenn er sich nicht auf das Wahre stützen würde. Man kann der Anziehungskraft des Schönen nicht die Festigkeit eines endgültigen Guten geben, ohne die Suche nach der Wahrheit über sich selbst und den Willen, in ihr auszuharren. Und weiter: Wie könnte sich ein Mensch voll und ganz verwirklichen ohne die Begegnung, die sich in seinem Innersten vollzieht, mit seinem Land, 232 AUDIENZEN UND ANGELUS mit den Menschen, die dessen Geschichte gestaltet haben durch ihr Gebet, durch ihr Zeugnis, durch ihr Blut, durch ihren Genius und ihre Dichtung? Die Begeisterung für die Schönheit des Heimatlandes und der Wunsch nach dem Wahren und Guten für das Volk, das diese Schönheit weiter fortpflanzt, verstärken ihrerseits den Wunsch nach Frieden, der allein die Einheit des Menschengeschlechts ermöglicht. Der Christ ist dazu angehalten, die Dringlichkeit des Dienstes am Frieden aus seiner Begegnung mit der Kirche zu verstehen, in der das Volk Gottes lebt, das mein Vorgänger Paul VI. als ,,. . . Volk besonderer Art“ bezeichnete. Die Geschichte dieses Volkes trotzt seit nunmehr 2000 Jahren der Zeit und läßt trotz des Elends der Menschen, die ihm angehören, die ursprüngliche Offenheit für das Wahre, Gute und Schöne unverändert. 3. Doch früher oder später wird sich der Mensch auf dramatische Weise bewußt, daß er in diesen vielfältigen und unwiederholbaren Begegnungen noch nicht den letzten Sinn erreicht, der imstande wäre, sie endgültig gut, wahr und schön zu machen. Er erfährt in ihnen die Gegenwart des Seins, aber das Sein als solches entzieht sich ihm. Das Gute, von dem er sich angezogen fühlt, das Wahre, dem er zustimmen und das Schöne, das er entdecken kann, sind tatsächlich weit davon entfernt, ihn zu befriedigen. Die wesenhafte Bedürftigkeit bzw. das unerfüllbare Verlangen werden vom Menschen noch dramatischer erfahren, wenn der andere in sein Leben eingetreten ist. Geschaffen für das Unendliche, fühlt sich der Mensch allseits als Gefangener des Endlichen! Welchen Weg kann derjenige noch einschlagen, welchen geheimnisvollen Ausbruch aus seinem Innersten noch wagen, der einmal seine ursprüngliche Einsamkeit hinter sich gelassen hat, um dem anderen entgegenzugehen und darin endgültige Erfüllung zu suchen? Der Mensch, der mit wirklichem Ernst seine menschliche Erfahrung lebt, sieht sich einem furchtbaren Entweder-Oder gegenüber: entweder nach einem anderen suchen, der am Horizont des Daseins aufscheint, um dessen volle Verwirklichung zu verheißen und zu ermöglichen, oder sich in sich selbst verschließen in existentieller Einsamkeit, in der der positive Charakter des Daseins geleugnet wird. Der Schrei des Verlangens oder der Fluch, das ist es, was ihm bleibt! Doch die Barmherzigkeit, mit der Gott uns geliebt hat, ist stärker als jedes Dilemma. Sie macht auch vor dem Fluch nicht halt. Auch aus der Erfahrung der Sünde heraus vermag der Mensch immer noch über seine metaphysische Hinfälligkeit nachzudenken und aus ihr herauszukommen. Er kann die absolute Notwendigkeit jenes anderen erfassen, der seinen Durst 233 AUDIENZEN UND ANGELUS für immer stillen kann. Der Mensch kann den Weg zur Anrufung dessen wiederfinden, der der Urheber unseres Heils ist, damit er komme! Dann überläßt sich das Herz der barmherzigen Umarmung Gottes, um in dieser entscheidenden Begegnung endlich die Freude einer Hoffnung zu erfahren, „die nicht zugrunde gehen läßt“ (Röm 5, 5). Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Begegnung Jesu mit Nikodemus in der heutigen Lesung zeigt die Verwunderung des Menschen gegenüber dem Geheimnis Gottes. Sie hat zum Gegenstand die Wiedergeburt im Heiligen Geist zum endgültigen Leben des Reiches Gottes. In jeder Begegnung mit dem anderen überwindet der Mensch seine ursprüngliche Einsamkeit, entdeckt sich als Person und als solidarisch mit den Mitmenschen. Er erfährt darin den Wert der konstitutiven Dimensionen seines menschlichen Daseins, aber zugleich auch dessen Begrenztheit. Das Wahre, Gute und Schöne, dem er hier begegnet, kann seine letzte Erwartung nicht erfüllen. Geschaffen für das Unendliche, fühlt der Mensch sich gleichsam gefangen in die Endlichkeit. Will er sich nicht in seiner Einsamkeit verschließen, so bleibt ihm als einziger Ausweg die Ausschau nach der Begegnung mit Gott. Er allein kann ihm jene frohe Hoffnung eröffnen, die nach dem Zeugnis des heiligen Paulus nicht enttäuscht und nicht zugrunde gehen läßt (vgl. Röm 5, 5). Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich alle hier anwesenden Pilger und Besucher deutscher Sprache, besonders die Jubiläumswallfahrt der Diözese Bozen-Brixen unter der Leitung ihres Oberhirten, Bischof Gargitter; ferner die große Pilgergruppe der Lesergemeinde der katholischen Wochenzeitung „neue bildpost“, die Teilnehmer am Kursus für geistliche Erneuerung in Rocca di Papa aus den Diözesen Wien und Feldkirch sowie die Mitglieder des Generalkapitels der Barmherzigen Brüder von Maria Hilf. Ich wünsche und erbitte euch an den Heiligen Stätten in der Ewigen Stadt eine tiefe Begegnung mit Christus, unserem Erlöser. Er schenke euch innere Versöhnung mit Gott und Frieden mit allen Menschen. Gebt Zeugnis für ihn durch ein wahrhaft christliches Leben in euren Familien und Gemeinden. Dazu erteile ich euch und allen Pilgern von Herzen meinen Apostolischen Segen. 234 A UDIENZEN UND ANGEL US Vorspiel endzeitlicher Wirklichkeit Vor dem Angelus am 20. November 1. Das endzeitliche Reich Christi und Gottes (vgl. Kol 1, 13) wird sich erfüllen, wenn der Herr alles in allen sein wird, nachdem er die Herrschaft Satans, der Sünde und des Todes gebrochen hat. Doch Gottes Reich ist bereits „in geheimnisvoller Weise“ in der Geschichte gegenwärtig und in denjenigen wirksam, die ihn annehmen. Es ist gegenwärtig in der Wirklichkeit der Kirche, die Sakrament des Heiles und zugleich Geheimnis ist, dessen Grenzen allein der Barmherzigkeit des Vaters bekannt sind, der alle retten will. Die Heiligkeit der Kirche auf Erden ist die Vorwegnahme der künftigen Fülle des Reiches. Die herrlichen Formulierungen des Kolosserbriefes in bezug auf dieses Reich (Kol 1, 13) beziehen sich auf alle Christen, besonders aber auf Maria, die völlig bewahrt blieb von der Last des Bösen: „Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes“ (ebd.). In Christus ist Gottes Reich in die Geschichte eingebrochen, und alle, die ihn aufnahmen, sind dieses Reiches teilhaft geworden: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ {Joh 1, 12). Maria, die Mutter Christi und treue Jüngerin des Wortes, ist in ganzer Fülle in das Reich eingegangen. Ihr ganzes irdisches Dasein, als vom Herrn geliebt (kecharitomene) und vom Geist beseelt, ist konkretes Zeugnis und Vorspiel der endzeitlichen Wirklichkeit. 2. Die Jungfrau Maria, die bereits in ihrem irdischen Leben Zeichen und Vorwegnahme der künftigen Güter war und nun verherrlicht ist an der Seite des Herrn Christus, ist Bild und Erfüllung des Reiches Gottes. Sie ist die erste, die Christus, dem „Erstgeborenen vieler Brüder“, dem „Ursprung der neuen Schöpfung“, dem „Haupt der Kirche“ (vgl. Kol 1, 18-20), folgen sollte. Die erste, die seine Herrlichkeit ererbt hat. Die Verherrlichung Mariens, unserer Schwester, ist die großartigste Bestätigung des Schriftwortes: „Er hat uns mit Christus auferweckt und uns zusammen mit ihm einen Platz im Himmel gegeben“ (Eph 2, 6). Ihr Eingang in das endzeitliche Reich Gottes ist Unterpfand und Gewähr für die Teilhabe der ganzen Kirche, des Leibes Christi, an der Herrlichkeit ihres Herrn. Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst u. a. auf deutsch: 235 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe Schwestern und Brüder! Seid ihr euch bewußt, daß euer irdischer Lebensweg einmal in Gottes Herrlichkeit enden soll? Diese beglückende Berufung hat sich an unserer Schwester Maria, der Mutter Jesu, bereits vollendet. So ist ihr Leben für uns zum ermutigenden Beispiel und zu einem wegweisenden Licht auf unserem Weg geworden. Daß auch wir unser Lebensziel wirklich erreichen, das erbitte uns Maria bei Gott, unserem Schöpfer und Vater. Danach sagte der Papst noch einige Grußworte in Italienisch: Meinen herzlichen Gruß richte ich an die kirchlichen Laienverbände und -bewegungen, die sich in Rom zur Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung eingefunden haben. Ich wünsche von Herzen, daß sie bei ihrer Pilgerfahrt zum Grab des hl. Petrus neue Klarheit finden mögen über ihre besondere Berufung, die Wirklichkeit dieser Welt christlich zu beleben, sowie neue Kraft, um ihre durch die Gnade der Buße und der Versöhnung gestärkte Verantwortlichkeit wahrzunehmen. Euch allen, Brüder und Schwestern der katholischen Laienschaft, gilt mein herzücher Wunsch, daß der Herr euch in diesem heilsamen Vorhaben beistehe. Es begleite euch mein Segen, in den ich die verschiedenen hier anwesenden Gruppen und alle Einzelpersonen einschließe. Morgen feiert die Kirche, die in der Liturgie der Darstellung Mariens gedenkt, den Tag „pro orantibus“, das ist der Tag, an dem der über die ganze Welt verstreuten Klausurnonnen gedacht wird. Sie gehören - wie das Zweite Vatikanische Konzil ausführt - zu jenen ganz auf die Kontemplation ausgerichteten Instituten, die in Einsamkeit und Schweigen, anhaltendem Gebet und hochherziger Buße für Gott allein da sind und im mystischen Leib Christi eine hervorragende Stelle einnehmen. „Sie bringen Gott ein erhabenes Lobopfer dar und schenken dem Volk Gottes durch überreiche Früchte der Heiligkeit Licht, eifern es durch ihr Beispiel an und lassen es in geheimnisvoller apostolischer Fruchtbarkeit wachsen. So sind sie eine Zier der Kirche und verströmen himmlische Gnaden“ (Perfectae caritatis, Nr. 7). Die Klausurnonnen, denen heute meine und eure Wünsche und Gedanken gelten, beten für uns! Daher ist es Pflicht, daß alle Mitglieder der Kirche diese geistliche Hochherzigkeit mit lebhafter Dankbarkeit erwidern, einer Dankbarkeit, die in inständigem Beten, in aufrichtiger Liebe und in konkreter Hilfe auch für die materiellen Bedürfnisse dieser unserer Schwestern, die in vorbildlicher Weise und mit freudigem Herzen ihr Leben dem Herrn geweiht haben, ihren Ausdruck finden möge. 236 AUDIENZEN UND ANGELUS Keine andere gültige Zukunft Ansprache bei der Generalaudienz am 23. November 1. „Was ihr verehrt, ohne es zu erkennen, das verkünde ich euch“ (Apg 17, 23). Die ausdrückliche Verkündigung der von Christus erwirkten Erlösung, die Paulus im Areopag von Athen vorzutragen wagte - in der Stadt also, in der aus Tradition die philosophische und doktrinäre Auseinandersetzung auf höchstem Niveau stattfand -, gehört zu den bezeichnendsten Dokumenten der ursprünglichen Katechese. Die spontane Religiosität der Athener wird von Paulus als eine unbewußte Prophezeiung des wahren Gottes aufgefaßt, in dem ,,. . . wir leben, uns bewegen und sind“ (Apg 10, 28). Ähnlich sieht er im Wissensdurst der Athener den natürlichen Keim, dem die Botschaft der Wahrheit und Gerechtigkeit eingepflanzt werden kann, jene Botschaft, die Tod, Auferstehung und Wiederkunft Christi in die Welt bringen. So tritt die der großen christlichen Überlieferung teure Aussage hervor, wonach sich das Ereignis der Erlösung für den Menschen, der sich für Gottes unvorhersehbare Initiativen offenhält, als passend und vernünftig erweist. Es besteht ein tiefer Einklang zwischen dem Menschen und Christus, dem Erlöser. Wahrlich, der lebendige Gott ist dem Menschen nahe, und der Mensch, ohne ihn zu kennen, erwartet ihn als den, der ihm den vollen Sinn seiner selbst enthüllen wird. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Überzeugung des Glaubens und der Lehre der Kirche aufs neue mit Nachdruck bekräftigt, wenn es in dem wertvollen Artikel 22 von Gaudium et spes ausführt: „Tatsächlich klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf. . . Christus . . . macht eben . . . dem Menschen den Menschen selbst voll kund . . .“ (Gaudium et spes, Nr. 22). 2. Die in der Apostelgeschichte berichtete Episode zeigt uns in der Erwartung der Athener die Erwartung aller Heiden. Ebenso bezeugt die Apostelgeschichte (Apg 2; 3; 7; 13; usw.) in den Reden und Predigten von Petrus, Stephanus und Paulus die beispielhafte und in geheimnisvoller Weise blinde Erwartung Israels, des auserwählten Volkes, das seit langem auf die Ankunft des Erlösers vorbereitet ist, ihn aber, als er kommt, nicht zu erkennen vermag. Die Menschheitsgeschichte ist durchzogen von dieser Erwartung, die in den einsichtigeren Menschen zum Schrei, zur Bitte, zur Anrufung wird. 237 AUDIENZEN UND ANGELUS Der in Christus und durch Christus geschaffene Mensch kann nur in ihm seine Wahrheit und seine Erfüllung finden. Hier wird der Sinn des Suchens nach dem Heil offenbar, der jeder menschlichen Erfahrung zugrunde liegt. Hier findet jene Sehnsucht nach dem Unendlichen ihre Erklärung, die unerfüllt bliebe ohne die Initiative des göttlichen Erbarmens in Christus. Die Erwartung Christi gehört zum Geheimnis Christi. Obschon der Mensch trotz seines guten Willens allein das Heil nicht zu erlangen vermag, entdeckt doch derjenige, der sich ernsthaft und wachsam mit seiner menschlichen Erfahrung auseinandersetzt, schließlich in sich selbst das Verlangen nach einer Begegnung, das Christus in wunderbarer Weise erfüllt. Er, der die Sehnsucht nach der Erlösung in das Herz des Menschen gesenkt hat, hat darüber hinaus die Initiative zur Erfüllung dieser Sehnsucht ergriffen. Die Worte „für uns Menschen und zu unserem Heil“, mit denen uns das Credo die Bedeutung der Erlösung Christi vor Augen führt, nehmen im Licht des Geheimnisses der Menschwerdung eine wahrhaft entscheidende Konkretheit an: „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Gaudium et spes, Nr. 22). 3. Die christliche Überlieferung nennt die Initiative Christi, der in die Geschichte eintritt, um sie zu erlösen und dem Menschen den Weg der Rückkehr zur ursprünglichen Vertrautheit mit Gott zu weisen, ein übernatürliches Geheimnis. Diese Initiative ist auch deshalb Geheimnis, weil sie als solche von seiten des Menschen undenkbar ist, ganz und gar unverdient, Frucht der freien Initiative Gottes. Und dennoch besitzt dieses Geheimnis die überragende Fähigkeit, den Menschen an der Wurzel zu packen, seiner Erwartung des Unendlichen zu entsprechen, den Durst nach dem Sein, dem Guten, dem Wahren und dem Schönen, der ihn quält, zu stillen. Mit einem Wort, es ist die faszinierende und konkrete Antwort, die sich nicht voraussehen und noch weniger einfordern läßt und dennoch von der Ursache jeder ernsthaften menschlichen Erfahrung vorausgeahnt wird. Die Erlösung Christi ist also vernünftig und überzeugend, weil sie gleichzeitig die beiden Merkmale der absoluten Unverdientheit und der überraschenden Entsprechung zum innersten Wesen des Menschen besitzt. Wie Christus den Aposteln an den Ufern des Sees von Galiläa begegnet ist und allen, die auf ihn gestoßen sind — von der Samariterin bis Nikodemus, von der Ehebrecherin bis Zachäus, vom Blindgeborenen bis zum römischen Hauptmann -, so begegnet er jedem Menschen und der menschli- 238 AUDIENZEN UND ANGELUS chen Geschichte. Und wie für die Personen, die in den Evangelien Vorkommen, so ist die Begegnung mit Christus für die Menschen aller Zeiten, die den Mut haben, ihn voll Glauben aufzunehmen und ihm zu folgen, die wahrhaft entscheidende Gelegenheit ihres Lebens, der verborgene Schatz, der nicht seinesgleichen hat. „Herr, zu wem sollen wir gehen?“ (Joh 6, 68). Es gibt in der Tat keine andere gültige Zuflucht, wohin wir uns wenden könnten, um die „Worte des ewigen Lebens“ (ebd.) zu empfangen, die allein die brennende Sehnsucht des menschlichen Herzens stillen können. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich begrüße ich euch zur heutigen Audienz. Ich freue mich über euer Kommen und erbitte euch eine geistlich fruchtbare Jubiläumswallfahrt zum Heiligen Jahr. Unsere Überlegungen führen uns heute zurück in die Urkirche, wo der hl. Paulus den Athenern verkündet: „Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch“ (Apg 17, 23). Ihre spontane Religiosität und ihr Verlangen nach Weisheit betrachtet der Apostel als Vorbereitung und Weg zum Evangelium. Es besteht eine tiefe innere Zuordnung zwischen dem Menschen und Christus, dem Erlöser. Eine große adventliche Erwartung durchzieht die Geschichte der Menschheit. Der Mensch selbst kann nur durch Christus, durch seine Offenbarung und Erlösung zu sich selber finden. Sein Heilswerk ist völlig unverdient und ungeschuldet, und dennoch entspricht es zutiefst der Natur des Menschen, seinen innersten Erwartungen und Hoffnungen. Wie das Konzil lehrt, hat sich der Sohn Gottes „in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereint“ (GS 22). Deshalb kann auch fortan jeder Mensch zu Christus gelangen und in ihm Erlösung und letzte Erfüllung finden. Auf daß Gott euch dieses schenken möge, erteile ich euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 239 AUDIENZEN UND ANGELUS „Auf den Schultern Wehrloser“ Gebetsaufruf für den Libanon und für Zypern bei der Generalaudienz am 23. November Brüder und Schwestern! Ich lade euch ein, auch heute ein inbrünstiges Gebet an den Herrn zu richten für alle, die im Libanon noch immer aufgrund der dramatischen Situation zu leiden haben, die in manchen Augenblicken jede Hoffnung auf Verbesserung zu ersticken scheint. Auch in diesen Tagen erreichen uns Nachrichten über neue blutige Kämpfe, Bombenangriffe, Zerstörungen. Aber wir dürfen nicht müde werden, auf den Herrn zu vertrauen, den wir bitten, er möge die Verantwortlichen erkennen lassen: Jeder Tag, jede Stunde, die vergeht, ist eine neue Bürde von Leiden auf den schon so schwerbeladenen Schultern der wehrlosen Bevölkerung. Meine Gedanken gelten ganz besonders zwei von Verheerung und Trostlosigkeit gezeichneten Städten: Tripoli, das in die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Palästinensern verwickelt wurde: Hier werden die harten, nur von kurzen Augenblicken der Waffenruhe unterbrochenen Kämpfe in den Straßen und selbst in den Häusern ausgetragen; Deir El-Kamar, wo die seit zwei Monaten belagerte Bevölkerung dringende Not an Kleidung, Lebensmitteln und Medikamenten leidet und sich körperlich und moralisch in unmenschlichem Zustand befindet. Kummer und Angst bereiten mir auch die besorgniserregenden Entwicklungen der Zypernfrage. Auch hier warten ganze Völker nach lang ertragenen Leiden seit Jahren darauf, durch faire Verhandlungen eine friedliche Lösung zu erreichen unter Respektierung der Wünsche jeder Seite und mit Hilfe und Garantie der internationalen Gemeinschaft. Für diese Anliegen wollen wir vertrauensvoll zum Herrn beten, unterstützt von der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau. 240 AUDIENZEN UND ANGELUS Abrüstung: „den Dialog nicht abbrechen!“ Vor dem Angelus am 1. Adventssonntag, 27. November 1. Heute, am ersten Adventssonntag, haben wir die Antiphon des Antwortpsalms wiederholt: „Ich freute mich, als man mir sagte: Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.“ Wir wollen hinzufügen: „Voll Freude gehen wir mit Maria dem Herrn entgegen.“ Wie uns die Liturgiker deutlich machen und Paul VI. lehrt, ist der Advent „eine besonders geeignete Zeit für die Verehrung der Mutter des Herrn“ (Apostol. Schreiben Marialis cultus, Nr. 4, in: Wort und Weisung, 1974, S. 438) und für eine geeignete Katechese. Ein Hinweis, der, wie ich hoffe, „überall bejaht und befolgt werden wird“ (ebd.). Die Freude ist ein grundlegender Bestandteil der heiligen Zeit, die heute beginnt. Der Advent ist eine Zeit des Wachens, des Gebets, der Einkehr, nicht nur eine Zeit glühender, freudiger Erwartung. Der Grund dafür ist einleuchtend: „Der Herr ist nahe“ (Phil 4, 5), „der Herr ist mit dir“ oder in dir, wie es Maria (Lk 1, 28) und der „Tochter Zions“ (Zef 3, 14) verkündet wird. 2. Das erste Wort, das im Neuen Testament an Maria gerichtet wird, ist eine Aufforderung zur Freude: Freue dich! Dieser Gruß hängt mit dem Kommen des Erlösers zusammen. Maria wird als erster eine Freude angekündigt, die in der Folge dem ganzen Volk verkündet werden soll. Sie hat an dieser Freude in außergewöhnlicher Weise und in besonderem Maße teil. In ihr konzentriert und vollendet sich die Freude des alten Israel und bricht unaufhaltbar die Seligkeit der messianischen Zeit an. Die Freude der Jungfrau ist insbesondere die Freude des „Restes“ Israels, der Armen, die von Gott das Heil erwarten und seine Treue erfahren. Um an diesem Fest teilzunehmen, muß man den Erlöser demütig erwarten und voll Vertrauen aufnehmen. „Die Gläubigen, die mit der Liturgie den Geist des Advents leben, indem sie die unaussprechliche Liebe betrachten, mit der die jungfräuliche Mutter den Sohn erwartete, werden dazu angeleitet, Maria als Vorbild anzunehmen und sich darauf vorzubereiten, dem kommenden Heiland entgegenzutreten, ,damit er uns wachend finde im Gebet . . . und im Lobpreis“1 (Marialis cultus, Nr. 4, a.a.O., S. 438). Nach dem Angelus grüßte der Papst die Pilger in den verschiedenen Sprachen. Auf deutsch sagte er: 241 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe Schwestern und Brüder! Erster Sonntag im Advent: Das ist der Beginn unseres Weges zur Begegnung mit unserem Herrn und Erlöser Jesus Christus im Heiligen Weihnachtsfest. Ein Weg in wacher Bereitschaft, in Gebet und Besinnung, in Dankbarkeit und großer Vorfreude. Laßt uns diesen Weg gemeinsam mit Maria gehen: Alle Wege, die zu Christus führen, ist sie selbst ja bereits gegangen. Sie wird auch uns helfen, ans Ziel zu gelangen. Dann sagte der Papst noch in Italienisch: Heute begehen die Kirchen der Länder Mittelamerikas auf Initiative ihrer Bischöfe einen Gebets- und Bußtag für den Frieden. Auf diese Weise wollen sie ihre Solidarität ausdrücken mit allen Brüdern der Region, die von Leid und Schmerz betroffen sind, besonders mit den katholischen Gemeinden, die von Bedrängnis und Leid heimgesucht werden. Die Opfer der Gewalt unter der Bevölkerung jener Region belaufen sich leider bereits auf über zehntausend, darunter auch Erzbischof Romero, zahlreiche Priester, Ordensleute und Katecheten, außerdem eine große Zahl von eingekerkerten und verschwundenen Personen und Flüchtlingen. In jenen Völkern lebt ein tiefes Sehnen nach Versöhnung und Frieden. Initiativen des guten Willens wurden eingeleitet, um Kämpfen in und außerhalb dieser Länder ein Ende zu setzen, die volle Freiheit für die Kirche und ihre Sendung eingeschlossen. Beten wir, daß sich diese Hoffnungen bald erfüllen mögen. Die Aufmerksamkeit aller - und meine im besonderen - richtet sich voll Beklemmung auf die internationale Lage, die durch die Unterbrechung der Genfer Verhandlungen über die Raketenstationierung in Europa noch bedenklicher geworden ist. Ich fordere euch auf, dafür zu beten, daß der Weg des Dialogs nicht verschlossen bleibe und den Völkern, die so große Hoffnung darin gelegt haben, das Vertrauen zurückgegeben werde. Mit tiefem Schmerz habe ich die Nachricht von dem tragischen Flugzeugunglück aufgenommen, das heute nacht in Madrid eine kolumbianische Verkehrsmaschine betroffen und so viele Tote und Verletzte gefordert hat. Während ich für die Opfer bete, möchte ich den betroffenen Angehörigen meine Anteilnahme und den Verletzten meinen Trost aussprechen und übermittle allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 242 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Erwartung aller Menschen Ansprache bei der Generalaudienz am 30. November 1. „Rorate coeli desuper et nubes pluant iustum“: „Taut, ihr Himmel, von oben, ihr Wolken, laßt Gerechtigkeit regnen“ (Jes 45, 8). Mit diesen Worten, die den soeben gehörten Text des Propheten Jesaja widerhallen lassen, eröffnet die Kirche die Adventszeit, eine Zeit des Eifers und der Erwartung, in der wir uns auf das Geburtsfest des Herrn vorbereiten. In diesen Wochen sind wir aufgerufen, die Erwartung aller Menschen, deren Blick gewissermaßen seit den Anfängen der Menschheit auf die Erlösung und das Heil gerichtet ist, aufs neue zu erleben. Die Erfahrung der Gebrechlichkeit, des Todes und die Furcht angesichts der unzähligen Gefahren, die die Existenz bedrohen, sind allen Menschen gemeinsam. Darum erschallt der Ruf nach Heil auf der ganzen Erde und ist in verschiedener Weise in allen religiösen Überlieferungen gegenwärtig. Nun wissen wir, daß es auf diesen gewaltigen Chor, auf dieses pochende Rufen, das aus der ganzen Geschichte aufsteigt, die Antwort des dreieinigen Gottes gibt, Quelle und Urheber des Heiles für alle Menschen. Die Bibel ist das Buch, das diese Antwort für alle enthält: Sie offenbart, daß Gott die Liebe ist, die uns entgegenkommt und sich in Jesus Christus kundtut. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das alles in der dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung in einfachen und verbindlichen Worten in Erinnerung gerufen: „Gott, der durch das Wort alles erschafft (vgl. Joh 1, 3) und erhält, gibt den Menschen jederzeit in den geschaffenen Dingen Zeugnis von sich (vgl. Röm 1, 19—20). Da er aber den Weg übernatürlichen Heils eröffnen wollte, hat er darüber hinaus sich selbst schon am Anfang den Stammeltern kundgetan. Nach ihrem Fall hat er sie wiederaufgerichtet in Hoffnung auf das Heil, indem er die Erlösung versprach (vgl. Gen 3, 15). Ohne Unterlaß hat er für das Menschengeschlecht gesorgt, um allen das ewige Leben zu geben, die das Heil suchen durch Ausdauer im guten Handeln (vgl. Röm 2, 6-7)“ (Dei verbum, Nr. 3). Dieser Plan hat konkrete geschichtliche Gestalt angenommen. „Gott schloß mit Abraham (vgl. Gen 15, 8) und durch Mose mit dem Volk Israel (vgl. Ex 24, 8) einen Bund. Dann hat er sich dem Volk, das er sich erworben hatte, durch Wort und Tat als einzigen, wahren und lebendigen 243 AUDIENZEN UND ANGELUS Gott so geoffenbart, daß Israel Gottes Wege mit den Menschen an sich erfuhr, daß es sie durch Gottes Wort aus der Propheten Mund allmählich voller und klarer erkannte und sie unter den Völkern mehr und mehr sichtbar machte . . . Gottes Geschichtsplan im Alten Bund zielte vor allem darauf, das Kommen Christi, des Erlösers des Alls, und das Kommen des messianischen Reiches vorzubereiten, prophetisch anzukündigen (vgl. Lk 24, 44; Joh 5, 39; 1 Petr 1, 10) und in verschiedenen Vorbildern anzuzeigen (vgl. 1 Kor 10, 11)“ (Dei verbum, Nr. 14, 15). 3. Die Adventszeit, die wir begonnen haben, ruft uns auf, diese Erwartung der Erlösung besonders intensiv zu leben und unseren Blick ebenso auf die erbarmende Liebe Gottes zu richten - der uns, getreu seinen Verheißungen, entgegenkommt - wie auf das tiefe Heilsbedürfnis, das wir in uns wahrnehmen. Wenden wir uns also der erbarmenden Liebe Gottes und seinem Heilsplan zu, durch den er uns zu sich ruft: Er will uns seines göttlichen Lebens teilhaftig machen (vgl. Eph 2, 18; 2 Petri, 4), indem er uns aus der Finsternis der Sünde und des Todes befreit und uns zum ewigen Leben erweckt (vgl. Dei Verbum, Nr. 4). In meiner Enzyklika Dives in misericordia habe ich die Aufmerksamkeit auf die erbarmende Liebe Gottes gelenkt, die einer Sonne gleich die ganze Bibel erleuchtet, beginnend mit dem Alten Testament, und von dort die ganze Menschheit überstrahlt. In dieser Adventszeit lädt uns die Kirche ein, Gottes Erbarmen zu erflehen, das sich uns in der Person Jesu Christi, des Erlösers geoffenbart hat. Deshalb wiederholen wir: „Regem venturum Dominum venite adore-mus“ (Auf, laßt uns dem König und Heiland, der da kommt, entgegengehen und ihn anbeten). Wir wollen vor ihm stehen wie der Kranke vor dem Arzt, wie der Arme vor dem, der die Fülle der Güter besitzt, wie der Sünder vor der Quelle der Heiligkeit und Gerechtigkeit. Der bekannte 50. (51.) Psalm, den die biblische Uberheferung David zuschreibt, „als der Prophet Natan zu ihm kam, nachdem sich David mit Batseba vergangen hatte“, beschreibt im wesentlichen die wunderbare Begegnung der Barmherzigkeit Gottes und der angeborenen, zur Sünde neigenden Schwachheit des Menschen. Das demütige und aufrichtige Eingeständnis der eigenen moralischen Schwäche wird zu einem vertrauensvollen Bittgebet, und die Erwartung der inneren Neuschöpfung ist so lebendig und gewiß, daß sie gleichsam von Gefühlen innerer Freude und Dankbarkeit überströmt: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! . . . Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann werde ich weißer als 244 AUDIENZEN UND ANGELUS Schnee . . . Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist! . . . Mache mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus!“ Aus der befreienden Erfahrung der inneren Neuschöpfung, der Erfahrung der Begegnung mit der erbarmenden Liebe Gottes, gehen Vorsätze und Pläne zu einem neuen Leben im Dienst Gottes und als Zeugnis für seine Botschaft unter den Menschen hervor: „Dann lehre ich Abtrünnige deine Wege, und die Sünder kehren um zu dir . . . Herr, öffne mir die Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden.“ Hier zeichnet sich ein ganzes Programm ab, das nicht nur diese besondere Adventszeit des Heiligen Jahres zu beseelen vermag, sondern unser ganzes Leben zu einer adventlichen Zeit machen soll in der lebhaften, zuversichtlichen Erwartung des großen Ereignisses unserer Begegnung mit dem Herrn, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1, 8). In italienischer Sprache wies der Papst im einzelnen auf folgende aktuelle Themen hin: Wie ihr wißt, ist am vergangenen ersten Adventssonntag der neue Codex des Kirchenrechts in Kraft getreten. „Er ist der Codex des Konzils“, bemerkte ich vor einigen Tagen, als ich zu den Teilnehmern eines diesbezüglichen Studienkurses sprach. Und ich fügte hinzu, daß er „in diesem Sinn sozusagen das letzte Konzilsdokument“ sei, „das zweifellos Kraft und Wert, Einheit und Ausstrahlung dieses Konzils festigen wird“. Ich wünsche von Herzen, daß die Gläubigen in aller Welt die neue Gesetzgebung mit Zustimmung aufnehmen, sie studieren, um sie genau zu kennen, und vor allem sich bemühen, die Vorschriften willig anzuwenden in der Überzeugung, daß man auch auf diese Weise dazu beiträgt, die Kirche in Liebe aufzubauen. Ich lade euch von neuem ein, für die Kinder, die Kranken, die Alten und die Frauen in der libanesischen Stadt Deir El-Kamar zu beten, denn ihre Situation verschlechtert sich von Tag zu Tag. Gestern haben die Patriarchen und Bischöfe des Libanon einen Appell an die Welt gerichtet und gebeten, die Bombardierungen einzustellen, die medizinische Versorgung und den Rettungsdienst sicherzustellen sowie die Verwundeten und Kranken zu evakuieren. Heute, am Fest des Apostels Andreas, bin ich besonders den orthodoxen Brüdern und vor allem dem Ökumenischen Patriarchat nahe, das heute feierlich des Ersten gedenkt, den Christus in seine Nachfolge berufen hat. Eine Delegation unter der Leitung des Präsidenten des Sekretariats für die Einheit der Christen, Kardinal Jan Willebrands, ist bereits in Konstan- 245 AUDIENZEN UND ANGELUS tinopel eingetroffen, um Patriarch Dimitrios I. eine Botschaft von mir mit dem Wunsch zu übermitteln, daß die volle Einheit, um die Jesus gebetet hat, verwirklicht werde. Auf deutsch sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Ihr werdet mir sicher zustimmen, wenn ich sage, daß der Advent für jeden von uns immer wieder eine besonders innige Zeit des Jahres darstellt. In diesen vier Wochen voller Erwartung des Weihnachtsfestes meldet sich in unserem Herzen die tiefe Sehnsucht aller Menschen und Zeiten, die Sehnsucht nach dem ganzen Heil, nach der vollkommenen Freude. Ganz spontan verstehen wir jenes uralte Bild im bekannten Adventslied: „Tauet, Himmel, den Gerechten; Wolken regnet ihn herab!“ Ja, die tägliche bittere Erfahrung unserer physischen und moralischen Schwäche läßt uns nach dem „Gerechten“ rufen, dem Menschen, der von der Wurzel her ganz rein und heilig ist, der in der Kraft Gottes den Tod überwindet und mit ewigem Leben beschenkt wird. Diesen Gerechten erblickt die Kirche in Jesus von Nazaret; ihn verkündet sie durch die Jahrhunderte hindurch, und auf ganz besondere Weise in diesem Jubiläumsjahr unserer Erlösung, dessen Gnadengaben ich euch allen von Herzen erbitte. In euch segne ich zugleich eure Familien, vor allem die Kinder und die alten Menschen sowie eure Kranken. Einen besonderen Gruß richte ich heute an eine Gruppe von Artisten aus dem Zirkus Wulber. Möge es euch und euren Kollegen weiterhin gelingen, zahlreichen Menschen immer wieder ein paar Stunden voller Staunen und Freude zu schenken. Die persönliche Antwort Mariens Vor dem Angelus am 2. Adventssonntag, 4. Dezember 1. Das Heil taut vom Himmel herab, aber es sprießt auch aus der Erde hervor. Der Messias und Erlöser ist der Sohn des Höchsten, aber zugleich Frucht des Schoßes einer Frau, der Jungfrau Maria. Die Heilsgeschichte, die die Geschichte eines Bundes mit Gott ist, entfaltet sich im Dialog zwischen ihm und seinem Volk. Alles ist Wort und Antwort. Auf Gottes Wort der Schöpfung und des Heiles muß die Glaubensantwort der Menschheit 246 A UDIENZEN UND ANGELUS folgen. Diese Logik ist in dem grundlegenden Heilsereignis, der Menschwerdung des Gottessohnes, im höchsten Maß gegenwärtig. Wie in Jesus Christus, dem Wort des Vaters, alle Heilstaten Gottes zusammengefaßt sind, so werden in der Antwort Mariens die Glaubensbekenntnisse des Gottesvolkes und aller seiner Mitglieder zusammengefaßt und erreichen ihre Erfüllung. Maria ist in besonderer Weise Erbin und Erfüllung des Glaubens Abrahams. Wie der Erzvater als „unser Vater“ betrachtet wird, so ist mit noch größerer Berechtigung Maria als „unsere Mutter“ im Glauben anzusehen. Abraham steht am Beginn, Maria am Scheitelpunkt der Generationen Israels. Er stellt vorwegnehmend das Volk der Verheißung vor Gott dar, sie, die von Abraham abstammt und privilegierte Erbin seines Glaubens ist, erhält die Frucht der Verheißung. Durch den Glauben und den Gehorsam Mariens sind in der an Abraham ergangenen Verheißung alle Familien der Erde gesegnet (vgl. Gen 12, 3). 2. Die Worte Mariens: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38), beschwören nicht nur die Gestalt und das Verhalten Abrahams, sondern das Bild aller Diener und Dienerinnen des Herrn, die in der Heilsgeschichte mit ihm zusammengewirkt haben. Sie erinnern im allgemeinen an die Worte der Kinder Israels am Fuß des Berges Sinai am Tag des Bundeschlusses: „Alles, was der Herr gesagt hat, wollen wir tun“ {Ex 24, 3). Die Antwort Mariens ist eine persönliche Antwort, hat aber auch eine Gemeinschaftsbedeutung, In ihr Ja mündet der Glaube des alten Israel ein und beginnt der Glaube der Kirche. Ihre Zustimmung zum Herrn wird durch die Solidarität der Gnade zum Segen für alle Glaubenden. Mit ihrem Glauben ist das Heil der Welt verbunden. Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst auf spanisch: Ich kann nicht umhin, jetzt von dem schmerzlichen Phänomen der Menschenentführungen zu sprechen, von dem, wie andere Teile der Welt, auch verschiedene Länder Lateinamerikas betroffen sind. Während ich meinen wiederholt geäußerten Abscheu gegen die Anwendung von Methoden zum Ausdruck bringe, die die menschlichen und christlichen Gefühle tief verletzen, richte ich einen eindringlichen Aufruf an die Verantwortlichen, auf die Stimme ihres Gewissens zu hören und ihre Geiseln freizulassen, unter denen sich auch Dr. Jaime Betancur, der Bruder des kolumbianischen Präsidenten, befindet. Ich bete zu Gott, daß er den Schmerz der Opfer und ihrer Angehörigen lindere. 247 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Immaculata ist das erste Wunder der Erlösung Ansprache bei der Generalaudienz am 7. Dezember 1. Das Fest, das wir morgen feiern, liebe Brüder und Schwestern, macht uns wieder das Meisterwerk Gottes bei der Erlösung gegenwärtig. Maria, die Unbefleckte, ist das vollkommen erlöste Geschöpf: Während alle anderen Menschen von der Sünde befreit werden, ist sie durch die erlösende Gnade Christi vor der Sünde bewahrt geblieben. Die Unbefleckte Empfängnis ist ein einzigartiges Vorrecht, das der Frau zukam, die bestimmt war, Mutter des Erlösers zu werden. Als der Vater beschloß, den Sohn in die Welt zu senden, wollte er, daß dieser durch das Eingreifen des Heiligen Geistes von einer Frau geboren werde und daß diese Frau absolut rein sei, um in ihrem Schoß und dann in ihren mütterlichen Armen den aufzunehmen, der die vollkommene Heiligkeit ist. Er wollte, daß zwischen der Mutter und dem Sohn keinerlei Schranken bestehen; kein Schatten sollte ihre Beziehungen verdunkeln. Darum wurde Maria unbefleckt geschaffen: sie ist in keinem Augenblick von der Sünde berührt worden. An diese Schönheit denkt der Engel Gabriel bei der Verkündigung, als er sich Maria nähert: „Sei gegrüßt, du Begnadete“ (Lk 1, 28). Was die Jungfrau aus Nazaret von allen anderen Geschöpfen unterscheidet, ist die Gnadenfülle, die sich in ihr findet. Maria hat nicht nur Gnaden empfangen; in ihr wird alles von der Gnade beherrscht und geleitet, vom ersten Augenblick ihres Daseins an. Sie ist nicht nur von der Erbsünde verschont worden, sondern hat eine wunderbar vollkommene Heiligkeit empfangen. Sie ist das ideale Geschöpf, wie Gott es sich vorgestellt hat; ein Geschöpf, in dem es nie den geringsten Widerstand gegen den göttlichen Willen gegeben hat. Dadurch, daß sie ganz von der Gnade durchdrungen ist, ist im Inneren ihrer Seele alles Harmonie, und die Schönheit des göttlichen Seins spiegelt sich in ihr auf ergreifende Weise. 2. Wir müssen den Sinn dieser unbefleckten Vollkommenheit im Licht des Erlösungswerkes Christi verstehen. In der Verkündigung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis wurde Maria als diejenige definiert, die „um der Verdienste Christi, des Erlösers des Menschengeschlechts, willen vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an vor jedem Makel der Erbsünde unbefleckt bewahrt wurde“ (DS 2803). Sie hat also im vorhinein die Verdienste des Kreuzesopfers empfangen. Die Erschaffung einer Seele voll der Gnade erschien wie die Revanche 248 AUDIENZEN UND ANGELUS Gottes auf den Abfall, der sich als Folge des Dramas der Sünde bei der Frau wie beim Mann ereignet hatte. Nach dem biblischen Bericht vom Fall Adams und Evas legte Gott der Frau für die begangene Schuld eine Strafe auf, doch ehe er noch diese Strafe aussprach, begann er einen Heilsplan zu enthüllen, in dem die Frau seine wichtigste Verbündete sein würde. In der als Protoevangelium bezeichneten Verheißung sprach Gott zu der Schlange, die das Paar zur Sünde verführt hatte: „Feindschaft stifte ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ {Gen 3,15). Indem Gott Feindschaft aufrichtete zwischen dem Teufel und der Frau, tat er seine Absicht kund, die Frau als erste an seinem Bund zu beteiligen, im Hinblick auf den Sieg, den der Nachkomme der Frau über den Feind des Menschengeschlechts davontragen würde. Die Feindschaft zwischen dem Teufel und der Frau fand in Maria ihren vollständigsten Ausdruck. Mit der Unbefleckten Empfängnis hat sich, als Reaktion auf die von Eva in der Erbsünde erlittene Niederlage, der vollkommene Sieg der göttlichen Gnade in der Frau erwiesen. In Maria ist die Versöhnung Gottes mit der Menschheit Wirklichkeit geworden, aber so, daß Maria persönlich nicht versöhnt zu werden brauchte, da sie, von der Erbschuld verschont, immer im Einklang mit Gott gelebt hat. Dennoch hat sich in Maria wahrhaftig das Werk der Versöhnung vollzogen, weil sie kraft des Erlösungsopfers Christi von Gott die Fülle der Gnade empfangen hat. In ihr hat sich die Wirkung dieses Opfers durch vollkommene Reinheit und eine wunderbare Blüte der Heiligkeit offenbart. Die Unbefleckte ist das erste Wunder der Erlösung. 3. Die Maria geschenkte Vollkommenheit darf bei uns nicht den Eindruck erwecken, ihr Erdenleben sei eine Art himmliches Leben gewesen, weit von unserem Leben entfernt. In Wirklichkeit war das Dasein Mariens dem unseren recht ähnlich. Sie hat die täglichen Schwierigkeiten und Prüfungen des menschlichen Lebens gekannt; sie hat in der Dunkelheit gelebt, die zum Glauben gehört. Sie hat ebenso wie Jesus die Versuchung und das Leid innerer Kämpfe erfahren. Wir können uns vorstellen, wie sehr sie das Drama des Leidens ihres Sohnes erschüttert hat. Es wäre ein Irrtum zu meinen, das Leben dieser Frau, die voller Gnade war, sei ein leichtes, bequemes Leben gewesen. Maria hat all das geteilt, was zu unserem irdischen Dasein mit seinen Anforderungen und seinen Mühen gehört. Vor allem muß man bedenken, daß Maria als die Unbefleckte geschaffen wurde, um besser für uns eintreten zu können. Die Gnadenfülle hat ihr 249 A UDIENZEN UND ANGEL US ermöglicht, ihre Sendung der Mitarbeit am Heilswerk in vollkommener Weise auszuführen: Sie hat ihrer Mitwirkung am Opfer Christi höchste Bedeutung verliehen. Als Maria dem Vater den ans Kreuz genagelten Sohn darbot, war ihr schmerzliches Opfer völlig rein. Und nun hilft uns die unbefleckte Jungfrau, auch in der Kraft der Reinheit ihres Herzens, nach der von ihr verwirklichten Vollkommenheit zu streben. Um der Sünder willen, also für uns alle, hat sie eine außergewöhnliche Gnade empfangen. In ihrer Eigenschaft als Mutter ist sie bemüht, alle ihre Erdenkinder irgendwie an der Gnade teilhaben zu lassen, mit der sie persönlich beschenkt wurde. Maria tritt bei ihrem Sohn ein, um Erbarmen und Vergebung für uns zu erlangen. Sie neigt sich unsichtbar über alle, die sich in geistlicher Angst befinden, um ihnen beizustehen und sie zur Versöhnung zu führen. Das einzigartige Privileg ihrer Unbefleckten Empfängnis stellt sie in den Dienst aller und bedeutet eine Freude für alle, die sie als ihre Mutter betrachten. Wiedergeburt aus dem Geist Vor dem Angelus am 8. Dezember 1. Das Fest der Unbefleckten Empfängnis Mariens, das die Kirche heute voll Freude auch in seiner besonderen Bedeutung für das Kommen des Erlösers feiert, nimmt in diesem Jubiläumsjähr der Erlösung eine ganz besondere theologische und liturgische Dimension an. Denn die Bewahrung Mariens von der Erbsünde vom ersten Augenblick ihrer Existenz an stellt die erste und radikale Wirkung des Erlösungswerkes Christi dar und verbindet die Jungfrau durch ein enges und unauflösbares Band mit der Menschwerdung des Sohnes, der, ehe er von ihr geboren wird, sie in der erhabensten Weise erlöst. Dieses große marianische Geheimnis, mit dem die Erlösung des Menschen in der Geschichte ihren Anfang nimmt, ist bereits im ewigen Plan Gottes, des Vaters, vorgesehen: Er hat Maria, die um der Verdienste Christi willen von der Erbsünde verschont wurde, vorherbestimmt, in der Zeit die würdige Mutter eben dieses Erlösers zu werden. Ihre sündelose Empfängnis ist nicht nur ein erhabenes Privileg, das Maria über alle menschlichen Geschöpfe und seihst über die Chöre der Engel erhebt, sondern auch ein hervorragender Gnadenzustand, dazu bestimmt, ihre ganze Person vom ersten Augenblick an in der vollkom- 250 AUDIENZEN UND ANGELUS mensten Freiheit — der Freiheit von der Erbsünde — dem Dienst Christi und seinem Erlösungswerk für die ganze Menschheit zur Verfügung zu stellen. Seit den ersten Jahrhunderten hat die Kirche über die nachgedacht, die „voll der Gnade ist“, und über die besondere Art und Weise ihrer Erlösung durch- Christus: Nach Jahrhunderte währenden, mühevollen Forschungen und der immer mehr sich ausbreitenden Feier des Festes ihrer Empfängnis, nach zuständigen Erklärungen des kirchlichen Lehramtes ist die Kirche unter dem ehrwürdigen Papst Pius IX. im Jahre 1854 dahin gelangt, die Lehre, die die Unbefleckte Empfängnis Mariens verkündet, als Glaubenswahrheit zu definieren. 2. In dieser Wahrheit, die Maria eng mit Christus verbindet, nimmt unser Glaube mit großer Freude einen Reichtum und eine Vielfalt von Bedeutungen wahr: - Wenn wir Maria im ewigen Plan Gottes hinsichtlich des Menschen sehen, ist sie durch ein unlösbares Band der Mutterschaft eng mit dem menschgewordenen Wort verbunden und von Ewigkeit mit dem von ihm gewirkten Erlösungswerk vereint. Aufgrund dieser ihrer Sendung war es angemessen, daß vom ersten Augenblick ihrer Existenz an kein Makel der Erbsünde in ihr war. Von der Erbsünde bewahrt - Im Ablauf der menschlichen Geschichte verwirklicht sich in ihrer unbefleckten Empfängnis am vollkommensten das ungeschuldete freie Handeln des Heiligen Geistes: Er bildet sie vom ersten Augenblick an als neues Geschöpf, als makellose Erde, als Tempel des Geistes. In dieser einzigartigen Beziehung besteht das bedeutsame Element des Festes, das wir feiern: In der Empfängnis Mariens fällt das Entstehen des Menschen zusammen mit der Wiedergeburt aus dem Geist, und die Menschheit wird zurückgeführt zum Ursprung der Schöpfung. - Wenn wir sie in der Geschichte und in der Art und Weise der Erlösung sehen, bedeutet die Unbefleckte Empfängnis Mariens nicht nur die erste erlöste menschliche Person, also die Morgenröte der Erlösung; sie bedeutet ferner, daß Maria, die wie alle Menschen der Erlösung bedurfte, kraft der Verdienste Christi, des einzigen und universalen Erlösers, von der Erbsünde selbst bewahrt blieb, und zwar unmittelbar vom Beginn ihres Lebens an, während für die ganze übrige Menschheit Erlösung darin besteht, von der bereits begangenen Sünde befreit zu werden. 251 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelus-Gebet sagte der Papst: Der Vorsitz der Italienischen Bischofskonferenz hat zum heutigen Fest der Unbefleckten Empfängnis eine Botschaft veröffentlicht, die dazu auffordert, über die Jungfrau Maria und den Advent im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr der Erlösung nachzudenken. Die Botschaft ist eine Einladung, Leiden und Hoffnungen der Welt von heute als die unsrigen zu betrachten und uns auf verantwortungsvolle Weise darum zu bemühen, daß die Zukunft uns nicht zum Verhängnis werde. „Fern von Gott - sagen die Bischöfe unter anderem - werden wir und unsere Gesellschaft es nicht weit bringen, sondern wir werden der Sklaverei unserer Idole und den listigen Angriffen des neuen Heidentums ausgeliefert sein und schließlich Angst vor unseren eigenen Schritten haben.“ Ich fordere euch herzlich auf, die Botschaft der italienischen Bischöfe anzunehmen und euch zu bemühen, sie ins Leben umzusetzen, nicht nur in diesen Wochen der Vorbereitung auf Weihnachten, sondern in einer ständigen inneren Haltung wie Maria und mit Maria, der Jungfrau des Advents. Einer Tradition entsprechend, die auf das Jahr 1856 zurückgeht, werde ich mich heute nachmittag auf den Spanischen Platz begeben, um Maria, die Immaculata, zu verehren. Anschließend werde ich in der Basilika Santa Maria Maggiore, wo Maria seit vielen Jahrhunderten mit besonderer Liebe als „Salus Populi Romani“ (Heil des Römischen Volkes) verehrt wird, die heilige Messe feiern. Ich werde in meinem Herzen auch alle Anliegen von euch, die ihr euch zum Angelus-Gebet eingefunden habt, mit mir nehmen. Maria - „ Meisterwerk Gottvaters“ Vor dem Angelus am 3. Adventssonntag, 11. Dezember An diesem Adventssonntag, der auf das Fest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria folgt und dem Fest der Geburt des Herrn und damit des Anfangs unserer Erlösung nur kurz vorausgeht, halten unsere Gedanken noch einmal inne bei der reichen Bedeutung jenes großen Heilsereignisses, das sich nicht allein auf die Person Mariens 252 AUDIENZEN UND ANGELUS bezieht, sondern auch auf den Anfang des neuen Gottesvolkes, das heißt der Kirche Christi, und einer neuen Menschheit, die mit ihr Familie Gottes wird. Denn wenn Maria in der Fülle ihres Geheimnisses und ihrer Sendung gesehen wird, bringt sie nicht nur ihre selbständige Personalität am Höhepunkt und Beginn der Kirche zum Ausdruck. Sie ist in der Dynamik der Heilsgeschichte so innig mit der Kirche verbunden, daß sie wie eine Inkarnation und ein lebendiges Bild der mystischen Person der Kirche selbst, der Braut Christi, erscheint. Vom ersten Augenblick ihres Daseins an bedeutet sie also den ganzen Reichtum der Gnade, die sie beseelt. In diesem Zusammenhang kommt uns wieder die wertvolle Aussage im 8. Kapitel von Lumen gentium in den Sinn, wo es in Erläuterung der Schau des hl. Lukas heißt: „Mit ihr als der erhabenen Tochter Sion ist schließlich nach langer Erwartung der Verheißung die Zeit erfüllt und die neue Heilsökonomie begonnen“ (Nr. 55). Das heißt, beim Einmünden des Alten in den Neuen Bund steht Maria am Ende der messianischen Kirche Israels und am Beginn der entstehenden Kirche Christi. Sie ist der letzte und vollkommene Ausdruck des alten aus Abraham geborenen Gottesvolkes und die erste hohe Verwirklichung des neuen aus Christus geborenen Volkes der Kinder Gottes. Mit Maria finden also die Verheißungen, die Vorbilder, die Prophezeiungen und die Spiritualität der alt-testamentlichen Kirche ihren Abschluß und beginnt die neutestamentliche Kirche ohne Makel und Runzel in der Gnadenfülle des Heiligen Geistes. Diese vom Zweiten Vatikanischen Konzil verkündete ekklesiologische Dimension ist der neue Kurs, der uns das Geheimnis Mariens in seiner ganzen Weite und Tiefe lesen und verstehen läßt. In dieser Dimension gewinnt auch die unbefleckte Empfängnis der Mutter Gottes und unserer Mutter eine reichere und kirchlichere Bedeutung. Mit ihr, dem Meisterwerk Gottvaters und reinstem Widerschein der Gnade des Heiligen Geistes, nimmt die Kirche ihren Anfang. In Maria sehen wir die unbefleckte Empfängnis der Kirche, die Tempel und Braut ohne Makel und Runzel ist. Die Kirche spürt und erkennt, daß sie in Maria ihre höchste Vollkommenheit, ohne jeden Schatten der Sünde, erreicht hat; und an ihr als Prototyp, Zeichen und Beistand inspiriert sich die noch auf der Erde pilgernde kirchliche Gemeinschaft, indem sie sich bemüht, in der Heiligkeit und im Kampf gegen die Sünde Fortschritte zu machen. 253 A UDIEN ZEN UND ANGEL US „Befreiendes Eingreifen Gottes“ Ansprache bei der Generalaudienz am 14. Dezember 1. „Deus in adiutorium meum intende . . . Gott, merk auf meine Hilfe. Herr, eile mir zu helfen!“ Die Adventszeit, die wir gerade erleben, läßt unwillkürlich diesen Ruf nach Heil auf unsere Lippen kommen, in dem die flehende Erwartung neu lebendig wird, die das ganze Alte Testament durchzieht und sich im Neuen Testament fortsetzt. Denn wir sind gerettet in der Hoffnung, sagt der hl. Paulus (vgl. Röm 8, 24), und „erwarten die erhoffte Gerechtigkeit kraft des Geistes und aufgrund des Glaubens“ (Gal 5, 5). Auch die Schlußworte der ganzen Heiligen Schrift, die wir gerade gehört haben, sind ein inständiger Ruf nach dem Kommen und der Offenbarung des Herrn Jesus, des Erlösers: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22, 20). Es ist die große Sehnsucht des Menschen. Die Heilige Schrift gibt auf jeder Seite davon Zeugnis und lädt ein zu entdecken, was die wahre Erlösung für den Menschen und wer sein Befreier und Erlöser ist. 2. Die erste und grundlegende Heilserfahrung hatte das Volk Gottes in der Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Die Bibel nennt das Erlösung, Loskauf, Befreiung, Heil. „Ich bin Jahwe. Ich führe euch aus dem Frondienst für die Ägypter heraus und rette euch aus der Sklaverei. Ich erlöse euch mit erhobenem Arm . . . Ich nehme euch als mein Volk an und werde euer Gott“ (Ex 6, 6-7). Das war die erste Form der Erlösung, des Heils, das das Gottesvolk als ganzes in seiner Geschichte erfahren hat. Und die Erinnerung an dieses Heil sollte zum unterscheidenden Merkmal des Glaubens Israels werden. Deshalb hat Israel das immer als Garantie für alle Heilsversprechungen angesehen, die Gott seinem Volk gemacht hat, und die erste christliche Gemeinde hat es sogleich mit der Person und dem Werk Christi in Zusammenhang gebracht. Er wird der große Befreier, der neue Moses sein, der die Kinder Gottes aus der Knechtschaft zur Freiheit, aus dem Tod in das Leben, aus der Sünde zur Versöhnung und zur Fülle des göttlichen Erbarmens führt. Das zweite große Heilsereignis in der Bibel ist die Befreiung der nach Babylon deportierten Israeliten: Diese beiden Ereignisse der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens und Babylons werden von den Propheten miteinander verknüpft und das eine mit dem anderen in Verbindung gebracht. Es handelt sich um eine zweite Befreiung oder, besser, um eine 254 AUDIENZEN UND ANGELUS Weiterführung und eine Erfüllung der ersten, und der Urheber ist wiederum Gott, der Heilige Israels, der Befreier und Erlöser seines Volkes. „Seht, Tage werden kommen — sagt Jeremias —, da erfülle ich das Heilswort, das ich über das Haus Israel und über das Haus Juda gesprochen habe“ (Jer 33, 14). Die Anrede Gottes als Retter und Erlöser ist in der Theologie der Propheten vorherrschend, für die die Erfahrung der bereits erfolgten Erlösung zum Unterpfand und zur sicheren Garantie der künftigen Rettung wird, die noch aussteht. Darum ruft Israel immer dann, wenn es sich in einer kritischen Situation befindet, zu Gott, um sein befreiendes Eingreifen zu erflehen. Israel weiß, daß es außer Gott keinen Retter gibt (Jes 43, 11; 47, 15; Jer 4, 4; Hos 13, 4); es ruft zu ihm mit dem großen Gebet Davids: „Ich will dich rühmen, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, meine Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Ps 18, 2-3). 3. In der prophetischen Verkündigung decken sich Ankündigung und Verheißung der Rettung und Erlösung immer klarer mit einer Person: Dieser Retter wird der neue David, der gute Hirt seines Volkes sein. Jeremias sagt von ihm: „Seht, es kommen Tage, da werde ich für David einen gerechten Sproß erwecken. Er wird als König herrschen und weise handeln, Recht und Gerechtigkeit wird er schaffen im Land. In seinen Tagen wird Juda gerettet werden, Israel kann in Sicherheit wohnen. Man wird ihm den Namen geben: ,Der Herr ist unsere Gerechtigkeit“1 {Jer 23, 5-6). In der Folge nimmt auch der Gedanke Gestalt an, daß die Erlösung vor allem ein geistliches Ereignis sein wird. Sie wird das Volk in seinem Innersten ergreifen, sie wird es läutern, sie wird seinen Geist und sein Herz verwandeln. „Ich gieße reines Wasser über euch, damit ihr rein werdet. Von allen euren Unreinheiten und all euren Götzen reinige ich euch. Ich schenke euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist . . .“ (Ez 36, 25-26). Die große messianische Hoffnung drückt sich dann in Begriffen wie Erlösung, Gerechtigkeit, Gabe des Geistes, Läuterung der Herzen, Befreiung des einzelnen und der Gemeinschaft von Sünden aus. 4. Im Laufe der Jahrhunderte ist also unter Gottes Führung die Erwartung des Volkes immer klarer in der Hoffnung auf die endgültige Befreiung zum Ausdruck gekommen, eine Hoffnung, die die tiefsten Wurzeln des 255 AUDIENZEN UND ANGELUS Menschen zu erreichen und ihm ein neues Leben zu schenken vermag, das „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ ist (Röm 14, 17). In den Psalmen und in allen Gebeten des Gottesvolkes wird der flehende Ruf um diese Rettung zur täglichen Erfahrung. Das Heil kommt von Gott; es ist nutzlos und schädlich, anmaßend, auf menschliche Kräfte zu vertrauen; der Herr selber ist das Heil; er wird sein Volk von allen Sünden befreien. Ein Psalm mit dem Titel „Wallfahrtslied“ faßt in einer schönen Synthese den Erlösungsglauben und die Erlösungshoffnung des Alten Testaments zusammen und ist geradezu zum Symbol der Erlösungserwartung geworden. Es ist der Psalm „De profundis“. In der Kirche ist es Brauch geworden, ihn für die Verstorbenen zu beten, doch sollten auch wir als Pilger auf dem Weg zur Begegnung mit Christus ihn uns in diesem Advent des Heiligen Jahres der Erlösung als Gebet zu eigen machen: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir: Herr, höre meine Stimme . . .“ (.Ps 130). Möge der Herr diese Stimme hören und jedem Herzen, das zu ihm ruft, den Trost der heilbringenden Allmacht seiner Liebe spüren lassen. Auf deutsch sagte der Papst: „Gott, merk auf meine Hilfe . . . Herr, eile mir zu helfen.“ Die Zeit des Advents läßt uns wieder neu nach Gott, unserem Erlöser, Ausschau halten. Die Erlösung ist die große Sehnsucht des Menschen. Schon das ganze Alte Testament ist von ihr erfüllt. Die erste grundlegende Erfahrung der Errettung durch Gott hat das Volk Israel in der Befreiung aus der Knechtschaft Ägyptens gemacht; eine zweite in der Befreiung aus der babylonischen Gefangenschaft. Es ist stets Gott, der seinem Volk zu Hilfe kommt, der es aus der Not erlöst. Diese Heilstaten Gottes werden für die Propheten zur zeichenhaften Ankündigung und Verheißung der endgültigen Befreiung durch Christus, den Moses des neuen Gottesvolkes. Christus befreit nicht nur aus äußerer Knechtschaft, sondern führt in die Freiheit der Kinder Gottes, vom Tod zum Leben, zum ewigen Leben in Gott, öffnen wir nun in der Vorbereitung auf das bevorstehende Weihnachtsfest weit unser Herz der erlösenden Allmacht seiner göttlichen Liebe. Einen herzlichen Willkommensgruß richte ich an alle hier anwesenden deutschsprachigen Pilger. Mit besten Wünschen erbitte ich euch und euren Lieben in der Heimat reiche weihnachtliche Gnaden. Besonders begrüße ich die Leitung und Vertreter der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar Österreichs. Ich beglückwünsche euch zu eurem 30jähri- 256 AUDIENZEN UND ANGELUS gen Jubiläum und danke euch für die große Hilfe für die Weltmission. Ich grüße alle Sternsinger Österreichs und erteile ihnen und allen Teilnehmern dieser Audienz von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Gott hält sein Versprechen Vor dem Angelus am 4. Adventssonntag, 18. Dezember 1. Welch besseres Vorbild für unsere Empfindungen könnten wir am letzten Adventssonntag, der uns unmittelbar auf das heilige Weihnachtsfest vorbereitet, finden als jenes: daß wir uns das zu eigen machen, was die Jungfrau Maria in ihrem Herzen empfand, als sie die Geburt des Herrn erwartete? (vgl. Aperite portas redemptori, Nr. 9). In der Erwartung dieser „mehr als alle anderen Frauen gesegneten“ {Lk 1, 42) Jungfrau ist die ganze Hoffnung zusammengefaßt, die das Gottesvolk in die von Gott an seine Väter ergangenen Verheißungen gesetzt hat, und wird durch das Volk Israel zur Hoffnung der ganzen Menschheit. Versuchen auch wir, uns dieses Glaubensbewußtsein Mariens anzueignen, das sich so tief in die Geschichte ihres Volkes und der ganzen Menschheit eingegliedert hatte, daß der eigentliche Sinn ihres Weges durch die Jahrhunderte und Jahrtausende als Weg verstanden wurde, der in der Hoffnung auf einer von Gott kommenden Erlösung gründete. 2. Maria ist selig zu preisen, weil sie an die Erfüllung der Wort des Herrn geglaubt hat (vgl. Lk 1, 45), wohl wissend, daß Gott sein Versprechen hält. Sie ist „selig“ und zugleich von Gott „gesegnet“. Die beiden Begriffe lassen sich nicht voneinander trennen, der erste folgt aus dem zweiten. Der von Gott ausgesprochene Segen ist immer Quelle des Lebens und damit der Seligkeit. Für die Schrift besteht die Seligkeit im Hervorbringen und Weitergeben des leiblichen oder geistigen Lebens. Darum ist „selig“, wer von Gott „gesegnet“ ist. Die Erwartung Mariens ist die Erwartung, Leben hervorzubringen, aber ein Leben, durch das sie selbst zugleich erlöst und selig gemacht wird, weil es Gottes eingeborener Sohn ist. Maria ist als erste und mehr als jeder andere Glaubende Trägerin des 257 AUDIENZEN UND ANGELUS Segens Gottes, der sich in Christus erfüllt hat; und zuerst und mehr als jeder andere Glaubende ist sie in Jesus Christus gesegnet. Auf sie treffen in bevorzugter und einzigartiger Weise jene Worte aus dem Epheser-brief zu, wo gesagt wird, daß Gott „uns durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel mit allem Segen seines Geistes gesegnet hat“ (Eph 1, 3). Indem wir uns der Erwartung Mariens anschließen, wollen auch wir teilhaben an diesem göttlichen Segen, der vom Vater ausgeht und uns durch Jesus, den Maria uns geschenkt hat, vermittelt wird. Im „Buch des Trostes“ gelesen Ansprache bei der Generalaudienz am 21. Dezember 1. Der Bibeltext, den wir gehört haben, liebe Brüder und Schwestern, ist uns wohl bekannt. Er ist dem Buch Jesaja entnommen. Dieser große Prophet, der uns durch die ganze Adventszeit geführt hat, ist wegen der lichten Klarheit, mit der er Gestalt und Werk des Erlösers „von ferne gegrüßt hat“ (vgl. Hebr 11, 13), der fünfte Evangelist genannt worden. Eine Sammlung von Weissagungen und Prophezeiungen des Jesaja wird gemeinhin als „Buch des Emmanuel“ (Kap. 6-12) bezeichnet, weil dort die Gestalt eines wunderbaren Kindes hervortritt, mit dem geheimnisvollen Namen „Emmanuel“ - „Gott mit uns“. Dieses Kind wird vom Propheten Jesaja dem König Achaz in einem für das Herrscherhaus und das Volk äußerst gefährlichen Augenblick als Zeichen verkündet. König und Nation laufen Gefahr, von den Feinden überwältigt zu werden. Der König ist mißtrauisch und will sich nicht an Gott wenden; er verfolgt seine eigenen, menschlichen Pläne: „Ich will um nichts bitten und den Herrn nicht auf die Probe stellen.“ Da verkündet Gott dem Achaz das Strafgericht, bekräftigt aber gleichzeitig seine Treue zu den Verheißungen für die Nachkommen Davids: „Darum wird euch der Herr von sich aus ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Emmanuel geben“ (Jes 7, 12-14). Es ist ein Zeichen des Heils und ein Unterpfand der Befreiung für die Glaubenden; im Buch Jesaja heißt es nämlich: „Das Volk, das im Dunkeln lebt, sieht ein helles Licht; über denen, die im Land der Finsternis 258 AUDIENZEN UND ANGELUS wohnen, strahlt ein Licht auf. Du erregst lauten Jubel und schenkst große Freude“ (Jes 9, 1-2). „Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seinen Schultern; man nennt ihn: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens“ (Jes 9, 5-7). Und die Prophezeiung steigert sich noch: „Doch aus dem Baumstumpf Isais wächst ein Reis hervor, ein junger Trieb aus seinen Wurzeln bringt Frucht. Der Geist des Herrn läßt sich nieder auf ihm: der Geist der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Gottesfurcht“ (Jes 11,1-2). Es geht um den Geist des Messias, der sich aus ihm wie aus einer unerschöpflichen Quelle auf alle ergießt, die an ihn glauben (vgl. Joh 7, 38). Dank dieses Geistes wird die Erkenntnis des Herrn die ganze Erde erfüllen, „so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist“ (Jes 11, 9). Deswegen kann der Prophet singen: „Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils“ (Jes 12, 3; Joh 4, 13-14). 2. Eine weitere Sammlung im Buch Jesaja (Deuterojesaja) enthält Weissagungen für die Verbannten in Babylon und verkündet ihnen die Heimkehr durch das Wirken der Macht Gottes, des einzigen Herrn der Geschichte. Er ist der Schöpfer, und ihm sind alle belebten und unbelebten Wesen unterworfen. Hier haben wir das sogenannte „Buch des Trostes“ (Kap. 40-55) vor uns, das zum Buch des Emmanuel deutliche Verbindungen aufweist. Wenn dort die Gestalt des Emmanuel im Vordergrund stand, so tritt hier die geheimnisvolle Gestalt des „Gottesknechtes“ hervor. In vier aufeinanderfolgenden Liedern wird hier fortschreitend das geheimnisvolle Antlitz dieses „Heilands“ geschildert, den Gott erweckt, um den Bund wieder zu errichten und mit friedlichen Mitteln die Gerechtigkeit heraufzuführen. Seine Beschreibung ist uns vertraut: „Seht, das ist mein Knecht. . . das ist mein Erwählter . . . Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. Er schreit nicht und lärmt nicht... Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat“ (Jes 42, 1-4). Im zweiten Lied (Jes 49, 1-6) überschreitet die Sendung des Knechtes bereits die Grenzen seines Volkes; er verkündet das Heil für alle Völker „bis an das Ende der Erde“. Im dritten Lied (Jes 50, 4-9) überfällt ihn eine steigende Welle der Feindseligkeit, während er folgsam die von Gott empfangene Sendung weiterführt. Im vierten Lied (Jes 52, 13—53, 12) endet das Ringen scheinbar mit einem Sieg der Gegner und Feinde des 259 AUDIENZEN UND ANGELUS Knechtes; eine Niederlage, die die Zeitgenossen erschüttert und enttäuscht, so daß sie meinten, „er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt“ (Jes 53, 4). In Wirklichkeit hat er, vorbereitet durch seine Geduld und Demut, sein Leben für die anderen hingegeben, er hat sich als Sühnopfer dargebracht für die Schuld der Menschen, seiner Brüder, und hat so Gottes Plan, der Welt das Heil zu schenken, verwirklicht. „Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen . . . durch seine Wunden sind wir geheilt. . . der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“ (Jes 53, 5-6). Darum spricht der Herr: „Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich“ (Jes 53, 11). .3. Nach dem Glauben der Kirche sind die leuchtende Gestalt des Emmanuel und die leidende, aber siegreiche des Gottesknechtes, zwei sich ergänzende Darstellungen derselben Person und finden ihre Erfüllung in Jesus, dessen Antlitz vor seinem Eintritt in die Geschichte prophetisch vorgezeichnet worden ist. Wir bereiten uns in diesen Tagen des Heiligen Jahres der Erlösung mit besonderem Eifer darauf vor, ihn in unser Leben aufzunehmen. Wir sollen uns nicht fürchten, ihm weit die Tore zu öffnen. Er hat unser schwaches Fleisch angenommen, „um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (Tit2, 14). „Er, der reich war“ - so sagt der hl. Paulus an anderer Stelle -, „wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen“ (2 Kor 8, 9). Es ist jetzt an uns, heranzutreten, um aus den Quellen des Heils zu schöpfen (vgl. Jes 12, 3). Am Fest des hl. Stephanus Vor dem Angelus am 26. Dezember 1. Die innige Freude des soeben gefeierten Weihnachtsfestes umfaßt mit seiner mystischen Atmosphäre auch den heutigen, darauffolgenden Tag, an dem die Kirche des ersten christlichen Märtyrers gedenkt, eines Mannes - wie die Schrift sagt - „voll Geist und Weisheit“ (Apg 6, 3). 260 A UDIENZEN UND ANGEL US Wie uns der heilige Gregor von Nyssa berichtet (vgl. PG XLVI, col. 790), wollte man in den ersten christlichen Jahrhunderten im Verlauf des Weihnachtsfestes die großen Heiligen feiern, die die ersten Zeugen des menschgewordenen Wortes gewesen waren. Der heilige Stephanus ist einer von ihnen. Er setzt ein herrliches Zeichen: den Anfang der Antwort der totalen Liebe des Menschen auf die Liebe Gottes, der zu des Menschen Heil Mensch wurde. In der Folge haben die Menschen, leider, nicht immer mit der gleichen Liebe geantwortet. Aber die Fackel der Heiligkeit und des Martyriums war nunmehr im Herzen der Geschichte entzündet und sollte niemals verlöschen. Die Menschen, vor allem die Armen vor Gott und die reinen Herzens, sollten nie mehr das Zeugnis eines gekreuzigten Gottes und die glühende Hingabe der ersten Märtyrer vergessen. 2. Deshalb blieb der heilige Stephanus allen christlichen Jahrhunderten des Westens und des Ostens teuer aufgrund seiner engen zeitlichen und geistlichen Verbindung zu den Quellen des Heils, zu den Wurzeln unseres Christseins, die über die seüge Jungfrau, die Apostel und die Märtyrer bis zu Christus reichen. Die Freude des heiligen Weihnachtsfestes ist nicht dazu bestimmt, eingekapselt zu bleiben: im Gegenteil, sie breitet sich in der geschichtlichen und liturgischen, vor allem aber in der geistlichen Dimension aus. Diese Freude ist geschaffen, sich an den Heiligenfesten und an allen freudigen Ereignissen im Verlauf unseres Glaubensweges zu verstärken. Man kann die Bedeutung des Weihnachtsfestes nicht erfassen, wenn man nicht das Licht und die Gnade verspürt, die es auf den liturgischen Kreis ausstrahlt, auf die Geschichte der Kirche, auf das Leben jedes einzelnen von uns. Der heutige Gedenktag des hl. Stephanus lädt uns deshalb ein, die Bedeutung des Weihnachtsfestes in diesem expansiven Sinn zu erfassen, in seiner Ausstrahlung der Gnade, der Güte, der Tugend, der Heiligkeit, der Reinheit auf das Geschick jedes einzelnen, auf unsere Freude und auch -vor allem - auf unsere Leiden. 261 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Erlöser, Gott und Mensch zugleich Ansprache bei der Genefalaudienz am 28. Dezember 1. Das Geheimnis der Weihnacht hat in unseren Ohren den Gesang widerklingen lassen, mit dem der Himmel die Erde am großen Ereignis der Menschwerdung beteiligen will: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2, 14). Der Erde wird der Friede verkündigt, aber kein Friede, den die Menschen mit ihren eigenen Kräften erringen könnten. Er kommt von oben, als wunderbares Geschenk Gottes an die Menschheit. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir zwar alle für die Errichtung des Friedens in der Welt wirken müssen, doch vor allem anderen müssen wir uns dem göttlichen Geschenk des Friedens öffnen und unser ganzes Vertrauen auf den Herrn setzen. Nach dem Weihnachtslied der Engel ist der der Erde verheißene Frieden an die Liebe - gebunden, die Gott zu den Menschen hegt. Die Menschen werden als „Menschen seiner Gnade“ bezeichnet, weil ihnen nunmehr Gottes Huld gehört. Die Geburt Jesu ist das unabweisbare und endgültige Zeugnis dieser Huld, die Gott der Menschheit nie wieder entziehen wird. Diese Geburt macht den göttlichen Versöhnungswillen offenbar: Gott will die sündige Welt mit sich versöhnen, ihre Sünden verzeihen und tilgen. Schon bei der Ankündigung der Geburt hatte der Engel diesen Versöhnungswillen ausgesprochen, indem er den Namen angab, den das Kind tragen sollte: Jesus, d. h. „Gott rettet“. Der Engel sagt ergänzend dazu: „Er wird sein Volk von seinen Sünden erlösen“ (Mt 1, 21). Der Name offenbart Bestimmung und Sendung des Kindes zugleich mit Seiner Persönlichkeit: Es ist Gott, der rettet, der die Menschheit aus der Knechtschaft der Sünde befreit und damit das freundschaftliche Verhältnis zwischen dem Menschen und Gott wiederherstellt. 2. Das Ereignis, das der Menschheit einen göttlichen Heiland schenkt, übertrifft bei weitem die Erwartungen des jüdischen Volkes: Dieses harrte auf das Heil und erwartete den Messias als einen idealen König der Zukunft, der das Reich Gottes auf Erden errichten sollte. Wie hoch also auch die jüdische Hoffnung diesen Messias erhob, er war nur ein Mensch. Die große Neuheit bei der Ankunft des Heilandes besteht in der Tatsache, daß er Gott ist und Mensch zugleich. Was das Judentum weder ersinnen noch erhoffen konnte, nämlich einen menschgewordenen Sohn Gottes, 262 AUDIENZEN UND ANGELUS wird im Geheimnis der Menschwerdung Wirklichkeit. Die Erfüllung ist weit wunderbarer als die Verheißung. Hier liegt der Grund, warum wir die Größe Jesu nicht nur mit den Prophezeiungen des Alten Testamentes messen dürfen. Wenn er diese Weissagungen erfüllt, so auf einer; Ebene, die sie übersteigt. Alle Versuche, Jesus in die Grenzen einer bloß menschlichen Persönlichkeit einzuschließen, verkennen das Wesentliche an der Offenbarung des Neuen Bundes: die göttliche Person des Sohnes, der Mensch geworden ist, oder, mit den Worten des heiligen Johannes, die Person des Wortes, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat (1, 14). Hier zeigt sich die erhabene Großmut des göttlichen Heilsplanes. Der Vater hat seinen eigenen Sohn gesandt, der Gott ist wie er. Er hat sich nicht damit begnügt, Diener zu schicken, Menschen, die in seinem Namen sprechen würden wie die Propheten. Er wollte der Menschheit das Höchstmaß an Liebe bezeugen, und er hat sie überrascht mit dem Geschenk eines Erlösers, der die göttliche Allmacht besaß. In diesem Erlöser, der Gott und Mensch zugleich ist, können wir die Absicht des Versöhnungswerkes erkennen. Der Vater will die Menschheit nicht nür reinigen und sie von der Sünde befreien; er will die innigste Vereinigung zwischen Gottheit und Menschheit verwirklichen. In der einzigen göttlichen Person Jesu sind Gottheit und Menschheit in vollkommenster Weise vereint. Er, der vollkommen Gott ist, ist zugleich vollkommen Mensch. Er hat in sich selber die Vereinigung von Gottheit und Menschheit vollzogen, um allen Menschen daran Anteil geben zu können. Als vollkommener Mensch will er, der Gott ist, seinen Menschenbrüdern göttliches Leben mitteilen, durch das sie in vollkommener Weise Menschen sein können, indem sie in sich die göttliche Vollkommenheit widerspiegeln. 3. Ein Aspekt der Versöhnüng soll hier noch hervorgehoben werden. Während der sündige Mensch für seine Zukunft die Auswirkungen seiner Schuld zu fürchten hatte und nur mit einem verminderten menschlichen Leben rechnen konnte, erhält er nun vom Heiland Christus die Möglichkeit zu voller menschlicher Entfaltung. Er ist nicht nur aus der Knechtschaft befreit, in der ihn seine Schuld gefangen hielt, er kann sogar eine höhere menschliche Vollkommenheit erreichen als die, die er vor der Sünde besaß. Christus bietet ihm ein reicheres und erhabeneres menschliches Leben an. Weil in Christas die Gottheit keineswegs die Menschheit eingeengt, sondern sie vielmehr aufs höchste entfaltet hat, teilt Christus 263 AUDIENZEN UND ANGELUS mit seinem göttlichen Leben den Menschen zugleich ein intensiveres und vollständigeres menschliches Leben mit. Daß Jesus der menschgewordene göttliche Erlöser ist, bedeutet also, daß nunmehr im Menschen nichts verloren ist. Alles, was durch die Sünde verwundet und befleckt war, kann wieder aufleben und blühen. Damit ist erklärt, wie die christliche Gnade die volle Ausübung sämtlicher menschlichen Fähigkeiten begünstigt, wie sie zugleich jede Persönlichkeit bejaht, die der Frau ebenso wie die des Mannes. Indem sie den Menschen mit Gott versöhnt, zielt die christliche Religion zugleich auf die Förderung all dessen, was menschlich ist. Wir können also einstimmen in den Gesang, der über der Grotte von Betlehem erklang, und mit den Engeln bekennen: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden bei den Menschen seiner Gnade.“ Im Anschluß an seine eigentliche Audienzansprache fügte der Papst noch folgende Sätze hinzu: Ich lade euch ein, für jene zu beten, die in verschiedenen Teilen der Welt sich nicht in Frieden dieser Weihnachtszeit haben erfreuen können. Im Libanon, in der Stadt Beirut sind die Kämpfe am Heiligabend selbst erneut aufgeflammt und haben, unterbrochen von kurzen, sogleich wieder verletzten Waffenstillständen, weiterhin täglich mehrere Dutzend Tote gefordert, besonders unter der Zivilbevölkerung. In Gedanken wenden wir uns auch den zahlreichen Opfern anderer Auseinandersetzungen zu, wie des Krieges zwischen Irak und Iran, von dem wenig gesprochen wird, während man doch leider alle Tage blutig kämpft, und zu anderen Situationen, für die man keine gerechte Lösung gefunden hat, wie in Afghanistan, wo ein ganzes Volk seit vier Jahren leidet. In anderen Gebieten wie in El Salvador zählt man für das Jahr 1983 mehr als 6000 Tote als Opfer von Gewalttaten. Anderswo läßt sich die Zahl nicht einmal errechnen, weil man die Personen völlig versteckt zum Verschwinden gebracht hat. Hinzu kommen die Opfer von Menschenraub, die Gefangenen, die Verbannten, die Flüchtlinge. Es ist eine schmerzvolle Reihe, derer wir gegen Jahresschluß gedenken müssen; wir beten zum Herrn für alle Familien, die trauern und bitten, daß das Bewußtsein zunehme und sich verstärke, daß jeder Mensch in seiner Würde als Gotteskind zu achten ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen seiner 264 AUDIENZEN UND ANGELUS Gnade“, den Menschen, die er liebt. Und Gottes Liebe geht so weit, daß er seinen göttlichen Sohn, sein ewiges Wort, Mensch werden läßt, um unser gemeinsames Menschsein zu heilen und zu erlösen. Mehr noch: Weil in Jesus Christus die Gottes- und die Menschennatur eine einmalige personale Einheit bilden, sollen von nun an alle Menschen dazu berufen sein, als Brüder und Schwestern Jesu mit demselben göttlichen Leben beschenkt zu werden. Im Heiligen Geist können sie Kinder Gottes werden. Ihr Menschsein wird dabei nicht nur von den beengenden und entstellenden Folgen der Sünde befreit, sondern darf sich auch ganz entfalten und so seine volle Selbstverwirklichung finden. Wer sich auf Gott einläßt und seinem heilenden Wirken vertraut, findet für sein Leben das helle Licht der Wahrheit und die Weite echter Freiheit. Zu Recht singen wir also mit den Engeln: „Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Frieden den Menschen seiner Gnade.“ Diese Weihnachtsgnade wünsche ich euch allen von Herzen, euch und euren Familien, dazu Gottes reichen Segen und treuen Schutz für das neue Jahr. 265 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen Apostolische Reise nach Mittelamerika (2. bis 10. März) REISEN Als „Pilger unter Pilgern“ Ansprache bei der Zwischenlandung in Lissabon am 2. März Sehr verehrter Herr Staatspräsident! Herr Kardinalpatriarch von Lissabon und ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Meine Herren Minister und Autoritäten! Meine Damen und Herren, liebe Portugiesen! 1. Es ist für mich ein Grund zu großer Freude, daß ich erneut, wenn auch nur für wenige Augenblicke, meinen Fuß auf den Boden dieses Landes Mariens setzen darf. Eine Welt froher Gefühle und Erinnerungen erfüllt mein Herz, während ich euch - wie vor einigen Monaten - herzlich begrüße: Gelobt sei Jesus Christus! Voll Dankbarkeit an Gott für diese Begegnung - für mich eine Begegnung mit Freunden - möchte ich für diesen überaus herzlichen Empfang danken: Ich danke Ihrer Exzellenz, dem Herrn Präsidenten der Republik, für seine ehrenvolle persönliche Anwesenheit und begrüße in ihm das ganze geliebte portugiesische Volk; ich danke dem Kardinalpatriarchen, dem Bischof dieser teuren Diözese Lissabon, und meinen anwesenden Brüdern im Bischofsamt, in denen ich die Kirche Portugals begrüße; ich danke den Herren Ministem der Regierung und den übrigen Autoritäten; und ich danke allen, die ich nicht namentlich nennen kann, die sich aber eingeschlossen fühlen sollen in die aufrichtige Achtung und Wertschätzung meines Grußes und meines Dankes an alle. Lissabon! Portugal! Land Mariens! Diese Erinnerungen wecken in mir ein gewisses Heimweh nach den anstrengenden, aber trostreichen Tagen meines Pastoralbesuches bei der Kirche dieses Landes, nach meiner Begegnung mit Portugal und, vielleicht genauer, mit dem Menschen, meinem Bruder, der hier lebt, der mehr ist als ein anonymes Element in der Welt der Menschen. Uber die jugendliche Begeisterung, die Herzlichkeit der Erwachsenen und die allgemeine Wertschätzung und Achtung hinaus, mit der ich damals empfangen wurde, habe ich versucht, diese Brüderlichkeit im Gesicht aller Portugiesen, in der gemeinsamen „Ähnlichkeit“ mit dem Schöpfer von uns allen und in der gemeinsamen Berufung zum Heil zu sehen; und ich wollte damals vor allem folgendes sagen: Wir sind alle Brüder; wir müssen einander brüderlich lieben, indem wir in jedem Menschen, besonders wenn er leidet oder im innersten Kern seiner 270 REISEN Existenz und seiner Würde bedroht ist, unseren „Nächsten“ sehen; dazu spornt uns die Liebe Gottes an, der sich uns in Jesus Christus als Vater „voll Erbarmen“ (vgl. Eph 2, 4) geoffenbart hat. 2. Als erster Verantwortlicher für die Botschaft Christi, die ja vor allem eine Botschaft des Friedens ist, bin ich zu euch gekommen in der Haltung des Dialogs, in der Achtung vor allem, was menschlich ist. Aber von meiner unvergeßlichen Pilgerreise, die im wesentlichen pastoralen und religiösen und marianischen Charakter hatte, bewahre ich am lebendigsten die unauslöschliche Erinnerung an den Aufenthalt in Fatima. Bei dieser kurzen Zwischenlandung im Land Mariens möchte ich meinen Appell wiederholen, daß die Botschaft, die uns aus Fatima erreicht, gehört werden möge; ein Appell, der mit dem des bevorstehenden Jubiläums der Erlösung zusammenfällt. Indem ich der Muttergottes dieser Botschaft zustimme, wiederhole ich in dem Aufruf, daß die Erlösung immer mächtiger ist als die Sünde des Menschen und die Sünde der Welt, daß die Erlösung jede Art von Übel unendlich übersteigt, das sich im Menschen und in der Welt befindet. Als „Pilger unter Pilgern“ hatte ich damals Gelegenheit zu sagen, daß ich mit dem Namen der Muttergottes auf den Lippen und mit dem Lied vom Erbarmen Gottes im Herzen kam. Nun, daß ich erneut den Pilgermantel trage, sind es nahezu gleiche Gedanken, die mich leiten; und der Mund geht mir über von der Fülle, die ich im Herzen trage; er spricht von der Liebe Gottes, der voll Erbarmen ist; der Macht der Erlösung Christi; der Muttergottes, Mutter unseres Vertrauens; und der Liebe und dem Frieden unter den Menschen. 3. Die Pastoraireise, die ich jetzt antrete, ist ein im Gebet seit langem gehegter Wunsch nach einer friedlichen, menschlichen und brüderlichen Welt, das heißt einer Welt, die den Plänen des Schöpfergottes und Erlösers besser entspricht; sie führt mich zu den Menschen, meinen Brüdern, in Länder, die meinem Herzen, das voller Hoffnung ist, sehr teuer sind; es ist voller Hoffnung, daß die Liebe, die im Vater ist, durch das Wirken des Sohnes und des Heiligen Geistes in unserer heutigen Welt ihre Gegenwart kundtun möge,, die stärker ist als das Böse, stärker als die Sünde und stärker als der Tod. Ich wünsche sehnlichst, daß der Horizont dieser Hoffnung, die das Gebet der gesamten Kirchen für Lateinamerikä beseelt, wolkenlos ist. Aber auch wenn mein Herz mit allen Herzen leidet, die in allen Teilen der Welt vom Übel der Gewalt verletzt werden, so überwiegt in ihm doch das Vertrauen in Gott, der „voll Erbarmen ist“, und die Liebe zu dem von 271 REISEN Christus erlösten Menschen. Es ist also eine Reise der christlichen Liebe, die ich mache; ihr einziges Ziel ist es, Widerschein und Botschaft der erbarmenden Liebe Gottes zu sein. 4. Mit der größten Achtung und Liebe für jeden Sohn und jede Tochter dieser geliebten Nation wiederhole ich die Aufforderung, die brüderliche Liebe im menschlichen Zusammenleben zu pflegen. Mit besonderer Zuneigung fordere ich die Kirche Portugals auf, in Verbundenheit mit dem Papst, insbesondere während dieser Pastoraireise, ständig Gebete zu Gott emporzusenden für den Sieg der Liebe, der Eintracht und des Friedens: Frieden in den Herzen, Frieden zwischen den Menschen und Frieden zwischen den Völkern. Ich vertraue auf das Gebet aller, aber einen besonders liebevollen Gedanken richte ich an die alten Menschen, an die Leidenden und die Kinder. Der Gottesmutter und dem Gebet der unschuldigen Kinder vertraue ich das gute Gehngen dieser Pilgerreise an. Mit herzlicher Freundschaft erneuere ich die aufrichtigen Wünsche für das wachsende Wohlergehen des geliebten portugiesischen Volkes: ein Wohlergehen, das frei ist von allen Schatten der Lieblosigkeit oder Gewalt; und immer erleuchtet von dem Sinn für das wahrhaft gemeinsame Gute, von der Eintracht, der Gerechtigkeit und dem Frieden, unter Achtung des Lebens, der menschlichen Würde und Freiheit, im Dienst der großen Sache des höchsten Gutes der ganzen Menschheitsfamilie. Und diese meine Wünsche sind Gebetsanliegen, während ich durch die Fürsprache der Muttergottes von Fatima für alle Portugiesen, für jede Familie und für die ganze Nation Gnade und Segen des barmherzigen Gottes erflehe. Länder, die nach Frieden schreien Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen von San Jose (Costa Rica) am 2. März Herr Präsident, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Gelobt sei Jesus Christus! Ich danke Gott, der mich wieder auf diesen amerikanischen Kontinent führt, nach meinen vorausgegangenen Besuchen in der Dominikanischen Republik, in Mexiko, in den Vereinigten Staaten, in Brasilien und in Argentinien, an die ich mich so gern erinnere. 272 REISEN Diesmal richten sich meine Schritte als apostolischer Pilger auf die geographische Region Zentralamerika. An sie habe ich seit längerer Zeit oft gedacht, und sie war oft Gegenstand meiner Erinnerungen und Sorgen. In der ersten Etappe werde ich von dem geliebten Land Costa Rica empfangen, dessen herzliche Gastfreundschaft ich schon bei meiner Ankunft auf dem Flughafen der Landeshauptstadt Juan Santa Maria erfahren habe. Deshalb ist meine Seele von tiefer Dankbarkeit erfüllt. Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihren wohlwollenden Empfang, für die edlen Worte, die Sie gerade vorgetragen haben, für die Einladung zum Besuch dieses Landes, die Sie mir mit dem Episkopat von Costa Rica übermittelt haben, und für alle Vorbereitungen zu diesem Besuch. Mein dankbarer Gruß richtet sich auch an die Regierungsmitglieder und die übrigen Autoritäten oder Personen, die eifrig mitgearbeitet haben. Mein herzlicher und brüderlicher Gruß wendet sich sodann an meine Brüder, die Bischöfe des SEDAC - an erster Stelle an seinen Präsidenten, Msgr. Roman Arrieta, den Oberhirten dieser Erzdiözese San Jose -, die gekommen sind, mich zu empfangen, und mit denen ich schon an diesem Abend Zusammentreffen werde; in denselben Gruß schließe ich alle Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen und Laien im kirchlichen Dienst ein, sowie alle Männer und Frauen, Kinder, Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen von Costa Rica, einem friedliebenden Land mit reicher Geschichte. 2. Mein Blick aber begrenzt sich nicht auf diese Nation. Dieser apostolische Besuch hat in seinem Ablauf globalen Charakter. Deshalb richten sich vom ersten Augenblick an, als ich den Boden Zentralamerikas betreten habe, meine Gedanken und Erinnerungen voller Zuneigung an alle Personen und Länder, die ich in den nächsten Tagen besuchen werde. Von Nicaragua nach Panama, nach El Salvador, von Guatemala nach Honduras, nach Belize und Haiti. Mit dem Gedanken an alle habe ich diese Reise unternommen, motiviert von der Pflicht, die ich spürte, das Licht des Glaubens in den Ländern zu beleben, die schon an Jesus Christus glauben, so daß der Glaube jeden erleuchte und anrege, sein individuelles und gemeinschaftliches Leben immer wirkungsvoller zu gestalten. 3. Dieser apostolische Aufenthalt des Nachfolgers Petrus bei euch hat aber auch andere Ziele. In der Tat hallt in meinem Geist der herzzerreißende, dringende Schrei wider, der aus diesen Ländern kommt und nach 273 REISEN Frieden, Beendigung des Krieges und der mörderischen Gewalt ruft; der um Versöhnung fleht, nach Beseitigung aller Trennungen und des Hasses; der auf eine lange und bis heute umsonst erhoffte Gerechtigkeit wartet; der nach einer höheren Würde ruft, ohne auf die christlich religiösen Werte zu verzichten. Mit meinem Besuch wollte ich diesem Schrei des Schmerzes eine Stimme geben; eine Stimme, die erstickt in dem schon gewohnten Bild der Tränen oder des Todes von Kindern, der Trostlosigkeit des Greises, der Mutter, die ihre Söhne verliert, des langen Zuges von Waisen, von so vielen Tausenden von Flüchtlingen, Heimatvertriebenen oder Zwangsumsiedlern auf der Suche nach einem Zuhause, der Armen ohne Arbeit und ohne Hoffnung. Ich komme, um an dem Schmerz der Völker teilzunehmen, um ihn aus der Nähe verstehen zu lernen, um ein Wort des Mutes und der Hoffnung zu hinterlassen, gestützt auf einen notwendigen Wechsel der Verhaltensweise. 4. Dieser Wechsel ist möglich, wenn wir die Stimme Christi annehmen, die uns drängt, jeden Menschen zu achten und als unseren Bruder zu lieben; wenn wir zu verzichten wissen auf alle Praktiken des blinden Egoismus; wenn wir lernen, solidarischer zu werden; wenn die Normen der von der Kirche proklamierten sozialen Gerechtigkeit rigoros angewandt werden; wenn in den Verantwortlichen der Völker sich der wachsende Sinn für eine ausgleichende Gerechtigkeit der Lasten und Pflichten in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft freie Bahn schafft und wenn jedes Volk seine Probleme in einem Klima ehrlichen Dialogs ohne fremde Einmischung in Angriff nehmen kann. Ja, diese Nationen sind imstande, das Ziel einer höheren Würdigung ihrer Söhne allmählich zu erreichen. Danach muß man streben mit noch festerem Willen und durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Bevölkerungsschichten. Ohne nach Gewaltmethoden zu greifen und nach Systemen des Kollektivismus, die nicht weniger zur Unterdrückung der Menschenwürde führen können als ein rein ökonomisch orientierter Kapitalismus. Es ist der Weg des Menschen, der Humanismus, den die Kirche in ihrer Soziallehre proklamiert, der Weg, der die Überwindung von bedauerlichen Situationen ermöglichen wird, die auf geeignete Reformen warten. 5. Mein Wort ist ein Wort des Friedens, der Eintracht und der Hoffnung. Ich'komme, um euch alle mit Liebe anzusprechen und euch als Söhne 274 REISEN desselben Vaters zu Brüderlichkeit und Verständigung zu ermutigen. Gerade diese Realität bewegt mich, die Gewissen zu wecken, so daß aus einer adäquaten Antwort die Hoffnung in den Ländern, die sie so dringend brauchen, wachse. Ich ermutige jetzt schon alle diejenigen, die sich darum bemühen, das zu erreichen, von der öffentlichen Verantwortung aus, von jeder-Position in der Kirche oder in der Gesellschaft aus. In diesem Sinn spreche ich auch den verehrten Mitgliedern des Diplomatischen Korps, die ich in den kommenden Tagen treffen werde, sowie den Verantwortlichen für die Medien, die so viel mit ihrer Arbeit beitragen können, meine Hochschätzung aus. Möge Gott diese Vorsätze, die ich der Mutter Christi anvertraue, fruchtbar machen, und möge sie uns mit ihrer mütterlichen Hilfe in diesen Tagen zur Seite stehen. Mit dem Vertrauen auf diesen Schutz von oben segne ich herzlich alle Söhne und Töchter Costa Ricas und der anderen Nationen, die ich während meiner apostolischen Reise besuchen werde. Die Menschen und Völker müssen aktive Gestalter ihrer Zukunft sein Ansprache an das Sekretariat der Bischöfe von Mittelamerika und Panama (SEDAC) in San Jose (Costa Rica) am 2. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. „Ubi caritas et amor Deus ibi est“, „wo die Güte und die Liebe, da ist Gott“. Es ist der Herr, der uns heute, zu Beginn meines Pastoralbesuches in Mittelamerika, Belize und Haiti in seiner Liebe vereint und uns wie in der Gemeinschaft der Urkirche „einstimmig“ macht (vgl. Apg 1, 14). Es soll ein Zeichen besonderen Wohlwollens für euch und der Gemeinschaft mit euch, den Hirten der Herde Christi, sein, daß ich diese Pilgerreise der Liebe, der Versöhnung und des Friedens, die ich, vom Heiligen Geist und der „Sorge für alle Gemeinden“ (vgl. 2 Kor 11, 28) bewogen, unternommen habe, mit dieser Begegnung beginne. Es ist eine brüderliche Begegnung des Nachfolgers Petri mit den Nachfolgern der Apostel und die Begegnung aller mit dem Hirten aller Hirten, Jesus Christus. 275 REISEN Ich begrüße euch mit großer Herzlichkeit und in euch zugleich voll Wohlwollen alle Mitglieder eurer jeweüigen Diözesen, jeden einzelnen, alle Menschen der Nationen und Völker Mittelamerikas, die aus so vielen Gründen untereinander Brüder sind. Im Verlauf dieser Tage möchte ich wie der hl. Paulus Christus als „den Gekreuzigten verkündigen“, der „gestorben ist“ und „auferweckt wurde“ (vgl. 1 Kor 1, 23; 15, 3 f.), denn in ihm ist unsere Einheit begründet und unsere Hoffnung verankert, in ihm haben wir das Leben in Fülle. Das lebendige Wort des Evangeliums soll ein weiteres Mal im guten Erdreich eurer Völker wie ein fruchtbarer Same wirken. Im Verlauf meines Besuches in den verschiedenen Ländern möchte ich einige Themen behandeln, die ich im gegenwärtigen geschichtlichen Augenblick eurer geliebten Ortskirchen für sehr wichtig halte. Ich möchte mit dem Herzen eines Vaters und der Zuneigung eines Bruders zum ganzen Volk Gottes sprechen. Und weil der Besuch aufgrund der äußeren Umstände einen einheitlichen Charakter haben soll, so möge das, was ich in einem bestimmten Land oder an einem Ort für eine bestimmte Gruppe der Kirche sage, für die gleiche Gruppe in ganz Mittelamerika, ja in ganz Lateinamerika gelten. In dieser Lehre, die allen gilt, finden wir einen weiteren Grund für unsere volle Einheit in Christus, die sich aus dem reichen Mosaik eurer einzelnen Ortskirchen, die auf die verschiedenen Nationen verteilt sind, zusammensetzt. In dem einen Herrn aber sind eure Kirchen zugleich unzertrennlich mit der Gesamtkirche verbunden. 2. Das Leben derer, die glauben, das Jesus der Herr ist (vgl. Phil 2, 11), kann sich nur in einem Dialog der Liebe entfalten, in dem er, Jesus Christus, die Initiative ergreift. Dieser Dialog muß in der Haltung des Dienstes erfolgen, zu dem er uns erwählt hat (vgl. Joh 15, 16). Tatsächlich steht im Mittelpunkt unserer Erwählung zu Hirten seiner Kirche und zur Verkündigung des Evangeliums die Frage, die der Herr dem Petrus stellte: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (Joh 21, 15). Es ist eine Frage, die er gewissermaßen an jeden Bischof richtet. Es ist uns nämlich nur in der Liebe möglich, unsere Berufung in der Kirche und für sie zu verstehen. Unser Dienst an den Brüdern aber geht aus von unserer Einheit mit dem Herrn, dessen Sakrament wir sind (vgl. Lumen gentium, Nr. 21), seine Gesandten (vgl. 2 Kor 5, 20), obwohl wir den Wohlgeruch Christi in zerbrechlichen Gefäßen tragen (vgl. 2 Kor 4, 7). Der Dialog der Liebe im Herrn läßt uns mit voller Aufrichtigkeit trotz unserer Gebrechlichkeit sagen: „Herr, du weißt, daß ich dich liebe“ 276 REISEN (Joh 21, 16), und das ist der Grund für das Vertrauen, mit dem er die kirchlichen Gemeinschaften unserer Führung anvertraut. Es ist ein Vertrauensbeweis und zugleich eine Quelle fruchtbaren pastoralen Eifers. Unsere Stärke kommt ja nicht vom Druck der Waffen her, sondern vom Evangelium. Daher habe ich euch schon in der Eröffnungsansprache der Konferenz von Puebla vor Augen gehalten, daß ihr als Bischöfe nicht den Beitrag von Technikern oder Politikern zu leisten habt, denn das ist nicht eure Aufgabe, sondern als Hirten wirken sollt. Das wiederhole ich jetzt: „Sorgt als Hirten für die euch anvertraute Herde“ (vgl. 1 Petr 5, 3), und seid wie Jesus gute Hirten, die immer den Gläubigen vorangehen, um ihnen den sicheren Weg zu zeigen, ihre Wunden und ihre Schmerzen zu heilen, ihre Spaltungen und alles Versagen zu tragen und sie in neuer Einheit mit dem Herrn zu versöhnen, der nicht aufhört, alle zu dieser Einheit mit ihm zusammenzurufen. 3. Einheit in der Kirche. Der auferstandene Herr eint die Kirche. Sie ist Sakrament der Gemeinschaft (vgl. Gaudium et spes, Nr. 42), „koinonia“, Gemeinschaft um den Auferstandenen: „Alle sollen eins sein, wie du, Vater, in mir und ich in dir“ (Joh 17, 21). Welch wunderbarer Aufruf zur Einheit am Vorabend seines Leidens! Diese Einheit ist nicht Ergebnis künstlicher Machenschaften, von Berechnung oder einer Summe ungebührlicher Abmachungen. Es ist nicht eine Einheit, bei der die Identität verlorengeht, ebensowenig ein bloß äußerliches Zusammenhalten. Es ist die Einheit in ihrer vollsten und vollkommensten Form, die uns als Beispiel vor Augen gestellt wird: die des Sohnes mit dem Vater (vgl. Joh 10, 30). Es ist die Einheit der Liebe, der Gemeinschaft und Hingabe, mit einem Wort: affektive und effektive Einheit. Wie das letzte Konzil betont hat, seid ihr in der Kirche „Prinzip der Einheit“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 23). Die Treue zur Sendung der Hirten besteht darin, Werkzeuge der Einheit und Gemeinschaft zu sein. Als Lehrer wollt ihr die Einheit im Glauben pflegen. Die Kirche ist eine Gemeinschaft von Glaubenden, d. h. von solchen, die den gleichen Glauben bekennen. Um aber die Einheit des Glaubens in der Gemeinschaft und damit zugleich die kirchliche Identität zu schützen und zu bereichern, beseelt der Geist Christi das dynamische Wirken des Lehramtes als lebenswichtigen Dienst für die Kirche. Dienst an der Einheit ist die Evangelisierung, durch die die Kirchen entstehen. Das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi hat, wie ihr auf der Konferenz von Puebla bestätigt habt, erheblich dazu beigetragen, 277 REISEN diese wesentliche Sendung der Kirche tiefer zu verstehen. Daher die starke Betonung der absoluten Priorität der Evangelisierung. In enger Verbindung damit steht die Notwendigkeit der Katechese, zu der sich genaue Hinweise in dem Apostolischen Schreiben Catechesi traden-dae finden. Denn ohne aktive und unermüdliche Evangelisierung und ohne eine erhellende und systematische Katechese würde der Glaube schwach werden. Auch würde die wahre Einheit ernsten Schaden nehmen. Es wäre ein ausgezeichneter Dienst für eure Kirchen, wenn ihr an diesen wichtigen Aufgaben noch mehr Laien beteiligen würdet. Ein ehrliches Ja zur Lehre der Hirten 4. Wir müssen immer sorgfältig darauf achten, daß unser ganzes Glaubensgebäude nicht zersetzt wird oder zusammenbricht. Das könnte aber geschehen, wenn rein menschliche Kriterien die Glaubensinhalte ersetzen oder die Konsequenz und der innere Zusammenhang des Glaubensbekenntnisses mißachtet würden. Daher ist eine entsprechende Darlegung der Christologie und Ekklesiologie unerläßlich. Leitlinien dazu finden sich schon im Dokument von Puebla, das auch alles enthält, was ich zu Beginn der dritten Generalversammlung (Puebla, 28. Januar 1979) gesagt habe. Eine echte Christologie kann nicht den Kontext der neutestamentlichen Offenbarung beiseite lassen, sondern muß gebührenden Gebrauch machen von den anerkannten Forschungsergebnissen, noch darf der unerläßliche Bezug zum Lehramt fehlen. Es gibt keine Christologie, die unsere Gemeinschaft wirklich fördern kann, wenn die theologische Arbeit ihre Wurzeln nicht tief in den Glauben der Kirche und in den persönlichen Glauben einsenkt, der das eigene Dasein zum Opfer vor Gott macht. Wie kann man auf der anderen Seite eine Lehre von der Kirche ausarbeiten, wenn man nicht voll mit der Kirche lebt? Wie kann man mit der Kirche empfinden, wenn man sie nicht mit einem Herzen von Söhnen liebt? Auf die Forderung nach einer lebendigen und tiefen Liebe zur Kirche, unserer Mutter, werde ich in der Predigt morgen zurückkommen. Liebe Brüder, ich weiß wohl, daß ihr euch alle Mühe gebt, eure Sendung zu erfüllen. Es läßt sich an vielen Orten ein Bemühen um Erneuerung feststellen, an dessen Spitze gerade ihr steht. Ihr wollt ja Diener der Einheit und Treue im Glauben sein bei allem, was das sakramentale Leben der Kirche angeht. Diese versammelt sich nämlich um das Wort und die Eucharistie, den Mittelpunkt des ganzen sakramentalen Lebens. Daher wäre eine Evangelisierung weder vollständig noch verständlich, 278 REISEN wenn sie nicht in der sakramentalen Praxis gipfeln würde. Und da die christliche Gemeinde von der Eucharistie lebt, vertieft nichts so sehr die Einheit wie die einmütige Teilhabe am Wort und der Eucharistie. Das sind Wirklichkeiten, die ein eifriges Leben der Kirche als Familie Gottes ausmachen. Andererseits sind euch auch nicht die Gefahren verborgen, und ihr übergeht sie ja auch nicht schweigend in euren Hirtenbriefen, die ihr im Geist von Puebla schreibt. Ich bin in meinen Botschaften an einige eurer Bischofskonferenzen darauf zurückgekommen. 5. Die innere Einheit der Kirche erfordert ein bereitwüliges und ehrliches Ja zur Lehre der Hirten. Dadurch ist im Verlauf der Jahrhunderte ein reiches geistliches Erbe in Lateinamerika aufgebaut worden; das gleiche war in Mittelamerika aufgrund der treuen Einheit des gläubigen Volkes mit seinen Hirten möglich. Es gibt einen christlichen Sinn des Volkes Gottes, „sensus fidelium“, der eine Garantie bietet und wie eine unangreifbare Mauer gegen Angriffe und Hinterhalte wirkt. Eure Gläubigen sind treu; und wenn man ihnen das reine und unverfälschte Brot des Evangeliums bietet, nehmen sie es bereitwillig an; umgekehrt wissen sie auch zu erkennen, wo es verraten wird. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11, 25). In unserem Hirtenherzen erhebt sich das gleiche Gebet, das dem Vater des Erbarmens wohlgefällig ist, für den Glauben in Lateinamerika, der in vielen Fällen mit Recht Forderungen stellt. Bemüht euch daher eifrig, vor allem eure Einheit zu bewahren und zu stärken. Innerhalb einer jeden Bischofskonferenz, aber auch auf höherer Ebene. Wir lesen im Brief an die Kolosser: „Vor allem aber hebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi; dazu seid ihr berufen als Glieder des einen Leibes“ (Kol 3, 14-15). Dann werden euch auch die Achtung und der Gehorsam des gläubigen Volkes nicht fehlen, das sich dessen bewußt ist, daß es durch euren Dienst Christus selber nahekommt, daß der Bischof ihn vertritt, d. h. ihn präsent macht, denn er handelt ja auch in seinem Namen und in seiner Person. Um die Bischöfe muß ebenso die lebendige Einheit der Priester erhalten bleiben, der „bereitwilligen Mitarbeiter“ beim Dienst des Bischofs; dann die der Ordensleute und Laien. Die beste Garantie für eine fruchtbare Predigt ist das Zeugnis von der Einheit der Kirche. Damals wie heute muß 279 REISEN dies der Beweis sein, der zur Annahme des Wortes Gottes bereitmacht: „Seht, wie sie einander lieben.“ In dieser Einheit des Glaubens muß auch der echte Ökumenismus wachsen, der vom Verlangen nach Treue zu Christus in Lehre und Haltungen lebt. Er muß dann auch zu loyaler Zusammenarbeit führen. 6. Diese Einheit muß ferner durch die Lehren des letzten Konzils, eine Quelle ständiger Neubelebungen für die Kirche, wachsen. Wir haben darin das sicherste Kriterium für echte Erneuerung heute. Die Synoden der Bischöfe sind ein weiteres wertvolles Element der Erneuerung und Einheit. Auf anderer Ebene ist hier weiter das Dokument der dritten Generalversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe zu nennen, das ebenfalls die Einheit in der Lehre und Seelsorge stärken soll. Dort habt ihr nämlich euren festen Willen zur Einheit bekräftigt. Diese Einheit in der Kirche Christi findet ihr, wir ihr wohl wißt, wenn ihr euch um Petrus schart. Heute hier versammelt, geben wir Zeugnis von unserer Einheit in Christus, das zweifellos alle eure Gläubigen mit Freude und Zuversicht erfüllt. In Costa Rica hat ferner SEDAC seinen Sitz, das Sekretariat der Bischöfe Mittelamerikas, das aus der empfundenen Notwendigkeit entstand, die Seelsorge in diesem ganzen Gebiet zu koordinieren. Mit großer Hochachtung grüße ich alle Mitglieder dieses bischöflichen Organismus, der mit CELAM in enger Verbindung steht, um einen besseren kirchlichen Dienst leisten zu können. Es gibt also verschiedene und wichtige Formen seelsorglicher Gemeinsamkeit für eine noch fruchtbarere Arbeit in den Kirchen, die ja nicht isoliert dastehen dürfen, sondern sich gegenseitig immer mehr durchdringen müssen. 7. Einheit in der Gesellschaft. Die Gemeinschaft der Kirche ist Sauerteig in der Welt und muß es sein. Sie ist ein sehr starkes Ferment für die Einheit und den Frieden. Leider sind auch Faktoren der Spaltung gegeben, die sich in euren Ländern gefährlich bemerkbar machen. Es gibt ein Übermaß an Spannungen und Gegensätzen, die in große Konflikte auszuarten drohen und bereits die Türen zum trostlosen Strom der Gewaltanwendung in allen Formen geöffnet haben. Wie viele Menschen mußten schon grausam und sinnlos ihr Leben lassen. Völker, die ein Recht auf Frieden und Gerechtigkeit haben, sehen sich überrollt von unmenschlichen Kämpfen, Haß und Rache. Ehrenhafte und arbeitsame Menschen wurden um Ruhe und Sicherheit gebracht. 280 REISEN Und doch ist es nur über einen würdigen und gerechten Frieden möglich, den Fortschritt zu beschleunigen, auf den eure Völker ein gutes Recht haben, das ihnen leider schon allzulange verweigert wird. Nur in Achtung vor der hohen Würde des Menschen und aller Menschen kann man auf eine bessere Zukunft hoffen, die zugleich ihren berechtigten Erwartungen entspricht. Das Evangelium tritt für den Schutz des Menschen ein, zumal für den der Ärmsten und Schwächsten, jener, denen die Güter dieser Erde verwehrt sind, die an den Rand gedrängt wurden oder nicht zählen. Die Liebe zum Menschen als lebendigem Bild Gottes muß zum Hauptantrieb werden für die Achtung der fundamentalen Rechte der menschlichen Person bei sich selber und anderen. Deshalb erhebt sich die Kirche als Schützerin des Menschen und zugleich als Bannerträgerin des Friedens, der Eintracht und Einheit. Das sind die Ziele, die ich bei diesem meinem Besuch nicht vergessen will. In euren Ländern ist es nämlich dringend notwendig, daß die Kirche bei der Verkündigung des Evangeliums vor Menschen, die seit langem und schwer zu leiden haben, nachdrücklich auch auf alle sozialen Konsequenzen aufmerksam macht, die zum Christsein gehören. Dabei vergißt sie in keiner Weise, daß ihre erste und unerläßliche Aufgabe die Predigt des Heils in Christus ist. Sie kann aber auch nicht Situationen unbeachtet lassen, die mit einem ehrüchen Bekenntnis des Glaubens unvereinbar sind und aufhören, jene Haltungen echter Bekehrung zu wecken, zu denen eben der Glaube führen muß. Bei Erfüllung dieser Aufgabe muß jeder Mann der Kirche berücksichtigen, daß er weder Gewaltmethoden, die seinem Christsein widersprechen, anwenden, noch Ideologien huldigen darf, die auf eine verkürzte Sicht des Menschen zurückgehen und auch seine transzendente Bestimmung zu kurz kommen lassen. Er wird, im Gegenteü, von der klaren Identität des Evangeliums her das Menschsein ganzheitlich betrachten und alle Kräfte dafür einsetzen, die verschiedenen Formen von Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu beseitigen und mehr Raum für die Würde des Menschen zu schaffen. Hier ist auf die treue und sofortige Anwendung der Soziallehre der Kirche hinzuweisen, die als unangemessen und schädlich ebenso die materialistischen Entwürfe des rein wirtschaftlich ausgerichteten Kapitalismus wie die des ebenfalls materialistischen Kollektivismus verwirft, weil sie die Würde des Menschen unterdrücken (vgl. Laborem exercens, Nr. 13). Ich bewundere euer Wirken als Hirten eurer Völker unter so schwierigen Verhältnissen. Euer Beispiel der Einheit als Bischöfe sowie das der 281 REISEN Gemeinden, denen ihr angehört, möge auch die soziale Eintracht sichern, die vom Herzen der Kirche aus Brücken schlägt, innerhalb und außerhalb eures jeweiligen Vaterlandes. Möge der'Herr diesen Bruder-Nationen, die auf die gleiche Geschichte zurückblicken, die gleiche Überlieferung pflegen und in gleicher weise zur Freiheit berufen sind, Eintracht und Frieden schenken. . Ich werde keine Mühe scheuen 8. Die derzeitigen kämpferischen Auseinandersetzungen voll Mißtrauen und Unmenschlichkeit, die leider in mehr als einer Nation dieses geographischen Gebietes zum Leidwesen aller überwiegen, können und dürfen nicht wie ein blindes Geschick andauern. Um eine so schmerzliche Lage der Dinge zu beenden, versucht als Bischöfe Mittelamerikas wirklich alles, was in euren Kräften steht, um eine menschenwürdigere Welt aufzubauen, in der mehr Gerechtigkeit, Solidarität und Brüderlichkeit herrschen. Der Glaube sagt uns, daß wir die Zügel der Geschichte verantwortlich in die Hand nehmen können, um Gestalter unseres eigenen Schicksals zu werden. Der Herr der Geschichte will den Menschen und die Völker als aktive Gestalter und Träger, die ihre eigene Zukunft als Antwort auf den Ruf Gottes bauen. Alles wurde dem Menschen, der Krone der jSehöpfung, in die Hände gelegt, daß er aus der Schöpfung einen Lobeshymnus auf Gott macht. Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch, der sein Leben in der Anschauung Gottes findet (vgl. Irenäus, .Advermy haereses, IV, 20,7: PG 7, 105). Während dieser Tage der Erneuerung werde ich noch oft auf das Thema Gerechtigkeit und Frieden zurückkommen. Ich werde keine Mühe scheuen, um alle zum Einsatz sämtlicher Kräfte aufzufordern, damit sich euer Geschick wenigstens da und dort erleichtert; damit dies in jedem einzelnen Land und auf internationaler Ebene geschieht. Bewahrt unbedingt die Einheit unter euren Nationen. Nichts ist so beklagenswert und besorgniserregend wie ein drohender Krieg, der die Lander bei der Auseinandersetzung in den Abgrund stürzen und zum heillosen Tummelplatz fremder Interessen machen würde. Liebe Bischöfe, seid Träger dieser Gedanken iin alle Länder und Gemeinden hinein, die ich voll Sorge und Hoffnung besuchen werde. Wenn wir innig mit Christus verbunden sind, werden wir mehr und mehr in unseren Haltungen und Handlungen in .Kirche und Gesellschaft die Mahnungen des hl. Paulus verwirklichen: „Ich ermahne euch aber, Brüder, im Namen 282 REISEN Jesu Christi, unseres Herrn: Seid alle einmütig und duldet keine Spaltungen unter; euch; seid ganz eines Sinnes und einer Meinung“ (2 Kor 1,10). Ich stelle diese Ziele-und: meine Pilgerfahrt unter de.n Schutz der Mutter Gottes und der Kirche. Sie, die teilnahmsvoll dem Apostelkollegium beim Empfang der Kraft des Heiligen Geistes zur Seite stand, möge euch von ihrem Sohn die Gnade, Kraft und Ausdauer erflehen, die ihr in eurem entsagungsvollen,Dienst-für die Kirche braucht. Amen;, Wir selber bauen die Kirche Predigt bei der Messe in San Jose (Costa Rica) am 3. März Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüden und Schwestern! 1. Mit großer Freude komme ich zu diesem Gebetstreffen in den Stadtpark von Sabana, um mit euch Gläubigen aus der schönen Stadt San Jose, aus ganz Costa Rica und den übrigen Schwesterrepubliken in diesem geographischen Raum zusammenzusein. Ihr seid so zahlreich und begeistert erschienen-, um damit ganz klar, zu zeigen, daß ihr die Anwesenheit des Papstes in diesem schönen und ehrwürdigen Land mit Liebe aufnehmt. Ich komme zu euch wie der älteste Bruder zu seinen Brüdern, wie der Vater im Glauben zu seinen Söhnen, wie der Nachfolger Petrus zu seiner ihm anvertrauten Herde, wie der apostolische Pilger zu jenen, denen er sein, Wort und seine Liebe schuldet (vgl. Röm 1, 14). Empfangt meinen herzlichen Gruß, den an den Oberhirten und Erzbischof dieser Stadt gerichtet ist, an die übrigen Bischöfe, an die Priester und Ordensleute, die Söhne und Töchter der Kirche. Ich grüße auch den Herrn Präsidenten und: die hier anwesenden Autoritäten. 2. Christus liebte die Kirche und hat sich für sie hihgegeben, wie wir gerade in der ersten Lesung der Messe gehört haben. Diese Worte fassen kurz das Wesen und die Ziele meiner apostolischen Reise zusammen: die Botschaft des Evangeliums zu verkünden und'euch in der Liebe Christi und der Kirche zu ermutigen. Ja,, meine Brüder, bei diesem Treffen möchte ich, daß wir uns erneut berufen fühlen, unsere Liebe zur heiligen, katholischen Kirche, der Braut Christi, die er bis zum Tode liebte, zu verkünden und' zu mehren. Diese 283 REISEN Zusammenkunft des Glaubens am Altar ist schon ein Beweis dieser Liebe zur Kirche. Gerade weil wir die Kirche lieben, wie Christus sie bis zum Tode geliebt hat, sind wir hier im Namen Christi versammelt, bin ich von Rom nach Mittelamerika und in dieses Land gekommen und haben mich eure Bischöfe brüderlich zu diesem Besuch eingeladen und erwarten von ihm und von eurer hochherzigen Antwort einen Start zu einer wachsenden Erneuerung des christlichen Lebens. Christus ist zweifellos das einzige Fundament (vgl. 1 Kor 3, 12), der oberste Hirte (vgl. Joh 10; 2 Petr 5, 4) und das Haupt der Kirche (vgl. 1 Kor 12, 12; Kol 1, 18). Er hat sie auf Petrus und seine Nachfolger gegründet. Er leitet sie und hält sie immer lebendig. Die Kirche ist sein Werk, in dem er sich entfaltet, sich widerspiegelt und in der Welt präsent bleibt. Sie ist seine Braut, der er sich vollkommen hingegeben hat. Er hat sie sich erwählt, er hat sie geschaffen, und er beseelt sie. Noch mehr, er hat sein Leben hingegeben, damit sie weiterlebe, deshalb ist - wie wir es eben im Evangelium gelesen haben - der Ursprung der Kirche in der offenen Seite Jesu auf dem Kreuz, wie Eva aus der Seite Adams geboren ist. Brüder, seien wir uns dieser Wahrheit voll bewußt. Jesus Christus liebte und liebt die Kirche. Es ist in der Tat dieselbe Liebe des Vaters zur Welt, zu den Menschen, zu uns, die ihn in geheimnisvoller Weise bewogen hat, seinen einzigen Sohn dem Tode zu übergeben, so daß jeder, der an ihn glaubt, nicht sterbe, sondern ewiges Leben habe (vgl. Joh 3, 16). Wenn Christus schon seine Kirche bis zum Tod geliebt hat, soll das heißen, daß sie würdig ist, auch von uns geliebt zu werden. 3. Trotzdem betrachten manche Christen die Kirche so, als stünden sie außerhalb oder an ihrem Rand. Sie kritisieren sie so, als ob sie mit ihr nichts zu tun hätten, sie nehmen Abstand von ihr, als ob ihre Beziehung zu Christus, ihrem Gründer, nebensächlich wäre und sich bloß als zufällige Folge seines Lebens und Sterbens ergäbe. Als ob er nicht lebendig wäre in der Kirche, in ihrer Lehre und ihren sakramentalen Handlungen. Als ob sie nicht das den Menschen anvertraute Geheimnis wäre. Anderen ist die Kirche gleichgültig, fremd. Aber für die bewußten Christen, die wissen, von welchem Geist sie sind, ist die Kirche ihre Mutter. Ja, liebe Brüder, die Kirche ist eure Mutter, die Mutter aller Christen. Sie hat uns zum ewigen Leben geboren durch die Taufe, das Sakrament der Wiedergeburt (vgl. Joh 3, 5). Sie hat uns durch das Sakrament der Firmung zur Reife der Kinder Gottes geführt. Sie nährt uns ständig mit 284 REISEN dem Leib und Blut Christi bei der Feier des Geheimnisses des Todes und der Auferstehung des Herrn. Durch das Bußsakrament versöhnt sie uns mit dem Vater und mit sich selbst kraft der Versöhnung, die Christus durch seinen Tod bewirkt hat (vgl. 2 Kor 5, 19). In dieser Weise führt die Kirche uns auf den Weg, der durch Jesus Christus zum Vater führt, und begleitet unsere Schritte mit ihrer Lehre, ihrem Wort und der Tat ihrer Diener. Die Kirche ist auch eure Mutter, Söhne und Töchter Costa Ricas und aller Völker ganz Mittelamerikas, weil eure Kultur und Zivilisation durch ihre Anwesenheit und ihr Wirken das Licht erblickt und sich entwickelt hat. Sie konnte das reiche Erbe der einheimischen Traditionen harmonisch in das Evangelium integrieren, so daß auf diese Weise eine neue Familie entstanden ist, die Familie Gottes in der Kirche. 4. Die Kirche mit ihrer Lehre und ihrem Beispiel sowie mit dem Beispiel und der Lehre der Heiligen mahnt uns, uns nicht nur um die Dinge des Geistes zu sorgen, sondern auch um die Realitäten dieser Welt und der menschlichen Gesellschaft, deren Teü wir sind. Sie fordert uns zum Einsatz für die Abschaffung der Ungerechtigkeit auf, zur Arbeit für den Frieden und zur Überwindung des Hasses und der Gewalt, zur Förderung der Menschenwürde, zur Verantwortung gegenüber den Armen, den am Rande der Gesellschaft lebenden Menschen, den Unterdrückten, den Flüchtlingen, den Asylsuchenden und den Vertriebenen sowie gegenüber vielen anderen, denen unsere Solidarität gelten muß. Ich kenne das Klima der Arbeit und des Friedens, das euch kennzeichnet, liebe Söhne und Töchter von Costa Rica. Die Kirche mit euren Bischöfen, Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen war immer ein Vorbild und Anreiz, es zu schaffen. Macht weiter so! Laßt euch von den Schwierigkeiten nicht entmutigen! Vergeßt nicht die christlichen Werte, die euch auszeichnen und die euch bis jetzt geholfen haben. Seid eurer Überlieferung treu und versucht, Vorbüd zu sein für eine gerechte soziale Ordnung in Augenblicken tiefgreifender Änderungen und schwerer Herausforderungen. Wir alle sind für die Kirche verantwortlich 5. Wir müssen aber auch an die Pflichten denken, die wir der Kirche gegenüber haben. Erstens, wir alle sind für die Kirche verantwortlich, weil wir ihre Glieder, Söhne und Töchter sind. Als lebendige Glieder des Leibes Christi müssen 285 REISEN wir alle zum Wachstum dieses Leibes beitragen. Dazu werden wir vom hl. Paulus aufgefordert, wenn er uns das eindrucksvolle Bild vom Leib und seinen Gliedern lehrt (vgl. 1 Kor 12, 15-16). Jedes Glied hat in der Tat in der Kirche seine eigene Funktion und seine eigene Verantwortung. „Sind etwa alle Apostel, alle Propheten, alle Lehrer?“ fragt der hl. Paulus (7 Kor 12, 29). Nein, jeder hat seine eigene Funktion in der Einheit und hierarchischen Struktur der Kirche und übt sie aus in Achtung gegenüber den anderen. Aber niemand kann sagen, die Kirche, ihre Heiligkeit, ihr Auftrag in der Welt, ihr Gottesdienst gehen mich nichts an. Wir alle, Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, Laien, jeder an seinem Platz, müssen die Kirche aufbauen, oder, besser, als tätige Werkzeuge des Herrn dienen, der die Kirche durch seinen Geist aufbaut (vgl. Eph 2, 20-22). Und wie wird die Kirche aufgebaut? 6. Wer seiner Taufe treu ist, heilig lebt, der Sünde widersagt, sein Kreuz mit Christus trägt und in seiner Haltung den Brüdern gegenüber die fordernde und frohe Wirklichkeit des Evangeliums zeigt, baut die Kirche auf. Diejenigen, die, als Eheleute durch das Sakrament der Ehe verbunden, aus ihrer Familie eine Hauskirche machen zum Vorbild für alle, beständig in der Bindung sind, getreu den übernommenen Pflichten zur Einheit und Treue unter voller Achtung des Lebens vom Augenblick der Empfängnis an und deshalb das Verbrechen der Abtreibung ablehnen, diejenigen, die den Glauben durch die christliche Erziehung ihrer Kinder weitergeben, bauen die Kirche auf; die Sorge tragen für den Nächsten, besonders die Armen und Verlassenen, die am Rande der Gesellschaft Lebenden und die Unterdrückten, die der Pflicht zur Solidarität treu bleiben, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Krisen, von denen die Gesellschaft heute heimgesucht wird, bauen die Kirche auf; die sich für eine Verbesserung oder Änderung dessen, was die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und aller Menschen hemmt oder verhindert, einsetzen, bauen die Kirche auf; die die ihnen von den Bischöfen anvertrauten Ämter und Dienste treu erfüllen, bauen die Kirche auf. Ich denke an die Katecheten, die außerordentlichen Spender der Eucharistie, die Beauftragten des Wortes, an diejenigen, die ihre Brüder auf den würdigen Empfang der Sakramente vorbereiten, und diejenigen, die sich in den verschiedenen apostolischen Bewegungen engagieren. 286 REISEN Die Jugend, für die Christus Vorbild ist, und die mit ihrer Hochherzigkeit, Begeisterung und Herzensreinheit den anderen dient als Sauerteig einer oft veralteten und traurigen Gesellschaft, baut die Kirche auf. Mit einem Wort: Wir bauen die Kirche auf, wenn wir versuchen, heilig zu werden, den Willen Gottes immer und in allem zu erfüllen, so daß die Kirche, obwohl sie aus sündigen Menschen besteht, immer mehr ihrer Berufung zur Heiligkeit treu bleibt. Das ist der beste Beweis unserer Liebe zur Kirche. 7. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns die Kirche immer heben. Fühlen wir uns verantwortlich für sie, für ihre Treue zum Wort Gottes, zu der Sendung, die Christus ihr anvertraut hat, zu ihrer Berufung, „Sakrament“ zu sein, das heißt „Zeichen und Werkzeug der engen Verbindung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 1). Lieben wir sie wie unsere Mutter, wie wir die seligste Jungfrau Maria heben, die von euch im Heiligtum von Cartago unter dem zärtlichen Namen „Negrita de los Angeles“ verehrt wird. Lieben wir sie, wie Christus sie geliebt hat, der sein Leben für sie hingegeben hat. Bitten wir ihn in dieser Eucharistiefeier, daß die Liebe zur Kirche das Kennzeichen eures christlichen Lebens sei, ihr treuen Söhne und Töchter von Costa Rica und Mittelamerika. Amen. Christus, euer Herr und Bräutigam Ansprache an die Ordensfrauen in der Kathedrale von San Jose (Costa Rica) am 3. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit tiefer Dankbarkeit und Liebe erwidere ich den freundlichen Empfang, den ihr mir in dieser erzbischöfhchen Kathedrale von San Jose bereiten wolltet, wo ihr zusammengekommen seid: Kleriker, Ordensmänner, Ordensfrauen und Seminaristen. Ihr seid der auserwählte Teü der Kirche in Costa Rica, ihre wertvollsten und unentbehrlichsten Lebenskräfte. Darum bekunde ich meine höchste Wertschätzung für euren Stand und euer Wirken. Ich ermutige euch, ohne zu schwanken, voll Freude und 287 REISEN Optimismus an eurer Treue zum Herrn festzuhalten. Ich will euch sagen, daß ich im Gebet für eure Anliegen, Vorhaben und Bedürfnisse bete und euch aus ganzem Herzen segne. Ganz besonders vertraue ich dem Gebet die Ausdauer und die gute Ausbildung der Seminaristen an, die die künftigen Priester der Kirche sein werden. Wie ich in besonderer Weise in El Salvador zu den Priestern und in Guatemala zu den Ordensmännern sprechen werde, will ich mich heute vor allem an die Ordensfrauen wenden. Ich betrachte euch, liebe Schwestern, die ihr euch Jesus Christus und seinem Reich geweiht habt, in der Mannigfaltigkeit der apostolischen Berufung eurer verschiedenen Institute und ihrer Präsenz in den einzelnen Ländern. Einige von euch stammen aus den Völkern Mittelamerikas, aus Belize oder Haiti, wo mich mein apostolischer Besuch hinführt; andere kommen aus den anderen Nationen des amerikanischen Kontinents oder aus anderen Erdteilen; doch ich weiß, daß ihr euch alle in diesen Ländern, die eure geistliche Heimat sind, zu Hause fühlt, und auf diese Weise der heiligen Kirche eine Dimension der Universalität verleiht. Euer geweihtes Leben eine Herausforderung an die Egoismen Ich habe die Freude zu sehen, daß euer Herz für die Ideale der Kirche in diesen Ländern schlägt, denn ein Wesensmerkmal eurer Präsenz muß die weitreichende Eingliederung in die Teilkirchen sein, wo ihr eine wertvolle Hilfe bei der Evangelisierung, bei der Beseelung der Pfarrgemeinden und kirchlichen Gruppen leistet; ihr seid echte Mitarbeiterinnen eurer Bischöfe, die eure Arbeit schätzen, und der Gläubigen, die euch mit ihrer Liebe und Achtung helfen, eure Identität als geweihte Frauen und eure Verpflichtung gegenüber den Bedürftigsten lückenlos zu bewahren. 2. Meine Worte bei dieser Begegnung des Glaubens, des Gebets und der geistlichen Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, mit dem euch eure Weihe in der Liebe, im Gehorsam und in der apostolischen Zusammenarbeit verbindet, sollen euch eine Botschaft der Freude und Hoffnung überbringen, die eure Identität bestätigt und euch neue Wege der kirchlichen Berufung öffnet, die jetzt durch meine Anwesenheit unter euch Stärkung und Ermutigung erfährt. Ich möchte euch gern, wie es die Kirche seit den Anfängen des Christentums mit den christlichen Jungfrauen stets getan hat, an eure enge Bindung an Jesus Christus, euren Herrn und Bräutigam, erinnern, dessen Liebe und Sache zugleich ihr euch zu Herzen genommen habt. 288 REISEN Ihr seid Jüngerinnen, weil ihr ihm in den evangelischen Räten der Keuschheit, Armut und des Gehorsams gefolgt seid. Ihr könnt mit dem hl. Paulus sagen: „Für mich ist Christus das Leben“ (Phil 1, 21), weil ihr euch persönlich ihm geweiht habt und berufen seid, diese Gemeinschaft der Liebe in ihrer Fülle zu erfahren, bis ihr sagen könnt, daß er es ist, der in euch lebt und euch das wahre Leben mitteilt. Ihr habt euch mit seiner Sache identifiziert und seid darum, nachdem ihr wie die Apostel alles verlassen habt, auserwählt worden, Zeugen der Werte und Verpflichtungen des Reiches zu sein. Euer Beitrag ist für die Kirche äußerst wertvoll. Ich weiß, daß ihr mit Begeisterung bei den vielen, vielen Aufgaben in den Pfarreien einen großen Teil der Last der Glaubensverkündigung, des Unterrichts, der Werke der Barmherzigkeit, der Gemeinschaftsförderung, der kirchlichen Präsenz und des Zeugnisses bei den Ärmsten, den Randgruppen, den Notleidenden tragt; und das mit der Fähigkeit, die Kirche mit einem wahrhaft mütterlichen Antlitz, mit hebevollem Einfühlungsvermögen, in Klugheit und Ausgeglichenheit zu vergegenwärtigen. Darin spürt ihr die Freude einer Weihe, bei der ihr, in Abwandlung des Pauluswortes, auch sagen könnt: Für mich ist Leben Kirche sein. 3. In einem Augenblick der Geschichte, in dem die Frau in der Gesellschaft den ihr zustehenden Platz fordert, verbunden mit einer Förderung, die sie mit Würde ausstattet, sehe ich voll Befriedigung eure Präsenz als qualifizierte Botinnen und Zeuginnen des Evangeliums. Diese Bewegung, die jetzt dabei ist, in der Seelsorge insgesamt eine bedeutendere Ausdrucksform anzunehmen, hat ihr Fundament und ihre Wurzeln im Verhalten des Meisters selbst gegenüber jenen Frauen, die ihm folgten (vgl. Lk 23, 55), die sich seiner Freundschaft erfreuten, wie Martha und Maria von Betanien (vgl. Joh 12, 1-8), und Botinnen seiner Auferstehung waren wie Maria Magdalena (vgl. Joh 20, 18) oder dazu aufforderten, ihn als den Messias anzuerkennen, wie die Samariterin (vgl. Joh 4, 39). Die Kirche überträgt euch auch den Dienst des Wortes und der Katechese, der Glaubenserziehung, der kulturellen und menschlichen Entwicklung; sie verlangt von euch eine entsprechende und folglich immer intensivere Vorbereitung auf dem Gebiet der biblischen und dogmatischen Theologie, der Liturgie, der Spiritualität und der Wissenschaft; und zugleich erkennt sie an, mit wieviel Begeisterung und Hochherzigkeit ihr den Armen, den Einfachen, der unruhigen Jugend dieses geographischen Raumes das Evangelium bringt. Doch das Evangelium ist Leben, und ihr tragt in dem Christus geweihten 289 REISEN Herzen den Instinkt, das Gefühl des Lebens, der Liebe - die das Leben Gottes selbst ist -, das sich im Dienst, in der Hilfeleistung und Förderung verkörpert. Mit Recht fordern die Christen dieser Länder eure unersetzliche Präsenz am Bett des Kranken, in der Schule, in den verschiedenen Formen evangelischen Erbarmens, die der religiösen Kreativität eigen sind. An diesen Orten, in dieser Umgebung seid ihr die Gegenwart der Liebe Christi selbst, seid ihr das Gesicht der Kirche, das vor den Menschen erstrahlt durch seine Liebe, die in Güte, Hilfe, Trost, Befreiung, Hoffnung umgesetzt wird. 4. Wenn ich konkret auf die Lage eurer Völker blicke, auf die Unruhe, die die Gesellschaft erschüttert, auf das zerbrechliche Gleichgewicht des Friedens, die Förderung der Gerechtigkeit, die es noch zu verwirklichen gilt, muß ich euch mein Vertrauen in eure Sendung wiederholen. Ich möchte zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils in seiner Botschaft an die Frauen weitergeben: „Ihr, geweihte Jungfrauen, seid in einer Welt, wo der Egoismus und die Vergnügungs- und Genußsucht als Norm gelten wollen, Hüterinnen der Reinheit, der Selbstlosigkeit, der Frömmigkeit... In diesem so schwierigen Augenblick der Geschichte ist euch das Leben anvertraut, an euch liegt es besonders, den Weltfrieden zu retten“ (Botschaft an die Frauen, Nr. 8. 11). Euch könnte euer Sendungsauftrag allzu belastend erscheinen; allzu groß für eure Möglichkeiten. Weil ihr dem Volk nahe seid, habt ihr in vielen Fällen die Erziehung der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in euren Händen; ihr müßt aufgrund natürlicher Veranlagung und aufgrund eurer evangelischen Sendung den Frieden und die Eintracht, die Einheit und die Brüderlichkeit säen; ihr könnt die Mechanismen der Gewalt durch eine ganzheitliche Erziehung und eine Förderung der echten Werte des Menschen ausschalten; euer geweihtes Leben muß eine Herausforderung an die Egoismen und Unterdrückungen sein, ein Aufruf zur Umkehr, ein Faktor der Versöhnung unter den Menschen. 5. Um diese Sendung gebührend erfüllen zu können, beharrt unerschütterlich in eurer Glaubensradikalität, in der Liebe zu Christus und im Sinn für die Kirche. So werdet ihr mögliche Umdeutungen oder Instrumentalisierungen des Evangeliums bei der bevorzugten, aber nicht ausschließlichen Option für die Armen vermeiden. 290 REISEN Universale Dimension der Ordensfamilien Laßt euch nicht in Parteiideologien einspannen; unterliegt nicht der Versuchung von Optionen, die eines Tages von euch den Preis eurer Freiheit fordern könnten. Vertraut euren Bischöfen und bleibt immer in Gemeinschaft mit ihnen. In der Gemeinschaft mit der Kirche, in der Identifizierung mit ihren Führern werdet ihr die sichere Richtschnur für euer Handeln finden. Arbeitet auch mit daran, daß die Einsicht in die Wirklichkeit dessen, was das Licht des Evangeliums zum Verlöschen bringt, geweckt wird. Richtet wie mit einem übernatürlichen Instinkt die Authentizität eurer apostolischen Entscheidungen nach dem Kompaß des Sinnes für die Kirche, eine Tat der aufrichtigen Verbundenheit mit ihrem Lehramt, der Einheit mit ihren Bischöfen. Mit dieser Gewißheit greift die Sache der Armen auf; seid gegenwärtig, wo Christus in den notleidenden Brüdern leidet; geht mit eurer Hochherzigkeit dorthin, wo allein die Liebe Christi spüren kann, daß Freundschaft fehlt. Seid geduldig und hochherzig in der Hoffnung auf eine bessere Gesellschaft, indem ihr die Saat einer neuen Menschlichkeit sät, die aufbaut und nicht zerstört, die das Negative in Positives verwandelt wie die Verkündigung der Auferstehung. Der Heilige Geist, der das Charisma des Ordenslebens in der Kirche geweckt hat und der auch das jeweilige Charisma eurer Institute geweckt hat, wird euch Licht und schöpferische Kraft schenken, um ihn in neuen Werten und noch nie dagewesenen Situationen verkörpern zu können mit der Kraft evangelischer Neuheit, die jedes vom Geist beseelte Charisma besitzt, wenn es in der kirchlichen Gemeinschaft bleibt. 6. Ich möchte euch als Losungen dieser Begegnung einige zuverlässige Worte hinterlassen, die euch das Herz weitmachen und euch die volle Freude des wahren Jüngers Jesu schenken werden, auch inmitten der Verfolgungen, des Mangels an Verständnis, der scheinbaren apostolischen Wirkungslosigkeit eurer Bemühungen. Vor allem Treue zu Christus; durch die von Liebe erfüllte Gemeinschaft mit ihm mittels des Gebets, dem ihr breiten Raum und häufige Zeiten in eurem Leben Vorbehalten müßt, mögen die apostolischen Verpflichtungen noch so drängen. Euer Gebet muß nach der Christuserfahrung suchen: Christus, dem ihr folgt, den ihr hebt, dem ihr dient. Treue auch zur Kirche. Eure Weihe bindet euch in ganz besonderer Weise an die Kirche (vgl. Lumen gentium, Nr. 44); und in der vollkommenen Gemeinschaft mit ihr, ihrer Sendung, ihren Bischöfen und mit den Gläu- 291 REISEN bigen werdet ihr den vollen Sinn eures Ordenslebens finden. Seid auch weiterhin als geweihte Frauen die Ehre der Mutter Kirche. Tragt ihre Mühen und Schmerzen in eurem Herzen und in eurem Leben; seid imstande, in jedem Augenblick das evangelische Antlitz der Braut Christi sichtbar werden zu lassen. Bleibt vereint in der Treue zu eurem eigenen Charisma. Damit zeigt die Kirche die Schönheit der verschiedenen Ausdrucksformen, die sie von euren Gründern und Gründerinnen übernommen hat. In Gemeinschaft mit euren Instituten zeigt ihr in den Teilkirchen die universale Dimension, die eure Ordensfamilien besitzen. Dadurch, daß ihr in Gemeinschaft mit euren Schwestern lebt, verwirklicht ihr diese erste Gemeinschaft, die die Anwesenheit Jesu unter euch garantiert und die apostolische Fruchtbarkeit einer Gemeinschaft beweist (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 15). Die Bedürfnisse der Armen im Gebet umarmt Lebt auch in Gemeinschaft mit den verschiedenen Instituten, um dem Volk Gottes das Beispiel einer evangelischen Einheit zu bieten, die die Einheit des mystischen Leibes widerspiegelt, in dem sämtliche Charismen durch denselben Geist vereint werden. Seid schließlich eurem Volk treu, euren Teilkirchen, ihren Bemühungen und Hoffnungen auf Gerechtigkeit und Entfaltung, damit an euch sichtbar wird, daß eure Kirche ganz mit den verschiedenen Nationen, mit dem ihnen eigenen Wesen, mit ihren Werten und Bräuchen verwachsen ist -konzertiert mit der einen, heiligen und katholischen Kirche. 7. Alles, was ich euch anvertrauen wollte, findet - unter Berücksichtigung der ihm eigenen Lebensart - seine entsprechende Anwendung auf die kontemplativen Ordensfrauen. Sie leben und bezeugen schweigend den Wert der Einheit mit Gott, der Buße, des Opfers. Sie umarmen mit ihrem Gebet die Bedürfnisse der Armen, nehmen die Sorgen der Universal-kirche und der Ortsgemeinden auf. Sie sind die greifbare Bekundung dessen, daß eure Völker eine echte kontemplative Fähigkeit besitzen. Auch die geweihten Frauen, die in der Gesellschaft ihre Berufung leben, die den Merkmalen der Säkularinstitute folgen, werden sich die Stichworte, die ich gegeben habe, zu eigen machen können, wobei sie ihre Präsenz in der Gesellschaft, besonders in den Bereichen ihres Apostolats, betonen. 8. Liebe Schwestern! Ich kann mich nicht von euch verabschieden, ohne euch auf das vollkommene Vorbild jener Formen zuverlässiger Treue 292 REISEN hinzuweisen, die die Jungfrau Maria auszeichnen und zu denen ich euch eben ermutigt habe. Sie begegnet euch als erste Jüngerin und erste gottgeweihte Frau. Sie ist Vorbild für die Kontemplation, für die Verkündigung des Wortes, für die Präsenz inmitten ihres Volkes. Sie ist der Ausdruck aller Charismen und die Mutter aller geweihten Frauen. Eure Völker sind von frommer Verehrung für Unsere Liebe Frau erfüllt und erkennen in der Verkündigung des Evangeliums das Kennzeichen der Katholizität, wenn man von ihr spricht; oder das Fehlen dieser Katholizi-tät, wenn über sie geschwiegen wird. Wenn ihr die Jungfrau hebt, wenn ihr von ihr sprecht, werdet ihr die Zuneigung eures Volkes gewinnen. Doch vor allem, wenn ihr es fertigbringt, sie in eurem Leben widerzuspiegeln, werdet ihr die bewährten Botinnen des Evangeliums sein, die die Kirche in Mittelamerika nötig braucht. Möge sie euch die Treue zum Evangelium bewahren! Ihr vertraue ich euch an, damit ihr mit eurem Wort und mit eurem Leben allen immer wieder sagen könnt: Jesus Christus ist der Herr! Amen. Freundschaft, die ihr durch Christus lernt Ansprache beim Wortgottesdienst für die Jugend im Sportstadion von San Jose (Costa Rica) am 3. März Meine hebe Jugend! 1. Bei meinem apostolischen Besuch in diesem geopraphischen Raum treffe ich heute mit euch, den hier anwesenden Jugendlichen von Costa Rica, zusammen und über die Massenmedien auch mit der Jugend der anderen Länder, die ich in den nächsten Tagen besuchen werde. Sowohl euch hier in diesem Stadion wie den Abwesenden, die aber im Geist mit uns vereint sind, bringe ich meine große Freude darüber zum Ausdruck, daß ich heute bei euch sein kann, und begrüße euch ganz herzlich als Freund und Bruder. Ich komme, um mit euch diese brüderliche, menschliche und kirchliche Erfahrung zu teilen und euch ein Wort zu sagen, von dem ich sicher bin, daß es in euren edlen Herzen starken Widerhall finden wird: Christus, der ewig junge, braucht euch und ruft euch in der Kirche zusammen, euch, die „wahrhaftige Jugend der Welt“ (Zweites Vatikanisches Konzil, Botschaft an die Jugend, Nr. 6). 293 REISEN Beim Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils war dessen letzte Botschaft eben gerade an die Jugend gerichtet, an euch, „die ihr im Begriff seid, die Fackel aus den Händen eurer Eltern und Großeltern zu übernehmen und in der Welt zu leben - im Augenblick der gewaltigsten Veränderungen ihrer Geschichte“ (ebd., Nr. 1). Mit großer Zuversicht sagten damals die Konzilsväter: „Vor allem für euch Jugendliche hat die Kirche auf ihrem Konzil ein Licht entzündet, ein Licht, das die Zukunft erleuchten soll“ (ebd., Nr. 22). Da diese Botschaft von eindrucksvoller Aktualität ist, scheint es mir angebracht, hier mit euch darüber zu sprechen, um zu untersuchen, wie sie euren Weg besser erleuchten und euch helfen kann, der schweren Verpflichtung nachzukommen, die ihr als Sauerteig und Hoffnung der menschlichen Gemeinschaft und der Kirche innehabt. Es genügt nicht, Übel und Leid anzuprangern 2. Ich weiß, daß ihr euch oft fragt, wie ihr euer Leben leben sollt, damit es sich lohnt; wie ihr euch verhalten sollt, damit euer Dasein erfüllt ist und nicht in die Leere versinkt; wie ihr etwas tun könnt, um die Gesellschaft, in der ihr lebt, zu verbessern, indem ihr den schweren Übeln entgegentretet, unter denen sie leidet und die eurem Durst näch Aufrichtigkeit, Brüderlichkeit, Gerechtigkeit, Frieden und Solidarität zuwiderlaufen. Ich weiß, daß ihr euch nach hohen Idealen sehnt, mögen sie auch schwer erreichbar sein, und daß ihr nicht ein eintöniges, graues Leben leben wollt, das in kleinem und großem Verrat an eurem Gewissen als Jugendliche und als Christen besteht. Und ich weiß auch, daß ihr dazu bereit seid, eine positive Haltung gegenüber eurem Dasein und der Gesellschaft einzunehmen, deren Glieder ihr seid. Es genügt tatsächlich nicht, über die vielen Übel und Leiden nachzudenken, die ihr in eurer Umgebung wahrnehmt, oder sie-nur passiv zu beklagen. Es genügt auch nicht, sie anzuprangern. Ebensowenig würde es zu einer Lösung führen, wollte man sich angesichts des Leides für machtlos oder besiegt erklären und sich zur Verzweiflung hinreißen lassen. Nein, das ist kein Weg zur Lösung. Christus ruft euch auf, euch für das Gute, zur Überwindung des Egoismus und der Sünde in allen ihren Formen zu verpflichten. Er will, daß ihr eine Gesellschaft aufbaut, in der die sittlichen Werte entwickelt werden, die Gott im Herzen und im Leben des Menschen zu sehen wünscht. Christus fordert euch auf, treue Kinder Gottes zu sein, die das Gute, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Liebe, Ehrenhaftigkeit und Eintracht bewirken. Christus 294 REISEN ermutigt euch'; stets in eurem Geist und in eurem Tun das eigentliche Wesen des Evangeliums lebendig zu halten: die Liebe zu Gott und die Liebe zum Menschen (vgl. Mt 22, 40). Denn nur auf diese Weise, mit diesem Verständnis der Größe des Menschen im Lichte Gottes, werdet ihr wirksam dafür arbeiten können, daß „diese Gesellschaft, die ihr zu errichten vörhabt; die Würde, die Freiheit, das Recht der Personen respektiert, und diese Personen seid ihr“ (II. Vat. Konzil, ebd:, Nr. 3). Ihr und die Personen, die - vergeßt das niemals -Kinder Gottes sind und auch den'anspruchsvollen’Namen „Brüder“ führen. 3. Dieser Weg des Einsatzes für den Menschen ist nicht einfach. Dafür zu arbeiten, um ihn zu erhöhen und seine Würde immer anerkannt und respektiert zu sehen, ist eine Aufgabe, die hohe Anforderungen stellt. Um bei ihr auszuharren, bedarf es einer tiefen Motivierung, die die Trägheit und den Skeptizismus, den Zweifel und das herablassende Lächeln dessen zu überwinden vermag, der sich in seine Bequemlichkeit zurückzieht oder den, der zur Nächstenhebe fähig ist, für naiv hält. Für euch, junge Christen, ist die Gründmotivierung, die eure Handlungen verändern kann, euer Glaube an- Christus. Er lehrt euch, daß es sich lohnt, sich darum zu bemühen, besser zu sein; daß es sich lohnt, für eine gerechtere Gesellschaft zu arbeiten; daß es sich lohnt, den Unschuldigen, den Unterdrückten, den Armen zu verteidigen; daß es sich lohnt zu leiden, um das Leid der anderen zu lindern; daß es sich lohnt, den Menschenbrüder immer mehr zu schätzen. Es lohnt sich, weil der Mensch nicht das armselige Geschöpf ist, das lebt, leidet, sich freut, ausgebeutet wird und sein Leben mit dem Tod beendet, sondern ein Bild'Gottes, berufen zur ewigen Freundschaft mit ihm: ein Geschöpf, das Gott liebt und von dem er geliebt werden will. Ja, Gott verlangt nicht nur, daß er respektiert, geachtet wird - was der erste und grundlegende Schritt ist -, sondern daß er von seinesgleichen geliebt werde. Das ist das höchste Ziel, zu dem uns unser christlicher Glaube aufruft, das ist der Weg, der zum Herzen des Menschen führt und der in das Wohlgefallen Gottes an ihm mündet. Deshalb ging es dem Konzil darum, daß die Gesellschaft ihren alten und immer neuen Schatz verbreiten solle: den Glauben (eM; Nr. 4). 4. Die Kirche vertraut darauf, daß ihr imstande seid, auf diesem Weg Starkmut und Beherztheit, Ausstrahlungskraft und Ausdauer zu bewei- 295 REISEN sen. Und daß ihr mit dem großartigen Einsatz für das Gute und beseelt von eurem Glauben in der Lage sein werdet, den Philosophien des Egoismus, der Konsumsucht, der Verzweiflung, des Nichts, des Hasses und der Gewalt zu widerstehen (ebd., Nr. 4). Ihr kennt die bitteren Früchte, die die Gewalt hervorbringt. Wie viele Tränen, wieviel Blut wurden wegen der Gewalt, Frucht des Hasses und des Egoismus, vergossen! Der junge Mensch, der sich vom Egoismus beherrschen läßt, verengt seinen Horizont, schwächt seine sittlichen Kräfte, zerstört seine Jugend und verhindert ein angemessenes Wachstum seiner Persönlichkeit. Umgekehrt ist die echte, wahre Person weit davon entfernt, sich in sich selbst zu verschließen; sie ist offen für die anderen; sie wächst, reift und entfaltet sich in dem Maß, in dem sie dient und sich hochherzig aufopfert. Hinter dem Egoismus wird die Philosophie des Konsumismus sichtbar. Wie viele junge Menschen werden unglücklicherweise vom Strom der Genußsucht mitgerissen, die sich ihnen als höherer Wert vorstellt; sie führt sie zu sexueller Hemmungslosigkeit, zum Alkoholismus, zur Droge und zu anderen Lastern, die ihre blühende Kraft zerstören und ihre Fähigkeiten schwächen, Reformen in Angriff zu nehmen, die in der Gesellschaft dringend notwendig sind. Natürliche Folge des Egoismus und der absoluten Genußsucht ist die Verzweiflung, die schließlich zur Philosophie vom Nichts führt. Der echte Jugendliche bringt in seinem Leben die Hoffnung hervor und stärkt sie. Er ist davon überzeugt, daß Gott ihn in Christus ruft, sich voll zu verwirklichen bis zum vollkommenen Menschen und zur Reife der Fülle und Vollendung (vgl. Eph 4, 13). 5. Und was soll ich euch, liebe junge Leute, von den Schrecken des Hasses und der Gewalt sagen? Es ist eine traurige Tatsache, daß zur Zeit ein großer Teil Zentralamerikas die bitteren Früchte der Saat einsammelt, die von Ungerechtigkeit, Haß und Gewalt gesät wurde. Angesichts dieser schmerzlichen Situation voll Tod und Gewalttätigkeit empfindet der Papst die dringende Notwendigkeit, vor euch jungen Leuten das Wort Christi zu wiederholen: „Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander heben“ (Joh 13, 34). Und auch das Wort, das mein Vorgänger Paul VI. in Bogota feierlich verkündet hat: „Die Gewalt ist weder christlich noch evangelisch“ (Ansprache am 23. August 1968). Ja, ihr, liebe junge Leute, habt die schwere Verantwortung, die Kette des Hasses, der Haß erzeugt, und der Gewalt, die Gewalt hervorbringt, zu 296 REISEN zerbrechen. Ihr müßt eine bessere Welt schaffen als die eurer Vorfahren. Wenn ihr das nicht tut, wird weiter Blut fließen; und morgen werden die Tränen vom Schmerz eurer Kinder zeugen. Ich fordere euch daher als Bruder und Freund auf, mit der ganzen Kraft eurer Jugend gegen Haß und Gewalt anzukämpfen, bis wieder die Liebe und der Friede in euren Nationen hergestellt sind. Ihr seid aufgerufen, die anderen die Liebe zu lehren, die christliche Liebe, die zugleich menschlich und göttlich ist. Ihr seid aufgerufen, den Haß durch die Gesellschaft im Zeichen der Liebe zu ersetzen. Das könnt ihr durch den leuchtenden Weg der echten Freundschaft verwirklichen, von der es immer zum Höchsten und Erhabensten führt; der Freundschaft, die ihr von Christus lernt, der immer euer Vorbüd und großer Freund sein muß. Und indem ihr mit Entschlossenheit alle zurückweist, die sich an den Haß und seine Äußerungen als Mittel zur Gestaltung einer neuen Gesellschaft halten. 6. Die Konzilsbotschaft fordert euch auch auf, nicht dem Atheismus nachzugeben, einer „Ermüdungs- und Alterserscheinung“ {ebd., Nr. 4). Thm gegenüber müßt ihr, starke Jugendliche, den Glauben bekräftigen „an das, was dem Leben Sinn gibt: die Gewißheit von der Existenz eines gerechten und gütigen Gottes“ {ebd.). Ihr müßt den Glauben in eurem Leben bekunden, indem ihr andere durch ein lebendiges, frohes, zuversichtliches und hoffnungsvolles Zeugnis bereichert, das den ansteckt, der euch sieht. Euer jugendliches und mutiges christliches Zeugnis, das keine Menschenfurcht kennt, enhält große Kraft zur Evangelisierung. Sie soll eure Lebenshaltung sein. Wenn ihr diesem Programm treu bleibt, werdet ihr die Freude dessen empfinden, der für das Gute kämpft und leidet; der den anderen den Grund seiner Hoffnung mitteilt; der in jedem Menschen dem Antlitz Christi begegnet; der ständig seine innere Jugend erneuert; der vor einer Welt, die danach sucht, vielleicht ohne es zu wissen, eine Botschaft des Optimismus verkündet: Auch in unseren Tagen ist Jesus von Nazaret die Quelle und Inspiration der Wahrheit, der Würde, der Gerechtigkeit und der Liebe. Eine einfache Synthese 7. Meine heben Freunde! Ich weiß aus meiner Erfahrung als Universitätsprofessor, daß ihr Gefallen an konkreten Synthesen habt. Das zusammenfassende Programm dessen, was ich euch gesagt habe, ist sehr einfach: 297 REISEN Es umfaßt ein Nein und ein Ja: Nein zum Egoismus; Nein zur Ungerechtigkeit; Nein zum Genuß ohne moralische Normen; Nein zur Verzweiflung; Nein zum Haß und zur Gewalt; Nein zu den Wegen ohne Gott; Nein zu Verantwortungslosigkeit und Mittelmäßigkeit. Ja zu Gott, zu Jesus Christus; zur Kirche; Ja zum Glauben und zur Verpflichtung, die er einschließt; Ja zur Achtung der Würde, der Freiheit und der Rechte der Personen; Ja zu dem Bemühen, den Menschen zu erhöhen und ihn zu Gott zu führen; Ja zur Gerechtigkeit, zur Liebe, zum Frieden; Ja zur Solidarität mit anderen, besonders mit den Bedürftigsten; Ja zur Hoffnung; Ja zu eurer Pflicht, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. 8. Bedenkt, daß man, um in der Gegenwart zu leben, auf die Vergangenheit blicken muß, damit man sie im Blick auf die Zukunft überwindet. Die Zukunft Zentralamerikas wird in euren Händen liegen; zum Teil tut sie es schon: Zeigt euch der großen Verantwortung würdig. Möge euch Jesus Christus immer mit seinem Wort und Beispiel inspirieren. Nehmt sie mit Hochherzigkeit, mit Begeisterung an und setzt sie in die Praxis um. Befolgt den Rat des Apostels Jakobus: „Hört das Wort nicht nur an, sondern handelt danach; sonst betrügt ihr euch selbst. Wer das Wort nur hört, aber nicht danach handelt, ist wie ein Mensch, der sein eigenes Gesicht im Spiegel betrachtet: Er betrachtet sich, geht weg, und schon hat er vergessen, wie er aussah“ ( Jak 1, 22-24). Der Segen Gottes und mein Gebet werden euch bei dieser Aufgabe begleiten. Die Jungfrau Maria, die Mütter Christi, unseres Erlösers, möge eure Begleiterin, eure Schwester, eure Freundin, eure Vertraute, eure Mutter sein, heute;und immer. Amen. 298 REISEN Ermutigung mit einem Wort der Liebe Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Managua (Nicaragua) am 4. März Verehrte Mitglieder der Junta für den nationalen Wiederaufbau, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mein erster Gedanke beim Betreten des Bodens von Nicaragua ist voller Dank an Gott gerichtet, der mir die Möglichkeit schenkt, dieses Land der Seen und Vulkane und insbesondere dieses edle Volk, das so reich ist an Glauben und christlichen Traditionen, zu besuchen. Ich entbiete auch allen Autoritäten meinen Gruß. Und meinen aufrichtigen Dank der regierenden Junta für den nationalen Wiederaufbau, die mich in dieses Land eingeladen hat und deren Mitglieder sich beehrten, mich bei dieser apostolischen Reise zu empfangen und willkommen zu heißen. Ebenso grüße ich meine Brüder im Bischofsamt, die Bischöfe der Kirche Christi in Nicaragua, und an erster Stelle den lieben Msgr. Miguel Obando Bravo, Erzbischof der Diözese, die mich empfängt, und Vorsitzender der Bischofskonferenz. Sie haben mich wiederholt zu einem Besuch ihres geliebten Landes eingeladen. Mein Gruß aber dehnt sich mit Liebe auf das ganze Volk von Nicaragua aus: nicht nur auf die, die kommen konnten, um mich zu treffen oder mich in diesem Augenblick auf verschiedene Weise zu hören; nicht nur auf die, die ich in Leon oder Managua in diesen Stunden, die ich gern verlängern würde, hier treffen werde, sondern besonders auf die Tausende und Abertausende von Nicaraguanern, die nicht die Möglichkeit gehabt haben, zu den Orten des Zusammentreffens zu kommen, wie sie es gerne möchten; auf die, die das wegen der Entfernungen oder ihrer Tätigkeit nicht tun können; auf die, die von der Arbeit festgehalten sind; auf die Kranken, Alten und Kinder; auf die, die unter der Gewalt - gleich wo sie herkommt - gelitten haben oder leiden; auf die Opfer der Ungerechtigkeiten und auf die, die dem Wohl der Nation dienen. 2. Mich führt eine Mission religiöser Natur nach Nicaragua; ich komme als Botschafter des Friedens; als Verkünder der Hoffnung; als Diener des Glaubens, um die Gläubigen in ihrer Treue zu Christus und der Kirche zu stärken; um sie mit einem Wort der Liebe zu ermutigen, das die Geister mit (Gefühlferi der Brüderlichkeit ünd der Versöhnung erfülle. 299 REISEN Im Namen dessen, der aus Liebe sein Leben für die Befreiung und Erlösung aller Menschen gegeben hat, will ich meinen Beitrag zur Beendigung des Leidens der unschuldigen Völker in diesem Raum der Welt leisten; zur Beendigung der blutigen Auseinandersetzungen, des Hasses und der sterilen Anschuldigungen, so daß der ehrliche Dialog aufgenommen werden kann. Ein Dialog als konkretes und hochherziges Angebot zur Übereinkunft des guten Willens und nicht als mögliche Rechtfertigung für ein Fortdauern der Meinungsverschiedenheiten und der Gewalttaten. Ich komme auch, um einen Appell des Friedens an jene innerhalb oder außerhalb dieses geographischen Raumes - wo auch immer sie sich befinden - zu richten, die in irgendeiner Weise ideologische, ökonomische oder militärische Spannungen fördern, die eine freie Entwicklung dieser Völker behindern, die den Frieden, die Brüderlichkeit und den echten menschlichen, geistigen, sozialen, zivilen und demokratischen Fortschritt lieben. Ich vertraue diesen Besuch der Jungfrau Maria an, die von dem gläubigen Volk von Nicaragua unter dem Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis verehrt wird; und gleichzeitig erteile ich allen meinen herzlichen Segen. Die Gefahren gebührend einschätzen Predigt bei der Messe in Managua (Nicaragua) am 4. März Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind hier um den Altar des Herrn versammelt. Welche Freude ist es für mich, unter euch weilen zu dürfen, meinen geliebten Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Laien - alle um eure Hirten geschart -, hier im lieben Land Nicaragua, das durch Naturkatastrophen, die es getroffen haben, so hart mitgenommen wurde und so heroisch reagiert hat. Es hat tatkräftig und aktiv auf die Herausforderungen der Geschichte geantwortet, um eine Gesellschaft aufzubauen, die den materiellen Bedürfnissen und der transzendenten Dimension des Menschen entspricht. Ich grüße an erster Stelle mit herzlicher Zuneigung und Hochachtung den Hirten und Erzbischof der Stadt Managua, die übrigen Bischöfe und alle und jeden einzelnen von euch, alt und jung, reich und arm, Arbeiter und 300 REISEN Unternehmer, denn in euch allen ist Jesus Christus präsent, der „Erstgeborene unter vielen Brüdern“ (Röm 8, 29). Mit ihm „seid ihr bekleidet worden“ in eurer Taufe (vgl. Gal 3, 22), und so „seid ihr alle einer in Christus Jesus“ (Gal 3, 28). 2. Die in dieser Eucharistiefeier vorgetragenen Texte sprechen zu uns von der Einheit. Radikale Überwindung aller auflösenden Tendenzen Es geht vor allem um die Einheit der Kirche, das Volkes Gottes, der „Herde“ des einen Hirten; dann aber auch nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils um „die Einheit der ganzen Menschheit“, ist doch die Kirche für sie wie für die „innigste Vereinigung“ eines jeden Menschen „mit Gott“ gleichsam „Sakrament oder Zeichen“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 1). Das traurige Erbe der Spaltung unter den Menschen, von der Sünde des Hochmuts hervorgerufen (vgl. Gen 3, 5, 9), geht durch die Jahrhunderte hindurch weiter. Seine Folgen sind Kriege, Unterdrückungen, Verfolgung der einen durch die anderen, Haß und Konflikte aller Art. Jesus Christus kam hingegen, um die verlorene Einheit wiederherzustellen, damit nur „eine Herde“ und „nur ein Hirt“ (Joh 10, 16) seien. Er ist ein Hirt, dessen Stimme die Schafe „kennen“, während sie die der Fremden nicht kennen (Joh 10, 4-5). Er allein ist die „Tür“, durch die man eintritt (Joh 10, 1). Die Einheit ist so sehr innerer Grund für den Dienst Jesu, daß er sterben wollte, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11, 52). So lehrt uns der Evangeüst Johannes, der uns auch Jesus im Gebet zum Vater für die Einheit der Gemeinschaft, die er seinen Aposteln anvertrauen wollte, zeigt {Joh 17, 11-12). Jesus Christus hat mit seinem Tod, seiner Auferstehung und mit der Gabe seines Heiligen Geistes die Einheit unter den Menschen wiederhergestellt und sie auch seiner Kirche geschenkt, so daß sie nach der Lehre des Konzils „gleichsam das Sakrament, das heißt, Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ ist {Lumen gentium, Nr. 1). 3. Die Kirche ist die Familie Gottes (vgl. Dokument von Puebla, 238-249). Wie in einer Familie eine geordnete Einheit herrschen muß, so auch in der Kirche. In ihr hat keiner mehr Bürgerrecht als der andere: 301 REISEN weder Juden noch Griechen, weder Sklaven noch Freie, weder Männer noch Frauen, weder Arme noch Reiche, denn wir alle „sind einer in Christus Jesus“ (vgl. Gal 3, 22). Diese Einheit gründet sich auf „den einen Herrn, einen Glauben, einen Gott und Vater, der über allem, durch alle und in allem ist“, wie der Text des Epheserbriefes sagt, den wir eben gehört haben (Eph 4, 5), und wie ihr bei euren Gottesdiensten zu singen pflegt. Wir müssen die Tiefe und Festigkeit der Fundamente der Einheit schätzen, von der wir in der universalen Kirche zehren, aber auch in der Kirche ganz Zentralamerikas; die Ortskirche von Nicaragua aber muß ebenfalls unermüdlich nach dieser Einheit streben. Gerade deswegen müssen wir auch die Gefahren, die sie bedrohen, gebührend einschätzen sowie die Forderung, diese Einheit als Geschenk Gottes in Jesus Christus zu erhalten und zu vertiefen. Denn wie ich in meinem Brief an die Bischöfe Nicaraguas vom August sagte, ist dieses „Geschenk“ um so kostbarer, gerade weil es „zerbrechlich“ und „bedroht“ ist. 4. Tatsächlich wird die Einheit der Kirche in Frage gestellt, wenn sich den gewichtigen Faktoren, die sie bilden und tragen - der Glaube, das geoffenbarte Wort, die Sakramente, der Gehorsam gegenüber den Bischöfen und dem Papst, der Sinn für gemeinsame Berufung und Verantwortung für das, was in der Welt Christus gehört -, rein irdische Erwägungen entgegenstellen, unannehmbare ideologische Kompromisse, Optionen für das Zeitliche, ja sogar Auffassungen von der Kirche, die die wahre Auffassung ersetzen möchten. Ja, meine lieben Brüder in Zentralamerika und Nicaragua: Wenn ein Christ, wie immer sein Stand sein mag, irgendeine andere Lehre oder Ideologie der Lehre der Apostel und der Kirche vorzieht; wenn man aus diesen anderen Lehren das Kriterium für unsere Berufung macht; wenn man die Katechese, den Religionsunterricht und die Predigt nach eigenen Grundsätzen neu zu interpretieren sucht; wenn man „andere Lehrämter“ einrichtet, wie ich in meiner Eröffnungsansprache zur Konferenz von Puebla sagte (28. Januar 1979), dann wird die Einheit der Kirche geschwächt und die Ausübung ihrer Sendung, für alle Menschen „Sakrament der Einheit“ zu sein, schwieriger. Die Einheit der Kirche will und fordert von uns die radikale Überwindung all dieser auflösenden Tendenzen; sie will und fordert eine Überprüfung unserer Wertskala; sie will und fordert, daß wir unsere Lehrauffassungen und unsere Seelsorgsplanung dem Lehramt der Kirche unterwerfen, das 302 REISEN vom Papst und den Bischöfen ausgeübt wird. Das gilt auch auf dem Gebiet der Soziallehre der Kirche, die von meinen Vorgängern und mir selber entwickelt wurde. Kein Christ - und gar einer, der von Berufs wegen der Kirche besonders geweiht ist - kann die Verantwortung für den Bruch dieser Einheit auf sich nehmen, dadurch, daß er teilweise oder ganz gegen den Willen der Bischöfe handelt, „die der Heilige Geist bestellt hat,. . . die Kirche Gottes zu leiten“ (vgl. Apg 20, 28). Dies gilt in jeder Lage und in jedem Land, und kein Entwicklungsprozeß oder soziales Förderungsprogramm darf berechtigterweise die Identität und religiöse Freiheit eines Volkes, die transzendente Dimension der Person des Menschen sowie den heiligen Charakter der Sendung der Kirche und ihrer Diener aufs Spiel setzen. Um der Einheit willen auf eigene Ideen verzichten 5. Die Einheit der Kirche ist Werk und Gabe Jesu Christi. Sie wird auf ihn hin und um ihn aufgebaut. Doch Christus hat den Bischöfen einen sehr wichtigen Dienst an der Einheit in ihren Ortskirchen anvertraut (vgl. Lumen gentium, Nr. 22) - die Einheit der Kirche zu fördern und so in dieser Einheit die Gemeinschaften und Gruppen aufzubauen, die verschiedenen besonderen Einheiten und Gruppen von Personen, wie es sie in einer Ortskirche und in der großen Gemeinschaft der universalen Kirche gibt. Ich unterstütze euch in diesem Bemühen um die Einheit, das sich bei eurem nächsten „Ad-limina“-Besuch noch festigen wird. Ein Prüfstein für die Einheit der Kirche an einem bestimmten Ort ist die Achtung vor den pastoralen Weisungen der Bischöfe an ihren Klerus und an die Gläubigen. Dieses organische pastorale Vorgehen ist eine wichtige Garantie für die kirchliche Einheit. In Pflicht genommen sind hier vor allem die Priester und Ordensleute und die anderen Mitarbeiter in der Seelsorge. Doch die Verpflichtung, die Einheit aufzubauen und zu bewahren, liegt auch in der Verantwortung sämtlicher Güeder der Kirche, die durch die eine Taufe, in dem einen Glaubensbekenntnis, im Gehorsam gegenüber ihrem Bischof und dem Nachfolger des Petrus verbunden sind. Liebe Brüder, bedenkt wohl, daß es Fälle gibt, in denen sich die Einheit nur wahren läßt, wenn jeder einzelne: bereit ist, auf eigene Ideen, Pläne und Ziele - obwohl sie gut sind, aber erst recht, wenn ihnen der notwendige Bezug zur Kirche fehlt - zu verzichten, um das höhere Gut der 303 REISEN Gemeinschaft mit dem Bischof, dem Papst und der ganzen Kirche zu wahren. Eine gespaltene Kirche kann nämlich, wie ich schon in meinem Brief an eure Bischöfe sagte, nicht ihre Sendung, „Sakrament, d. h., Zeichen und Werkzeug der Einheit im Land zu sein“, erfüllen. Daher sprach ich dort davon, wie „absurd und gefährlich“ es wäre, sich eine andere Kirche vorzustellen - gleichsam neben der, um nicht zu sagen gegen die Kirche, die um den Bischof sich aufbaut. Die andere Kirche soll dann nur noch „charismatisch“, nicht mehr Institution sein, „neu“, nicht mehr traditionell, „alternativ“, und wie es jetzt heißt, „Volkskirche“. Ich möchte diese Worte hier vor euch noch einmal betonen. Die Kirche muß einig bleiben, um den verschiedenen direkten oder indirekten Formen des Materialismus gewachsen zu sein, die sich ihrer Sendung in der Welt entgegenstellen. Wir müssen einig bleiben, um die wahre Botschaft des Evangeliums -nach den Normen der Überlieferung und des Lehramtes - verkünden zu können, frei von Entstellungen durch irgendeine menschliche Ideologie oder ein politisches Programm. Das so verstandene Evangelium führt zum Geist der Wahrheit und der Freiheit der Kinder Gottes, die sich nicht verwirren lassen von irreführender oder modischer Propaganda, weil die Kirche den Menschen für das ewige Leben erzieht. 6. Die Eucharistie, die wir feiern, ist selbst Zeichen und Ursache der Einheit. Obwohl wir viele sind, sind wir doch eins, wir alle, „die wir an dem einen Brot teilhaben“ (1 Kor 10, 17), das der Leib Christi ist. Im Eucharistischen Hochgebet, das wir in wenigen Augenblicken sprechen, bitten wir den Vater, daß wir durch die Teilnahme am Leib und Blut Christi „ein Leib und ein Geist“ werden (III. Eucharistisches Hochgebet). Um das zu erreichen, ist der ernste und ausdrückliche Wille nötig, den grundlegenden Charakter der Eucharistie als Zeichen der Einheit und Band der Liebe zu achten. Man feiert deswegen die Eucharistie nicht ohne den Bischof oder den rechtmäßigen Zelebranten, d. h. den Priester, der in seiner Diözese der eigentliche Vorsitzende einer Eucharistiefeier ist, die diesen Namen verdient (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 1). Die Eucharistie wird auch nicht gebührend vollzogen, wenn dieser Bezug zur Kirche verändert oder verfälscht wird, weil man die liturgische Struktur der Feier mißachtet, wie sie von meinen Vorgängern und mir selbst festgelegt wurde. Eine Eucharistiefeier, die man in den Dienst der eigenen Ideen und Meinungen oder 304 REISEN von Zielsetzungen stellt, die ihr fremd sind, ist nicht mehr die Eucharistiefeier der Kirche. Statt zu einen, spaltet sie. Möge diese Eucharistiefeier, die ich jetzt selbst als Nachfolger des heiligen Petrus und „Fundament der sichtbaren Einheit“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 18) feiere und an der eure Bischöfe, geschart um den Papst, teilnehmen, euch als Beispiel und neuer Antrieb dienen für eure Haltung als Christen. Liebe Priester! Erneuert ebenfalls eure Einheit untereinander und mit euren Bischöfen, damit sie gleichzeitig in euren Gemeinden bewahrt und gestärkt wird. Ihr Ordensleute, steht immer einmütig zur Person und zu den Weisungen eurer Bischöfe. Möge der Dienst aller für die Einheit ein echter Seelsorgsdienst für die Herde Jesu Christi sein und in seinem Namen vollzogen werden. Ihr Bischöfe, steht euren Priestern immer so nahe als möglich. 7. In diesen Zusammenhang gehört auch der echte Ökumenismus oder das Wirken für die Einheit unter allen Christen und christlichen Gemeinschaften. Einmal mehr sage ich euch, daß sich diese Einheit nur auf Jesus Christus gründen kann, auf die eine Taufe (vgl. Eph 4, 5) und auf das gemeinsame Glaubensbekenntnis. Das Bemühen, die volle Gemeinschaft unter allen Christen herzustellen, kann keinen anderen Bezugspunkt und keine anderen Kriterien haben, es muß auch immer in echter Zusammenarbeit und aufrichtiger Suche erfolgen. Es darf nichts anderem dienen, als für Jesus Christus Zeugnis zu geben, „damit die Welt glaube“ (vgl. Joh 17, 21). Aufbau einer illusorischen Einheit führt nur zu neuen Spaltungen Eine andere Zielsetzung oder eine andere Orientierung des Ökumenismus kann nur zum Aufbau einer illusorischen Einheit und letztlich zu neuen Spaltungen führen. Wie schmerzlich wäre es, wenn gerade das, was zum Aufbau der Einheit unter den Christen dienen soll und eine der seelsorglichen Prioritäten der Kirche in diesem Augenblick ihrer Geschichte ist, infolge menschlicher Kurzsichtigkeit oder falscher Kriterien zur Quelle neuer und schlimmerer Spaltungen würde! Der hl. Paulus mahnt uns deswegen im eben gelesenen Text, „die Einheit des Geistes im Band des Friedens zu bewahren“ (Eph 4, 3). Ich wiederhole vor euch diese Mahnung und nenne erneut Grundlagen und Ziel dieser Einheit. „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein 305 REISEN Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alle und in allem ist“ (Eph 4—5). 8. Liebe Brüder! Ich habe zu euch von Herz zu Herz gesprochen. Ich habe euch die Berufung und Sendung zur kirchlichen Einheit ans Herz gelegt und sehr empfohlen. Nun bin ich sicher, daß ihr, das Volk von Nicaragua, die ihr der Kirche immer treu geblieben seid, es auch in Zukunft sein werdet. Der Papst, die Kirche, erwartet sich das von euch. Dies erbitte ich auch von Gott für euch mit großer Liebe und Zuversicht. Möge die Fürbitte Mariens, der „Purissima“, wie ihr sie mit einem sehr schönen Namen nennt, die außerdem Patronin Nicaraguas ist, euch helfen, immer dieser Berufung zur Einheit und Treue in der Kirche voll zu entsprechen. Amen. Vorrang der Familie in der Erziehung ist Ausdruck und Garantie der Freiheit Predigt beim Wortgottesdienst für die Laien in Leon (Nicaragua) am 4. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Auf dem Gelände der medizinischen Hochschule der Stadt Leon, in die ich komme, weil sie Sitz der ältesten Diözese des Landes ist, habe ich die Freude, mit euch, dem Landvolk, zusammenzutreffen. Ich begrüße euch ganz herzlich, insbesondere die, die Gewalt - die oft über euch hereinbricht - oder Naturkatastrophen erlitten haben. Ich begrüße ganz besonders den lieben Bischof dieser Diözese, die übrigen Bischöfe und die ganze Kirche Gottes in Leon und Umgebung. Im Gesamtplan meiner Reise in dieser geographischen Region habe ich vor, eine eigene Ansprache an die Campesinos von Panama aus zu halten. Heute wende ich mich an die, die sich in Nicaragua und den anderen Ländern in der einen oder anderen Weise der Glaubenserziehung widmen, einer Aufgabe, die zum Teil jeden Christen angeht und die alle lebhaft berührt. 306 REISEN Das Leben, die Nation und die Kirche stehen auf dem Spiel Gleich zu Beginn spreche ich euch, liebe Erzieher, meine große Hochachtung für eure wertvolle und wichtige Sendung aus. Ihr sollt euch - nicht ohne berechtigten Stolz - als Fortführende einer jahrhundertealten und fruchtbaren Erziehungsarbeit betrachten, die von der Kirche im Zusammenhang mit der Dynamik der Evangelisierung und Förderung des Menschen entfaltet wurde. War etwa nicht - und ist nicht immer noch - die Erziehung eine der großen Sorgen und Bestrebungen der Kirche seit der frühen Geschichte der verschiedenen amerikanischen Völker? Zahlreich waren in der Tat ihre Früchte bei der Gründung, Leitung und Beseelung erzieherischer Einrichtungen auf allen Ebenen; und bei der Mitwirkung an immer umfassenderer Alphabetisierung und Schulung - in früheren Zeiten wie in der jüngsten Vergangenheit —, womit sie zum größeren sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Fortschritt eurer Nationen beitrug. Die Erziehung, die zu eurer Tradition und Würde gehört, ist auch eine große Verantwortung in der Gegenwart und auf die Zukunft hin orientiert. Denn euch ist die ganze Bildung der jungen Generationen übertragen, die von tiefgehenden Veränderungen und Spannungen erschüttert werden. Hier steht in hohem Maß das Leben und die Zukunft der Nation und auch der Kirche auf dem Spiel. Darum spreche ich hier den vielen erzieherisch tätigen Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, die gestern, heute und gewiß auch morgen sich voll Entsagung und Begeisterung, in Treue zu ihrer menschlichen Berufung und ihrem christlichen Glauben dieser Aufgabe widmen, Anerkennung und Dank aus. 2. Heute will ich mich jedoch besonders an die Laien wenden, die ihre Berufung zur Heiligkeit und zum Apostolat im Erzieherberuf leben. Mit Recht hat das Zweite Vatikanische Konzil die Laien dazu angespornt, ihre Verantwortung als Getaufte ernst zu nehmen, indem sie ihren Glauben fruchtbar bezeugen und alle Bereiche der zeitlichen Ordnung mit den Werten des Evangeliums durchtränken (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7). Darunter auch die Schule, denn „der Dienst der Lehrer ist im wahren Sinn des Wortes Apostolat . . . und zugleich ein echter Dienst an der Gesellschaft“ (Gravissimum educationis, Nr. 8). Mit Recht hat daher die Kongregation für das katholische Bildungswesen kürzlich ein Dokument mit dem Titel herausgebracht „Der katholische Laie - Zeuge des Glaubens in der Schule“, dessen Lektüre ich euch empfehle, weil es euch als große Hüfe dienen kann. 307 REISEN Man könnte sagen, daß die Erziehungsaufgabe dem Laien gleichsam angeboren ist. Denn sie ist aufs engste mit seinen ehelichen und familiären Verantwortlichkeiten verknüpft. In der Tat nehmen die Laien kraft ihres ersten und ursprünglichen Rechtes und der Pflicht, ihre Kinder zu erziehen, an der Sendung der Kirche teil: zu erziehen, zu evangelisieren und zu heiligen (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3; Familiaris consortio, Nr. 36-42). Und es gibt nicht den geringsten Zweifel, daß die Schule die Ergänzung der im Schoße der eigenen Familie erhaltenen Erziehung ist. So sieht das die Kirche, wenn sie die Vorrangstellung der Familie in der Erziehung betont. Darum forderte ich selbst bei meinem Besuch am Sitz der UNESCO vor zweieinhalb Jahren „das Recht, das allen Familien zusteht, nämlich ihre Kinder in Schulen erziehen zu lassen, die ihrer Weltanschauung entsprechen, und zumal das strenge Recht, als gläubige Eltern ihre Kinder nicht in den Schulen Lehrprogrammen ausgesetzt zu sehen, die vom Atheismus geprägt sind“ (Ansprache am Sitz der UNESCO in Paris am 2. Juni 1980, Nr. 18, in O.R. dt. vom 6. 6. 1980, S. 6). Kultur schaffen und aufnehmen Es ist jedoch logisch, daß die Eltern die Pflicht haben, im Rahmen der Familie auch den Glauben weiterzugeben, vor allem dann, wenn das in der Schule nicht in entsprechender Weise geschehen kann. Mehr noch, jeder christliche Laie muß die Verantwortung spüren, von seinem Glauben Kunde zu geben und durch sein Beispiel und sein Wort Träger dieses Glaubens in allen Bereichen zu sein. Die Freiheit der Familien und die Lehrfreiheit im Erziehungsprozeß haben ihre Grundlage in einem natürlichen Recht des Menschen, das niemand ignorieren kann. Denn es handelt sich ja weder um ein Privileg, das beansprucht wird, noch um ein Zugeständnis des Staates, sondern um den Ausdruck und die Garantie einer Freiheit, die von dem Gesamtkomplex institutionalisierter Freiheiten nicht zu trennen ist. Helft daher als katholische Erzieher mitwirkend und ergänzend im Sendungsauftrag der Familie für die ganzheitliche Bildung der jungen Generationen mit. So helft ihr mit, ein Vaterland aus freien und für ihr Sein und Schicksal bewußt verantwortlichen Menschen aufzubauen. 3. Eure christliche Berufung und von daher euer Erzieherberuf sollen euch durch die verantwortungsvolle Ausübung der Freiheit zur Vermittlung der Wahrheit und zur Suche nach ihr führen. Sie ist das innerste 308 REISEN Erfordernis der Freiheit, Mittelpunkt und Horizont der ganzen Kultur und Kulturvermittlung; ein Erfordernis auch des Glaubens, der, bewußt aufgenommen, tief durchdacht und treu gelebt, Kultur schafft und aufnimmt. Deshalb verfällt die Erziehung, wenn sie zu bloßem „Unterricht“ abgewertet wird. Denn die bloß pragmatische Anhäufung von Techniken, Methoden und Informationen kann den Hunger und Durst des Menschen nach Wahrheit nicht befriedigen; statt für das zu arbeiten, was der Mensch „sein“ muß, arbeitet sie einseitig für das, was dem Menschen im Bereich des „Habens“, des „Besitzens“ dienen kann (vgl. Ansprache vor der UNESCO, a.a.O., Nr. 13). Der Schüler steht so vor einer widerspruchsvollen Heterogenität der Dinge, verwirrt, unschlüssig und wehrlos gegenüber der Möglichkeit politischer und ideologischer Manipulationen. Leidenschaftliche Liebe zur Wahrheit muß die Erziehungsaufgabe über bloß „szientifische“ oder „laizistische“ Auffassungen hinaus beseelen. Sie muß dazu anhalten zu lehren, wie das Wahre vom Falschen, das Gerechte vom Ungerechten, das Moralische vom Unmoralischen, das, was den Menschen erhebt, von dem, was ihn manipuliert, zu unterscheiden ist. Das sind objektive Kriterien, die die Erziehung leiten sollen, und nicht außererzieherische Kategorien, die sich auf Instrumentalbegriffe der Aktion, des Könnens, des subjektiv Nützlichen oder Unnützen, des vom Freund oder Feind Gelehrten, des Fortschritts oder Rückschritts stützen. Echte Erziehung ist die Aufgabe des Erwachsenen, des Vaters und der Mutter, des Lehrers, der dem Schüler hilft, einen gemeinsamen Sinn der Dinge zu entdecken und sich nach und nach anzueignen, eine globale Annäherung an die Wirklichkeit, ein Angebot an Werten für das eigene Leben, betrachtet in seiner Integrität, Freiheit und Wahrheit. 4. Für den christlichen Erzieher ist — wie das vorhin zitierte Dokument der Kongregation für das katholische Bildungswesen sagt - „jede Wahrheit immer Teilhabe an der einzigen Wahrheit. Und die Vermittlung der Wahrheit als Verwirklichung seines Berufslebens ist für ihn wesentlich eine besondere Teilhabe an der prophetischen Sendung Christi, welche er mit seinem Unterricht fortsetzt“ {Der katholische Laie - Zeuge des Glaubens in der Schule, Nr. 16). Wenn die Erziehung ganzheitliche Bildung des Menschlichen ist und jede Erziehung, implizit oder explizit, eine bestimmte Auffassung vom Menschen voraussetzt, wird der katholische Erzieher seine Tätigkeit an der christlichen Sicht des Menschen inspirieren, dessen höchste Würde sich in 309 REISEN Jesus Christus, dem Sohn Gottes, Vorbild und Ziel des vollen menschlichen Wachstums offenbart. Der Mensch läßt sich in der Tat nicht auf ein bloßes Produktionsmittel beschränken, noch ist er lediglich Handelnder der politischen oder soziä-len Macht. Die Erziehungsaufgabe des Katholiken ermöglicht daher, aus dem Inneren seiner Dynamik „den wunderbaren Horizont der Antworten“ aufzuhellen, „die die christliche Offenbarung hinsichtlich des Sinns des Menschen selbst gibt“ (ebd., Nr. 28). Dieser ursprüngliche, der erzieherische Dienst des katholischen Laien nimmt in einer anspruchsvollen intellektuellen und lebendigen Synthese Gestalt an, die seinem Lehrberuf Konsequenz und Fruchtbarkeit gibt. Jeder Dualismus zwischen seinem Glauben und seinem persönlichen Leben, seinem Glauben und seiner Berufsarbeit würde jene Trennung zwischen Evangelium und Kultur widerspiegeln, die bereits Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi als eine der größten Tragödien unserer Zeit bezeichnete. Fürchtet euch also nicht - bei aufrichtiger Respektierung des Gewissens des Schülers -, die Botschaft Christi als Schlüssel und radikalen Sinn der gesamten menschlichen Erfahrung zu leben und zu verkünden. Hier reifen alle echten menschlichen Werte, die der Erzieher im sittlichen Bewußtsein des Schülers pflegt: das Bewußtsein von seiner eigenen Würde, sein Verantwortungsbewußtsein, sein Sinn für Solidarität, seine Verfügbarkeit für das Gemeinwohl, sein Gerechtigkeitssinn, seine Ehrenhaftigkeit und Rechtschaffenheit. In Christus offenbart sich die Wahrheit: des Menschen. Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Er ist unser Friede. 5. Ihr, christliche Erzieher, müßt Bildner freier Menschen sein, die der Wahrheit folgen, gerechte und loyale Staatsbürger und Friedensstifter sind. Erlaubt mir, daß ich mich einen Augenblick bei diesem letzten, für jede wahre Erziehung charakteristischen Zug auf halte. Ihr braucht keine Ideologien Ja, Stifter von Frieden und Eintracht entsprechend dem Geist der Seligpreisungen. Ihr sollt Schüler: mit weiten und frohen Herzen bilden, voll Liebe zum Vaterland und deshalb Friedensstifter. Denn einzig und allein die Versöhnung der Seelen wird in der Lage sein, sich über den Geist und die Dialektik der Feindseligkeit, der Gewalt - der hinterhältigen wie der offenen -, des Krieges, die Wege der Selbstzerstörung hinwegzusetzen. 310- REISEN Ich bete flehentlich und voll Vertrauen darum, daß der Herr - auch durch euch - Nicaragua, ganz Mittelamerika Frieden und Eintracht schenken und euch zu Friedensstiftern im Inneren der Nationen und in ihren gegenseitigen Beziehungen machen möge. 6. Liebe Erzieher! Ich weiß, daß ihr mit einer harten und schwierigen Aufgabe betraut seid. Denkt daran, daß der Herr euch begleitet. Die ganze Kirche ist euch sehr nahe. Ihr erfahrt Stärkung durch die reichen menschlichen und christlichen Kräfte eurer bewundernswerten Völker. Doch all das verlangt von euch, daß ihr imstande seid, in erster Linie echte Jünger des Meisters im wahrsten Sinne des Wortes zu sein. Leistet dem Ruf des Herrn keinen Widerstand, auch nicht in schwieriger Lage. Wachst im Herrn. Faßt Wurzeln in seinem Leib, der die Kirche ist. Nährt euch häufig mit den Sakramenten und den anderen geistlichen Hilfen, die sie bietet. Trinkt an ihrer Quelle der Wahrheit: der Wahrheit über Christus, über die Kirche, über den Menschen. Und bewahrt immer Bande der Treue zu euren Bischöfen. In eurer eigenen Identität gefestigt, seid Menschen des Dialogs und der hochherzigen Zusammenarbeit in allem, was echtes Wachstum im Frieden und in der Gerechtigkeit bedeutet, verbunden mit allen euren Brüdern. Und vergeßt nicht - wie ich bereits in Puebla aufzeigte - (vgl. Ansprache vom 28. Januar1979, II, 2) -, daß ihr keine Ideologien braucht, die eurem christlichen Stand widersprechen, um den Menschen lieben und ihn verteidigen zu können; denn im Mittelpunkt der Botschaft, die ihr lehrt, steht die Berufung zu seiner Würde. Praktiziert schließlich in allem die Liebe. So werdet ihr als treue Jünger des Titels Lehrer, Diener des nationalen Lebens, Söhne der Kirche würdig sein, des Titels Bürger dieser Gesellschaft im Zeichen der Liebe, von der wir wünschen, daß sie am Horizont aufziehen möge, auch in der Wirklichkeit Nicaraguas, Mittelamerikas, ganz Lateinamerikas. Voran mit Mut und Hoffnung! An der Hand Mariens, unserer Mutter. Mit meiner Liebe und meinem Segen. Amen. 311 REISEN Ein Weg menschlicher und christlicher Reifung Predigt bei der Messe für die Familien auf dem Flughafen Albrook Fields in Panama am 5. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gnade sei mit euch und Friede! Mit diesen Worten des hl. Paulus begrüße ich in der Liebe Christi den Bischof der Ortskirche, die mich heute aufnimmt, die anderen bischöflichen Brüder und das ganze an diesem Ort versammelte oder im Geist hier anwesende Gottesvolk. Die Eucharistiefeier versammelt heute viele christliche Familien Panamas, die auch diejenigen der anderen Länder Mittelamerikas, Belizes und Haitis vertreten. Zu ihnen komme ich auf dieser apostolischen Pilgerreise, um die Frohbotschaft des Planes Gottes hinsichtlich der Familie zu verkünden, die für die Kirche und für die Gesellschaft von so großer Bedeutung ist. Jede Eucharistie erneuert diesen Liebesbund Christi mit seiner Kirche, den der hl. Paulus als Vorbild der ehelichen Liebe der Christen hinstellt (vgl. Eph 5, 25.29.32). Bei dieser Messe, die euch vielleicht den Tag eurer Trauung in Erinnerung bringt, möchte ich gern, daß ihr euer Versprechen zu gegenseitiger Treue in der Gnade der christlichen Ehe erneuert. 2. Der Ehebund ist ein Geheimnis von tiefer Transzendenz; er ist ein ursprünglicher Plan des Schöpfers, den er der zerbrechlichen menschlichen Freiheit anvertraut hat. Die Lesung aus dem Buch Genesis hat uns auf ideale Art zur Quelle des Geheimnisses des Lebens und der ehelichen Liebe geführt: „Laßt uns Menschen machen als unser Abbild nach unserer Gestalt . . . Gott schuf also den Menschen als sein Abbüd; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Weib schuf er sie“ (Gen 1, 26-27). Gott erschafft den Mann und die Frau als sein Abbild und schreibt ihnen das Geheimnis der fruchtbaren Liebe ein, das seinen Ursprung in Gott selbst hat. Der Geschlechtsunterschied erlaubt die Ergänzung und fruchtbare Vereinigung der Personen: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und unterwerft sie euch“ (Gen 1, 28). Gott hat dem Menschen getraut; er hat ihm die Quelle des Lebens anvertraut; er hat den Mann und die Frau dazu berufen, an seinem 312 REISEN Schöpfungswerk mitzuarbeiten. Er hat in das menschliche Bewußtsein für immer seinen Wunsch, sein Verlangen nach Fruchtbarkeit im Rahmen einer ausschließlichen und festen Verbindung eingeprägt: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden sein ein Fleisch“ (Gen 2, 24). 3. Die Worte des Herrn, die wir im Evangelium gelesen haben, bestätigen den ursprünglichen Segen des Schöpfers über die Ehe: „Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein. Sie sind also nicht mehr zwei, sondern eins. Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ {Mt 19, 5-6). Diese Lehre des Meisters in bezug auf die Ehe wurde von der frühen Christengemeinde als eine Treueverpflichtung zu Christus inmitten der Verirrungen einer heidnischen Umwelt aufgenommen. Die Formulierung Jesu ist feierlich und kategorisch: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen“ {Mt 19, 6). Worte, die für jede rechtlich geschlossene Ehe gelten, besonders zwischen den Christen, für die die Ehe ein Sakrament ist. Was Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Die Zivilbehörde kann nicht, darf nicht trennen, was Gott mit seinem Siegel versehen hat. Auch dürfen oder können die christlichen Eheleute sich nicht trennen, die vor dem Altar einen unwiderruflichen Bund der Liebe geschlossen haben, der von Gott mit der Gnade des Sakraments bestätigt wurde. 4. Im Willen Christi, der sich in seinen Worten widerspiegelt, müssen wir mehr erkennen als ein äußerliches Gesetz; diese Worte enthalten den geheimnisvollen Plan Gottes im Hinblick auf die Eheleute. Die Ehe ist eine Geschichte gegenseitiger Liebe, ein Weg menschlicher und christlicher Reifung. Nur in der allmählichen Entfaltung der Personen kann sich eine Verwirklichung der Liebe vollziehen, die das gesamte Leben der Eheleute umfaßt. Der Weg ist schwierig, aber nicht unmöglich. Und die Gnade der Ehe schließt auch die Hilfe ein, die zur Überwindung der unvermeidbaren Schwierigkeiten nötig ist. Dagegen verletzt der Bruch des Ehebundes nicht nur das Gesetz Gottes, sondern unterbricht auch den Prozeß der Reifung, die volle Verwirklichung der Personen. Darum ist eine gewisse Mentalität, die in die Gesellschaft eindringt und um einer bedingungslosen sexuellen Freiheit willen die Unbeständigkeit der Ehe und den Egoismus schürt, unannehmbar. 313 REISEN Die christliche Liebe der Eheleute hat ihr Beispiel, ihr Vorbild in Christus, der sich ganz der Kirche hingibt, und ist in sein österliches Geheimnis des Todes und der Auferstehung, des Liebesopfers, der Freude und der Hoffnung eingeschlossen. Selbst wenn die Schwierigkeiten wachsen, besteht die Lösung nicht in der Flucht, im Bruch der Ehe, sondern im Ausharren der Eheleute. Das wißt ihr aus eigener Erfahrung, liebe Ehemänner und Ehefrauen; die eheliche Treue formt und macht reif; sie offenbart die Kräfte der christlichen Liebe; sie schafft eine neue Familie - mit der Neuheit einer Liebe, die durch Tod und Auferstehung hindurchgegangen ist; sie ist der Prüfstein einer im Vollsinn christlichen Beziehung zwischen den Eheleuten, die lernen, sich mit der Liebe Christi zu lieben; sie ist die Garantie einer stabilen Atmosphäre für die Erziehung und Ausgeglichenheit der Kinder. 5. Der hl. Apostel Paulus hat uns an die Quelle und das Vorbild dieser ehelichen Liebe erinnert, die sich in gegenseitige Innigkeit und liebevolle gegenseitige Sorge der Ehepartner verwandelt: „Dies ist ein tiefes Geheimnis, ich beziehe es auf Christus und die Kirche. Was euch angeht, so liebe jeder von euch seine Frau wie sich selbst, die Frau aber ehre den Mann“ (.Eph 5, 32-33). Während sie den Blick fest auf Christus gerichtet haben, erstarken die Liebe und Zuneigung der Eheleute in diesem geheimnisvollen Heilsplan der Gnade. „Keiner hat je seinen Leib gehaßt, sondern er nährt und pflegt ihn, wie auch Christus die Kirche“ {Eph 5, 29). So lernen die Eheleute, sich mit wahrer Liebe anzuschauen, die in der Sorge, Rücksicht und Aufmerksamkeit für den anderen zum Ausdruck kommt. Sie erkennen, daß jeder von ihnen durch eine persönliche Beziehung mit Gott verbunden ist; und beide sind durch die Gegenwart Christi und die Gnade des Geistes verbunden, um füreinander zu leben; in einem Heilsplan des Lebens, der sich in Hingabe an die Kinder verwandeln und ein Weg der Heiligung in der Famüie sein soll. Daher wurde bereits in der christlichen Antike diese Dimension der Gnade dadurch angedeutet, daß man Christus inmitten der Ehegatten darstellte. Zum ,,Zeichen des Widerspruchs“ 6. Doch diese Gnade soll nicht nur innerhalb der Familie zum Ausdruck kommen. Sie muß Quelle apostolischer Fruchtbarkeit sein. Ja, die christlichen Eheleute müssen der Aufgabe der Evangelisierung im besonderen Bereich der Familie offenstehen. Geläutert durch die Erfahrung, gestärkt 314 REISEN durch die Gemeinschaft mit anderen Familien, werden sie evangelisiert und müssen ihrerseits zu Trägern der Evangelisierung der christlichen Familie werden, zu. Zufluchtszentren, zu Förderern des sozialen Fortschritts. Dazu wird man sich gewissenhaft um die Familienpastoral kümmern müssen, in der die Eheleute den Bischöfen eine großzügige und unentbehrliche Hilfe leisten. Vielfältig sind die Aufgaben, die es in dieser Familienpastoral zu verwirklichen gilt, wie ich in Familiaris consortio (Nr. 65-85) aufgezeigt habe. Sehr hilfreich werden bei dieser Aufgabe die Bewegungen und Gruppen für Ehespiritualität sein können, die in diesen Ländern zahlreich und aktiv sind und die ich zu ihrer Arbeit herzlich ermutige. 7. Ein wichtiger Aspekt des Familienlebens ist der der Beziehung zwischen Eltern und Kindern. In der Tat müssen die Autorität und der Gehorsam, die in der christlichen Familie gelebt werden, tief geprägt sein von der Liebe Christi und ausgerichtet auf die Verwirklichung der Personen. Der hl. Paulus faßt das in einem inhaltsschweren Satz zusammen: Arbeiten, um den Willen des Herrn zu erfüllen (vgl. Eph 6, 1-4), das heißt, nach seinem Willen, in seiner Gegenwart, denn er steht der Hauskirche, die die Familie ist, vor (vgl. Lumen gentium, Nr. 11). Nur auf dem Prüfstein der wahren Liebe lassen sich die Konflikte überwinden, die zwischen den Generationen auftreten. In der Geduld, in der Suche nach der Wahrheit können die Werte ausgebildet werden, die jene Worte ergänzen, deren Trägerin jede Generation ist. Dazu gehört, daß entsprechend den alten Überheferungen eurer Völker das gemeinsame Gebet nicht vernachlässigt wird, damit sie sich beständig im Guten und im Gefühl für Gott erneuern. In diesem Klima werden auch die notwendigen Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben gedeihen können, die Zeichen des. Segens und besonderen Wohlgefallens von seiten Gottes sind. 8. Liebe Ehemänner und Ehefrauen! Erneuert bei dieser Eucharistiefeier euer gegenseitiges Treueversprechen. Nehmt als besonderen Dienst in der Kirche die umfassende Erziehung eurer Kinder an. Arbeitet bei der Evangelisierung der Familie mit euren Bischöfen und Priestern zusammen. Und denkt immer daran, daß der echte Christ, auch auf die Gefahr hin, zum „Zeichen des Widerspruchs“ zu werden, die praktischen Optionen, die mit seinem Glauben übereinstimmen, richtig auswählen muß. Deshalb 315 REISEN wird er nein sagen müssen zu einer nicht durch die Eheschließung geheiligten Verbindung und zur Scheidung; er wird nein sagen zur Sterilisation, besonders dann, wenn sie irgendeiner Person oder ethnischen Gruppe mit falschen Begründungen auferlegt wird; er wird nein sagen zur Empfängnisverhütung, und er wird nein sagen zum Verbrechen der Abtreibung, die das unschuldige Leben tötet. Der Christ glaubt an das Leben und an die Liebe. Darum wird er ja sagen zur Unauflöslichkeit der ehelichen Liebe; ja zu dem in der rechtmäßig geschlossenen Ehe verantwortlich gesäten Leben; ja zum Schutz des Lebens; ja zur Stabilität der Familie; ja zum rechtmäßigen Zusammenleben, das die Gemeinschaft fördert und die ausgeglichene Erziehung der Kinder begünstigt; ja zur Unterstützung einer väterlichen und mütterlichen Liebe, die sich ergänzen und in der Bildung und Formung junger Menschen verwirklichen. Das Ja des Schöpfers, das von den Kindern Gottes angenommen wird, ist ein Ja zum Menschen. Es entsteht aus dem Glauben an den ursprünglichen Plan Gottes. Es ist ein echter Beitrag zum Aufbau einer Gesellschaft im Zeichen der Liebe, die sich gegenüber dem egoistischen Konsumismus, und des Lebens, das sich gegenüber dem Tod behauptet. Der Jungfrau, unserer Herrin, die ihr schlicht und innig Santa Maria nennt, empfehle ich euch, eure Familien, vor allem die Kinder und eure Kranken. Möge sie eure Familien zu einem Heiligtum Gottes machen, einer Heimstatt christlicher Liebe, einem Bollwerk der Verteidigung und Würde des Lebens. So soll es sein mit der Gnade des Herrn und mit meinem herzlichen Segen. „Die Kirche läßt euch nicht im Stich“ Predigt beim Wortgottesdienst mit den Campesinos im Stadion der Revolution in Panama am 5. März Liebe Brüder, Campesinos! 1. Von der Erde Panamas, von Penonome aus, richte ich meinen Blick auf euch und alle eure Arbeitsgefährten in Panama und in ganz Mittelamerika, Belize und Haiti, um euch hochachtungsvoll und herzlich zu grüßen. Um euch zu sagen, daß der Papst euch mit großer Freude besuchen kommt und glücklich ist, unter Campesinos, einfachen, ehr- 316 REISEN baren Menschen, zu weilen, unter Menschen, die eine tiefe Religiosität ausstrahlen. Laßt mich meinen herzlichen Gruß und mein Gedenken vor allem auf eure Ehefrauen und Kinder ausweiten; auf alle Familien der Kleinbauern und Landarbeiter, die ihr vertretet. Dieser Gruß will auch mein tiefer Dank für euren freundlichen Empfang sein, während ich euch gleichzeitig auffordere, immer getreuer euren Stand als Christen zu leben. 2. Die erste Überlegung, die ich mit euch anstellen möchte, ist die über eure Würde als Menschen und als Landarbeiter. Eine Würde, die, wie ich bereits in meiner Enzyklika Laborem exercens (Nr. 21) auf gezeigt habe, nicht unter der Würde dessen liegt, der in der Industrie oder in anderen Bereichen des sozialen und wirtschaftlichen Lebens arbeitet. Die Arbeit findet ihre Würde tatsächlich im Plan des Schöpfergottes. Gott hat den Menschen erschaffen und ihn zu seinem Abbild und zu seinem Kind gemacht. Er hat ihn erschaffen, damit er sich mit Hilfe seines Verstandes und seiner körperlichen Arbeit in der Stadt oder auf dem Lande vervollkommne, sich verwirkliche und auf ehrenhafte Weise den Lebensunterhalt für sich und seine Familie beschaffe. Und damit er mit seiner Arbeit zugleich dem Wohl seiner Brüder diene und zur Entwicklung der Gesellschaft beitrage. Kein Gefühl der Minderwertigkeit darf euch belasten Dieser göttliche Plan und die Würde, die er mitbringt, gelten in vollkommener Weise für die Landarbeit und die Situation des Menschen, der die Erde bebaut wie ihr; da ihr ja der Gesellschaft die nötigen Güter, die täglichen Grundnahrungsmittel bietet. Deshalb darf euch kein Gefühl der Minderwertigkeit hinsichtlich der Würde eurer Person und Lebensweise belasten. Sucht in dieser Überzeugung nach eurer eigenen Erhöhung, wissend um den Wert und die Achtung, die eure Aufgabe verdient, die im Geist des Dienstes am ganzen Menschen geleistet wird (vgl. Gaudium et spes, Nr. 64). Erinnert euch, daß Christus selbst körperliche Mühe erfahren wollte, indem er als einfacher Handwerker mit seinen Händen arbeitete (vgl. Mt 13, 55). 3. Die Kirche erfaßt und anerkennt diesen Wert eures Daseins als Campesinos. Und sie möchte euch nahe sein mit dem Licht des Glaubens, dem Ansporn der moralischen Werte, mit ihrer Stimme zur Verteidigung eurer Würde und Rechte. 317 REISEN In ihrer Soziallehre fordert sie Einzelpersonen und Institutionen, Staaten und internationale Organisationen unaufhörlich dazu auf, die notwendige Entwicklung und Förderung der landwirtschaftlichen Arbeit sicherzustellen, damit sie in harmonischer Weise wächst und die Mängel und Beschwerden, von denen die Menschen auf dem Land betroffen sind, beseitigt werden. Die heutige Anwesenheit des Papstes unter euch - die die meines Vorgängers Paul VI. in Bogota und meine eigenen Aufenthalte in Cuilapän (Mexiko) und Recife (Brasilien) fortsetzt - will ein neuer Beweis dieses Wunsches, dieses Verlangens sein, euch, euren Sorgen und Bestrebungen nahezusein. Ich komme nicht mit technischen oder materiellen Lösungen, die nicht in der Hand der Kirche liegen. Ich bringe die Nähe, die Sympathie, das Wort der Kirche mit, die solidarisch ist mit dem gerechten und edlen Grund eurer Würde als Menschen und als Kinder Gottes. Ich weiß um die Bedingungen eures unsicheren Daseins: Bedingungen, die für viele von euch Not und Elend bedeuten, ein Dasein, das oft unter den Grundbedürfnissen des menschlichen Lebens hegt. Ich weiß, daß die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Mittelamerika und in diesem Land sehr ungleichmäßig gewesen ist; ich weiß, daß die Landbevölkerung häufig auf einem niedrigen Lebensstandard belassen und nicht selten schlecht behandelt und schwer ausgebeutet wurde. Ich weiß, daß ihr euch eures niedrigen sozialen Standes bewußt seid und ungeduldig eine gerechte Verteilung der Güter zu erreichen sucht, ebenso wie mehr Anerkennung - die ihr verdient -, eurer Rolle und des Platzes, der euch in einer neuen Gesellschaft mit größerer Teilhabe gebührt (vgl. Ansprache Pauls VI. an die Campesinos von Kolumbien, 23. August 1968). 4. Es ist sicher, daß - darauf habe ich in Laborem exercens hingewiesen -„die Lebensbedingungen im ländlichen Bereich und in der landwirtschaftlichen Arbeit nicht überall die gleichen sind, wie auch die soziale Stellung der Landbevölkerung in den einzelnen Ländern unterschiedlich ist. Das alles hängt nicht nur vom Grad der Entwicklung der Agrartechnik ab, sondern ebenso und vielleicht noch mehr von der Anerkennung der berechtigten Ansprüche der Bauern und Landarbeiter und schließlich vom Bewußtseinsstand bei der gesamten sozialethischen Betrachtung der Arbeit“ (Nr. 21). Die aktuellen Zahlen können euch eine Vorstellung von diesem ernsten Problem geben. Wenn in der Mehrzahl der entwickelten oder industriali- 318 REISEN sierten Länder der modernisierte und mechanisierte landwirtschaftliche Bereich weniger als 10 Prozent der arbeitenden Bevölkerung umfaßt, so vertritt in vielen Ländern der Dritten Welt derselbe Bereich bis zu 80 Prozent der Gesamtbevölkerung mit einem herkömmlichen Agrarsystem, das kaum den Unterhalt sicherstellt. Anderseits weist aber auch die Bodenverteilung und -nutzung, die die Großgrundbesitzer, Kleinbauern und die Landarbeiter zusammenhält, von Land zu Land je nach dem gesellschaftlichen und politischen System Unterschiede auf. Bisweilen bestehen Privateigentum, Genossenschaften und Staatsuntemehmen nebeneinander. 5. Die Lage so vieler Campesinos erfüllt die Kirche mit Besorgnis. Darum forderte ich selbst in Mexiko zum Handeln auf, „um die verlorene Zeit wieder einzubringen, die oft eine Zeit verlängerter Leiden und unerfüllter Hoffnungen bedeutet“ {Ansprache in Cuilapän, 29. Januar 1979). Wie sollte man nicht erschüttert sein angesichts tragischer — und leider nur allzu wirklicher — Situationen, wie sie in meiner Enzyklika über die menschliche Arbeit beschrieben sind? „In manchen Entwicklungsländern sind Millionen von Menschen gezwungen, die Felder anderer zu bebauen, und werden dabei von den Großgrundbesitzern ausgenützt, ohne jede Hoffnung, einmal auch nur ein kleines Stück Erde ihr eigen nennen zu können. Es fehlt an Formen eines gesetzlichen Schutzes für die Person des Landarbeiters und für seine Familie im Fall von Alter, Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Lange Tagewerke harter Arbeit werden armselig bezahlt. Nutzbare Bodenflächen werden von den Besitzern brach hegengelassen. Rechtstitel für den Besitz eines kleinen Grundstücks, das der Landarbeiter seit Jahren für sich bebaute, werden übergangen oder sind schutzlos mächtigeren Personen oder Gruppen und ihrem ,Hunger nach Boden1 ausgesetzt“ {Laborem exercens, Nr. 21). Ich zweifle nicht an den Anstrengungen, die von vielen Politikern und Führern dieses und anderer Länder unternommen wurden, um eure Lage der Armut ernsthaft zu verbessern. Wenn es nötig sein wird, obliegt ihnen die Pflicht, rasch und gründlich zu handeln. Es gilt, kühne, zutiefst bahnbrechende Veränderungen durchzuführen. Es gilt, unverzüglich dringende Reformen vorzunehmen (vgl. Populorum progressio, Nr. 32). 319 REISEN Gewalt führt zu neuen Übeln Doch Handeln ist nicht nur Sache der Obrigkeiten und Behörden, sondern kommt auch euch und der ganzen Gesellschaft zu, indem eine gemeinsame Anstrengung, ein tatsächliches Zusammengehen aller lebendigen Kräfte des Landes unternommen wird, um die Strukturen für eine echte Entwicklung zu schaffen. Um dem ländlichen Bereich neue Werkzeuge und Mittel zuzuführen, die die Mühe des Landarbeiters erleichtern, die seine tägliche Begegnung mit dem Boden zu einer menschlicheren und erfreulicheren Situation machen, erhöhe man die Produktivität und bezahle die Mühe seiner Hände mit gerechten Löhnen. Auf diese Weise werden viele Kleinbauern und Landarbeiter, die heute von ihrer Verlassenheit, von der Armut und der Teilnahmslosigkeit, auf die sie stoßen, betroffen sind, nicht mehr länger auf die Stadt hinschielen, weil sie glauben, in ihr das zu finden, was das Land ihnen versagt hat. Und man wird vermeiden, in den Großstädten die Schar der Arbeitslosen weiter anwachsen zu sehen unter dem neuen Elend der sozialen Zersetzung. 6. Auf der Suche nach einer größeren Gerechtigkeit und nach eurer Förderung dürft ihr euch nicht von der Versuchung der Gewalt, der bewaffneten Guerilla oder des egoistischen Klassenkampfes fortreißen lassen; denn das ist nicht der Weg Jesu Christi, weder der Weg der Kirche noch der eures christlichen Glaubens. Manche haben Interesse daran, daß ihr eure Arbeit verlaßt, um zu den Waffen des Hasses und des Kampfes gegen eure anderen Brüder zu greifen. Ihnen dürft ihr nicht folgen. Wozu führt dieser Weg der Gewalt? Ohne Zweifel wird der Haß und die Entfremdung zwischen den sozialen Gruppen wachsen, wird sich die soziale Krise eures Volkes vertiefen, werden die Spannungen und Konflikte zunehmen bis hin zu einem unerträglichen Blutvergießen, wie es tatsächlich bereits geschehen ist. Mit diesen Methoden, die der Liebe Gottes, den Lehren des Evangeliums und der Kirche völlig entgegengesetzt sind, werdet ihr die Verwirklichung eurer edlen Bestrebungen unmöglich machen. Und es werden neue Übel moralischer und sozialer Zerrüttung hervorgerufen, die den Verlust der kostbaren christlichen Werte zur Folge haben. Euer berechtigter Einsatz für die Gerechtigkeit, für die materielle und geistige Entwicklung, für die tatsächliche Teilhabe am gesellschaftlichen und politischen Leben muß den von der Soziallehre der Kirche vorgezeichneten Richtlinien folgen, wenn ihr die neue Gesellschaft, die Gesellschaft der Gerechtigkeit und des Friedens, aufbauen wollt. Davon ab- 320 REISEN weichende Methoden und Wege werden nur neue Formen der Ungerechtigkeit verursachen, durch die ihr niemals den Frieden finden werdet, den ihr so sehr und mit vollem Recht ersehnt. Suche nach einer neuen Gesellschaft 7. Wie die Emmaus-Jünger, die glücklich waren, daß sie dem auf erstandenen Flerrn begegnet waren und ihn erkannt hatten, „als er das Brot brach“ (vgl. Lk 24, 35), sollt ihr, liebe Campesinos, die Freude erleben, mit euren Brüdern das Brot zu teilen. Ich weiß, daß ihr es fertigbringt, in Aktionen selbstloser Hilfe, die euch in hohem Maße auszeichnen und ehren, das Brot zu teilen. Es geht darum, auch euch Solidarität und eure gegenseitige Hilfsbereitschaft mitzuteilen, die Egoismen und Kleinlichkeiten zu überwinden, euren Glauben und eure Religiosität zu stärken und mitzuteilen. Das Brot, das der Bauer und Landarbeiter dem Erdboden entreißt, ist das Brot, das die Menschheit ernährt. Und es ist das Brot der Eucharistie, das die Kirche jeden Tag konsekriert und das sie allen ihren Söhnen und Töchtern zur Speise gibt, die es als Brüder im selben Glauben teilen wollen. Es ist das Brot, das uns in der Kirche vereint, das bewirkt, daß wir uns als Brüder und Söhne des einen selben Vaters fühlen. Es ist das Brot, das unseren Glauben nährt, während wir auf Pilgerschaft sind, und es ist Unterpfand der Hoffnung auf die ewige Glückseligkeit, auf die wir zugehen. Dieser dauernde Bezug auf Gott muß euren Einsatz und euer Bemühen zugunsten der Gerechtigkeit, der Liebe zum Menschen, der wirksamen Suche nach einer neuen Gesellschaft inspirieren, damit die Hoffnung endlich der unheilvollen Entfremdung ein Ende setzt, die jene, die viel besitzen, von denen trennt, die nichts haben. Ihr könnt sicher sein, daß die Kirche euch nicht im Stich lassen wird. Eure menschliche und christliche Würde ist ihr und dem Papst heilig. Sie wird weiterhin die Beseitigung der ungerechten Unterschiede, der despotischen Mißbräuche fordern. Sie wird weiterhin durch ihre Mitarbeit die Initiativen und Programme unterstützen, die auf eure Förderung und Entwicklung ausgerichtet sind. Möge die Jungfrau Maria, eure liebevolle Mutter, euch immer begleiten, euch beschützen, über eure Familien wachen, eure Bitten annehmen und für euch Fürsprache einlegen vor Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, in dessen Namen ich euch, geliebte Campesinos, mit unendlicher Liebe segne. Amen. 321 REISEN Friede nur in einem Klima des Gewaltverzichts Predigt bei der Messe in San Salvador am 6. März Geliebte Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind in diesem „Metro-Centro“ zusammengekommen, um am heutigen 3. Fastensonntag Eucharistie zu feiern. Euch und die ganze Kirche Christi, die in El Salvador auf dem Pilgerweg zum Vater ist - im besonderen den Oberhirten dieser geliebten Erzdiözese und die anderen Mitbrüder im Bischofsamt — möchte ich herzlich begrüßen. Diese Kirche, die sich in Einheit mit den Glaubensbrüdem in Mittelamerika und der ganzen Welt zusammen mit dem Papst um den Altar des Herrn versammelt, sucht ja in ihm die Wurzel ihrer Einheit, ihres Lebens und ihrer Hoffnung, die Quelle des Friedens und der Versöhnung. Denn der Christ glaubt an den Triumph des Lebens über den Tod. Daher ruft die Kirche, die österliche Gemeinschaft des Auferstandenen, der Welt immer wieder zu: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24, 5). Daher findet sie in ihm, in Christus, das Geheimnis ihrer Energie und ihrer Hoffnung. In ihm, der der „Fürst des Friedens“ ist (Jes 9, 5), der die Mauern der Feindschaft niedergerissen und durch sein Kreuz die zerstrittenen Völker versöhnt hat (vgl. Eph 2, 16). 2. Nachdem die Menschheit durch die Sünde verwundet wurde, war unsere innere Einheit zerrissen. Das Herz des Menschen entfernte sich von der Freundschaft mit Gott und wurde zum Schauplatz von Stürmen, Spannungen und Kämpfen. Aus diesem geteilten Herzen kommen alle Übel in die Gesellschaft und in die Welt. Diese Welt, die die Bühne für die Entfaltung des Menschen in der Liebe darstellen soll, leidet unter der Befleckung durch das „Geheimnis der Bosheit“ (vgl. Gaudium et spes, Nr. 103; vgl. 2 Thess 2, 7). Der Mensch, als Büd und Gleichnis Gottes geschaffen, mit einer klar ausgesprochenen Berufung zur Transzendenz, zur Suche nach Gott und zur brüderlichen Beziehung zu den anderen, sieht sich selbst gespalten und bedrängt und entfernt sich von seinesgleichen. Und doch ist es nicht nach dem ursprünglichen Plan Gottes, daß der Mensch des Menschen Feind ist, ihm wie ein Wolf entgegentritt, sondern daß er sein Bruder ist. Nach dem Heilsplan Gottes geht es nicht um die Dialektik der Gegensätze, sondern um die der Liebe, die alles neu macht. 322 REISEN Liebe, die aus dem geistigen Felsen, der Christus ist, hervorströmt, wie wir in der Epistel dieser Messe hören (vgl. 1 Kor 10, 4). 3. Wenn Gott uns unseren eigenen Kräften überlassen hätte, die so begrenzt und unbeständig sind, hätten wir keinen Anlaß zur Hoffnung, daß die Menschheit als eine Familie, als Kinder ein und desselben Vaters leben könnte. Aber Gott ist uns in Jesus ein für allemal nahegekommen; in seinem Kreuz erleben wir den Sieg des Lebens über den Tod, der Liebe über den Haß. Das Kreuz, einst Symbol der Schmach und der bitteren Niederlage, verwandelt sich in die Quelle des Lebens. Vom Kreuze her fließt in reichen Strömen die Liebe Gottes, die vergibt und versöhnt. Mit dem Blut Christi können wir das Böse durch das Gute besiegen. Das Böse, das in die Herzen und in die gesellschaftlichen Strukturen eindringt. Das Übel der Spaltungen zwischen den Menschen, das die Welt mit Gräbern angefüllt hat durch die Kriege, durch die furchtbare Spirale des Hasses, der in sinnloser und unheimlicher Wut alles niederreißt und vernichtet. Wie viele zerstörte Häuser und Familien! Wie viele Flüchtlinge, Verbannte und Vertriebene! Wie viele Waisen! Wie viele edle und unschuldige Menschenleben grausam und brutal niedergetreten, ausgelöscht! Auch von Priestern und Ordensleuten, treuen Dienern der Kirche, ja sogar das eines eifrigen und hocherverehrten Oberhirten, des Erzbischofs dieser Herde, Msgr. Oscar Arnulfo Romero, der genau wie die anderen Brüder im Bischofsamt sich darum bemühte, daß die Gewalt aufhöre und der Friede wiederhergestellt werde. In Erinnerung an ihn bitte ich darum, daß sein Andenken immer geachtet werde; kein ideologisches Interesse soll den Versuch machen, das Opfer, das er als Hirte für seine Herde dargebracht hat, umzufälschen. Das Kreuz stößt die Trennungsmauer um: den Haß. Der Mensch sucht oft nach Argumenten, um sein Gewissen zu beruhigen, das ihn anklagt, wenn er schlecht handelt. So kann er sich manchmal sogar dazu versteigen, den Haß so sehr aufzuwerten, daß er ihn mit einer edlen Sache verwechselt, für die es sich einzusetzen gilt, ja ihn für einen Akt der Wiedergutmachung und der Liebe hält. Christus ist es, der das Herz des Menschen von innen her heilt. Seine Liebe reinigt uns und öffnet uns die Augen, damit wir zwischen dem, was von Gott kommt, und dem, was aus unseren Leidenschaften kommt, zu unterscheiden lernen. 4. Im Verzeihen Christi bricht so etwas wie eine neue Morgenröte, ein neuer Tag an. Es ist das neue Land, das „schöne und weite Land“, zu dem 323 REISEN Gott uns beruft, wie wir vorhin im Buch Exodus gelesen haben (Ex 3, 8). Dieses Land, in dem die Unterdrückung durch den Haß verschwinden und wahren christlichen Gefühlen Platz machen muß: „Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig und vergebt einander, wenn einer dem andern etwas vorzuwerfen hat. Wie der Herr auch vergeben hat, so vergebt auch ihr! (Kol 3, 12-14). Die Erlöserliebe Christi erlaubt es uns nicht, daß wir uns in das Gefängnis des Egoismus einschließen, der sich dem echten Dialog verweigert, der die Rechte der anderen nicht sehen will und in ihnen nur Feinde sieht, die es zu bekämpfen gilt. In meiner letzten Botschaft zum Weltfriedenstag habe ich dazu aufgefordert, die Hindernisse, die sich dem Dialog entgegenstellen, zu überwinden: „Erst recht ist hier die bewußte taktische Lüge zu nennen, welche die Sprache mißbraucht, raffinierteste Techniken der Propaganda einsetzt, den Dialog zu Fall bringt und die Aggressionen anheizt. Solange schließlich heute manche Beteiligten von Ideologien leben, die allen Bekundungen zum Trotz im Widerspruch stehen zur Würde der menschlichen Person, zu ihren gerechten Ansprüchen nach den gesunden Prinzipien der Vernunft, des Naturrechts und des ewigen Gesetzes, von Ideologien, die im Kampf die Triebkraft der Geschichte sehen, in der Gewalt die Quelle des Rechts, in Feindbildern das Abc der Politik, solange verläuft der Dialog stockend und steril“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1983, in O.R.dt. Nr. 53 vom 31. 12. 1982). Der Dialog, den die Kirche von uns verlangt, ist nicht ein taktischer Waffenstillstand mit der geheimen Absicht, inzwischen die Positionen zur späteren Fortsetzung des Kampfes zu festigen, sondern das aufrichtige Bemühen, Verständigung zu suchen und dadurch den vielen Menschen, die voller Angst, Schmerz und Erschöpfung den Frieden herbeisehnen, entgegenzukommen. So vielen, die leben wollen, die aus der Asche Wiedererstehen, wieder die Freude eines Kinderlachens erleben wollen, ohne Terror und in einem Klima demokratischen Zusammenlebens. 5. Die furchtbare Kettenreaktion, die für die Freund-Feind-Dialektik so charakteristisch ist, wird im Wort Gottes überwunden, das von uns verlangt, sogar die Feinde zu lieben und ihnen zu vergeben. Es ist dringend an der Zeit, von Mißtrauen und Aggression zu Achtung und Einvernehmen überzugehen, in einer Athmosphäre, die eine loyale und objektive Beurteilung der Situation und sodann ein umsichtiges Suchen nach den entsprechenden Heilmitteln möglich macht. Das Heilmittel ist 324 REISEN die Versöhnung, zu der ich in meinem an die Bischöfe dieses Landes gerichteten Brief aufgerufen habe (6. August 1982). Die Liebe Gottes erschöpft sich nie, solange wir in der Geschichte auf dem Weg sind. Nur die Härte des Menschen, der sinnlos kämpft, gibt sich den Anschein von Determinismus und Fatalismus: Er meint dann, völlig zu Unrecht, daß sich ja doch niemand ändern, niemand bekehren wird und daß die Verhältnisse letzten Endes unausweichlich in eine nicht mehr zu behebende Verschlechterung hineinsteuern müssen. Ich rede nicht einem künstlichen Frieden das Wort Das ist der Augenblick, die Aufforderung des Evangeliums vom heutigen Sonntag zu hören: „Ihr alle werdet genauso umkommen, wenn ihr euch nicht bekehrt“ (Lk 13, 3, 5). Ja, sich bekehren und sein Verhalten ändern, denn - wie wir im Zwischengesang gehört haben - „Der Herr vollbringt Taten des Heiles, Recht verschafft er allen Bedrängten“ (Ps 103, 6). Daher weiß der Christ, daß alle Sünder heimgeholt werden können; daß der Reiche, der sich lässig und ungerecht im egoistischen Besitz seiner Güter sonnt, seine Haltung ändern kann und muß; daß derjenige, der am Terrorismus teilhat, sich ändern kann und muß; daß jeder, der Gedanken des Hasses und der Rachsucht hegt, sich von dieser Knechtschaft befreien kann und muß; daß Konflikte überwunden werden können; daß dort, wo die Sprache der Waffen das Feld beherrscht, die Liebe herrschen kann und muß als unersetzbarer Faktor des Friedens. 6. Wenn ich von der Bekehrung als einem Weg zum Frieden spreche, rede ich nicht einem künstlichen Frieden das Wort, der die Probleme nur zudeckt und die Reparaturbedürftigkeit des inneren Mechanismus ignoriert. Es geht um einen Frieden in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit, in der ungeschmälerten Anerkennung der Rechte der menschlichen Person, einen Frieden für alle, für alle Altersstufen, Lebensbedingungen, Gruppierungen, für Menschen jedweder Herkunft und politischer Auffassung. Niemand darf vom Dialog um den Frieden ausgeschlossen werden. Alle und jeder einzelne in Mittelamerika, in diesem edlen Volk, das voller Stolz den Namen des Erlösers trägt (El Salvador); alle und jeder einzelne in Guatemala und Nicaragua, Honduras, Costa Rica, Panama, Belize und Haiti; alle und jeder einzelne unter den Regierenden und den Regierten, den Bewohnern der Stadt, der Dörfer oder der Gehöfte; alle und jeder einzelne der Unternehmer wie der Arbeiter, der Lehrer wie der Schüler, alle haben die Pflicht, am Aufbau des Friedens mitzuarbeiten. Auf daß es 325 REISEN Frieden gebe unter euren Völkern! Daß die Grenzen nicht Spannungszonen, sondern weitgeöffnete Arme der Versöhnung werden! 7. Es ist dringend an der Zeit, die Gewalt zu verbannen, die in dieser und in anderen Nationen schon so viele Opfer gefordert hat. Wie das geschehen soll? Durch eine wahre Umkehr zu Jesus Christus. Durch eine Versöhnung, die es zustande bringt, all diejenigen, die heute noch durch politische, soziale, ökonomische und ideologische Barrieren voneinander getrennt sind, zu Brüdern zu machen. Als Mechanismen und Instrumente dazu nenne ich die echte Teilhabe im ökonomischen und sozialen Bereich, weiterhin den Zugang aller zu den Gütern der Erde sowie die Möglichkeit der Entfaltung durch die Arbeit; mit einem Wort, die Anwendung der Soziallehre der Kirche. In diesem Zusammenhang bedarf es auch einer mutigen und hochherzigen Anstrengung zugunsten der Gerechtigkeit, von der niemals abgesehen werden kann. Und das alles in einem Klima des Gewaltverzichts. Die Bergpredigt ist die Magna Charta des Christen: „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5,9). Das sollt ihr sein: Friedens- und Versöhnungsstifter, indem ihr sie von Gott erbittet und für sie arbeitet. Mögen dazu das außerordentliche Heilige Jahr der Erlösung, das wir in Kürze beginnen, und die nächste Bischofssynode Ansporn geben. 8. Liebe Brüder und Schwestern! Ich sehe in dieser großen Schar von Gläubigen und denen aus ganz Mittelamerika, die mit euch vereint sind, ein gewaltiges Energiepotential für Versöhnung und Frieden. Mit vollem Recht könnt ihr sagen: uns dürstet nach Frieden. Aus eurem Herzen und eurem Mund steigt ein Hoffnungsschrei auf: Wir wollen den Frieden! Christus, der sich für die Welt opfert und zu dessen Mysterium der Versöhnung am Kreuz uns die Fastenzeit, in der wir uns befinden, hinführen soll, ist das Lamm Gottes, das den Frieden gibt. Erfleht diesen Frieden mit all euren Kräften von Christus, dem Friedensfürsten, für euer geliebtes Vaterland, für ganz Mittelamerika, für ganz Lateinamerika, für die Welt. Der Friede kommt von Christus und ist eine echte brüderliche Umarmung in der Versöhnung. Möge Maria, die Königin des Friedens und Mutter aller, ihre Arme ausbreiten und alle ihre Kinder in Eintracht und Hoffnung umfangen. Amen. 326 REISEN „Seid Zeugen umfassender Erlösung!“ Ansprache an die Priester in San Salvador am 6. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Bei dieser Begegnung, die den Priestern von El Salvador und aus dem ganzen Bereich Mittelamerikas gewidmet ist und die im Rahmen dieses Bildungszentrums vom sei. Marcelino Champagnat stattfindet, sind auch die salvadorianischen Ordensleute und Seminaristen zugegen, die gekommen sind, weil sie den Papst sehen wollten. Auch wenn ich mich bereits von einigen der Nachbarländer aus an verschiedene Personengruppen gottgeweihten Lebens gewandt habe -und es auch in den nächsten Tagen noch weiterhin tun werde - möchte ich euch alle sehr herzlich begrüßen und euch meine hohe Wertschätzung und Dankbarkeit für eure so wichtige Aufgabe in der Kirche ausdrücken. Ich bitte den Herrn darum, euch Kraft, Mut und Hoffnung zu geben, damit ihr voll Hochherzigkeit an eurem Platz ausharren könnt. Und ich segne euch alle mit großer Herzlichkeit. Ich will mich jetzt an die Priester wenden. Dem Rat des Meisters folgend, komme ich zu euch, die ihr Priester einer Kirche seid, die gelitten hat und noch leidet, als Bruder (vgl. Mt 23, 8) und Freund (vgl. Joh 15, 14-15), aber auch als Zeuge der Leiden Christi (vgl. 1 Petr 5, 1). Ich möchte jeden von euch begrüßen, bei seinem Namen nennen, ich möchte eure Erfahrungen anhören und mit jedem einzelnen von euch an den Ort gehen, wo er mitten im Volk Gottes sein Amt ausübt, in den Städten oder in den Dörfern, unter Bauern und unter Arbeitern. Vor allem aber möchte ich euch von neuem meine herzliche Zuneigung zum Ausdruck bringen, die Dankbarkeit der ganzen Kirche für euer priester-liches Zeugnis, und möchte euch Mut machen, auch inmitten von Schwierigkeiten treu zu bleiben. 2. In diesem kurzen und intensiven Augenblick priesterlicher Gemeinschaft möchte ich euch einige Überlegungen anvertrauen, die dem Wunsch entspringen, in euch die Identität eures Priestertums wie auch das Bewußtsein der Verpflichtung in eurer Mission hier und jetzt zu bestärken. In unserem priesterlichen Leben sehen wir immer wieder die Notwendigkeit, die Gnade, die uns durch die Auflegung der Hände (vgl. 2 Tim 1, 6) 327 REISEN gegeben wurde, neu zu beleben, so wie man die Flamme aus der Glut wiederbelebt. Die Erinnerung an die priesterliche Gnade, die kraft des Zeichens auf immer in uns verbleibt, macht es uns möglich, uns in der Gnade der Einswerdung mit Christus und der Weihe im Heiligen Geist zu erneuern. Es ist ja die Gnade einer menschlichen und christlichen Reife: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Schäme dich also nicht, dich zu unserem Herrn zu bekennen . . .“ (2 Tim 1, 7-8). Durch die Weihe sind wir Priester, die „in persona Christi“, „in virtute Spiritus Sancti“ handeln, mit einer durch die Gnade gestärkten vollen Menschlichkeit. In dieser Wahrheit kommt der ganze Reichtum eines kirchlichen Dienstes zum Ausdruck, dessen Vorbild Christus ist, der vom Vater Gesandte, und dessen Mission in der Kraft des Geistes begründet ist. Wenn wir uns nur diese Gnade vor Augen halten, kann unsere Schwachheit uns nicht erschrecken und werden unsere Kräfte nicht wanken; wir sollen nicht verzagen angesichts der Schwierigkeiten, die, wie ihr aus Erfahrung wißt, in der Ausübung unseres Dienstes der Gnade und der Versöhnung auftreten können. Die pastorale Liebe, die in euch leben soll, und der Wunsch, den Frieden und die Einheit zu bewahren, fordern von euch vielleicht tatsächlich die Hingabe eures Lebens, entweder als ein tägliches Opfer, nach und nach, oder aber als Ganzopfer wie bei einigen eurer Brüder. 3. Wenn ich euch an die Treue zu Christus, unserem einzigen Meister, und zu seinem Evangelium erinnere, so will ich euch gleichzeitig dazu ermahnen, die Glaubenslehre der Kirche lebendig und ungeschmälert zu bewahren, für die es sich bis zur Hingabe des Lebens einzusetzen lohnt. Dieser Einsatz lohnt sich dagegen nicht für eine Ideologie, für ein verstümmeltes oder instrumentalisiertes Evangelium oder für eine Parteimeinung. Der Priester, dem das Evangelium und der ganze Reichtum des „Depositum fidei“ anvertraut ist, muß sich als erster mit der Integrität der Lehre identifizieren, um zugleich treuer Vermittler der Lehre der Kirche, in Übereinstimmung mit dem Lehramt, zu sein. Eine Vermittlung des Glaubens, die sich nicht auf die eigene Diözese oder das eigene Land beschränkt, sondern die sich der ganzen missionarischen Weite der Kirche zu öffnen hat. Um also Glaubenserzieher des Volkes zu sein, muß der Priester das Evangelium in Stunden des persönlichen Gebets zu Füßen des Meisters trinken, in der Betrachtung der Schrift, im Lob des Herrn durch das Stundengebet; er muß das kirchliche Verständnis der Botschaft durch 328 REISEN eifriges Studium vertiefen und auf den neuesten Stand bringen. Das bedeutet die Pflicht zu einer beständigen Weiterbildung, die heute so notwendig ist zur Vertiefung, Klärung und Aktualisierung der Erkenntnisse der Theologie in ihren verschiedenen Dimensionen: Dogma, Moral, Liturgie, Pastoral und Spiritualität. Und das alles getragen von einer echten biblischen Theologie. 4. Euer einfaches und intelligentes Volk erwartet von euch die ungeschmälerte Predigt des katholischen Glaubens, die ihr mit vollen Händen in den fruchtbaren Boden eines traditionellen und aufnahmebereiten Glaubens säen sollt, einer Volksfrömmigkeit, die zwar immer der Evangelisierung bedarf, die aber ein durch den Geist zur Aufnahme dieser Evangelisierung und Katechese bereits vorgepflügter Acker ist. Die schmerzlichen Ereignisse, die eure Länder gegenwärtig durchmachen - sind sie nicht eine Aufforderung dazu, diese Aussaat zu intensivieren? Erwartet euer Volk nicht Gründe, um zu glauben, und Gründe, um zu hoffen, Gründe, um zu heben und um etwas aufzubauen, Gründe, die doch nur von Christus und seiner Kirche kommen können? Enttäuscht also nicht die Armen des Herrn, die euch um das Brot des Evangeliums bitten, um die kräftige Nahrung des sicheren und ungeschmälerten katholischen Glaubens, damit sie es verstehen, ihn von anderen Verkündigungen und Ideologien, die nicht die Botschaft Christi und seiner Kirche sind, zu unterscheiden und ihm den Vorzug zu geben. In dieser kirchlichen Aufgabe sollt ihr euch vorrangig verpflichtet sehen. Denkt daran, meine geliebten Brüder, daß ihr - wie ich schon zu den Priestern und Ordensleuten in Mexiko sagte - „nicht soziale oder politische Führer oder Funktionäre einer weltlichen Gewalt“ seid (Ansprache vom 27. Januar 1979). Euer treues und beglaubigtes Wort wird auch von einer hochherzigen Jugend erwartet, die nicht mehr an die leichten Versprechungen einer kapitalistischen Gesellschaft glaubt und die zuweilen der Fata Morgana eines revolutionären Engagements erliegt, die die Dinge und die Strukturen verändern will und dabei vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt. Erwarten nicht auch viele junge Menschen diese Verkündigung eines Christus, der erlöst und frei macht, der das Herz wandelt und so eine friedliche, aber dafür um so entschlossenere Revolution in Gang setzt -als eine Frucht christlicher Liebe? Und wenn sie sich von anderen Führern faszinieren lassen, ist es nicht vielleicht deshalb, weil man ihnen Christus nie in angemessener Weise und ohne Entstellungen vor Augen geführt hat? 329 REISEN Das Auftreten des Priesters ist oft voller Dramatik 5. Ihr seid in euren verschiedenen Nationen Priester, die in dieser Stunde der Kirche eine schwere Verantwortung tragen. In eure Hände lege ich eine dringende Aufgabe, die ich mit den Worten „Communio“ und „Dialog“ kennzeichnen möchte. Der Priester ist in der Tat der Diener der kirchlichen Communio. Seine Aufgabe ist es, die christliche Gemeinde zusammenzuführen, um die Eucharistie so zu leben, daß sie die Feier des Geheimnisses Jesu und so Lebensquelle und -schule der Gemeinde ist. Daher ist sein Platz zu allererst am Altar, um das Wort zu predigen und die Sakramente zu feiern, um das Opfer darzubringen und das Brot des Lebens auszuteilen. Die Gläubigen, die ein Wort des Rates oder des Trostes brauchen, wollen ihn verfügbar und leicht erkennbar sehen, auch an der Kleidung; alle diejenigen, die die Gnade der Vergebung und der Versöhnung brauchen, erwarten, daß sie mit Leichtigkeit einen Priester finden, der in der Ausübung dieses unerläßlichen Heilsdienstes tätig ist, wo der persönliche Kontakt so sehr zu Wachstum und Reife der Christen beiträgt. Mehr denn je ist der Priester heute angesichts des Priestermangels und der großen Bedürfnisse der kirchlichen Gemeinschaft dazu aufgefordert, in kluger Weise die Laien zu fördern und so die Gemeinde lebendiger zu machen, so daß sich die Gläubigen ihrer Verantwortung für diese Aufgaben, die ihnen aufgrund der Taufe zustehen, bewußt werden. Welche Freude kann der Priester Christi verspüren, wenn er sieht, wie sich um ihn eine reife Gemeinde bildet, in der die verschiedenen Dienste der Katechese, der Caritas und Hilfeleistung aufblühen! Welche Freude vor allem, wenn er mit der Gnade Gottes Zusammenwirken kann, damit neue Priesterberufungen die Kontinuität inmitten der christlichen Gemeinschaft sichern! Erlaubt mir, daß ich diese Verpflichtung, die das Herz eines jeden Priesters beunruhigen soll, ganz besonders unterstreiche, nämlich die Pflicht, mit seinem Wort und Gebet, mit seinem Beispiel, mit dem Zeugnis eines voll und ganz dem Dienst an Christus und den Brüdern gewidmeten Lebens Werkzeug zur Förderung von Berufungen zu sein. 6. Der Priester soll Mann des Dialogs sein. In seiner Aufgabe als Mittler muß er mit Festigkeit das Risiko eingehen, zwischen verschiedenen Tendenzen eine Brücke zu schlagen, die Eintracht zu fördern und für schwierige Situationen gerechte Lösungen zu suchen. Das Auftreten des Christen, und mehr noch das des Priesters, ist gelegentlich voller Dramatik. Auch wenn er gegenüber dem Irrtum fest bleiben 330 REISEN muß, darf er nie gegen jemanden sein, denn wir alle sind Brüder, im äußersten Fall Feinde, die er nach dem Evangelium lieben muß; er muß alle umarmen, denn alle sind Kinder Gottes, ja er muß, wenn es nötig ist, sein Leben für alle seine Brüder hingeben. Hier hegt häufig der Grund dafür, daß die Existenz des Priesters dramatisch werden kann - einander widerstrebende Tendenzen stürmen auf ihn ein, Parteimeinungen wollen ihn für sich vereinnahmen. Er ist einerseits gehalten, sich vorzugsweise um die Armen zu kümmern, darf aber andererseits nicht verkennen, daß es eine radikale Armut überall dort gibt, wo Gott nicht im Herzen des Menschen lebt, weil es von Macht, Vergnügen, Geld oder Gewalt beherrscht wird. Auch auf diese Armen muß sich seine Mission erstrecken. Aus diesem Grunde ist der Priester Verkünder des göttlichen Erbarmens und nicht nur Prediger der Gerechtigkeit. Er muß die Botschaft von der Bekehrung für alle vernehmlich machen, muß die Versöhnung in Christus Jesus verkündigen, der unser Friede ist, und der alle trennenden Mauern zwischen den Menschen niederreißt (vgl. Eph 2, 14). Dieser Dienst der Priester erhält besondere Bedeutung im Rahmen des Heiligen Jahres der Erlösung, das ich für die gesamte Kirche ausgerufen habe. Seid ihr, geliebte Priester, Zeugen dieser umfassenden Erlösung! Stimmt mit mir in den Ruf ein: „Öffnet weit die Tore für Christus, den Erlöser!“ Es ist, als wollte uns der Herr die Gelegenheit bieten, einige vielleicht in Vergessenheit geratene Gesichtspunkte in unserem priesterlichen Dienst zu erneuern: die Predigt der Bekehrung zu Christus - notwendig für alle, offen für alle; den Ruf zur Versöhnung - so drängend für die Menschheit, und zwar in allen Bereichen. Selbst bekehrt und versöhnt, wollen wir vor den Menschen Zeugen und Diener der Erlösung Christi sein, dazu bereit, wenn nötig, das Leben für diese Versöhnung der Brüder hinzugeben. 7. Das Leben des Priesters ist wie das Leben Christi Dienst aus Liebe. Das beste Zeugnis einer radikalen Bereitschaft für Christus und für das Evangelium besteht in einem wirklichen Mitvollzug dieser Worte des Gebetes der Kirche: „Damit wir nicht mehr uns selber leben, sondern ihm, der für uns gestorben und auf erstanden ist. . .“ (IV. Eucharistisches Hochgebet). Ihm leben heißt, wie er leben, und es gilt unumstößlich sein Wort: „Wer bei euch der erste sein will, soll euer Sklave sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mt 20, 27-28). Eure Einfachheit, eure Armut und Herzlichkeit werden deutliches Zei- 331 REISEN chen eurer Hingabe an das Evangelium sein; mit eurer Verfügbarkeit zuzuhören, anzunehmen, euren Brüdern materielle und geistliche Hilfe zu geben, werdet ihr Zeugen dessen sein, der nicht kam, um sich bedienen zu lassen, sondern, um zu dienen. In der Lauterkeit der Absicht eures Dienstes, in der Loslösung von den materiellen Dingen werdet ihr die Freiheit finden, Zeugen desjenigen zu sein, der als Diener des Herrn zu uns kam und uns alles hingab, denn er gab sein Leben für uns. 8. Meine geliebten Priester, ich möchte, daß durch diese Begegnung die Begeisterung des Tages eurer Priesterweihe wieder auflebt, jetzt freilich bereichert durch die Erfahrung einer treuen Liebe zu Christus und zu eurem Volk. Bleibt einig! Bedenkt, daß in der Einheit die Kraft der Kirche liegt. Bewahrt immer die Einheit mit euren Oberhirten, die um so notwendiger ist, je schwieriger die Umstände sind, in denen eine einzelne Kirche lebt. In der Kraft der Einheit werdet ihr darüber hinaus die Garantie eines besonderen moralischen Gewichts in der Gesellschaft haben und damit die Möglichkeit, die Sache der Ärmsten zur Sprache zu bringen und wirksam zu verteidigen. Aus euren Zwistigkeiten dagegen würden nur jene einen Nutzen ziehen, die euer Amt instrumentalisieren wollen. Als Nachfolger Petri will ich euch der Liebe und Unterstützung der gesamten Kirche versichern, die auf euch mit der Hoffnung blickt, den Frieden in euren Nationen gefestigt zu sehen und alle Töchter und Söhne des Volkes von El Salvador und Mittelamerika in der Gerechtigkeit miteinander versöhnt zu wissen. Ich empfehle euch der Mutter Gottes, der Königin des Friedens, wie ihr sie in diesem Land anruft. Sie ist ja die Mutter aller, Vorbild einer treu gelebten Verpflichtung gegenüber dem Willen Gottes und der Geschichte ihres Volkes. Möge sie euch in eurem Dienst der Versöhnung helfen wie auch in eurem missionarischen Bemühen, damit ihr in der Treue zu der einmal eingegangenen Verpflichtung wahre Jünger Christi sein könnt. Amen. 332 REISEN Für eine gerechtere Welt Wort in der Kathedrale von San Salvador am 6. März Die Kathedrale ist der Sitz des Bischofs jeder Ortskirche, der Ort, wo der das Evangelium verkündet, den der Heilige Geist bestellt hat, die Herde Christi zu weiden, wie das jeder Bischof tut. Mein Besuch in dieser ehrwürdigen Kirche will deshalb eine Einladung an euch alle sein, damit ihr euch immer von euren Hirten leiten laßt, gestern von denen, die ihm vorangegangen sind, und heute von euerm neuen Erzbischof Msgr. Arturo Rivera Damas. In diesen Mauern ruhen die sterblichen Überreste von Msgr. Oscar Arnulfo Romero, des eifrigen Hirten, den die Liebe zu Gott und der Dienst an den Brüdern bis zum Opfer seines Lebens durch die Gewalt führte, während er das Opfer der Vergebung und Versöhnung feierte. Für ihn wie für die anderen ehrwürdigen Hirten, die zu ihrer Zeit das Volk der gläubigen Salvadorianer geführt haben, beten wir erneut zum gerechten und erbarmenden Gott, damit sein ewiges Licht ihnen leuchte. Sie opferten sich für alle; sie appellierten an alle, sich von Jesus leiten zu lassen, der, als er Mitleid mit der Menge hatte, sich bemühte, eine gerechtere, menschliche und brüderliche Welt zu bauen, in der wir alle leben möchten. Der Glaube muß zu Gerechtigkeit und Frieden führen Predigt bei der Messe auf dem Marsfeld in Guatemala-City am 7. März Herr Kardinal, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit großer Freude habe ich den Tag erwartet, an dem ich als Pilger des Friedens und der Liebe in den Ländern Lateinamerikas, in Belize und Haiti in dieser historischen Stadt Guatemala de la Asuncion mit euch und für euch die heilige Eucharistie feiern kann, Zeichen der Einheit und Band der Liebe und für uns, die Familie Gottes, die sich mit dem Leib und dem Blut des Herrn nährt. Zuerst möchte ich den Kardinal-Erzbischof von Guatemala und die bischöflichen Brüder dieses geliebten Landes begrüßen. Aber euch alle 333 REISEN begrüße ich mit tiefer Liebe, gerade weil ihr zu leiden habt; ich segne euch im Namen Gottes und erflehe für euch alle die Gaben eines Friedens, der Frucht der Gerechtigkeit ist, einer Gerechtigkeit, die Liebe ausstrahlt, und der Eintracht, die über alle Trennungen hinweg aus euch eine Familie wahrer Brüder und Adoptivkinder Gottes macht. 2. Meine Gedanken konzentrieren sich, dem offenbarten Wort Gottes entsprechend, das wir soeben vernommen haben, auf den Glauben; auf den Glauben, ohne den wir Gott nicht gefallen (vgl. Hebr 11, 6); auf den Glauben, der Berge versetzt (vgl. Mt 17, 20) und Wunder wirken kann (vgl. Mt 15, 21); den Glauben, der zur Seligkeit führt (vgl. Lk 6, 20-22); den Glauben, der Heilsgrundlage ist: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet (Mk 16, 16); den Glauben schließlich, der die Seele der Völker Lateinamerikas und das Licht ist, das seit der Entdeckung, Eroberung und Unabhängigkeit und bis in die heutigen Generationen hinein ihr Geschick gelenkt hat; den Glauben, der zur Liebe und Förderung des Menschen aneifern muß. Die Kirche war die Mutter und Lehrmeisterin, die euch den Glauben geschenkt und ihn durch das Amt der Päpste, der Nachfolger des hl. Petrus, genährt hat sowie durch die ständigen Bemühungen eurer eifrigen Bischöfe, das hochherzige Wirken eurer Priester und das selbstlose Engagement von Hunderten von Ordensleuten, Katecheten, Verkündigern und Familienvätern, die, über Küsten, Täler und Berge eilend, euch den Glauben lehrten und gemeinsam mit euch den Glauben an den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist bekannten in Erfüllung des Gebotes des Herrn: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16, 15). „Der Glaube ohne Werke ist tot“ 3. Dieser Glaube ist in erster Linie Glaube an den Vater, Geber alles Guten und Schöpfer allen Daseins; an den Vater, der alles kann, alles weiß und alles sieht; an den erbarmenden Gott, der das Heil aller will, der will, daß alle zur Kenntnis der Wahrheit gelangen (vgl. 1 Tim 2, 4); der nicht den Tod des Sünders will, sondern, daß er sich bekehrt und lebt (vgl. Ez 33, 11), der jedoch jedem nach seinen Werken vergilt (vgl. Mt 25, 31-46) und dem wir alle Ehre und Verherrlichung schulden (Hebr 13, 21). Glaube an den Sohn, empfangen durch den Heiligen Geist, der für uns Menschen und um unseres Heiles willen vom Himmel herabgestiegen ist 334 REISEN und Mensch geworden ist aus Maria der Jungfrau, wie wir im Credo bekennen; der Gutes tuend durch die Welt gezogen ist (vgl. Hebr 10,18); der mit den vielen Menschen Mitleid hatte (vgl. Mt 9, 36); der feierlich das Gebot der Liebe verkündete (vgl. Joh 13, 13); der die Kirche auf Petrus erbaute (vgl. Mt 16, 18); der uns durch seinen Kreuzestod erlöste und uns die Pforten des ewigen Lebens eröffnete und der, aus eigener Kraft auferstanden, als Erstgeborener aller Entschlafenen in den Himmel aufstieg (vgl. Kol 1, 18), von wo er uns den verheißenen Heiligen Geist sandte (vgl. Lk 24, 49). Glaube an den Heiligen Geist, den wir mit dem Vater und dem Sohn zugleich anbeten (vgl. Credo); der uns alle Dinge lehrt (vgl. Joh 14, 26); der in den Seelen, die im Stand der Gnade sind, wie in einem Tempel wohnt (vgl. 1 Kor 3, 16); den wir mit unseren Sünden betrüben (vgl. Eph 4, 30) und der die Herrlichkeit der Kirche ist. 4. Unser Glaube muß sich jedoch auch auf die eine heilige, katholische und apostolische Kirche erstrecken, wie wir im Credo bekennen, auf die Kirche, die Christus auf dem Felsen Petri erbaut hat (vgl. Mt 16, 18), dessen demütiger Nachfolger ich bin und der Papst bis ans Ende der Zeiten sein wird (vgl. Mt 28, 20) und deren Apostel Christus erwählt: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15, 16); die mit Autorität im Namen Jesu lehrt: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10, 16); die die Gewalt empfangen hat, die Sünden nachzulassen: „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,23); der uns durch die Eucharistie und die anderen Sakramente belebt (vgl. 1 Kor 10, 16; Rom 6, 4) und bei der Christus zu allen Zeiten bleiben wird, um sie in der Wahrheit zu stärken: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 20). Diese Kirche müßt ihr allzeit lieben, sie, die mit den Mühen ihrer besten Söhne einen so wesentlichen Beitrag zur Bildung eurer Persönlichkeit und zur Freiheit geleistet hat; die auf eurer Seite gestanden ist und weiterhin steht, ob ihr vom Schicksal begünstigt seid oder von Leid bedrückt; die sich um die Überwindung der Unwissenheit bemühte, indem sie dem Geist und dem Herzen ihrer Kinder durch ihre Schulen, Internate und Universitäten das Licht der Erziehung und Bildung eingoß; die Kirche, die ihre Stimme erhoben hat und weiterhin erhebt, um die Ungerechtigkeiten zu verdammen und die Gewalttätigkeit anzuprangern, vor allem jene, die sich gegen die Ärmsten und Hüflosesten richtet. Sie tut das nicht im Namen von Ideologien irgendwelcher Art, sonderen im Namen Jesu 335 REISEN Christi, seines Evangeliums und seiner Botschaft der Liebe und des Friedens, der Gerechtigkeit, der Wahrheit und der Freiheit. Liebt die Kirche, denn sie fordert euch ständig auf, das Gute zu tun und die Sünde zu verachten; auf Laster und Korruption zu verzichten und in Heiligkeit zu leben; Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben zum vollkommenen Vorbild eures persönlichen und sozialen Verhaltens zu machen und mehr als Brüder denn als Gegner zu leben. 5. Dieser Glaube und diese Liebe zur Kirche müssen im Leben fruchtbar werden und in den Werken zum Ausdruck kommen. Das ist die Lehre Christi: „Nicht jeder, der zu mir sagt: Herr! Herr!, wird in das Himmelreich kommen, sondern nur wer den Willen meines Vaters im Himmel erfüllt“ (Mt 7, 21). Wir haben eben das Wort des Apostels Jakobus gehört: Der Glaube ohne Werke ist tot. Was nützt es, wenn jemand sagt „ich habe den Glauben“, wenn er keine Werke hat? Der Mensch wird durch die Werke gerechtfertigt und nicht nur durch den Glauben (vgl. Jak 2, 14 ff). Der Glaube lehrt uns, daß der Mensch das Abbild Gottes ist (vgl. Gen 1, 27); das heißt, daß er mit unendlicher Würde ausgestattet ist. Wenn man nun gegen den Menschen Gewalt anwendet; wenn seine Rechte verletzt werden, wenn man gegen ihn himmelschreiende Ungerechtigkeiten begeht, ihn foltert, ihn gewaltsam entführt oder sein Recht auf Leben verletzt, begeht man ein Verbrechen und beleidigt Gott schwerstens; Christus beschreitet dann nochmals den Leidensweg und erduldet im Entrechteten und Unterdrückten nochmals die Schrecken des Kreuzestodes. Männer aller Positionen und Ideologien, die ihr mir zuhört: Vernehmt das Flehen, das ich an euch richte! Vernehmt es, denn ich richte es an euch aus der Tiefe meines Glaubens, meines Vertrauens und meiner Liebe zum leidenden Menschen! Vernehmt es, weil ich es im Namen Christi an euch richte! Denkt daran, daß jeder Mensch euer Bruder ist und werdet zu achtungsvollen Verteidigern seiner Würde! Über alle sozialen, politischen, ideologischen, rassischen und religiösen Unterschiede hinweg soll immer in erster Linie das Leben eures Bruders gesichert sein, das Leben jedes Menschen. 6. Wir müssen bedenken, daß man den Bruder auch langsam, Tag für Tag, töten kann, wenn man ihm den Zutritt zu den Gütern verwehrt, die Gott zum Wohl aller und nicht nur für wenige geschaffen hat. Diese mensch- 336 REISEN liehe Förderung ist ein wesentlicher Bestandteil der Evangehsierung und des Glaubens. Zu diesem Punkt hat mein Vorgänger Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi ein klares Wort gesprochen: „Zwischen Evangehsierung und menschlicher Förderung - Entwicklung und Befreiung - bestehen in der Tat enge Verbindungen: Verbindungen anthropologischer Natur, denn der Mensch, dem die Evangehsierung gilt, ist kein abstraktes Wesen, sondern sozialen und wirtschaftlichen Problemen unterworfen; Verbindungen theologischer Natur, da man ja den Schöpfungsplan nicht vom Erlösungsplan trennen kann, der hineinreicht bis in die ganz konkreten Situationen des Unrechts, das es zu bekämpfen, und der Gerechtigkeit, die es wiederherzustellen gilt. Verbindungen schließlich jener ausgesprochen biblischen Ordnung, nämlich der Liebe: Wie könnte man in der Tat das neue Gebot verkünden, ohne in der Gerechtigkeit und im wahren Frieden das echte Wachstum des Menschen zu fördern? Wir haben es für nützlich erachtet, das selbst hervorzuheben, indem wir daran erinnert haben, daß es unmöglich hinzunehmen ist, daß das Werk der Evangehsierung die äußerst schwierigen und heute so stark erörterten Fragen vernachlässigen kann und darf, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung und den Frieden in der Welt betreffen. Wenn das eintreten würde, so hieße das, die Lehre des Evangeliums von der Liebe zum leidenden und bedürftigen Nächsten zu vergessen“ (Nr. 31). Gerade deshalb fordere ich euch auf, vom Glauben erleuchtet und ermutigt, die Nächstenliebe zu üben, insbesondere jenen gegenüber, die ihrer besonders bedürfen und auf andere angewiesen sind, wie etwa die Betagten, die Invaliden, die geistig Behinderten und die Opfer von Naturkatastrophen. Auch mit denen, die nicht auf andere angewiesen sind, sollt ihr stets von Achtung und Gerechtigkeit bestimmte Beziehungen unterhalten. Die verantwortlichen Persönlichkeiten der einzelnen Völker, vor allem jene, die sich innerlich zum christlichen Glauben berufen fühlen, fordere ich nachdrücklich auf, sich entschieden und mit kurzfristig wirksamen Mitteln dafür einzusetzen, daß den ärmsten Schichten der Gesellschaft die von der Gerechtigkeit geforderten Mittel zufließen und daß in erster Linie gerade sie den entsprechenden rechtlichen Schutz erfahren. Das nützlichste Mittel, um jeden Extremismus femzuhalten und den wahren Frieden zu festigen, ist es, denen, die unter Unrecht, Mißachtung und Elend leiden, ihre Würde wiederzugeben. 337 REISEN 7. Der Glaube an Christus, der uns verpflichtet, Gott zu lieben, und auch den Menschen wie einen Bruder zu lieben, lehrt uns, in ihm die ganze Tiefe seines transzendenten Wertes wahrzunehmen. Der Glaube muß daher Ansporn zum Einsatz für seine ganzheitliche Entwicklung werden, ein Einsatz, der vom klaren Wissen um unsere Identität als Kinder Gottes und der Kirche ausgeht; nichts darf dieses Wissen verdunkeln oder uns veranlassen, uns Ideologien zuzuwenden, die mit ihm unvereinbar sind. Dies ist die Grundlage der Soziallehre der Kirche, deren treue Anwendung den Christen bei der Lösung so vieler Probleme leiten muß, die unsere Gesellschaft betreffen. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Kenntnis dieser Soziallehre zu verbreiten und jene entsprechend zu schulen, die treu zu ihr stehen wollen. Man leistet damit dem Menschen von heute einen großen Dienst, wird er doch durch sie ermutigt, die Gewissen wachzurufen, größere. Gerechtigkeit, eine verbesserte Güterverteilung und den Zugang zu den Errungenschaften der Kultur zu fördern und auf diese Weise ein friedlicheres Zusammenleben zu festigen. Von der Soziallehre der Kirche geleitet Darauf besteht die Kirche zu allen Zeiten, denn sie hat „Grundsätze der Gerechtigkeit und Billigkeit - sowohl für das Leben der einzelnen wie der Gesellschaft als auch für das internationale Leben erarbeitet“ (Gaudium et spes, Nr. 63). Hier steht der hochherzigen Initiative der Bischöfe, Priester und Ordensleute ein weites Wirkungsfeld offen, auf dem auch alle anderen Männer und Frauen guten Willens arbeiten können, die sich für die Würde des Menschen einsetzen wollen. Hier werden sich alle Regierenden, Gesetzgeber, Unternehmer, Kaufleute, Industrielle, Bauern und Arbeiter inspirieren, um das so notwendige Klima der Gerechtigkeit in der Gesellschaft Guatemalas und Zentralamerikas schaffen zu können. So werden jahrhundertealte Spaltungen endgültig aus der Welt geschafft, und es wird ein Klima der sozialen Eintracht und der Entwicklung herrschen, das, so sagte Paul VI., der neue Name des Friedens und eine unerläßliche Notwendigkeit des Glaubens ist. 8. Geliebte Brüder! Möge so der Glaube an Jesus Christus auf eurem Antlitz leuchten wie die Sonne auf euren Meeren, über den Kratern eurer herrlichen Vulkane und in den Flügeln eurer rasch dahinziehenden, buntgefiederten Vögel. Möge der christliche Glaube, der Ruhm eurer Nation, die Seele eures Volkes und der Völker Mittelamerikas in eindeutigen praktischen Haltun- 338 REISEN gen zum Ausdruck kommen, vor allem den ärmsten, schwächsten und geringsten eurer Brüder gegenüber. Dieser Glaube muß zu Gerechtigkeit und Frieden führen. Es darf keine Trennung zwischen Glaube und Leben mehr geben. Wenn wir Christus aufnehmen, müssen wir seine Werke tun, einander wie Brüder behandeln und auf den Wegen des Evangeliums gehen. Beten wir in dieser Eucharistiefeier, Quelle der Gnade und des Glaubens, daß Christus uns lehre, tatsächlich seine Wege zu gehen, Wege der opferbereiten Nächstenliebe, eines Lebens aus der Tiefe der Hoffnung, zu dem uns die Kirche nach dem Beispiel Jesu gerade in dieser Fastenzeit einlädt. Möge Maria, mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen, euch von ihrem Sohn die Gnade erwirken, diesem Lebensprogramm treu zu sein, sie, unsere Führerin, unser Leben, unser Wohlgefallen und unsere Hoffnung. Amen. Evangelisierung nicht mit Subversion verwechseln Ansprache an die Eingeborenenbevölkerung in Quezaltenango (Guatemala) am 7. März Liebe Brüder, Söhne und Töchter! 1. Frohen Herzens sehe ich euch hier versammelt, die ihr aus verschiedenen Richtungen gekommen seid und mühe- und opfervolle Wege auf euch genommen habt, um mir die Möglichkeit zu geben, euch gleichsam zu umarmen und euch zu sagen, wie sehr euch die Kirche hebt und wie sehr euch der Papst, der Nachfolger Petri und Stellvertreter Christi, liebt. Mit euch grüße ich alle Eingeborenen und Katecheten, die an verschiedenen Orten Guatemalas, Mittelamerikas und ganz Lateinamerikas leben. Ihnen allen gelten meine Liebe, mein Gebet, meine Ermutigung, meine Solidarität und mein Segen. Vielmals danke ich euch, daß ihr zu dieser Begegnung mit dem Papst gekommen seid; ich schätze dieses euer Kommen sehr, habe ich doch besonderes Interesse, mit euch, den Verlassensten, beisammen zu sein. 2. Wir haben soeben im Lukasevangelium die eindrucksvolle Beschreibung der Szene gehört, wie Jesus, unser Erlöser, eines Samstags in der Synagoge von Nazaret weilte. 339 REISEN Vor seinen Landsleuten erhob sich Jesus, um die Schrift zu lesen. Es wurde ihm das Buch Jesaja gebracht, er öffnete es und las: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich die Entlassung der Gefangenen verkünde und die Befreiung der Gefesselten; damit ich den Blinden das Augenlicht gebe; damit ich ein Jahr der Erlösung verkünde und alle heile, deren Herz bedrückt ist; damit ich alle Trauernden tröste; ihre Nachkommen werden bei allen Völkern bekannt sein und ihre Kinder in allen Ländern. Jeder, der sie sieht, wird erkennen: Sie sind das vom Herrn gesegnete Volk“ (vgl. Jes 61, 1-9). Jesus schloß das Buch, gab es zurück und setzte sich. Alle Augen waren auf ihn gerichtet. Und er sagte zu ihnen: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (vgl. Lk 4, 16-21). Ja, im Sohn Gottes, Jesus Christus, aus der Jungfrau Maria geboren, erfüllt sich diese Schrift. Er wurde von Gott gesandt, um unser Retter zu sein. Er ist die Frohbotschaft, die ich euch verkünde; die Frohbotschaft, die ihr mit lauterem und offenem Herzen aufgenommen habt, indem ihr den Glauben an Jesus, unseren Erlöser und Herrn, annahmt. Christus allein ist imstande, die Ketten der Sünde und ihrer Folgen zu zerbrechen, die uns versklaven. Christus schenkt euch das Licht des Geistes, damit ihr die Wege der Erlösung seht, die ihr beschreiten müßt, auf daß eure Lage der euch zustehenden vollen Würde entspreche. Christus hilft euch, die Schwierigkeiten zu überwinden; er tröstet und stützt euch. Er lehrt euch, einander zu helfen, damit ihr selbst in erster Linie euren Aufstieg in die Hand nehmen könnt. Christus ist es zu danken, daß ihr als von Gott gesegnetes Volk anerkannt werdet; daß alle Menschen die gleiche Würde und vor ihm den gleichen Wert haben; daß wir alle Kinder des himmlischen Vaters sind; daß niemand einen anderen Menschen mißachten oder mißhandeln darf, weil er sonst von Gott gestraft wird; daß wir alle einander helfen müssen und daß wir in erster Linie den Verlassensten helfen müssen. 3. Die Kirche lehrt euch die Heilsbotschaft Christi in einer Haltung wahrer Achtung und Liebe. Sie weiß sehr wohl, daß sie das, was das Evangelium verkündet, bei den Völkern in die Tat umsetzen muß, die den Glauben annehmen und deren Kulturen sie in sich auf nimmt. Eure eingeborenen Kulturen sind der Reichtum der Völker und ein wirksames Werkzeug zur Verbreitung des Glaubens; sie sind eure beson- 340 REISEN dere Art, mit Gott, den Menschen und der Welt zu leben. Sie verdienen daher höchste Achtung, Sympathie und Unterstützung von seiten der gesamten Menschheit. Diese Kulturen haben tatsächlich eindrucksvolle Monumente hinterlassen - etwa die der Mayas, Azteken, Inkas und anderer Völker -, wir bestaunen sie heute noch. Wenn ich an die zahlreichen Missionare, Katecheten und Apostel denke, die euch, von hochherzigem Eifer und großer Liebe zu euch allen beseelt, Jesus Christus verkündet haben, bewundere und segne ich ihre beispielhafte Leistung, die reiche Früchte für das Evangelium getragen hat. Das Werk der Evangelisierung zerstört eure Werte nicht, sondern inkarniert sich in ihnen und festigt und stärkt sie. Es läßt die Samen keimen, die das „Wort Gottes bereit (machte), ... das schon, bevor es Fleisch wurde, um alles zu retten und in sich als dem Haupt zusammenzufassen, in der Welt war als das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Gaudium et spes, Nr. 57). Zweifellos hindert es die Kirche nicht, getreu ihrer universalen Sendung Jesus Christus zu verkünden und alle Rassen und Völker einzuladen, ihre Botschaft anzunehmen. So erneuert sie mit der Evangelisierung die Kulturen, bekämpft die Irrtümer, läutert und hebt die Moral der Völker, befruchtet die Traditionen, festigt sie und stellt sie in Christus wieder her (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58). Im gleichen Sinn sagten eure Bischöfe gemeinsam mit dem ganzen lateinamerikanischen Episkopat: „Die Kirche hat den Auftrag, für den wahren Gott und einzigen Herrn Zeugnis abzulegen. Die Evangelisierung, die eine Aufforderung zur Aufgabe falscher Gottesbilder, unnatürlichen Verhaltens und unzulässiger Manipulationen des Menschen durch den Menschen darstellt, kann daher nicht als etwas Gewaltsames betrachtet werden“ (Dokument von Puebla, 406). 4. Die Kirche achtet und evangelisiert jedoch nicht nur die Völker; sie verteidigt auch alle echten kulturellen Werte der einzelnen ethnischen Gruppen. Auch in diesem Augenblick weiß die Kirche, daß ihr, liebe Söhne und Töchter, darunter leidet, an den Rand gedrängt zu sein; sie weiß um die Ungerechtigkeiten, die ihr erleidet, um die ernsten Schwierigkeiten, denen ihr bei der Verteidigung eures Bodens und eurer Rechte ausgesetzt seid, um den häufigen Mangel an Achtung vor euren Sitten und Traditionen. Was sie betrifft, ist es ihr Wunsch, ihre Aufgabe der Evangelisierung zu erfüllen, indem sie euch beisteht und ihre anklagende Stimme erhebt, 341 REISEN sooft eure Würde als Menschen und Kinder Gottes verletzt wird; sie will euch friedlich begleiten, wie es das Evangelium fordert, aber mit Entschlossenheit und Tatkraft, damit die Anerkennung und Förderung eurer Würde und eurer Menschenrechte gelingt. Forderung nach wirksamem Schutz vor Ausbeutung Aus diesem Grund fordere ich hier in feierlicher Form die Regierungen im Namen der Kirche auf, sie mögen eine Gesetzgebung erlassen, die euch wirksam vor Ausbeutung schützt und euch eine Umwelt und Mittel zur Verfügung stellt, die eurer normalen Entwicklung entsprechen. Mit Nachdruck bitte ich, daß man der freien Ausübung eures Glaubens keine Hindernisse in den Weg lege; daß niemand mehr Evangelisierung mit Subversion verwechsle und daß die geweihten Amtsträger ihre Mission in Sicherheit und ohne Behinderung ausüben können. Ihr jedoch sollt euch nicht von Ideologien mißbrauchen lassen, die euch zur Gewalt und zum Tod aufwiegeln. Ich fordere, daß eure Reservate respektiert werden, und vor allem, daß der geheiligte Charakter eures Lebens geschützt werde. Niemand darf -aus welchem Grund auch immer - eure Existenz verachten, denn Gott verbietet das Töten und verlangt, daß wir einander brüderlich lieben. Schließlich fordere ich die Verantwortlichen auf, für euren menschlichen und kulturellen Fortschritt zu sorgen und euch daher mit Schulen und medizinischer Assistenz zu versorgen, ohne jede Diskriminierung. Mit großer Liebe zu allen fordere ich dazu auf, die konkreten Lösungen auf den Wegen zu suchen, die die Kirche mit ihrer Soziallehre vorgezeich-net hat, damit so die nötigen Reformen ohne Gewalttätigkeit vor sich gehen können. 5. Euch, liebe Söhne und Töchter, die ihr so zahlreichen ethnischen Gruppen angehört, euch fordere ich auf, jene Werte zu pflegen, die euch auszeichnen: Die Frömmigkeit, die euch bewegt, Gott einen wichtigen Platz in eurem Leben einzuräumen, ihn als fürsorglichen und erbarmenden Vater zu lieben und sein heiliges Gesetz zu achten. Öffnet euch der Liebe Christi. Laßt sie in eure Herzen, eure Familien und eure Kulturen einströmen. Den Fleiß, mit dem ihr nicht nur ehrlich den Lebensunterhalt für euch und eure Familien verdient, sondern der auch den Müßiggang, die Quelle vieler Übel, vermeiden hilft und durch den ihr aus der Erde eine des 342 REISEN Menschen würdige Wohnstatt macht. Mit der Arbeit erfüllt ihr den Willen Gottes: die Schöpfung zu vervollkommnen, euch selbst zu verwirklichen und den Mitmenschen zu dienen. Im Namen Gottes fordere ich, daß eure Arbeit gerecht entlohnt werde, damit sich so der Weg zur Verwirklichung eurer Würde öffne. Die Liebe zu eurem Heim und eurer Familie. Heim und Familie müssen im Mittelpunkt eurer Liebe stehen und eurem Leben Auftrieb geben. Ihr sollt sie beide jederzeit achten, nicht durch Laster oder Sünde zerstören und nicht durch den Alkoholismus, die Ursache so vieler Übel, schädigen. Die Solidarität. Eure brüderliche Liebe muß in einer wachsenden Solidarität zum Ausdruck kbmmen. Helft euch gegenseitig. Gründet Vereinigungen zur Verteidigung eurer Rechte und zur Verwirklichung eurer Pläne. Wie viele wichtige Werke konnten auf diese Weise vollbracht werden! Das Apostolat. Ich weiß, daß es unter euch viele Beauftragte für den Wortgottesdienst, viele Katecheten und Amtsträger gibt. Laßt nicht nach im Apostolat. Der wahre Apostel des Eingeborenen wird der Eingeborene selbst sein. Möge es euch Gott gewähren, viele Priester aus euren Stämmen hervorgehen zu sehen. Sie werden euch besser kennen, euch verstehen und die Heilsbotschaft entsprechend darzulegen wissen. Dank einer guten und ununterbrochenen Glaubensunterweisung werdet ihr es zu einem reifen Glauben bringen, der es versteht, die traditionellen Riten und Zeremonien zu läutern, die mehr und mehr vom Glauben erhellt werden müssen. 6. Ich denke an eure Wallfahrtsorte wie Esquipulas und Chichicasten-ango. Mögen sie vorzügliche Zentren der Evangelisierung sein, wo der ernsthafte Kontakt mit dem Wort Gottes für euch zum ständigen Aufruf zur Bekehrung und zu einem reineren Glaubensleben wird. Meine lieben Brüder und Schwestern, ich vertraue darauf, daß ihr nach dieser Begegnung mit neuer Kraft nach Hause zurückkehrt, mit größerer Liebe zur Kirche, die euch hebt und euch dienen will; mit dem Vorsatz, besser zu werden. Ihr bleibt in meinem Herzen, und oft werde ich für euch alle den reichen Segen des Himmels erflehen. Erinnert euch schließlich daran, daß der Sohn Gottes in der Person Jesu, unseres Erlösers, durch eine Frau zu uns gekommen ist, durch die Jungfrau Maria. Sie ist unsere Schwester und auch unsere Mutter. Die Mutter jedes einzelnen und der ganzen Kirche. Ich weiß, daß ihr sie hebt und vertrauensvoll anruft. Ich flehe sie an, euch 343 REISEN zu beschützen. Sie möge eure Heime schützen, euch bei der Arbeit begleiten, in Freud und Leid, im Leben und im Tod. Maria zeige euch Christus und sei immer eure geliebte Mutter. Amen. In der Sprache der Eingeborenen sagte der Papst zum Abschluß: Euch allen, Frauen und Männern, Jungen, Mädchen und Alten, gilt mein Gruß des Friedens. In Treue zum Evangelium und zum Geist der Ordensgründer Ansprache bei der Begegnung mit den Ordensmännern in Guatemala-City am 7. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Dieses nationale Sühneheiligtum vom Heiligsten Herzen Jesu ist heute der Ort der Begegnung des Papstes mit den Ordensmännern der gesamten geographischen Region, die ich in diesen Tagen besuche. Doch anwesend sind auch die Priester, Ordensfrauen und Seminaristen von Guatemala. Das sind die zentralen Bereiche des Lebens der Kirche in dieser Nation. Darum möchte ich euch allen ein anerkennendes Gedenken, einen ganz herzlichen und dankbaren Gruß, ein Wort der Ermutigung bei eurem Einsatz für Christus und eure kirchliche Berufung widmen, verbunden mit meinem besonderen Segen. Ich habe eine eigene Begegnung dem Zusammensein mit euch, liebe Ordensmänner, Vorbehalten. Ich möchte euch vor allem meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen für eure hochherzige kirchliche Präsenz in diesen Ländern, wo ihr im Dienst der Ortskirchen steht. Viele von euch sind Söhne dieses Landes. Andere kommen von näher oder weiter her. Doch alle beseelt dieselbe Liebe zu diesen Völkern, von denen auch ihr durch ihren schlichten Glauben, ihre tiefempfundene Frömmigkeit, ihre Hochherzigkeit viel empfangen habt. Die besonderen Verhältnisse, in denen diese Völker und ihre Nachbarn leben, begünstigen eine enge Verbundenheit unter euch. Ich meinerseits möchte die Bemühungen um kirchliche Gemeinschaft, um Zusammenarbeit mit euren Bischöfen, um die Suche nach eurer stärkeren und 344 REISEN besseren Eingliederung in das kirchliche Leben dieser Schwesternationen ermutigen, damit ihr als Ordensmänner Zeichen der Gemeinschaft und Versöhnung seid. 2. Ihr habt euch verpflichtet, die Nachfolge Christi nach dem Evangelium zur höchsten Norm eures Lebens zu machen (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 2 a). Laßt mich euch daran erinnern: Ihr müßt die Spezialisten des Evangeliums Jesu sein, die sich lebendig mit seinen Worten und seinem Beispiel identifizieren. Kennzeichen des Ordenslebens in der Kirche muß es sein, die Reinheit des Evangeliums zu bewahren; nicht nur in den Gelübden, die charakteristisch für eure Weihe sind, sondern vor allem in der vollkommenen Liebe zu Gott und zum Nächsten, die das Wesen des Evangeliums ausmacht; in den Seligpreisungen, die seine Einzigartigkeit gegenüber der Haltung der Welt darstellen, und in den besonderen Bekundungen des Evangeliums, wie es die Charismen eurer Ordensgründer sind. Die Treue zum Evangelium stellt die Lebenskraft des Ordenslebens sicher, von der mein Vorgänger Paul VI. ganz richtig sagte: „Durch ihre Ganzhingabe im Ordensstand sind sie im Höchstmaß frei und willens, alles zu verlassen und hinzugehen, um das Evangelium zu verkünden bis an die Grenzen der Erde. Sie sind voll Unternehmungsgeist, und ihr Apostolat ist oft von einer Originalität, von einer Genialität gekennzeichnet, die Bewunderung abnötigen. Sie geben sich ganz ihrer Sendung hin: Man findet sie oft an der vordersten Missionsfront, und sie nehmen größte Risiken für Gesundheit und Leben auf sich“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 69, in: Wort und Weisung 1975, S. 589). Seid also dem allzeit sich verjüngenden Evangelium treu, dem Christus das belebende Wirken des Heiligen Geistes und seiner charismatischen Gaben auf getragen hat (vgl. Lumen gentium, Nr. 4). 3. Gewähr für die Treue ist das Bewußtsein eurer Weihe an Christus in der Kirche. Ja, das Evangelium ist nicht nur als eine gerechte Sache oder eine Utopie zu betrachten. Das Evangelium ist wer: Es ist Jesus Christus, der Herr. Er, der „wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung auferweckt wurde“ (vgl. Röm 4, 25). Er hat euch aufgefordert, ihm nachzufolgen bis zum Kreuz. Und man kann ihm nicht in Treue folgen, wenn man ihn nicht vor allem tief liebt. Darum vereint euch die Ordensweihe lebendig mit Jesus Christus und wird zu einem Band der Liebe, die Freundschaft, Gemeinschaft mit ihm verlangt, eine Gemeinschaft, die durch die Sakramente, insbesondere Eucharistie 345 REISEN und Buße, durch die Meditation über sein Wort, durch das Gebet, durch die Identifizierung mit seinen eigenen Empfindungen genährt wird. Die Räte für das Himmelreich anzunehmen bedeutet, dem Reich Christi, das die Kirche ist, zu dienen. Deshalb ist das Ordensleben direkter Ausdruck der Verbindung „mit der Kirche und ihrem Geheimnis“ und gereicht ihr zum Nutzen (vgl. Lumen gentium, Nr. 44). Denkt jedoch immer daran, daß im Plan Christi das Ordensleben nicht außerhalb der Bischöfe oder als gleichgültig gegenüber der Hierarchie verstanden wird; denn die Gnadengaben können nur im Dienst der Gemeinschaft und der Einheit des Leibes Christi betrachtet werden (vgl. 1 Kor 12, 4-11). Deshalb muß nicht nur immer jede Form des Apostolats oder Lehramtes, das neben dem der Bischöfe herläuft, ausgeschlossen bleiben, sondern es entspricht der eigenen Natur des Ordenslebens, mit allen Mitteln die Gemeinschaft zu stärken, sie bei den Gläubigen zu fördern, sie wiederherzustellen, wo sie an Kraft verliert. Das war immer das typische Wesensmerkmal, das sämtliche Ordensgründer bewiesen haben. 4. Ja, liebe Ordensmänner. Ich weiß, daß ihr bei der Erwähnung der Gründer eurer Institute in euch den „Familiengeist“ fühlt, der euch mit ihnen und mit euren Brüdern identifiziert. Es ist das Gefühl, daß das Charisma etwas Lebendes, Lebendiges, vom Geist Beseeltes ist, das in eurer Erfahrung der Ausbildung und des Ordenslebens Fleisch und Blut geworden ist. Ihr seid Bewahrer und Verantwortliche dieser „Erfahrung des Geistes“, die das Charisma eurer Gründer ist. Ihr seid die Söhne dieser „Männer des Geistes“, ihre lebendige Gegenwart in der heutigen Kirche, in diesen Ländern. Die Gläubigen erkennen euch wegen eurer Verbindung mit diesen Heiligen an. Und dieselben Gläubigen hoffen von euch, daß ihr wahre Söhne dieser Heiligen seid und so handelt; verbunden mit Gott und von ihm verpflichtet zur Förderung der Gerechtigkeit, zur kulturellen und menschlichen Erhöhung des Menschen, zur Annahme der Sache der Armen. Doch vor allem, wenn ihr für die Armen arbeitet, denkt daran, daß ihr niemanden ausschließen dürft. 5. Man kann nicht an das Werk der Ordensgründer denken, ohne in ihnen das Evangelium verkörpert zu sehen, wie es sich in der Geographie und der Geschichte der Kirche ausgebreitet hat. Sie bieten euch von dieser eindeutig evangelischen Perspektive her das 346 REISEN Vorbild für eine Präsenz in der Nähe des Volkes und seiner Leiden. Sie waren, ohne sich von Versuchungen oder Strömungen politischen Charakters mitreißen zu lassen, ein gültiges Vorbild auch für euch heute -denn wie ich zu den Priestern und Ordensleuten von Mexiko sagte, „seid ihr weder soziale oder politische Führer noch Funktionäre einer weltlichen Macht“ - und deshalb in der Lage, Christi nicht nur in Worten, sondern in hochherzigen Handlungen, in Diensten und Einrichtungen wirksam zu verkörpern. So haben sie Spuren in der Geschichte hinterlassen, Kultur geschaffen, Wahrheit und Leben gesät; ihre Früchte ernten wir noch immer. In evangelischer Liebe die Hingabe des Lebens erneuern Dieses Gedenken, meine lieben Brüder, erlaubt mir, euch um volle Treue zum Evangelium und zum Geist eurer Ordensgründer zu bitten; damit ihr heute wie gestern als Ordensmänner die vollkommene Liebe mit tiefem Glaubensbewußtsein, mit hochherzigem Einsatz für die Aufgabe der Evangelisierung lebt, die euer erster und wichtigster Auftrag ist, ohne jemals zuzulassen, daß ideologische Motivierungen, die euch als Werkzeug mißbrauchen, an die Stelle eurer eigenen evangelischen Identität treten oder euer Handeln beeinflussen, das immer das von Männern der Kirche sein muß. Aus dieser klaren Überzeugung arbeitet auch mit Begeisterung für die Würdigung des Menschen. 6. In dieser evangelischen Liebe, die, wie eure Gründer beweisen, konkreter und vollkommener ist als jede menschliche Ideologie und sich des Menschen in seiner geistigen, materiellen und sozialen Dimension sorgend annimmt, fordere ich euch auf, die glühende Hingabe eures Lebens und eurer Werke zu erneuern. Darum bitten euch die Söhne und Töchter der Kirche in diesen Ländern. Sie wollen euch in ihrer Nähe wissen, vor allem als geistliche Führer, als Spezialisten der Liebe Christi, die dazu anspornt, die anderen zu heben und mit allen Kräften für die Gerechtigkeit und die Würdigung des Menschen zu arbeiten. Vor euren Augen stehen die Aufgaben der Evangelisierung und der Bildung christlicher Gemeinden. Ersetzt durch eure Hochherzigkeit den Mangel an Berufen oder überbrückt die Entfernungen zwischen den kirchlichen Gruppen, die eurer Gegenwart um so notwendiger bedürfen, je weiter sie von den großen städtischen oder ländlichen Zentren entfernt sind. Erzieht auch die Volksfrömmigkeit, damit sie die Früchte des schlichten und hochgemuten Glaubens erbringt, der sie beseelt. 347 REISEN Hört nicht auf, ein reifes Laikat heranzubilden, das in verantwortungsvoller Weise seinen Platz in der Kirche einnimmt und sich mit Scharfblick der Sendung widmet, für die es zuständig ist, nämlich die Gesellschaft von innen her zu verwandeln. Und gewährt insbesondere den Armen - wie vorhin angedeutet - das Brot des Wortes, die Verteidigung ihres Rechts, wenn es mit Füßen getreten wird, die Förderung, die ganzheitliche Bildung und jede nur mögliche Unterstützung, die ihnen würdig zu leben hilft. Folgt dabei den Weisungen der Soziallehre der Kirche, so wie diese sie formuliert. 7. Ich bitte euch um besondere Aufmerksamkeit für die Jugend. Eure Jugendlichen sind hochherzig; sie hoffen auf Sympathie und Hilfe von allen, die von ihren Ordensstiftern einen besonderen Sendungsauftrag zur christlichen, kulturellen, arbeitsmäßigen und menschlichen Erziehung empfangen haben. Darum möge eure Präsenz in den Erziehungszentren auf allen Ebenen nicht fehlen, wo die Werte entschieden werden, die diejenigen bilden sollen, die eines Tages die Geschicke eurer Völker leiten werden. Auf diesem wichtigen Gebiet folgt wie bei jeder eurer apostolischen Tätigkeiten - ob individueller Art, auf Gemeinschaftsebene der Kommunität oder des Instituts oder in noch weiterem Rahmen - getreu den Richtlinien eurer Bischöfe und beweist eure Liebe zur Kirche mit der Achtung, der Gemeinschaft und der Zusammenarbeit, die sie als Hirten der Ortskirchen verdienen. Durch sie werdet ihr mit dem sichtbaren Haupt der Kirche verbunden sein, dem Christus das Charisma übertragen hat, seine Brüder im Glauben zu stärken. Und erweist euch ebenso hochherzig in der Hilfe und Zusammenarbeit mit dem Diözesanklerus. Mit diesen Bitten erneuert der Papst sein Vertrauen in euch, ermutigt euch zu einer wachsenden Fruchtbarkeit eurer Gnadengaben und zum begeisterten Einsatz, der das Kennzeichen eurer radikalen Option für Christus, für die Kirche und für den Menschen, euren Bruder, sein muß. 8. Ihr sucht einen Schlüssel zur apostolischen Fruchtbarkeit? Lebt die Einheit, die Quelle großer apostolischer Kraft (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 15). In der brüderlichen Gemeinschaft ist in der Tat die Gewähr für die Gegenwart Christi und seines Geistes gegeben, damit ihr eure Verantwortlichkeiten in die Praxis umsetzt, indem ihr den Regeln eurer Ordensinstitute folgt. Die Kirche braucht das Beispiel und Zeugnis von Ordensleuten, welche die evangelische Brüderlichkeit leben. Die Gruppen und Gemeinden 348 REISEN hoffen auf die geistige Beseelung, die sich auf eure Erfahrung der Gütergemeinschaft, des gemeinschaftlichen Gebets und der gegenseitigen Hilfe gründet. Die Jugendlichen, die an eure Türen klopfen, wollen mit einem kirchlichen Leben in Kontakt kommen, das von der Inbrunst des Gebets, vom Familiengeist, von der apostolischen Berufung verkörpert wird. Diese jungen Menschen sind empfänglich für die gemeinschaftlichen Werte und hoffen sie im Ordensleben zu finden. Ihr müßt imstande sein, sie aufzunehmen und zu leiten, indem ihr euch um die neuen Berufe, deren Suche ja eine eurer Hauptsorgen sein muß, gewissenhaft kümmert. 9. Meine lieben Brüder! Alle eure Institute bekennen eine besondere Liebe zur Jungfrau Maria; unter verschiedenen Titeln und mit verschiedenen Akzentuierungen erscheint die Jungfrau als der Ausdruck eines lebendigen Evangeliums und somit als Mutter aller Ordensleute. In ihrem Namen bitte ich euch, haltet fest an der gegenseitigen Hochschätzung eurer Gnadengaben und an der Zusammenarbeit bei euren apostolischen Werken. Ihr empfehle ich euch, damit sie eure Treue zu Christus und zur Kirche bewahre und vermehre. Sie bitte ich um das Gedeihen und die Fortdauer ausreichender Berufungen für eure Ordensfamilien. Die Kirche dieses geographischen Raumes hat eure Anwesenheit nötig, um diese Fülle des Evangeliums leben zu können, wie sie dem Ordensleben eigen ist. Maria, die treue und um die Bedürfnisse und Nöte der Menschen besorgte Jungfrau, lasse euch diese Gnade zuteil werden. So soll es sein. Unter dem Joch der Interessen und Ideologien Botschaft an die Dozenten und Studenten der Universität in Guatemala am 7. März Verehrte Herren Rektoren, Professoren, liebe Studenten und Studentinnen! 1. Im Rahmen meines Besuchs in Mittelamerika, Belize und Haiti möchte ich diese schriftliche Botschaft an euch richten, um zusammen mit euch über die besonderen Beziehungen zwischen Kirche und Universität 349 REISEN nachzudenken. Sie will auch ein Beweis dafür sein, daß die Kirche der unentbehrlichen Aufgabe der Universität in der Gesellschaft von heute eine große Aufmerksamkeit schenkt, besonders in einer Zeit, die wie die unsrige dem ganzheitlichen Fortschritt des Menschen so sehr zugewandt ist. Wie ihr sehr wohl wißt, ist in Europa die Universität geboren worden, und zwar im Schoße der Kirche, als eine geradezu natürliche Weiterführung der Funktionen, die die Kirche selbst auf dem Gebiet der Lehre, der Erziehung, der Forschung und des kulturellen Dienstes ausübte. Ausgehend von bescheidenen Schulen, die im Schatten der Dome und Klöster entstanden waren, entwickelten sich nach und nach Fakultäten und höhere Ausbildungszentren, die von der Kirche unterstützt und später durch sie in ihren Rechten und in ihrer akademischen Autonomie bestätigt wurden. Mit der Zeit entwickelten sich angesehene Universitätsgemeinschaften wie die von Bologna, Paris, Oxford, Prag, Krakau, Sala-manca und Coimbra, die eine hervorragende Rolle bei der Entfaltung der europäischen Kultur gespielt haben. Ohne ihre Anstrengungen und Beiträge wäre diese nicht, was sie ist. 2. Zu dem Zeitpunkt, als Europa seinen Wirkungsbereich auf den amerikanischen Kontinent ausdehnte, war der Kirche sehr daran gelegen, daß dort Universitäten oder Höhere Schulen entstanden, um den entsprechenden Bedürfnissen der Neuen Welt entgegenzukommen. So wurden zahlreiche Universitäten gegründet, von denen eine ganze Reihe große Berühmtheit erlangten, so z. B. die von Santo Domingo, Lima, Mexiko, Sucre, Quito, die Franz-Xaver-Universität von Bogota, die von Cordoba und die St.-Karls-Universität von Guatemala. Weitere Gründungen gingen später von diesen aus. An ihnen wurde eine hervorragende Ausbildung erteilt, sowohl in der Theologie wie in der Philosophie, in den Geisteswissenschaften, in der Medizin, Jurisprudenz, Mathematik, Astronomie und Botanik. Gleichzeitig entstanden in den wichtigsten akademischen Zentren des Kontinents hochangesehene Bibliotheken. Kirche und Universität auf der Suche nach der Wahrheit 3. Aber meine Absicht ist es nicht, die Apologie einer bestimmten Epoche der Geschichte zu betreiben, die wie jede Zeit ihre Erfolge und ihre Schwierigkeiten hatte, sondern hervorzuheben, wie die Kirche im Laufe der Jahrhunderte sich bemüht hat, durch die Universitäten eine ganz bestimmte Aufgabe zu erfüllen. 350 REISEN Von Anfang an hat sie danach gestrebt, die geistlichen wie die weltlichen Wissenschaften zu pflegen, um zu einer immer tieferen Erkenntnis des Werkes Gottes zu gelangen und zugleich der Gesellschaft zu dienen. So haben die Universitäten große Männer der Kirche, Ärzte, Erzieher, Fachleute in Rechtswissenschaft und Rechtsprechung hervorgebracht, die im Dienst der Gemeinschaft gestanden haben. Kurz, die Universitäten trugen dazu bei, daß es an allen Orten eine Klasse hochqualifizierter Personen gab, die in der Lage waren, den spezifischen Bedürfnissen der Gesellschaften des Neuen Kontinents Rechnung zu tragen. 4. Die Kirche erinnerte immer wieder daran, daß es Aufgabe der Universität sei, den Menschen, seine Rechte und seine Freiheit zu verteidigen. Es mag genügen, hier nur an das prophetische Wort des großen Bischofs Francisco de Marroquin zu erinnern, der hundert Jahre vor der Gründung der angesehenen St.-Karls-Universität die christliche und menschliche Sendung der Universität verkündete, und der alles Erdenkliche tat, um ihre spätere Gründung zu ermöglichen, ja einen Teil seines Erbes zu diesem Zweck zur Verfügung stellte. Nach seiner Auffassung sollte sich die Universität dem Fortschritt der göttlichen und menschlichen Wissenschaften sowie der Verteidigung der Rechte des Menschen widmen. Diese Einstellung, an die die Kirche immer wieder erinnert hat, trug zum Aufblühen einer eigenständigen Kultur bei, die sich dem Dienst am lateinamerikanischen Menschen und der Förderung seiner eigenen Identität öffnete. Aus diesen Universitäten stammen zum großen Teil all die Männer und Frauen, die die lateinamerikanischen Nationen geschmiedet und ihre kulturelle Autonomie und Sendung bestimmt haben, nicht ohne dabei die geistige Gemeinschaft der Völker dieses Kontinents stets zu unterstreichen. 5. Diese Universitäten trugen zur Ausbreitung eines im reichen kulturellen Humusboden eurer Länder verwurzelten Humanismus bei. Ich erinnere auf dem Gebiet der Naturwissenschaften an Jose Celestino Mutis vom Kolleg Del Rosario in Bogota, der ein großer Botaniker und Fachmann der astronomischen Entdeckungen des Kopernikus war. Oder denken wir an den großen Dichter und Latinisten Rafael Landivar aus Guatemala. Und wie könnten wir die Entdeckungen der christlichen Missionare und Forscher vergessen, die sich mit den großen indianischen Kulturen beschäftigten, wie z. B. mit der Mayakultur mit ihren erst spät entdeckten eindrucksvollen Monumenten, ihrer Kosmologie, ihren mathematischen 351 REISEN und astronomischen Kenntnissen wie auch mit ihrem tiefen Verständnis des Sakralen. So werden diese Kulturen heute besser verstanden und studiert, und es zeigt sich dabei der große Einfluß, den diese alten Zivilisationen auf euch ausgeübt haben. 6. Man kann also sagen, daß die Geschichte der Universitäten in euren Ländern lange Zeit hindurch mit dem Leben der Kirche verbunden gewesen ist. Wenn später die Umstände und die politischen Entwicklungen diese Bande zerrissen haben und gegenseitige Mißverständnisse auf-gekommen sind, so gilt es dennoch festzuhalten, daß zwischen der Universität und der Kirche eine wirkliche Wesensverwandtschaft besteht. In der Tat widmen sich sowohl die Universität als auch die Kirche - jede auf ihre Weise - der Suche nach der Wahrheit und dem Fortschritt des Geistes, den allgemein verbindlichen Werten, dem Verständnis und der ganzheitlichen Entwicklung des Menschen, der Erkundung der Geheimnisse des Universums. Kurz, die Universität und die Kirche wollen dem Menschen selbstlos dienen, wobei sie sich bemühen, seinen höchsten moralischen und intellektuellen Bestrebungen gerecht zu werden. Die Kirche lehrt, daß die menschliche Person, die nach dem Bilde Gottes geschaffen wurde, eine einzigartige Würde besitzt. Diese gilt es zu verteidigen gegen alle Bedrohungen, die - vor allem zum gegenwärtigen Zeitpunkt - danach trachten, den Menschen physisch und moralisch, individuell und kollektiv zu zerstören. Die Kirche wendet sich ganz besonders an die heutigen Akademiker, um ihnen zu sagen: Versuchen wir gemeinsam den Menschen als solchen zu verteidigen, dessen Würde und Ehre ernsthaft bedroht sind. Die Universität, die von ihrem Wesen her eine uneigennützige und freie Institution ist, stellt sich als eine der wenigen Institutionen der modernen Gesellschaft dar, die in der Lage sind, zusammen mit der Kirche den Menschen um seiner selbst willen zu verteidigen; ohne Hintergedanken, ohne irgendeinen Vorwand und nur aus dem einen Grunde, daß der Mensch eine einzigartige Würde besitzt und es verdient, um seiner selbst willen geachtet zu werden. Dies ist der hohe Humanismus, den die Kirche lehrt; den sie euch, den Studenten und den Lehrenden, für eure so wertvolle und drängende Aufgabe anbietet. Erlaubt mir, daß ich euch dazu aufrufe, alle legitimen euch zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, nämlich Lehre, Forschung, Information und Dialog mit der Öffentlichkeit, um eure wahrhaft humanistische Sendung erfüllen zu können. So werdet ihr zu Baumeistern 352 REISEN der Gesellschaft im Zeichen der Liebe, die allein verhindern kann, daß der Mensch des Menschen Feind ist. 7. Ebenso notwendig ist es, von beiden Seiten her gesehen, auch heute die Voraussetzungen für einen fruchtbaren Dialog zwischen der Kirche und den Universitäten zu fördern. In der Fülle der ihnen zukommenden Autonomie und im Rahmen ihrer rechtlichen und bürgerlichen Verfaßt-heit, die nicht mehr dieselbe sein kann wie in der Vergangenheit, können die Universitäten ein nicht geringes Interesse daran haben, sich aufmerksam und intensiv mit der außerordentlich weitgreifenden Anthropologie zu befassen, die das Zweite Vatikanische Konzil für die heutige Zeit erarbeitet und formuliert hat - in Dokumenten, die neue Horizonte eröffnen können, wie z. B. in der Konstitution Gaudium et spes, wo eine Antwort nicht nur auf die Hoffnungen, sondern auch auf die Ängste des modernen Menschen gegeben wird, der vielleicht mehr denn je in der Geschichte nach Befreiung und Brüderlichkeit dürstet. Die katholischen Universitäten sollen in Übereinstimmung mit der ihnen eigenen Zielsetzung die Überlegungen zu den göttlich-menschlichen Grundlagen und zur allgemeingültigen Bedeutung dieser Anthropologie vertiefen. Aber alle Männer und Frauen guten Willens möchte ich eindringlich dazu auffordem, diese moralische und geistige Sicht des Menschen zu teilen, die unsere Zeit mit allen ihr zur Verfügung stehenden Energien zu fördern berufen ist, wenn sie ihre inneren Widersprüche überwinden und die Tragödie absurder Kriege und brudermörderischer Entzweiungen vermeiden will. Andernfalls wird der Mensch weiterhin den Menschen schamlos ausbeuten und ihn unter das grausame Joch der Interessen der Ideologien knebeln. Diese Sprache - das stelle ich bei meinen Begegnungen mit den Männern und Frauen aus Kultur und Wissenschaft immer wieder fest - läßt niemanden gleichgültig. Alle verstehen es, daß wir, um den Menschen uneigennützig zu verteidigen und seinen wahren Fortschritt zu fördern, unsere Trennungen überwinden müssen, daß wir die Hochschulausbildung von parteiischen Konfrontationen freimachen müssen, mit einem Wort, daß wir den Geist mit Wahrheit und Gerechtigkeit erfüllen müssen. Die Universität würde ihrer Berufung untreu werden, wenn sie sich dem Absoluten und dem Transzendenten verschlösse, sie würde dann willkürlich die Erforschung der ganzen Wirklichkeit oder der Wahrheit begrenzen und würde schließlich dem Menschen selbst Schaden zufügen, dessen bestes Streben darauf gerichtet ist, das Wahre, das Gute und das Schöne zu erkennen und ein Geschick zu erwarten, das ihn transzendiert. So muß 353 REISEN also die Universität zum lebendigen Zeugnis für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit werden und so das moralische Gewissen einer Nation widerspiegeln. Die Studenten, die Intellektuellen und die Erzieher können einen beträchtlichen Einfluß im Kampf um die soziale Gerechtigkeit geltend machen, ein Ziel, das es mit Mut und Kraft zu verfolgen gilt, und zwar mit den Mitteln der Gerechtigkeit selbst. Das bedeutet, daß alle Verbesserungen, die in den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen von der Ethik gefordert werden, auch wirklich durchgeführt werden, daß aber zugleich die zerstörerische Gewalt revolutionärer Konfrontation vermieden werden muß. Die Universität hat ein ungeheures moralisches Potential zu ihrer Verfügung, um Gerechtigkeit und Recht zu verteidigen. Sie braucht dazu nur in Übereinstimmung mit den ihr eigenen Mitteln zu handeln, nämlich mit denen des kompetenten Wissens und der moralischen Erziehung. Ebenso muß die Universität bemüht sein, im Rahmen des Möglichen das hohe Gut der akademischen Bildung auf alle sozialen Klassen und Altersstufen auszudehnen, soweit diese in der Lage sind, sie zu nutzen. Den Menschen verteidigen! Ein anspruchsvolles Programm, gewiß, und schwerlich in einem Zug zu verwirklichen. Aber es handelt sich um einen Idealplan, an dem sich die weitere Entwicklung der Universität, die Reform der Lehrpläne, ja die Erneuerung der Gesamtaufsicht der Hochschule orientieren sollte. 8. Ich richte einen besonderen Aufruf an die Katholiken. Mögen sie diese Richtlinien hochherzig aufnehmen und nach Wegen eines neuen Dialogs zwischen der Kirche und der Welt der Universität, der Wissenschaft und der Kultur suchen. Dieses Unternehmen erscheint mir lebenswichtig für die Kirche und für eure Nationen. In der Tat, welche Zukunft wäre noch zu erwarten, wenn der Mensch geopfert würde, wenn er sich selbst zerstörte? Nur eine Anthropologie, die auf der uneingeschränkten Liebe zum Menschen und auf der Achtung vor seinem überzeitlichen Geschick gegründet ist, wird es der heutigen Generation ermöglichen, die grausamen Spaltungen zu überwinden und gegen die physischen, sittlichen und geistigen Würdelosigkeiten, die gegenwärtig die Menschheit entehren, wirksam anzukämpfen. Den katholischen Universitäten fällt heute eine besondere Rolle zu, insofern sie sich um eine, befreiende Anthropologie, die den Menschen in 354 REISEN seiner körperlichen und geistigen Verfaßtheit sieht, bemühen sollen. So können sie in einen originalen Dialog mit allen Männern und Frauen guten Willens eintreten. Auf der Grundlage ihrer Berufung und ihrer christlichen Identität werden die kathohschen Universitäten der großen Herausforderung, die sie heute erleben, wirksam begegnen können. Ich richte auch einen dringenen Appell an jene Kathohken, die in den Universitäten und Forschungszentren arbeiten: Laßt uns alle gemeinsam jetzt und in der Zukunft den Menschen als einzelnen und in der Gemeinschaft verteidigen! Ich bin davon überzeugt, daß mein Ruf eine entschlossene und hochherzige Antwort von seiten aller Verantwortlichen in der Kirche finden wird: der Ordensleute, der Laien, der Männer und Frauen aller Altersstufen. Im Hinblick auf diese so schwerwiegenden Fragen unserer Zeit habe ich mich entschlossen, den Päpstlichen Kulturrat zu gründen (vgl. O. R. vom 20. Mai 1982; O. R. dt. Nr. 28/1982) mit dem Ziel, der Kirche zu einem so wichtigen Thema neue Anregungen zu geben und um gleichzeitig das große Interesse des Hl. Stuhls am Dialog der Kulturen und an der geistigen Förderung des Menschen zu dokumentieren. Euch aber, den Verantwortlichen und Angehörigen der akademischen Welt in diesem Bereich des Kontinents, möchte ich noch einmal meine große Wertschätzung für eure hohe und wesentliche Aufgabe zum Ausdruck bringen. Und ich bitte ihn, der die Fülle der Wahrheit und das Geschick des Menschen ist, daß er eure Wege lenke, daß er euer Tun zum Wohl und zum Nutzen der Menschheit werden lasse und es auf die Höhe des Wesentlichen emporhebe. Ein Grund zu Trost und Hoffnung Predigt bei der Messe im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Suyapa in Tegucigalpa (Honduras) am 8. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Hier, in der Nähe unserer gemeinsamen Mutter, begrüße ich zunächst herzlich den Bischof dieses erzbischöflichen Stuhles von Tegucigalpa, die anderen bischöflichen Brüder, die Priester, Ordensmänner, Ordens- 355 REISEN frauen, Seminaristen und Laien dieser geliebten Nation. Alle segne ich von Herzen. Nun, da mein apostolischer Besuch bei der Kirche in den Nationen Mittelamerikas, in Belize und Haiti bereits seinem Ende zugeht, wollte ich als Pilger in das Heiligtum Unserer Lieben Frau von Suyapa, der Schutzpatronin von Honduras und Mutter aller, die sich zum Glauben an Jesus Christus bekennen, kommen. Von der Höhe von Tegucigalpa und diesem Heiligtum aus sehe ich die Länder, die ich besucht habe, im selben katholischen Glauben vereint, geistig versammelt um Maria, die Mutter Christi und der Kirche im Band der Liebe, das alle diese Völker zu brüderlichen Nationen macht. Ein und derselbe Name, Maria, unter verschiedenen Titeln mit denselben Gebeten angerufen, mit der gleichen Liebe ausgesprochen. In Panama ruft man sie als Jungfrau, in den Himmel aufgenommen an; in Costa Rica als Unsere Liebe Frau von den Engeln; in Nicaragua als die Unbefleckte; in El Salvador wird sie als Königin des Friedens angerufen; in Guatemala als Jungfrau, glorreich in den Himmel aufgenommen; Belize ist der Muttergottes von Guadalupe geweiht, und Haiti verehrt Unsere Liebe Frau von der immerwährenden Hilfe. Hier erinnert der Name der Jungfrau von Suyapa an das Erbarmen Mariens und den Dank des Volkes von Honduras für ihre Hilfe und ihren Beistand. 2. Die Bibeltexte, die vorhin verlesen wurden, helfen uns, das Geheimnis und die Verpflichtung zu begreifen, die die Präsenz der Jungfrau und Gottesmutter in jeder Ortskirche, in jeder Nation in sich schließt. Mutter aller Menschen Das Evangelium des hl. Johannes hat uns die Anwesenheit Mariens zu Füßen des Kreuzes und die letzten Worte des Testaments Jesu in Erinnerung gebracht, mit denen er die Jungfrau als Mutter seiner Jünger anspricht: „Frau, siehe, dein Sohn!“ Danach sagt er zu dem Apostel: „Siehe, deine Mutter! Und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19, 26-27). In der Stunde Jesu, der Mutter und der Kirche, sind die Worte des Erlösers feierlich und machen präsent, was sie verkünden: Maria wird zur Mutter der Jünger Christi, zur Mutter aller Menschen bestellt. Und wer die Lehre des Meisters im Glauben annimmt, hat das Privileg, das Glück, die Jungfrau als Mutter anzunehmen, sie voll Glauben und Liebe unter seine meistgeliebten Güter einzureihen. Mit der Sicherheit, das Wort des 356 REISEN Herrn getreu erfüllt zu haben, hat sie voll Liebe die Aufgabe übernommen, Mutter der Jünger Jesu zu sein. Seit den Anfängen des Glaubens und in jeder Phase der Verkündigung des Evangeliums, bei der Entstehung jeder Ortskirche nimmt daher die Jungfrau den Platz ein, der ihr als Mutter der Jünger Jesu, die die Kirche bilden, gebührt. Das konnten wir im Text der Apostelgeschichte feststellen: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1, 14). Bei der Entstehung der Kirche zu Pfingsten war die Mutter der Jünger Jesu zugegen, mit der mütterlichen Aufgabe, sie als Brüder in ein und demselben Geist zu einen und sie in der Hoffnung zu stärken, daß sie die Kraft empfangen, die vom Himmel kommt, den Geist des Herrn, der die Kirche Jesu beseelt und mit Leben erfüllt. Wie schon die Kirchenväter bemerkten, ist diese Anwesenheit Mariens sehr bedeutsam: „Man könnte nicht von Kirche sprechen, wenn nicht Maria, die Mutter des Herrn, mit seinen Brüdern dort gewesen wäre“ (Chromatius von Aquileia, Sermo XXX, 1: S.Ch. 164, S. 134; Marialis cultus, Nr. 28: Wort und Weisung 1974, S. 459). Und so wird, wie man auf diesem Kontinent von Mexiko bis Chile und Argentinien und über die zentralamerikanische Landenge hinweg sehen kann, immer wenn in einem Land die Kirche entsteht, entweder die Muttergottes auf einzigartige Weise gegenwärtig, wie in Guadalupe, oder die Jünger Jesu fordern ihre Gegenwart und weihen ihrer Verehrung Gotteshäuser, damit die Kirche sich immer die Mutter gegenwärtig hält, die Gewähr für Brüderlichkeit und den Empfang des Heiligen Geistes ist. 3. In Maria findet das Evangelium seine volle Verwirklichung. Unsere Liebe Frau ist das überragendste Glied, der Typus und das vollkommene Urbild der Kirche (vgl. Lumen gentium, Nr. 53). Sie ist die erste Christin, Ankündigung und Geschenk Jesu Christi, ihres Sohnes, Fülle der Seligkeiten, vollkommenes Bild des Jüngers Jesu. Da sie eine Synthese des Evangeliums dar stellt, erkennt man sie in euren Ländern als Mutter und Glaubenserzieherin an; sie wird angerufen in den Kämpfen und Leiden, die die Treue zur christlichen Botschaft mit sich bringt; sie ist die Mutter, die alle ihre Kinder auffordert, sich über die sie trennenden Unterschiede hinweg in derselben Heimstatt geborgen, um denselben Tisch des Wortes und der Eucharistie versammelt zu fühlen. Nur Maria konnte aus den Aposteln Jesu vor und nach Pfingsten ein Herz und eine Seele machen (vgl. Apg 1, 14 und 4, 32). So als hätte Christus uns darauf hinweisen wollen, daß er der mütterlichen Sorge seiner Mutter 357 REISEN die Aufgabe übertragen hat, aus der Kirche eine einzige Familie zu machen, wo die Liebe herrscht und man vor allem den liebt, der am meisten leidet. Ja, in Maria haben wir das Vorbild einer grenzenlosen Liebe, das Band der Gemeinschaft aller, die wir durch den Glauben und die Taufe Jünger und Brüder Jesu sind. 4. Doch die Jungfrau ist auch die „neue Frau“. In ihr hat Gott die Wesenszüge einer Mutterliebe, die Würde des zur Gemeinschaft mit der Dreifaltigkeit berufenen Menschen, den Glanz der Frau offenbart, die auf diese Weise an den Höhepunkt des Menschlichen in seiner Weisheit, in seinem Einsatz, in seiner aktiven und verantwortungsvollen Zusammenarbeit mit derjenigen, die sich zur Dienerin des Erlösungsgeheimnisses macht, heranreicht. Man kann nicht an Maria als Frau, Braut, Mutter denken, ohne den heilsamen Einfluß zu bemerken, den ihre Gestalt als Frau und Mutter auf das Herz der Frau bei der Förderung ihrer Würde, ihrer aktiven Beteiligung in der Gesellschaft und in der Kirche nimmt. Wenn jede Frau sich in der Jungfrau wie im Spiegel ihrer Würde und ihrer Berufung betrachten kann, müßte jeder Christ imstande sein, im Gesicht eines Mädchens, einer jungen Frau, einer Mutter, einer alten Frau etwas vom Geheimnis derjenigen zu erkennen, die die neue Frau ist; etwas wie eine heilsame Veranlassung zu Reinheit und Achtung, ein gewichtiger Grund, um der christlichen Frau, um allen Frauen die menschliche Förderung und geistliche Entwicklung zu sichern, die ihnen erlaubt, sich in ihrem einzigartigen Vorbild widerzuspiegeln: der Jungfrau von Nazaret und von Betlehem, von Kana und Golgota. Maria in der Freude ihrer Mutterschaft, im Schmerz der Einheit und Verbundenheit mit dem gekreuzigten Christus, in der Freude über die Auferstehung ihres Sohnes und jetzt in der Herrlichkeit, wo sie die Erstgeborene und Hoffnung der neuen Menschheit ist. 5. Liebe Brüder und Schwestern, liebe Söhne und Töchter des Volkes von Honduras, von wo wertvolle Initiativen der Katechese und der Verkündigung des Wortes ausgegangen sind, um das Evangelium zu den Ärmsten und Einfachen zu bringen, denen Jesus die Weisheit zuerkennt, die vom Vater kommt (vgl. Lk 10, 21): Ich möchte die erhabene Lehre des Evangeliums über Maria für euch in zwei Worten zusammenfassen: Die Jungfrau ist Mutter; die Jungfrau ist Vorbild. Wir können nicht die Jungfrau als Mutter voll aufnehmen, ohne ihrem Wort gehorsam zu sein, das uns auf Jesus als Meister der Wahrheit 358 REISEN hinweist, auf den man hören und dem man folgen muß: „Was er euch sagt, das tut.“ Dieses Wort wiederholt Maria fortwährend, wenn sie ihren Sohn in Armen hält oder mit ihrem Blick auf ihn hinweist. Das Wort hören und leben! Sie möchte, daß wir an ihrer Seligkeit teilhaben können, weil wir geglaubt haben wie sie (vgl. Lk 1,45), weil wir das Wort des Herrn gehört und nach seinem Willen gehandelt haben (vgl. Lk 8, 21). Das Wort hören und leben! Das ist das Geheimnis der Verehrung für die Jungfrau, die uns die volle Teilhabe an ihrer mütterlichen Liebe erlaubt, bis sie in jedem von uns Christus Gestalt werden lassen kann. Deshalb müssen wir alles zurückweisen, was dem Evangelium widerspricht: Haß, Gewalt, Ungerechtigkeiten, Arbeitslosigkeit, das Aufzwingen von Ideologien, die die Würde des Mannes und der Frau unterdrücken; und wir müssen alles fördern, was dem Willen des Vaters im Himmel entspricht: Liebe, gegenseitige Hilfe, Erziehung im Glauben, Kultur, Besserstellung der Ärmsten, Achtung aller, besonders der Bedürftigen, derer, die am meisten leiden, die am Rande der Gesellschaft leben müssen. Denn man kann nicht die Jungfrau als Mutter anrufen, wenn man ihre Kinder verachtet und übel behandelt. Die Jungfrau ihrerseits versichert euch, getreu dem Wort des Testaments des Herrn, immer ihrer mütterlichen Liebe, ihrer machtvollen Fürsprache, ihrer Gegenwart in allen euren Nöten, ihres Beistands in den Schwierigkeiten. Sie, die „unter den Demütigen und Armen des Herrn hervorragt“ {Lumen gentium, Nr. 55), ist den Ärmsten, den Leidenden nahe, indem sie sie durch ihr Beispiel aufrechthält und stärkt. 6. Maria ist Vorbild. Vorbild vor allem der theologischen Tugenden, die Wesensmerkmale des Christen sind: des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Vorbild jenes treuen Beharrens auf dem Evangelium, das uns mit ihr „den Pilgerweg des Glaubens“ (ebd., Nr. 58) gehen läßt. Vorbild eines apostolischen Einsatzes, der uns erlaubt, an der Ausbreitung des Evangeliums und am Wachstum der Kirche mitzuwirken (vgl. ebd., Nr. 65). Vorbild eines Lebens, das sich gegenüber Gott und gegenüber den Menschen, gegenüber dem Heilsplan und gegenüber der Treue zu seinem Volk verpflichtet weiß. Wenn ihr sie mit den Worten des Engels anruft und im Gebet des Rosenkranzes ihr Leben im Evangelium betrachtet, werdet ihr immer das vollkommene Vorbild des Christen vor Augen haben. 359 REISEN „Siehe, deine Mutter!“ Der Pilger-Papst wiederholt für euch das Wort Jesu. Nehmt sie in euer Haus auf; nehmt sie als Mutter und Vorbild an. Sie wird euch die Wege des Evangeliums lehren. Sie wird euch dazu bringen, Christus zu erkennen und die Kirche zu lieben; sie wird euch den Weg des Lebens zeigen; sie wird euch in euren Schwierigkeiten Mut machen. In ihr finden die Kirche und der Christ immer einen Grund zu Trost und Hoffnung, denn „sie leuchtet auch hier auf Erden in der Zwischenzeit bis zur Ankunft des Tages des Herrn als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ {Lumen gentium, Nr. 68). Gebet der Weihe an die Gottesmutter Voll dieser Hoffnung möchte ich als Zeichen kindlicher Verpflichtung aller und als Äußerung der Zuversicht, die wir in Maria, Mutter und Vorbild, setzen, an die Jungfrau und Gottesmutter das Gebet der Weihe und Darbringung aller Völker Zentralamerikas, die ich auf meiner apostolischen Reise besucht habe, richten: Gegrüßt seist Du, voll der Gnade, Du bist gebenedeit unter den Frauen, Mutter Gottes und unsere Mutter, heilige Jungfrau Maria. Als Pilger durch die Länder Mittelamerikas komme ich in das Heiligtum von Suyapa, um alle Söhne und Töchter dieser Brudernationen unter Deinen Schutz zu stellen, indem wir das Bekenntnis unseres Glaubens erneuern und die grenzenlose Hoffnung, die wir in Deinen Schutz gesetzt haben, und die kindliche Liebe zu Dir, die Christus selbst uns geboten hat. Wir glauben, daß Du die Mutter Christi, des menschgewordenen Gottes, und die Mutter der Jünger Jesu bist. Wir hoffen, mit Dir zur ewigen Seligkeit zu gelangen, deren Unterpfand und Vorwegnahme Du in Deiner glorreichen Aufnahme in den Himmel bist. Wir lieben Dich, weil du die Mutter der Barmherzigkeit bist, stets mitleidig, huldvoll und gütig. Dir vertraue ich alle Länder dieser geographischen Region an. Bewirke, daß sie als kostbarsten Schatz den Glauben an Jesus Christus, die Liebe zu Dir, die Treue zur Kirche bewahren. Hilf ihnen, auf friedlichen Wegen die Überwindung der vielen Ungerechtigkeiten zu erreichen, die Verpflichtung gegenüber dem, der am meisten leidet, die Achtung und Förderung der menschlichen und geistlichen Würde aller ihrer Söhne und Töchter. Du, Mutter des Friedens, bewirke, daß die Kämpfe beendet werden, daß Haß und Feindschaft für immer aufhören, daß sich das gewaltsame Sterben nicht wiederholt. 360 REISEN Du, die Du Mutter bist, trockne die Tränen derer, die weinen, derer, die ihre Lieben verloren haben, die in Verbannung und fern von zu Hause leben; laß die, die dazu imstande sind, für ihr tägliches Brot sorgen, für die Kultur, für würdige Arbeit. Segne die Bischöfe der Kirche, die Priester, die Diakone, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Seminaristen, Katecheten, Laienapostel und Beauftragte des Wortes. Damit sie durch ihr Zeugnis des Glaubens und der Liebe zu Baumeistern der Kirche werden, deren Mutter Du bist. Segne die Familien, damit sie christliche Heimstätten sind, wo man das werdende Leben, die eheliche Treue, die ganzheitliche, für die Hingabe an Gott offene Erziehung hochhält. Dir stelle ich die Werte der Jugend dieser Völker anheim; laß sie in Christus das Vorbild eines hochherzigen Engagements für die anderen finden; nähre in ihren Herzen das Verlangen nach einer Ganzhingabe an den Dienst des Evangeliums. Im Heiligen Jahr der Erlösung, das wir bald feiern werden, gewähre allen, die sich entfernt haben, das Geschenk der Umkehr; und allen Söhnen und Töchtern der Kirche die Gnade der Versöhnung; mit Früchten der Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, Solidarität. Um unsere Überantwortung in der Liebe an Dich, Mutter und Vorbild, zu erneuern, wollen wir uns verpflichten, so wie Du Dich Gott gegenüber verpflichtet hast, dem Wort, das das Leben schenkt, treu zu sein. Wir wollen von der Sünde zur Gnade übertreten, von der Knechtschaft zur wahren Freiheit in Christus, von der Ungerechtigkeit, die isoliert, zur Gerechtigkeit, die Würde verleiht, von der Herzlosigkeit zur Solidarität mit dem Leidenden, vom Haß zur Liebe, vom Krieg, der so große Zerstörung angerichtet hat, zu einem Frieden, der neu macht und eure Länder blühen und gedeihen läßt. Herrin von Amerika, arme und demütige Jungfrau, liebenswerte und gütige Mutter, Du, die Du Grund zu Hoffnung und Trost bist, gehe mit uns, damit wir vereint zu der wahren Freiheit in dem Geist gelangen, der Dich überschattet hat; in Christus, der aus Deinem mütterlichen Schoß geboren wurde; im Vater, der Dich geliebt und erwählt hat als Erstgeborene der neuen Menschheit. Amen. 361 REISEN „ Wir verkünden nicht uns selbst, sondern den Gekreuzigten“ Predigt beim Wortgottesdienst mit den Katecheten in San Pedro Sula (Honduras) am 8. März Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Mein Gruß gilt vor allem dem Bischof und Hirten der Diözese sowie den Mitgliedern der Diözesanfamilie, insbesondere den Arbeitern von San Pedro Sula und dem ganzen Land. Es ist eine wahre Freude für mich, mit euch beten und das Wort und das Brot Gottes feiern zu können, mit euch, denen die Aufgabe anvertraut wurde, dieses Wort zu verkünden und die Feiern zu ordnen, in deren Verlauf es verkündet wird. Während ich das tue, ist es mir wohl bewußt, daß ich in diesem geliebten Land Honduras das Amt ausübe, das der Herr Petrus anvertraute (vgl. Lk 22, 32): „seine Brüder zu stärken“, und zwar besonders durch die Verkündigung des Wortes Gottes. Eben deshalb unternimmt der Papst seine apostolischen Reisen: um den Söhnen und Töchtern der Kirche in aller Welt und allen Menschen guten Willens das Samenkorn dieses Wortes zu bringen. Darüber hinaus seht ihr, wie ihr durch die Ausübung eures Amtes im Rahmen eurer christlichen Gemeinden mit dem Papst und den Bischöfen, die euch beauftragt haben, sowie mit den in der Evangelisierung engagierten Priestern zusammenarbeitet, und ihr tut das in eurer Stellung und in eurem Leben als Laien. 2. Wir wollen nun gemeinsam einige Augenblicke über die Funktion des Verkünders des Wortes und des Katecheten nachdenken, wie sie der Herr im eben gehörten Gleichnis därgelegt und im Evangelium selbst erläutert hat. Es ist da von einem „Sämann“ die Rede, der „das Wort sät“ (Mk 4, 14). Der erste „Sämann“ ist Jesus selbst, der während seines ganzen öffentlichen Lebens dieses Amt erfüllte und es Selbst Pilatus gegenüber erwähnte (vgk Joh 18, 37), und zwar als Zeugnis für die Wahrheit; jene Wahrheit, die in erster Linie Jesus Christus selbst (vgl, Joh 14, 7) und sein himmlischer Vater (ebd., 17, 3) ist. Wenn wir das Wort, das er auf diese Weise verkündet hat, richtig auf nehmen, hat es die Macht, uns zu retten; das lehrt der soeben gelesene 362 REISEN Abschnitt aus dem Buch Jesaja (Jes 55, 10-11), der im ganzen Neuen Testament Echo findet (vgl. Jak 1, 21). Nun, dieses Wort und dieses Zeugnis sind weiterhin auf der ganzen Erde lebendig, seit der Himmelfahrt des Herrn und durch das Werk der Apostel, die er einsetzte und aussandte, damit sie der „gesamten Schöpfung“ predigten, sowie durch das Werk der Nachfolger der Apostel und auch der gesamten Kirche. Dies ist ja der Ruhm und die Verantwortung der Kirche: das Wort Gottes, das Evangelium Jesu Christi allen Menschen zu verkünden, denn gerade das ist sie allen Menschen schuldig, wie es der Apostel Paulus von sich selbst sagte (vgl. Röm 1, 14). Aus diesem Grund veröffentlichte Papst Paul VI., die reichen Ergebnisse der Bischofssynode von 1974 zusammenfassend, diese schöne Beschreibung des Evangelisierungsauftrages der Kirche in dem Dokument, das mit den Worten Evangelii nuntiandi beginnt. Ich bin überzeugt, daß ihr es kennt und in euren Schulungstreffen durcharbeitet. 3. Was geschieht jedoch, wenn infolge des Mangels an Priestern und Diakonen das Amt der Evangelisierung durch das Wort nicht überall ausgeübt werden kann? Müssen dann die Menschen das Brot des Wortes ebenso entbehren wie den Leib Christi in der Eucharistie? Es ist sehr bedeutsam und entspricht durchaus der Tradition der Kirche, daß eure Bischöfe beschlossen haben - in lobenswerten Initiativen -, dafür besonders jene zu delegieren, die, wie ihr, die richtigen Voraussetzungen mitbringen, gut vorbereitet und sich ihrer Verpflichtung zutiefst bewußt sind und sich anbieten, diesem Aufruf zum Dienst an ihren Brüdern zu folgen. Bleibt euch selbst und der übernommenen Aufgabe treu. Bereitet euch immer besser auf die Erfüllung eures wichtigen und schwierigen kirchlichen Auftrags vor. Man muß sich von den Lehren des Evangeliums und der Kirche, von der vollen Wahrheit über Christus, die Kirche und den Menschen durchdringen lassen. Mein Schreiben Catechesae tradendae kann euch bei dieser Aufgabe Richtschnur sein, weil ihr ständig der praktischen Fortbildung bedürft, die die empfangene Vorbereitung vervollständigt, eventuelle Irrtümer verbessert und euch immer treu zur Lehre der Kirche stehen läßt; die euch gleichzeitig vor der Gefahr bewahrt, Werkzeug der Politik oder radikaler Ideologien zu werden, die die Erfolge eurer hohen Mission in Frage stellen können. Unterlaßt es nicht, in kluger Weise auf die sozialen Rückwirkungen des 363 REISEN Wortes hinzuweisen, das ihr verkündet. Bleibt stets in enger Verbindung mit euren Bischöfen, um den Gefahren auszuweichen, die sich ergeben könnten. Euer Leben muß euren Worten entsprechen „Der Sämann sät das Wort“, heißt es im Markusevangelium. Er tut das nicht in seinem eigenen Namen und auch nicht in der Absicht, eine Gemeinde zu gründen, die nicht vollständig in ihre Ortskirche eingegliedert wäre. Er tut es im Namen der Kirche, als Mitarbeiter der Bischöfe und anstelle der Priester und Diakone, wenn auch ohne alle ihre Funktionen zu übernehmen. Er tut es auch, um in jeder Ortsgemeinde die Kirche entstehen und wachsen zu lassen, damit „eine einzige Herde“ unter „einem einzigen Hirten“ - Jesus Christus - werde (vgl. Joh 10, 16). Wer das Wort verkündet, muß stets der Tatsache gewärtig sein, daß es nicht unser Wort ist. Wir verkünden nicht „uns selbst“, sondern „Jesus Christus“, und zwar den „Gekreuzigten“ (vgl. 1 Kor 1, 23). Christus selbst, der erste Sämann, und die Kirche vertrauen uns das Wort an, das wir zu verkünden haben. Wir begegnen ihm in der Heiligen Schrift, wenn wir sie im Licht der ununterbrochenen Tradition der Kirche lesen. Die Bibel, das Wort Gottes, muß eure ständige Lektüre sein, muß eurem Studium und eurem Gebet dienen, und das in und außerhalb der Liturgie, wie es das letzte Konzil gelehrt hat. Lest sie jedoch immer entsprechend der richtigen Auslegung durch die legitime kirchliche Autorität. Aufgrund der empfangenen Sendung müßt ihr den Mitgliedern eurer Gemeinden helfen, ihr Glaubensbekenntnis in sich aufzunehmen und zu vertiefen und in der Liebe und Treue zur Kirche zu wachsen. Gleichzeitig müßt ihr sie lehren, die herkömmlichen Frömmigkeitsübungen in dem Sinn zu erfüllen, der ihnen im Rahmen des christlichen Lebens zukommt. Seid euch eurer Verantwortung und eurer hohen Mission bewußt! 4. Die Gefahren, die die Hörer des Wortes bedrohen und die bei der Erklärung des Gleichnisses beschrieben werden, das wir kommentieren, stellen auch für euch eine Gefahr dar: der Dämon, der kommt und den Samen fortträgt, sind die Unbeständigkeit und Schwachheit angesichts der Forderungen des Wortes oder die Verfolgung „um seinetwillen“, „die Sorgen der Welt, die Gier nach Reichtum und die anderen Begierden“ (vgl. Mk 4, 15—20). Damit ihr euren Hörern helfen könnt, diese Gefahren zu überwinden, müßt ihr sie erst selbst überwinden. Das ist eine Aufgabe, die hohe Anforderungen einschließt; diese sind das Gebet, der Empfang 364 REISEN der Sakramente, die ständige und vertiefte Reflexion, die Liebe zum Kreuz und zur Kirche. Eure Verkündigung hat zweifellos großen Wert. Sie ist das Zeugnis eurer Lippen für die Wahrheit. Wollt ihr jedoch glaubwürdige Zeugen sein, dann muß euer Leben euren Worten entsprechen. Euer Verhalten muß daher treu das widerspiegeln, was ihr sagt. Andernfalls zerstört ihr mit einer Hand das, was ihr mit der anderen aufgebaut habt. Das bedeutet, daß euer Leben in der Familie, als Väter, Ehemänner, Söhne, Nachbarn, eure pflichtschuldige Solidarität mit den Armen und Unterdrückten, eure beispielhafte Nächstenliebe, eure Ehrlichkeit: daß das alles ein unübersehbares Beispiel eurer Berufung zu Gesandten des Wortes sein muß. Wir haben in der Lesung aus dem Propheten Jesaja vernommen, daß das Wort Gottes „wie der Regen und der Schnee des Himmels“ ist; es kehrt nicht leer zurück, „sondern bewirkt“ und erreicht „all das, wozu es ausgesandt“ wurde, und zwar von Gott selbst (vgl. Jes 55, 11). Es ist, wie wir eingangs sagten, die Wirkkraft des Wortes Gottes, die, wie es im Jakobusbrief (1, 21) heißt, „die Macht hat, euch zu retten“. Wir glauben fest an diese Wirkkraft des göttlichen Wortes, das im Anfang die Welt erschaffen hat (vgl. Gen 1, 3 ff.; Joh 1,1-3) und das, als die Fülle der Zeiten kam (vgl. Gal 4, 4), im jungfräulichen Schoß Mariens „Fleisch wurde“ (vgl. Joh 1, 14), damit wir alle die Fülle „der Gnade und der Wahrheit“ (ebd.) empfangen, d. h., damit wir durch das Wort gerettet würden. 5. Erinnern wir uns daran, daß diese Wirkkraft vor allem in der Eucharistie eine Realität wird, denn die Feier des Wortes vervollständigt sie, weil sie darauf vorbereitet und darin ihre Erfüllung findet. Ihr, Abgesandte des Wortes, Verantwortliche der Feiern, die das Wort zum Mittelpunkt haben, und Katecheten, ihr müßt euch vom Wort ergreifen und verwandeln lassen, indem ihr sooft wie möglich den Leib und das Blut Christi empfangt. Vergeßt nicht, daß euer Amt diese Zielsetzung nie aus dem Auge verlieren darf: die Hinordnung auf die Feier der Eucharistie durch die geweihten Amtsträger. Wer weiß, ob nicht eines Tages aus euren Reihen Männer hervorgehen, die, über die von der Kirche festgelegten Voraussetzungen verfügend, sich auf das Priesteramt vorbereiten und so das Werk vollenden, das ihr „in Christus Jesus“ (vgl. Phil 1, 6) begonnen habt. Denn das Werk der Evangelisierung ist erst dann voll verwirklicht, wenn das christliche Volk, von seinen Bischöfen und Priestern zusammengerufen und geführt, gemeinsam den Tod und die Auferstehung des Herrn in der Eucharistie 365 REISEN feiert (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 4). Dann, und erst dann ist dieses Volk in Wahrheit und Fülle Kirche. 6. Liebe Brüder: Die heilige Jungfrau Maria „bewahrte diese Geschehnisse in ihrem Herzen und dachte darüber nach“ (vgl. Lk 2, 19-21). Wie sonst niemand „hörte und befolgte sie das Wort Gottes“ (vgl. ebd., 8, 21; 11-17), antwortete der Herr jenen, die ihre leibliche Mutterschaft priesen (ebd.). Folgt ihrem Beispiel und stellt euch unter ihren Schutz, um wahre Boten des Wortes und Katecheten zu sein, also Hörende, die treu das Wort befolgen, um es erfolgreich ihren Mitmenschen verkünden zu können. Möge sie euch auf diesem Weg ermutigen, wie auch ich euch ermutige und aus ganzem Herzen segne. Amen. Christus sah die Tragödie und den Skandal der Spaltung voraus Predigt bei der Messe auf dem Flughafen in Belize am 9. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist eine große Freude für mich, am Ende meiner apostolischen Reise nach Mittelamerika, bevor ich nach Haiti fliege, kurze Zeit bei euch in Belize zu sein. Ich freue mich, daß mein Besuch an einem für euch besonders bedeutsamen Tag stattfindet. Als Nachfolger des Apostels Petrus und Oberhirte der Gesamtkirche habe ich das Vorrecht, aber auch die Pflicht, „euch geistliche Gaben zu vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben“ {Rom 1, 11-12). Das ist in der Tat eine Stunde des Glaubens für uns alle. Während ich die Autoritäten dieses Landes begrüße, möchte ich sagen, daß ich euch allen nahe bin. Ich umarme in der Liebe Christi Junge und Alte, die christlichen Familien und alle, die für das Kommen des Gottesreiches auf Erden arbeiten, leiden und beten. Meinen Brüdern im Bischofs- und im Priesteramt und allen Ordensleuten danke ich besonders für die Mitarbeit in der Sache des Evangeliums. 366 REISEN 2. Ihr habt vielleicht gehört, daß ich bei meiner Mission an verschiedenen Orten in Zentralamerika besonderes Gewicht auf das Thema Einheit gelegt habe, auf die Einheit der mit ihrem Bischof und mit den anderen Ortskirchen verbundenen Teilkirche, auf die Einheit der Universalkirche. Heute würde ich gern mit euch und für euch über einen anderen Aspekt dieses großen Themas der Einheit nachdenken, nämlich über die Einheit, zu der die verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften in der höchsten, organischen Einheit der einen Kirche Christi aufgerufen sind. Das nennen wir, wie ihr wißt, Ökumenismus, und ihr wißt auch gut, daß das Zweite Vatikanische Konzil den Ökumenismus und die ökumenische Aufgabe zu einem seiner wichtigsten Anliegen gemacht hat. Es hat sogar ein ganzes Dokument zum Thema Wiederherstellung der Einheit veröffentlicht. Und ich selbst wiederhole seit meiner Wahl zum Papst, daß eine der ersten und wichtigsten Aufgaben meines Pontifikats die Wiederherstellung der Einheit aller Christen ist. Aus diesem Grund war es von Anfang an ein wichtiger Teil des Programmes meiner Pilgerreisen, das Thema der christlichen Einheit aufzugreifen und mit Vertretern anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften zusammenzutreffen. Das war in Deutschland, in den Vereinigten Staaten von Amerika, in Großbritannien und überall der Fall. So ist es jetzt hier in Belize. Ich möchte daher in brüderlicher Liebe in Jesus Christus alle Leiter und Mitglieder der in Belize vertretenen christlichen Kirchen und Kirchengemeinschaften, insbesondere die anglikanischen und methodistischen Gemeinden hier, begrüßen. Ihr alle, liebe Brüder und Schwestern, müßt gemeinsam mit den Gliedern der katholischen Kirche dafür arbeiten und beten, daß die Einheit, die Christus für seine Jünger wünscht, in Wahrheit und Liebe voll verwirklicht wird. Inzwischen wird brüderliche und ehrliche Zusammenarbeit im christlichen Dienst ein sicheres Zeichen echter Jüngerschaft sein. 3. Wir alle haben vorhin im Evangelium den wiederholten Hinweis auf die Einheit unter seinen Jüngern vernommen, die unser Herr in diesem feierlichen Gebet zu seinem Vater zum Ausdruck bringen wollte, ehe er seiner Verurteilung und dem Kreuzestod entgegenging. Der Hinweis auf die Einheit ist nicht zufällig: Diese ist ein zentrales Anliegen des Gebets Christi. Sie taucht in dem Abschnitt, den wir gelesen haben, immer wieder auf. Dieses nachdrückliche Beharren ist sehr aufschlußreich. Es macht uns deutlich, wie tief und eindringlich der Herr die Notwendigkeit empfand, daß seine Jünger eins sind. Die Einheit aller Christen ist darum keine 367 REISEN Randerscheinung oder Nebensache, auf die verzichtet werden könnte. Im Gegenteil, sie ist der Wille Christi. Zweitens sollte uns schon allein die Tatsache, daß der Herr in diesem entscheidenden Augenblick seines Lebens zu seinem Vater um die Gabe der Einheit betet, die Gefahren für diese Einheit einprägen, die von seiten kurzsichtiger, selbstsüchtiger und fanatischer Männer und Frauen bestehen, die noch dazu vom Teufel, dem Vater der Spaltung, versucht werden. Sie sollte uns auch die große Verantwortung von uns allen einprägen, für die Wiederherstellung der Einheit zu wirken, wenn die Einheit zerbrochen ist, wie es im Laufe der vergangenen zweitausend Jahre betrüblicherweise mehrmals geschehen ist. Der Herr sah damals, als er seinem eigenen Opfertod entgegenging, den er erlitt, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ {Joh 11, 52), die Tragödie und den Skandal der Spaltung unter den Christen voraus, und aus diesem Grund lehrte er uns, daß die Einheit nicht als unmöglich oder unnötig aufgegeben werden darf und daß die Spaltung nicht als notwendiges Übel hingenommen werden darf. Nein, es ist sein Wille und der Inhalt seines Gebets, daß wir „eins sind“, wie er und der Vater „eins sind“ (Joh 17, 22; vgl. 10, 30). Nach dem Vorbild der Heiligen Dreifaltigkeit 4. So haben wir gelernt, daß wir, wenn wir uns in der Arbeit für die christliche Einheit engagieren, den Willen unseres Herrn erfüllen. Darüber hinaus haben wir gelernt, daß das Gebet durch Christus, mit ihm und in ihm Hauptquelle dieser Einheit ist. Da das Gebet für die christliche Einheit und, wenn möglich, das gemeinsame Gebet für die christliche Einheit ein wesentliches Element unserer ökumenischen Arbeit darstellt, laßt uns diesem Gebet treu bleiben. Gebet kann nicht das sein, was es sein soll, ohne das, was das Zweite Vatikanische Konzil eine Wandlung des Herzens nennt (Unitatis redinte-gratio, Nr. 7). Eine andere Bezeichnung dafür ist „Umkehr“, die, wie wir wissen, den Inhalt der ersten Predigt unseres Herrn bildete. Wir alle haben Umkehr oder eine Wandlung des Herzens nötig, vor allem, wenn wir auf die Gedanken und Absichten Christi voll eingehen, wenn er für die Einheit betet. Wir müssen von der Bedeutung der Sache der christlichen Einheit überzeugt sein in allem, was in den Bereich brüderlicher Beziehungen, der gegenseitigen Achtung, der Zusammenarbeit, des Dialogs und gemeinsamen Zeugnisses, des Studiums und Gebets gehört. 368 REISEN 5. Das ist jedoch nicht alles. Das Ökumenismusdekret spricht auch von der „Heiligkeit des Lebens“ (Unitatis redintegratio, Nr. 8). Und in der Tat, wenn wir das, was unser Herr in seinem Hohepriesterlichen Gebet als das letzte Vorbild christlicher Einheit hinstellt, sorgfältig beachten, müssen wir davon überzeugt sein, daß die Einheit von der Heiligkeit abhängt. Denn er betet, „alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, sollen auch sie in uns sein“ (Joh 17, 21). Und weiter: „denn sie sollen eins sein, wie wir eins sind“ (ebd., Vers 22). Auch die Lesung aus dem Epheserbrief stellt die christliche Einheit auf dieselbe hohe Ebene, wenn es dort heißt: „Ich, der ich um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging..., bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1.3). Ja, liebe Brüder, keine Verkürzung der Einheit der Heiligen Dreifaltigkeit in sich und unserer Einheit mit der Heiligen Dreifaltigkeit kann die volle Einheit unter den Christen hersteilen. Wenn wir nach der vollen Gemeinschaft aller Kirchen und Kirchengemeinschaften streben, dann meinen wir: eine Einheit, die nach dem Vorbild der Heiligen Dreifaltigkeit geformt und gestaltet ist und uns von ihr geschenkt wird. Denken wir daran, daß Einheit und Heiligkeit in der Kirche zusammengehören. Wenn wir dann danach streben, gute Christen und wahre Christen zu sein, muß die Einheit unter uns eines unserer Hauptziele sein. 6. In diesen Zusammenhang christlichen Lebens und christlicher Verbindlichkeit muß die gesamte ökumenische Aufgabe gestellt werden. Darunter verstehe ich, was man als „Zusammenwachsen“ bezeichnet, das heißt, den Verlauf der Beziehungen, die zwischen Christen bestehen und wachsen sollten, die in enger Nachbarschaft miteinander leben und gemeinsam derselben Welt gegenüberstehen, in der sie aufgerufen sind, ihren Mitmenschen und dem Wohl der Gesellschaft zu dienen. Darunter verstehe ich auch den Dialog zwischen unserer Kirche und anderen Kirchen und Kirchengemeinschaften, wie er auf verschiedenen Ebenen stattfindet. Aber, nochmals, alle diese Mittel und Möglichkeiten der ökumenischen Aufgabe müssen aus der tiefen Quelle unserer Berufung fließen, die im Wort Gottes und im Sakrament der Taufe gründet und im gemeinsamen Bekenntnis des Glaubensbekenntnisses der Kirche und im Gebet des Herrn an seinen Vater um Einheit unter seinen Jüngern Ausdruck findet. Und diese Einheit ist in der Tat gebildet nach dem Vorbild der Einheit der Heiligsten Dreifaltigkeit. 369 REISEN Das ist echter Ökumenismus, und das sind die echten Merkmale der ökumenischen Bewegung. Ökumenismus heißt nicht, irgendwelchen ausschließlich menschlichen Zielen, einschließlich politischen Zwecken irgendwelcher Art, zu dienen, ökumenismus ist unvereinbar mit dem Verwischen konfessioneller Grenzen durch das Verwässern des Glaubensinhalts, den wir von den Aposteln empfangen haben, oder durch die unterschiedslose Zulassung der Gläubigen einer anderen kirchlichen Gemeinschaft zu unserer Eucharistie. Ökumenismus ist sicher unvereinbar mit aggressiver Proselytenmacherei, die — mitunter sogar mit unwürdigen Methoden - den Grad der Einheit, den eine kirchliche Gemeinschaft bereits besitzt, stört und verletzt. Ökumenismus ist eine evangelische Aufgabe und darf nur mit evangelischer Inspiration und mit Mitteln verstanden und in die Praxis umgesetzt werden, die dem Evangelium entsprechen, das wir alle von Christus empfangen haben. 7. Meine in Christus geliebten Brüder und Schwestern, das ist die Botschaft, die ich euch in Belize hinterlassen will. Ich weiß, daß ihr sie mit offenem Herzen aufnehmt. Ich bete darum, daß euch vom Himmel das Geschenk einer noch tieferen Bindung an die Sache der heiligen Einheit zuteil werden möge. Und ich bitte euch, zusammen mit mir darum zu beten, daß wir schließlich mit dem Geschenk der vollkommenen Einheit gesegnet werden, „damit die Welt glaubt“ (vgl. Joh 17, 21). Laßt uns darum bitten zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit - des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes - durch Jesus Christus, unseren einen Mittler, unseren einen Erlöser, unseren einen Herrn. Amen. Der Papst hatte seine Predigt auf englisch gehalten und sagte zum Abschluß auf spanisch: Bevor ich schließe, möchte ich noch alle Brüder und Schwestern spanischer Sprache aus den Nachbarländern, die hierhergekommen sind, um den Papst zu sehen, herzlich begrüßen und in ihrem christlichen Glauben bestärken. Besonders willkommen ist mir die Anwesenheit der Bischöfe der Pasto-ralregion von Sureste in Mexiko, die von zahlreichen Gläubigen begleitet werden. In euch, liebe Brüder, grüße ich auch alle Bewohner eures Landes, an dessen unvergeßlichen Besuch ich noch immer mit großer Freude denke. 370 REISEN „Es muß sich hier etwas ändern“ Predigt beim Schlußgottesdienst des Eucharistischen Kongresses in Port-au-Prince (Haiti) am 9. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Nun bin ich also in Port-au-Prince, in Haiti, in dem Land, das zu besuchen ich mir so sehr gewünscht hatte; diese Gnade ist mir endlich zuteil geworden, mir und euch, damit wir gemeinsam die Heiligste Dreifaltigkeit loben und anbeten, Jesus Christus, den Sohn Gottes und Mariens, im Geheimnis seiner Eucharistie verehren und auch seiner und unserer seligsten Mutter, die ihr als Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe verehrt, unsere Ehre erweisen können. Wir feiern ja den Abschluß eures großen Eucharistischen Kongresses, den ihr jetzt in eurem täglichen - persönlichen, familiären und gemeinschaftlichen - Leben fortführen und in die Praxis umsetzen werdet. Gemeinsam und von Freude erfüllt nehmen wir an diesem Fest teil, ich, der Nachfolger Petri und Hirt aller Gläubigen, sichtbares Prinzip der Einheit der Kirche (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Lumen gentium, Nr. 18), eure Bischöfe, die jetzt schon alle aus euren Reihen hervorgegangen sind, und ihr selbst, Männer und Frauen, Jungen und Mädchen, Kinder und Greise, Söhne und Töchter dieses edlen Volkes von Haiti. Ja, ich weiß sehr wohl um den Sinn der Feier, des Festes und des Gebets. Ich stelle es eben hier dank eurer Gesänge und eurer begeisterten Antworten fest. Ich bin glücklich, der Anlaß all dessen sein zu dürfen und danke Gott. Das ist aber nicht alles. Zum ersten Mal ist es mir im Lauf meiner Besuche in Lateinamerika möglich, mich in einem Land aufzuhalten, dessen Bevölkerung hauptsächlich aus Farbigen, insbesondere aus Schwarzen besteht. Ich sehe darin ein sehr bedeutsames Zeichen, da mir somit die Möglichkeit gegeben ist, direkt mit dem dritten Element der Kultur und Zivilisation der latein- und zentralamerikanischen Völker Kontakt aufzunehmen: mit den Menschen afrikanischer Herkunft, die mit den ursprünglichen Zivilisationen Amerikas selbst oder mit denen europäischer Herkunft eine in sich geschlossene Einheit bilden und, von den Reichtümern aller her, eine charakteristische Wirklichkeit bilden. Dieses Land erklärte als erstes von allen lateinamerikanischen Ländern seine Unabhängigkeit. Es ist daher in besonderer Weise dazu berufen, in einem Klima der Freiheit und seinen Mitteln und gemeinsamen Bemü- 371 REISEN hungen entsprechend ein Werk echter menschlicher und sozialer Förderung zu vollbringen, so daß alle seine Söhne und Töchter ungestört arbeiten können und sich nicht gezwungen sehen, anderswo, und oft unter schmerzlichsten Umständen, das zu suchen, was sie im eigenen Land finden müßten. Ein dornenvoller Weg zur Freiheit Hier möchte ich an ein dramatisches Ereignis erinnern, das in gewisser Weise die Geschichte Haitis mit der des polnischen Volkes verbunden hat. Vor 160 Jahren landeten 3000 polnische Soldaten auf dieser Insel, von der Besatzungsmacht gesandt, um den Aufstand der einheimischen Bevölkerung, die um ihre politische Unabhängigkeit kämpfte, zu unterdrücken. Die Soldaten stellten sich auf die Seite des Volkes von Haiti, statt rechtmäßiges Freiheitsstreben zu bekämpfen. Etwa 300 von ihnen überlebten. Ihre Nachkommen haben gewiß zum Aufstieg dieses Landes beigetragen. Sie haben die katholischen Traditionen bewahrt und gepflegt. Unter anderem erbauten sie Kapellen mit dem Gnadenbild der polnischen Muttergottes von Tschenstochau. Der Name Haiti verbindet sich auf diese Weise mit den Polen und erinnert an den dornenvollen Weg zur Freiheit; er wird auch zu einer neuen Quelle der Geschichtsbetrachtung. Ich begrüße euch also alle und lade euch ein, gemeinsam zu beten und gemeinsam über die beiden Geheimnisse nachzudenken, die wir heute feiern: die Eucharistie und Maria. 2. Ich habe die Schriftlesungen gehört, die verkündet wurden. Die aus dem Buch Exodus handelt vom Pascha, von der Befreiung, die den Kindern Israels damals zuteil geworden ist und deren unser Osterfest gedenkt. Es war das auch ein Fest der Freiheit, wo das Lamm, das geopfert und gegessen wurde, an die erneuerte Gemeinschaft mit dem Herrn und mit den Brüdern erinnerte, und gleichzeitig an seinen „Vorübergang“, um seinem Volk zu helfen, das im Ägypten der Pharaonen gefangengehalten wurde, um es zu begleiten, zu befreien und schließlich auf den Weg in das verheißene Land zu führen. Im Evangelium nach Johannes, das in dieser Messe verlesen wurde, ist nun von eben diesem Paschafest die Rede, dessen Feierlichkeiten soeben beginnen. Der „Vorübergang“ jedoch, der hier erwähnt wird, ist der von Jesus selbst, dessen „Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen“ (Joh 13, 1). Für ihn, für seine Jünger und für uns 372 REISEN handelt es sich nicht um das Verlassen Ägyptens, um einen zeitlichen und geographischen Auszug. Es handelt sich vielmehr, wie der heilige Evangelist Lukas in der Szene der Verklärung auf so bewundernswerte Weise sagt, für ihn darum, zum Vater hinüberzugehen; dieses Hinübergehen sollte sich in Jerusalem vollziehen, zur „Stunde“ seines Leidens, seines Todes und seiner Auferstehung. Dieser Auszug, dieses Hinübergehen sind von der Liebe gekennzeichnet: „Da er (Jesus) die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13, 1). Das ist die Liebe, die Jesus zum Kreuzestod drängt: „(Er hat) mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal 2, 20). Auch war es die Liebe, die ihn veranlaßte, uns die Eucharistie zu hinterlassen. Die Kirche hat hier eine prophetische Mission 3. Die Eucharistie, das wissen wir gut, dank der Katechese, ist das Sakrament seines Leibes und Blutes, das er ein für allemal hingegeben hat (vgl. Hebr 9, 26/28), um uns von Sünde und Tod zu erlösen, und das er seiner Kirche anvertraut hat, damit sie es unter den Gestalten von Brot und Wein zu ihrem eigenen Opfer mache und damit zu allen Zeiten ihre Gläubigen nähre, also uns, die wir um diesen Altar versammelt sind. Die Eucharistie ist also das Opfer schlechthin, ist das Opfer Christi am Kreuz, das stets von den Bischöfen und Priestern zum Heil aller Christen dargebracht wird, der lebenden und der verstorbenen. Die Eucharistie ist gleichzeitig eine geistliche Nahrung, in der wir Christus selbst, den ganzen Christus, den Gott-Menschen empfangen, der uns mit sich selbst nährt und uns so — jeden einzelnen und uns alle gemeinsam — ihm selbst ähnlich macht. Es ist ja die Eucharistie, die die Einheit der Kirche, des mystischen Leibes Christi bewirkt: „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (1 Kor 10, 17). Diese Gegenwart Christi unter den Gestalten von Brot und Wein erkennen und beten wir an, wenn sie im Tabernakel aufbewahrt wird, um es den Christen zu ermöglichen, zu Gott zu beten, indem sie sein heiligstes Sakrament betrachten, Tag für Tag; gleichzeitig ist es auf diese Weise auch möglich, die Kommunion den Kranken und Sterbenden zu bringen. Wir bringen ihm öffentliche Verehrung dar, wenn es anläßlich eines Eucharistischen Kongresses oder des Fronleichnamsfestes gefeiert wird. Diese wirkliche Gegenwart Christi unter uns, wie sie bei der Feier der Eucharistie und immer im Zusammenhang mit ihr gegenwärtig ist, kommt 373 REISEN für uns Christen dem Zeichen des Immanuel gleich, das heißt „Gott mit uns“, wie Jesaja den erwarteten Messias nannte (vgl. Jes 7, Mt 1, 23). 4. Der heilige Evangelist Johannes, der uns die Verheißung der Eucharistie überliefert (vgl. Joh 6, 51-56) und uns ihre Bedeutung für den Glauben der Jünger und den unseren dargestellt hat (a. a. O., 60-71), beschreibt auch die Fußwaschung beim letzten Abendmahl (vgl. Joh 13, 1-6). Warum wollte er anstelle des Berichtes über die Einsetzung der Eucharistie, die sich bei den anderen Evangelisten und selbst beim hl. Paulus (vgl. 1 Kor 11, 17-34) findet, diesen Bericht über die Fußwaschung setzen? Er gibt uns selbst den Schlüssel zum Verständnis, indem er den Bericht, wie ihr gehört habt, in einen Hinweis auf die übergroße Liebe einreiht - „(Er) erwies ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ (Joh 13, 1) - und in die Aufforderung, das Beispiel, das er soeben gegeben hat, nachzuahmen: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13, 14). Ich bin überzeugt, daß ihr, liebe Brüder und Schwestern aus Haiti, das sehr wohl versteht. Wer an der Eucharistie teilnimmt, ist dazu berufen, das Beispiel Jesu nachzuahmen, den er in sich aufgenommen hat; er ist dazu berufen, seine Liebe nachzuahmen und seinem Nächsten in einem Maße zu dienen, das die Fußwaschung nicht ausschließt. Mit uns muß sich die Kirche, die ganze Kirche, die Kirche in Haiti restlos für das Wohl der Brüder und Schwestern einsetzen, für das Wohl aller, insbesondere aber für das der Ärmsten, und zwar gerade weil sie soeben einen Eucharisti-schen Kongreß gefeiert hat. Aber feiert sie denn nicht immer die Eucharistie? Und Eucharistie ist das Sakrament der Liebe und des Dienstes! Ihr habt als Leitmotiv eures Kongresses gewählt: „Es muß sich hier etwas ändern.“ Nun, in der Eucharistie findet ihr die Inspiration, die Kraft und die Ausdauer, deren ihr für euren Einsatz in diesem Änderungsprozeß bedürft. Tatsächlich müssen sich die Dinge ändern. Bei der Vorbereitung des Kongresses hatte die Kirche den Mut, der harten Wirklichkeit von heute ins Auge zu sehen, und ich bin überzeugt, daß das auch alle Menschen guten Willens getan haben, alle, die ihre Heimat aufrichtig lieben. Ihr habt sicher ein schönes Land mit reichen menschlichen Möglichkeiten. Man kann bei euch auch von einem angeborenen und hochgemuten religiösen Sinn sprechen, von der Lebenskraft und Volksverbundenheit der Kirche. Die Christen konnten jedoch auch die vorhandenen Spaltungen feststellen, die Herabsetzung der Lebensqualität, das Elend, den Hunger, die 374 REISEN Angst vieler; sie gedachten der Landbevölkerung, die nicht von ihrem Boden leben kann; der Arbeitslosen, die in den Städten zusammengepfercht sind; der zerrütteten Familien; der Opfer verschiedenster Frustrationen. Und dennoch sind sie überzeugt, daß die Solidarität Lösungen ermöglicht. Die „Armen“ aller Art müssen sich aufraffen und neue Hoffnung schöpfen. Die Kirche hat hier eine prophetische Mission zu erfüllen, die mit ihrer religiösen Mission untrennbar verbunden ist und um deren freie Ausführung sie bemüht ist: nicht um anzuklagen und auch nicht, um nur auf das Übel hinzuweisen, sondern, um auf positive Weise an seiner Überwindung mitzuarbeiten, indem sie zu einem Einsatz des Gewissens aufruft und sich dabei ganz besonders an jene wendet, die in den Dörfern, in den Städten und auf nationaler Ebene Verantwortung tragen, um sie zum Handeln aufzurufen, das mit dem Evangelium und ihrer eigenen Soziallehre im Einklang steht. Ein menschenwürdiger Lebensstandard muß erreichbar sein Zweifellos liegt hier die dringende Notwendigkeit größerer Gerechtigkeit und einer besseren Güterverteüung vor: Die Gesellschaft muß besser organisiert, die größere Teilhabe aller ermöglicht werden; in den Verantwortlichen muß die Bereitschaft zu selbstlosem Dienst geweckt werden; es besteht das berechtigte Verlangen nach einer freien Meinungsäußerung in den Massenmedien und in der Politik, die die Meinungen der anderen und die Interessen des Gemeinwohls achtet; Güter und Dienstleistungen müssen für alle leicht erreichbar sein und dürfen nicht nur wenigen Vorbehalten bleiben: Das betrifft z. B. die Möglichkeit, sich satt zu essen, medizinisch versorgt zu werden, ein Heim zu haben, die Schulen besuchen und das Analphabetentum überwinden zu können, über eine ehrenhafte und würdige Arbeit und soziale Sicherheit zu verfügen unter Achtung der Familienpflichten und der Grundrechte des Menschen; kurz gesagt, es geht hier um das Vorhandensein all jener Bedingungen, die es Männern und Frauen, Kindern und Greisen gestatten, ein wahrhaft menschliches Dasein zu führen. Dabei kann keine Rede davon sein, von Reichtümern oder von einer Konsumgesellschaft zu träumen, sondern nur von einem Lebensstandard, der der Menschen und Kinder Gottes würdig ist, und dieser ist nicht unerreichbar, wenn alle lebendigen Kräfte des Landes sich in gleichem Bemühen zusammenschließen und dabei auch mit der internationalen Solidarität rechnen, die immer wünschenswert ist. Die Christen wollen Menschen der Hoffnung, der Nächstenliebe und des verantwortungsbewußten Handelns sein. 375 REISEN Ja, die Tatsache, daß ihr Glieder des mystischen Leibes Christi seid und an seinem eucharistischen Mahl teilnehmt, verpflichtet euch, diesen Wandel herbeizuführen. Es ist eure Art, einander die Füße zu waschen, dem Beispiel Christi folgend. Ihr tut das ohne Gewaltanwendung, ohne Tötung, ohne Bruderkrieg, denn all dies ruft oft nur neue Unterdrückungen hervor. Was ihr tut, geschieht in achtungsvoller Haltung und mit freiheitlicher Liebe. Ich beglückwünsche alle, die in diesem Sinn arbeiten, die die Rechte der Armen verteidigen, oft mit geringen Mitteln, sozusagen mit den bloßen Händen. Gleichzeitig wende ich mich an alle, die über Macht, Reichtum und Bildung verfügen, damit sie ihre schwere Verantwortung ihren Brüdern und Schwestern gegenüber verstehen lernen. Ihre Verpflichtung ist Ehrensache; ich möchte ihnen auch sagen, daß ich Vertrauen zu ihnen habe und für sie bete. 5. Wir fühlen uns ebenso zur Bekehrung gedrängt, wenn wir uns der Jungfrau Maria zuwenden, Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe, der eure erste Verehrung galt und die ihr während eurer ganzen Geschichte angerufen habt. Diese Verehrung kann und muß befreiend wirken. Kommen wir nochmals auf die Worte aus dem Brief an die Galater zurück, die wir eben gehört haben: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4, 4-5). Diese Frau, „gesegnet unter allen“ (vgl. Lk 1, 42), kennt ihr gut. Dank ihrer freien Zustimmung, ihres Glaubens und ihres Gehorsams wurde unsere Befreiung mit dem Tod ihres Sohnes erkauft, dank ihrer Mitwirkung an der Erlösungstat dessen, dem wir es verdanken, daß wir „die Sohnschaft erlangten“. Deshalb lieben und verehren wir sie hier als unsere Mutter. Deshalb sind wir verpflichtet, ihren Glauben, ihren Gehorsam und ihren Einsatz nachzuahmen und an der Mission ihres Sohnes mitzuwirken in der konkreten Situation, in der wir uns befinden und in der ihr euch in Haiti befindet. Gedenkt also, wenn ihr den Rosenkranz betet und die Geheimnisse von Leben, Tod und Auferstehung Christi betrachtet und euch so in die Anwesenheit Mariens bei diesen Ereignissen hineinversetzt, der Verpflichtung, als ihre treuen Jünger zu leben und zu handeln, die an den gleichen Geheimnissen teilhaben und ihre Früchte empfangen. Möge eure Verehrung aufgeschlossen und aktiv und jener würdig sein, die 376 REISEN in ihren Herzen „den Geist seines Sohnes (empfangen haben), der ruft: „Abba, Vater“ (Gal 4, 7)! Sie darf keine neue Form der Unterwerfung unter die „Elementarmächte“ {Gal 4, 9) sein, keine neue Versklavung (vgl. a. fl. O.), wie es gewisse synkretistische Riten sind, die auf der Angst vor unbegreiflichen Kräften beruhen! Nein, ihr seid Kinder Gottes, von Christus befreit, der aus der Jungfrau Maria geboren ist. Seid der Gotteskindschaft würdig und ebenso jener Kindschaft, die euch mit Maria verbindet! Ihr wollt auf die Sünde verzichten und an Christus glauben: Erhebt also mit Maria das Haupt und erkennt mit ihr die Liebe Gottes zu den Niedrigen und Hungrigen und zu allen, die Nächstenhebe üben (vgl. Lk 1, 46-55). Habt Mut! Haltet aus! Ich vertraue euch Maria an, euch alle und jeden einzelnen unter euch, Bischöfe, Priester, Ordensleute - ob Einheimische oder Missionare -, euch, ihr zahlreichen Priesteramtskandidaten, und auch das treue und vielgeprüfte Volk dieses schönen Landes Haiti, in dem so viele Jugendliche leben; schließlich vertraue ich Maria auch eure ausgewanderten oder verbannten Landsleute an. Ich bitte um ihre Fürsprache bei ihrem Sohn, damit es euch geschenkt werde, ein ruhiges und wahrhaft würdiges Leben führen zu können. In kreolischer Sprache sagte der Papst: Haitianer von überall her, ich bin mit euch. Ich segne euch aus ganzem Herzen. Habt Mut! Haltet aus! Gott ist mit euch. Jesus Christus ist euer Bruder. Der Heilige Geist ist euer Licht! Und Maria eure Mutter! Ich bitte Gott den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, daß er euch segne. Amen. 377 REISEN Neue Evangelisierung von Lateinamerika 500 Jahre nach der Entdeckung Ansprache an die 19. Vollversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrats (CELAM) in Port-au-Prince (Haiti) am 9. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich möchte euch auffordern, mit mir der göttlichen Vorsehung zutiefst dafür zu danken, daß sie es so gefügt hat, daß dieses Treffen der Höhepunkt meiner apostolischen Reise in das Gebiet von Mittelamerika sein sollte, einer Reise, die ich aufgrund eines echten Herzensimpulses unternommen habe. Umstände der Personen, der Zeit und des Ortes lassen mich diese Begegnung ganz besonders schätzen. Die Personen seid ihr, leitende Mitglieder oder Delegierte .auf dieser Versammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrats. Die Zeit, oder besser gesagt, der Anlaß ist die Eröffnung der 19. Generalversammlung des CELAM. Der Ort ist die Insel, an deren Ostküste Christoph Kolumbus vor fast einem halben Jahrtausend anlegte, als er im Begriff war, die Neue Welt zu entdecken, und als zugleich das Licht des Evangeliums hierhergelangte. Ich freue mich, daß ich hier - als älterer Bruder unter Brüdern - mit euch sprechen darf, und möchte mit euch Überlegungen zu einigen Punkten anstellen, die uns die derzeitigen Umstände nahelegen. I. Heute in Lateinamerika Bischof sein Ihr repräsentiert die fast 700 Bischöfe Lateinamerikas, die Väter und Führer einer Herde, die in wenigen Jahren fast die Hälfte der Katholiken der ganzen Welt ausmachen wird. Mit eurer Hingabe, inmitten von nicht wenigen Schwierigkeiten, Opfern und Verzicht, erfüllt ihr die Mission, die euch der Gute Hirt zum Heil eurer Gläubigen anvertraut hat. Ihr seid die sichtbaren Oberhäupter zahlreicher weiterer Teilkirchen, die über die ganze Weite dieses Subkontinents verstreut sind, und erfüllt von dem Wunsch, eurer anspruchsvollen Aufgabe als Bischöfe des gegenwärtigen Lateinamerikas treu zu entsprechen. 378 REISEN 1. Bischöfe eines zutiefst religiösen Volkes Vor vier Jahren bemühten sich die in Puebla versammelten Bischöfe darum, tiefere Einblicke in die Besonderheiten des Volkes, zu dessen Hirten der Herr sie eingesetzt hatte, zu erarbeiten. Es ist ein zutiefst religiöses Volk, das um das Brot des Wortes Gottes bittet, denn in ihn setzt es sein ganzes Vertrauen. Ein Volk, dessen Religiosität in ihrer kulturellen Ausprägung deutlicher Ausdruck des katholischen Glaubens ist. Aus diesem Grund hat man mit Recht gesagt, daß der Glaube der Kirche, unbeschadet der gegenwärtigen Unzulänglichkeiten, die Seele Lateinamerikas geprägt hat und so zur Kulturgrundlage des Kontinents geworden ist. Aus diesem Grunde kann man heute in Lateinamerika nicht Bischof sein, ohne diese Tatsachen vor Augen zu haben. Sie geben euren Ländern eine ganz bestimmte Physiognomie, die sie von anderen Ländern unterscheidet. In ihrem Innersten vom katholischen Glauben geprägt, bitten eure Völker um die Vertiefung und Stärkung ihres Glaubens, um religöse Unterweisung, um die Gabe der Sakramente, ja jeder Art von Nahrung für ihren geistlichen Hunger. Allerdings - und darüber müssen wir uns mit Realismus und demütiger Klarsicht Rechenschaft geben — lasten schwere Probleme auf diesem Volk, vom religiösen und kirchlichen Gesichtspunkt aus gesehen: der chronische und drückende Mangel an Berufungen zum Priestertum, zum Ordensstand und zu anderen Seelsorgediensten mit den entsprechenden Folgen religiöser Ignoranz, des Aberglaubens und des Synkretismus unter den einfacheren Menschen; wachsende Indifferenz, wenn nicht sogar Atheismus, aufgrund der gegenwärtigen Säkularisierung, namentlich in den großen Städten und unter den gebüdeteren Schichten der Bevölkerung; Verbitterung vieler Menschen, die sich,, infolge parteiischer Stellungnahme für die Armen, in ihren religiösen Hoffnungen und Bedürfnissen vernachlässigt und verlassen fühlen; Vordringen religiöser Gruppierungen, die manchmal der wahren Botschaft des Evangeliums entbehren, dafür aber durch ihre die echte Religionsfreiheit mißachtende Handlungsweise der Mission der katholischen Kirche und auch der anderen christlichen Konfessionen ernste Hindernisse in den Weg legen. Der Bischof in Lateinamerika darf an der Prüfung, dieser weitgesteckten pastoralen Erfordernisse; nicht Vorbeigehen. Er wird sich darum kümmern in der heiligen Furcht, die ihm das klare Bewußtsein der vor der Kirche übernommenen Verpflichtung eingibt, zugleich aber auch in lebendigem 379 REISEN Vertrauen auf die Hilfsmittel der Gnade. So wird er vor der Menge der Kleinen stehen, die dringend um das Brot des Wortes, der Erkenntnis Gottes, des geistlichen Zuspruchs und des Brotes der Eucharistie bitten, zu dessen Austeilung es so schmerzlich an Priestern fehlt (vgl. KlgA, 4). 2. Bischöfe, die in ihrer geistlichen Sendung aufgehen Heute in Lateinamerika Bischof zu sein, bedeutet sehr oft, auch auf Kosten eines hohen Einsatzes an Zeit, Gesundheit und Talent, auf das sehnsüchtige geistige Suchen eines ganzen Volkes die angemessenen Antworten zu finden, um zu verhindern, daß dieses Volk anderswo um das Brot bettelt, das es vielleicht in seiner Kirche oder bei seinen Hirten nicht findet. Dies ist nicht der Ort, um Themen zu vertiefen, über die ich bereits bei anderen Gelegenheiten dieser apostolischen Reise gesprochen habe. Euch und euren Brüdern im Bischofsamt, die ihr teilhabt an meinen Leiden und an meinem Trost (vgl. 2 Kor 1, 7), möchte ich die in den vergangenen Tagen ausgesäten pastoralen Gedanken und Orientierungen als Ganzes anvertrauen. Sie können der Kirche auf dem ganzen Subkontinent eine Hilfe sein. Euch vertraue ich die Sorge an, sie im fruchtbaren Boden eurer Kirchen ausreifen und Früchte bringen zu lassen. Aber ich kann nicht umhin, einige wichtige Aufgaben, die dem Bischof besonders zukommen, konkret zu nennen; Aufgaben, die für sich allein genügen würden, die ganze pastorale Tätigkeit eines Bischofs auszufüllen, und die andererseits, wenn sie nicht entsprechend ausgeübt würden, ein Vakuum erzeugen. Die Rede ist, wie ihr euch leicht vorstellen könnt, von - der Sammlung zahlreicher und qualifizierter junger Leute und ihrer sorgfältigen Ausbüdung zum Priestertum oder zum Ordensleben; — der größtmöglichen Aufmerksamkeit, die den Laien zu widmen ist, um ihre aktive Einfügung in die Kirche und ihre wirksame Tätigkeit in der Gesellschaft zu fördern; — der Katechese, diesem einzigartigen Instrument zur Glaubenserziehung der künftigen Generationen, auf daß eine soziale Dynamik für sie richtungweisend wird; - der pastoralen Sorge um die Familie. Um all das zu erreichen, wird die Aufgabe, heute in Lateinamerika Bischof zu sein, immer und mit zunehmender Dringlichkeit vor allem darin bestehen, Prediger des offenbarten Wortes zu sein. Ich ermahne euch, liebe Brüder, nicht nur persönlich zu predigen, sondern auch — da ja jeder Bischof „ein Mann (ist), der offen und klar die wahre Lehre vertritt“ 380 REISEN (2 Tim 2, 15) - dafür zu sorgen, daß mit der Hilfe eurer Kirche das Wort Gottes nicht seltener wird (vgl. 1 Sam 3, 1). Und in dieser so entscheidenden Aufgabe seid selbst Lehrer und Führer im Glauben, tragt die Lehre der Kirche unzweideutig vor; wacht mit Güte und Festigkeit über ihre Integrität und Reinheit und korrigiert gegebenenfalls die Abweichungen in der Glaubens- und Sittenlehre, die so großen Schaden und soviel Verwirrung bei den Gläubigen hervorrufen. So sollt ihr also ein Volk heiligen, das, Gott sei Dank, offen ist gegenüber der Absolutheit Gottes und das sich nach Glaubensantworten auf die Fragen sehnt, die es über sich selbst anstellt, über das Leben, das Leiden, den Tod, das Jenseits. Hört nicht auf, eure Priester zu ihrem Dienst, der dem eurigen so nahesteht, zu ermahnen und zu verpflichten. Bereitet die jungen Menschen, die das Amtspriestertum anstreben, gut vor, damit sie morgen Diener ihres Volkes in seinen geistlichen Belangen sein können, ohne dabei die materiellen Belange zu vergessen. Mahnt die Ordensleute, daß sie mit dem ihnen eigenen Charisma, mit der durch ihre Weihe gewährleisteten vollen Verfügbarkeit und dem Zeugnis ihres Lebens, das durch Anbetung, den Geist der Bergpredigt und eschatologischen Ernst gekennzeichnet ist, ihren unerläßlichen Beitrag zur Evangelisierung dieser Menschen, die doch nach übernatürlichen Werten dürsten, gewissenhaft leisten. Für den Bischof in Lateinamerika wird das ein Kreuz, aber auch seine lohnendste Aufgabe sein, seine Zeit, seine Energien, seine Geistes- und Herzenskräfte dafür einzusetzen - auch inmitten von Anfechtungen, Entbehrungen und Schwierigkeiten -, christliche Gemeinschaften aufzubauen, die vielleicht arm an menschlichen Hilfsmitteln, dafür aber reich an Glauben und unerschöpflicher Liebe sind. 3. Bischöfe für ein leidendes Volk Heute in Lateinamerika Bischof zu sein, bedeutet auch, sich als Hirt eines Volkes zu fühlen, das in den letzten Jahren zwar beträchtliche materielle Fortschritte gemacht und begonnen hat, der Welt die Ergebnisse seiner Anstrengungen auf vielen Gebieten der kulturellen Entwicklung zu präsentieren, das aber noch - und hier hegt der radikale Widerspruch -unermeßliche Bereiche von Elend, Analphabetentum, Krankheit, Isolierung aufweist. Eine aufrichtige Analyse der Situation zeigt, daß hier schreiende Ungerechtigkeiten, Ausbeutung der einen durch die anderen, schwerer Mangel an Gleichheit in der Verteilung des Reichtums und der Güter der Kultur zugrunde hegen. 381 REISEN Zu diesem Problem gesellt sich noch ein anderes gleich schwerwiegendes: Die jüngste Geschichte zeigt häufig, daß junge Leute, sei es durch fehlgeleiteten Idealismus, sei es durch ideologischen Druck, sei es durch Parteiinteressen oder sonstige Spannungen im Kräftespiel des Systems der Versuchung nachgeben, die Ungerechtigkeit mit Anwendung von Gewalt zu bekämpfen. Und so wird mit dem Wunsch, diese durch neue Gewalt zu unterdrücken, ein Vorgang ausgelöst, der uns alle schmerzt und beunruhigt. Euer pastorales Feingefühl sagt euch - und darin bestärken euch die Richtlinien von Puebla -, daß inmitten der breiten Massen der Armen, die zum großen Teil eure Kirchen ausmachen, die Aller ärmsten einen bevorzugten Platz in eurem väterlichen Herzen und in eurer Hirtensorge haben sollten. Aber ihr wißt und verkündet auch, daß eine solche Stellungnahme nicht pastoral und nicht einmal christlich wäre, wenn sie sich nur an politische oder ideologische Kriterien hielte; wenn sie ausschließlich oder ausschließend wäre; wenn sie Gefühle des Hasses oder des Kampfes zwischen Brüdern hervorriefe. Die Kirchen der ganzen Welt danken euch für das Zeugnis, das ihr mit einer Haltung ablegt, die darin besteht, den Ärmsten sehr nahe zu sein, ohne irgend jemanden auszuschließen, und sie zu lehren, alles Menschenunwürdige zu überwinden. Sie einen wahren Fortschritt zu lehren, der nicht im bloßen Reichwerden besteht, sondern im Mehr-Sein. Ich möchte euch dazu auffordem, die Leiden eurer ärmsten und verlassensten Gläubigen und Kinder mit väterlicher Sorge mitzutragen. Zu erreichen, daß auch eure Kirchen, wie die von Rom, je nach ihren Möglichkeiten, „den Vorsitz in der Liebe führen“. Daß eure Gemeinden, mit ihren Priestern und Diakonen an der Spitze, immer mehr Motor gesamtmenschlicher Entwicklung, der Gerechtigkeit und Gleichheit zum Wohl vor allem der Bedürftigsten werden. Daß mehr Gemeinsamkeit und Teühabe entsteht. Daß in den zeitlichen Belangen der Gerechtigkeit, des Friedens, des Wohlstands, der Lehre und Erziehung, der Gesundheit und der Arbeit immer gut vorbereitete und verläßliche Laien tätig sind, die deshalb dazu in der Lage sind, weil sie das entsprechende Licht des Glaubens und die geistliche Unterstützung erhalten, die ihr und eure Priester ihnen aufgrund eurer Weihe niemals versagen werdet. 4. Bischöfe als Baumeister der Einheit Mitten in den Konflikten, im Teufelskreis des Todes, im Drama der Gewalt, durch die schon soviel unschuldiges Blut vergossen worden ist, 382 REISEN sollen die Bischöfe dieses „Prinzip, Zeichen und Werkzeug der Einheit“ sein, die das Konzil in ihnen erkennt. Leider werdet ihr es nicht immer erreichen, die trennende Wand der Feindschaft niederzureißen (vgl. Eph 2, 14); aber da euch der „Dienst der Versöhnung aufgetragen“ wurde (2 Kor 5, 18), dürfen eure Worte oder eure Taten niemals Spaltungen vertiefen oder Zerwürfnisse verschärfen. Arbeitet immer nach dem Maß eurer Möglichkeiten, mit Weisheit und Geduld, für Eintracht und Frieden. Mögen eure Präsenz und eure Tätigkeit als Oberhirten ständig Ansporn und Hilfe zur Herstellung eines die Konflikte überwindenden Friedens sein. II. Der Lateinamerikanische Bischofsrat (CELAM) Anläßlich eures Zusammentreffens zu einer Versammlung von CELAM verspüre ich die Pflicht, an euch Bischöfe einige, wenn auch kurze Worte zu richten. Ich hatte seinerzeit die Freude, einen besonderen Gruß an die Mitglieder dieses kirchlichen Organismus zu richten, und zwar aus Anlaß des 25. Jahrestages seiner Gründung, in derselben Stadt, in der er entstanden war, in Rio de Janeiro. Ich erneuere diesen Gruß jetzt bei dieser Begegnung mit seinen Verantwortlichen und Delegierten, die sich zu einer wichtigen Arbeitssitzung zusammengefunden haben. CELAM hat in der Kirche zweifellos einen besonderen Platz aufgrund seiner Originalität. Die geosozialen Merkmale Lateinamerikas begünstigten das Entstehen und fördern die Existenz dieses Organismus, der so in anderen Kontinenten nur schwer zu realisieren wäre. Es erübrigt sich, euch zu sagen, mit welchem Interesse und mit welcher Aufmerksamkeit ich eure Programme und Aktivitäten verfolge. Auch die Episkopate anderer Kontinente, die eure Geschichte kennen und eure Unternehmungen verfolgen, verbergen nicht ihre Bewunderung und lassen sich von euch amegen. Uns allen ist klar, daß CELAM keine Superkonferenz ist und es auch nicht sein kann; die einzelnen Bischofskonferenzen werden in ihren Kompetenzen und Verantwortlichkeiten von ihm weder ersetzt noch überspielt. Er ist vielmehr aufgrund seines Wesens und seiner ursprünglichen Definition ein Dienst an diesen Konferenzen im Hinblick auf die Erfordernisse und Ansprüche, die diese stellen. 383 REISEN Allerdings haben die fast 28 Jahre seines Bestehens und Wirkens gezeigt, wie wertvoll dieser Dienst ist; aus eben diesem Grund ist CELAM zu einem Ort der Begegnung geworden, wo die Oberhirten die Möglichkeit haben, sich zu treffen, Erfahrungen auszutauschen, sich gegenseitig zu helfen und einander zu ermutigen im gemeinsamen pastoralen Einsatz. Auf dieser Ebene des Dienens ist es auch zu sehen, wenn CELAM, von rein juristischen Geschichtspunkten absehend, als ein Bezugspunkt oder auch als Ort pastoraler Koordination dient, zum Nutzen der einen oder anderen Bischofskonferenz bzw. einzelner Bischöfe. Ich möchte euch dazu ermuntern, die Berufung und die Mission dieser kirchlichen Einrichtung ohne Zögern weiterzuführen. Ihre Strukturen müssen ständig verbessert werden und an Wirksamkeit wachsen, ihre Ziele sich immer mehr klären. Die einzelnen Abteilungen, Sekretariate und Institute müssen sich eine noch bessere Organisation geben. Immer aber müssen die Personen, die darin arbeiten, die Überzeugung haben, einer würdigen Sache der Kirche zu dienen. Ich erbitte den Segen des Himmels für die nun beginnenden Arbeiten und danke Gott gleichzeitig für alles, was dieser Organismus im Laufe der 28 Jahre seines Bestehens geleistet hat. Und während ich den leitenden Persönlichkeiten, deren Mandat jetzt endet, meinen Dank zum Ausdruck bringe, bitte ich den Herrn, er möge diejenigen, die jetzt die Geschicke des CELAM in ihre Hände nehmen, erleuchten, damit sie ihn auf dem Weg treuen Dienstes an der Kirche in Lateinamerika und im Geist der Einheit und loyalen Zusammenarbeit mit der Gesamtkirche und dem Nachfolger des hl. Petrus führen. III. Bischöfe für eine erneuerte Evangelisierung An dieser Stelle, meine Brüder im Bischofsamt, ist es eine Selbstverständlichkeit, von diesen Ländern aus, die das Morgenrot des Glaubens auf dem Neuen Kontinent erlebt haben, auf das Evangelisierungswerk der Kirche in Lateinamerika zu sprechen zu kommen, das damals mit der Entdeckung seinen Anfang nahm. Ein Werk voller Schwierigkeiten, durch Begrenzungen und Mängel gekennzeichnet, aber auch reich an hochherzigen und bewundernswerten Taten. Wenn wir heute einen Blick auf die Landkarte Lateinamerikas werfen mit seinen über 700 Diözesen, seinen zahlenmäßig unzureichenden, aber einsatzfreudigen Mitarbeitern, seiner Organisation und seinen Strukturen, seinem Aktionsrahmen, der moralischen Autorität, die die Kirche 384 REISEN genießt, so müssen wir darin das Ergebnis von Jahrhunderten geduldiger und ausdauernder Evangelisierung erkennen. Fast genau fünf Jahrhunderte sind es. In der Tat wird das Jahr 1992, das nicht mehr allzufern ist, das fünf hundert jährige Jubiläum der Entdeckung Amerikas und des Beginns der Evangelisierung bringen. Als Lateinamerikaner werdet ihr dieses Datum mit einer ernsten Überlegung zur historischen Entwicklung des Subkontinents begehen, aber auch mit Freude und Stolz. Als Christen und Katholiken werdet ihr gerechterweise aus diesem Anlaß zurückblicken auf diese fünfhundert Jahre harter Arbeit, um das Evangelium zu verkünden und die Kirche in diesen Ländern aufzubauen. Ein Rückblick zugleich voller Dankbarkeit gegenüber Gott für die christliche und katholische Berufung Lateinamerikas und gegenüber all denen, die lebendige und aktive Werkzeuge der Evangelisierung waren. Ein Blick voller Treue gegenüber eurer Glaubensvergangenheit. Ein Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart und auf die Bemühungen, die unternommen werden. Ein Blick schließlich auf die Zukunft, um zu sehen, wie das begonnene Werk zu konsolidieren ist. Das Gedenken des halben Jahrtausends Evangelisierung wird seine volle Bedeutung dann erhalten, wenn ihr als Bischöfe, zusammen mit euren Priestern und Gläubigen, daraus eine Aufgabe macht; eine Aufgabe nicht der Re-Evangelisierung, sondern der Neu-Evangelisierung. Neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise. Erlaubt mir in diesem Zusammenhang, daß ich euch, in kurzen Worten zusammengefaßt, die Gesichtspunkte nenne, die nach meiner Ansicht grundlegende Voraussetzungen für eine Neu-Evangelisierung sind. Der erste bezieht sich auf die Priester. Am Ausgang des halben Jahrtausends ihres Bestehens und an der Schwelle des dritten christlichen Jahrtausends wird die Kirche in Lateinamerika eine Vitalität brauchen, die ihr fehlen wird, wenn sie nicht über zahlreiche und gutvorbereitete Priester verfügt. Neue Berufungen zu wecken und sie in geistlicher, theologischer und pastoraler Hinsicht entsprechend vorzubereiten, ist für einen Bischof eine prophetische Tat. Sie ist gleichbedeutend damit, die Zukunft der Kirche zu fördern. Ich möchte euch daher diese Aufgabe besonders ans Herz legen. Sie wird Sorgen und Schmerzen kosten, aber zugleich auch Freude und Hoffnung bereiten. Der zweite Gesichtspunkt betrifft die Laien. Nicht nur der Mangel an Priestern, sondern auch und vor allem das ganze Selbstverständnis der Kirche in Lateinamerika sprechen, im Licht des II. Vatikanums und von Puebla, eine beredte Sprache über den Platz der Laien in der Kirche und in der Gesellschaft. Der nahende 500. Jahrestag eurer Evangelisierung 385 REISEN muß die Bischöfe zusammen mit ihren Kirchen veranlassen, eine wachsende Zahl von Laien heranzubilden, die bereit sind, im Werk der Evangelisierung wirksam mitzuarbeiten. Ein Licht, das die Neu-Evangelisierung leiten kann - und das ist der dritte Gesichtspunkt, muß von dem Dokument von Puebla ausgehen, das diesem Thema gewidmet ist, insofern es von der Lehre des II. Vatikanums durchdrungen ist und mit dem Evangelium übereinstimmt. In diesem Sinn ist es notwendig, die Botschaft von Puebla in ihrer Integrität zu verbreiten und gegebenenfalls auch wiederherzustellen, ohne Fehlinterpretationen, ohne entstellende Kürzungen und ohne einseitige Anwendung einiger Teile unter Vernachlässigung der anderen. Mögen die kommenden Jahre, die euch zu so bedeutungsvollen Dingen führen werden, euch, liebe Brüder, mit großem Vertrauen bei der Arbeit sehen in eurem erneuerten Bemühen, das Evangelium auszubreiten. Als Unterpfand und Garantie für das Gelingen dieser Aufgabe mögen die drei Eigenschaften stehen, die die Frömmigkeit eurer Völker auszeichnen: die Liebe zur Eucharistie, die Verehrung der Muttergottes und die herzliche Einheit mit dem Papst, dem Nachfolger des hl. Petrus. Auf diesem Wege begleite euch der Apostolische Segen, den ich euch von ganzem Herzen erteile. Amen. 386 Pastoralbesuch in Mailand (20. bis 22. Mai) REISEN Gottes Willen an die erste Stelle setzen! Ansprache bei der Eucharistischen Anbetung auf dem Domplatz in Mailand am 20. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich bin nach Mailand gekommen, um gemeinsam mit euch den in der Eucharistie gegenwärtigen Christus anzubeten. Ehe der Abend meines Ankunftstages in dieser Metropole zu Ende geht, wollte ich noch einige Augenblicke mit euch im Gebet vor dem Allerheiligsten verweilen, um den Herrn zu bitten, daß der nun zu Ende gehende Nationale Eucharisti-sche Kongreß dazu beitrage, in uns den Glauben zu stärken, die Verehrung der Eucharistie zu verbreiten und sie in einer immer größeren Zahl von Brüdern wieder zu entzünden. Unsere Begegnung gewinnt in Anbetracht des Ortes, an dem wir uns befinden, eine besondere Bedeutung: euer herrlicher Dom, ein wahrer Lobhymnus christlicher Kunst, lebendiges Zeichen des eucharistischen Glaubens eines Volkes, Zeuge und Ausdruck jahrhundertelanger Geschichte und Frömmigkeit der Diözesangemeinde, ein ehrwürdiges Gotteshaus, das gewissermaßen - wie mein Vorgänger Paul VI. sagte -„die Stadt bestimmt, sie kennzeichnet und ihre edelsten Taten fortdauern läßt“ (Ansprache an die Dombauhütte, 24. 9. 1963). Die Kathedrale ist das Herz der Diözese. Es hätte also keinen würdigeren Ort als diesen geben können, um uns heute abend zum Gebet vor der Heiligsten Eucharistie zu versammeln, der ihr als dem Herzen der Kirche Verehrung und Dank, Anbetung und Lobpreis erwiesen habt. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die enge Verbindung unterstrichen, die zwischen der Eucharistie und dem Geheimnis der Kirche besteht. Die Eucharistie ist das Herz der Kirche, weil sie „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle enthält, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch, das durch den Heiligen Geist lebt und Leben schafft, spendet er den Menschen das Leben; so werden sie ermuntert und angeleitet, sich selbst, ihre Arbeiten und die ganze Schöpfung mit ihm darzubringen“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Die Eucharistie ist die größte Gabe, die Christus seiner Braut dargeboten hat und die er ihr immer noch weiter anbietet. Sie ist Wurzel und Höhepunkt des christlichen Lebens und allen Wirkens der Kirche. Im eucharistischen Geheimnis wird Christus selbst vom Vater als Gabe dargebracht. Die Eucharistie ist die Verherrlichung seiner grenzenlosen 388 REISEN Liebe zu uns. Zusammen mit Jesus, der sich für uns zur Speise des ewigen Lebens gemacht hat, schenkt uns die Eucharistie seinen Geist. Er ist Geschenk im wahrsten Sinne des Wortes, Zeugungs- und Heiligungsprinzip der Kirche, Band der brüderlichen Gemeinschaft, Erbauer und Garant der Einheit in der Verschiedenheit der einzelnen Dienstämter und Funktionen innerhalb des mystischen Leibes. 3. Die Eucharistie steht - wie das Leitwort eures Kongresses besagt - „im Mittelpunkt der Gemeinde und ihrer Sendung“, da sie unermeßliches und unaussprechliches Geschenk der Liebe der Heiligsten Dreifaltigkeit für die Menschheit ist, die auf diese Weise vor dem ewigen Tod der Sünde gerettet und zur Würde der Gotteskindschaft erhoben wird. Das eucharistische Geheimnis gründet also die Gemeinde auf die Erfordernis und die Pflicht zu ewiger Danksagung an den Vater, in welcher der Sinn und Wert des ganzen personalen und sozialen Lebens zusammengefaßt wird. Das Wort Eucharistie bedeutet Danksagung, Bekenntnis einer Dankbarkeit ohne Vorbehalte. Das ist die Haltung, die den Christen kennzeichnen muß. Diese Haltung der Dankbarkeit scheint meilenweit entfernt von jener, die in unserem Alltag tatsächlich vorherrscht, der oft bedrängend mit dem konfrontiert wird, was fehlt, mit dem, was mühevoll gesucht, unsere Erwartungen und unsere Wünsche am Ende doch enttäuscht. Dankbarkeit scheint also weit davon entfernt, unsere Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft grundlegend zu bestimmen. Der Mensch, der sich häufig beklagt, der Mensch, der immer und nur das sieht, was seinem Leben fehlt, kann weder seine Existenz als Geschenk einer unendlichen Liebe erkennen noch die Güte Gottes in der Gemeinschaft, in der er lebt, erkennen. Die Heiligste Eucharistie hingegen lehrt uns zu danken, Geschenke auszutauschen wie Melchisedek, der — wie wir soeben gelesen haben — dem Höchsten „Brot und Wein darbrachte“ (Gen 14, 18). Und auch die anderen Lesungen sind, wenn wir sie aufmerksam betrachten, von dieser Ethik des Dankens, des Schenkens, des Darbringens durchwoben. 4. Aus dieser „eucharistischen“ Ethik, der Ethik des Dankens, ergibt sich die richtige Beziehung zu Gott und zur Gemeinschaft. Die Verehrung der Eucharistie lehrt uns das Geheimnis der Gemeinschaftsbeziehung: Die von ihr ausgehende Freude besteht mehr im Geben als im Nehmen (vgl. Apg 20, 35); sie besteht darin, daß der Liebe der Vorrang gegenüber der Gerechtigkeit gegeben wird; wir lernen, auch dann zu danken, wenn uns 389 REISEN gegeben wird, was uns von Rechts wegen zusteht. Sie lehrt uns, daß, wenn wir geben, Gott uns mehr und Besseres gibt, als wir nach unseren eigenen Plänen und Ansprüchen hätten wünschen oder erlangen können. Die Ethik des Gebens, die der Verehrung der Eucharistie entspringt, lehrt uns, auch dann auf Gott zu vertrauen, wenn er uns zeitweise in Not und Schwierigkeit läßt; sie gibt unserem Geist auch mitten in der Trübsal Frieden und Geduld. Denn im eucharistischen Brot ist das ganze Heilsgut der Kirche enthalten, alles, was wir ersehnen können. Die Gemeinschaft mit Jesus im Sakrament schenkt uns schon jetzt die göttliche Gnade und Freundschaft, auch mitten in der Not der Gegenwart, und läßt uns auf die Fülle unserer höchsten Erwartungen hoffen. Die Liebe zur Eucharistie lehrt uns auch die richtige Wertskala: daß wir nicht unseren Willen und die irdische Wirklichkeit, sondern Gottes Willen und die himmlischen Güter an die erste Stelle setzen. Sie lehrt uns einen Hunger, der den Hunger nach der materiellen Speise und den rein menschlichen Bedürfnissen übersteigt, einen Hunger, der dem Geistlichen den Vorrang gibt und uns auf dieses als die wahrhaft höchste Wirklich-keits- und Wertordnung verweist. Denn der Mensch lebt nicht allein vom Brot, sondern von dem Wort, das aus dem Mund Gottes kommt (vgl. Dtn 8, 3-16). 5. Das Jubiläum der Erlösung lädt uns ein, uns mit noch mehr Frömmigkeit und Dankbarkeit dem Vater gegenüber in das Geheimnis der Eucharistie zu vertiefen. Möge es in vielen Herzen den Platz finden, der ihm seiner Natur nach als dem höchsten Zeugnis der Liebe der Heiligsten Dreifaltigkeit für uns gebührt. Möge es immer lebendiger und wirksamer die Dankbarkeit gegenüber Gott und der Gemeinschaft wecken, fern allem fruchtlosen und unzufriedenen Mißtrauen. Möge es uns ferner lehren, was eine Ethik bedeutet, die sich auf Liebe, Hochherzigkeit, Vertrauen in den Menschen und Dankbarkeit gründet. Machen wir unser Leben zu einer echten, immerwährenden Danksagung (vgl. Eph 5, 20; 1 Thess 5, 18; 2 Thess 2, 13). Die Dankbarkeit werde zur treibenden Kraft unseres ganzen Verhaltens Gott und der Gemeinschaft gegenüber. Die Heiligste Eucharistie ruft uns zu ständiger Bekehrung: Möge dieses Heilige Jahr uns helfen, eindringlicher auf ihre Botschaft des Lebens zu hören und mit größerer Bereitschaft ihre unerschöpflichen Gnadenquellen fruchtbar zu machen für eine Neubelebung der brüderlichen Einheit in der Gemeinschaft der Kirche und der Menschen. 390 REISEN „Auch ich habe euer Leben geführt“ Ansprache an die Arbeiter in Sesto San Giovanni am 21. Mai 1. Das Zusammentreffen mit euch, liebe Männer und Frauen der Welt der Arbeit, ist mir besonders teuer, weil ich mich eurer Welt auch durch die unmittelbare Erfahrung, die ich seinerzeit selbst gemacht habe, sehr nahe fühle: Auch ich habe das Leben, das ihr führt, mit seiner Mühe und seinen Plagen, aber auch seinen Freuden und Hoffnungen erfahren. Ich weiß, was es heißt, in die Fabrik zu gehen und alle nutzbaren Stunden des Tages, alle Tage der Woche, alle Wochen des Jahres dort zu verbringen: Ich habe das am eigenen Leib erfahren;.ich habe es nicht aus Büchern gelernt. Und diese Lektion habe ich nicht vergessen, auch wenn die Vorsehung mich in der Folge zu anderen Aufgaben berufen hat. Deshalb versäume ich keine Gelegenheit, mich mit den Arbeitern zu treffen; mit euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr die Hauptpersonen jenes äußerst wichtigen Bereichs des sozialen Lebens seid, den wir mit dem Namen „Welt der Arbeit“ bezeichnen. Die alte Gemeinsamkeit der Erfahrungen und zugleich meine heutige Verantwortung als Nachfolger Petri drängen mich zu euch hin. Denn auch ihr gehört zu jener Herde, die ich im Namen Christi auf dessen Spuren zum wahren Leben führen soll. Ich fühle, daß ich aus all diesen Gründen zugleich als Bruder und als Papst zu euch sprechen kann. 2. Ich begrüße euch alle herzlich; und ich danke dem Bürgermeister von Sesto San Giovanni und den Arbeitern von Herzen, daß sie den gemeinsamen Gefühlen Ausdruck gegeben haben. Ich möchte, daß jeder von euch die Liebe spürt, mit der ich ihm nahe bin, indem ich an seinen Sorgen und Problemen, seinen Hoffnungen und seinen Befürchtungen Anteil nehme. Zu Beginn dieser Stunde der Solidarität mit euch in dieser Stadt, die in der Welt der Arbeit einen zentralen Platz einnimmt, möchte ich euch bitten, mir zu gestatten, daß ich vor allem dem Herrn Christus Verehrung erweise, der als unser Bruder auf Erden die Erfahrung manueller Arbeit gemacht hat. Christus ist im Sakrament der Eucharistie auch heute unter uns lebendig und gegenwärtig. Wie ihr wißt, blickt die gesamte italienische Kirche in diesen Tagen auf euer Mailand, wo der Nationale Eucharistische Kongreß abgehalten wird. Die Herzen unzähliger Männer und Frauen wenden sich mit neuem Glauben der reinen Hostie des Altares zu, in der 391 REISEN sie die Gegenwart des Schöpfers des Universums und des Herrn der Geschichte erkennen. Was für ein wundersames Geheimnis! Um zu Christus zu gelangen, brauchen wir nicht bis in die Zeit seines Erdenlebens zurückzugehen; wir brauchen uns nicht räumlich nach Palästina zu versetzen. Es genügt, daß wir eine Kirche betreten, daß wir uns einem Tabernakel nähern: dort finden wir ihn; können wir zu ihm sprechen; können seine Eingebungen, seine Weisungen vernehmen; können ihn anbeten. Meine ersten Worte in dieser unserer Begegnung wollen eine Einladung sein, uns allen anderen Gläubigen anzuschließen, die vor der Eucharistie das Knie beugen und sie anbetend verehren. Wie sollte man, wenn man bei diesem Anlaß und in dieser Umgebung von der Eucharistie spricht, nicht einen Aspekt unterstreichen, der euch als Arbeiter und Arbeiterinnen besonders mit diesem Sakrament verbindet? Denn ihr seid es, die sozusagen die Materie der Eucharistie bereitstellen. Haben nicht Bauern den Weinstock und das Getreide angepflanzt? Haben nicht Industriearbeiter die verschiedenen Werkzeuge hergestellt, deren sich der Mensch bedient, um die Trauben in Wein und die Ähren in Brot umzuwandeln? Daran erinnert die Liturgie der Kirche mit aller Klarheit, wenn sie bei der Darbietung des Brotes und Weines in der Messe zweimal wiederholt: „Frucht der Erde und der menschÜchen Arbeit.“ Die Arbeiter dürfen mit berechtigtem Stolz sagen, daß die Hostie und der konse-krierte Wein zum Teil auch ihr Werk sind. 3. Zu diesem Motiv spezifisch christlichen Stolzes kommen weitere hinzu, die auf direkterer menschlicher Ebene liegen. Es sind die Motive, die dem Bewußtsein der unersetzlichen Rolle entspringen, die der Arbeit bei der Reifung der Person wie beim Bau der Gesellschaft zukommt. Denn wie die Nation ihren Wohlstand aus der Aktivität der Bürger schöpft, so finden die einzelnen Arbeiter in der täglichen Hingabe an ihre Aufgaben eine wirksame Schule des beruflichen Ernstes, der persönlichen Verantwortung, des mutigen Bekenntnisses zu den Grundwerten des bürgerlichen Zusammenlebens. Wie sollte man in diesem Zusammenhang nicht an das hohe Zeugnis des Bürgergewissens erinnern, das vor nunmehr vierzig Jahren, im Dezember 1943, von den Arbeitern dieser Stadt geboten wurde, als die Arbeiter sämtlicher Fabriken zum Zeichen des Protestes gegen die Rechtsverletzungen der Diktatur in Streik traten? Die Arbeit ist die Schule der Menschlichkeit, und wenn der Mensch lernt, er selbst zu sein, lernt er auch, die Werte, an die er glaubt, zu verteidigen. 392 REISEN 4. Diese Feststellung, die die Erfahrung all dessen, was in vielen Teilen der Welt geschieht, bestätigt, erschöpft freilich nicht jeden Aspekt jenes komplexen Phänomens, das die menschliche Arbeit darstellt. Neben den positiven Werten mangelt es ihr nicht an gleichfalls augenscheinlichen Elementen, die die vollzogene optimistische Bewertung zu widerlegen scheinen. Die Arbeit ist eintönig und mühevoll. Nicht nur das: Sie scheint eine Abtötung der mit der Spiritualität des Menschen verbundenen Bedürfnisse mit sich zu bringen. Die Arbeit, insbesondere jene des Arbeiters, scheint eine Unterwerfung des Menschen unter seine Arbeit zu fordern: Die Maschine und die in wachsendem Maß technisierte Produktionsorganisation regeln den Arbeitsverlauf des einzelnen nach objektiven Gesetzen, die häufig die Verwirklichung seiner persönlichen Erfindungs- und Ausdrucksfähigkeit behindern. Wie nötig ist der Segen des Herrn Von der Arbeit des Arbeiters qualitativ nicht verschieden ist im übrigen die Arbeit des mit Verwaltungs- oder organisatorischen Aufgaben betrauten Angestellten und Beamten: Die technologischen und heute insbesondere die kybernetischen Neuerungen führen oft zur Annullierung früher erworbener Berufsfähigkeiten und zur Notwendigkeit, sich den veränderten Merkmalen der Arbeitsorganisation entsprechend noch einmal beruflich zu qualifizieren. Außerdem bleibt das allgemeine Gesetz der Trennung des Arbeiters von der eigenen Arbeit: Der arbeitende Mensch widmet sich nicht unmittelbar einer Tätigkeit, die auf seinen eigenen sittlichen und geistigen Aufbau ausgerichtet ist, sondern er vollbringt einen Dienst, der dem Gemeinwohl gilt: einen Dienst, dessen tatsächlicher Vorteil für das Gemeinwohl jedoch von dem Netz, das alle wirtschaftlichen Beziehungen umfaßt, abhängig und zugleich bedroht ist. Auch dieser Umstand trägt dazu bei, den Eindruck zu nähren, daß der Arbeiter seiner Arbeit entfremdet wird. Nicht vergessen werden darf schließlich die Tatsache, daß die wirtschaftlichen Beziehungen vom Geld bestimmt werden: Die objektive Anerkennung, daß jeder zum Gemeinwohl beiträgt, konkretisiert sich in der Möglichkeit des Gewinns. Die Wirtschaftsbeziehungen werden, so gesehen, auch zu Machtbeziehungen und daher zu potentiellen Konfliktsituationen, in denen die einzelnen Gruppen leicht dazu neigen, allein ihre eigenen Rechte oder, einfacher, ihre eigenen Interessen zu sehen und geltend zu machen. 393 REISEN 5. Aus all diesen Gründen erscheint die Arbeit eine weniger positive und freie Wirklichkeit zu sein, als ihre oberflächliche Betrachtung vermuten lassen könnte. Zudem ist noch ein weiterer komplexer Aspekt der Arbeit ins Auge zu fassen, der ebenso wahr und unbezweifelbar ist, jedoch oft verschwiegen wird. Die Arbeit ist auch der Beweis der menschlichen Begrenztheit. Der Begrenztheit des Individuums, das der Mitwirkung aller anderen bedarf, um die Grundbedürfnisse seines Lebens verwirklichen zu können. Aber auch der Begrenztheit des gemeinsamen Unternehmens der Menschen, das niemals das Ziel erreichen kann, alles was für das Leben jedes einzelnen unerläßlich ist, schaffen zu können. Denn der Mensch lebt ja nicht nur von dem, was seine Hände hersteilen können. Er trägt in sich Erwartungen und Hoffnungen, die keine irdische Gegebenheit je vollständig befriedigen kann. Die Wahrheit ist in der Tat die folgende: Den vollen Sinn des Lebens findet der Mensch nur jenseits und über dem Leben selbst. Er findet ihn in Gott, der ihm in Christus begegnet ist, um ihn zu retten. Damit soll nicht gesagt sein, daß eine immer vollere Befreiung des Menschen von den Bedingungen, die ihn heute noch in verschiedener Weise unterdrücken, nicht mit allen vernünftigen Mitteln gefördert werden soll. Was zutage tritt, ist aber die fatale „Unvollkommenheit“ jeder derartigen Bemühung, wenn man sich nicht zugleich der transzendenten Dimension des Glaubens öffnet. Die Freiheit und die Hoffnung des Menschen in seiner Teilhabe am gemeinsamen Werk als Arbeiter sind nur unter der Bedingung gewährleistet, daß er Ruhe findet in der gläubigen Betrachtung des Werkes Gottes. Liegt darin nicht der tiefe Sinn des biblischen Gebotes, das dem Menschen vorschreibt, einmal m der Woche seine Arbeit zu unterbrechen, um in Gottes Ruhe einzutreten und ihm durch die Teilnahme an der Eucharistie „die Früchte der Erde und seiner Arbeit“ anzubieten? Durch diese Ruhepause wird sich der Mensch leichter auf den Plan des Herrn einstellen können und in der Betrachtung über sein Schöpfungswerk, das das einzige vollendete Werk ist, das Fundament einer „Hoffnung“ finden, „die nicht zugrunde gehen läßt“ (vgl. Röm 5, 5). Denn diesbezüglich gibt es eine ausdrückliche Verheißung Gottes: „Wohl dem Mann, der den Herrn fürchtet und ehrt und der auf seinen Wegen geht!“ Nur er wird „von seiner Hände Arbeit leben“ können, weil jene Arbeit vom Segen des Herrn begleitet sein und fruchtbar gemacht werden wird (vgl. Ps 128 und Gen 1, 28). 394 REISEN 6. Wie nötig ist der Segen des Herrn in der heutigen Welt, auf der so viele und so schwerwiegende Bedrohungen lasten! Unter den vielen Übeln, die die heutige Menschheit heimsuchen, will ich hier nur das erwähnen, dem ihr besonders ausgesetzt seid: die Arbeitslosigkeit. Ich weiß nur zu gut, wie sehr dieses Problem die Arbeitswelt gerade in diesen Jahren quält, wo sich die Welt in einer Wirtschaftskrise befindet, die jeden Versuch der Wiederbelebung bedroht. Das ist ja eben einer der Gründe meines Besuches: meine Anteilnahme an den Leiden derer zu bezeigen, die den Arbeitsplatz verloren haben, und an den Ängsten derer, die ihren sicheren Arbeitsplatz bedroht sehen. Das Problem der Beschäftigung ist ein „grundlegendes Problem“, wie ich in der Enzyklika Laborem exercens geschrieben habe, besonders wenn es die Jugendlichen betrifft, „die nach einer entsprechenden allgemeinbildenden, technischen und beruflichen Vorbereitung keinen Arbeitsplatz finden können und ihren ehrlichen Arbeitswillen und ihre Bereitschaft, die ihnen zukommende Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gesellschaft zu übernehmen, schmerzlich frustriert sehen“ (Nr. 18). Es handelt sich natürlich um ein komplexes Problem, das vielfältige Faktoren belasten im Zusammenhang mit den neuen Entwicklungen in den technischen, wirtschaftlichen und politischen Bereichen, wie ich zu Beginn des genannten Dokuments ausführte (vgl. Nr. 1). Unter seinen Ursachen fehlen jedoch auch nicht schuldhafte Trägheit, Mangel an Solidarität, tadelnswerte Egoismen. Die Kirche ihrerseits wird nicht müde, hinzuweisen auf „die Würde und die Rechte der arbeitenden Menschen und die Situationen anzuprangern, in denen diese Würde und diese Rechte verletzt werden“ (ebd., Nr. 1). Ich nehme daher auch diese Gelegenheit wahr, um meinen herzlichen Appell an alle Personen zu erneuern, die über die wirtschaftliche oder politische Initiative verfügen, sie mögen ihre Bemühungen zu einer koordinierten und verantwortlichen Aktion vereinen, die im Rahmen gerecht unter die Bürger verteilter Opfer neue Perspektiven in diesem grundlegenden Sektor des Soziallebens eröffnet. Aus dem einträchtigen Bemühen aller wird in der Tat jener Fortschritt in der Gerechtigkeit und im Wohlergehen erwachsen können, der das gemeinsame Bestreben der verschiedenen Mitglieder des Sozialgefüges darstellt. Mit dem Wunsch, daß sich diese Erwartungen schließlich erfüllen werden, richte ich mein Gebet zum Vater aller Menschen und aller Völker, damit er jeden Menschen guten Willens erleuchte und sein Bemühen auf das Ziel einer immer reiferen Achtung der Würde der Person ausrichte, das 395 REISEN Subjekt und Ziel jeder Arbeitstätigkeit, zum Aufbau einer gerechten, freien und friedvollen Gesellschaft. ,,Jedes große Kunstwerk ist seinem Ursprung nach religiös“ Ansprache an die Repräsentanten von Kunst und Kultur nach dem Konzert in der Mailänder Scala am 21. Mai 1. Mein Besuch heute abend in diesem weltberühmten Theater ist für mich nicht nur eine eindrucksvolle Pause ästhetischer und kultureller Art, sondern eine Ehre und gleichsam die Krönung dieses dichtgefüllten Tages, der mich mit so vielen Komponenten der sozialen und religiösen Wirklichkeit der Stadt und der Region bekanntgemacht hat. Bereits das Sonderkonzert, das die Direktion und das hervorragende Orchester mir freundlicherweise haben darbieten wollen und das mich an das im Februar 1979 im Vatikan in der Aula Paul VI. ausgeführte Konzert erinnerte, und dann die bedeutungsvolle Präsenz so vieler Komponisten, Dirigenten und Musikausübenden, allgemeiner gesagt: von Exponenten und Repräsentanten der Kunstwelt, und schließlich die Teilnahme der höchsten Zivilbehörden mit allen Bürgermeistern aus dem Mailänder Raum: Das sind Anreize, die mich verpflichten, meine Genugtuung in lebhaftem und herzlichem Dank auszudrücken. Ich danke euch allen und jedem einzelnen von euch. Was ihr mir geboten habt und weiter bietet, berührt mich zutiefst, und da ich weiß, daß es nicht nur meine Person betrifft, danke ich auch für die daraus folgende Anerkennung, die meinem Sendungsauftrag in der universalen und einen Kirche Christi gilt. 2. Ein Papst in der Mailänder Scala ist ein einmaliges Ereignis, schwer zu definieren. Aber dieser insofern ungewohnte Besuch will ein Akt der Präsenz in der Welt der Kunst sein: also in einer Welt, die im Dienst des Geistes steht, der es nötig hat, der Alltagsmühe zu entfliehen und in der Handlung auf der Bühne und im Hören der Musik eine andere und höhere Wirklichkeit wiederzufinden. Die Welt der Kunst, die hier stets eine besondere Pflege erfahren hat und erfährt, ist mit Persönlichkeiten verbunden, die auch heute noch einen großen Teil der universalen Kultur 396 REISEN ausmachen. Ihr tragt nicht nur Musik vor; ihr tragt moralisches Leben vor als Ausdruck höheren Fühlens; ihr tragt Dichtung vor. Da fällt einem — auf der Bühne dieses feierlichen Raumes - sofort die Gestalt Giuseppe Verdis ein, der in einer Reihe von Kompositionen, die Stimme und Chor vieler Generationen, einschließlich der heutigen, geworden sind, das italienische Vaterland, die Liebe, die Menschenwürde besungen hat. Eine Stimme wie jene Verdis muß - glaube ich - euch Intellektuellen und uns allen die Gestalt eines großen Lombarden in Erinnerung bringen, den er sehr verehrte, Alessandro Manzoni, des genialen Dichters christlichen Denkens, an dessen Schritte die Straßen unweit dieses Theaters ein unvergängliches Andenken bewahren. Sowohl auf seinem Weg der Rückkehr zum Glauben wie in seinen literarischen Werken verkündete Manzoni ein für alle Zeiten gültiges Grundprinzip der Theologie und der Kunst: Die Wahrheit des katholischen Glaubens läßt sich nicht von der sittlichen Verpflichtung trennen. Gott und der Mensch lassen sich nicht trennen: Zwischen ihnen besteht weder Zwietracht noch Kampf, sondern nur Verbundenheit und Liebe. Diese Grundsätze verfocht er in den Bemerkungen zur katholischen Moral und machte sie in der Handlung der Promessi Sposi deutlich: der dem Leben entnommenen Geschichte der einfachen Leute, der Geschichte eines geplagten und gedemütigten Volkes, über dem jedoch die Vorsehung Gottes wacht, „der niemals die Freude seiner Kinder stört, außer um ihnen dadurch eine noch gewissere und noch größere Freude zu bereiten“ (Kap. VIII). Ein Buch der Dichtkunst, der Wahrheit, des Trostes, das zum Gesamterbe der Menschheit gehört. 3. Diese beiden Namen, an die ich hier erinnern wollte, scheinen mir wohl würdig, daß sie euch, Künstler, Schriftsteller, Forscher, die ihr euch hier als hohe Vertreter der lombardischen Kultur eingefunden habt, nicht nur als Vorbilder hingestellt, sondern, ich würde sagen, euch an die Seite gestellt werden. Ihr habt eine große Vergangenheit, die sich in den reichen Bibliotheken, in den akademischen Zentren und eben auch in diesem Theater kundtut. Aber es gibt auch eine Gegenwart, zu der ihr mit euren literarischen, malerischen oder musikalischen Werken gehört, die Mitwirkenden wie die Urheber der Werke. Ihr verleiht mit eurer Arbeit dem „Leben des Geistes“ Leben. Was ist dieses Leben des Geistes? Es besteht in Freiheit, Forschung, Errungenschaft; es ist unzulässig, die Kultur sozusagen in einer Richtung zu beschlagnahmen, indem man vom Glauben überhaupt absieht oder ihn durch undefinierbare Surrogate ersetzt. Gerade in der Forschung will der 397 REISEN christliche Glaube allen nahe sein, dadurch, daß er die Gründe der Kultur und Kunst respektiert und die Wahrheit überall annimmt, wo sie sich findet, um zu helfen, sie in einem Licht zu verstehen und zu verstärken, das nicht bloß vom Verstand des Menschen herrührt. Jesus Christus war -wie wir im Prolog des Johannesevangeliums lesen (Joh 1,9)- „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“: Er war das wahre Licht der Welt (vgl. Joh 8, 12). Seid immer bereit, von ihm dieses höchste Licht zu empfangen, das ein Geschenk ist, das zu euren persönlichen Talenten hinzukommt, doch kein verschlossener und egoistischer Besitz sein darf, sondern vielmehr im missionarischen Sinn an alle weitergegeben und allen angeboten werden soll, die Hilfe erwarten. Das Jubiläumsjahr der Erlösung ruft in seinem Programm der Buße und der Erneuerung jeden auf, in brüderlicher Gesinnung mit allen sozialen Klassen zusammenzuwirken, um durch Überwindung jeglicher Versuchung zu Kampf und Gewalttätigkeit dem Leben seinen Angelpunkt der Hoffnung und Einheit wiederzugeben. Wie die Werke der leiblichen Barmherzigkeit, die die Pflicht aller sind, in Fürsorgeeinrichtungen, Spitälern und Vereinigungen ihren Ausdruck finden, so richte ich an euch, Künstler und Intellektuelle, die Bitte, hier, in einer Stadt so hoher Kultur, im Licht nicht nur des menschlichen, sondern auch und vor allem des christlichen Glaubens in reichem Maß die Werke der geistlichen Barmherzigkeit zu entfalten, die heute im Umfeld einer konsumorientierten Gesellschaft vielleicht noch nötiger sind als die erste-ren. Heute herrschen Zweifel, Traurigkeit und leider eine weitverbreitete moralische Krise. Heute braucht man Kraft, Erleuchtung, Hilfe. Heute gilt es, aufzubauen. Wir brauchen eine Ökologie des Geistes Und die Kultur- und Kunstwelt ist aufgerufen, den Menschen aufzubauen: ihn auf seinem Weg bei der oft schmerzlichen Suche nach dem Wahren, Guten und Schönen zu unterstützen. Kultur und Kunst bedeuten Einheit, nicht Zerstreuung; sie haben Bereicherung, nicht Verarmung zur Folge; sie sind leidenschaftliche, mitunter tragische Suche, aber am Ende auch eine großartige Synthese, in der die höchsten Werte des Daseins selbst in ihrem Kontext zwischen Licht und Dunkel, Gut und Böse - der mit aller Klarheit festgestellt werden muß und feststellbar ist - zur tiefen Erkenntnis des Menschen, zu seiner Besserung, nicht zu seiner Entwürdigung bestimmt sind. Eine Ökologie des Geistes im Dienste des Menschen 398 REISEN ist notwendig: jenes Menschen, von dem der große Ambrosius von Mailand sagt, er sei „das vortrefflichste Werk dieser Welt ..., gleichsam die Zusammenfassung des Universums und die höchste Schönheit der Geschöpfe der Welt“ (Exameron VI, 10, 75; PL XIV, 272). Bei dieser schwierigen, aber begeisternden Aufgabe werdet auch ihr gebraucht, liebe Künstler und Intellektuelle, meine Freunde: Seid präsent durch eure Kunst, durch das Ansehen und die Lehre eurer Kunst! Und möge auch euch die Perspektive des Evangeliums solidarisch finden, wie euch das Zweite Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, aufgefordert hat (vgl. Nr. 53—62, Botschaft des Konzils an die Künstler) und wie euch Paul VI., einst euer Erzbischof, in der denkwürdigen Ansprache an die Künstler in der Sixtinischen Kapelle vorgeschlagen hat (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, vol. II, 1964, S. 312-318). 4. Da ich nach Mailand gekommen bin, um am Eucharistischen Kongreß teilzunehmen, kann ich einen besonderen Hinweis auf dieses bedeutsame religiöse und kirchliche Ereignis nicht unterlassen, das mit seiner umfassenden Thematik für alle katholischen Gläubigen bestimmt ist und daher ebenfalls euch Künstler - und euch als Künstler - mit einbezieht. Ich sage einbeziehen im Sinne von interessieren und anziehen, weil das eucharisti-sche Geheimnis — „das Geheimnis des Glaubens“, wie wir in der Liturgie sagen - mit den intellektuellen Fähigkeiten des Geistes auch die Phantasie und das Herz dazu anregt, ein wenn noch so unzureichendes Bemühen um Verständnis, Bewunderung, Erleuchtung, Deutung zu vollbringen. Und tatsächlich hat dieses Geheimnis nicht selten die Arbeit von Architekten, Malern, Dichtern, Musikern inspiriert! Was sind die großen Kathedralen - zu denen euer Dom gehört — anderes als kostbare Schreine für die eucharistische Gegenwart? Und wie wollte man in diesem Gedenkjahr Raffaels nicht sein großartiges Fresko „La Disputa“ erwähnen, das man in den Raffael-Stanzen im Vatikan bewundern kann und das in der Tat die Verherrlichung des Allerheiligsten Sakramentes darstellt? Und wie könnte man das „Abendmahl“ Leonardos unerwähnt lassen, jenes Meisterwerk, auf das diese Stadt mit Recht stolz ist? An einem derartigen Bemühen teilzuhaben, seid also ihr auf gerufen, indem ihr entsprechend eurem besonderen Einfühlungsvermögen und der jeweiligen Kompetenz einen Beitrag leistet, in dem zugleich die Festigkeit des katholischen Glaubens und das Wesen eurer Kunst zum Ausdruck kommen sollen. „Jedes große Kunstwerk - so habe ich in der bereits genannten Begegnung mit der Welt der Scala gesagt - ist seiner Inspira- 399 REISEN tion und seinem Ursprung nach religiös“ (Ansprache vom 8. Februar 1979, in O.R. dt, Nr. 8/1979/S. 12). Mögen diese meine Worte, mit denen ich euch mein Herz geöffnet habe -ich bin mir bewußt, daß es besondere Verantwortlichkeiten gibt, die allen hier Anwesenden in verschiedener Weise zukommen —, euch immer in eurem persönlichen Leben wie auch in eurem Einsatz der Kommunikation, des Dienstes, ja als Beispiel und Zeugnis für die ganze Gemeinschaft der Brüder leiten. „Habt keine Angst vor Christus!“ Ansprache bei seiner Begegnung mit der Jugend in Monza am 21. Mai Liebe Jugend! 1. Diese unsere Begegnung, die von gegenseitiger Freude gekennzeichnet ist, findet im Rahmen des XX. Nationalen Eucharistischen Kongresses statt. Ich und ihr wollen heute zusammen mit Mailand und mit ganz Italien feierlich und öffentlich unseren Glauben an Christus verkünden, der im Sakrament der Eucharistie, der Quelle, dem Mittel- und Höhepunkt des gesamten Lebens der Kirche, zugegen ist! Und ich bin mitten unter euch, um zu euch über Christus zu sprechen, um euren Verstand, euer Wollen, eure Ideale mit seiner Person, mit seiner Botschaft, mit seinen Forderungen zu konfrontieren; um euch zu ermutigen, daß ihr eure Jugendjahre mit Begeisterung und Einsatz lebt, während ihr ihm nachfolgt, Jahre, die auf die Wirklichkeit der Zukunft ausgerichtet sind, die so aussehen wird, wie ihr sie jetzt schon Tag für Tag gestaltet und auf baut. Durch Jahrhunderte hindurch haben die Menschen, wenn sie Christus begegneten, die grundlegende Frage an ihn gerichtet, die sie heute noch an ihn richten: „Wer bist du? Woher kommst du?“ (vgl. Joh 19, 9). Die Antwort auf diese Frage hängt vor allem von der inneren Haltung der Bereitschaft und Offenheit des Fragestellers ab. Auch ihr in eurem schönen und stürmischen Lebensalter, in dem eure ganze persönliche Wirklichkeit — Leib, Empfindung, Wille, Verstand - blüht und reift, seid auf ständiger Suche, die auch immer wieder neues Entdecken ist, und begreift, daß eure Antwort im Positiven und im Negativen euer ganzes Dasein mit einbezieht. 400 REISEN 2. Habt keine Angst vor Christus! Das wiederhole ich heute für euch und für alle Jugendlichen! Er beraubt euch nicht eurer Identität; weder demütigt er noch erniedrigt er noch tötet er eure Vernunft ab; er unterdrückt eure Freiheit nicht! Er ist der Sohn Gottes, der für uns, unser Heil, das heißt, für unsere echte und volle Befreiung, Mensch geworden, gestorben und auf erstanden ist! Er, Gott, wollte tatsächlich einer von uns werden, unser Retter, unser Erlöser, unser Freund, unser Bruder; er hat sich auf unsere Alltagsprobleme und unsere täglichen Dramen eingelassen; er hat unsere Schwachheit, unsere Hinfälligkeit, unsere Endlichkeit kennengelernt, bis hin zur quälenden Erfahrung des Verrats durch die engsten Freunde und zum Todesschmerz. Als Inkarnation des unendlichen Erbarmens Gottes hat Christus seine Botschaft von der Wahrheit und der Hoffnung an die Menschheit gerichtet, hat Wunder vollbracht, die Vergebung der Sünden versichert, vor allem aber hat er sich in einer Geste unermeßlicher Liebe dem Vater als Sühneopfer für unsere Sünden ange-boten! Christus gegenüber, liebe Jugend, kann man nicht gleichgültig bleiben! Wir stehen hier nicht nur einem, wenn auch noch so berühmten Lehrer von Ideologien mit ethischem Hintergrund gegenüber, einem Mann mit besonderer religiöser Erfahrung, einem großen Propheten, einem privilegierten Menschen, in dem eine besondere moralische Präsenz Gottes vorhanden wäre. Persönlichkeiten dieser Art können uns bei unseren Geschichts- und Literaturstudien, bei unseren philosophischen oder religiösen Studien eine Zeitlang interessieren. Christus bezieht durch seine einzigartige menschliche und göttliche Wirklichkeit, durch die eine vom Vater empfangene Sendung unser ganzes menschliches Sein und Geschehen mit ein und erfaßt es, weil er der Mittelpunkt der Geschichte, der Erlöser des Menschen ist! Deshalb sage ich euch heute: Sucht objektiv, ehrlich und mutig Christus! Bemüht euch, ihn gründlich kennenzulernen; studiert ihn unablässig. Dieses euer beständiges Bemühen um persönliche und gemeinschaftliche Vertiefung des Christusereignisses erreicht oder wird mit göttlicher Gnade seinen Höhepunkt im Glauben erreichen, dem Geschenk Gottes und der persönlichen Antwort des Menschen. Diese Haltung des Glaubens an Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, bedeutet keine Verminderung eurer kulturellen Bedürfnisse, sondern eine echte Bereicherung und Erhebung eures Wissensdurstes und eures Verstandes, der sich für das Eindringen der göttlichen Offenbarung bereithält. 401 REISEN 3. Ich wende mich heute an euch mit den Worten des Apostels Johannes, an euch, „ihr jungen Männer, daß ihr stark seid, daß das Wort Gottes in euch bleibt und daß ihr den Bösen besiegt habt“ (vgl. 1 Joh 2, 14). Beweist die unbezwingbare Kraft eurer Jugend in der Freude und im Mut des christlichen Glaubens, jenes Glaubens, der den Sieg über die Mächte des Bösen bewirkt! Glaubt an Christus! Vertraut euch Christus an! Liebt Christus! Er ist Mensch geworden, um euren Verstand mit der Wahrheit zu erleuchten, die er selbst ist! Um eurem Willen die Kraft zu verleihen, das Gute zu tun und die Ketten der Knechtschaft der Sünde zu zersprengen! Um euch die erhebende Fähigkeit zu geben, euch an das Absolute, an den Unendlichen zu wenden und ihn mit entwaffnender Schlichtheit Abba, Vater, zu nennen. Dieser Glaube an Christus muß eine radikale innere Umwandlung bewirken, er muß zu einem neuen Leben werden: „In Christus leben!“ Dieses Leben in Christus, das von den Sakramenten, insbesondere denen der Versöhnung und der Eucharistie, beseelt und befruchtet wird, ist wie ein Leben als neue Menschen (vgl. Röm 6, 4). Eure Verbundenheit mit Christus, eure Gemeinschaft mit ihm muß auch in eine Gemeinschaft mit den anderen münden, sich in ihr konkretisieren. Euer Glaube muß zur Präsenz und zum Zeugnis in der Welt werden; das heißt, er muß in den verschiedenen Bereichen eures Alltags Ausdruck finden: Ihr müßt alle Dimensionen dieses Alltags als Christen leben: die familiäre, die kulturelle, die künstlerische, die soziopolitische, mit einem Wort, alle menschlichen Dimensionen! 4. Ihr Jugendlichen des Jahres 1983 seid die neue Generation, die die Verwirrung der letzten Jahre überwunden und beiseite gelassen hat. Die Zeit des Protestes ist vorbei: das gehört der Vergangenheit an. Ihr wollt-wie alle Jugendlichen — etwas Neues, Ungewohntes, Ursprüngliches, Jugendliches in die Gesellschaft einbringen; ihr wollt sie verwandeln, nicht an der Oberfläche, sondern in ihren Fundamenten. Das ist die „große Hoffnung“, die ihr jungen Leute, die ihr an Christus glaubt, auf euch nehmen müßt, indem ihr hochherzig euren Beitrag an Ideen, Initiativen, Vorschlägen, Zeit und Opfern leistet! Die Droge tötet die Jugend und ihre Ideale Helft mit, eure neue Gesellschaft zu bauen, in der das Leben des Menschen vom Augenblick der Empfängnis an und in allen folgenden Stadien 402 REISEN respektiert, gesichert und geschützt wird! Man höre das Stöhnen der vielen Unschuldigen, die vor der Geburt getötet wurden! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der nicht Kinder und Arme buchstäblich an Hunger sterben, während die reichen Nationen skandalöserweise die Reste ihrer üppigen Bankette wegwerfen! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der die öffentlichen Geldmittel nicht für den Rüstungswettlauf verwendet werden, sondern für den sozialen Fortschritt der Bürger, für ihr wirtschaftliches Wohlergehen, für ihre Gesundheit und für ihre schulische Ausbildung! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der ein wirklicher Pluralismus der Ideen und Meinungen zugelassen und respektiert wird, damit es nicht vorkommt, daß der, der die Macht in Händen hat, das Recht zu besitzen meint, alle, die sich nicht linientreu der Ideologie des Machthabers angeschlossen haben, verschwinden zu lassen oder heimlich zu beseitigen! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der ihre dauernde und geordnete Umwandlung nicht der Utopie des Terrorismus und der gewaltsamen Revolution überlassen wird; die Gewalt - in ihren psychischen und physischen Formen - verursacht nur Wunden, Tod, Trauer und Tränen. Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der eure jugendlichen Altersgenossen nicht gezwungen sind, in der Droge die Illusion des Glücks zu suchen; die Droge tötet die Jugend und ihre Ideale! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der auch diejenigen, die nicht nach den erbarmungslosen Gesetzen der heutigen konsumorientierten Wirtschaft produzieren oder verbrauchen können, geachtet und von Gesetzen geschützt werden, die der Würde der menschüchen Person angepaßt sind! Helft mit, eine neue Gesellschaft zu bauen, in der Gerechtigkeit, Wahrheit, Liebe, Solidarität und Dienst sichtbar verwirklicht werden! In einer Welt, die langsam der Versuchung zur Gleichgültigkeit, zum Nihilismus, zum theoretischen und praktischen Materialismus, zur Verzweiflung erliegt, sollt ihr Jugendlichen die christliche Hoffnung ohne Furcht, ohne Zögern verkünden, verwirklichen und bezeugen, während ihr in euren Herzen Christus, unseren Herrn, heilig haltet und verehrt und — wie der hl. Petrus empfiehlt — immer bereit seid, jedem, der euch nach dem Grund der Hoffnung fragt, die euch erfüllt, zu antworten (vgl. 1 Petr 3, 14 f.). Auf diese Weise wird euer Leben wirklich Gemeinschaft mit Christus und Gemeinschaft mit den Brüdern sein! 403 REISEN Meine Lieben! Eines der ersten Worte, die ich am Tag des feierlichen Beginns meines Pontifikats gesprochen habe, ist ein Wort des besonderen Vertrauens in die Jugend gewesen. Auch heute sage ich euch Jugendlichen von Monza, Mailand, der Lombardei, ja ganz Italiens: Ihr seid meine Hoffnung, die Hoffnung der Kirche, die Hoffnung der Gesellschaft! Ihr stärkt in der Kraft eures jugendlichen Glaubens die Hoffnung auf eine in Christus erneuerte Welt! Ich bin sicher, daß die allernächste Zukunft beweisen wird, daß ihr die Erwartungen, die heute in euch gesetzt werden, nicht enttäuscht! Habt Mut! Der Papst ist mit euch! Die Kirche ist mit euch! Christus ist mit euch! Am Geburtsort Papst Pius XI. Ansprache an die Bevölkerung von Desio am 21. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Während ich eurem Pfarrer herzlich für die an mich gerichteten Worte danke, will ich gleich meine große Freude darüber aussprechen, daß ich heute hier unter euch weilen kann: euch wollte ich nach Verlassen der Metropole Mailand als erste besuchen. Ich bin hierhergekommen, um das Andenken meines großen Vorgängers auf dem Stuhl Petri, Papst Pius XI., eures Achille Ratti, zu ehren. Mein Besuch gehört in den weiteren Rahmen der Pastoraireise nach Mailand wegen des Nationalen Eucharistischen Kongresses. Doch ich durfte nicht versäumen, mit der hochherzigen lombardischen Bevölkerung des Hinterlandes von Mailand Fühlung aufzunehmen, die wie die Bevölkerung der Hauptstadt auch von den Gaben der Arbeitsamkeit, Sachlichkeit des Unternehmungsgeistes und der Menschlichkeit gekennzeichnet ist, die von allen anerkannt und zugleich euer Stolz und eure Verpflichtung sind. Um so mehr mußte ich in die Stadt kommen, die Geburtsort eines großen Papstes gewesen ist. Daher begrüße ich euch alle von Herzen, liebe Bewohner von Desio, angefangen von den Autoritäten jedes Ranges und Grades, und danke euch für den festlichen Empfang, den ihr mir bereitet habt und den ich mit der Versicherung meiner Wertschätzung und meiner Liebe erwidere. In besonderer Weise gilt mein 404 REISEN Gruß dem hier anwesenden Kardinal Carlo Confalonieri, dem ehemaligen persönlichen Sekretär eures großen Landsmannes und jetzigen Dekan des Heiligen Kollegiums, der sicher besser als ich über Papst Ratti sprechen könnte. Pius XI., „ein polnischer Bischof“ 2. Wie gesagt bin ich vor allem im Namen Papst Pius XI. hierhergekommen. Und wie sollte ich nicht eine besondere Gemütsbewegung empfinden, wenn ich diesen Boden betrete, diesen Himmel bewundere, diese Atmosphäre einatme und vor allem unter diesen Menschen bin: alles Momente, die die Grundgegebenheiten der strengen und guten Ausbildung dieses großen Papstes bildeten, dem auch meine polnische Heimat nicht wenig zu Dank verpflichtet ist. Nachdem er das Amt des Apostolischen Nuntius im wiedererstandenen Polen abgelegt hatte, war er am Abend des 5. September 1921, wenige Tage vor seinem Einzug als neuer Erzbischof in Mailand, hier in Desio, wo er von der Kanzel dieser Pfarrkirche unter anderem sagte: „Mit bewegtem Herzen danke ich dem Herrn, der mich in seiner Güte in diese Kirche, an diesen Altar, an die Quelle meiner Taufe zurückführt, nach so vielen Geschehnissen, nach so vielen Gnaden, nach soviel Vorbereitung, Erbarmen und Güte“ (in: Pio XI nel trentesimo della morte. Raccolta di studi e memorie, Mailand 1969, S. 137). Er wurde hier in dieser Stadt am Pfingstfest, 31. Mai 1857, in einer bescheidenen Arbeiterfamilie geboren. An Achille Ratti fielen einige charakteristische Züge der Eigenart der Bevölkerung dieses Landstriches ins Auge: tiefe Religiosität, Sinn für Ausgeglichenheit und Sachlichkeit, fester und beharrlicher Wille. Er verstand es, die vom Ort und dem Volk seiner Herkunft ererbten Eigenschaften zusammen mit den Gaben und Tugenden, die er in zäher Anstrengung, Gebet und Studium während der Jahre im Seminar erworben hatte, in den Dienst einer immer größeren Welt zu stellen. Zunächst Vikar der Pfarrei Barni in Valassina, ging er dann zur Lehrtätigkeit am Seminar über. Im Jahr 1888 wurde er unter die Gelehrten der berühmten Biblioteca Ambrosiana aufgenommen, deren Präfekt er von 1907 bis 1914 war, bis Papst Benedikt XV. ihn zunächst zum Präfekten der Vatikanischen Bibliothek und dann, 1918, zum Apostolischen Visitator in dem noch zwischen dem Zarenreich und den Mittelmächten aufgeteilten Polen ernannte. Nachdem Polen seine Unabhängigkeit erhalten hatte, wurde er 1919 schließlich zum Apostolischen Nuntius ernannt und emp- 405 REISEN fing in Warschau die Bischofsweihe, so daß er sich später gern „einen polnischen Bischof“ nannte (vgl. Op. cit., S. 189). Zeichen seiner großen Liebe zu Polen ist unter vielen anderen auch das Bild der Mutter Gottes von Tschenstochau, das Pius XI. in der Kapelle der Päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo anbringen ließ und vor dem auch in unseren Tagen der Papst immer wieder im Gebet kniend verharrt. 3. Vor allem im römischen Pontifikat hatte er Gelegenheit, die kostbaren Natur- und Gnadengaben, mit denen ihn der Herr ausgestattet hatte, in entscheidender Weise Frucht bringen zu lassen: tiefer Gebetsgeist, leidenschaftliche Liebe zu Christus und der Kirche, fester Glaube an die Vorsehung, Liebe zu den Studien und hervorragende Bildung, eine ausgeprägte Persönlichkeit von nachdenklichem Wesen und willensstarkem Charakter machten ihn zu einem Menschen und Hirten von außerordentlicher Vollkommenheit. Nach seiner Erhebung auf den Stuhl Petri am 6. Februar 1922 entfaltete er bis zu seinem am 10. Februar 1939 erfolgten Tod eine vielfältige Tätigkeit, die eine tiefe Spur in der Kirche hinterlassen hat, während sie sich gleichzeitig in verschiedenster Weise auf die Gesellschaft auswirkte. Sein Pontifikat fiel in eine sehr bedrängte Zeit der Geschichte, als die Welt und besonders Europa noch unter den Folgen des Ersten Weltkrieges daniederlagen, sich jedoch bereits auf dramatische Weise der entsetzlichen Katastrophe eines neuen Konfliktes näherten. So schrieb Kardinal Confalonieri: „In einer Zeit wie jener (. . .), bei der allgemeinen Ohnmacht und Verwirrung der Edelsten wie beim nachgiebigen Ertragen durch die Massen, war seine Stimme nahezu immer die einzige, die sich jeden Tag frei und stark zur Verteidigung der verletzten Rechte erhob, die von den einen gefürchtet, von den anderen als einzige Gewähr zum Überleben und gültige Hoffnung auf bessere Zeiten erwartet wurde“ {Op. cit., SS. 23 f.). Es ist mir heute nicht möglich, sämtliche Bereiche des katholischen und gesellschaftlichen Lebens im einzelnen aufzuzählen, denen gegenüber er klar und fest Stellung bezogen hat. Auf einige Hinweise kann: man freilich nicht verzichten: Ich meine vor allem jene Stellungnahmen, die seine Zeit in höchstem Maße gekennzeichnet haben und noch in unseren Augen groß machen. 4. So ist die Tatsache erwähnenswert, daß er bereits in seiner ersten Enzyklika Ubi arcano vom 23. Dezember 1922 angesichts des Ausbruchs der Übel der Zeit einen bedachten Appell an die katholischen Laien 406 REISEN richtete, wobei er ihnen die Funktion zuerkannte, die ihnen in der Kirche für die Mitarbeit am Apostolat der Bischöfe obliegt. Diese Öffnung sollte Pius XI. den Beinamen „Papst der Katholischen Aktion“ einbringen, die er vor allem in Italien gegen die Einmischungen und Übergriffe des damaligen politischen Regimes verteidigen mußte. Mit der Enzyklika Miserentissimus Redemptor vom 8. Mai 1928 gab er der Herz-Jesu-Verehrung einen starken Anstoß, indem er an den Vorrang der Erlöserliebe Gottes erinnerte, der gegenüber der Christ ganz und gar Schuldner ist. Im übrigen hatte er bereits in der Enzyklika Quas primas vom 11. Dezember 1925 die milde und universale Souveränität Christi, des Königs, unterstrichen, dessen jährliches Fest er einführte, das im neuen liturgischen Kalender, wenn auch an anderem Datum, noch immer gefeiert wird. Die Enzyklika Divini illius magistri vom 31. Dezember 1929 machte das Recht auf die Erziehung der Jugend durch die Familie und die Kirche gegen jedes staatliche Monopol geltend. Ein besonderer Platz in dieser Erwähnung der päpstlichen Dokumente Pius XI. gebührt der Enzyklika Casti connubii vom 31. Dezember 1930, die dem Thema Ehe und Familie gewidmet ist. Es war eine sehr energische Stellungnahme nicht nur gegen die Schäden der Ehescheidung, der Abtreibung, der empfängnisverhütenden Methoden, der sogenannten Ehen „auf Probe“, sondern vor allem zugunsten des natürlichen Adels und der christlichen Heiligkeit der ehelichen Liebe und der Institution der Familie. Auch heute erhebt, wie Pius XI. damals schrieb, „die katholische Kirche, die sich inmitten dieses moralischen Verfalls befindet, laut ihre Stimme“ zugunsten einer Familie, die immer mehr zum Ort echten menschlichen und christlichen Reifens werden soll. Eine besondere Sorge widmete er auch dem Problem der Mission, wobei es ihm darum ging, daß sie in zunehmendem Maße von den Kolonialmächten gelöst würden; er förderte vor allem die Ausbildung des einheimischen Klerus, und das mit großen prophetischen Handlungen, wie der Weihe .der ersten sechs chinesischen Bischöfe in Sankt Peter im Jahre 1926 und der Ernennung der ersten beiden afrikanischen Bischöfe für Uganda und Madagaskar im Jahr 1939. Auch auf sozialem und politischem Gebiet ließ Pius XI. laut seine Stimme vernehmen. Die Enzyklika Quadragesimo anno vom 15. Mai 1931 zum Gedenken an die berühmte Enzyklika Rerum novarum Leo XIII. umriß in großen Zügen eine Sozialreform, die sich auf die enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern jedes Berufes stützte und die Auswüchse sowohl des Kapitalismus wie des Sozialismus verurteilte. 407 REISEN Bei dem Versöhnungswerk des Hl. Stuhls mit dem italienischen Staat wie auch bei den das Konkordat betreffenden Initiativen seiner Pontifikatsjahre ging es ihm allein um die Freiheit der Kirche, ihre apostolische Sendung und das Wohl der Seelen. Er war sich zutiefst dessen bewußt, daß die Einigkeit zwischen Kirche und Staat, zwei getrennten und so verschiedenen souveränen Mächten, immer entwicklungsfähig ist und zu jenem Frieden ausgebaut werden kann, der ständig das Ziel seiner Gedanken war, wie es schon als Programm in seinem Bischofsspruch stand: „Pax Christi in Regno Christi“ (Der Friede Christi im Reich Christi). Daher widersetzte er sich immer mit Mut und unbeugsamer Festigkeit, die für ihn charakteristisch waren, den Übergriffen der totalitären Regime der Zeit und den zugehörigen treibenden Ideologien. Es sollte genügen, an die Enzyklika des Jahres 1931, Non abbiamo bisogno, zu erinnern, die sich auf die italienische Politik dieser Zeit bezieht, und dann an die Enzyklika Mit brennender Sorge von 1937, in der er die nazistische Ideologie energisch anklagte, und an Divini Redemptoris, in der er seine Stimme gegen den atheistischen Materialismus erhob. Allzeit gültige Werte 5. Liebe Brüder und Schwestern! Das sind nur einige charakteristische Züge der Persönlichkeit Papst Pius XI., deren Wurzeln aus den sittlichen Tugenden und dem christlichen Glauben der Bevölkerung von Desio stammen. Und ich möchte euch hier auffordern und ermutigen, mit immer ernsterem Einsatz eben diese Werte der Integrität, der moralischen Disziplin, des Pflichtbewußtseins und noch mehr der unerschütterlichen Anhänglichkeit an Jesus Christus, der hochherzigen Teilnahme am Leben der Kirche und eines entschiedenen evangelischen Zeugnisses in der Gesellschaft zu pflegen. Das sind Prinzipien, die auch im Wechsel der geschichtlichen Situation niemals untergehen. Die gesellschaftlich-kulturellen Bedingungen, in denen ihr heute leben müßt, erfordern von euch einen erneuten Einsatz, um den christlichen Glauben und die Werte des Evangeliums in der industriellen und Arbeiterwelt, die sie kennzeichnet, zum Leuchten zu bringen. Seid sowohl im persönlichen Bereich des einzelnen wie in Familie und Pfarrei frohe, überzeugte und hochherzige Zeugen. Ansporn und Hilfe bei diesen Idealen und Vorsätzen möge euch dieses Heilige Jahr sein, das gleichsam als Fortführung jenes außerordentlichen Heiligen Jahres anzusehen ist, das bereits von Pius XI. 1933 angekündigt 408 REISEN und gefeiert wurde, um des Jubiläumsjahres der Erlösung, also des Todes und der Auferstehung Christi, zu gedenken. Ich erhoffe vom Herrn alles Gute für euch, vor allem für die, die in irgendeiner Weise in Schwierigkeiten sind, für die Leidenden, für die Jugend, für alle, die nach einem Arbeitsplatz suchen oder auf der Suche nach einem absoluten Sinn des Lebens sind. Ich versichere euch meines Gedenkens im Gebet und erteile euch von ganzem Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen, der für euch und für eure Familien die reichen, fruchtbaren himmlischen Gnaden erwirken möge. Sich für die ganze Wahrheit offenhalten! Ansprache an die Studenten und Professoren der Katholischen Universität Sacro Cuore in Mailand am Pfingstsonntag, 22. Mai 1. Ihnen, Herr Rektor der Katholischen Universität Sacro Cuore, den Rektoren der anderen Universitäten, die bei diesem Treffen zugegen sein wollten, und den lieben Professoren der Kollegien dieser und anderer Universitäten gilt mein geziemender und herzlicher Gruß! Und mit dem Gruß gebe ich meinem aufrichtigen Dank Ausdruck für die Herzlichkeit dieses Empfanges, der in meinem Herzen lebhafte Bewegung ausgelöst hat, verstärkt durch die Worte, in denen die gemeinsamen Gefühle verdeutlicht wurden. Der Besuch der Zentren der höheren Studien im Verlauf meiner Pastoraireisen ist eine Gewohnheit, der ich mich besonders verbunden fühle. Er bietet mir Gelegenheit, das Gespräch mit der Universitätswelt wieder aufzunehmen und zu vertiefen, das ich vor vielen Jahren begonnen und seitdem nicht mehr unterbrochen habe. Die heutige Begegnung findet im Rahmen des Nationalen Eucharistischen Kongresses statt; ein einmalig günstiger Rahmen zum Nachdenken. Dem, der dem Glauben fernsteht, kann die Eucharistie als ein vom Leben losgelöster Ritus oder sogar als eine Form „entfremdender“ Flucht erscheinen; für den Glaubenden aber stellt sie sich als der Mittelpunkt des gesamten menschlichen Tuns dar, weil in ihr Christus gegenwärtig ist, der in der Kirche sein Opfer für das Heil des Menschen „erneuert“. Und er erneuert es unter der Verwendung von Brot und Wein, den Früchten der 409 REISEN Erde und der menschlichen Arbeit, in denen gewissermaßen das ganze Universum vereint ist und zum Ausdruck kommt. Die Teilnehmer an der Eucharistie entdecken daher im toten und auferstandenen Herrn Jesus die letzte Bedeutung und den höchsten Ursprung jeder echt menschlichen Äußerung, ebenso wie sie in ihm den entscheidenden Grund für die Verpflichtung zum Dienst am Menschen im Hinblick auf das Kommen des Reiches finden. 2. Dienst am Menschen: ist das nicht das Ziel jeder richtig verstandenen Hochschularbeit? Die Verpflichtung zur Lehrtätigkeit, der Dialog mit den Studenten, die eine Vertiefung wünschen, die ihnen gebotene Anleitung bei der persönlichen Annäherung an die Hilfsmittel der Forschung -worauf zielen sie ab, wenn nicht auf die Förderung der menschlichen Reifung der jungen Generationen, die am Horizont der Geschichte auf-steigen? Und welches andere Ziel sollte die ungeheure Anstrengung von Studium und Forschung, die in den verschiedenen, über die Welt verstreuten Hochschulzentren entfaltet wird, haben, wenn nicht den, dem Menschen durch den Fortschritt in der Wahrheitserkenntnis zu erlauben, sich immer vollkommener selbst zu verwirklichen im Rahmen einer dynamischen und aufbauenden Beziehung zur gesamten Schöpfung, in der sich sein irdisches Dasein abspielt? War das vielleicht nicht die Überzeugung, die den Menschen seit den Anfängen der Geschichte und dann weiter im Laufe der Jahrhunderte dazu getrieben hat, seine Pfade, die nicht selten steil und abschüssig emporklettern, entlang der Abhängigkeit jenes faszinierenden Berges vorzurücken, der Wahrheit heißt und dessen Gipfel in den leuchtenden Schleier des Geheimnisses Gottes selbst getaucht ist? Es ist kein leichter Weg gewesen, auf dem der Mensch selber den manchmal sehr hohen Preis bezahlen mußte. Aber nichts hat ihn je abzuhalten vermocht, weil er ahnte, daß bei der Suche nach der Wahrheit seine eigene Würde als denkendes Wesen auf dem Spiel stand. „Ein Leben ohne Forschung verdient gar nicht gelebt zu werden“, läßt Platon den Sokrates in seiner Verteidigungsrede ganz richtig sagen (Apologie, 38a). In der Entdeckung der Wahrheit verwirklicht sich der Mensch selbst. Das also ist das wesentliche Ziel jeder Bemühung, die der Erkenntnis neuer Aspekte der Wahrheit in den verschiedenen Wissensbereichen gewidmet ist. Der Mensch, sehr geehrte Herren, ist das Ziel Ihrer Arbeit als Kulturschaffende. Und es gilt, nicht müde zu werden, dieses Endziel jeder intellektuellen Bemühung im Auge zu haben, da nämlich die - leider nicht 410 REISEN nur hypothetische — Gefahr besteht, daß die Ausrichtung auf ein so edles Ziel auf dem Weg verlorengeht oder zumindest, daß andere die Früchte Ihrer Forschung für Zwecke gebrauchen, die mit dem wahren Wohl des Menschen nichts mehr zu tun haben. Wenn es tatsächlich stimmt, daß „die Zukunft des Menschen von der Kultur abhängt“, wie ich vor nunmehr drei Jahren in meiner Ansprache vor der Versammlung der UNESCO ausführen konnte (Nr. 23; AAS 72, 1980; in: Wort und Weisung, 1980, S. 239), dann stimmt es ebenso auch, daß von unklugen kulturellen Auflagen oder von unbedachten Entwicklungen der wissenschaftlichen Forschung auch die ernstesten Bedrohungen herrühren, die der Zukunft der Welt bevorstehen können. Der moderne Mensch, der sich dessen bewußt ist, lebt in Angst, weil er fürchtet, daß gerade jene Forschungsergebnisse, die „ein beträchtliches Maß an Genialität und schöpferischer Kraft enthalten, sich in radikaler Weise gegen ihn selbst kehren könnten“ (Redemptor hominis, Nr. 15). 3. Das Forschungsbemühen ständig auf das wahre Wohl des Menschen auszurichten, ist eine Aufgabe, bei der Sie aber nicht allein stehen. Die Kirche, verehrte Herren, steht an Ihrer Seite. Sie verfügt - nicht durch eigenes Verdienst, sondern durch das Licht, das ihr von ihrem Stifter zukommt — über eine besonders tiefe Kenntnis des Wesens Mensch, seiner Natur, seiner Erwartungen, seiner endgültigen Bestimmung. Nun, diese in ihrer zweitausendjährigen Geschichte reichlich erprobte Erkenntnis bietet Ihnen die Kirche im Geiste loyaler und respektvoller Zusammenarbeit an, damit Sie aus ihr schöpfen können in Augenblicken, in denen Ratlosigkeit oder Zweifel Schatten auf den Weg Ihres täglichen geistigen Bemühens werfen sollten. Die hohe Würde der menschlichen Person,, die aufgrund ihrer geistigen Natur über das ganze sichtbare Universum gestellt ist, und die höchste Berufung, die Gottes Liebe ihr dadurch erschlossen hat, daß er sie zur Teilnahme an seinem eigenen Leben berief, sind die große Neuheit des christlichen Wortes. Das hatte der heilige Augustinus voll erkannt, als er sagte, erst das Christentum habe die Ungewißheit und die Fragen der heidnischen, insbesondere der griechisch-römischen Kultur bezüglich der wahren Identität des Menschen gelöst. Es ist das Verdienst der christlichen Offenbarung, daß sie den Menschen aus dem unerbittlichen Räderwerk der ewigen Rückkehr der Welten befreit hat, in die er wie verstrickt und gefangen war, wehrlose Zielscheibe des Kosmos und des Schicksals, gleichsam ein ohnmächtiger Sklave eines unerbittlichen Schicksals, das ihn zwang, nacheinander, von Zeitalter zu 411 REISEN Zeitalter, dieselben Nöte, dieselben Schmerzen, dieselben Ängste erneut zu erleben. Dank der biblischen Auffassung vom Menschen als „Bild Gottes“, dank der Menschwerdung und Auferstehung Christi wurde der Mensch nicht nur in schwindelerregende Höhen gehoben, sondern er ist ein für allemal befreit und Subjekt und Herr der Welt geworden: nicht mehr schutzloses und verhöhntes Opfer ihm überlegener, blinder Mächte, sondern Urheber und Hauptfigur seines Werdens und seiner Geschichte. Dank des Kommens Christi und seines Erlösungswerkes „sind jene Kreisläufe bereits verworfen worden“, ruft der heilige Augustinus aus {De civitate Dei, XII. 20). Mit der Verkündigung der Frohbotschaft des Evangeliums ist das Werden des Kosmos und der Geschichte endgültig in den Dienst des Menschen gestellt worden. In jedem Menschen das Antlitz Christi sehen Kraft dieser Offenbarung hat die Kirche immer - und wird niemals müde werden, das zu tun - die Unverletzlichkeit der menschlichen Person, jeder menschlichen Person, verkündet, weil sie in jedem Menschen das Antlitz Christi selbst leuchten sieht: „Denn er, der Sohn Gottes - heißt es in der Konzilskonstitution Gaudium et spes -, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Nr. 22). Dieses Thema ist einer der beherrschenden Leitgedanken meiner Pasto-ralarbeit. Deshalb habe ich die Enzyklika Redemptor hominis nicht nur an die Christen, sondern an alle Menschen guten Willens gerichtet, um zu verkünden, daß der Mensch „der erste und grundlegende Weg der Kirche ist“ (Nr. 14), die mit Achtung und Verehrung auf jeden Menschen blickt, abgesehen von seiner aktuellen Zugehörigkeit zu einer sichtbaren Struktur, denn sie sieht ihn mit der Aureole der Würde eines unsterblichen Geistes, als „lebendiges Bild Gottes“, das von Gott in seinem eingeborenen Sohn, dessen Bruder zu sein der Mensch berufen ist, unermeßlich geliebt wird. 4. Im Dienst am Menschen durch die Suche nach der Wahrheit stellt sich die Kirche also an die Seite aller, die in der Universität arbeiten, indem sie ihre Zusammenarbeit im Geist eines freimütigen und offenen Dialogs anbietet. Das ist ein Dialog und eine Zusammenarbeit, die durch das Gute der einen wie der anderen Seite intensiver sein sollen, weil das Menschliche und das Christliche eng miteinander verbunden sind. Alles, was zum wahrhaft Menschlichen im Gegensatz steht, widerspricht auch dem 412 REISEN Christlichen. Und umgekehrt verhindert eine verzerrte Art des Verständnisses und der Verwirklichung der christlichen Werte auch die Entwicklung der menschlichen Werte in ihrer ganzen Fülle. Nichts wahrhaft Menschliches ist dem Christentum verschlossen; nichts wahrhaft Christliches beeinträchtigt das Menschliche. Die echte menschliche Weisheit findet in der christlichen Botschaft Bereicherung, Entfaltung und volle Klarheit. Über die Beziehung zwischen Glaube und Vernunft ist viel gesagt und geschrieben worden, seit Augustinus die Kriterien für ihre fruchtbare Begegnung mit der zu Recht berühmten Mahnung festgelegt hat: „Intellege ut credas, crede ut intellegas“ (Verstehe, damit du glaubst; glaube, damit du verstehst) (Sermo 43, 9). Mir genügt es, hier zu betonen, daß die Notwendigkeit einer solchen Begegnung in den Augen des Glaubenden in der grundlegenden Wahrheit des Christentums hegt: die in der Einheit der Person des menschgewordenen Wortes die Fülle des menschlichen und die Fülle des göttlichen Seins erkennt, die so miteinander verbunden sind, daß zwischen ihnen nicht nur vollkommene Harmonie in der Unterscheidung besteht, sondern auch vollkommene Ausweitung des Menschlichen im Göttlichen gegeben ist, bis Christus zum höchsten Ideal für jeden Menschen wird. Man begreift nun, warum die Kirche, außer daß sie den Kulturschaffenden ihre Zusammenarbeit anbietet, das Verlangen verspürt, ihren Willen zum Dialog mit der Vernunft dadurch zu bezeugen, daß sie ihre eigenen Universitäten errichtete, wo sozusagen in institutioneher Form das menschliche Forschungsbemühen keineswegs in seiner legitimen Freiheit eingeschränkt, sondern vielmehr von der klaren Sicht der letzten Ziele her, wie sie vom Glauben geboten wird, angetrieben und unterstützt werden sollte. Mit solchen Absichten ist vor nunmehr über sechzig Jahren auch die Katholische Universität Sacro Cuore errichtet worden. Nachdem bekanntlich zahlreiche Männer des Kulturlebens, wie der selige Contardo Ferrini, Giulio Salvadori und Vico Necchi, den Wunsch danach ausgesprochen hatten, wurde sie 1921 von P. Agostino Gemelli als Krönung eines fünfzigjährigen Traumes der italienischen Katholiken gegründet. Papst Pius XI., der sie noch als Erzbischof von Mailand einweihte, blieb immer ihr starker und weiser Patron und unterstützte und ermutigte sie bei ihren ersten nicht leichten Schritten. Die Päpste, die ihm folgten, erbten dieselben Gefühle der Zuneigung und des Vertrauens und förderten die Entwicklung der Einrichtung, die sich inzwischen auf verschiedene Teile Italiens ausgeweitet hat. Ich selbst habe 413 REISEN bei verschiedenen Anlässen die Erwartungen und Hoffnungen der italienischen Kirche zum Ausdruck gebracht, die in der Katholischen Universität Sacro Cuore den bevorzugten Ort der Verschmelzung zwischen den verschiedenen Formen und Stufen des Wissens zu der höheren Einheit der Weisheit sieht, die aus der christlichen Offenbarung fließt. 5. Es handelt sich um Erwartungen und Hoffnungen, die unmittelbar alle auf den Plan rufen, die Verantwortung für Leitung, Lehre und Ausbildung in diesem berühmten Zentrum der höheren Studien innehaben. Eine Katholische Universität als Struktur für Forschung und Lehre auf höchstem Niveau im Lichte des Glaubens stellt eine offizielle und ständige Präsenz der Kirche in der Kulturwelt. Als solche muß sie sich nicht nur als Beispiel der Übereinstimmung von Glaube und Vernunft darstellen, sondern darüber hinaus als Vorbild dafür, daß ein echter, gefestigter und lebendiger Glaube die Kulturen, an die er sich anlehnt, positiv zu würdigen, ihre von Christus herleitbaren Aspekte menschlichen Wertes zu erfassen und sogar neue Kulturen hervorzurufen vermag, die das im Christlichen eingeschlossene Menschliche in das Konkrete umsetzen. Dank des großzügigen Einsatzes und Bemühens aller in der Universität tätigen Kräfte und im ständigen Dialog mit den im Lande verbreiteten Kräften wird man die Schaffung einer starken katholischen Volkskultur erreichen, in der ohne weiteres die italienische Nation in ihrer erneuerten Tradition und in ihren authentischen Werten immer besser zu erkennen ist. Diesem Zweck wird auch der Kontakt mit den anderen Hochschulen und Zentren der Kulturarbeit dienen, mit denen die Universität in dauernder und fruchtbarer Beziehung stehen muß, ohne jedoch zuzulassen, daß die ihr eigene evangelische Wurzel und die ihr eigene kirchliche Stellung verschleiert werden oder verloren gehen. Denn in dieser Wurzel und in dieser Stellung liegt ja der Antrieb der Fähigkeit, die ihr eigen sein muß, offenzubleiben für die ganze Wahrheit, ja, auf diese Wahrheit hinzuwachsen. 6. Sich für die ganze Wahrheit offenhalten! Das ist der edle Anreiz, der Sie vereint, Männer der Forschung auf den verschiedenen Gebieten des Wissens! Mein letztes Wort bei dieser Begegnung, die für mich Grund zu besonders tiefer Freude war, ist eine Aufforderung zum Vertrauen und zur Hoffnung: Ihr seid die Wachposten der Menschheit, die auf den Pfaden der Geschichte unterwegs ist. Euch obliegt die Aufgabe, die Wege zu erkunden, auf denen euch morgen die anderen folgen werden. Laßt euch durch Schwierigkeiten nicht entmutigen, durch Unverständnis nicht ablenken, durch Mißerfolge nicht aufhalten. 414 REISEN Sucht und forscht weiter, ohne je auf die Wahrheit zu verzichten, ohne je an der Wahrheit zu verzweifeln. In dem Maße, in dem euer Bemühen ehrlich und aufrichtig ist, wird es Gott leiten und zum sicheren Erfolg führen. An ihn richte ich in diesem Augenblick mein Gebet, damit euch viel Licht und Hilfe zuteil werde und euer Bemühen gestärkt wird durch die Freude, die der Entdeckung eines neuen Funkens jener ewigen Flamme der Wahrheit entspringt, die in ihm ihre unerschöpfliche Quelle hat. Diese Wünsche begleite ich mit meinem herzlichen Segen, der ein Unterpfand reicher himmlischer Gnaden für euch, eure akademische Arbeit, eure Studenten und all eure Lieben sein soll. ,,Im Abendmahlssaal unseres Glaubens“ Predigt bei dem feierlichen Schlußgottesdienst des XX. Italienischen Eucharistischen Kongresses in Mailand am Pfingstsonntag, 22. Mai 1. „Sende aus deinen Geist, o Herr, und das Gesicht der Erde wird neu!“ So ruft die Kirche in der Liturgie des Pfingstfestes. So ruft die Kirche in Mailand, die Kirche, die eifersüchtig das Erbe des hl. Ambrosius hütet, das Erbe des hl. Karl und so vieler Generationen des Gottesvolkes, das um seine großen Bischöfe versammelt war. Sende aus deinen Geist, o Herr, und das Gesicht der Erde wird neu! So ruft heute die Kirche in ganz Italien, die hier zusammengekommen ist, um ihren Eucharistischen Kongreß zu feiern. Mit diesem heiligen Meßopfer am Pfingstfest findet jetzt der XX. Nationale Eucharistische Kongreß Italiens seinen Abschluß. Ich danke Gott, dem Allmächtigen, für die Freude, als Bischof von Rom mit euch, ehrwürdige und liebe Brüder und Schwestern, zum Abschluß des Kongresses diesen Akt des Lobpreises und der Anbetung der Heiligsten Dreifaltigkeit: des Vaters, des Sohnes und des Heiligsten Geistes, vollziehen zu können. 2. Mächtig ist der Pfingstgeist. Er erhöht in der Kraft des Heiligen Geistes die Erde und die ganze geschaffene Welt zu Gott, durch den alles, was existiert, da ist. Darum singen wir mit dem Psalmisten: „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Die Erde ist voll von deinen Geschöpfen“ (Ps 104, 24). 415 REISEN Betrachten wir den Erdkreis, umfangen wir die Unermeßlichkeit der Schöpfung und fahren wir fort, mit dem Psalmisten zu verkünden: „Nimmst du ihnen den Atem, so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde. Sendest du deinen Geist aus, so werden sie alle erschaffen, und du erneuerst das Antlitz der Erde“ (Ps 104, 29-30). Bekennen wir uns im Schöpfungswerk zur Macht des Geistes: Die sichtbare Welt hat ihren Ursprung in der unsichtbaren Weisheit, Allmacht und Liebe. Und darum wollen wir zu den Geschöpfen mit den Worten sprechen, die sie am Anfang von ihrem Schöpfer vernommen haben, als er sah, daß sein Werk „gut“ , „sehr gut“, war. Und darum singen wir: „Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, wie groß bist du! . . . Ewig währe die Herrlichkeit des Herrn; der Herr freue sich seiner Werke“ (Ps 104, 1.31). 3. In dem großen, unermeßlichen Tempel der Schöpfung wollen wir heute die Geburt der Kirche festlich begehen. Und darum wiederholen wir: „Sende aus deinen Geist, o Herr, und das Gesicht der Erde wird neu!“ Und wir wiederholen diese Worte, während wir uns im Abendmahlssaal des Pfingstfestes einfinden: Dort ist in der Tat der Heilige Geist auf die Apostel und die Mutter Christi, die versammelt waren, herabgekommen, und dort ist die Kirche entstanden, um der Erneuerung des Antlitzes der Erde zu dienen. Zugleich wählen wir von allen Dingen, die Werk der menschlichen Hände wurden, das Brot und den Wein. Wir bringen sie zum Altar. Denn die am Pfingsttag aus der Macht des Heiligen Geistes geborene Kirche wird ständig aus der Eucharistie geboren, in der das Brot und der Wein zum Leib und Blut des Erlösers werden. Und auch das geschieht durch die Kraft des Heiligen Geistes. 4. Wir befinden uns im Abendmahlssaal in Jerusalem am Pfingsttag. Aber gleichzeitig führt uns die Liturgie dieses Festes in denselben Abendmahlssaal „am Abend des Tages der Auferstehung“. Da nämlich trat Jesus, obwohl die Türen verschlossen waren, unter die hier noch voller Furcht versammelten Jünger. Nachdem er ihnen zum Beweis dafür, daß er wirklich der sei, der gekreuzigt wurde, seine Hände und seine Seite gezeigt hatte, sprach er zu ihnen: „Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sprach zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie 416 REISEN vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 21-23). So hatten also am Abend des Auferstehungstages die in der Stille des Abendmahlssaales eingeschlossenen Jünger denselben Heiligen Geist empfangen, der fünfzig Tage später auf sie herabkam, damit sie, von seiner Macht inspiriert, zu Zeugen der Geburt der Kirche würden: „Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12, 3). Am Abend des Auferstehungstages bekannten die Apostel durch die Macht des Heiligen Geistes aus ganzem Herzen: „Jesus ist der Herr“; und das ist dieselbe Wahrheit, die sie seit dem Pfingsttag dem ganzen Volk verkündet haben bis zur Vergießung ihres Blutes. 5. Als die Apostel mit dem Herzen glaubten und bekannten, daß „Jesus der Herr ist“, hat die Macht des Heiligen Geistes ihnen die Eucharistie - den Leib und das Blut des Herrn - übergeben; jene Eucharistie, die ihnen Christus in demselben Abendmahlssaal während des letzten Abendmahles unmittelbar vor seinem Leiden anvertraut hatte. Damals sagte er, als er ihnen das Brot reichte: „Nehmt und eßt alle davon: das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.“ Und danach reichte er ihnen den Weinkelch und sprach: „Nehmt und trinkt alle daraus, das ist der Kelch meines Blutes für den neuen und ewigen Bund, vergossen für euch und für alle zur Vergebung der Sünden.“ Und nach diesen Worten fügte er hinzu: „Tut das zu meinem Gedächtnis.“ Als der Karfreitag und dann der Karsamstag kam, erfüllten sich die geheimnisvollen Worte des letzten Abendmahls durch die Passion Christi. Seht, sein Leib war hingegeben worden. Seht, sein Blut war vergossen worden. Und als am Osterabend der auferstandene Christus inmitten der Apostel stand, schlugen ihre Herzen unter dem Anhauch des Heiligen Geistes in einem neuen Glaubensrhythmus. Seht, vor ihnen steht der Auf erstandene! Seht, Jesus ist der Herr. Seht, Jesus, der Herr, hat ihnen seinen Leib als Brot und sein Blut als Wein gereicht „zur Vergebung der Sünden“. Er hat ihnen die Eucharistie gegeben. Jetzt sagt der Auf erstandene: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Er sendet sie also aus in der Macht des Heiligen Geistes mit dem Wort der Eucharistie und dem Zeichen der Eucharistie, da er tatsächlich gesagt hat: 417 REISEN „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ „Jesus Christus ist der Herr.“ Er sendet also die Apostel aus mit dem ewigen Gedächtnis seines Leibes und seines Blutes, mit dem Sakrament seines Todes und seiner Auferstehung: Er - Jesus Christus, Herr und Hirte seiner Herde für alle Zeiten. 6. Am Pfingsttag wird die Kirche geboren. Sie wird geboren unter dem mächtigen Anhauch des Heiligsten Geistes, der den Aposteln befiehlt, den Abendmahlssaal zu verlassen und ihre Sendung aufzunehmen. Am Abend der Auferstehung hatte Christus zu ihnen gesagt: „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch.“ Am Pfingstmorgen bewirkt der Heilige Geist, daß sie mit dieser Sendung beginnen. So gehen sie unter die Leute und machen sich auf, durch die Welt zu ziehen. Am Pfingsttag ist die Kirche entstanden Ehe das geschah, war die Welt - die Menschenwelt - in den Abendmahlssaal eingetreten. Denn: „Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2, 4). Mit dieser Sprachengabe ist in den Abendmahlssaal zugleich die Welt der Menschen eingetreten, die die verschiedenen Sprachen sprechen und zu denen man in verschiedenen Sprachen sprechen muß, um bei der Verkündigung der „großen Taten Gottes“ (Apg 2,11) verstanden zu werden. Am Pfingsttag ist also die Kirche unter dem mächtigen Anhauch des Heiligen Geistes entstanden. Sie ist gewissermaßen in der ganzen Welt entstanden, die von Menschen bewohnt wird, die verschiedene Sprachen sprechen. Sie ist entstanden, um in die ganze Welt zu gehen und in den verschiedenen Sprachen alle Völker zu lehren. Sie ist entstanden, damit sie durch die Unterweisung der Menschen und Völker immer wieder aufs neue entstehe durch das Wort des Evangeliums; damit sie in ihnen im Heiligen Geist aus der sakramentalen Kraft der Eucharistie immer aufs neue entstehe. Alle, die das Wort des Evangeliums empfangen, alle, die sich vom Leib und Blut Christi in der Eucharistie nähren, bekennen unter dem Anhauch des Heiligen Geistes: „Jesus ist der Herr!“ (1 Kor 12, 3). 7. Und so wächst unter dem Anhauch des Heiligen Geistes die Kirche, die zu Pfingsten in Jerusalem ihren Anfang genommen hat. 418 REISEN In ihr gibt es verschiedene „Gnadengaben“, verschiedene „Dienste“ und verschiedene „Kräfte“, aber „nur den einen Geist“, aber „nur den einen Herrn“, aber „nur den einen Gott“, „der alles in allen bewirkt“ (Kor 12, 4-6). In jedem Menschen, in jeder menschlichen Gemeinschaft, in jedem Land, in jeder Sprache und Nation, in jeder Generation wird die Kirche von neuem geboren und wächst von neuem. Und sie wächst als Leib, denn so wie der Leib viele Glieder, viele Organe, viele Zellen in sich vereint, so verbindet die Kirche viele Menschen mit Christus. Die Vielfalt äußert sich durch das Wirken des Heiligen Geistes in der Einheit, und die Einheit enthält die Vielfalt: „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib auf genommen . . . und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12, 13). Und dieser geistlichen Einheit, die jeden Tag von neuem entsteht und sich kundtut, liegt das Sakrament des Leibes und Blutes zugrunde, das große Gedenken an das Kreuz und die Auferstehung, das Zeichen des neuen und ewigen Bundes, das Christus selber seinen Aposteln gereicht und zum Fundament ihrer Sendung gemacht hat. In der Macht des Heiligen Geistes wird die Kirche durch das Sakrament des Leibes als Leib aufgebaut. In der Macht des Heiligen Geistes wird die Kirche durch das Blut des neuen und ewigen Bundes als Volk des Neuen Bundes aufgebaut. Die belebende Kraft dieses Sakraments im Heiligen Geist ist unerschöpflich. Von ihr lebt die Kirche im Heiligen Geist mit dem Leben ihres Herrn. „Jesus ist der Herr.“ 8. Heute, am Pfingstfest des Jubiläumsjahres der Erlösung 1983, befindet sich in der berühmten Stadt Mailand der Abendmahlssaal unseres Glaubens. Es ist der Abendmahlssaal von Pfingsten, aber gleichzeitig der Abendmahlssaal der österlichen Begegnung Christi mit den Aposteln und der Abendmahlssaal des Gründonnerstags. Wir sind also hier im Abendmahlssaal versammelt, um aufs neue das Zeugnis von all den großen göttlichen Geheimnissen zu empfangen, die im Abendmahlssaaal ihren Anfang genommen haben. Um das Zeugnis von der Eucharistie und der Geburt der Kirche zu empfangen und davon Zeugnis zu geben. Um durch den Abendmahlssaal diesem Zeugnis Einheit zu geben. Einst ist durch die Sprachengabe die ganze Welt in den Abendmahlssaal von Pfingsten gekommen: Das war gleichsam eine große Herausforderung 419 REISEN für die Kirche — der Ruf nach der Eucharistie und die Bitte der Eucharistie. In den Abendmahlssaal des Eucharistischen Kongresses heute in der edlen Stadt Mailand kommt vor allem Italien: ganz Italien. Nicht nur die Lombardei, auch Piemont, die drei Venetien und Ligurien; ebenso die Emilia-Romagna; es kommen Umbrien und die Toskana, Latium und die Marken und der ganze Süden: Kampanien, die Abruzzen und Molise, Apulien, Kalabrien, die Basilikata. Es kommen schließlich die Inseln: Sizilien und Sardinien und die anderen kleineren, über die Meere verstreuten Inseln. Ganz Italien, von den Küsten der Adria und des Tyrrhenischen Meeres, über den Golf von Genua und Venedig, ganz Italien entlang des Apennin, über die Poebene bis zu den Gebirgsketten der Dolomiten und der Alpen, ist geistig hier versammelt. Beseelt vom mächtigen Pfingstgeist, verkündet diese italienische Erde seit Generationen und Generationen, seit fast 2000 Jahren die großen Taten Gottes. Sie verkündet die Eucharistie, aus der die Kirche wächst. Sie verkündet sie mit besonderer Feierlichkeit am heutigen Tag, wo sie den Gläubigen, die sich bei diesem Abschlußgottesdienst des Nationalen Eucharistischen Kongresses um das Altarssakrament zusammenfinden, das Dokument über die Eucharistie unterbreitet, das von ihren Bischöfen erarbeitet und von ihnen heute mit dem Wunsch veröffentlicht wurde, jede christliche Gemeinde „möge aus der Eucharistie die Offenbarung der Liebe Gottes, die Freude der brüderlichen Einheit, den Mut zur Hoffnung empfangen, um mit Christus Brot zu sein, das gebrochen wird für das Leben der Welt“. Die Kirche wird durch die Eucharistie zum Maß des Lebens und zur Quelle der Sendung des ganzen Gottesvolkes, das heute in den Abendmahlssaal gekommen ist und in der Sprache der heutigen Menschen spricht. In die Eucharistie wird das eingeschrieben, was das Leben jedes Menschen an Tiefstem besitzt: das Leben des Vaters, der Mutter, des Kindes und des alten Menschen, des Jungen und des Mädchen, des Professors und des Studenten, des Bauern und des Arbeiters, des gebildeten Menschen und des einfachen Menschen, der Ordensfrau und des Priesters. Jedes Menschen ohne Ausnahme. Das Leben des Menschen wird durch die Eucharistie in das Mysterium des lebendigen Gottes eingeschrieben. In diesem Mysterium oder Geheimnis überschreitet der Mensch - wie im ewigen Buch des Lebens - die Grenzen der Zeitlichkeit, indem er sich auf den Weg macht zur Hoffnung auf das ewige Leben. So bringt die Kirche 420 REISEN des menschgewordenen Wortes durch die Eucharistie die Bewohner des ewigen Jerusalem hervor. 9. Wir danken dir, o Christus! Wir danken dir, daß du uns, obgleich wir nicht würdig sind, in der Eucharistie durch die Macht des Heiligen Geistes aufnimmst in die Einheit deines Leibes und deines Blutes, in die Einheit deines Todes und deiner Auferstehung. Gratias agamus Domino Deo nostro! Wir danken dir, o Christus! Wir danken dir, daß du die Kirche immer von neuem auf dieser Erde wachsen läßt und ihr ermöglichst, Söhne und Töchter dieser Erde als von Gott angenommene Kinder und Erben der ewigen Bestimmung hervorzubringen! Gratias agamus Domino Deo nostro! Wir alle danken dir, die wir aus ganz Italien zu diesem Eucharistischen Kongreß hier versammelt sind. Nimm unseren gemeinsamen Dank an. O Christus! Wir bitten dich, bleib in unserer Mitte, wie du dich am Osterabend unter den Aposteln im Abendmahlssaal eingefunden hast; wir bitten dich, sprich noch einmal die Worte: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20, 21). Und verleihe diesen Worten den mächtigen Pfingstgeist! Bewirke, daß wir diesen Worten treu bleiben! Bewirke, daß wir überall sind, wohin du uns sendest . . ., weil dich der Vater gesandt hat. Wirtschaft und Produktion sind zum Wohl des Menschen da Ansprache an die staatlichen und privaten Unternehmer in Mailand am 22. Mai Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich, bei Ihnen zu sein, den qualifizierten Repräsentanten der mailändischen und lombardischen, um nicht zu sagen italienischen Unternehmerwelt sowohl der privaten und staatlichen Industrie wie des 421 REISEN Handels und Gewerbes. Von Herzen danke ich dem Herrn Industrieminister Attilo Pandolfi, dem I.R.I.-Präsidenten Dr. Romano Prodi und dem Präsidenten der Italienischen Industriellenvereinigung, Dr. Vittorio Mer-loni, für ihre Begrüßungsworte. Ich richte meinen Gruß an alle, was nicht nur angebracht ist, sondern aufrichtigen Gefühlen hoher Achtung entspringt, weil ich sehr wohl weiß, wie groß der Teil des Wirtschafts- und Soziallebens des geliebten Italiens ist, für den Sie als Förderer und Verantwortliche arbeiten. Der Grad des Wohlstandes, dessen sich die Gesellschaft heute erfreut, wäre undenkbar ohne die dynamische Gestalt des Unternehmers, dessen Aufgabe darin besteht, die menschliche Arbeit und die Produktionsmittel so zu organisieren, daß die für das Wohl und den Fortschritt der Gemeinschaft notwendigen Güter und Dienste hervorgebracht werden. Meine herzlichen Gedanken wollen auch die Kaufleute und Handwerker einschließen, deren Beruf Träger echter menschlicher Werte ist und die ich hier vertreten weiß. Bei meinen Besuchen in Italien bin ich schon oft mit den Arbeitern zusammengetroffen, aber es ist das erste Mal, daß ich Gelegenheit habe, mein Wort an die Unternehmer zu richten. Und es ist kein Zufall, daß unsere Begegnung hier stattfindet, in den Ausstellungsräumen der berühmten Mailänder Messe, die seit vielen Jahren dem Zusammenfluß, dem Austausch und der Expansion nicht nur der italienischen, sondern auch der internationalen Unternehmerschaft dient. Wie sich mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. anläßlich der 50. Messeausstellung ausdrückte, befinden wir uns hier vor einem „monumentalen Gebäude irdischer Arbeitsamkeit“ und der „höchst bedeutsamen Äußerung eines der beachtlichsten und interessantesten Aspekte der Vorstellung, die sich der moderne Mensch von den Werten macht, denen das Leben gewidmet werden soll“ (Insegnamenti di Paolo VI, vol. X, 1972, S. 349-350). Mein Gruß gilt daher auch all denen, die auf allen Ebenen für den Erfolg der Initiativen dieser nützlichen Einrichtung tätig sind. 2. Das Stichwort bietet mir ein besonders inhaltsreicher Text des Zweiten Vatikanischen Konzils. Es ist ein Abschnitt aus der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute: „In den wirtschaftlichen Unternehmen stehen Personen miteinander in Verbund, d. h. freie, selbstverantwortliche, nach Gottes Bild geschaffene Menschen. Darum sollte man unter Bedachtnahme auf die besonderen Funktionen der einzelnen, sei es der Eigentümer, der Arbeitgeber, der leitenden oder der ausführenden 422 REISEN Kräfte, und unbeschadet der erforderlichen einheitlichen Werksleitung die aktive Beteiligung aller an der Unternehmensgestaltung voranbringen“ (Gaudium et spes, Nr. 68). Wenn wir über diesen Konzilstext nach-denken, geht uns mit unmittelbarer Klarheit auf, daß sich das soziale Denken der Kirche, was das Unternehmen und sein inneres Leben betrifft, in zwei ethischen Grundprinzipien zusammenfassen läßt: Das Unternehmen vereint und verbindet Personen, die als Menschen behandelt werden; die Arbeit der Person verlangt deren Initiative und Verantwortlichkeit im Leben des Unternehmens selbst. Mein Vorgänger seligen Angedenkens Johannes XXIII. hat in seiner Enzyklika Mater et magistra diesem tiefen sozialen und menschlichen Ideal des Unternehmens Ausdruck verliehen: „Man muß dahin streben -schrieb er -, daß das Unternehmen in den Beziehungen, in den Funktionen und in der Stellung aller seiner Träger zu einer Gemeinschaft von Personen wird“ (Nr. 78). Die Vorstellung vom Unternehmen als Gemeinschaft von Personen ist die Quelle der verpflichtenden ethischen Forderungen all derer, die direkt oder indirekt mit dem Wirtschafts- und Sozialleben des Unternehmens zu tun haben. Wie Sie wohlwissen, kann in einer wahrhaft menschlichenWirtschaft das Unternehmen nicht einzig und allein mit den Kapitalbesitzern identifiziert werden, da es j a wesentlich eine Gemeinschaf t von Personen ist, die von der Einheit der Arbeit gekennzeichnet wird, in der persönliche Arbeitsleistungen und Kapital der Güterproduktion dienen. In meiner Enzyklika Laborem exercens habe ich von dem Konflikt zwischen Kapital und Arbeit gesprochen, der in den Industrieländern auftritt, die auf Grund der Entwicklung hochstehender Technologien bereits in der Phase der nachindustriellen Gesellschaft eingetreten sind. Diese Technologien verringern in manchen Bereichen den Bedarf an Arbeitskräften und unterstreichen damit, neben anderen Faktoren, die schwere Erscheinung der Arbeitslosigkeit, die die Gefahr in sich birgt, den Unternehmen die tiefe ethische und soziale Komponente einer Gemeinschaft von Personen zu entziehen, die ihnen eigen sein sollte. Bei dieser Begegnung mit Ihnen, den Unternehmern verschiedener Wirtschafts- und Produktionsbereiche eines Industrielandes wie Italien, einer Begegnung, die in einem für die Wirtschaft schwierigen Augenblick stattfindet; möchte ich auf einige Erscheinungen und Probleme Bezug nehmen, die sich besonders hinsichtlich der Festigung oder des Verlustes der wahren ethischen Bedeutung des Unternehmens auswirken. 423 REISEN 3. Im Rahmen der Produktion und ihrer Planung kommen einerseits die direkten wie indirekten Unternehmer oder Arbeitgeber und andererseits die Arbeiter mit ihren Gaben, ihren Fähigkeiten zusammen, die Kapazitäten unter Aufbietung ihrer Leistung und mit ihren Rechten zu verwirklichen. Die Kirche begegnet dem Konflikt zwischen Kapital und Arbeit durch den Versuch, den Menschen in seinen Rechten zu verteidigen, Ungerechtigkeiten anzuprangern und positiv zur Lösung der Probleme beizutragen (vgl. Laborem exercens, Nr. 1). Die von ihr vorgetragene Soziallehre orientiert sich immer stärker an einer Ordnung der Arbeit und des industriellen Produktionsprozesses, die voll der wahren Würde der menschlichen Person entspricht. Diese muß Prinzip und unersetzlicher sittlicher Wert in der wirtschaftlichen Tätigkeit sein, weil ja Wirtschaft und Produktion zum Wohl des Menschen da sind und nicht der Mensch zur Anhäufung des Kapitals. Eine nur am Profit orientierte Wirtschaft würde weder eine Gemeinschaft von Personen schaffen noch würde sie eine echte gesellschaftliche Kultur verantwortlicher Teilhabe aller Träger des Unternehmens hervorbringen. Bemühungen um neue Arbeitsplätze vervielfachen In der Enzyklika Laborem exercens (Nr. 14) habe ich einen Lösungsweg für diese Gefahr vorgestellt, der sich an dem ethischen Wert des Unternehmens als Gemeinschaft von Personen inspiriert: „Die Arbeit soweit wie möglich mit dem Eigentum am Kapital zu verbinden und eine große Vielfalt mittlerer Körperschaften mit wirtschaftlicher, sozialer oder kultureller Zielsetzung ins Leben zu rufen.“ Diese ethische Antwort auf den Konflikt gestattet nicht jene absolute Autonomie und Unabhängigkeit des Kapitals, von der die Einbuße und Verletzung der Würde der menschlichen Person im Betrieb herrührt. 4. Um vertrauensvoll in die Zukunft der Arbeitswelt blicken zu können, ist es unbedingt notwendig, daß das Bezugszentrum der wirtschaftlichen Tätigkeit immer das Interesse für jeden einzelnen Menschen bleibt: Der Mensch und seine Werte müssen stets Prinzip und Ziel der Wirtschaft sein. Auch in Zeiten höchster Krise darf das Kriterium, das die Entscheidungen der Unternehmer leitet, nie die Überbewertung des Profits sein. Wenn man tatsächlich eine Gemeinschaft von Personen bei der Arbeit verwirklichen will, muß man dem konkreten Menschen und dem Drama nicht des 424 REISEN einzelnen, sondern ganzer Familien Rechnung tragen, zu dem Entlassungen unerbittlich führen würden. Diese Praxis — so sehr sie auch von den Umständen geraten sein mag - begünstigt natürlich nicht die Würde der einzelnen und der Gemeinschaft der Arbeit als ganze. An Sie, sehr verehrte Vertreter der Privat- und Staatsindustrie, der Landwirtschaft, des Handels, der Dienstleistungen, der Handwerksbetriebe, richte ich meinen besorgten Appell, die direkten Bemühungen um die Schaffung neuer Arbeitsplätze zu vereinigen und zu vervielfachen. Diese Bemühungen werden es den Jugendlichen ermöglichen, Arbeit zu finden, und allen erlauben, mit einer sicheren Unterhaltsquelle für sich und für ihre Lieben zu rechnen. Die allgemeine Situation der Inflation und wirtschaftlichen Rezession darf niemals verhindern, daß man mit allen Kräften und zäher Ausdauer sucht, wie man den Ursachen, die sie hervorrufen, als auch den schmerzlichen menschlichen Situationen, die daraus entstehen, begegnen kann. 5. Welche Wege schlägt die Kirche vor, damit Unternehmen geschaffen werden, die echte Arbeitsgemeinschaften sind, die die Arbeit mit dem Kapital verbinden? In der genannten Enzyklika habe ich geschrieben: „Man darf die Produktionsmittel nicht gegen die Arbeit besitzen; man darf sie auch nicht um des Besitzes willen besitzen, weil das einzige Motiv, das ihren Besitz rechtfertigt - sei es in der Form des Privateigentums, sei es in der des öffentlichen oder kollektiven Eigentums -, dies ist, der Arbeit zu dienen“ (Nr. 14). Die Vorschläge der Soziallehre der Kirche beziehen sich auf das Miteigentum an den Produktionsmitteln, die Beteiligung der Arbeiter an der Leitung, dem Ertrag und der Substanz des Unternehmens und auf ähnliche Formen der Teilhabe. Alle Träger des Unternehmens müssen so wie sämtliche lebendigen Kräfte der Gesellschaft miteinander nach Formen und konkreten Strukturen suchen, um das vorrangige Ziel der Zusammenarbeit zwischen Kapital und Arbeit in der gerechten Wertehierarchie zu verwirklichen. Die Kirche schlägt zu diesem Zweck keine uniformen technischen Lösungen vor, sondern ermutigt zur Suche nach Lösungen, die auf der Würde und Fähigkeit der Arbeiter gründen und zugleich die Wirtschafts- und Sozialfunktion des Unternehmens respektieren. In diesem Zusammenhang tritt auch die Gewerkschaft als dynamischer Faktor der Sozialorganisation auf. In einer Industriegesellschaft wie der italienischen — um nicht zu sagen, einer derart lebhaften und von Aktivität pulsierenden Stadt wie Mailand - sind solche Organisationen unerläßliche und unersetzliche Elemente des sozialen Lebens und der Unternehmens- 425 REISEN gemeinschaft, trotz der Einflüsse, die ihren wahren ethischen Wert bei der Förderung der sozialen Gerechtigkeit zu entstellen oder dem Prinzip des Vorrangs der Person vor dem Kapital entsprechendere Beziehungen innerhalb des Unternehmens zu verhindern versuchen. 6. Unter den gegensätzlichen Philosophien - der des alleinigen wirtschaftlichen Wettbewerbs und der Mitbeteiligung - verlangt das „Ge-meinschafts“-Unternehmen, daß man sich im Produktionsprozeß und bei den internen sozialen Beziehungen für die Anwendung der zweiten, also der Mitbeteiligung entscheidet, indem zwischen allen Mitgliedern des Unternehmens eine echte und wirksame Interdependenz geschaffen wird. Eine solche personale Wechselbeziehung zwischen den direkt und indirekt Verantwortlichen des Unternehmens und der Arbeit, die von der Sozialpolitik des Staates unterstützt wird, ist notwendige Vorbedingung dafür, um alle Komponenten der Welt der Arbeit im Unternehmen in Einklang zu bringen, um die persönliche und gemeinschaftliche Lebensdynamik des Betriebes zu fördern und Konflikte zu überwinden. Während ich das sage, weiten sich meine Gedanken auch auf den Bereich der internationalen Beziehungen aus, \yo es ebenfalls notwendig ist, sich für die Anerkennung der sozialen Gerechtigkeit einzusetzen. In meiner Ansprache bei der Eröffnungssitzung des Internationalen Symposions über Laborem exercens im vergangenen Jahr stellte ich fest: „Neue Möglichkeiten zeichnen sich am Horizont ab, die sich aber nun nicht mehr in enge, lediglich nationale Begriffe fassen lassen. Wenn die Probleme, denen sich der moderne Mensch stellen muß, sich nur dann begreifen lassen, wenn man ihrer weltweiten Dimension Rechnung trägt, werden in vielen Fällen auch die Lösungen auf internationaler Ebene gesucht werden müssen. Mit Recht verlangt man darum heute immer häufiger nach einer neuen internationalen Wirtschaftsordnung, welche die unzureichenden und ungeeigneten Modelle der Vergangenheit überholen und der Menschheit eine gerechte Beteiligung an den Gütern der Schöpfung sichern soll. Besonderes Einfühlungsvermögen muß dabei den in der Entwicklung begriffenen Völkern bewiesen werden.“ Die Realisierung dieser gewaltigen Anstrengung, wie sie von der kirchlichen Soziallehre vorgeschlagen wird, erfordert ein hohes Maß aufrichtiger Dialog- und Opferbereitschaft in allen Bereichen in der Weise, daß das Ergebnis nicht so sehr der Schutz der Interessen der einen oder der anderen Seite ist als vielmehr eine Situation, in der der Arbeiter bei seiner Arbeit immer mehr Mensch wird und das Unternehmen dynamischer Ausdruck der Teilhabe aller ist. 426 REISEN 7. Der Dialog der Kirche mit der modernen Welt über die ethischen Gemeinschaftswerte ist eine ihrer Weisen, unter dem Wirken des Heiligen Geistes in der zeitlichen Wirklichkeit präsent zu sein. Die Kirche weiß um die Entwicklung dieser Werte im Bewußtsein des einzelnen und den interpersonalen Beziehungen des heutigen Menschen. Überall wo die Abhängigkeit von komplexen Wirtschaftsfaktoren und der technologischen Entwicklung besteht, ist der wahre Fortschritt die zwischenmenschliche Gemeinschaft. Das Wirken des Heiligen Geistes und die Kraft der Eucharistie, diese göttlichen Wirklichkeiten, zu denen uns das heutige Pfingstfest und der Abschluß des Nationalen Eucharistischen Kongresses hinführen, zwingen uns zur Überwindung jeder individualistischen Ethik; zur ständigen Rückkehr zu dem vorrangigen Wert der menschlichen Person durch Ausweitung der Horizonte der Liebe; zur Erfüllung der sozialen Gerechtigkeit bei Respektierung der Gleichheit aller Menschen: zur Entwicklung des Verantwortungssinnes, des gemeinsamen Bemühens und der Teilhabe (vgl. Gaudium et spes, Nr. 25-29). Meine Damen und Herren, Brüder und Schwestern! Nehmen Sie diese Überlegungen als Zeichen meiner tiefen Wertschätzung für Sie und für Ihre wichtige Arbeit an. Der Herr, dem ich Sie und Ihre Lieben empfehle, erleuchte Ihren Geist und stärke Ihren Willen beim Aufbau einer Zukunft für die Menschheit, auf die man mit weniger Sorge und mehr Zuversicht blicken kann, unterstützt von einer Kraft, die die des Menschen übersteigt. Ich rufe auf Sie die Fülle der himmlischen Gnaden herab, während ich Sie von Herzen segne. 427 Zweite Pilgerfahrt durch Polen (16. bis 23. Juni) REISEN „Ich komme zu allen meinen Landsleuten“ Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Warschau am 16. Juni 1. Herzlich danke ich Ihnen, Herr Professor, Vorsitzender des Staatsrates, für die namens der staatlichen Behörden der Volksrepublik Polen geäußerten Worte der Begrüßung. Herzlich danke ich Ihnen, Herr Primas, für die Worte, die Sie im Namen der Bischofskonferenz und der ganzen Kirche in Polen äußerten. In ihrem Einladungsschreiben waren Sie, Herr Vorsitzender, so freundlich, an den Abschied in Krakau im Juni 1979 beim Abschluß meines vorherigen Besuchs in meinem Vaterland sowie an die Worte Kardinal Stefan Wyszynskis anzuknüpfen. Bereits damals hatte mich der verstorbene Primas im Zusammenhang mit dem 600jährigen Jubiläum der Anwesenheit der Muttergottes in ihrem Bild von Jasna Göra zu einem erneuten Polenbesuch eingeladen. Persönlich war ich immer der Meinung, daß der Besuch des Vaterlandes unter diesen historischen Umständen nicht nur ein inneres Bedürfnis meines Herzens ist, sondern auch meine besondere Pflicht als Bischof von Rom. Ich bin der Meinung, daß ich in diesem erhabenen und zugleich schwierigen Augenblick der Geschichte des Vaterlandes bei meinen Landsleuten sein muß. Ich komme also hierher, und mit meinen ersten Worten äußere ich den Dank für die Einladung sowohl von seiten der Staatsbehörden wie auch der Bischofskonferenz, welche mir diese Anwesenheit ermöglichen. 2. Ich komme ins Vaterland. Das erste Wort, das ich schweigend und auf Knien sprach, war der Kuß dieser Erde: der heimatlichen Erde. Nach dem Vorbild Pauls VI. tue ich dies zu Beginn jedes Pastoralbesu-ches, sowohl aus Ehrfurcht vor dem Schöpfer selbst wie auch vor den Söhnen und Töchtern des Landes, in das ich komme. Der Kuß, den ich der polnischen Erde gab, hat für mich jedoch einen besonderen Sinn. Er ist gewissermaßen ein Kuß auf die Hände der Mutter - denn das Vaterland ist unsere irdische Mutter. Polen ist eine besondere Mutter. Ihre Geschichte ist nicht leicht, insbesondere nicht im Laufe der letzten Jahrhunderte. Sie ist eine Mutter, die viel durchlitten hat und immerzu aufs neue leidet. Deshalb hat sie auch ein Recht auf besondere Liebe. 430 REISEN 3. Ich komme nach Jasna Göra. Nach Jasna Göra geht man als Pilger. Und deshalb sollen alle diese Tage, die ich auf heimatlichem Boden werde verbringen dürfen, eine Pilgerfahrt sein. Im Zusammenhang mit dem Jubiläum pilgern Millionen von Menschen in Polen nach Jasna Göra. Ich will einer von ihnen sein. Ich will gemeinsam mit ihnen beten und den Wortgottesdienst und die Eucharistie feiern. Gemeinsam mit ihnen will ich Gottes große Taten bedenken (vgl. Apg 2, 11) . . . sowie die menschlichen, die polnischen Dinge. Ich bitte, daß mir jene, die leiden, besonders nahe sein mögen. Ich bitte darum im Namen der Worte Christi: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25, 36). Ich selber kann nicht alle Kranken, Gefangenen und Leidenden besuchen - aber ich bitte sie, mir im Geiste nahe zu sein. Damit sie mich so stützen, wie sie es stets tun. Ich erhalte zahlreiche Briefe, die das bezeugen, vor allem in der letzten Zeit. 4. Der Weg meiner Pilgerfahrt nach Jasna Göra verläuft nach einem festgelegten Programm. Dieses Programm ist umfangreich - und dennoch arm angesichts der Zahl der Einladungen. Bevor ich dorthin komme, wohin das Programm mich führt, möchte ich deshalb schon jetzt sagen, daß ich in mein ganzes Vaterland und zu allen Polen komme. Von Nord nach Süd und von Ost nach West. Ich bitte also darum, daß ihr meine Gegenwart auch dort annehmt, wohin der Weg meiner Pilgerreise nicht führt, wohin es mir diesmal nicht gegeben ist zu kommen. Allen, die gemeinsam mit mir beten und im Geiste und mit dem Herzen pilgern wollen, werde ich von Herzen dankbar sein. Den Kuß der heimatlichen Erde verglich ich mit dem Kuß der mütterlichen Hände. Möge er auch ein Friedenskuß für alle sein, die in irgendeiner Weise sich in dieser großen Pilgergemeinschaft des Papstes aus Polen befinden wollen. Pax vobis! Friede sei mit Dir, Polen! Mein Vaterland! 431 REISEN Das Erbe Kardinal Stefan Wyszynskis Predigt bei der Messe in der St.-Johannes-Kathedrale in Warschau am 16. Juni 1. „Für uns war Christus gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2, 8-9). Wir lesen diese Worte im feierlichen Augenblick der heutigen Liturgie vor dem Evangelium, und wir verbinden sie mit dem Gesang des Halleluja. Diese Paulusworte in ihrer kernigen Kürze geben das wieder, was entscheidend ist für das Geheimnis der Erlösung, die von Christus vollzogen wurde. Entscheidend für sie ist die „Erniedrigung“ des Gottesssohnes durch den Kreuzestod und die „Erhöhung“ durch die Auferstehung. Entscheidend ist: der Gehorsam bis zum Tode gegenüber dem Vater und das Gegengeschenk des Vaters, das dem Menschen und der ganzen Schöpfung im Namen Christi zuteil wird. Die Erlösung ist eine neue Schöpfung. Die Schöpfung war Gottes erstes und grundlegendes Geschenk an die Welt und an den Menschen. Die Erlösung überwindet den Ungehorsam des Menschen gegenüber dem Schöpfer, das heißt die Sünde - diese Sünde nimmt Christus mit an das Kreuz, um durch seinen Gehorsam bis zum Tode einen neuen und ewigen Bund Gottes mit den Menschen zu stiften: einen neuen Maßstab des Schenkens im Heiligen Geist, ein neues Leben. Die Kirche entstand aus dem Geheimnis der Erlösung - und sie lebt jeden Tag aus diesem Geheimnis. In diesem Geheimnis findet sie ihre tiefste Daseinsberechtigung. Dieses Geheimnis verkündet und prophezeit sie im Evangelium. Dieses Geheimnis verwaltet sie in den Sakramenten und insbesondere in der Eucharistie. Mit dem 25. März 1983 begann das Jahr der Erlösung als außerordentliches Jubiläum der Kirche. Wir wollen auf diese Weise - ebenso wie im Jahre 1933 - den besonderen Jahrestag der Erlösung hervorheben: damals den 1900. und jetzt den 1950. 2. Dieses außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung begeht die Kirche gleichzeitig in Rom und in der ganzen Welt. Ich will deshalb durch meine jetzige Pilgerreise das Heilige Jahr der Erlösung gemeinsam mit meinen Landsleuten begehen, gemeinsam mit der Kirche in Polen. Alle von mir im Rahmen dieser Pilgerfahrt vollzogenen liturgischen Dienste geben den 432 REISEN Teilnehmern die Möglichkeit, aus den übernatürlichen Gaben des Jubiläums zu schöpfen: aus dem Nachlaß der Sünden und dem Ahlaß für die zeitlichen Strafen - natürlich unter den üblichen und bekannten Bedingungen. Christus ist für uns gehorsam geworden bis zum Tod - damit wir das Leben haben und es in Fülle haben (vgl. Joh 10, 10). Ich möchte, daß mein Hirtendienst auf heimatlichem Boden zu dieser „Fülle des Lebens“ beitrage, die alle Menschen vom Vater in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, haben, zu der Fülle des Lebens, die sie in Christus durch den Heiligen Geist haben. Denn in Seinem unsichtbaren Wirken - in Seinem heiligmachenden Wirken - setzt sich Christi erlösendes Hinübergehen durch seinen Tod und seine Auferstehung bis ans Ende der Tage fort. 3. Das heutige Evangelium gibt Zeugnis von diesem Hinübergehen. Wir hören Jesus, der mit lauter Stimme ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15, 34), um so die unendliche Tiefe seines erlösenden Leidens auszudrücken. Wir sind Zeugen, wie er am Kreuz „den Geist aushaucht“ (vgl. ebd., 37). Wir hören schließlich nach Ablauf des Sabbats, was die Frauen hörten, die zum Grabe gekommen waren: „Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Es ist auferstanden, er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte (ebd. 16, 6). Durch die Worte des Evangeliums sind wir hineingestellt in das unmittelbare Zentrum der Ereignisse, durch die sich die Erlösung der Welt vollzog. Diese Ereignisse sind in die Geschichte eingegangen, 1950 Jahre trennen uns von ihnen. Aber die Erlösung der Welt dauert unerschöpflich an - und sie ist immerzu für den Menschen offen, für jeden Menschen. In besonderer Weise für den, der leidet (und vielleicht am stärksten leidet, wenn er den Sinn seines Leidens, und mehr noch: den Sinn seiner Existenz selbst, nicht begründen kann). Lassen wir uns erfassen vom Geheimnis der Erlösung! Vielleicht so wie dieser Hauptmann unter dem Kreuz, der im Augenblick von Christi Tod bekannte: „Wahrhaftig, dieser Mensch war Gottes Sohn“ (ebd., 15, 39). Lassen wir uns umfangen vom Geheimnis der Erlösung. Wir alle stehen unter dem Kreuz. Die ganze Menschheit steht immerzu unter dem Kreuz. Unsere Nation steht seit tausend Jahren unter dem Kreuz. Lassen wir uns erfassen vom Geheimnis der Erlösung: vom Geheimnis des Gottessohnes! In diesem Geheimnis enthüllt sich auch endgültig das häufig so schwer lösbare Geheimnis des Menschen. Und es zeigt sich durch alle Leiden und Demütigungen seine - des Menschen - höchste Berufung. 433 REISEN Zusammen mit allen meinen Landsleuten - besonders mit denen, die am schmerzlichsten den herben Geschmack der Enttäuschung, der Demütigung, des Leidens, des Freiheitsentzugs, des Unrechts, der niedergetretenen Menschenwürde spüren, trete ich unter das Kreuz Christi, um auf polnischem Boden das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung zu feiern. Ich stelle mich dort hin - und ich weiß, daß die Mutter Christi, wie einst auf dem Kalvarienberg, zu Füßen dieses Kreuzes steht. 4. Die erste Etappe meiner Pilgerfahrt nach Jasna Göra im Zusammenhang mit dem 600. Jahrestag des Bildes der Mutter Christi führt in die Warschauer Kathedrale, an das Grab des großen Primas des Millenniums; des Kardinals Stefan Wyszynski. Ich konnte zu seinem Begräbnis am 31. Mai 1981 wegen des Attentats auf mein Leben vom 13. Mai, das einen mehrmonatigen Krankenhausaufenthalt zur Folge hatte, nicht nach Warschau kommen. Wenn es mir heute gegeben ist, in das Vaterland zu kommen, dann lenke ich meine ersten Schritte zu seinem Grabe. Und ich trete an den Altar in der Erzkathedrale des hl. Johannes, um die erste heilige Messe auf polnischem Boden für ihn zu feiern. Ich feiere sie für die Seele des verstorbenen Kardinals Stefan, und ich verbinde dieses heilige Opfer mit einer tiefen Danksagung. Ich danke der göttlichen Vorsehung dafür, daß sie uns in einer schwierigen Periode unserer Geschichte, nach dem Zweiten Weltkrieg, an der Schwelle des ersten und zweiten Millenniums, diesen Primas gegeben hat, diesen Mann Gottes, diesen Verehrer der Gottesmutter von Jasna Göra, diesen unerschrockenen Diener der Kirche und des Vaterlandes. Die Liturgie der heutigen heiligen Messe ruft in der ersten Lesung das prophetische Bild des Dieners hervor, in dem wir alle die Gestalt Christi erkennen. Der verstorbene Kardinal betrachtete Christus unverwandt als Diener unserer Erlösung. Tief ergriffen pflegte er in der hiesigen Kathedrale am Gründonnerstag die Liturgie der Fußwaschung vorzunehmen, wobei er an diese Worte des Meisters dachte, der „nicht gekommen (ist), um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mt 20, 28; Mk 10, 54). Und als er diesen bischöflichen Dienst nicht ausüben konnte, da schrieb er voller Schmerz: „. . . zum dritten Mal durchlebe ich meinen schmerzlichen Gründonnerstag . . . Ich werde Dich meinen Schülern nicht reichen können . . . Meine Primas-Kathedrale ist heute ohne Bischof, den der Heilige Geist für die Kirche wünscht. Mein ganzer Gründonnerstag ist ein ölberg 434 REISEN - ein weiteres Mal. . Diese Worte finden wir in den „Aufzeichnungen aus dem Gefängnis“ von Kardinal Stefan Wyszynski unter dem 29. März 1956. 5. Heute will ich zusammen mit euch, teure Brüder und Schwestern, zusammen mit seinem Nachfolger auf dem Primasstuhl, mit den Bischöfen, Priestern, mit dem ganzen Gottesvolk der Hauptstadt und Polens für diesen langjährigen providentiellen Dienst Stefan Kardinal Wyszynskis, des Primas von Polen, danken. Er diente dem Menschen und der Nation. Er diente der Kirche und der Welt - indem er Christus durch Maria diente. In seinem Dienst und seiner Amstführung ließ er sich vom Vorbild jener leiten, die - im Augenblick höchster Erwählung durch Gott - sich selber eine Magd des Herrn nannte (vgl. Lk 1, 38). Diesen Dienst und dieses Amt machte der verstorbene Primas zur Hauptkraft seines Hirten-tums. Er war stark durch das Dienen - durch den bewußten Dienst einer Sendung, die ihm vom Hirtenfürsten anvertraut war. Er war stark durch das Dienen - und durch diesen seinen Primasdienst machte er inmitten historischer Prüfungen und Erfahrungen die Kirche und die Nation stark. Heute danke ich zusammen mit euch an seinem Grabe, im Herzen von Warschau, der Heiligsten Dreifaltigkeit für diesen großen Primasdienst Kardinal Stefan Wyszynskis, und ich bitte, daß dessen Früchte weiterhin in den Herzen der Menschen im ganzen heimatlichen Land erhalten bleiben. Er war stark durch seinen Glauben an Gott, der der Herr der Schöpfung und der Herr der Geschichte ist durch Jesus Christus, den Gekreuzigten und Auf erstandenen. Noch heute scheint er zu uns mit den Worten des Psalmisten zu sagen: „Die Rechte des Herrn ist erhoben, die Rechte des Herrn wirkt mit Macht! Ich werde nicht sterben, sondern leben, um die Taten des Herrn zu verkünden“ (Ps 118/117/16-17). Er war stark durch seinen Glauben an Christus - an jenen Eckstein der Erlösung des Menschen, der Menschheit, der Nation. Er tat alles, damit dieser Stein nicht verworfen würde von den Menschen unserer Epoche, sondern damit er neue Festigkeit gewinne in den Fundamenten des geistigen Aufbaus unserer heutigen Generationen. Wie der Apostel Paulus, so verkündete auch der verstorbene Primas den gekreuzigten Christus, der Gottes Kraft und Gottes Weisheit (vgl. 1 Korl, 23-24) inmitten einer Welt ist, die in jeder Epoche nach anderen Weisheiten und anderen Kräften sucht. Folgendes Gebet hinterließ er uns in seinen „Aufzeichnungen“: „Alle Deine Wege - sind Barmherzigkeit und Wahrheit! Leiden zerfließt 435 REISEN in der Liebe, die man erfährt. Strafe hört auf, Vergeltung zu sein, denn sie ist eine Arznei, mit väterlichem Zartgefühl verabreicht. Trauer, die die Seele quält, ist wie Plackerei auf Brachland, zur Vorbereitung der neuen Aussaat. Einsamkeit heißt, Dich von nahem zu schauen. Menschliche Bösartigkeit ist eine Schule des Schweigens und der Demut. Seine Arbeit verlieren, das bedeutet ein Muster an Eifer und ist Hingabe des Herzens. Die Gefängniszelle ist die Wahrheit, daß wir hienieden keine ständige Wohnstatt haben . . . Auf daß also niemand schlecht von Dir, o Vater, denke, daß niemand wage, Dir Unrecht zu tun mit dem Vorwurf der Strenge und Härte - denn Du bist gut, denn Deine Barmherzigkeit ist ewig“ (18. 1. 1954). 6. Wir danken heute der Heiligsten Dreifaltigkeit für dieses evangelische, österliche Erbe Kardinal Stefan Wyszynskis, der stets zusammen mit Maria unter das Kreuz Christi trat. „Ich habe alles auf Maria gesetzt.“ Ihr gegenüber fühlte er sich wie der Apostel Johannes, wie ein Adoptivsohn und wie ein die Gottesgebärerin verehrender „Sklave der Liebe“. In dieser absoluten Hingabe fand er seine geistige Freiheit: ja, er war ein freier Mensch, und er lehrte uns, seine Landsleute, wahre Freiheit. Er war ein unermüdlicher Fürsprecher, wenn es um die Würde jedes Menschen sowie um den guten Namen Polens inmitten der Völker Europas und der Welt ging. Auf ihn kann man die Worte des Dichters beziehen: „Voll Demut fall ich jetzt auf meine Knie, um aufzustehn als starker Arbeiter Gottes. Wenn ich aufstehe, wird meine Stimme zur Stimme des Herrn . . . mein Schrei -zum Schrei des ganzen Vaterlandes“ (aus: Juliusz Slowacki, So helfe mir Gott). Die göttliche Vorsehung hat ihm die schmerzhaften Ereignisse erspart, die sich mit dem Datum des 13. Dezember 1981 verbinden. Er ging zum Vater am Fest Christi Himmelfahrt, und sein Begräbnis fand am Fest Mariä Heimsuchung statt. Es war so, als wollte Unsere Liebe Frau von Jasna Göra einen letzten irdischen Stempel dem Leben dieses Primas aufdrücken, der — gemeinsam mit der Polnischen Bischofskonferenz — sie dazu einlud, alle Diözesen und Pfarreien in unserem Vaterland heimzusuchen. Indem wir der Heiligsten Dreifaltigkeit für den großen Dienst des Primas des Millenniums danken, bitten wir den Herrn der Ewigkeit, daß nichts dieses tiefe Fundament zerstören möge, das ihm in die Seele des Gottesvolkes im ganzen polnischen Lande zu legen vergönnt war. 436 REISEN „Die soziale Erneuerung muß allmählich zur Wirkung kommen!“ Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des polnischen Staates im Schloß Belvedere in Warschau am 17. Juni Sehr geehrter Herr Staatsratsvorsitzender, sehr geehrter Herr General, sehr geehrte Herren! 1. „Ein blühendes und glückliches Polen liegt im Interesse des Friedens und einer guten Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas . . Ich erlaube mir meine Ansprache mit den gleichen Worten zu beginnen, mit denen ich im gleichen Schloß Belvedere im Juni 1979, bei meinem vorigen Besuch im Vaterland, begonnen habe. Ich wiederhole diese Worte, weil sie der große Freund Polens, Papst Paul VI., geäußert hat, dem die Kirche in unserem Vaterland das bedeutsame Werk der Normalisierung in den Nord- und Westgebieten verdankt. Ich wiederhole sie auch deshalb, weil diese Worte gleichsam die ständige Quintessenz dessen widerspiegeln, was der Hl. Stuhl über Polen denkt und was er für Polen wünscht. 2. Dieser Gedanke hat eine wichtige Bedeutung vor dem Hintergrund unserer schwierigen historischen Vergangenheit, besonders vom Ende des 18. Jahrhunderts an. Eben auf dem Hintergrund der Teilung Polens war der Gedanke, daß „ein blühendes und glückliches Polen ... im Interesse des Friedens und einer guten Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas . . . liegt, ein Postulat der internationalen Moral wie auch einer gesunden europäischen Staatsräson. Dieser Gedanke mußte sich über 100 Jahre lang den Weg durch die gegen unsere Unabhängigkeit eingestellten Imperialismen bahnen, um endlich nach Ende des Ersten Weltkrieges in den Friedensverträgen Ausdruck zu finden. Die polnische Nation hegt ständige Dankbarkeit gegenüber jenen, die damals Fürsprecher dieser unabhängigen Existenz waren. Wenn wir uns in Warschau, der Hauptstadt Polens, befinden, dann lebt die Erinnerung an alle diese historischen Erfahrungen besonders auf. Und deshalb behalten die Worte Pauls VI. ihre ständige Bedeutung; sie stellen nicht nur fest, daß Polen ein Recht auf eine souveräne staatliche Existenz hat, sondern daß es an seinem Platz für Europa und die Welt notwendig ist. 437 REISEN 3. Paul VI. unterstreicht in den von mir zitierten Worten, daß „Polen im Interesse des Friedens und einer guten Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas“ liegt. Diese Feststellung ist besonders beredt vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges, der die größte Verletzung des Friedens in diesem Jahrhundert war, vor allem auf dem europäischen Kontinent. Polen befand sich im unmittelbaren Zentrum der schrecklichen Erfahrungen dieses Krieges. Für sein Recht auf souveräne Existenz bezahlte es mit sechs Millionen seiner Bürger, die an verschiedenen Fronten des Krieges, in Gefängnissen und Vernichtungslagern ihr Leben opferten. Die polnische Nation bestätigte um einen sehr hohen Preis ihr Recht darauf, souveräner Herr in dem Land zu sein, das sie von den Vorvätern geerbt hat. Die Erinnerung an die schrecklichen Erfahrungen des Krieges, die Polen und anderen Nationen Europas zuteil wurden, drängt dazu, den innigen Appell für den Frieden zu erneuern, damit dieser nicht gestört oder in Gefahr gebracht wird und insbesondere damit aufs schnellste und in wirksamer Weise Hilfsmittel eingesetzt, das heißt redliche und konstruktive Verhandlungen zur Bannung des gefährlichen Wettrüstens geführt werden. 4. Wenn ich nach Polen komme, habe ich seine ganze 1000jährige Geschichte vor Augen, vor allem die Erfahrungen dieses Jahrhunderts, die auch mit meinem eigenen Leben verbunden sind. Ich will den höchsten staatlichen Behörden danken, für die Einladung in mein Vaterland, die mir durch den Brief des Herrn Staatsratsvorsitzenden übermittelt wurde. Ich komme in mein Vaterland als Pilger im Zusammenhang mit dem Jubiläum von Jasna Göra. Ich komme, um mit meinen Landsleuten in einem besonders schwierigen Augenblick der Geschichte Polens nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen zu sein. Gleichzeitig verliere ich nicht die Hoffnung, daß dieser schwierige Augenblick ein Weg zur gesellschaftlichen Erneuerung werden kann, deren Beginn die von Vertretern der Staatsmacht mit Vertretern der Arbeitswelt geschlossenen Gesellschaftsverträge darstellen. Und wenngleich das Leben im Vaterland seit dem 13. Dezember 1981 den strengen Zwangsmaßnahmen des Kriegszustandes unterworfen wurde, der seit Beginn dieses Jahres ausgesetzt ist —, so höre ich doch nicht auf, darauf zu vertrauen, daß diese -gemäß den mit solcher Mühe in den Umbruchstagen des August ausgearbeiteten Prinzipien - vielfach angekündigte und in den Abkommen beschlossene gesellschaftliche Erneuerung allmählich zur Wirkung kommt. 438 REISEN Diese Erneuerung ist unerläßlich, um den guten Namen Polens in der Welt aufrechtzuerhalten, wie auch dazu, aus der inneren Krise herauszukommen und vielen Söhnen und Töchtern der Nation, meinen Landsleuten, Leiden zu ersparen. 5. Der Hl. Stuhl widmet viele seiner Bemühungen der Frage des Friedens in der Welt von heute. In diesem Jahr sind 20 Jahre vergangen, daß die Enzyklika Pacem in terris Papst Johannes’ XXIII. erschien. Die Bemühungen auf diesem Gebiet wurden in vielerlei Form von Paul VI. weitergeführt. Sie sind sehr zahlreich und zugleich allgemein bekannt - es wäre schwierig, sie in diesem Augenblick im einzelnen in Erinnerung zu rufen. Ich möchte nur an die Initiative der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften von 1981 erinnern. Spezialisten von höchstem Rang aus Wissenschaften wie Physik, Biologie, Genetik und Medizin erarbeiteten eine Denkschrift über die voraussehbaren Folgen des Atomwaffengebrauchs. Diese Denkschrift wurde von Vertretern der Akademie den Regierungen der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten, Englands, Frankreichs sowie dem Generalsekretär und dem Vorsitzenden der Vollversammlung der UNO übergeben. Seit der Zeit Pauls VI. hat sich der Brauch eingebürgert, am Neujahrsfest einen Welttag des Friedens zu begehen, ein Brauch, der verbunden ist mit einer jährlichen Botschaft. Die diesjährige Botschaft vom 1. Januar 1983 trägt den Titel: „Der Dialog für den Frieden: eine Forderung an unsere Zeit.“ Ich habe mir erlaubt, den Text dieser Botschaft den höchsten Vertretern der Staatsmacht in Polen zu übersenden. Diese Botschaft nimmt Bezug auf die Erfahrungen der Vergangenheit, um dann zu zeigen, daß der Dialog für den Frieden besonders in unserer Epoche unerläßlich ist. Er ist auch möglich: „Die Menschen sind letztlich durchaus fähig“, lesen wir in der Botschaft, „Spaltungen, Interessenkonflikte und sogar Gegensätze zu überwinden, die tiefgreifend zu sein scheinen . . ., wenn sie nur an die Tugend des Dialogs glauben und bereit sind, sich als Menschen zu begegnen, um eine friedliche und vernünftige Lösung ihrer Konflikte zu suchen.“ 6. Im weiteren Verlauf charakterisiert das Dokument die Merkmale eines echten Dialogs sowie die Hindernisse, auf die jener echte Dialog stößt. Breiten Raum gibt die diesjährige Botschaft dem Dialog für den Frieden auf internationaler Ebene. Mit Rücksicht auf die Umstände erlaube ich mir, auch auf den Paragraphen unter der Überschrift „Dialog auf nationaler Ebene“ hinzuweisen. 439 REISEN „Der Friedensdialog“, lesen wir, „muß . . . geführt werden. Er soll soziale Konflikte lösen und das Gemeinwohl fördern. Unter Achtung der Interessen der verschiedenen Gruppen ist durch den Dialog in der Ausübung der demokratischen Freiheiten und Pflichten aller ein dauerndes friedliches Zusammenwirken möglich, gestützt auf Strukturen der Beteiligung und auf vielfältige Instanzen des Ausgleichs zwischen Unternehmern und Arbeitern. Die kulturellen, völkischen und religiösen Gruppen, die eine Nation bilden, sind dabei zu beachten und einzubeziehen. Wo der Dialog zwischen Regierung und Volk unglücklicherweise fehlt, ist der soziale Frieden bedroht oder sogar abwesend; das ist wie ein Kriegszustand. Aber Geschichte und Gegenwart zeigen, daß es vielen Staaten gelang - und immer wieder gelingt -, sich wirkungsvolle Mittel des Dialogs zu schaffen und so ein echtes und dauerhaftes Zusammenwirken zu erreichen, das die bei ihnen entstehenden Konflikte löst oder gar verhindert . . .“ 7. Sehr geehrte Herren! Ich komme noch einmal auf die Worte Pauls VI. zurück: „Ein blühendes und glückliches Polen liegt im Interesse des Friedens und einer guten Zusammenarbeit zwischen den Völkern Europas . . .“ Als Sohn der polnischen Erde mache ich diese Worte in besonderer Weise zu meinem eigenen Wunsch für die Nation und den Staat. Diesen Wunsch richte ich gleichzeitig an die Vertreter der Staatsmacht sowie an die ganze Gesellschaft. Ich wünsche inbrünstig, daß Polen stets den ihm gebührenden Platz unter den Nationen Europas einnimmt, zwischen Ost und West. Ich wünsche inbrünstig, daß die Voraussetzungen dieser „guten Zusammenarbeit“ mit allen westlichen Nationen auf unserem Kontinent von neuem existieren wie auch auf dem amerikanischen Kontinent, insbesondere wenn es um die Vereinigten Staaten von Nordamerika geht, wo so viele Millionen Bürger polnischer Abstammung sind. Ich bin tief davon überzeugt, daß solche Bedingungen sich einstellen können. Auch das ist eine der Aufgaben des Dialogs - des internationalen Dialogs - zugunsten des Friedens in der Welt von heute. Ich weiß auch, daß die Polnische Bischofskonferenz ständig unermüdliche Anstrengungen unternimmt, damit der von der Kirche verkündete Grundsatz des Dialogs zu einer fruchtbaren Grundlage sowohl des inneren Friedens wie auch der „guten Zusammenarbeit“ zwischen Polen und anderen Nationen Europas und der Welt werden kann. 8. Ich will noch einmal meinen Dank zum Ausdruck bringen für die Einladung in mein Vaterland. Ich möchte auch meinen Dank richten an 440 REISEN die Vertreter der obersten Behörden der Volksrepublik Polen für alles, was sowohl diese Behörden als auch die ihnen unterstellten Verwaltungsorgane im Land getan haben, um meine Begegnung mit Nation und Kirche in meinem Vaterland vorzubereiten. Ähnlich wie zur Zeit meines vorigen Besuches will ich zum Schluß feststellen, daß ich jedes wahre Wohl meines Vaterlandes weiterhin als mein Wohl betrachten werde, so als wohnte ich weiterhin in diesem Land, ja aufgrund der Entfernung in noch stärkerem Maß. Mit genau der gleichen Intensität werde ich auch weiterhin all das spüren, was Polen bedrohen, schaden, was ihm Abbruch tun, was für es Stagnation oder Scheitern bedeuten könnte. Im Gebet für Polen verbinden sich mit mir Scharen von Menschen guten Willens auf der ganzen Welt. Ich äußere darüber hinaus meine Hochachtung vor allen hohen Vertretern der Staatsmacht und zugleich für jeden gemäß dem ausgeübten Amt, gemäß der Würde, die er bekleidet, sowie gemäß jener Verantwortung, die auf jedem von Ihnen, sehr geehrten Herren, angesichts der Geschichte und des eigenen Gewissens lastet. Ich möchte auch danken für die mir übergebenen Geschenke, die sehr wertvoll und aussagekräftig sind, vor allem in dieser historischen Stunde, da wir an den 300. Jahrestag des Entsatzes von Wien erinnern. Meinerseits möchte ich darum bitten, meine Geschenke anzunehmen, eine Statue des hl. Johannes des Täufers, ein Werk der Carrara-Kunst aus dem 16. Jahrhundert aus den Vatikanischen Museen. Der Name dieses Heiligen ist verbunden mit den letzten Päpsten, angefangen von Johannes XXIII. Um an diese Vorgänger zu erinnern, möchte ich zum Andenken an meinen Besuch in Polen dieses Werk zurücklassen, das in sich ein biblisches Motiv und ein Motiv päpstlicher Tradition verbindet, und ich bitte herzlich, es anzunehmen. 441 REISEN Rückkehr zur Einheit in Demut Ansprache vor Vertretern des Polnischen Ökumenischen Rates in Warschau am 17. Juni Liebe Brüder in Christus! „Gott, unser Vater, und Jesus, unser Herr, mögen unsere Schritte zu euch lenken. Euch aber lasse der Herr . . . reich werden in der Liebe zueinander und zu allen, wie auch wir euch lieben“ (1 Thess 3, 11-12). Diese Worte des Gebets um gegenseitige Liebe, die der Apostel Paulus einst an die Gemeinde der Gläubigen in Thessaloniki schrieb, richte ich heute an alle christlichen Brüder in meinem Vaterland, mit denen mich der gleiche apostolische Glaube an Jesus Christus verbindet. Denn zusammen können wir die Worte des hervorragenden protestantischen Theologen wiederholen, der zu den geistigen Vätern der Erneuerung gezählt wird, die verbunden ist mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil: daß „wir noch immer anders glauben, aber doch nicht an einen anderen“ (Karl Barth). Die Erfahrung des lebendigen Glaubens an diesen gleichen Jesus Christus, unseren Herrn und Erlöser, bestimmt den ökumenischen Charakter der heutigen Begegnung in Warschau. Innig wünschte ich dieses Treffen noch während meiner ersten apostolischen Reise in das Heimatland. Als ich meine Dankbarkeit für den Brief zum Ausdruck brachte, den ich damals von Vertretern des Polnischen Ökumenischen Rates erhalten hatte, sagte ich in Blonie Krakowskie: „Selbst wenn es wegen des dichten Arbeitsprogrammes nicht zu einer Begegnung in Warschau gekommen ist, so denkt daran, teure Brüder in Christus, daß ich dieses Treffen als lebendigen Wunsch und als Ausdruck des Vertrauens in die Zukunft im Herzen trage“ (AAS, 71,1979, S. 878). Voll Freude danke ich deshalb dem Herrn dafür, daß er mir heute das zuteil werden ließ, was ich im Herzen wünschte, und daß er mir erlaubte, jeden meiner Pläne zu erfüllen (vgl. Ps 20, 5). Ich glaube, diese Freude ist beiderseitig, denn sie entspringt der gleichen Quelle, die Christus ist. Er ist es, der unsere Begegnung leitet, denn er selber hat uns dessen versichert: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18, 20). Mit dem polnischen Gruß „Gelobt sei Jesus Christus“ begrüße ich alle Teilnehmer dieses ökumenischen Treffens, sowohl die Katholiken wie auch die anderen Christen. 442 REISEN Ich begrüße herzlich den Vorsitzenden der Kommission der Bischofskonferenz für Fragen der Ökumene, Bischof Alfons Nossol, den Ordinarius der Diözese Opole (Oppeln). Unter uns ist Bischof Wladyslaw Miziolek, Weihbischof der Erzdiözese Warschau, stellvertretender Vorsitzender ebendieser Kommission; in seiner Person begrüße ich den unermüdlichen Sachwalter der Ökumene an der Weichsel. Brüderliche Grüße der Liebe und des Friedens richte ich an die beim heutigen Treffen anwesenden Vertreter von acht im Polnischen ökumenischen Rat vereinten Kirchen, der seit mehreren Monaten vom Bischof der Evangelischen Kirche Augsburgischen Bekenntnisses, Janusz Narzynski, geleitet wird. Ich grüße auch die hier anwesenden Vertreter der jüdischen und muslimischen Gemeinden, mit denen uns der Glaube an den einen Gott verbindet, den allmächtigen, barmherzigen und gerechten. Unsere Begegnung wird belebt durch den Geist der brüderlichen Liebe, die das Evangelium Christi auszeichnet. Aus diesem Geist brüderlicher Liebe entsteht in den zwischenmenschlichen Beziehungen wechselseitige Nachsicht, die Achtung vor fremden Anschauungen und Neigungen und insbesondere vor unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen oder Sitte. Dies ist der Geist der Toleranz, der so tief verwurzelt ist in unseren religiösen, sozialen und nationalen Traditionen, daß Polen zu Recht den Namen eines „Staates ohne Scheiterhaufen“ verdient hat. Der Geist der Offenheit gegenüber den anderen Der Geist der Offenheit gegenüber den anderen sowie das Verlangen nach gegenseitiger Annäherung zwischen den verschiedenen christlichen Bekenntnissen beleben seit langem die ökumenischen Bestrebungen in diesem Land. Gestattet, daß ich hier an das „Colloquium Charitativum“ erinnere, das 1645 auf Initiative der zwei Jahre zuvor auf der Warschauer Synode versammelten katholischen Bischöfe sowie mit Unterstützung König Wladyslaw IV. nach Torun (Thorn) einberufen wurde. Diese „Begegnung der Liebe“ hatte das Ziel, die Einheit und die Eintracht zwischen Katholiken, Lutheranern und Kalvinisten wiederherzustellen. Für ihren Verlauf interessierte man sich in ganz Europa. Die lang andauernden Diskussionen, an denen 76 Theologen beteiligt waren, umfaßten hauptsächlich die Lehre, die Praktiken und die Sitten. Wegen krasser dogmatischer Unterschiede, aber auch aufgrund gesellschaftlicher Bedingtheiten erreichte man die beabsichtigte Verständigung nicht. Nach Meinung der Historiker stellte das „Colloquium Charitativum“ von Thorn 443 REISEN dennoch den Versuch dar, die Einheit durch Konfrontation der Anschauungen zu erreichen. Wenngleich es die erhofften Resultate nicht erbrachte, weckte es doch Achtung vor den geistigen und politischen Führern der Republik, indem es gewissermaßen den Anfang eines praktischen Ökumenismus bot. Das jüngste, das Zweite Allgemeine Vatikanische Konzil verstärkte in der katholischen Kirche das Verlangen nach Einheit, um die Christus den Vater in der Stunde bat, da er sich von den Jüngern trennte (vgl. Joh 17). Wir sind uns bewußt, daß die Rückkehr zur vollen Einheit große Demut und Liebe, Mut und Hoffnung erfordert. Unter der Inspiration des Heiligen Geistes haben wir bereits viele Schwierigkeiten und Hindernisse überwunden. Mit vielen Kirchen und christlichen Gemeinschaften führen wir einen offiziellen ökumenischen Dialog im Geiste der Suche nach Wahrheit in der Liebe. Für die Zukunft lassen die immer stärkere Annäherung und das Sich-Öffnen des Polnischen Ökumenischen Rates und der römisch-katholischen Kirche Gutes erhoffen, insbesondere die aufrichtigen Gespräche und gemeinsamen ökumenischen Anstrengungen in der gemischten Kommission beider Seiten. Voll Freude empfange ich von meinen Brüdern im Bischofsamt jede Nachricht über die Gebetswoche für die Einheit der Christen, die seit vielen Jahren traditionsgemäß im Monat Januar begangen wird. Die gemeinsamen Gebete derer, die sich zu Christus bekennen, sind nicht nur eine vorzügliche Gelegenheit, um die anderen Christen, die in der gleichen Gesellschaft leben, wahrzunehmen, sondern sie stellen vor allem eine Ermunterung dar, einen lebendigeren Glauben zu praktizieren. Sie sind gewissermaßen ein Appell, Christus inniger zu lieben. Den Christus, in dem wir alle eins sind! Auch wenn wir manchmal andere Traditionen, andere Bräuche, einen anderen Stil des Denkens haben, so fühlen wir uns dennoch alle zur engeren Vereinigung mit Christus und um Christus gerufen. Gerade diesem Ziel dienen die Gebete für die Einheit der Kirchen. Ohne diese Gebete wäre die ökumenische Bewegung nicht, was sie ist. Andere konkrete Beispiele für den Ökumenismus in der Praxis sind mir ebenfalls nicht fremd. Ich meine insbesondere, daß man die wissenschaftlichen und kulturellen Errungenschaften miteinander teilt, die eine Frucht christlicher Reflexion über die göttliche Offenbarung und über die Geschichte der Kirchen sind. In katholischen und nichtkatholischen Büchern und Zeitschriften werden - zwar in nicht großen Auflagen -immer häufiger Texte von Autoren veröffentlicht, die zu unterschiedli- 444 REISEN chen theologischen Traditionen gehören. Diese Publikationen zeugen von der gegenseitigen, ständig vertieften Kenntnis katholischer und christlicher Theologen. Sie lassen breitere Kreise von Gläubigen die Veränderungen verfolgen, die sich in der Weltkirche und in der ganzen Christenheit vollziehen. Sehr lebhaft geworden sind unsere Kontakte mit den einzelnen orthodoxen Kirchen. Mit der gemischen katholisch-orthodoxen Kommission arbeiten Vertreter aus Polen aktiv zusammen; bekannt ist auch deren Beteiligung an den Treffen auf Patmos und in München, die der theologischen Problematik gewidmet sind. All das trägt zweifellos dazu bei, neue echte ökumenische Haltungen heranzubilden. Dies ist auch ein besonderer Dialog, der dazu beitragen soll, sich gegenseitig kennenzulernen und zu heben in der einen großen Gemeinschaft der Gläubigen in Christus. Für diesen achtens- und anerkennenswerten ökumenischen Dienst in Polen sage ich den Gläubigen anderer Kirchen und meinen Mitgläubigen ein christliches, gebührendes „Vergelt’s Gott“, und ich erbitte für ihre Anstrengungen und weiteren Erfolge vom Herrn den Segen. Ich möchte auch jenen eine fruchtbare, brüderliche Zusammenarbeit wünschen, die an der Versammlung des Weltrates der Kirchen teilnehmen, die Ende Juli, Anfang August in Vancouver unter dem Thema stehen wird „Jesus Christus - das Leben der Welt“. Das Heilige Jahr dient der Sache der Ökumene Zum Abschluß dieser Begegnung will ich jenen inbrünstigen Appell erneuern, den ich „an alle, auf denen die Verantwortung für andere Kirchen und andere kirchliche Gemeinschaften ruht, sowie an deren Mitglieder“ richtete, als ich das Jubiläum der Erlösung allen Gläubigen der katholischen Welt ankündigte {Ansprache an die Kardinale und Mitglieder der Römischen Kurie, Nr. 9, in: O.R.dt. Nr. 1 vom 7. 1. 83). Indem ich auf die Werte dieses Jubiläums hinwies, unterstrich ich, daß es ein „großer Dienst für die Sache des Ökumenismus“ ist. „Wenn wir die Erlösung feiern, betreten wir ein Feld jenseits historischer Mißverständnisse und zufälliger Kontroversen und befinden uns auf dem gemeinsamen Boden unseres Christseins, das heißt, unseres Erlöstseins. Diese Erlösung eint uns alle in der einen Liebe zu Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen“ {ebd.). Deshalb bitte ich euch, teure Brüder, daß ihr zusammen mit den Kirchen und Gemeinschaften „die Feier des Jahres der Erlösung mit eurem Gebet begleitet, mit eurem Glauben an Christus, den Erlöser, mit eurer Liebe, die mit uns zusammen zu einem immer tieferen 445 REISEN Verlangen wird, das Gebet Jesu vor seinem erlösenden Leiden zu verwirklichen: ,Alle sollen eins sein‘ (Joh 17, 21)“ (ebd.). Verbunden durch das Band brüderlicher Liebe und des Friedens wollen wir gemeinsam die Worte des Gebetes sprechen, das Christus selber uns gelehrt hat: „Vater unser . . Für eine christliche Wertordnung Ansprache vor Vertretern der Katholischen Universität Lublin in Warschau am 17. Juni Hochwürdiger Pater Rektor, werte Damen und Herren! Ich danke für Ihren Besuch in Warschau, da es nicht zu meinem Besuch in Lublin kommen konnte. Ich will noch einmal versichern, daß ich mich in der Katholischen Universität Lublin, die eine Reihe von Jahren meine Arbeitsstätte war, sehr gern einfinden wollte - und weiterhin will. Der Arbeit auf Ihrer Universität verdanke ich viel, und ich schätze diese Arbeit hoch ein. Die Philosophische Fakultät wollte auf meine Arbeit nicht einmal dann verzichten, als ich sie als Erzbischof von Krakau nur sehr fragmentarisch ausüben konnte. Es ist jedoch wahr, daß ich bis zum Jahre 1978 wissenschaftliche Kontakte mit der Universität unterhielt und daß ich vor allem - dank der prächtigen Mitarbeiter, die für mich an Ort und Stelle einsprangen - „aus der Ferne“ den Lehrstuhl für Ethik leiten konnte. Wenn Dekanat und Rektorat sich trotz meiner mehrfachen Bitte um Entpflichtung ständig entschieden, diesen Vertrag aufrechtzuerhalten, dann finde ich darin eine gewisse „Lossprechung“. Die Angelegenheiten der Wissenschaft, insbesondere die Angelegenheiten der akademischen Lehre, lagen mir stets sehr am Herzen. Katholische Hochschulen hielt ich immer und halte ich für ein unerläßliches Bestandselement in der Sendung der Kirche. Wenn Christus seine Apostel ausgesandt hat, alle Völker zu lehren (vgl. Mt 28, 19), dann ist in diesem Auftrag eine grundlegende Prämisse dafür enthalten, daß man sich auf das Gebiet der Wissenschaft begibt, denn zwischen Lehre und Wissenschaft besteht eine enge und organische Verbindung. 446 REISEN Ich freue mich darüber, daß in dem Jahr, in dem Polen seine staatliche Unabhängigkeit wiedererlangte - im Jahre 1918 -, in Lublin eine Katholische Universität entstand. Dieses Zusammentreffen von Daten sagt Vielfältiges aus. Offensichtlich besteht eine organische Verbindung zwischen der Unabhängigkeit und der Universität ebenso wie zwischen der Unabhängigkeit und der Katholizität. Diese Aussage findet auch ihren Ausdruck in der Losung „Deo et Patriae“, der die Katholische Universität Lublin über alle Jahre ihres Bestehens treu blieb, und wir zählen schon 65 dieser Jahre. Ich freue mich darüber, daß ich an diesem 65jährigen Bestehen auch meinen - sehr bescheidenen - Anteil haben durfte. Wenn Sie sich heute entschieden haben, mir die Doktorwürde „honoris causa“ zu verleihen, so füge ich mich in diesem Fall, wenngleich das mit der Tradition meines Amtes eher nicht vereinbar ist. Ich kann mich der Leitung jener Universität nicht widersetzen, die so viele Jahre lang mein Arbeitgeber war - und die Universitätsleitung stellte mir gegenüber eine Vorgesetzte Instanz dar. Ich muß im übrigen loyal zugestehen, daß ich schon einmal in ähnlicher Weise mich einer Universitätsgewalt „fügte“ (das begab sich im portugiesischen Coimbra). Möge - ähnlich wie in jenem Fall, in diesem Fall noch stärker! - diese meine Fügsamkeit Ausdruck der Hochachtung und Liebe sein, die ich für die Wissenschaft und insbesondere für die Katholische Universität Lublin hege. Möge sie Ausdruck der Liebe sein, mit der ich diese Katholische Alma Mater in meinem Vaterland umgebe. Ich möchte meine tiefe Verehrung bezeugen gegenüber allen Generationen von Rektoren, Professoren, von Mitarbeitern der Wissenschaft und der Verwaltung, schließlich gegenüber allen Generationen von Studenten der Katholischen Universität Lublin. Wenn auch unter überaus bescheidenen Umständen, so erbauten sie doch — gestützt auf die Opferwilligkeit der katholischen Bevölkerung in Polen - ein großes Gebäude. Sie bauten es unter allen diesen Schwierigkeiten, die das Vaterland im Laufe der 65 Jahre erlebte, insbesondere während des Zweiten Weltkrieges und der schrecklichen Besatzungszeit. Eine große Tradition europäischer Universitätskultur Von diesen Generationen, die vergangen sind und sich in die Blätter der Geschichte der katholischen Hochschule eingeschrieben haben, will ich übergehen zu den gegenwärtigen. Ich wende mich an die ganze Universität, an alle Fakultäten, an alle Arbeitsbereiche der Wissenschaft wie auch der Verwaltung, die mit der akademischen Struktur der Universität 447 REISEN verbunden sind. Ich habe den Wunsch, daß die Katholische Universität Lublin authentisches Milieu wissenschaftlicher und erzieherischer Arbeit entsprechend den besten Traditionen polnischer, europäischer und globaler Universitätskultur darstellt. Ich habe den Wunsch, daß sie eine lebendige Gemeinschaft von Professoren und Studenten sei, die durch tiefe Liebe zur Wahrheit zusammengeschweißt und gleichzeitig tief verwurzelt sind in der christlichen - und zugleich wahrhaft humanistischen - Wertordnung. Ich habe den Wunsch, daß unsere katholischen Universitäten dem polnischen Land weise und mutige Menschen heranbilde. Meine Begegnung mit einer Vertretung der Katholischen Universität Lublin findet auf dem Weg meiner zweiten Pilgerreise in das Vaterland statt, die verbunden ist mit dem 600jährigen Jubiläum von Jasna Göra. Ich befinde mich auf dem Weg von Warschau über Niepokalanöw nach Jasna Göra. Dort will ich, vor dem Bild der Mutter unserer Nation, diese akademische Auszeichnung, die mir von Ihrer Seite zuteil wird, als Votivgabe niederlegen. Dort will ich Maria, dem Sitz der Weisheit, die katholische Alma Mater von Lublin und alles das anvertrauen, was sie für die Zukunft der Kirche, der Nation und deren Kultur tut. „Polens Schicksal kann den Völkern der Welt nicht gleichgültig sein ‘ ‘ Predigt bei der Messe im Warschauer Stadion „Dziesieciolecia“ am 17. Juni 1. Gelobt sei Jesus Christus! Ich begrüße mit diesem christlichen Gruß die in dieser liturgischen Gemeinschaft versammelten Bewohner von Warschau, der Hauptstadt Polens, sowie alle Gäste, die von außerhalb der Erzdiözese Warschau hierhergekommen sind. Ich begrüße den Kardinal-Primas von Polen, als Metropoliten von Warschau, alle Kardinäle, Gäste, Erzbischöfe und Bischöfe, besonders jene, die mit mir dieses heilige Opfer feiern. Ich begrüße das Metropolitankapitel und die gesamte Geistlichkeit Warschaus und der Erzdiözese, die Nachbarn sowie die Gäste aus anderen 448 REISEN Gegenden Polens. Ich begrüße die männlichen und weiblichen Orden, die geistlichen Seminare sowie die Katholischen Akademischen Hochschulen, die hier vertreten sind. Ich begrüße euch alle: Brüder und Schwestern! Meine Landsleute! 2. Ich lobte Jesus Christus mit dem altpolnischen Gruß, und ihr habt alle geantwortet: „In Ewigkeit.“ Denn Christus ist „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ {Hebr 13, 8). Denn Christus ist „der Herr des kommenden Zeitalters“, wie es die erste Lesung der heutigen Liturgie aus dem Buch der Offenbarung bezeugt. Er, der gekreuzigte und auferstandene Christus, ist der, welcher schon in der Geschichte des Kosmos und in der Geschichte der Menschheit das „ewige Leben“ eröffnete. Er ist es, der als Erlöser der Welt bereits „einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Offb 21, 1) bereitet. Durch ihn sieht Johannes, der Verfasser der Offenbarung, „die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott her aus dem Himmel herabkommen; . . . bereit wie eine Braut, die sich für ihren Mann geschmückt hat {ebd., Vers 2). Durch ihn, Christus, hört Johannes, der Verfasser der Offenbarung, die laute Stimme rufen: „Seht die Wohnung Gottes unter den Menschen! Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden sein Volk sein; und er, Gott, wird bei ihnen sein. Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: der Tod wird nicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. . .“ {ebd., 3-4). Er, der gekreuzigte und auferstandene Christus, bewirkt, daß - wenn die ersten Dinge vergehen - sich zugleich die Worte der Schrift erfüllen: „Seht, ich mache alles neu“ {ebd., Vers 5). Als ich den Namen Jesu Christi pries, antwortetet ihr: „In Ewigkeit“, und ihr erfaßtet mit dieser Antwort nicht nur die ganze noch vor euch liegende Zukunft der irdischen, vergehenden Welt, sondern auch diese ganze Dimension des „kommenden Zeitalters“, in das Gott selber durch Christus die Welt und die Menschheit im Heiligen Geiste führt. 3. Christus - der „Vater des kommenden Zeitalters“ - ist gleichzeitig Gestern und Heute. Als ich im ersten Jahr meines Dienstes auf dem römischen Stuhl Petri in Polen weilte, sagte ich in Warschau auf dem Siegesplatz, die Geschichte unseres Vaterlandes, unser historisches Gestern, aber auch das Heute seien ohne Christus schwer zu begreifen. Besondere Gegenwart Mariens in der Geschichte Polens Nach vier Jahren komme ich erneut als Pilger nach Jasna Göra, um am heimatlichen Jubiläum dieses Gnadenbildes teilzunehmen, in dem die 449 REISEN Mutter Christi seit sechs Jahrhunderten unter unserer Nation weilt. Das Evangelium der heutigen Liturgie - das gleiche, das auf Jasna Göra gelesen wird - vergleicht diese Anwesenheit Mariens unter uns mit ihrer Anwesenheit in Kana in Galiläa. Zusammen mit ihr kamen Jesus und seine Jünger dorthin. Wenn wir sagen, daß man unser historisches Gestern und auch das Heute nicht ohne Christus begreifen kann, dann macht das Jubiläum von Jasna Göra deutlich, daß jene Anwesenheit Christi in unserer Geschichte -ähnlich wie in Kana in Galiläa - wunderbar verbunden ist mit der Anwesenheit seiner Mutter. Diese uns so teure Anwesenheit bezeugt die Kirche in Polen eben durch das vorjährige Jubiläum von Jasna Göra, das in das laufende Jahr verlängert wurde. Diese gleiche mütterliche Gegenwart will auch ich bezeugen zusammen mit euch - und deshalb komme ich in das Vaterland und danke zugleich der ganzen Bevölkerung für die Einladung. Gemeinsam mit euch, teure Brüder und Schwestern, will ich am Anfang dieser meiner Pilgerreise bekennen, daß dank der besonderen Gegenwart Mariens in der Geschichte unserer Nation Christus selber, in seiner Göttlichkeit und Menschlichkeit zugleich, uns näher ist. Durch das Herz seiner eigenen Mutter bemühen wir uns, das Kreuz und die Auferstehung zu erfassen, bemühen wir uns, das Geheimnis der Erlösung zu erfassen. Wir suchen - so wie diese Menschen in Kana in Galiläa - Zugang zu Christus durch Maria. Der christozentrische Charakterzug unseres Christseins hat sich tief verbunden mit dem marianischen, mütterlichen Charakterzug. Ich sage das in Warschau, der Hauptstadt Polens, deren Patronin seit alters her die Muttergottes von der Gnade ist. Und ich sage das zugleich in einem bestimmten historischen Augenblick. Im Jahre 1983 wirft ein historisches Datum von vor 300 Jahren - der Entsatz Wiens, der Sieg von Wien! - einen hellen Widerschein auf den breiten Hintergrund unseres polnischen Millenniums und zugleich auf den Hintergrund der 600-Jahr-Feier von Jasna Göra. Dies ist ein Jahrestag, der uns Polen alle verbindet, ja auch unsere Nachbarn im Süden sowie im Westen - die näheren und die ferneren. So wie uns vor 300 Jahren die gemeinsame Bedrohung verband, so ist es nach 300 Jahren mit dem Jahrestag des Kampfes und Sieges der Fall. „ Wir kamen, wir sahen, Gott hat gesiegt“ Dieser Kampf und Sieg tat keinen Abgrund auf zwischen dem polnischen und dem türkischen Volk. Ganz im Gegenteil, er weckte Achtung und 450 REISEN Anerkennung. Wir wissen, daß - als Polen am Ende des 18. Jahrunderts von der politischen Landkarte Europas verschwand - die türkische Regierung, die vollendete Tatsache der Teilungen nie anerkannt hat. Am Hof der Ottomanen fragte man - wie die Tradition berichtet - bei feierlichen Empfängen die ausländischen Gesandten immer wieder: „Ist der Gesandte aus Lechistan anwesend?“ Die Antwort „Noch nicht“ fiel so lange, bis das Jahr 1918 kam und der Gesandte des unabhängigen Polen erneut in der Hauptstadt der Türkei Einzug hielt. Ich konnte mich davon überzeugen, als ich die Hauptstadt der Türkei besuchte, um auch das Patriarchat in Konstantinopel aufzusuchen. Man muß an diese charakteristische Einzelheit erinnern, um den Wert der Entsetzung Wiens im Jahre 1683 - und den Sieg König Jan III. Sobieskis - voll und ganz einschätzen zu können. 5. Den Sieg meldete der König dem Apostolischen Stuhl mit den kennzeichnenden Worten: „Venimus, vidimus, Deus vicit“ - wir kamen, wir sahen, Gott hat gesiegt. Diese Worte eines christlichen Herrschers haben sich tief sowohl in das Millennium unserer Taufe wie auch in das diesjährige Jubiläum von Jasna Göra eingeschrieben. Jan III. pilgerte während seines Wiener Feldzuges nach Jasna Göra und zu anderen Marienheiligtümern. Die Königsworte haben in unserer historisches Gestern die evangelische Wahrheit vom Siege eingeschrieben, von dem auch die zweite Lesung der heutigen Liturgie spricht. Der Mensch ist dazu berufen, den Sieg in Jesus Christus davonzutragen. Es ist dies der Sieg über die Sünde, über den „alten Menschen“, der tief in jedem von uns steckt. „Durch den Ungehorsam des einen Menschen wurden alle zu Sündern . . ., durch den Gehorsam des Einen wurden alle zu Gerechten“ (Röm 5, 19). Der hl. Paulus spricht von Adam und von Christus. „Deus vicit“ (Gott hat gesiegt): durch die Kraft Gottes, der aufgrund Jesu Christi in uns durch den Heiligen Geist wirkt, ist der Mensch zum Sieg über sich selbst berufen. Zum Sieg über das, was unseren freien Willen knebelt und ihn dem Bösen untertan macht. Ein solcher Sieg bedeutet Leben in Wahrheit, ein redliches Gewissen, die Liebe zum Nächsten, die Fähigkeit zur Verzeihung, die geistige Entfaltung unseres Menschentums. In den letzten Monaten erhielt ich viele Briefe von verschiedenen Personen, unter anderem von Internierten. Diese Briefe waren für mich recht häufig ein erbauliches Zeugnis von eben solchen inneren Siegen, bei denen man sagen kann: „Deus vicit“ - Gott hat im Menschen gesiegt. Denn der Christ ist in Jesus Christus zum Sieg berufen. Ein solcher Sieg ist 451 REISEN ebensowenig von Mühsal, ja sogar Leid zu trennen wie die Auferstehung Christi vom Kreuz. „Doch schon heute hat gesiegt - selbst wenn er getreten auf der Erde läge wer liebt und verzeiht“, sagte Kardinal Stefan Wyszynski, „wer wie Christus sein Herz hingibt, ja sogar das Leben für die Brüder“ {Predigt am 24. 6. 1966). 6. Auch die Nation erringt im Laufe ihrer Geschichte Siege, über die sie sich freut, so wie sie sich in diesem Jahre über den Sieg von Wien freut -aber andererseits erleidet sie Niederlagen, die sie schmerzen. Solche Niederlagen hat es im Laufe der letzten Jahrhunderte viele gegeben. Wir würden nicht die ganze Wahrheit sagen, wenn wir feststellen wollten, daß dies nur politische Niederlagen bis hin zum Verlust der Unabhängigkeit gewesen wären. Dies waren auch moralische Niederlagen: der Verfall der Moral in der Sachsenzeit, der Verlust des Empfindens für das Gemeinwohl bis hin zu strafwürdigen Verbrechen gegen das eigene Vaterland. Aber schon die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts bringt entschiedene Anstrengungen mit dem Ziel einer gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Erneuerung. Man braucht nur an die Erziehungskommission, vor allem aber an die Verfassung vom 3. Mai (1791) zu erinnern. Vor dem Hintergrund dieser Anstrengungen bedeutet der Stoß, der unserer Ersten Republik von den Teilungsmächten versetzt wurde, ein schreckliches geschichtliches Unrecht, eine Verletzung der Rechte der Nation und der internationalen Ordnung. So wie der Mensch fühlt, daß er einen moralischen Sieg davontragen muß, wenn sein Leben einen wirklichen Sinn haben soll, so geht es auch mit der Nation, die eine Gemeinschaft von Menschen ist. Deshalb dauerten das ganze 19. Jahrhundert hindurch unermüdliche Anstrengungen mit dem Ziel des moralischen Wiederaufbaus und der Wiedererlangung der politischen Unabhängigkeit, was im Ergebnis des Ersten Weltkrieges geschah. Ich spreche deshalb darüber, weil die Geschichte der Nation sich hineinschreibt in unser vaterländisches Jubiläum der 600jährigen Anwesenheit Mariens, der Königin Polens, auf Jasna Göra. Dort finden auch die Siege und Niederlagen ihren starken Widerhall. Von dort her kommt ständig der Appell, sich der Niederlage nicht zu ergeben, sondern Wege zum Sieg zu suchen. Christus ist der „Vater des kommenden Zeitalters“, aber das Himmelreich überschreitet die Dimension des Irdischen. Gleichzeitig jedoch ist Christus Gestern und Heute - und hier begegnet er jedem von uns, dem Menschen jeder Generation, hier begegnet er auch der Nation, die eine Gemeinschaft von Menschen ist. Aus dieser Begegnung kommt 452 REISEN jener Aufruf zum Sieg in der Wahrheit, in der Freiheit, in Gerechtigkeit und Liebe, von dem Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in terris spricht. 7. Diese Enzyklika erschien vor zwanzig Jahren, und sie enthielt einen starken Widerhall jener Bemühungen, die auf die Erhaltung des Friedens in der Welt von heute nach den schrecklichen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges abzielten. Die Kirche nimmt teil an diesen Bemühungen der Menschheitsfamilie, sie hält dies für einen Teil ihrer evangelischen Sendung. Als Nachfolger Johannes’ XXIII. sowie Pauls VI. auf dem römischen Stuhl hatte ich Gelegenheit, mich mehrfach zu diesem Thema zu äußern. Bald nach der Rückkehr aus Polen im Jahre 1979 tat ich dies vor dem Forum der Organisationen der Vereinten Nationen in New York. Unvergessen wird für mich die Botschaft - das Gebet - von Hiroshima im Februar 1981 sein. Ich kann heute nicht umhin, auf dieses gleiche Thema zurückzukommen, wenn ich in Warschau, der polnischen Hauptstadt, bin, die im Jahre 1944 von den Aggressoren in eine Ruine verwandelt wurde. Deshalb erneuere ich von hier meine Botschaft des Friedens, die von seiten des Hl. Stuhles ständig an alle Nationen und Staaten ergeht, insbesondere an die, die für die Sache des Friedens in der Welt von heute die größte Verantwortung tragen. Das Recht Polens auf eine souveräne Existenz Auch aus dieser Stadt, der Hauptstadt der Nation und des Staates, die mit einem Aufwand größter Opfer während des letzten Krieges für die gute Sache gekämpft hat, will ich allen in Erinnerung rufen, daß das Recht Polens auf eine souveräne Existenz, aber auch auf eine richtige Entfaltung im kulturellen und gesellschaftlich-ökonomischen Bereich an das Gewissen vieler Menschen und vieler Völker in der Welt appelliert. Polen hat bis zum letzten, ja: überreichlich! die Bündnisverpflichtungen erfüllt, die es in der schrecklichen Erfahrung der Jahre 1939-1944 auf sich genommen hatte. Das Schicksal Polens im Jahre 1983 kann den Völkern der Welt - insbesondere Europas und Amerikas - nicht gleichgültig sein. Meine teuren Landsleute! Brüder und Schwestern! Im Jahre 1944 wurde die Hauptstadt Polens in eine große Ruine verwandelt. Im Laufe der Nachkriegsjahre wurde das gleiche Warschau so wieder aufgebaut, wie wir es heute sehen, insbesondere hier auf diesem Platz: alt und modern 453 REISEN zugleich. Ist das nicht ein weiterer moralischer Sieg der Nation? Und die so vielen anderen Städte und Zentren, die auf polnischen Gebieten wiedererrichtet wurden - insbesondere in den nördlichen und westlichen Gebieten, wohin mich zu begeben mir im Rahmen der diesjährigen Pilgerreise vergönnt sein wird: nämlich nach Wroclaw (Breslau) und zum Sankt-Anna-Berg. Venimus, vidimus, Deus vicit. . . Die Worte des Königs, gesprochen nach dem Sieg von Wien, haben sich eingeschrieben in den Inhalt unseres Millenniums, sie haben sich auch eingeschrieben in den Inhalt dieses Jubiläums von Jasna Göra, durch das wir unseren Dank ausdrücken für die 600jährige besondere Anwesenheit der Muttergottes in unserer Geschichte. Das Verlangen nach einem Sieg, nach einem edlen Sieg, nach einem mit Mühsal und mit dem Kreuz erkauften Sieg, nach einem Sieg, der sogar durch Niederlagen errungen wird, gehört zum christlichen Programm des Lebens eines Menschen. Auch des Lebens einer Nation. Mein gegenwärtiger Besuch im Vaterland fällt in eine schwierige Zeit. Schwierig für viele Menschen, schwierig für die ganze Gesellschaft. Wie groß diese Schwierigkeiten sind, das wißt ihr, hebe Landsleute, besser als ich - wenngleich auch ich die ganze polnische Erfahrung der letzten Jahre (angefangen vom August 1980) tief durchlebe. Sie - diese polnische Erfahrung - ist im übrigen wichtig für viele Völker Europas und der Welt - und nirgends fehlt es an Menschen, die sich darüber Rechenschaft geben. Es fehlt auch nicht an solchen, die besonders seit dem Dezember 1981 meiner Nation Hilfe leisten, wofür auch ich allen danke. Dennoch muß die Nation vor allem aus eigenen Kräften leben. Sie selber muß diesen Sieg erringen, den die göttliche Vorsehung ihr in dieser geschichtlichen Epoche aufgibt. Wir alle sind uns dessen bewußt, daß es nicht um einen militärischen Sieg geht wie vor 300 Jahren, sondern um einen Sieg moralischer Natur. Dieser ist es eben, der das Wesen der vielmals proklamierten Erneuerung darstellt. Es geht hier um eine reife Ordnung des nationalen und staatlichen Lebens, in der die grundlegenden Rechte des Menschen respektiert werden. Nur ein moralischer Sieg kann die Gesellschaft aus der Spaltung herausführen und ihr die Einheit wiedergeben. Eine solche Ordnung muß gleichzeitig ein Sieg der Regierten und der Regierenden sein. Man muß sie erreichen auf dem Wege des wechselseitigen Dialogs und der wechselseitigen Verständigung, auf dem einzigen Wege, der es der Nation gestattet, in der Fülle der Bürgerrechte zu leben und gesellschaftliche Strukturen zu besitzen, die ihren berechtigten Erfordernissen entsprechen; dies wird die Unterstützung freisetzen, 454 REISEN deren der Staat bedarf, um seine Aufgaben erfüllen zu können, und durch die die Nation wirklich ihre Souveränität zum Ausdruck bringen wird. Ich zitiere hier Worte aus dem Hirtenbrief der Polnischen Bischofskonferenz vom 19. August vergangenen Jahres: „Die polnische Nation braucht eine wahrhafte moralische und gesellschaftliche Erneuerung, um erneut den Glauben an sich selber wiederzufinden, an die eigene Zukunft, das Vertrauenin die eigenen Kräfte, um die moralischen Energien und die soziale Opferbereitschaft zu wecken, die nötig sind, um die großen Mühen und die unabdingbaren Entbehrungen zu bewältigen, die unser aller harren. Eine dringende Notwendigkeit ist es, das Vertrauen zwischen Gesellschaft und Staatsmacht wiederherzustellen, um in gemeinsamer Anstrengung eine bessere Zukunft des Vaterlandes aufzubauen und die Interessen der Nation und des Staates zu sichern.“ Pilgerfahrt zur Hauptstadt der Königin Polens Teure Brüder und Schwestern! Teilnehmer dieser Pilgerliturgie des Papstes, eures Landsmannes, in der Hauptstadt Polens. Von hier, von Warschau, breche ich nach Jasna Göra auf, das der verstorbene Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszynski, den „erleuchteten Berg des Sieges“ zu nennen pflegte. Ich will dorthin die besondere Gabe tragen, die darin besteht, daß im Jubiläumsjahr von Jasna Göra der polnische Märtyrer von Auschwitz, der hl. Maximilian Maria, zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Ich bin der göttlichen Vorsehung dankbar, daß es mir gegeben war, dies am 10. Oktober vergangenen Jahres zu vollziehen. Wenn ich von Warschau nach Jasna Göra aufbreche, dann füge ich mich geistig in diesen Pilgerzug ein, der seit 1711 - also seit 272 Jahren - Jahr um Jahr aus der Hauptstadt Polens in die Hauptstadt der Königin Polens zieht: die Warschauer Pilgerfahrt. Ich möchte hintreten vor die Gottesmutter und vor ihren göttlichen Sohn, Jesus Christus, welcher der „Vater des kommenden Zeitalters“ ist - und der zugleich das Gestern und das Heute ist. Im besonderen das Gestern und das Heute der Generationen, die über unsere heimatliche Erde gegangen sind und gehen. Ich will dorthin alle Leiden meiner Nation mitnehmen, zugleich aber diesen Siegeswillen, der sie in allen geschichtlichen Niederlagen und Prüfungen nicht verläßt. Und ich möchte sagen: „Nimm in deine Obhut das ganze Volk, das zu deinem Ruhme lebt. Möge es sich prächtig entfalten — o Maria!“ 455 REISEN „Liebe ist mächtiger als der Tod“ Predigt bei der Messe in Niepokalanöw am 18. Juni 1. Primas, Kardinäle, Erzbischöfe, Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, besonders ihr, Söhne und Töchter des hl. Franziskus, geliebte Landsleute, Brüder und Schwestern! Am 10. Oktober vergangenen Jahres durfte ich Maximilian Maria Kolbe, einen Sohn der polnischen Erde, zur Ehre der Altäre in der Weltkirche erheben. Dies war eine ungewöhnliche Heiligsprechung. Zu ihr waren auch Polen aus der Heimat und der Emigration in recht beachtlicher Zahl gekommen, aber sie stellten nur eine Minderheit in dieser großen Pilgerschar dar, die an diesem Sonntag den Petersplatz füllte. Gewiß waren sie aus Rom und ganz Italien gekommen, aber auch in bedeutender Anzahl aus Deutschland und aus anderen Ländern Europas wie auch von den übrigen Kontinenten, insbesondere aus Japan, das sein Herz mit dem Ritter der Immaculata für immer verbunden hat. Man spürte deutlich, daß die Proklamation Pater Maximilians zum Heiligen der Kirche einen neuralgischen Punkt, eine empfindliche Stelle im Menschen unserer Zeit trifft. Deshalb war auch die Erwartung vor dieser Heiligsprechung allgemein, und die Beteiligung daran bestätigte diese Erwartung. Wenn man nach den Motiven fragt, dann kann man feststellen, daß Maximilian Kolbe durch seinen Tod im Konzentrationslager, im Hungerbunker in einer besonders beredten Weise das Drama der Menschheit im 20. Jahrhundert bestätigte. Dennoch scheint mir das tiefere und eigentliche Motiv darin zu bestehen, daß in diesem Märtyrerpriester in besonderer Weise die zentrale Wahrheit des Evangeliums - die Wahrheit von der Macht der Liebe - transparent wurde. 2. „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15, 13) - so spricht Jesus beim Abschied von den Aposteln im Abendmahlssaal, bevor er in sein Leiden und seinen Tod geht. „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder heben“, wiederholt der Apostel Johannes gemäß dem Meister in seinem ersten Brief (3, 14). Und er zieht die Schlußfolgerung: „Daran haben wir die Liebe erkannt, daß Er sein Leben für uns hingege- 456 REISEN ben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben“ (ebd. 16). Eben diese Wahrheit des Evangeliums wurde durch die Auschwitzer Tat Pater Maximilian Kolbes besonders transparent. Man kann sagen, das vollendetste Beispiel, das der Welterlöser uns hinterlassen hat, wurde in dieser Tat mit vollkommenem Heroismus und gleichzeitig mit unerhörter Einfachheit aufgegriffen. Pater Maximilian tritt aus der Reihe vor, damit man ihn statt des Franciszek Gajowniczek als Kandidaten für den Hungerbunker nimmt: er faßt einen Entschluß, in dem gleichzeitig die Reife seiner Liebe und die Macht des Heiligen Geistes deutlich wird - und er erfüllt diese aus dem Evangelium getroffene Entscheidung bis zum Ende: er gibt sein Leben für seinen Bruder. Dies geschieht im Todeslager - an einem Ort, in dem über vier Millionen Menschen aus verschiedenen Nationen, Sprachen, Religionen und Rassen den Tod erlitten. Maximilian Kolbe hat auch den Tod erlitten: schließlich gab man ihm mit der Spritze den Todesstoß. Dennoch offenbarte sich in diesem Tod zugleich der geistige Sieg über den Tod, ähnlich dem Sieg, der auf Kalvaria errungen wurde. Also: nicht er „erlitt den Tod“, sondern er „gab sein Leben“ - für den Bruder. Darin liegt der moralische Sieg über den Tod. „Sein Leben hingeben“ für den Bruder - bedeutet, gewissermaßen zum Verwalter des eigenen Todes zu werden. 3. Maximilian Kolbe war ein Verwalter - er war ja, als Sohn des hl. Franziskus, Priester. Täglich feierte er in sakramentaler Weise das Geheimnis von Christi erlösendem Tod am Kreuz. Und häufig wiederholte er diese Worte des Psalms, an die die heutige Liturgie erinnert: „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten, was er mir Gutes getan hat? Ich will den Kelch des Heils erheben und anrufen den Namen des Herrn“ (Ps 116/115, 12-13). So ist es. Täglich erhob er diesen Kelch des neuen und ewigen Bundes, in dem unter der Gestalt von Wein das Blut des Erlösers sakramental „vergossen“ wird zur Vergebung der Sünden. Zusammen mit dem Geheimnis des eucharistischen Kelches reifte in ihm jene Stunde der Entscheidung von Auschwitz heran: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat - soll ich ihn nicht trinken?“ (Joh 18,11). Und er trank ihn -er trank diesen Kelch bis zur Neige, um vor der Welt Zeugnis zu geben, daß die Liebe mächtiger ist als der Tod. Die Welt braucht dieses Zeugnis, um die Fesseln jener Zivilisation des Todes abzuschütteln, die in manchen Augenblicken der Gegenwart ihr grausiges Antlitz besonders enthüllt. 457 REISEN 4. In das Ereignis von Auschwitz ist jener grundlegende Dialog hineingeschrieben, der es dem Menschen gestattet, sich durch das Grauen der Zivilisation des Todes den Weg zu bahnen - und der es ihm gestattet, durch die mannigfaltigen Belastungen des Irdischen hindurchzukommen. Dies ist der Dialog des Menschen mit Gott. „Wie kann ich dem Herrn all das vergelten . . .? Ach Herr - ich bin doch dein Knecht, dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd“ (Ps 116/115, 12.16). So spricht ein Mensch - der Verwalter der täglichen Eucharistie. Ein Mensch - Verwalter des eigenen Todes im Lager von Auschwitz. So spricht ein Mensch. Dies ist das zusammenfassende Wort seines ganzen Lebens. Und Gott antwortet mit den Worten aus dem Buch der Weisheit. Dies sind die Worte, in denen Gottes Antwort enthalten ist: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand, und keine Qual kann sie berühren . . . Denn Gott hat sie geprüft und fand sie seiner würdig. Wie Gold im Schmelzofen hat er sie erprobt und sie angenommen wie ein vollgültiges Opfer . . .“ (Weish 3, 1.5-6). Ist es tatsächlich so? Konnte diesen Pater Maximilian tatsächlich „keine Qual berühren?“ Einen Menschen, den wir doch als Märtyrer verehren? Die Wirklichkeit des Märtyrertodes ist immer die Qual - aber das Geheimnis dieses Todes besteht darin, daß Gott größer ist als die Qual. Die Prüfung des Leids ist groß - jene „Erprobung wie Gold im Schmelzofen“ - aber mächtiger als die Prüfung ist die Liebe, das heißt, mächtiger ist die Gnade. „. . . Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). So steht also vor uns der Märtyrer: Maximilian Kolbe, der Verwalter des eigenen Todes, mächtig durch sein Leiden, noch mächtiger durch die Liebe, der er treu war, in der er sein Leben lang wuchs, in der er im Lager von Auschwitz reifte. Maximilian Kolbe: ein besonderer Zeuge von Christi Sieg über den Tod. Ein besonderer Zeuge der Auferstehung. 5. „Ach Herr, ich bin doch dein Knecht, dein Knecht bin ich, der Sohn deiner Magd ..." Das Reifen in der Liebe, das das ganze Leben Pater Maximilians ausfüllte und auf polnischem Boden durch die Tat von Auschwitz vollendet wurde, war in besonderer Weise verbunden mit der Unbefleckten Magd des Herrn. 458 REISEN Ergriffen vom Geheimnis der Erwählung Er war, wie kaum ein anderer, ein geistiger „Sohn deiner Magd“. Von früher Jugend an empfing er von ihr geistige Mütterlichkeit. Diese Mütterlichkeit, die sich auf Kalvaria entschied, unter dem Kreuz Christi, als Maria den ersten Jünger Christi an Sohnes Statt annahm. Maximilian Kolbe war, wie kaum ein anderer, ergriffen vom Geheimnis der göttüchen Erwählung Mariens. Sein Herz und sein Denken konzentrierten sich in besonderem Maße auf diesen neuen Anfang, zu dem in der Geschichte der Menschheit - durch Wirken des Erlösers - die Unbefleckte Empfängnis der Mutter Seiner irdischen Menschwerdung wurde. „Was Mutter bedeutet“, schrieb er, „das wissen wir, aber Mutter Gottes, das können wir mit dem Verstand, mit dem Kopf nicht erfassen. Allein Gott versteht vorzüglich, was ,Unbefleckte' bedeutet. . . Die ,Unbefleckte Empfängnis“ ist voll tröstlicher Geheimnisse“ (Brief vom 12. 4. 1933). Maximilian Kolbe ist in dieses Geheimnis besonders tief, besonders umfassend eingedrungen: nicht abstrakt, sondern durch den lebendigen Kontext des Dreieinigen Gottes - Gott, der Vater, Sohn und Heiliger Geist ist - und den lebendigen Kontext des Heilsplanes Gottes für die Welt. Hier wieder seine Worte: „Versuchen wir immer mehr, jeden Tag immer stärker der Unbefleckten nahezukommen; auf diese Weise kommen wir immer mehr dem Heiligsten Herzen Jesu, Gott-Vater, der ganzen Heiligen Dreifaltigkeit nahe, denn kein Geschöpf steht Gott so nahe wie eben die Unbefleckte. Also bringen wir dadurch auch alle Nächsten unseres Herzens der Immaculata und dem guten Gott nahe ..." (Brief aus Nagasaki, 6. 4. 1934). Alle apostolischen Unternehmungen Pater Maximilians zeugen davon, daß das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis im Mittelpunkt seines Denkens stand. Davon zeugt sowohl die „Miliz der Immaculata“ und der „Ritter der Immaculata“. Davon zeugt die japanische „Stadt der Immaculata“ (Mugenzai no Sono). Und schließlich dieses unser polnisches Niepo-kalanow. 6. Es ist gut, daß wir uns gerade hier, nach der Heiligsprechung Pater Maximilians, versammelt haben. Nach der Seligsprechung fand diese unsere große Versammlung auf heimatlichem Boden in Auschwitz statt: eine ergreifende Feier. Auschwitz: der Ort, in dem er „das Leben hingab für den Bruder“. Heute Niepokalanöw. Niepokalanöw, das von der Entdeckung des Neubeginns der Menschheit in Gott spricht. Niepoka- 459 REISEN lanöw - die große Werkstätte franziskanischen Apostolats. Niepoka-lanöw: wo der Mensch im ständigen Gehorsam gegenüber dem Geist der Wahrheit nach dem Muster der Immaculata sich Tag um Tag so formt, damit der Heilige den Menschen übersteigt, nicht nur nach dem Maß des Lebens und des Apostolats, sondern auch nach dem Maß des Märtyrertodes „für den Bruder“. 7. Ich weiß, daß an der heutigen Zusammenkunft Vertreter des Landvolkes, polnische Bauern, zahlreich teilnehmen. Hier sind - wie man mich unterrichtet hat - Teilnehmer der Pastoralgemeinschaften der Bauern, die an der Erneuerung des Dorfes in Verbundung mit der Kirche arbeiten. Manche von euch haben mich während meiner Krankheit in der römischen „Gemelli“-Klinik aufgesucht, heute begegnen wir uns im Gebet auf diesem franziskanischen, maximilianischen Boden. Ich weiß, daß euch der Gedanke der Erneuerung der besten ländlichen kulturellen Traditionen antreibt, der Gedanke eines christlichen Lebens in wechselseitiger Liebe, der Vervollkommnung durch das gemeinsame Gebet, daß ihr Gruppen zur gegenseitigen Hilfe bildet, daß ihr an Exerzitien teilnehmt, daß ihr euch weiterbildet, daß ihr euch mit der Soziallehre der Kirche vertraut macht. Ihr wollt euch auf diese Weise erneut auf eure besondere Sendung besinnen und der Feldarbeit die ihr zustehende Würde wiedergeben und in ihrer Mühe Freude finden. Gestattet, daß ich mich mit den Worten eines großen Staatsmannes an euch wende, eines Repräsentanten des polnischen Dorfes, Wincenty Witos: „Der Bauer hat in schlimmsten Augenblicken das Land, die Religion und die Nationalität bewahrt. Diese drei Werte boten die Grundlage zur Schaffung des Staates. Ohne sie hätten wir ihn nicht haben können. Wo der Bauer auftrat, dort blieb die Grundlage der zukünftigen Wiedergeburt erhalten“ (Kongreß in Wierzchoslawice, 1928). Tretet mit Liebe an die Seite Gottes! Christus, der sich selbst einen Weinstock genannt hat, sagte über ihn, über seinen Vater, daß er „der Winzer“ ist - ein Bauer. Bleibt in Christus und bringt reiche Frucht, in Ihm könnt ihr alles vollbringen (vgl. Joh 15, 1-5). Seid Gottes Acker! Und steht voll Liebe der Erde bei, dieser unserer Mutter und Ernährerin. Euch hat der Schöpfer in besonderer Weise alle Pflanzen der ganzen Erde übergeben, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Sie sollen allen zur Nahrung dienen (vgl. Gen 1, 29). Diese Erde bringt „Dornen und Disteln“ hervor, aber dank eurer Arbeit 460 REISEN soll sie Nahrung wachsen lassen, soll sie Brot für den Menschen bringen. Das ist die besondere Quelle der Würde, die der Arbeit auf dem Lande zukommt. Eurer Würde. 8. Diese unsere heutige Begegnung in Niepokalanöw verbindet für mich historische Kategorien. Einst im 13. Jahrhundert, im Jahre 1253, erlebten die Polen die Heüigsprechung des ersten Sohnes ihres Landes, der zugleich Hirte auf dem Krakauer Bischofsstuhl war. Die Heiligsprechung des hl. Stanislaus fand in Assisi statt, doch die Landsleute, insbesondere die Fürsten aus dem Polen regierenden Piastengeschlecht, empfanden das Bedürfnis, sich in Krakau zu versammeln, um auf eigenem Boden die österliche Freude darüber zu erfahren, daß ein Landsmann zur Ehre der Altäre in der Weltkirche erhoben wurde: eine Freude über die Geburt eines Heiligen für die heimische und vaterländische Erde. Sie sahen in ihm ein Zeichen der göttlichen Vorsehung für dieses Land. Sie sahen in ihm ihren Patron und Mittler vor Gott. Sie verbanden mit ihm die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft für das Vaterland, das sich damals wegen der regionalistischen Aufspaltung in einer schwierigen Lage befand. Aus der Legende, die verkündete, daß der beim Mord zerstückelte Leichnam Stanislaus’ wieder zusammengewachsen sein soll, entstand die Hoffnung, daß das Polen der Piasten einst die dynastische Zersplitterung in Regionen überwinden und als Staat zur Einheit zurückfinden werde. Der weitere Verlauf der Geschichte, angefangen von Wladyslaw Lokietek, bestätigte diese Hoffnung. 9. Heute befindet sich hier in Niepokalanöw, auf heimatlichem Boden, im Zentrum unserer Feier nach der Heiligsprechung, der hl. Maximilian Maria Kolbe: der erste Heilige aus dem Geschlecht der Polen zu Beginn des zweiten Jahrtausends. Das erste und das zweite Millennium Polens und des Christentums in Polen treffen sich in einem tiefen Symbol. Der Patron jenes Polens - und der Patron nur Polens? Ist er nicht vielmehr ein Patron unseres ganzen schwierigen Jahrhunderts? Aber wenn er ein Sohn dieser Erde, ein Teilhaber ihrer Prüfungen, Leiden und Hoffnungen ist, dann ist er in einer besonderen Weise Patron Polens. Eben dieses Polens, das man seit Ende des 18. Jahrhunderts begonnen hat, zum Tode zu verurteilen: zu Teilungen, zu Verbannungen, zu Konzentrationslagern, zu Hungerbunkern. Und als es nach 120 Jahren zu einer unabhängigen Existenz zurückkehrte, da wartete man bis zum Jahre 1939, um dieses Todesurteil noch einmal zu wiederholen. Schließlich erwächst ja gerade aus dem Mittelpunkt dieses Ringens zwischen Leben 461 REISEN und Tod des Vaterlandes die Auschwitzer Tat des hl. Maximilian. „Mors et vita duello conflixere mirando“ - „Tod und Leben stritten im Kampf, wie nie einer war“, lesen wir in der Sequenz von Ostern. Der Sohn polnischer Erde, der auf seinem Kalvaria, im Hungerbunker, fiel und „sein Leben für den Bruder hingab“, kehrt zu uns zurück im Ruhm der Heiligkeit. Die Liebe ist mächtiger als der Tod. 10. Einst im Mittelalter entstand die Legende vom hl. Stanislaus. Unsere Zeiten, unser Jahrhundert schaffen keine Legende vom hl. Maximilian. Stark genug ist die Aussagekraft der Fakten selbst, das Zeugnis seines Lebens und Martyriums. Wir müssen die Aussage dieser fast modernen Fakten in das polnische Leben hineinnehmen. Wir müssen aus ihr die Zukunft des Menschen, der Familie und der Nation bauen. Was bedeutet das: die Liebe ist mächtiger als der Tod? Das bedeutet auch: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute“ (Röm 12, 21) (nach den Worten des hl. Paulus). Diese Worte erklären die Wahrheit über die Auschwitzer Tat Pater Maximilians in verschiedenen Dimensionen. In der Dimension des Alltagslebens, aber auch in der Dimension der Epoche, in der Dimension eines schwierigen historischen Augenblicks, in der Dimension des 20. Jahrhunderts und vielleicht auch der Zeiten, die noch kommen. 11. In Niepokalanöw, versammelt zur großen nationalen Danksagung für die Erhebung des hl. Maximilian Maria - unseres Landsmannes, des Zeugen unseres schwierigen Jahrhunderts, des Märtyrers, des ersten Heiligen aus dem Geschlecht der Polen im zweiten Millennium - zur Ehre der Altäre, wollen wir das christliche Erbe des Polentums um die ergreifende Aussage seiner Tat von Auschwitz bereichern: „Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute.“ Ein Programm des Evangeliums. Ein schwieriges, aber mögliches Programm. Ein unerläßliches Programm. Wenn ich mich von hier auf die Pilgerreise nach Jasna Göra begebe, werde ich die Königin Polens und Mutter aller Polen bitten, sie möge uns, nach dem Vorbild des hl. Maximilian, die Kraft des Geistes erwirken, die notwendig ist, dieses Programm in Angriff zu nehmen. Damit wir die Aussage des Lebens und des Märtyrertodes dieses Ritters der Immaculata in das geistige Erbe des Polentums aufnehmen. 462 REISEN „Habt Mut!“ und „ Gott befohlen!“ Ansprache an eine Pilgergruppe aus der Diözese Stettin-Cammin auf Jasna Göra am 18. Juni 1. Herzlich grüße und begrüße ich die alte, nämlich fast tausend Jahre zählende, aber gleichzeitig sehr junge Kirche in Szczecin (Stettin). Ich begrüße ihren Ordinarius, Bischof Kazimierz, und danke ihm für die geäußerten Worte; ich begrüße die Weihbischöfe Jan und Stanislaw, den Diözesan- und Ordensklerus, die Schwestern und Brüder; ich begrüße alle, die die Mühe dieser Pilgerreise auf sich genommen haben, um hier in Tschenstochau, auf Jasna Göra, in diesem besonderen Königreich Mariens mit dem Papst zu beten und gemeinsam mit ihm das Jubiläum von Jasna Göra zu beschließen. In euch Anwesenden grüße und begrüße ich das ganze Gottesvolk der Diözese Stettin-Cammin und alle Einwohner an Oder und Ostsee. Zu allen sage ich hier, von Tschenstochau aus: „Friede sei mit euch!“ Diese Begegnung unterstreicht in gewisser Weise das noch stärker, was ich nach der Landung auf dem Flughafen in Warschau sagte: „Ich möchte schon jetzt sagen, daß ich in mein ganzes Vaterland und zu allen Polen komme. Von Nord nach Süd und von Ost nach West.“ Nahezu 2000 Jahre lang verkündet die Kirche das, was sie vom Herrn erhielt. Und über 1000 Jahre ertönt die Frohe Botschaft, daß Jesus lebt, in unseren slawischen, polnischen Landen. Bekannt ist die Geschichte der Evangelisation Westpommerns. Einer schwierigen, oftmals schmerzhaften Evangelisation, wenn man nur an die Bemühungen des Missionars Bernard des Spaniers erinnert. Aber Gott sandte seine Apostel aufs neue, damit sie unseren Vätern das, was sie vom Herrn erhalten hatten, verkündeten. Wir wissen, daß die Missionssaat eines Gottesmannes, des hl. Otto aus dem deutschen Bamberg, in dem 1140 gegründeten Bistum mit dem Sitz in Wollin und danach in Cammin ihre Früchte trug. Bekannt sind die Bemühungen und die Sorge um Evangelisation auch von seiten damaliger Herrscher, insbesondere des Boleslaw Krzywousty (Boleslaus Schiefmund), die - selbst getauft - in der Kirche auch einen mächtigen Faktor zur inneren Integration und zur Festigung des noch jungen Staatswesens sahen. 463 REISEN 2. Ich schaue und umfasse mit dem Herzen eure ganze Diözese, ganz Pommern, das ganze Küstengebiet. Viel hat die Kirche in diesen Gebieten nach deren Rückkehr in die Grenzen des zeitgenössischen polnischen Staates geleistet. Einen unerhört großen Beitrag zum Wiederaufbau, zur Entwicklung, zur Einwurzelung. Große Arbeit wurde dafür geleistet, daß alle sich zu Hause und zugehörig fühlen. Gegen alle Schwierigkeiten und Widerstände gab es eine gewaltige Anstrengung der Kirche mit dem Ziel, daß der gekreuzigte und auferstan-dene Christus verkündet werde und in den Herzen der Menschen lebe. Bis heute hat diese Kirche jedoch eine - für polnische Verhältnisse - außergewöhnlich kleine Zahl von Priestern. Mit großer Hoffnung aber, mit großem Vertrauen zu dieser Kirche, zum Gottesvolk von Westpommern, werde ich sogleich den Grundstein weihen, der aus der Peterskirche in Rom stammt und der für das neue Geistliche Seminar in Stettin bestimmt ist. Mögen die Gnade und der Segen Gottes, der seine Diener aus seinem Volk erwählt, auf ihm ruhen, und mögen die Herzen hellhörig sein gegenüber seinem Ruf. Laßt mich mit einem Satz an alle die erinnern, die häufig in heroischer Weise daran arbeiteten, daß die Menschen sich im Glauben und im Polentum auf diesen Gebieten häuslich eingerichtet haben. Zu den Lebenden und zu den Toten sage ich im Namen der Kirche ein „Vergelt’s Gott!“ und zu den Lebenden und den Kommenden sage ich noch: „Habt Mut!“ und „Gott befohlen!“ Mit einer Wunde im Herzen 3. Ihr, teure Brüder und Schwestern, repräsentiert ein mächtiges und dynamisches Zentrum des Arbeiterlebens, des intellektuellen, des geistigen und religiösen Lebens. An euch wende ich mich, ihr Schüler und Professoren aller Schulen; an euch, ihr Studenten und Professoren der Hochschulen; an euch, ihr Werftarbeiter, Hafenarbeiter, Hüttenwerker, Arbeiter in der chemischen Industrie, ihr Seeleute und ihr Menschen, die ihr harte Arbeit auf der Scholle leistet. Ihr kommt zum Jubiläum von Jasna Göra mit dem Papst und bringt die ganze schwierige Vergangenheit dieser Gebiete und dieser Kirche mit, ihr kommt und bringt insbesondere die neuen, die Nachkriegserfahrungen mit, und jene, die wir schon diejenigen der letzten Jahre zu nennen gewohnt sind. Ihr kommt zur Mutter von Tschenstochau mit einer Wunde im Herzen und voller Schmerz. Und diese eure Anwesenheit besitzt neue Zeugniskraft, die 464 REISEN Kraft des Zeugnisses, das die ganze Welt in Staunen versetzt hat, als der polnische Arbeiter für sich selber eintrat, das Evangelium in der Hand und das Gebet auf den Lippen. Die Bilder, die im Jahre 1980 um die Welt liefen, griffen ans Herz und rührten ans Gewissen. Dies geschah, weil die ansonsten wichtige Frage nach dem Wieviel nicht die grundlegende Frage war, sondern weil dem Ganzen die Frage nach dem Wofür zugrunde lag, die Frage nach dem Sinn menschlicher Arbeit, nach ihrem eigentlichen Wesen. In der Antwort auf die so gestellte Frage dürfen diese grundlegenden Prinzipien nicht fehlen, die so tief begründet sind wie der Mensch selbst und die ihren Anfang in Gott haben. In dieser Antwort darf Christus nicht fehlen. Deshalb auch habt ihr in der schwierigsten und dramatischsten Zeit Ihn in besonderer Weise eingeladen. Nur ein innerlich erneuerter Mensch, für den der höchste Prüfstein die integrale Lehre vom Menschen ist, kann in Frieden und voller Mut die neue Wirklichkeit aufbauen. Deshalb habt ihr zu euch den auferstandenen Christus eingeladen, den der hl. Petrus und die Apostel verkündet haben, den der hl. Paulus, der hl. Wojciech (Adalbert), der hl. Otto von Bamberg, der hl. Stanislaus, der hl. Maximilian Kolbe verkündeten. Christus, der lebt und erlöst. Den Christus der Arbeiter, der Werktätigen in den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts. Den Christus, der vor uns tritt und sagt: Friede sei mit euch! Fürchtet euch nicht! „Kommt her und eßt“ (Joh 21, 12). 4. In einer Epoche, in der die Welt von so vielen verschiedenen Konflikten erschüttert wird, in der sie angefüllt ist mit soviel Widersprüchen, in der mannigfaltige Ungerechtigkeit um sich greift und eine falsche Güterteilung erfolgt, die zu Spannungen und Kämpfen führt, mußte der Papst eine Enzyklika über die menschliche Arbeit herausgeben. Das Evangelium der Arbeit und des Friedens mußte mit besonderer Macht verkündet werden. Auch im gegenwärtigen Augenblick, da ihr mir in die Augen blickt und ich euch in die Augen blicke und da die Augen Unserer Lieben Frau von Jasna Göra voll mütterlicher Liebe und Kraft in unsere Augen blicken, muß ich - wenn auch nur kurz - über diese großen Dinge sprechen, die sich vor allem im Bewußtsein und im Herzen des gequälten, aber von Vertrauen und Glauben erfüllten Menschen dieses Landes abspielen, und ich muß euch ein Zeugnis meines Zeugnisses geben. Ich empfehle alle - jeden Stand, jeden Menschen, jedes Haus und jede Familie, jede Gruppe - der Mutter der Kirche, die diese Diözese sich 465 REISEN inmitten vieler Schwierigkeiten und Leiden, aber auch inmitten so vieler Anstrengungen und Hoffnungen zur Patronin erwählt hat. Möge sie über das Recht ihres Sohnes auf euch wachen, auf eure Herzen und Gewissen und über euer Recht auf ihn, auf eure eigene Arbeit und auf deren Früchte, auf eure Würde, auf ein Handeln im Einklang mit einem redlichen Gewissen und in Übereinstimmung mit den allgemein anerkannten Rechten. Allen hier Anwesenden und denen, die sich mit uns im Geist verbinden, erteile ich von ganzem Herzen den Segen. „ Jugendliche, ich weiß von eurem Leiden!“ Ansprache an die Jugend auf Jasna Göra am 18. Juni 1. In der Stunde des Appells von Jasna Göra trete ich, o Mutter, vor dein geliebtes Bild, um dich zu grüßen. Ich grüße dich als Pilger aus der Hauptstadt des hl. Petrus in Rom und zugleich als Sohn dieses Landes, in dem du seit 600 Jahren in deinem Bild von Jasna Göra anwesend bist. Mit dem Ruf des Herzens kam ich oft hierher, an jedem Mittwoch sprach ich zu dir vor den Teilnehmern der Generalaudienzen auf dem Petersplatz. Ich durchlebe das 600jährige Jubiläum zusammen mit allen deinen Verehrern, mit meiner ganzen Nation. Heute ist es mir vergönnt, noch einmal an diesen Platz zu treten und in dein Antlitz von Jasna Göra zu schauen. Ich begrüße dich zur Stunde des Abendappells nach der heiligen Messe, die vom Primas von Polen und den Jugendseelsorgern gefeiert wurde. Ich begrüße dich zusammen mit allen Teilnehmern dieser Begegnung - vor allem zusammen mit der polnischen Jugend. Ich freue mich darüber, daß wir hier vor dem Angesicht der Mutter unserer Nation zusammen sind. Ich freue mich, meine lieben, jungen Freunde, daß ich zusammen mit euch noch einmal mit den Worten der heutigen abendlichen Liturgie grüßen kann: Gebenedeit bist du, Tochter, durch Gott, den Allerhöchsten, unter allen Frauen auf Erden . . . Du bist der Ruhm unserer Nation! 2. Ich freue mich, daß ich zusammen mit euch, polnische Jugendliche, über den knappen und bündigen, aber doch so inhaltsreichen Appell von 466 REISEN Jasna Göra meditieren kann, der gleichsam zum besonderen Erbe des Millenniums der Taufe Polens geworden ist. Bereits bei den Vorbereitungen zu diesem großen Jahrestag wiederholten wir jeden Tag um 21 Uhr die folgenden Worte, indem wir sie sangen oder sprachen: „Maria, Königin Polens, ich bin bei dir, ich denke an dich, ich wache.“ An die Liebe glauben, die uns ständig umfaßt! Knappe Worte. Aussagekräftige Worte. Sie haben sich in unser Gedächtnis, in unser Herz eingewurzelt. Das tausendjährige Jubiläum ging vorüber - doch wir spüren weiterhin das Bedürfnis, sie zu wiederholen. Ich freue mich, daß es mir gegeben ist, heute Unsere Liebe Frau von Jasna Göra zu grüßen und zuerst über den Appell von Jasna Göra mit der polnischen Jugend zu meditieren und ihn dann zu singen. 3. Wenn wir diese Worte „Maria, Königin Polens, ich bin bei dir, ich denke an dich, ich wache“ sprechen, bezeugen wir nicht nur die geistige Anwesenheit der Muttergottes in den Generationen, die das polnische Land bewohnen. Diese Worte zeugen davon, daß wir an die Liebe glauben, die uns ständig umfaßt. Diese Liebe entstand zu Füßen des Kreuzes, als Christus - wie es das Evangelium heute abend in Erinnerung ruft - Maria seinem Jünger Johannes anvertraute: „Siehe, dein Sohn“ (Joh 19, 26). Wir glauben, daß er ihr in diesem einen Menschen jeden Menschen anvertraut hat. Gleichzeitig weckte er in ihrem Herzen eine Liebe, die die mütterliche Spiegelung seiner eigenen erlösenden Liebe ist. Wir glauben, daß wir mit dieser Liebe geliebt, daß wir von ihr erfaßt werden: von der Liebe Gottes, die sich in der Erlösung offenbarte, und von der Liebe Christi, der diese Erlösung durch das Kreuz vollendete, und schließlich von der Liebe der Mutter, die unter dem Kreuz stand und aus dem Herzen des Sohnes jeden Menschen in ihr Herz nahm. Wenn wir die Worte des Appells von Jasna Göra sprechen, dann deshalb, weü wir an diese Liebe glauben. Wir glauben, daß sie seit Jahrhunderten in den das polnische Land bewohnenden Generationen anwesend ist. Daß sie besonders anwesend ist im Zeichen des Gnadenbildes von Jasna Göra. Auf diese Liebe berufen wir uns. Das Bewußtsein dessen, daß es eine solche Liebe gibt, daß sie im polnischen Lände ihr besonderes Zeichen hat, daß wir uns auf sie berufen können, gibt unserer christlichen und menschlichen Existenz eine grundlegende Dimension: eine Sicherheit, die 467 REISEN größer ist als alle Erfahrungen oder Enttäuschungen, die uns das Leben bereiten kann. 4. Wenn wir die Worte des Appells von Jasna Göra sprechen, dann nicht nur deshalb, um uns auf diese (erlösende und mütterliche) Liebe zu berufen, sondern auch, um diese Liebe zu erwidern. Die Worte: „Ich bin bei dir, ich denke an dich, ich wache“, sind nämlich zugleich ein Ausdruck der Liebe, mit der wir die Liebe erwidern wollen, die wir seit jeher erhalten. Diese Worte sind zugleich ein inneres Programm der Liebe. Sie beschreiben Liebe nicht nach der Gefühlsskala, sondern nach der inneren Haltung, die sie darstellt. Lieben - das bedeutet: bei der Person sein, die man liebt. „Ich bin bei Dir“: das bedeutet zugleich: bei der Liebe sein, mit der ich geliebt bin. Lieben - das bedeutet weiter: denken, sich erinnern. Gewissermaßen mit dem Bild der geliebten Person in Aug und Herz einhergehen. Das bedeutet zugleich: über diese Liebe nachdenken, mit der ich geliebt bin, und ihre göttliche und menschliche Größe immer mehr vertiefen. Lieben - das bedeutet schließlich: wachen. Gestattet, daß wir diesen letzten Zug der Liebe besonders erörtern. Es ist unerhört bedeutsam, daß man in der Jugendzeit, in den Jahren, in denen neue Gefühle der Liebe erwachen, Gefühle, die oft über das ganze Leben entscheiden, mit einem solchen reifen inneren Programm der Liebe ausgerüstet ist, eben mit einem solchen, von dem der Appell von Jasna Göra spricht. Indem wir die Liebe erwidern, mit der wir von jeher vom Vater in Christus geliebt sind, indem wir sie erwidern wie auch gleichzeitig die mütterliche Liebe der Gottesgebärerin, lernen wir selbst die Liebe. Unsere Liebe Frau von Jasna Göra ist die Lehrerin der schönen Liebe für alle. Dies ist aber besonders wichtig für euch junge Leute. Denn in euch entscheidet sich jene Gestalt der Liebe, die Inhalt eures ganzen Lebens sein soll. Und durch euch entscheidet sich das menschliche Leben im polnischen Land. Das eheliche, das familiäre, das gesellschaftliche und patriotische - aber auch: das priesterliche, das mönchische und das missionarische. Jedes Leben wird bestimmt und gewertet durch die innere Gestalt der Liebe. Sage mir, wie deine Liebe ist - und ich sage dir, wer du bist. 5. Ich wache! Wie gut, daß sich im Appell von Jasna Göra dieses Wort findet. Es hat seinen Ursprung im Evangelium: Christus hat viele Male gesagt: „Wacht!“ {Mt 26, 41). Aus dem Evangelium ist es wohl auch in 468 REISEN die Tradition der Pfadfinderbewegung eingegangen. Im Appell von Jasna Göra ist das Wort „ich wache“ ein wesentliches Glied dieser Antwort, die wir auf die Liebe geben wollen, von der wir alle im Zeichen des Gnadenbildes von Jasna Göra erfaßt sind. Die Erwiderung auf diese Liebe muß eben darin bestehen, daß ich wache! Was bedeutet das: ich wache? Es bedeutet, daß ich mich bemühe, ein Mensch mit Gewissen zu sein. Daß ich dieses Gewissen nicht betäube, nicht umforme. Daß ich Gut und Bös beim Namen nenne, nicht aber verwische. Daß ich in mir das Gute herausarbeite und mich bemühe, vom Bösen loszukommen, indem ich es in mir überwinde. Das ist eine so grundsätzliche Frage, daß man sie nie geringschätzen, nie in den Hintergrund drängen darf. Nein, sie kommt überall und stets an erster Stelle. Sie ist um so wichtiger, je mehr die Umstände dafür zu sprechen scheinen, daß wir das Böse tolerieren, uns leicht davon lossprechen sollen. Insbesondere, wenn andere so handeln. Meine teuren Freunde! Eure Sache ist es, einen entschiedenen Damm zu bauen gegen die moralische Auflösung - einen Damm gegen diese sozialen Schwächen, die ich hier nicht beim Namen nennen werde, aber über die ihr selber vorzüglich Bescheid wißt. Ihr müßt euch selbst fordern, auch wenn andere keine Anforderungen an euch stellen. Die historischen Erfahrungen sprechen zu uns davon, wieviel die zeitweilige Demoralisierung die ganze Nation gekostet hat. Heute, da wir um die künftige Gestalt unseres gesellschaftlichen Lebens ringen, müßt ihr daran denken, daß diese Gestalt davon abhängt, wie der Mensch beschaffen sein wird. Deshalb also: wacht! Christus sagte bei seinem Gebet am Ölberg zu den Aposteln: „Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet“ (ebd.). 6. Ich wache - das bedeutet weiter: ich nehme den anderen wahr. Ich verschließe mich nicht in mir, nicht in dem engen Hinterhof meiner eigenen Interessen oder aber sogar der eigenen Werturteile. Ich wache -das bedeutet: Nächstenliebe; das bedeutet: grundlegende zwischenmenschliche Solidarität. Vor der Mutter von Jasna Göra will ich für alle Beweise dieser Solidarität danken, die meine Landsleute, darunter auch die polnische Jugend, in der schwierigen Periode der letzten Monate gegeben haben. Es würde mir hier recht schwer fallen, alle Formen der Sorge aufzuführen, die man den Internierten, den Gefangenen, den von ihrer Arbeitsstätte Entfernten und auch deren Familien angedeihen ließ. Ihr wißt das besser als ich. Zu mir gelangten nur sporadische, wenngleich häufige Nachrichten. 469 REISEN Möge das Gute, das an so vielen Orten, auf so viele Weise, freigesetzt wurde, im polnischen Land nicht nachlassen. Möge es jenes „Ich wache“ aus dem Appell von Jasna Göra ständig festigen, das die Erwiderung auf die Anwesenheit der Mutter Christi in der großen Familie der Polen ist. 7. Ich wache - das bedeutet auch: ich fühle mich verantwortlich für das große, gemeinsame Erbe, das den Namen Polen trägt. Dieser Name bestimmt uns alle. Dieser Name verpflichtet uns alle. Dieser Name fordert einen hohen Preis von uns. Vielleicht beneiden wir manchmal die Franzosen, die Deutschen oder die Amerikaner, weil ihr Name nicht an einen solchen Preis in der Geschichte geknüpft ist. Daß sie um vieles leichter frei sind. Während unsere polnische Freiheit einen so hohen Preis fordert. Ich werde, meine Lieben, keine Vergleiche anstellen. Ich will nur sagen, das, was viel kostet, stellt eben einen Wert dar. Man kann aber nicht wirklich frei sein, ohne eine ehrliche und tiefe Einstellung zu den Werten zu haben. Laßt uns kein solches Polen haben wollen, das nichts kosten würde. Wachen wir dagegen bei allem, was das authentische Erbe von Generationen darstellt, und bemühen wir uns, dieses Erbe zu bereichern. Die Nation ist vor allem reich durch die Menschen. Reich durch den Menschen. Reich durch die Jugend! Reich durch jeden, der im Namen der Wahrheit wacht, denn sie gibt der Liebe Gestalt. „ Von euch jungen Menschen hängt das Morgen ab!“ 8. Meine jungen Freunde! Vor unserer gemeinsamen Mutter und Königin der Herzen will ich euch zum Abschluß sagen, daß ich von euren Leiden weiß, von eurer schwierigen Jugend, vom Gefühl des erlittenen Unrechts und der Erniedrigung, von dem ach so häufig empfundenen Mangel an Zukunftsperspektiven - vielleicht von den Versuchungen, in irgendeine andere Welt zu fliehen. Obwohl ich nicht alle Tage bei euch bin, wie es zuvor so viele Jahre der Fall war, so trage ich doch im Herzen eine große Sorge. Eine große, schwere Sorge. Dies ist, meine Teuren, die Sorge um euch. Eben deshalb, weil „von euch das Morgen abhängt“. Ich bete täglich für euch. Es ist gut, daß wir hier in der Stunde des Appells von Jasna Göra zusammen sind. Inmitten der Erfahrungen der heutigen Zeit, inmitten der Prüfung, die eure Generation durchmacht, ist dieser Appell des Millenniums weiterhin ein Programm. 470 REISEN In ihm ist ein grundlegender Ausweg enthalten. Denn der Ausweg in jeder Dimension - in der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen -muß vor allem zuerst im Menschen selbst sein. Ein Mensch darf nicht ohne Ausweg bleiben. Mutter von Jasna Göra, die du uns von der Vorsehung gegeben bist zur Verteidigung der polnischen Nation, nimm am heutigen Abend diesen Appell der polnischen Jugend mit dem des polnischen Papstes entgegen — und hilf uns, in der Hoffnung auszuharren! „Sprich zu Deinem Sohn von unserem schwierigen Heute!“ Predigt bei der Messe in Tschenstochau am Sonntag, 19. Juni 1. „Groß ist der Herr und hoch zu preisen in der Stadt unseres Gottes. Sein heiliger Berg ragt herrlich empor; er ist die Freude der ganzen Welt. Wie wir’s gehört hatten, so erlebten wir’s jetzt in der Stadt des Herrn der Heere, in der Stadt unseres Gottes; Gott läßt sie ewig bestehen“ (Ps 48, 2-3.9). Mit diesen Worten aus dem Psalm der heutigen Liturgie will ich vor allem den einen Gott lobpreisen. Zum Ruhm des ewigen Gottes: des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, zum Ruhm der Heiligsten Dreifaltigkeit, begeht die Kirche in Polen unter Leitung ihrer Hirten in f eierlicher Weise das heimatliche Jubiläum im Zusammenhang mit der 600-Jahr-Feier von Jasna Göra: sechs Jahrhunderte lang ist die Gottesgebärerin als Mutter und Königin unserer Nation durch ihr Gnadenbild auf diesem „Heiligen Berg Gottes“ gegenwärtig. Ich komme hierher als Pilger, um den ewigen Gott in diesem Nationalheiligtum meines Vaterlandes zu lobpreisen, in dem Unsere Liebe Frau von Jasna Göra — als Magd des Herrn — der Heiligsten Dreifaltigkeit alle Ehre und allen Ruhm, alle Liebe und Dankbarkeit erweist, die sie selber hier erfährt. 2. Ich danke Gott dafür, daß es mir vergönnt ist, an der Schwelle des Heiligtums von Jasna Göra zu stehen, in dieser wunderbaren „Stadt unseres Gottes“, wo - um mit den Worten des Dichters zu sprechen - „es 471 REISEN genügt, an die Schwelle zu treten, zu atmen, um Gott zu atmen“ (Cyprian Kamil Norwid: Versuche). Ich danke dafür, daß es mir vergönnt ist, am heutigen Tage das heilige eucharistische Opfer zu feiern, das die das ganze Jahr währende Dankfeier für sechs Jahrhunderte, verlängert in das jetzige Jahr, krönen soll. Auf diese Feier hat sich die Kirche in Polen im Laufe von sechs Jahren - ähnlich wie zuvor auf das Millennium der Christianisierung im Laufe der neun Jahre durch die Große Novene - vorbereitet. Ich begrüße herzlich alle Versammelten: die Kardinäle, die Erzbischöfe, die Bischöfe, die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensfamilien - alle Pilger -, die Landsleute und die Gäste aus dem Ausland. Ich freue mich, daß ich gemeinsam mit euch, teure Brüder und Schwestern, als Bischof von Rom und zugleich als Sohn dieser polnischen Erde, der Heiligsten Dreifaltigkeit Ehre erweisen kann, indem ich die Muttergottes nach sechs Jahrhunderten an dem von ihr besonders erwählten Platz lobpreise. „Uber deine Huld, o Gott, denken wir nach in deinem heiligen Tempel. Wie dein Name, Gott, so reicht dein Ruhm bis an die Enden der Erde; deine rechte Hand ist voll von Gerechtigkeit“ (Ps 48, 10-11). Wir kommen, um die Gerechtigkeit Gottes und seine Huld zu preisen, die sich in diesem Heiligtum geoffenbart hat, und gleichzeitig mit diesem Lobgesang der Liturgie eilen unsere Herzen zu Maria, wenn wir wiederholen: „Du bist der Ruhm . . . unseres Volkes“ (Jdt 15, 9). 3. Das wunderbare Geheimnis des Heiligtums von Jasna Göra wird durch die Liturgie vor allem deutlich, wenn man die Aufzeichnung des Johannesevangeliums über die Hochzeit in Kana in Galiläa liest. Diese Aufzeichnung berichtet von der Anwesenheit der Mutter Jesu: „Die Mutter Jesu war dabei“ (Joh 2, 1), und sie berichtet, daß Jesus sowie seine Jünger eingeladen waren. Denn die Begebenheit spielt zu Beginn der Lehrtätigkeit von Marias Sohn, zu Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit in Galiläa. Die Begebenheit aus dem Evangelium verbindet sich für uns zunächst mit dem Millennium der Taufe selbst. Durch dieses Ereignis im Jahr 966, durch die Taufe, wurde zu Beginn unserer Geschichte Jesus Christus in das Vaterland wie in ein polnisches Kana eingeladen. Und eingeladen wurde mit ihm sogleich seine Mutter. Sie kam und war zusammen mir ihrem Sohn anwesend, wie es zahlreiche Zeugnisse aus den ersten Jahrhunderten des Christentums in Polen, insbesondere das Lied von der „Bogurodzica“ (Gottesgebärerin) besangen. 472 REISEN Das Jahr 1382/1383 verleiht dieser Einladung in unsere Geschichte gleichsam eine neue Form. Das Bild von Jasna Göra bringt uns ein neues Zeichen für die Anwesenheit der Mutter Jesu. Man kann sagen, daß auch Christus selber in neuer Weise in unsere Geschichte eingeladen wurde. Er wird eingeladen, damit er seine rettende Macht so zeigt, wie er sie zum ersten Mal in Kana in Galiläa gezeigt hat. Er wird eingeladen, damit die Söhne und Töchter des polnischen Landes unter die rettende Kraft des Welterlösers kommen. In Kana in Galiläa spricht Maria zu den Dienern des Hochzeitsmahls: „Was er euch sagt, das tut“ (ebd., Vers 5). Seit dem Jahre 1382, stellt sich Maria vor die Söhne und Töchter dieses Landes, vor ganze Generationen, und wiederholt diese Worte. So wird Jasna Göra zu einem besonderen Ort der Evangelisation. Das Wort der Frohbotschaft erlangt hier eine außergewöhnliche Ausdruckskraft, und es wird gleichzeitig durch die Mutter vermittelt. Jasna Göra brachte in die Geschichte der Kirche in unserem Lande und in unser ganzes polnisches Christentum jenen mütterlichen Zug, dessen Anfänge sich mit der Begebenheit von Kana in Galiläa verbinden. 4. Was er euch sagt, das tut. Und was sagt Christus zu uns? Sagt er nicht vor allem das, was wir in so knapper Straffung im Brief des hl. Paulus an die Galater finden (die heutige zweite Lesung)? „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen. Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: ,Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Skalve, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe duch Gott“1 (Gal 4, 4-7). Das sagt Christus zu uns von Generation zu Generation. Er sagt es durch alles, was er tut und was er lehrt. Er sagt es vor allem durch das, was er ist. Er ist Gottes Sohn — und er kommt, uns die Sohnschaft zu verleihen. Indem wir in der Kraft des Heiligen Geistes die Würde von Söhnen Gottes erhalten, sagen wir in der Kraft des gleichen Geistes zu Gott „Vater“. Als Söhne Gottes können wir keine Sklaven sein. Unsere Gottessohnschaft trägt in sich das Erbe der Freiheit. Christus, zusammen mit seiner Mutter im polnischen Kana gegenwärtig, stellt uns von Generation zu Generation die große Frage der Freiheit. Die Freiheit ist dem Menschen von Gott als Maß seiner Würde gegeben. Dennoch ist sie ihm gleichzeitig aw/gegeben. „Freiheit ist keine Vergünstigung, sondern eine Mühsal der Größe“ (Leopold Staff: Dies ist dein Lied). 473 REISEN Die Freiheit nämlich kann der Mensch gut und schlecht gebrauchen. Er kann durch sie aufbauen oder zerstören. In der Evangelisation von Jasna Göra ist der Aufruf zum Erbe der Söhne Gottes enthalten. Der Aufruf zu einem Leben in Freiheit - dazu, guten Gebrauch von der Freiheit zu machen. Aufzubauen, nicht aber zu zerstören. Diese Evangelisation von Jasna Göra für ein Leben in Freiheit, wie sie der Gottessöhne würdig ist, hat ihre lange, 600 Jahre währende Geschichte. Maria in Kana in Galiläa arbeitet zusammen mit ihrem Sohn. Das gleiche geschieht auf Jasna Göra. Wie viele Pilger sind im Laufe dieser sechs Jahrhunderte durch das Heiligtum von Jasna Göra gezogen? Wie viele mögen sich hier wohl bekehrt haben, wenn sie den schlechten Gebrauch ihrer Freiheit mit dem guten vertauschten? Wie viele haben wahre Würde erlangt, die Würde angenommener Söhne Gottes. Wieviel könnte die Kapelle des Gnadenbildes von Jasna Göra darüber erzählen? Wieviel könnten die Beichtstühle der ganzen Basilika erzählen? Wieviel könnte der Kreuzweg auf den Klosterwällen berichten? - Ein gewaltiges Kapitel in der Geschichte der menschlichen Seelen! Das ist wohl die grundlegendste Dimension der 600 Jahre von Jasna Göra. Sie blieb und bleibt weiterhin in den lebendigen Menschen, in den Söhnen und Töchtern dieses Landes, wenn Gott den Geist seines Sohnes so in ihre Herzen schickt, daß sie in ganzer innerer Wahrheit rufen können: „Abba! Vater!“ 5. Dennoch hat die von Jasna Göra ausgehende Evangelisation der Freiheit noch eine andere Dimension. Das ist die Dimension der nationalen Freiheit, die Dimension eines freien Vaterlandes, dem die Würde eines souveränen Staates wiedergegeben wurde. Die Nation ist wahrhaft frei, wenn sie sich als durch Einheit der Kultur, der Sprache, der Geschichte bestimmte Gemeinschaft formen kann. Der Staat ist in der Tat souverän, wenn er die Gesellschaft regiert und zugleich dem Gemeinwohl der Gesellschaft dient und wenn er der Nation gestattet, die ihr eigene Subjektivität zu verwirklichen, die ihr eigene Identität. Dies zieht unter anderem die Schaffung angemessener Bedingungen zur Entwicklung der Kultur, der Wirtschaft und der anderen Bereiche des sozialen Lebens der Gemeinschaft nach sich. Die Souveränität des Staates ist tief verbunden mit seiner Fähigkeit, die Freiheit der Nation zu fördern, das heißt, Bedingungen zu schaffen, die ihr gestatten werden, ihre ganze eigene historische und kulturelle Identität auszudrücken, d. h., die ihr gestatten, durch den Staat souverän zu sein. Diese elementaren Wahrheiten der Moralordnung werden in dramatischer Weise im Laufe der Jahrhunderte gebrochen, in denen das Gnaden- 474 REISEN bild von Jasna Göra von der besonderen Anwesenheit der Gottesgebärerin in der Geschichte unserer Nation zeugt. 6. Der Anfang dieser Anwesenheit verbindet sich mit der Periode des Übergangs von der Piasten- zur Jagiellonenzeit. Man kann sagen, daß dieser Anfang der fruchtbarsten Periode unserer Geschichte vorausgeht: dem Goldenen Zeitalter. Heute wollen wir auch für diese Jahrhunderte der großen Blüte und des Gedeihens danken. Die historische Erfahrung zeigt jedoch, daß Maria in ihrem Bild von Jasna Göra uns vor allem für schwierige Zeiten gegeben ist. Zur Ankündigung dieser Zeiten wurde im 17. Jahrhundert die Periode der „Sintflut“ (die uns so gut bekannt ist aus dem Roman von Sienkie-wicz). Aus der Zeit, da Jasna Göra sich dem Ansturm der Schweden widersetzte, als dann das ganze Vaterland sich von den Eindringlingen befreite, datiert die besondere Verbindung des Heiligtums von Jasna Göra mit der immer schwieriger werdenden Geschichte der Nation. Die Gottesgebärerin wird aufgrund der Gelübde von Jan Kazimierz zur Königin der Polnischen Krone ausgerufen. Zum Festtag der Königin Polens, derer, die „gegeben ist zur Verteidigung der polnischen Nation“, wird im Laufe der Zeit der Tag des 3. Mai, der verbunden ist mit der Erinnerung an die Verfassung vom 3. Mai (1791). Diese Verfassung zeugt unwiderlegbar von dem Wülen, die unabhängige Existenz des Vaterlandes durch Verfügung entsprechender Reformen zu bewahren. Fast am Tag nach der Verkündigung dieser Verfassung wurde Polen leider dieser unabhängigen Existenz beraubt und erlag der Übermacht von gleichzeitig drei Seiten. Auf diese Weise wurde das grundlegende Recht der Nation verletzt: das Recht der moralischen Ordnung. Während meiner vorigen Pilgerreise in das Vaterland im Jahre 1979 sagte ich auf Jasna Göra: daß wir hier immer frei waren. Man kann es schwerlich anders ausdrücken, wozu das Bild der Königin Polens für alle Polen in einer Zeit wurde, als ihr Vaterland von der Landkarte Europas als unabhängiger Staat ausradiert war. Ja, hier auf Jasna Göra, wo die Königin Polens wohnte, waren wir in gewisser Weise immer frei. Auf Jasna Göra stützte sich auch die Hoffnung der Nation und das ausdauernde Bestreben nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit, was zum Ausdruck kommt in den Worten: „Vor deine Altäre tragen wir das Flehen, mögest du uns das freie Vaterland wiedergeben!“ Hier lernten wir auch die grundlegende Wahrheit über die Freiheit der Nation: die Nation geht zugrunde, wenn ihr Geist verdirbt - die Nation 475 REISEN wächst, wenn ihr Geist sich immer mehr reinigt; dies werden keinerlei äußere Kräfte zerstören können! 7. Wir begingen das Millennium der Taufe Polens zu einer Zeit, als - ab 1918 - Polen sich wieder als Staat auf der Landkarte Europas befand; wir begingen es nach der schrecklichen Erfahrung des Zweiten Weltkrieges und der Besatzungszeit. Das Jubiläum der 600jährigen Anwesenheit des Bildes von Jasna Göra ist gleichsam die unentbehrliche Ergänzung zu diesem Millennium. Die Ergänzung von etwas Großem, etwas Wesentlichem für die Geschichte der Menschen und für die Geschichte der Nation. Dieses heißt: Königin Polens. Dieses heißt: Mutter. Wir haben eine sehr schwierige geopolitische Lage. Wir haben eine sehr schwierige Geschichte, vor allem im Verlauf der letzten Jahrhunderte. Schmerzhafte Erfahrungen der Geschichte schärften unsere Sensibilität für die grundlegenden Menschenrechte und Rechte der Nation: besonders für das Recht auf Freiheit, auf souveräne Existenz, auf Achtung der Gewissens- und Religionsfreiheit, der Rechte der menschlichen Arbeit. . . Wir haben auf verschiedene menschliche Schwächen und Fehler und Sünden, und zwar schwere Sünden, die wir uns ständig in Erinnerung rufen und von denen wir uns ständig zu befreien versuchen müssen. Aber - inmitten von alledem haben wir auf Jasna Göra die Mutter. Sie ist eine sorgende Mutter, so wie in Kana in Galiläa. Sie ist eine fordernde Mutter, so wie jede gute Mutter etwas fordert. Sie ist jedoch gleichzeitig eine helfende Mutter: darin drückt sich die Macht ihres mütterlichen Herzens aus. Sie ist schließlich die Mutter Christi - des Christus, der (nach den Worten des hl. Paulus) ständig zu allen Menschen und allen Völkern spricht: „Du bist nicht mehr Sklave, sondern Sohn, bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal4, 7). 8. Diesen Christus wollen wir nach den Worten des heutigen Evangeliums in den weiteren Verlauf der Geschichte unseres Vaterlandes so einladen, wie er zusammen mit seiner Mutter nach Kana in Galiläa eingeladen worden ist. Das eben bedeutet unser heimisches Jubiläum von Jasna Göra. Es ist eine Zeit der Danksagung, aber gleichzeitig eine Zeit der Einladung. So fügt es sich, daß unser heimisches Jubiläum von Jasna Göra in der Weltkirche zusammentrifft mit dem Jubiläum des Jahres der Erlösung. Wir knüpfen über 1950 Jahre hinweg an die Erlösung der Welt an, die ( 476 REISEN sich am Kreuze vollzog, und wir schauen zugleich auf das Datum, das das zweite Jahrtausend nach Christus in der Geschichte der Menschheit abschließen und das dritte eröffnen soll. Und so möchten wir in diesem historischen Zusammenhang Christus durch Maria von Jasna Göra in unsere Zukunft einladen. Vor allem in diese nächste Zukunft, die schon Platz hat in den Grenzen der heutigen Generation der Menschen und der Nation. Und zugleich in die fernere Zukunft gemäß dem Willen und den Fügungen des allmächtigen Gottes. Wir sagen zu Christus durch Maria: Seid bei uns allezeit! Und diese Einladung sprechen wir hier aus, auf Jasna Göra. 9. Mit dem Blick und dem Herzen umfassen wir dieses ganze Heiligtum: Jasna Göra - unser polnisches Kana. Wir denken an unsere Zukunft. Und die Zukunft beginnt heute. Heute sind wir hier versammelt: im Jahr des Herrn 1983. Heute schauen wir in deine Augen, o Mutter! O Maria, die Du in Kana in Galiläa gewußt hast, daß sie keinen Wein haben (vgl. Joh 2, 3). O Maria! Schließlich weißt Du ja von allem, was uns fehlt! Von allem, was uns schmerzt. Du kennst unser Leiden, unser Verschulden und unser Streben. Du weißt, was die Herzen der Nation bewegt, die Dir zum Millennium „in die mütterliche Gefangenschaft der Liebe . . .“ gegeben ist. Sag es Deinem Sohn! Sag Deinem Sohn von unserem schwierigen Heute. Sprich von unserem schwierigen Heute zu diesem Christus, den wir in unsere ganze Zukunft einzuladen gekommen sind. Diese Zukunft beginnt heute - und sie hängt davon ab, wie unser Heute sein wird. In Kana in Galiläa sagtest Du zu den Dienern, als der Wein ausging: „Tut alles, was er euch sagt“ {Joh 2, 5) und wiesest dabei auf Christus. Sprich diese Worte auch zu uns! Sprich sie immerzu! Sprich sie unermüdlich aus! O Mutter Christi, der der Herr des kommenden Zeitalters ist. . . Und mach Du, daß wir in diesem unserem schwierigen Heute auf Deinen Sohn hören. Daß wir auf ihn hören Tag um Tag. Und Tat um Tat. Daß wir auf ihn hören auch dann, wenn er schwierige und fordernde Dinge sagt. Zu wem sollen wir gehen? Er hat Worte des ewigen Lebens! (vgl. Joh 6, 68). Das Evangelium ist die Freude der Mühsal - und es ist gleichzeitig die Mühsal der Freude des Heils. 477 REISEN O Mutter! Hilf uns, mit dem Evangelium im Herzen durch unser schwieriges Heute in diese Zukunft zu gehen, in die wir Christus eingeladen haben. 10. Noch einmal umfassen wir mit Blick und Herz unser Heiligtum von Jasna Göra. Wir hören hinein in die Psalmworte der heutigen Liturgie: „Umkreist den Zion, umschreitet ihn, zählt seine Türme! . . . . . . damit ihr dem kommenden Geschlecht erzählen könnt: ,Das ist Gott, unser Gott für immer und ewig’” (Ps 48/37, 13-15). Die Wahrheit und das Gute stärken! Vor dem Angelus in Tschenstochau am Sonntag, 19. Juni 1. Vor dem Abschluß der heiligen Messe will ich noch den „Engel des Herrn“ beten, so wie ich dieses Gebet jeden Sonntag um die Mittagszeit in Rom spreche. Der „Engel des Herrn“ trägt die ganze Aussage des Geheimnisses in sich, das unter anderem, Ausdruck gefunden hat im polnischen Heiligtum von Jasna Göra: Maria empfing die Verkündigung des Erzengels als demütige Magd des Herrn und wurde durch Wirken des Heiligen Geistes zur Mutter des Ewigen Wortes. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (vgl. Joh 1, 14), um die Welt zu erlösen. Das Gebet des Angelus erinnert uns an den Anfang des Erlösungsgeheimnisses, aus dem wir in diesem Jahr des außerordentlichen Jubiläums besonders zu schöpfen versuchen. 2. Ich will mich in diesem Gebet des „Engel des Herrn“ auf Jasna Göra mit allen vereinigen, die in Rom und irgendwo auf der Welt dieses Gebet gemeinsam mit dem Papst sprechen. Ich will mich insbesondere mit denen vereinen, die im ganzen polnischen Land leben: mit meinen Landsleuten. Ich bete mit ihnen, und ich bete für sie. Für alle. 478 REISEN 3. In diesem Gebet will ich mich in besonderer Weise mit denen vereinen, die in meinem Vaterland vielfältige geistige Arbeit leisten. Ich denke an die Lehrer und Erzieher an den unterschiedlichen Schulen (von den Kindergärten bis hin zu den Hochschulen). Ich denke an die Menschen, die in Büros und Ämtern, in der Industrie und im Handel tätig sind. Ich denke an die Ärzte und das ganze vielschichtige Personal im Gesundheitsdienst. Ich denke an die Beschäftigten je nach den unterschiedlichen speziellen Funktionen, die sie ausüben. Ich denke an die Ingenieure der verschiedenen Disziplinen. Ich denke an die Schaffenden von Kultur und nationaler Kunst: Ich denke an diejenigen, die diese Kultur verbreiten. Ich denke an die Menschen der Feder. Ich denke an die Wissenschaftler. Ich denke an alle diese Berufe und Berufungen, die dem Gemeinwohl der Gesellschaft dienen, indem sie verschiedene Gebiete der nationalen Kultur gestalten. 4. Wir werden noch - bei anderen Gelegenheiten - die Landwirte, Mitarbeiter in der Industrie und andere soziale Gruppen Gott anempfehlen. Heute, hier auf Jasna Göra, nehmen wir in den Inhalt unseres Gebetes zum „Engel des Herrn“ alle die hinein, die im Vaterland irgendeine geistige Arbeit leisten. Das Angelus-Gebet gestattet uns, die Offenbarung des ewigen Plans göttlicher Liebe im Hinblick auf den Menschen zu erwägen. Möge die — vielgestaltig ausgerichtete — Tätigkeit menschlichen Geistes auf polnischem Boden dazu dienen, die Wahrheit zu stärken und die Bereiche des Guten in unserer heimischen Gemeinschaft auszuweiten. Dies erbitte beim Vater allen Lichts die, welche Mutter des menschgewordenen Wortes wurde - und welche, seit sechs Jahrhunderten, mitten unter uns in ihrem Bild von Jasna Göra ist. Die, welche „gegeben ist zur Verteidigung der polnischen Nation“. 479 REISEN Mariens Teilhabe am Königtum Christi Ansprache bei der Krönung von vier Marienbildern in Tschenstochau am 19. Juni 1. „Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1, 32-33). Ich möchte an diese Worte aus dem Lukas-Evangelium von der Verkündigung anknüpfen in einem Augenblick, da es mir gegeben ist, den liturgischen Krönungsakt an folgenden Marienbildern zu vollziehen: - aus Lubaczöw, - aus Brdow, - aus Stoczek Warminski (Springborn im Ermland), - aus Zielenice. Ich vollziehe diesen Akt auf Jasna Göra an dem Tag, an dem ich zusammen mit den Söhnen und Töchtern meiner geliebten Nation Dank sage für die 600 Jahre Anwesenheit der Gottesmutter in unserer Geschichte. Ich will den Akt der liturgischen Krönung an den genannten vier Bildern besonders in dieses heimatliche Jubiläum hineinnehmen. Eine Krönung ist mit der königlichen Würde verbunden. Eben deshalb berufe ich mich auf die Worte der Verkündigung, die von der Königs-würde Christi sprechen. Mit dem Königreich des Sohnes ist das Königtum seiner Mutter verbunden. Wenn wir in einem liturgischen Akt Bilder oder Skulpturen krönen, dann setzen wir zuerst dem Sohn, Christus, und danach Maria die Krone auf. 2. In den Worten der Verkündigung ist die Königswürde Christi in messianischer Weise ausgedrückt. Gerade aus dem Königsgeschlecht Davids sollte der geboren werden, den Gott als Gesalbten, das heißt als Messias, zur Errettung seines Volkes schicken würde. Der, welcher kommt, gesalbt mit dem Heiligen Geist und mit der Macht. Als Jesus von Nazaret seine messianische Macht offenbarte, indem er Wunder und große Zeichen unter den Menschen wirkte, wollte das Volk ihn zum König machen. Doch Christus distanzierte sich stets von ihnen, die sein irdisches Königreich befürworteten. Und als Pilatus vor Gericht -unter dem Einfluß der Anschuldigungen von seiten der Feinde Jesu - ihn 480 REISEN fragte: „Bist du der König?“ (Joh 18, 33), antwortete Christus: „Mein Königtum ist nicht von dieser Welt. Wenn es von dieser Welt wäre, würden meine Leute kämpfen, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde“ (ebd. 36). Pilatus hörte in dieser Antwort die Feststellung, daß Jesus von Nazaret kein König „von dieser Welt“ ist und dennoch von seinem „Königtum“ spricht. Und deshalb sagte Püatus erneut: „Also bist du doch ein König?“ Christus antwortet: „Du sagst es, ich bin ein König, ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (ebd. 37). So nahm also Jesus im irdischen Sinne keine Krone auf sein Haupt. Er akzeptierte nur die Dornenkrone, die auf sein Haupt gedrückt wurde, um den „König der Juden“ lächerlich zu machen. Und mit dieser Dornenkrone auf seinem Haupt gab Jesus von Nazaret seine Seele in die Hände des Vaters auf dem Kalvarienberg: ein gekreuzigter König. Denn noch über sein Haupt schrieb man ja den Grund seiner Schuld: „Jesus von Nazaret, der König der Juden“ (ebd. 19, 19). Auf solche Weise erfüllte sich die Vorhersage der Verkündigung. Das Kreuz auf dem Kalvarienberg wurde für den Messias zum Thron Davids. Aber gerade in dieser Erniedrigung des gekreuzigten Königs gewinnen die folgenden Worte volle Bedeutung: „Seine Herrschaft wird kein Ende haben.“ In seiner Auferstehung bestätigte der Gekreuzigte, daß er Herr über Leben und Tod ist. Ein Herr, dem im Geheimnis der Erlösung jeder Mensch anheimgegeben ist. Ein Herr, der alle Zeit menschlichen Seins auf Erden umfaßt und dieses Sein in die Ewigkeit überführt: „Seine Herrlichkeit wird kein Ende haben.“ 3. Wenn wir beim liturgischen Akt der Bilderkrönung Jesus die Krone auf setzen - Jesus als Sohn Mariens, auf ihren Armen -, dann haben wir die Wahrheit des Evangeliums über das Königtum Christi vor Augen. In Einheit mit der Wahrheit über das Königtum Christi enthüllt sich den Augen unseres Glaubens auch die Wahrheit über das Königtum Mariens. Die Mutter des Messias hatte seit der Stunde der Verkündigung ganz besonderen Anteil an diesem Königtum, das zur Sendung ihres Sohnes wurde. Als sie unter dem Kreuz stand, nahm sie mit dem Herzen seine Dornenkrone auf ihr Haupt. Wie kein anderer, so war sie, die Mutter, am Opfer ihres Sohnes beteüigt - am Opfer unserer Erlösung. Sie war auf mütterliche Weise beteiligt. Und Christus bestätigte diese mütterliche Beteiligung an seinem Erlösungsopfer dadurch, daß er Maria seinen 481 REISEN Jünger Johannes zum Sohn gab. Siehe dein Sohn - und in seiner Person jeden Menschen, denn jeder ist umfangen von der liebenden Kraft der Erlösung. Eben deshalb hat dieses Königtum Mariens, dem wir dadurch Ausdruck geben, daß wir sie in einem liturgischen Akt krönen, seinen entscheidenden Anfang in der Vereinigung der Mutter mit dem Kreuz und dem Tod ihres Sohnes. Mit ihm in der Vernichtung vereint, wird sie auch in der Verehrung vereint, die zuerst durch die Auferstehung offenbar wird. Wir wissen, daß die Gottesgebärerin an der Auferstehung Christi durch ihre Himmelfahrt teil hat. In den Himmel aufgenommen, hat sie auch teil an jener Herrschaft, von der sie im Augenblick der Verkündigung erfuhr: „Seine Herrschaft wird kein Ende haben.“ Sie hat teil mit den Rechten einer Mutter - und sie hat teil auf mütterliche Art. Wenn wir der Mutter Christi in dem gekrönten Bild die Krone aufs Haupt setzen, dann wollen wir unseren Glauben an diese wunderbare Teilhabe Mariens an der Königsherrschaft ihres Sohnes zum Ausdruck bringen. 4. Sein Königreich - und so auch ihr Königtum - ist nicht von dieser Welt. Und dennoch ist es in der Geschichte des Menschen verwurzelt, in der Geschichte des ganzen Menschengeschlechts - zuerst dadurch, daß der Sohn Gottes, wesensgleich mit dem Vater, durch Wirken des Heiligen Geistes im Schoße Mariens Mensch wurde. Letztlich jedoch ist jene Herrschaft in der Geschichte der Menschheit durch das Kreuz verwurzelt, an dem die Gottesgebärerin als „Socia Redemptoris“ ausharrte. Und in dieser Verwurzelung dauert diese Königsherrschaft an. Sie dauert an auf Erden. Sie dauert an verschiedenen Orten der Erde an. Verschiedene menschliche Gemeinschaften erfahren das mütterliche Königtum Mariens, das ihnen die Herrschaft Christi näherbringt. Diese Erfahrung verbindet sich mit Orten, mit Heiligtümern, mit Bildern. Wenn in der Gemeinschaft des Gottesvolkes diese Erfahrung von Mariens Königtum durch den Glauben von Generationen eine besondere Reife gewinnt, dann entsteht der Wunsch, dies durch einen liturgischen Akt der Krönung durch die Kirche bestätigen zu lassen, nachdem sie die Billigkeit dieses Wunsches geprüft hat. „Königin der polnischen Krone“ Ich freue mich darüber, daß ich heute auf Jasna Göra eben einen solchen Akt vollziehen kann. 482 REISEN 5. Ich soll Jesus und Maria im Bild von Lubaczöw die päpstlichen Kronen aufsetzen. Herzlich grüße ich Bischof Marian Rechowicz, den Apostolischen Administrator in Lubaczöw - zusammen mit dem Kapitel, mit dem Klerus und den männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Ich grüße alle Pilger aus dieser Erzdiözese, deren Anfänge bis in die Zeiten von Kazimierz dem Großen reichen. Mit großer innerer Bewegung schmücke ich dieses Bild, das Zeuge von Jan Kazimierz’ Gelübden in der Kathedrale von Lwow (Lemberg) im Jahre 1656 war, mit den päpstlichen Kronen, das Bild, vor dem die Gottesgebärerin zum ersten Mal Königin der Polnischen Krone genannt wurde und unsere Nation sich dazu verpflichtete, „sich erneut und eifrig dem Dienst“ ihrer „allerbarmherzigsten Königin zu weihen“ (vgl. „Die Gelübde des Jan Kazimierz“). 6. Ich soll auch Jesus und Maria im Bild aus Brdöw in der Diözese Wloclawek päpstliche Kronen aufsetzen. Dies hat eine besondere Aussagekraft bei einer Pilgerreise, wie ich sie in das Vaterland nach der Heiligsprechung des hl. Maximilian Kolbe unternehmen darf. Dieser erste polnische Heilige des zweiten Jahrtausends ist ja in Zdunska Wola geboren, eben in der Diözese Wloclawek. Möge die heutige Krönung Ausdruck dieser außergewöhnlichen Verehrung und Liebe sein, die jener der Immakulata entgegenbrachte. Aber darf man nur allein an ihn erinnern, wenn man von der Diözese spricht, die unter den polnischen Diözesen wohl die größte Hekatombe an Opfern aus der Zahl ihrer Priester dargebracht hat, an ihrer Spitze den • Diener Gottes Bischof Michal Kozal. Und gerade aus dieser Diözese kam auf den bischöflichen Stuhl in Lublin und dann auf den Stuhl des Primas der unvergessene Kardinal Stefan Wyszynski, der Primas des Millenniums. Herzlich begrüße ich auch Bischof Jan Zareba, den Oberhirten der Diözese, die Weihbischöfe, das Kapitel, den Diözesan- und Ordensklerus: die Schwestern und Brüder. Ich begrüße alle Pilger aus der Diözese Wloclawek, vor allem aus dem Heiligtum in Brdöw. Indem ich den Krönungsdienst versehe, freue ich mich gemeinsam mit euch in der Freude Mariens. 7. Ich soll jetzt Jesus und Maria im Büd aus dem Heiligtum in Stoczek (Springbom), Diözese Warmia (Ermland), päpstliche Kronen aufsetzen. 483 REISEN Mit diesem Akt bringe ich der Mutter des Friedens die Dankbarkeit zum Ausdruck für über 300 Jahre Fürsorge zugunsten des heiligen Ermlands, das im Verlauf der Geschichte und des wechselvollen historischen Schicksals Christus und seiner Kirche die Treue bewahrt hat. Stoczek Warminski (Springborn im Ermland) ist uns auch als der Ort bekannt, an dem Kardinal Stefan Wyszynski in den Jahren 1953-54 inhaftiert war. Eben dort verfaßte der Primas des Millenniums seinen „Akt der persönlichen Weihe an die heiligste Mutter“, und eben dort vollzog er diese Weihe am 8. Dezember 1953. Herzlich grüße ich den Oberhirten der Diözese, Bischof Jan Oblak, die Weihbischöfe Julian und Wojciech, das Dom- und Kollegiatskapitel, das Diözesanseminar „Hosianum“, das so stark verbunden ist mit der strahlenden Gestalt des Dieners Gottes, Kardinal Stanislaw Hozjusz; ich grüße die Priester, die männlichen und weiblichen Ordensfamilien und alle Pilger. In euch begrüße ich die ganze Kirche von Warmia (Ermland). In diesem feierlichen Augenblick will ich auch an ganze Generationen von Bischöfen und Priestern erinnern, die in der Vergangenheit diese Kirche auf dem Fundament des Glaubens und der Liebe errichtet haben. In besonderer Weise rufe ich jene in Erinnerung, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg - ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten - ihren seelsorglichen Dienst dorthin trugen. Euch alle empfehle ich der Mutter des Friedens. 8. Ich soll schließlich Jesus und Maria im Bild aus dem Heiligtum in Zielenice, Diözese Kielce, päpstliche Kronen aufsetzen. Mit diesem liturgischen Akt will ich gleichzeitig der Heiligsten Dreifaltigkeit, unserem Erlöser und seiner Mutter für das hundertjährige Bestehen der Diözese Kielce Dank sagen. Wenn ich den Oberhirten der Diözese, Bischof Stanislaw Szymecki, sowie die beiden Weihbischöfe herzlich begrüße, will ich gleichzeitig an alle Oberhirten der Diözese Kielce im Verlauf der 100 Jahre erinnern, bis hin zu dem unlängst verstorbenen Bischof Jan Jaroszewicz. Ich begrüße die Kapitel von Kielce und Wislica und das Geistliche Seminar. Ich begrüße die Diözesanpriester sowie die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Gleichzeitig erinnere ich an alle Kle- 484 REISEN rusgenerationen, die im Laufe dieser hundert Jahre den Dienst am Evangelium unter dem Gottesvolk in der Kirche von Kielce versehen haben. Wenn ich alle Pilger - Brüder und Schwestern die zum heutigen Fest hierhergekommen sind, begrüße, dann erinnere ich gleichzeitig auch an jene Generationen von Diözesanen, die im Laufe der vergangenen hundert Jahre eine lebendige Gemeinschaft des Gottesvolkes in eurer Diözese darstellten. In dieser Gemeinschaft wurde die Herrschaft des Kreuzes und der Erlösung Christi verwirklicht - und ständig wurde die mit der Auferstehung Christi verbundene Hoffnung auf ein zukünftiges Leben wieder lebendig. In dieser Gemeinschaft war die Mutter Christi stetig unter euch. Heute wollen wir diese ihre mit ihrem Sohn verbundene Gegenwart krönen, indem wir dem Muttergottesbildnis von Zielenice Kronen aufsetzen. Möge Maria über weitere Jahre und Generationen mit euch sein und euch Christus und seine Herrschaft nahebringen: eine Herrschaft der Gnade und der Wahrheit, eine Herrschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, eine Herrschaft des ewigen Lebens. Ohne Wahrheit kein Dialog Ansprache vor der Vollversammlung der Polnischen Bischofskonferenz in Tschenstochau am 19. Juni <29> <29> Meine teuren Brüder im Bischofsamt, Kardinal-Primas, Kardinal-Metropolit von Krakau, Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe, Mitglieder der Polnischen Bischofskonferenz! Meine ersten Schritte während der diesjährigen Pilgerreise in das Vaterland lenkte ich zur Warschauer Kathedrale, zum Grab des verstorbenen Kardinals Stefan Wyszynski, des Primas des Millenniums. Die erste heilige Messe feierte ich für ihn, wobei ich Gott seine unsterbliche Seele befahl und zugleich für die mehr als 30 Jahre seines Dienstes für Polens Kirche im Amt des Bischofs und Primas dankte. Es ist geradezu schwierig, die Bedeutsamkeit dieses Dienstes in Worte zu fassen — nicht nur für Polen, sondern auch für die Weltkirche. Als ich aus 485 REISEN der römischen „Gemelli“-Klinik meinen Brief nach dem Tod des Primas schrieb, sagte ich u. a.: „. . . daß wir ihn, der vor allem Gott gehörte -während er uns als Hirte und erster Bischof in Polen zu tiefer Erbauung gegeben war -, ,Deo soli - Gott allein <30> zurückgegeben haben. Er ist in unserer Zeit während der 30 Jahre seines Hirtenamtes zu einem wahren Zeugen Christi unter den Menschen geworden, er ist zum Lehrmeister und Erzieher im Geist der ganzen Wahrheit über den Menschen geworden und hat, während er uns lehrte und sein Hirtenamt erfüllte, versucht, nach dem Vorbild Christi und seiner Mutter den Menschen und der Nation zu dienen, zu der ihn der gütige Gott gesandt hatte. Als unerschrockener Sprecher für die Würde des Menschen und seine unverletzlichen Rechte im privaten, familiären, sozialen und nationalen Lebensbereich ist der verstorbene'Primas zu einem einzigartigen Vorbild lebendiger Liebe zum Vaterland geworden und muß wohl als einer der größten Männer in dessen Geschichte angesehen werden.“ (O.R.dt., Nr. 29 vom 17. 7. 81) <30> Meine teuren Brüder im Bischofsamt, Kardinal-Primas, Kardinal-Metropolit von Krakau, Metropoliten, Erzbischöfe und Bischöfe, Mitglieder der Polnischen Bischofskonferenz! Meine ersten Schritte während der diesjährigen Pilgerreise in das Vaterland lenkte ich zur Warschauer Kathedrale, zum Grab des verstorbenen Kardinals Stefan Wyszynski, des Primas des Millenniums. Die erste heilige Messe feierte ich für ihn, wobei ich Gott seine unsterbliche Seele befahl und zugleich für die mehr als 30 Jahre seines Dienstes für Polens Kirche im Amt des Bischofs und Primas dankte. Es ist geradezu schwierig, die Bedeutsamkeit dieses Dienstes in Worte zu fassen — nicht nur für Polen, sondern auch für die Weltkirche. Als ich aus 2. Als ich zum ersten Mal als Papst in Polen war, lud Kardinal Wyszynski mich zum Jubiläum von Jasna Göra ein. Ich meine, daß er - wachend am Thron der Königin Polens - durch sein Gebet dazu beigetragen hat, daß diese zweite Pilgerreise trotz so großer Schwierigkeiten stattfinden kann. Ich möchte im Gremium der Polnischen Bischofskonferenz noch einmal dem großen Primas posthum in der Erinnerung huldigen, dem die Kirche und Polen - und wir alle: ich im besonderen - soviel verdanken. Ich möchte, im Gedenken an den Primas, gleichzeitig an alle jene Mitglieder der Polnischen Bischofskonferenz erinnern, die der Ewige Vater seit meiner letzten Anwesenheit im Vaterland abberufen hat. Die bischöflichen Ordinarien: neben Kardinal Stefan Wyszynski - Ber-nard Czaplinski, Bischof von Chelmno (Kulm); Piotr Golebiowski, Apostolischer Administrator der Diözese Sandomierz; Jan Jaroszewicz, Bischof von Kielce; Mikolaj Sasinowski, Bischof von Lomza. Die Weihbischöfe: Edmund Ilcewicz in Lublin; Aleksander Moscicki in Lomza; Jözef Kazimierz Kluz in Gdansk (Danzig); Waclaw Majewski in Warschau; Stanislaw Jakiel in Przemysl. Wir befehlen die Seele des verstorbenen Primas und aller verstorbenen Brüder im Bischofsamt der göttlichen Barmherzigkeit, indem wir das Salve Regina sprechen. 3. Gestattet jetzt, hochwürdige und teure Brüder, daß wir uns jenen zuwenden, die der ewige Hirte an die Stelle derer berufen hat, die dahingegangen sind. 486 REISEN Ich wende mich an erster Stelle an Kardinal Jözef Glemp, den Nachfolger auf dem Stuhl des Primas. Wir sind uns alle bewußt, daß auf deinen Schultern zusammen mit der großen Würde, teurer Primas, eine gewaltige Last ruht. Alle spüren wir in gewisser Weise diese Last, insbesondere angesichts der Entwicklung der Ereignisse in unserem Vaterland. Angesichts dieser Situation besitzt die kollegiale Einheit der Bischofskonferenz besondere Bedeutung, eine Einheit, die - wenn sie eine Stütze für jeden Bischof ist - dies im besonderen für den Primas ist. Im Verlauf der vier Jahre, seit meinem letzten Aufenthalt im Vaterland, ist die Bischofskonferenz um neue Namen bereichert worden. Ich möchte - in der Reihenfolge der Ernennungen - alle neuen Bischöfe begrüßen. Ich möchte dies tun, indem ich zugleich die „alten Kameraden“ begrüße, mit denen ich noch vor einigen Jahren gemeinsam im Gremium der Bischofskonferenz saß. 4. So begrüße ich, neben dem neuen Erzbischof von Gniezno (Gnesen) und Warschau, den neuen Bischof von Chelmno, Marian Przykucki; den Bischof von Sandomierz-Radom, Edward Materski; den Bischof von Kielce, Stanislaw Szymecki; den Bischof von Warmia (Ermland), Jan Oblak; den Bischof von Lomza, Julius Paetz. Ich begrüße auch alle neuen Weihbischöfe: in Lodz, in Szczecin-Kamien (Stettin-Cammin), in Poznan (Posen), in Katowice (Kattowitz), in Opole (Oppeln), in Wloclawek, in Gniezno (Gnesen), in Warschau, in Pelplin, in Olsztyn (Allenstein), in Lublin, in Kielce, in Lomza und in Gdansk (Danzig). Die Polnische Bischofskonferenz zählt in diesem Augenblick 85 Bischöfe. Ich möchte hinzufügen, daß in der gleichen Zeit der Sekretär der Bischofskonferenz, Priester Bronislaw Dqbrowski, in den Rang eines Titularerzbischofs erhoben wurde. Gleichzeitig erlangte in Rom Andrzej Maria Deskur, Präsident der Päpstlichen Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation, die erzbischöfliche Würde, und Priester Zenon Grocholewski, Sekretär der Apostolischen Signatur, die Bischofswürde. 5. Sehr herzlich danke ich der Polnischen Bischofskonferenz für die Einladung zum Jubiläum von Jasna Göra. Ich freue mich, daß zusammen mit mir an der heutigen Begegnung meine römischen Mitarbeiter teilnehmen können: Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli; Erzbischof Martinez Somalo, Substitut; Bischof Jacques Martin, Präfekt des Päpstlichen Hauses; Erzbischof Luigi Poggi, 487 REISEN Nuntius für Sonderaufgaben, sowie die hier anwesenden übrigen Teilnehmer meiner Pilgerreise. Die Vorbereitung auf den Staatsbesuch hat viele Anstrengungen von seiten verschiedener Stellen gekostet. Ich brachte schon meinen Dank an die Adresse der Regierungsstellen zum Ausdruck. Ich möchte an dieser Stelle besonders der Bischofskonferenz, der kirchlichen Seite, Dank sagen. Vor allem der Zentralen Kirchlichen Organisationskommission, dem Klosterkomitee von Jasna Göra, den Diözesankomitees sowie deren Sektionen: für Seelsorge, für Liturgie, für Organisation und Technik, für Baufragen, für Pügerfürsorge, für Koordination, für Sicherheit und Ordnung, für den Gesundheitsdienst, für die Versorgung und für Verkehr. Worte des Dankes richte ich auch an die Adresse des Pressebüros der Bischofskonferenz und des gesamten Informations- und Dokumentationsdienstes. Vergebt, wenn ich jemanden übergangen habe. Ich danke allen von ganzem Herzen. Ich danke für die ganze organisatorische Mühe, die zur Vorbereitung der Pilgerreise aufgewandt wurde. Vor allem danke ich jedoch für die seelsorgliche Vorbereitung. Diese Vorbereitung kam in dem folgenden Leitspruch zum Ausdruck: „Geschenk des Lebens, Geschenk des würdigen Lebens, Geschenk des übernatürlichen Lebens.“ Geschenk des Lebens - es umfaßt die Verteidigung der Ungeborenen und die religiöse Atmosphäre in der Familie. Geschenk des würdigen Lebens - das heißt Nüchternheit, Reinheit, Widerstand gegen die wachsende Pornographie und Sensibilisierung für die Gefahren der Rauschgiftsucht, das heißt Lebenskultur und Wahrheit im Alltagsleben. Geschenk des christlichen Lebens - also Gebet, insbesondere in der Familie, Teilnahme an der Sonntagsmesse, Empfang der Sakramente, unter besonderer Berücksichtigung des Bußsakramentes, Werke der Barmherzigkeit {Hirtenbrief der polnischen Bischöfe vom 5. 2. 1983). Nirgendwo sonst wird Gott in dem ihm eigenen Wirken gegenüber dem Menschen so radikal gegenwärtig, und nirgendwo sonst zeigt er sich gegenüber dem Menschen so fühlbar wie in seinem schöpferischen Wirken, das heißt als Spender des Geschenks des menschlichen Lebens. Daher ist die Haltung gegenüber dem Geschenk des Lebens Ausdruck und grundlegender Prüfstein für das authentische Verhältnis der Menschen zu Gott und zum Menschen, das heißt Ausdruck und Prüfstein authentischer Religiosität und Moral. Meine Brüder! Inbrünstiges Verlangen meines Herzens ist es, daß mein jetziger Besuch im Vaterland der Verwirklichung aller dieser Ziele dient, denen wir in der Vorbereitung Ausdruck gegeben haben. Sie betreffen 488 REISEN grundlegende Fragen für das Leben der Nation, für die Moral, für ihre Zukunft. So sehr, so inbrünstig bete ich mit euch darum! 6. Ständig verfolge ich die von der Polnischen Bischofskonferenz unternommenen Bemühungen, die aus dem Evangelium kommende Mission der Kirche zu erfüllen. Diese Mission erfüllt ihr vor den Augen der ganzen Gesellschaft in Polen, aber gleichzeitig vor den Augen der Welt. Denn die Ereignisse der letzten Jahre konzentrierten die Aufmerksamkeit der weiten öffentlichen Meinung auf die Kirche in Polen. Lange geschichtliche Erfahrungen, besonders die Erfahrungen der letzten Jahrhunderte und - vielleicht noch mehr - der letzten Jahrzehnte, sprechen dafür, daß die Kirche in Polen mit der Nation tief verbunden bleibt. Dies ist ein pastorales Band, das dem Evangelium entspricht. Es liegt auf der gleichen Linie, auf der die ganze Kirche von heute - im Geiste des Evangeliums und des II. Vatikanums - eine „Kirche der Armen“ sein will, ohne sich dadurch irgendwie im Hinblick auf jemanden, im Hinblick auf irgendeine gesellschaftliche Gruppe oder auf irgendeinen Menschen zu verschließen. Denn der „Mensch ist der erste und grundlegende Weg der Kirche“, wie ich in der Enzyklika Redemptor hominis Nr. 14 ausgedrückt habe. Das Heilige Jahr hat Adventscharakter „Kirche der Armen“ bedeutet unterschiedlichen Einsatz auf dem Erdball zugunsten des Menschen, seiner geistigen und materiellen Bedürfnisse, seiner grundlegenden und unveräußerlichen Rechte. Dieser Einsatz entspricht unterschiedlichen Situationen. Denn in unterschiedlichen Situationen geht es vor allem um unterschiedliche Bedürfnisse und unterschiedliche Rechte des Menschen. Im konkreten Fall muß der Einsatz der Kirche unserer polnischen Situation entsprechen. Dieser Einsatz gehört zum Programm der Evangelisation, so wie sich Paul VI. darüber als Ergebnis der Bischofssynode von 1974 in dem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi geäußert hat. Hier seine Worte: „. . . Doch wäre das Werk der Verkündigung nicht vollkommen, wenn es nicht dem Umstand Rechnung tragen würde, daß sich im Laufe der Zeit das Evangelium und das konkrete, persönliche und gemeinschaftliche Leben des Menschen gegenseitig fördern. Darum gehört zur Evangelisierung eine ausführliche Botschaft, die den verschiedenen Situationen jeweils angepaßt und dadurch stets aktuell ist, über die Rechte und Pflichten jeder menschlichen Person, über das Familienleben, ohne das 489 REISEN kaum eine persönliche Entfaltung möglich ist, über das Zusammenleben in der Gesellschaft, über das internationale Leben, den Frieden, die Gerechtigkeit, die Entwicklung . . . Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung - Entwicklung und Befreiung - bestehen in der Tat enge Verbindungen: Verbindungen anthropologischer Natur, denn der Mensch, dem die Frohbotschaft gilt, ist kein abstraktes Wesen, sondern sozialen und wirtschaftlichen Problemen unterworfen; Verbindungen theologischer Natur, da man ja den Schöpfungsplan nicht vom Erlösungsplan trennen kann, der hineinreicht bis in die ganz konkreten Situationen des Unrechts, das es zu bekämpfen, und der Gerechtigkeit, die es wiederherzustellen gilt. Verbindungen schließlich jener ausgesprochenen biblischen Ordnung, nämlich der der Liebe: Wie könnte man in der Tat das neue Gebot verkünden, ohne in der Gerechtigkeit und im wahren Frieden das echte Wachstum des Menschen zu fördern? . . (Nr. 2.31). 7. Eifrig verfolgte ich im Laufe der letzten Jahre und Monate die Äußerungen der Bischofskonferenz, insbesondere die Kommuniques von den Plenarsitzungen. An manche Teile dieser Äußerungen knüpfte ich in meinem Wort an die Polen während der Mittwochs-Generalaudienzen sowie bei anderen Gelegenheiten an. Mir schien auch, daß die Kommuniques der Bischofskonferenz das in der Gesellschaft so sehr geweckte Bedürfnis, die Wahrheit zu hören, befriedigt haben. Die Wahrheit ist die erste und grundlegende Bedingung für die gesellschaftliche Erneuerung. Ohne sie kann von einem gesellschaftlichen Dialog keine Rede sein, den die Bischofskonferenz mit Recht fordert und die Gesellschaft gewiß erwartet. Die polnische Gesellschaft hat nämlich das absolute Recht auf alles, was den ihr zustehenden Subjektcharakter sichert, das heißt die Summe der Rechte, die sich aus der unmittelbaren Natur der menschlichen Person sowie der nationalen Gemeinschaft ergeben. Der Dienst an der Wahrheit geht in der Sendung der Kirche Hand in Hand mit dem Dienst an der Liebe. Die jüngste Zeit hier hat euch, teure Brüder, von allem vor den Seelsorgern sowie vor der ganzen Gemeinschaft der Kirche in Polen gewaltige Aufgaben eröffnet. „Ihr also (der Kirche) fiel es als Anteil zu, die Gefangenen und Internierten zu besuchen, Hilfe zu organisieren für deren Familien, Lebensmittel und Kleidung an die Bedürftigen zu verteilen, unter besonderer Berücksichtigung der Kinder, der Alten, der Kranken und der kinderreichen Familien. Ein besonderes Kapitel stellt die in der Geschichte noch nicht dagewesene materielle Hilfe dar, die von ungezählten Organisationen und Privatper- 490 REISEN sonen von jenseits der Grenzen unseres Landes kommt und die ausschließlich der Kirche zur Verteilung anvertraut ist. Uber die Ausmaße dieser Hilfe kann die Tatsache eine gewisse Vorstellung vermitteln, daß von Januar 1981 bis April 1982 120 Tonnen Medikamente die Verteilungszentrale für Arzneimittel in Warschau passiert haben, die für Kliniken und Krankenhäuser geliefert wurden.“ „Dank der guten Organisation gelangte diese Hilfe in die Pfarreien über die Diözesankomitees, die mit ihrem Netz entfernteste Winkel des Landes erfassen“ (vgl. Tygodnik Powszechny, 20. Juni 1982, Nr. 25/1721, S. 5). Ich zitiere hier Worte von Bischof Czeslaw Domin, dem Vorsitzenden der Caritativen Kommission der Polnischen Bischofskonferenz. Es gibt das Bedürfnis, sich um jeden Menschen zu sorgen, jeden Landsmann zu verteidigen, jedes Leben zu schützen und vor Körperverletzungen zu bewahren, zu denen es im Fall des Prügelns leicht kommen kann, insbesondere wenn es sich um junge und schwächere Organismen handelt. Einer ähnlichen Sorge bedürfen die Alten, die Einsamen, die Verlassenen, die Kranken . . . Die Kirche in Polen hat alle Hände voll mit karitativer Tätigkeit zu tun. Und diese aktive Nächstenliebe verändert das in vielen Punkten düstere und schmerzhafte Bild vom Leben der Gesellschaft, das sich im Laufe des letzten Jahres herausgebildet hat. Auf dieses schmerzhafte Bild fällt ein Lichtstrahl, den die tätige Nächstenliebe bringt. 8. Das,Jubiläum von Jasna Göra führt uns, teure Brüder, zu jenen Inhalten, die die Seelsorge in Polen in der Zeit der Großen Novene und des Millenniums der Taufe geformt haben. Es sind marianische und mariologische Inhalte - von besonderer Tiefe und Intensität. Ich sprach über sie während meiner vorigen Pilgerreise in die Heimat, insbesondere auf Jasna Göra. Als besonderes Erbe der Tausendjahrfeier bleibt ständig jener Akt der Hingabe in die „mütterliche Gefangenschaft der Liebe um der Freiheit der Kirche in der Welt und in Polen willen“. Dieser Akt steht in geistlicher Verbindung mit dem Erbe des Konzüs, mit dem Programm von Evangelii nuntiandi sowie mit dem Einsatz für die „Kirche der Armen“. Aus der marianischen Inspiration unseres Millenniums, die gestützt wird durch die Gestalt des hl. Maximilian, muß all das entspringen, was der Freiheit der Kirche dient - und wodurch die Kirche der wahren Freiheit von Mensch und Nation dienen soll. Dies wurde vor dem Hintergrund der Ereignisse der achtziger Jahre besonders aktuell. Mit tiefer Ergriffenheit las ich die Forderungen, die die 491 REISEN Vollversammlung der Polnischen Bischofskonferenz Anfang Mai dieses Jahres formulierte. Nicht zum ersten Mal - denn solche Forderungen wurden nach dem 13. Dezember mehrmals formuliert. Ich bringe meine tiefe Überzeugung zum Ausdruck, daß diese Postulate den tiefsten Grundlagen eines zugleich christlichen und patriotischen Ethos entsprechen. Sie dienen der Sache des Menschen - und dem guten Namen unseres Vaterlandes in der Weltmeinung und in der Geschichte. 9. Die Ereignisse der achtziger Jahre machen in besonderer Weise die Bedeutung sichtbar, die die Soziallehre der Kirche hat, insbesondere die Bedeutung des „Evangeliums der Arbeit“, das im unmittelbaren Zentrum dieser Lehre steht. Ich habe mich bemüht, dem in der Enzyklika Läborem exercens Ausdruck zu geben. Stets - noch aus der Zeit, als die Göttliche Vorsehung mir erlaubte, die persönliche Erfahrung körperlicher Arbeit zu machen - hegte ich die Überzeugung, daß die Soziallehre der Kirche nicht an den wahren Bestrebungen der Werktätigen vorbeigeht, sondern ihnen entgegenkommt. Die christliche Lehre von der Arbeit hebt einerseits die Solidarität der Werktätigen hervor, andererseits aber das Bedürfnis nach redlicher Solidarität mit den Werktätigen. Ich sprach über dieses Thema im Juni 1982 in Genf, auf Einladung der Internationalen Arbeitsorganisation: „Um“, ich zitiere, „eine Welt der Gerechtigkeit und des Friedens erstehen zu lassen, muß die Solidarität die Fundamente des Hasses, des Egoismus, der Ungerechtigkeit niederreißen, die allzuoft zu ideologischen Prinzipien oder zu wesentlichen Lebensgesetzen der Gesellschaft erhoben werden. In ein und derselben Arbeitsgemeinschaft führt die Solidarität zur Entdeckung der Forderung nach Einheit, die mit dem Wesen der Arbeit untrennbar verbunden sind, und nicht zu Tendenzen der Unterscheidung und Opposition. Sie lehnt es ab, die Gesellschaft als Kampfort und die sozialen Beziehungen als unnachgiebigen Klassenkampf aufzufassen. Eine Solidarität, die ihren Ursprung und ihre Kraft im Wesen der menschlichen Arbeit und daher im Vorrang der menschlichen Person von den Dingen hat, wird die Mittel des Dialogs und der Verständigung schaffen können, die die Auflösung des Widerspruchs ermöglichen, ohne daß sie deshalb versuchen wird, den Gegner zu vernichten. Nein, es ist keine Utopie zu behaupten, daß man aus der Welt der Arbeit eine Welt der Gerechtigkeit machen kann“ (Nr. 9). Gestattet, daß ich in diesem Zusammenhang noch an den „Geist der menschlichen Arbeit“ erinnere, an ein Buch, mit dem sich Kardinal 492 REISEN Wyszynski gewissermaßen legitimierte, als er 1946 in die Polnische Bischofskonferenz und später auf den Primasstuhl kam. Hier eröffnet sich - in gleichsam neuer Dimension, mit neuer Intensität -eine alte, um nicht- zu sagen - uralte Aufgabe der Kirche - eine Aufgabe für die Pastoral und für das Apostolat in Polen. Der Sinn dieses Apostolats und dieser Pastoral ist ein zweifacher: es geht um den Geist der menschlichen Arbeit, es geht auch um deren gesellschaftliche Form. Die Problematik der Gewerkschaften in ihrer authentischen Gestalt steckt mit ihren Wurzeln in dem einen wie in dem anderen. 10. Wir haben uns in Polen an eine planmäßige, „ganzheitliche“ Seelsorge gewöhnt. Ein „ganzheitlicher“ Plan war die Große Novene. Dies waren auch, bis zu einem gewissen Grad, die sechs Jahre vor dem Jubiläum von Jasna Göra. Ich will deshalb noch zum Schluß sagen, daß eben in diesem Jahr 1983 die polnische marianische Inspiration mit der christologischen Perspektive zusammentrifft. Hier geht das polnische, vaterländische Jubiläum von Jasna Göra gewissermaßen hinüber in das Jahr der Erlösung: in das außergewöhnliche Jubiläum der Weltkirche. Dieses Jubiläum ist aber wie ein Innehalten, wie ein Haltepunkt der Kirche auf dem Wege zum Jahre 2000 seit der Ankunft des Erlösers. Somit besitzt er gewissermaßen Adventscharakter. Und in dieser Weise knüpfen wir erneut an die marianische Inspiration an: Maria ist im Advent der Kirche und der Menschheit gegenwärtig. Sie wird - seit der Stunde ihrer Unbefleckten Empfängnis - zum definitiven Weg, auf dem Er in die große Menschheitsfamilie kommt. Wenn ich beim Abschluß meiner Äußerungen daran erinnere, so will ich damit einen weiteren Grund für meine Pilgerreise nach Polen in diesem Jahr erläutern. Gleichzeitig aber wünsche ich euch, teure Brüder, von ganzem Herzen, daß ihr auf dem Boden des Jahres der Erlösung sowie der marianischen Inspiration weiterhin eine Stütze findet für die pastoralen Pläne, die der Vereinigung des Gottesvolkes auf polnischem Boden dienen werden. Die auch dazu dienen werden, die menschlichen Herzen zu dieser Würde anzuheben, die sie in Christus, dem Erlöser der Welt, haben. 493 REISEN „ Vergebung zeugt von der Größe des menschlichen Geistes“ Gebet beim Appell von Jasna Göra in Tschenstochau am 19. Juni 1. In der Stunde des Appells von Jasna Göra will ich vor allem dir, Mutter meiner Nation, danken für den heutigen festlichen Tag. Seit langem legte ich dir diesen Tag an dein mütterliches Herz mit der Bitte, du mögest selbst alles lenken. Ich danke dafür, daß ich als Pilger am heimatlichen Jubiläum zur 600-Jahr-Feier von Jasna Göra hierherkommen und teilnehmen konnte. Daß ich, o Mutter, danksagen konnte für deine hiesige providentielle Anwesenheit in dem Bild, das von allen Polen so sehr geliebt wird. Von dir, Unsere Liebe Frau von Jasna Göra, danke ich allen, die heute gemeinsam mit mir aus der Heimat und von jenseits der Grenzen hierhergekommen sind, um an unserem nationalen Festtag der Danksagung und des Vertrauens teilzunehmen. Vor Dir auch, o Mutter, danke ich allen, die sowohl von staatlicher wie von kirchlicher Seite darum bemüht waren, diese Polenreise und ihren Verlauf vorzubereiten. Möge Gott es allen vergelten. 2. Bald wollen wir die Worte des Appells von Jasna Göra wiederholen. Es sind schlichte und starke Worte. Grundsätzliche Worte. Worte - entsprechend dem Evangelium. Worte der Liebe, mit denen wir das Herz der Mutter erreichen - und mit denen wir einander in diesem Herzen begegnen wollen. Eine solche Begegnung ist außerordentlich wichtig. Wir können in diesem schwierigen polnischen Land nicht sein, ohne uns im mütterlichen Herzen Unserer Lieben Frau von Jasna Göra zu begegnen. Und deshalb will ich, wenn ich zusammen mit euch, die ihr hier seid, den Appell von Jasna Göra erneuere, zugleich alle unsere Landsleute im polnischen Land und jenseits von dessen Grenzen einschließen. In wie vielen Gegenden der Welt, in wie vielen Ländern, auf wie vielen Kontinenten ist doch das Bild von Jasna Göra gleichzeitig ein sichtbares Zeichen für die polnische Seele und für die polnische Erde. Auf polnischer Erde aber soll, so wünsche ich es, dieser Appell von Jasna Göra zum Gebet eines besonderen Besuchs werden. Möge dieser Besuch meine Anwesenheit überall dort, wo ich eingeladen war und wohin ich nicht kommen konnte, ersetzen. Heute verbinde ich mich im Appell von 494 REISEN Jasna Göra besonders mit euch, liebe Brüder und Schwestern, die auf dem Weg meiner Pilgerreise durch Polen weder zu sehen noch zu treffen mir vergönnt war. Durch das Bild Unserer Lieben Frau von Jasna Göra besuche ich euch - und ich bin mit euch vereint. In dieser Gebetsgemeinschaft will ich mich auch in besonderer Weise mit diesen meinen Landsleuten vereinen, die - besonders in letzter Zeit - sich brieflich an mich gewandt und mir in ihren Briefen versichert haben, daß sie mich durch ihr Gebet und Opfer unterstützen. Mögen sie in der heutigen Begegnung vor der Mutter von Jasna Göra für sich die Antwort und ein Wort des Dankes finden. 3. In dieser unserer Gebetsgemeinschaft des Appells von Jasna Göra wollen wir alle einladen, die leiden. Wir sind im Namen Christi versammelt, der sagt: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben . . .; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ {Mt 25, 35.36). Liebe Brüder und Schwestern, die ihr leidet - hier in dieser Stunde des Appells von Jasna Göra kommen wir zu euch. Wir sind bei euch mit dem Herzen und mit der Erinnerung. Wir laden euch ein zum gemeinsamen Gebet. Ihr habt der Königin und Mutter unserer Nation besonders viel zu sagen. Und sie ist ganz besonders bei euch - so wie ihr Sohn, der gesagt hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {ebd. 40). Mutter von Jasna Göra! In dieser Abendstunde der Aufrichtigkeit, in der ich dir mein Herz öffne, kann ich die Dinge nicht übergehen, die viele Herzen erfüllen. Ich denke, daß meine Worte unbeholfen sind, denn es fällt schwer, laut von schmerzhaften Dingen zu sprechen. Deshalb bitte ich dich nur, o Mutter meiner Nation, für jene, die leiden, und für jene, die Leid bewirken, denn schließlich will dein Sohn niemanden zurückweisen! 4. O Mutter und Liebe Frau von Jasna Göra, ich will — in Vereinigung mit allen - dir noch einmal meine Nation anvertrauen. Ich bin ihr Sohn, ich trage in mir das ganze Erbe ihrer Kultur, ihrer Geschichte, das Erbe der Siege - in diesem Jahr erinnern wir uns besonders an Jan III. Sobieski und an Wien -, aber auch das Erbe der Niederlagen. Ich trage in mir das Bewußtsein ihrer Nachlässigkeiten, Sünden und ihrer Schuld, aber auch das Bewußtsein des geschichtlichen Unrechts, das sie besonders in den letzten beiden Jahrhunderten erlitten hat. Ich bin ein Sohn dieser Nation, 495 REISEN und deshalb empfinde ich alle ihre edlen Bestrebungen tief mit, das Verlangen nach einem Leben in Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, in gesellschaftlicher Solidarität, das Verlangen, ein eigenes Leben zu führen. Schließlich hat nach 1000 Jahren geschichtlicher Erfahrung diese Nation ihr eigenes Leben, ihre eigene Kultur, ihre gesellschaftlichen Traditionen und ihre geistige Identität. 5. Mutter von Jasna Göra! Ich möchte dir selbst das alles anvertrauen, was in der schwierigen Periode der letzten Jahre, insbesondere seit August 1980, erarbeitet worden ist, alle diese Wahrheiten, Prinzipien, Werte und Haltungen. Mach, daß nichts von dem, was wahrhaft und berechtigt ist, verlorengeht. Mach, daß es zum Werkstoff einer wahren gesellschaftlichen und moralischen Erneuerung werde. Zu Recht verbindet die Nation mit dieser Erneuerung ihre Hoffnungen. Mach, daß der gesellschaftliche Dialog erneut und mutig wiederaufgenommen wird, durch den die Nation die Hoffnung auf volle Teilhabe an der Entscheidung über die Form ihres Gemeinlebens wiedergewinnen könnte. Königin von Polen, ich will dir auch die schwierigen Aufgaben derer empfehlen, die die Macht im polnischen Land ausüben. Der Staat ist vor allem durch Unterstützung der Gesellschaft stark. Vor dir, o Maria von Jasna Göra, erhebe ich die laute Bitte, daß diese Unterstützung aus einem vollen Verständnis für den geschichthchen Weg der Nation und der zeitgenössischen Erfahrung kommen möge. Dies ist gleichzeitig der Weg zur Achtung des Menschen, seines Gewissens und seiner Überzeugungen. In dieser schwierigen Stunde der Geschichte In dieser schwierigen Stunde der Geschichte vertraue ich dir, o Mutter, alle Polen an, denn von jedem hängt es in einem gewissen Maß ab, daß man auf dem Weg der Erneuerung, der Gerechtigkeit und des Friedens bleibt. 6. Immer häufiger erscheint im Mund der in die große Völkerfamilie gestellten Kirche das Wort „Versöhnung“. Denn Christus versöhnte, wie der hl. Paulus sagt, uns mit Gott „in einem einzigen Leib durch das Kreuz. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2, 16). In diesem Jahr, das ein außerordentliches Jubiläumsjahr der Erlösung ist, ist dieses Wort mit ganzer Macht zurückgekehrt. Das Kreuz Christi fordert uns zur Versöhnung mit Gott auf, es öffnet allen Menschen den Zugang zu ihm. Gleichzeitig führt der Weg zur Versöhnung mit Gott über die Versöhnung 496 REISEN mit den Menschen. „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigem.“ Diese Worte stellen einen mächtigen Damm dar gegen das Anwachsen von Haß und Vergeltung. Diese Worte aus dem Gebet des Herrn sichern die zwischenmenschliche Einheit an ihren unmittelbaren Wurzeln. Du Mutter unserer Herzen! Mach, daß diese Worte die Kraft der Vergebung überall dort entfalten, wo wir uns ohne Vergebung nicht aus den Fesseln des Hasses befreien können. Denn der Haß ist eine zerstörerische Kraft, und wir dürfen weder zerstören noch uns von ihm zerstören lassen. Wir müssen innehalten an der Schwelle der Worte im Gebet der Herrn, wir müssen stets an die Grenze der Möglichkeiten zur Versöhnung gehen. Außerdem zeugt Vergebung von der Größe menschlichen Geistes, sie zeugt davon, daß er durchdringbar ist für das Wirken des Heiligen Geistes. Wie viele Menschen auf polnischer Erde haben dies doch in der letzten Zeit bezeugt. Wir danken dir dafür, Unsere Liebe Frau von Jasna Göra. Wir danken dir für jeden Sieg der Liebe im Jahr der Heiligsprechung Pater Maximilian Marias sowie vor der Seligsprechung der Diener Gottes Rafael, Albert und Ursula. Vergebung ist stark durch die Kraft der Liebe. Vergebung ist keine Schwäche. Vergebung bedeutet nicht, auf Wahrheit und Gerechtigkeit zu verzichten. Sie bedeutet: Wahrheit und Gerechtigkeit auf dem Weg des Evangeliums anzustreben. O Mutter, erbitte uns in diesem Heiligen Jahr die Bereitschaft zur Versöhnung. Lehre uns, nach Wahrheit und Gerechtigkeit ausdauernd zu streben, so wie dein Sohn es uns lehrt. 7. Ich kam hierher nach Jasna Göra im Jahr 1979 auf der Spur der heiligen Patrone Polens, Wojciech (Adalbert) und Stanislaus von Gnesen und Krakau. In diesem Jahr komme ich hierher auf dem Wege des hl. Maximilian, des Märtyrers der Liebe, des Märtyrers aus dem Lager von Auschwitz. Ich komme hierher auch von dem noch frischen Grab Stefan Kardinal Wyszynskis, des großen Primas des Millenniums. Durch die Erinnerung an diese Gestalten, die den Weg der Kirche in unserem schwierigen 20. Jahrhundert markieren, bitte ich dich, Unsere Liebe Frau von Jasna Göra, daß diese Kirche auf polnischem Boden weiterhin ihren Dienst versehen kann. 497 REISEN Vor dem Beginn des 3. Jahrtausends So wie sie vor fast 20 Jahren die Nation auf die große Tausendjahrfeier der Taufe vorbereitet hat, möge sie auch jetzt das gesamte Gottesvolk auf polnischem Boden auf den Beginn des dritten Jahrtausends nach Christi Geburt vorbereiten. Dies ist gleichsam wie ein neuer Advent der Menschheit. Maria ist das Licht dieses Advents. Sie ging ja der ersten Ankunft des Erlösers auf Erden voraus. Möge das Licht ihrer göttlichen Mutterschaft hier auf Jasna Göra hell erstrahlen und uns ständig dem näherbringen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Die Söhne und Töchter dieses Landes waren sechs Jahrhunderte lang empfänglich für dieses Licht Mariens aus Jasna Göra. Mögen sie weiterhin so empfänglich dafür bleiben, wie dies unsere schwierige Epoche von ihnen verlangt: eine Epoche in der Geschichte der Menschheit - und in der Geschichte unseres Volkes, in der großen Menschheitsfamilie. 8. Schließlich, o Mutter von Jasna Göra, bin ich hierhergekommen, um dir noch einmal zu sagen: Totus Tuus, Ich bin, o Mutter, ganz dein, und alles Meine ist dein! Alles Meine: also auch mein Vaterland, meine Nation. „ Totus tuus. Ich will Diener aller sein!“ O Mutter! Ich wurde zum Dienst für die Weltkirche auf dem römischen Stuhl Petri berufen. Mit dem Gedanken an diesen universalen, allgemeinen Dienst wiederhole ich immerzu: Totus Tuus. Ich will der Diener aller sein! Gleichzeitig bin ich ein Sohn dieser Erde und dieser Nation. Dies ist meine Nation, mein Vaterland. Mutter! Alles Meine ist dein! Mutter! Alles Meine ist dein! Was kann ich dir mehr sagen. Wie kann ich dir noch anders dieses Land, diese Menschen, dieses Erbe anvertrauen! Ich vertraue es dir an, so wie ich es verstehe. Du bist die Mutter. Du wirst es verstehen und annehmen. 9. Noch eines. Am 13. Mai sind zwei Jahre seit dem Nachmittag vergangen, als du mir das Leben gerettet hast. Es geschah auf dem Petersplatz. Dort wurde während der Generalaudienz ein Schuß auf mich abgegeben, der mich das Leben kosten sollte. Im vergangenen Jahr war ich am 13. Mai in Fatima, um zu danken und mich dir anzuvertrauen. 498 REISEN Heute will ich hier, auf Jasna Göra, als Votivgabe, als sichtbares Zeichen dieses Geschehnisses, den durchschossenen Gürtel der Soutane zurücklassen. Dein großer Verehrer, Kardinal August Hlond, Primas von Polen, sagte auf dem Sterbebett die folgenden Worte: „Der Sieg - wenn er kommt -wird durch Maria kommen.“ Totus Tuus. Und mehr will ich nicht hinzufügen. 10. Singen wir jetzt die Worte des Appells von Jasna Göra. Auf den Spuren der Kirche Polens Predigt bei der Messe zur Seligsprechung von Ursula Ledöchowska in Posen am 20. Juni 1. „Du bist der Messias (Christus), der Sohn des lebendigen Gottes!“ {Mt 16, 16). Ich wiederholte dieses Bekenntnis des Simon Petrus am 22. Oktober 1978, als ich durch den unerforschlichen Ratschluß der göttlichen Vorsehung den Dienst auf dem Stuhl Petri in Rom beginnen sollte. Heute wiederhole ich dieses Bekenntnis hier, in Poznan (Posen), an einem Ort, an dem dies vor uralten Zeiten im Piastenlande ausgesprochen wurde, nach der Taufe Mieszkos im Jahre 966. Vor uralten Zeiten wurde dieses Bekenntnis Petri aus dem Munde eines Bischofs gesprochen, weil Posen schon zwei Jahre nach dieser Taufe als erste Stadt in Polen „cepit habere episcopum“: seinen eigenen Bischof zu haben begann. Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Dieses Bekenntnis Petri kam seit diesen uralten Zeiten aus dem Mund der Vorväter — und die Herzen öffneten sich für den zuvor unbekannten Welterlöser, der als Gottessohn, als wesensgleich mit dem Vater, Mensch wurde, aus Maria, der Jungfrau, geboren. 2. Auf diesem Bekenntnis Petri baut sich die Kirche nach den Worten Christi auf: „Du bist. . . der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ (ebd. 18). So wird also zusammen mit dem Bekenntnis des ersten 499 REISEN Bischofs im Polen der Piasten, welcher Jordan hieß, die Kirche auf heimatlichem Boden errichtet. Im Jahr 1000 empfängt Bischof Unger in Posen und in Gnesen Kaiser Otto III. und die polnischen Legaten, die zur sogenannten Gnesener Begegnung an die Stätte der Reliquien eines Märtyrers, des hl. Wojciech (Adalbert), gekommen waren. Der Aufbau der Kirche auf heimatlichem Boden schreitet vorwärts. Es entstehen die Kirchenprovinz in Gnesen sowie die mit ihr verbundenen Bistümer in Krakau, Breslau und Kolberg. Es wächst das Gemeinwesen derer, die noch in der uralten Muttersprache das Bekenntnis Petri wiederholen: Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Und von Anfang, von den Zeiten eines Mieszko an steht die bischöfliche Kathedrale in Posen unter dem Patronat des hl. Petrus und später beider Apostel: des hl. Petrus und des hl. Paulus. Beide sind die Patrone von Posen, und ihre Gestalten finden sich im Wappen der Stadt. 3. Groß ist meine Freude, daß ich heute in die Stadt des Przemyslaw kommen kann, auf meiner Pilgerreise durch Polen zum heimatlichen Jubiläum Unserer Lieben Frau von Jasna Göra. Groß ist meine Freude, daß ich hierherkommen und gemeinsam mit euch, teure Brüder und Schwestern, Erben der tausendjährigen Vergangenheit von Nation und Kirche, das Bekenntnis Petri wiederholen kann. Ich bin so viele Male hierhergekommen, insbesondere in der Zeit, als der Posener Metropolit, der verstorbene Antoni Baraniak, seinen Hirtendienst versah, er, dessen Hirtenamt, dessen große Demut und Verdienste, die Gott kennt, wir stets tief verehren. Von Anfang an mit Rom verbunden Heute begrüße ich hier seinen Nachfolger auf dem Posener Bischofsstuhl, der ebenso lange Bischof ist wie ich, Erzbischof Jerzy, die Weihbischöfe und alle anwesenden Vertreter der Bischofskonferenz, den Kardinal-Primas, den Kardinal und Metropoliten von Krakau, alle polnischen Erzbischöfe und Bischöfe. Ich begrüße das Metropolitankapitel, den gesamten Klerus, die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Ich begrüße alle Gäste, die von außerhalb der Erzdiözese und auch von außerhalb Polens nach Posen gekommen sind. Mir ist bewußt, daß der Ort, auf dem ich stehe, eine grundlegende Rolle nicht nur in der Geschichte des Christentums, sondern auch in der Geschichte des Staates und der polnischen Kultur gespielt hat. Die Kathedrale unter dem Patronat der heiligen Apostel Petrus und Paulus zeugt davon, daß die Kirche in 500 REISEN diesem Piasten-Land und in ganz Polen sich von Anfang an mit Rom verbunden hat. Mit Rom - nicht nur als der Hauptstadt Petri, sondern auch als dem Zentrum der Kultur. Von daher besitzt die polnische Kultur vor allem westeuropäische Züge. 4. Ich freue mich, daß ich an diesen Ort treten kann, inmitten des ältesten der Piasten-Länder, wo vor über 1000 Jahren die Geschichte der Nation, des Staates und der Kirche begonnen hat. Zusammen mit Christus, den Petrus als Sohn des lebendigen Gottes bezeugt hat, kam das Evangelium hierher und die ganze Offenbarung. Im Bewußtsein der Bewohner dieses Gebietes machte man sich die Worte des Schöpfers zu eigen, die zu Beginn ausgesprochen wurden: Wachset und vermehret euch - und macht euch die Erde untertan (vgl. Gen 1, 28). Diese Worte verbanden die Berufung zum Familienleben mit der menschlichen Arbeit. Unsere Vorväter machten sich die Erde untertan auf diesem ausgedehnten großpolnischen Land, indem sie Wälder rodeten, Felder bestellten und Dörfer und Städte bauten. Nach Jahrhunderten sind wir hier Zeugen der Arbeit so vieler Generationen. Es gab eine Zeit, im 19. Jahrhundert, da mußten sie um die Erhaltung ihrer Arbeitsstätte ringen - dieses großpolnischen Gebietes, das die Eroberer zu entnationalisieren versuchten. Aus jenen Zeiten kommt auf uns die Tradition einer tiefen Verbindung zur Scholle, die Tradition rationeller Landbebauung und die Tradition gesellschaftlicher Organisation, die den polnischen Besitzstand sichern sollten. Symbol für die unnachgiebige Verteidigung der grundlegenden Rechte des Polen und Landwirts wurde der „Wagen des Drzymala“. Ein Symbol sind auch die Namen großer sozial aktiver Persönlichkeiten, insbesondere unter der Geistlichkeit, wie Erzbischof Florian Stablewski oder Priester wie Piotr Wawrzyniak. Eine Stütze wurde für sie seinerzeit die Enzyklika Leos XIII., Rerum novarum. 5. Für die heutige Generation der Werktätigen, vor allem für die Schaffenden auf dem Lande, kann die Enzyklika Johannes’ XXIII., Mater et magistra, eine ähnliche Stütze sein: „. . . man muß vor allem erforschen“, schreibt mein verstorbener Vorgänger, „was zu tun ist, damit erfolgreiche Methoden gefunden werden, um die so großen Mißverhältnisse zwischen der Rentabilität der Landwirtschaft, der Industrie und der Dienstleistungsproduktion abzubauen; sodann, was zu tun ist, um im Rahmen der Möglichkeiten die Unterschiede zwischen dem Lebensstandard und dem Kulturniveau der dörflichen Bevölkerung einerseits und dem Lebensstan- 501 REISEN dard der Städter andererseits zu verringern, deren Verdienst aus dem Sektor der Industrie und der Dienste stammt; . . . welche Bemühungen schließlich unternommen werden müssen, damit die in der Landwirtschaft Arbeitenden sich nicht benachteiligt fühlen gegenüber anderen, sondern im Gegenteil überzeugt sind, daß sie, auf dem Dorfe lebend, nicht nur durch ihre Arbeit zur Durchsetzung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit kommen, sondern auch ruhig in die Zukunft schauen können . . . Wir wollen aber unsere Anerkennung für diejenigen zum Ausdruck bringen . . ., die in allen Ländern wirken, sei es in genossenschaftlichen Verbänden, sei es in verschiedenartigen Vereinigungen, und die unermüdlich bestrebt sind, den Landwirten in jeder gesellschaftlichen Ordnung nicht nur die ihnen gebührende Fülle wirtschaftlicher Güter, sondern auch ein gerechtes und würdiges Lebensniveau zu gewährleisten.“ 6. Ich möchte jedoch diese Worte aus der Sozialenzyklika durch das untermauern, was ich auf polnischem Boden aus dem Munde des verstorbenen Primas Kardinal Stefan Wyszynski gehört habe. Was für ein großes Gespür hatte er doch für diese Verbindung des Menschen mit der Scholle, die Verbindung, die die Grundlage bildet für die Existenz der ganzen Gesellschaft. Wie treffend warnte er vor der Vernachlässigung der Landwirtschaft, vor der Landflucht und der übermäßigen Verstädterung. In seinen Worten spürte man gleichsam ein fernes Echo der Piastentradition, die den Appell „Macht euch die Erde untertan“ aus dem Evangelium übernahm und in der Verwirklichung dieses Appells die nationale und staatliche Räson des eigenen Vaterlandes suchte. Folgendes sagte Kardinal Wyszynski am 2. April 1981 zu Vertretern der „Land-Solidarität“: „Wenn die Erde mit Gras bewachsen ist, dann wird der schärfste Sturmwind sie nicht so leicht auseinanderwehen, auch wenn es sich um Sandboden handelt. Aber wenn die Erde eine Wüste ist, dann läßt sie sich leicht unterwerfen. Wir kennen die romanhafte, aber wahre Geschichte des Boryna aus den Bauern von Reymont. Sein Tod mit ausgestreckten Armen auf der Erde und das Rauschen des Sturmwindes: ,Landmann, bleibe bei uns!“ - das ist ein sehr beredtes Bild. Wenn der Mensch näher bekannt wird mit der gewaltigen geistigen, moralischen und gesellschaftlichen Kraft des dörflichen Milieus, dann sieht er deutlich, wie richtig der Kampf um die grundlegenden Rechte der menschlichen Person ist, wie begründet der zusätzliche Titel auf Wahrung dieser Rechte, der sich aufgrund des Landbesitzes ergibt.“ Ich wünsche euch, Landwirte von Großpolen - euch, Landwirte des 502 REISEN gesamten Vaterlandes, daß ihr diese Worte des Primas des Millenniums in Erinnerung behaltet als Testament eines großen Polen, eines großen Verehrers der polnischen Erde und der polnischen Nation. 7. „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund. Meine Seele rühme sich des Herrn; die Armen sollen es hören und sich freuen“ (Ps 34, 2-3). Am heutigen Tage will ich in besonderer Weise den Herrn preisen, weil ich inmitten von euch, liebe Landsleute, die Dienerin Gottes Mutter Ursula Ledöchowska - durch die Seligsprechung - zur Ehre der Altäre erheben darf. Groß ist ganz sicher unsere gemeinsame Freude, daß diese Seügsprechung während des heimischen Jubiläums Unserer Lieben Frau von Jasna Göra und zugleich im Rahmen des Jahres der Erlösung stattfinden kann. Zur Ehre der Seligen wird die Tochter aus einem bekannten polnischen Geschlecht erhoben. Lipnica Murowana (in der Diözese Tarnöw), wo die Familie Ledöchowski ihr Haus hatte, ist der gleiche Ort, aus dem im 15. Jahrhundert der sei. Szymon von Lipnica stammte. Die leibliche Schwester von Mutter Ursula - Maria Teresa Ledöchowska, allgemein bekannt als „Mutter Schwarzafrikas“, die Gründerin der Missionsschwestern vom hl. Petrus Claver, wurde vor einigen Jahren von Paul VI. seliggesprochen. Berufung Ursulas war die Jugend und deren Erziehung, außerdem vielgestaltige Hilfe in der kirchlichen Seelsorge. Den Weg zu dieser Berufung entdeckte sie im Krakauer Kloster der Ursulinen. Von dort brach sie 1907 mit Wissen Papst Pius’ X. - zur apostolischen Tätigkeit zuerst in das damalige Petersburg auf. Im Jahre 1914 zum Verlassen Rußlands gezwungen, setzte sie ihr Apostolat in den skandinavischen Ländern fort und entwickelte eine mannigfaltige Tätigkeit für ihr gequältes Vaterland. Als sie nach dem Krieg Papst Benedikt XV. darum bat, eine neue Kongregation zu bestätigen, die in ungewöhnlicher Weise während dieses ihres Apostolats entstanden war, erhielt sie diese Bestätigung. Der damalige Jesuitengeneral, zugleich leiblicher Bruder von Mutter Ursula, Pater Wlodzimierz Ledöchowski, war gegenüber dem Hl. Stuhl Fürsprecher für das Werk seiner Schwester. Für den Glauben und die Autonomie der Kirche gekämpft Großen Einfluß auf das Leben der Seligen und ihrer Geschwister übte deren Onkel aus, Kardinal Mieczyslaw Ledöchowski, Erzbischof von Gnesen und Posen, Primas von Polen und später Präfekt der Kongrega- 503 REISEN tion für die Glaubensverbreitung. Wir wissen, daß er auch im Gefängnis, gerade hier in Posen, gegen die Politik des preußischen Kulturkampfes für die Bewahrung des Glaubens, des Polentums und der Autonomie der Kirche kämpfte: dafür wurde er verfolgt und verhaftet. Hier in Pniewy, nahe bei Posen, befindet sich das Mutterhaus der Kongregation der Ursulinenschwestern vom Herzen des sterbenden Jesus, die allgemein Graue Ursulinen genannt werden. Mutter Ursula Ledöchowska ist Gründerin dieses polnischen Zweiges der Ursulinen und auch des Hauses in Pniewy. Die Kongregation hat sich jedoch in verschiedenen Teilen Polens ausgebreitet, besonders im Osten, aber auch in verschiedenen Ländern außerhalb Polens und außerhalb Europas. Gleichzeitig übte Mutter Ursula ihr Apostolat (auf Wunsch des Hl. Stuhls) in Rom aus: ebendort beendete sie ihre irdischen Tage am 29. Mai 1939, und dort befindet sich ihr Grab im Haus des Generalats an der via del Casaletto. Indem wir Mutter Ursula Ledöchowska in die Reihen der Seligen aufnehmen, überlassen wir sie der Kirche in Polen und der Kongregation der Ursulinenschwestern zum Lobe Gottes, zur Aufrichtung der menschlichen Seelen und zu deren ewigem Heil. 8. „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Ich komme zurück auf die Worte im Bekenntnis des Petrus, das in der Geschichte des Gottesvolkes auf dieser Erde Großpolens ertönt, die seit über 1000 Jahren um die Kathedrale der heiligen Apostel vereint ist. Das katholische Posen wiederholt die Worte Petri in besonderer Weise seit der Unabhängigkeit des Vaterlandes, die im Jahre 1918 wiedererlangt wurde. Auf dem Boden der Union mit Gnesen (die von 1821 an währte) war Posen damals auch Sitz des Primas von Polen. Das Bekenntnis Petri kam in der Geschichte der Stadt dadurch zum Ausdruck, daß ein Denkmal des Heiligsten Herzens Jesu errichtet wurde. Dieses Denkmal - als Ausdruck des Dankes für die Wiedererlangung der Unabhängigkeit -wurde vom Aggressor während des Zweiten Weltkrieges vernichtet. Heute sind an diese Stelle zwei Kreuze zur Erinnerung an die Opfer von 1956 getreten. Aus unterschiedlichen Motiven - mit Rücksicht auf die ältere und auf die jüngere Vergangenheit — wird dieser Ort von der Bevölkerung Posens und Großpolens verehrt. Deshalb will auch ich im Geiste an dieser Stelle niederknien und Ehre erweisen . . . 9. Posen! Das moderne Posen — eine Stadt mit großer Tradition. Eine Stadt, die im Leben der Nation ausgezeichnet ist durch den besonderen Stil, in dem sie am Gemeinwohl baut. Eine Stadt großer Industriebetriebe. 504 REISEN Und eine Stadt zeitgenössischer Universitätskultur. Eine Stadt, in der das katholische soziale Denken sowie die gesamtnationale Struktur katholischer Organisationen so besonders herangereift ist. Eine Stadt vieler Veröffentlichungen und Verlage. Ich will Posen, wenn ich es auf dem Wege der diesjährigen Pilgerfahrt besuche, noch einmal in den Dimensionen des Millenniums sehen, aber auch in den Dimensionen des Jubiläums von Jasna Göra. Und deshalb nähere ich mich mit ganzem Herzen diesem Ort, an dem Fürstin Dobrawa, die Frau Mieszkos und Taufpatin der polnischen Nation, auf der Dominsel die SchLoßkapelle zur heiligsten Jungfrau Maria errichtet hat. Es ist die älteste Spur dieses großen Erbes, das wir im diesjährigen heimischen Jubiläum aufgreifen. Dieses Erbes, das wir in die folgenden Jahrhunderte hinübertragen wollen. Ich stehe deshalb an diesem Platz und wiederhole: Gottesmutter, Jungfrau - von Gott gebenedeite Maria! Bei deinem Sohn, dem Herrn, . . . erwirke uns, hinterlasse uns sein Erbarmen, Kyrie eleison. Maria -Mutter der sozialen Gerechtigkeit und Liebe“ Predigt bei der Marienfeier vor dem Gnadenbild der Muttergottes von Piekary in Kattowitz am 20. Juni 1. Gelobt sei Jesus Christus! Teure Brüder und Schwestern! Von ganzem Herzen danke ich euch für die Einladung nach Piekary (Deutsch-Piekar). Meine Pilgerreise nach Piekary Slaskie, in das Heiligtum der Muttergottes in der Diözese Kattowitz, hat eine langjährige Geschichte. Als Metropolit von Krakau wurde ich mehrfach, um das Wort Gottes zu verkünden, zum letzten Sonntag im Mai eingeladen, wenn die jährliche Wallfahrt der Männer und der männlichen Jugend stattfindet. Diese Wallfahrt ist ein besonderes Ereignis im Leben der Kirche, nicht nur in Schlesien, sondern in ganz Polen. Dann kommen nach Piekary Männer und männliche Jugendliche aus dem weiten Industriebezirk, der die Grenzen des Katto-witzer Schlesiens sowohl in westlicher Richtung, nach Opole (Oppeln) hin, wie auch in östlicher Richtung, nach Krakau hin, überschreitet. 505 REISEN Heute ist das ähnlich, wobei zu berücksichtigen ist, daß der Rahmen der Wallfahrt sich ausgeweitet hat. Das ist nicht nur ein Standestreffen, sondern ein allgemeines; ich begrüße deshalb und grüße von Herzen alle Anwesenden: die Schwestern und Brüder, die Männer und Frauen, die männliche und die weibliche Jugend, alle Familien! Auf dieses Treffen in Piekary wartete ich seit 1978. Ich wartete mit Ausdauer und mit Vertrauen. Und ihr habt ebenfalls mit Ausdauer und mit Vertrauen gewartet. Als es dann möglich wurde, zeigte es sich, daß wir auf der Anhöhe von Piekary nicht alle Platz finden, und deshalb mußte man Piekary auf diesen Flugplatz in der Nähe von Kattowitz verlegen, auf dem wir uns befinden. Damit die heutige päpstliche Wallfahrt nach Piekary stattfinden konnte, mußte Piekary selbst dieses Mal auf Wallfahrt gehen. 2. So ist es denn auch geschehen. Im Rahmen des sechshundertjährigen Jubiläums von Jasna Göra komme ich heute zum Heiligtum in Piekary, und die Muttergottes kommt mir aus ihrem Heiligtum huldvoll entgegen. Diese Begegnung hat die Form eines großen Gebetes der Kirche von Kattowitz angenommen. Das Gebet dauert seit dem letzten Maisonntag, seitdem das Bild Unserer Lieben Frau von Piekary Slaskie zum Ort der heutigen Begegnung aufbrach und dabei unterwegs einzelne Pfarreien besuchte. Am heutigen Tage dauert hier - auf diesem Flugplatz - seit dem Morgen das Gebet, das die Ankunft des Bildes aus Piekary Slaskie begleitet. Vor allem: das Rosenkranzgebet - und im Verein damit Gesang, Lesungen und Meditationen entsprechend einem zuvor vorbereiteten Programm, festgelegt und ausgeführt mit schlesischer Exaktheit. Ich frage mich selbst: Habt ihr nach so vielen Stunden der Gebetsvorbereitung noch genug Kraft, um den Papst anzuhören? Seid ihr nicht zu abgespannt und ermattet? Doch die Erinnerung an frühere Begegnungen in Piekary sagt mir, daß die Schlesier und alle schwer arbeitenden Menschen aus diesem Industrierevier nicht so leicht im Gebet ermüden. Außerdem: sie vermögen in ihrer großen Schar so „interessant“ zu beten, daß das Gebet sie nicht ermattet. Sie gehen fort aus ihrem Heiligtum - vielleicht müde, aber nicht matt. Sie nehmen frische Kräfte für die schwere Tagesarbeit mit sich. Die menschliche Arbeit ist auf den Schöpfer-Gott bezogen 3. Und deshalb danke ich der Kirche von Kattowitz für diese heutige Begegnung. Ich danke Bischof Herbert, der mich zum vielfachen Mal als 506 REISEN Metropolit und Kardinal hierher eingeladen hat; und als er einmal beschlossen hatte, mich auch als Papst einzuladen, ruhte er nicht, bis er diesen seinen Beschluß durchführen konnte. Ich begrüße zusammen mit ihm die Bischöfe: Jozef, Czeslaw, Janusz, die in der Einheit des bischöflichen Dienstes stehen. Ich begrüße das Kapitel und den gesamten Klerus: euch, teure Brüder, Priester, mit denen mich Bande verbinden, bisweilen nicht weniger eng als mit meinen Priesterbrüdern aus der Erzdiözese Krakau. Ich begrüße von ganzem Herzen die männlichen und weiblichen Orden und wünsche ihnen, daß ihre Berufung aus dem Evangelium im Bereich der schweren menschlichen Arbeit, mit der sie Tag um Tag zu tun haben, Früchte trage. Ich begrüße das Geistliche Seminar, mit dem ich in der Vergangenheit verbunden war: als Professor und als Metropolit von Krakau. Möge dieses Seminar weiterhin in der Fülle der Diözesan- und Missionsberufungen blühen. Allen fleißigen Diözesaninstitutionen, unter anderem dem „Gose Nie-dzielny“, sage ich auf schlesische Art, im Angesicht der Muttergottes von Piekary: „Gott befohlen!“ Gestattet, daß ich noch die hier anwesenden polnischen Kardinäle begrüße: den Kardinal-Primas, den Metropoliten von Krakau sowie die deutschen Kardinäle: aus Mainz und aus Berlin, sowie alle anwesenden Bischöfe aus Polen und aus dem Ausland. Ich sehe, daß auch Kardinal Jan Kröl aus Philadelphia in den Vereinigten Staaten hier ist. Alle begrüße ich herzlich, zusammen mit euch. 4. Ich komme hier in ein großes Gebet, das nicht erst seit dem letzten Maisonntag andauert, nicht erst seit heute morgen, sondern das seit Generationen andauert, das jedes Jahr, jede Woche und jeden Tag füllt. Einst hat sich, als es das heutige Schlesien noch nicht gah, aber das Gnadenbild der Muttergottes in Piekary bereits vorhanden war, in dieses Gebet der polnische König Jan III. Sobieski eingefügt, als er zum Entsatz Wiens auszog. Heute wül ich - der Bischof von Rom und zugleich ein Sohn der polnischen Nation - mich in das Gebiet des heutigen Schlesiens einfügen, das auf das Bild Unserer Lieben Frau von Piekary als das Bild der Mutter von der sozialen Gerechtigkeit und Liebe schaut. Deshalb will ich auch dieses Gebet ableiten aus der vielfältigen Arbeit, so wie ihr es jeden Tag daraus ableitet, wenn ihr - inmitten der Arbeit — diesen Gruß sprecht: „Gott befohlen!“ - Gott befohlen! So ist es. Um zur unmittelbaren Wurzel der menschlichen Arbeit zu kommen — ob es sich nun um die Arbeit in der Industrie oder auf dem 507 REISEN Acker handelt, ob um die Mühe des Kumpels, des Hüttenwerkes oder auch des Geistesarbeiters, um das geschäftige Tun der Mutter oder um die Mühsal des Dienstes bei den Kranken -, um zur unmittelbaren Wurzel irgendeiner menschlichen Arbeit zu kommen, muß man den Bezug zu Gott hersteilen: Gott befohlen! 5. Mit diesem Gruß „Gott befohlen!“ wenden wir uns an den arbeitenden Menschen, doch gleichzeitig beziehen wir seine Arbeit auf Gott. Wir beziehen die menschliche Arbeit zuerst auf den Schöpfer-Gott. Denn vor allem ist das Werk der Schöpfung (das heißt die Erschaffung des Universums aus dem Nichts) im Buch Genesis als „Arbeit“ Gottes dargestellt, die auf sechs „Schöpfungstage“ verteilt ist. Nach diesen Tagen ruhte Gott am siebten Tage (vgl. Gen 2, 2), weswegen die Heilige Schrift auch dem Menschen die Pflicht zur Ruhe auferlegt; dazu, Gott einen heiligen Tag zu weihen. Die menschliche Arbeit ist auf den Schöpfer-Gott bezogen. Denn Gott gab dem Menschen, als er ihn nach seinem Bild und Gleichnis schuf, den Auftrag, sich die Erde untertan zu machen. Dieser biblische Ausdruck ist eine besonders inhaltstiefe und -reife Bezeichnung für die Arbeit. Die Enzyklika Laborem exercens, die ich vor zwei Jahren der menschlichen Arbeit widmete, gründete ich in bedeutendem Maße auf die Analyse dieser biblischen Worte, die bereits im Buch Genesis enthalten sind. 6. Wenn wir einander bei der Arbeit mit dem Ausdruck „Gott befohlen!“ begrüßen, dann drücken wir auf diese Weise unser Wohlwollen gegenüber dem Nächsten aus, der arbeitet - und gleichzeitig beziehen wir seine Arbeit auf Gott, den Schöpfer, Gott, den Erlöser. Um den Menschen zu erlösen, wurde der Gottessohn Mensch im Schoße der Jungfrau Maria von Nazaret, durch Wirken des Heiligen Geistes. Christus erlöste uns durch das Kreuz und durch seine Auferstehung, als er gehorsam war bis zum Tod. Zum Werk der Erlösung gehört auch das ganze irdische Leben des Gottessohnes, seine messianische Mission bei der Verkündigung des Evangeliums - und davor dreißig Jahre verborgenen Lebens, eines Lebens, das seit frühen Jahren der Arbeit in der Werkstatt an der Seite des Josef von Nazaret gewidmet war. So ist also das Evangelium der Arbeit, das die Kirche immer von neuem entdeckt und von neuem allen Menschen verkündet, hineingeschrieben in das Wort der göttlichen Offenbarung. Denn die Arbeit ist die grundlegende Berufung des Menschen auf dieser Erde. Ich spreche davon in einem Jahr, das ein außerordentliches Jubiläumsjahr 508 REISEN der Erlösung ist. Die ganze Kirche will in diesem Jahr in besonders intensiver Weise geistige Kräfte aus dem Geheimnis der Erlösung schöpfen. Der werktätige Mensch ist dazu berufen, den erlösenden Inhalt des Evangeliums der Arbeit noch umfassender zu entdecken. Er ist ebenfalls dazu aufgerufen, sich durch seine Arbeit mit Christus, dem Erlöser der Welt, zu vereinen, der ebenfalls ein „Werktätiger“ war. Das alles - diesen reichen Inhalt - enthalten jene beiden Worte „Gott befohlen!“, die man so häufig in Polen hört, besonders in Schlesien. Christus, dem Evangelium der Arbeit, dem Geheimnis der Erlösung, nähern wir uns durch Maria. Eben durch sie, die mit ganzen Generationen von Werktätigen in Schlesien in ihrem Heiligtum in Piekary verbunden ist. Eben durch diese Maria, die ihr hier in Schlesien als Mutter der sozialen Gerechtigkeit und Liebe anruft. 7. Denn die menschliche Arbeit steht im Mittelpunkt des gesamten sozialen Lebens. Durch sie wird soziale Gerechtigkeit und Liebe gestaltet, wenn der ganze Bereich der Arbeit von einer gebührenden moralischen Ordnung geleitet ist. Wenn es jedoch an dieser Ordnung fehlt, dann schleicht sich an die Stelle der Gerechtigkeit das Unrecht ein, und an die Stelle der Liebe tritt der Haß. Wenn ihr Maria als Mutter der sozialen Gerechtigkeit und Liebe anruft, teure Brüder und Schwestern, dann wollt ihr als Werktätige Schlesiens und ganz Polens zum Ausdruck bringen, wie sehr euch eben jene moralische Ordnung am Herzen Hegt, die den Bereich der Arbeit lenken muß. Die ganze Welt verfolgte - und verfolgt weiterhin - voll Ergriffenheit die Ereignisse, die in Polen seit August 1980 stattfanden. Was der breiten öffenthchen Meinung besonders zu denken gab, war die Tatsache, daß es in diesen Ereignissen vor allem um die eigentliche moralische Ordnung im Zusammenhang mit der menschUchen Arbeit ging, nicht nur um eine Anhebung des dafür zu zahlenden Lohns. Auffallend war auch der Umstand, daß diese Ereignisse frei von Gewalt waren, daß niemand dadurch zu Tode kam oder Wunden erhtt. Schließlich auch der Umstand, daß die Ereignisse der polnischen Arbeitswelt aus den achtziger Jahren ein deutliches rehgiöses Gepräge trugen. Vereinsrecht ist Naturrecht Niemanden kann es deshalb verwundern, daß hier in Schlesien, in diesem großen „Arbeitsrevier“, die Mutter Christi als Mutter der sozialen Gerechtigkeit und Liebe verehrt wird. 509 REISEN 8. Soziale Gerechtigkeit und Liebe bedeutet eben jene Fülle moralischer Ordnung, die mit dem ganzen sozialen System, insbesondere mit dem System der menschlichen Arbeit, verbunden ist. Die Arbeit hat ihren grundsätzlichen Wert deshalb, weil sie vom Menschen ausgeführt wird. Darauf gründet auch die Würde der Arbeit, die ohne Rücksicht darauf geachtet werden muß, welche Arbeit ein Mensch verrichtet. Wichtig ist, daß es ein Mensch ist, der sie verrichtet. Bei der Ausübung irgendeiner Arbeit drückt er dieser den Stempel seiner Person auf: eines Bildes und Gleichnisses von Gott selbst. Wichtig ist auch, daß der Mensch die Arbeit für einen anderen, für andere verrichtet. Die Arbeit ist des Menschen Schuldigkeit: sowohl gegenüber Gott wie auch gegenüber den Menschen, sowohl gegenüber der eigenen Familie wie auch gegenüber der Nation und Gesellschaft, zu der er gehört. Dieser Schuldigkeit - das heißt dieser Arbeitspflicht - entsprechen auch Befugnisse des Arbeitenden. Man muß sie im weiten Kontext der Menschenrechte sehen. Soziale Gerechtigkeit beruht darauf, daß die Menschenrechte im Hinblick auf alle Glieder der gegebenen Gesellschaft geachtet und verwirklicht werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen jene Rechte eine angemessene Aussagekraft, die mit der vom Menschen ausgeübten Tätigkeit unmittelbar verbunden sind. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen, ich nenne nur die wichtigsten. Dies ist vor allem das Recht auf gerechten Lohn — auf gerechten, das heißt, auf einen solchen, der auch zum Unterhalt der Familie ausreicht. Dies ist andererseits das Recht darauf, im Falle von Arbeitsunfällen gesichert zu sein. Dies ist auch das Recht auf Erholung (ich erinnere daran, wie viele Male wir in Piekary die Frage des arbeitsfreien Sonntags berührt haben). 9. Mit dem Bereich der Befugnisse und Rechte der Werktätigen verbindet sich auch die Frage der Gewerkschaften. Ich zitiere, was ich darüber in der Enzyklika Laborem exercens schrieb: „. . . die modernen Gewerkschaften sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer, der Arbeiterschaft und vor allem der Industriearbeiter, für den Schutz ihrer legitimen Rechte gegenüber den Unternehmern und den Besitzern der Produktionsmittel entstanden. Ihre Aufgabe ist die Verteidigung der existentiellen Interessen der Arbeitnehmer in allen Bereichen, wo ihre Rechte berührt werden. Die historische Erfahrung lehrt, daß Organisationen dieser Art ein unentbehrliches Element des sozialen Lebens darstellen, vor allem in den modernen Industriegesellschaften. Das bedeutet freilich nicht, daß nur Industriearbeiter Vereinigungen 510 REISEN dieser Art errichten könnten. Die Angehörigen aller Berufe können sich ihrer zur Sicherung der jeweiligen Rechte bedienen. Es gibt daher auch Gewerkschaften der Landwirte und der Arbeitnehmer in leitender Stellung ... sie nehmen teil am Kampf für die soziale Gerechtigkeit, für die berechtigten Ansprüche der Arbeitenden in den verschiedenen Berufen“ (Nr. 20). Soweit der Text der Enzyklika. Im weiteren Verlauf spricht sie auch von den Pflichten, von der Art und Weise und dem Bereich der Tätigkeit der Gewerkschaften. In ähnlichem Geiste äußerte ich mich bereits im Januar 1981 bei einer im Vatikan gewährten Audienz für eine Delegation der „Solidarnosc“, die auch vom Delegierten der polnischen Regierung für ständige Arbeitskontakte mit dem Heiligen Stuhl begleitet war. Und hier in Polen sagte Kardinal Stefan Wyszynski: „. . . Wenn es um das Vereinsrecht von Menschen geht, dann ist das kein von irgend jemandem verliehenes Recht, sondern eigenes Naturrecht. Deshalb verleiht uns der Staat dieses Recht nicht, er hat nur die Pflicht, es zu schützen und darüber zu wachen, daß es nicht verletzt wird. Verliehen ist dieses Recht vom Schöpfer, der den Menschen zu einem sozialen Wesen gemacht hat. Vom Schöpfer stammt der soziale Charakter menschlicher Bestrebungen, das Bedürfnis, daß sich die einen mit den anderen zusammenschließen und vereinen“ (Ansprache vom 6. Februar 1981). 10. So besitzt also, meine Teuren, die Angelegenheit, um die es in Polen im Laufe der letzten Jahre geht, einen tiefen moralischen Sinn. Sie kann nicht anders gelöst werden als auf dem Wege eines echten Dialogs der Staatsmacht mit der Gesellschaft. Zu einem solchen Dialog hat die Polnische Bischofskonferenz bekanntlich in dieser Zeit viele Male aufgerufen. Weshalb haben die Werktätigen in Polen - und im übrigen überall auf der Welt - ein Recht auf einen solchen Dialog? Deshalb, weü der arbeitende Mensch nicht nur ein Produktionsmittel ist, sondern ein Subjekt, das im ganzen Produktionsprozeß den Vorrang vor dem Kapital hat. Der Mensch wird durch seine Arbeit zum eigentlichen Herrn der Arbeitsstätte, des Arbeitsprozesses, der Arbeitsprodukte und der Verteilung. Er ist auch zu Verzichten bereit, wenn er sich nur als wahrer Mitbestimmender fühlt und Einfluß auf die gerechte Verteilung dessen hat, was man gemeinsam hat schaffen können. 11. Wir wenden uns an Maria, als an die Mutter der sozialen Gerechtigkeit, damit diese grundlegenden Prinzipien der sozialen Ordnung, von 511 REISEN denen der wahre Sinn menschlicher Arbeit abhängt und damit der Sinn der Existenz des Menschen, in die reale Form des menschlichen Lebens in unserem Land gekleidet werden. Denn der Mensch ist nicht imstande zu arbeiten, wenn er den Sinn seiner Arbeit nicht sieht, wenn dieser Sinn aufhört, für ihn transparent zu sein, wenn er ihm gewissermaßen verstellt wird. Und deshalb bitten wir die Mutter der sozialen Gerechtigkeit inbrünstig, sie möge der Arbeit, der Arbeit aller Menschen in Polen, den Sinn, das Gefühl für Sinn wiedergeben. Gleichzeitig rufen wir zu Maria als zur Mutter der sozialen Liebe. Durch Verwirklichung der Prinzipien sozialer Gerechtigkeit wird jene Liebe möglich, von der Christus zu seinen Jüngern gesagt hat: „Ein neues Gebot gebe ich euch: liebt einander“ (Joh 13, 34). Diese soziale Liebe ist nichts anderes als die von Papst Paul VI. ständig in Erinnerung gerufene „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“, die man in der ganzen Entwicklung des Lebens der Völker und des internationalen Lebens anstreben möge. Er sagte u. a.: „Eine Gesellschaft, die, weil sie ihren Ursprung in der Liebe zur Menschheit hat und diese die beglük-kende Erfahrung einer solchen Liebe genießen lassen möchte, wird sich der Suche und Bestätigung der wahren und vollkommenen Werte des Lebens zuwenden müssen, gegen das Unverständnis, die Schwierigkeiten und den Widerstand . . .“ (Generalaudienz vom 21. 1. 1976). 12. Liebe ist größer als Gerechtigkeit. Auch soziale Liebe ist größer als soziale Gerechtigkeit. Wenn es wahr ist, daß Gerechtigkeit den Boden für die Liebe bereiten muß, dann ist es eine noch tiefere Wahrheit, daß nur die Liebe die Fülle der Gerechtigkeit gewährleisten kann. Der Mensch muß also wahrhaft geliebt werden, wenn die Menschenrechte voll und ganz gesichert werden sollen. Das ist die erste und grundlegende Dimension sozialer Liebe. Eine zweite Dimension ist die Familie. Die Familie ist die erste und grundlegende Schule sozialer Liebe. Man muß alles tun, damit diese Schule unversehrt erhalten bleiben kann. Gleichzeitig aber muß die Familie so stark durch Gott sein - das heißt durch die gegenseitige Liebe aller, die sie bilden -, daß sie inmitten aller zerstörerischer Strömungen und schmerzhafter Prüfungen eine Zuflucht für den Menschen sein kann. Eine weitere Dimension sozialer Liebe ist das Vaterland: die Söhne und Töchter einer Nation stehen in Liebe zum gemeinsamen Wohl, das sie aus der Kultur und der Geschichte schöpfen, und sie finden in ihnen für ihre eigene soziale Identität eine Stütze und geben diese Stütze zugleich weiter an ihre Nächsten, an ihre Landsleute. Dieser Kreis sozialer Liebe besitzt 512 REISEN besondere Bedeutung in unserer polnischen geschichtlichen Erfahrung -und in unserer Gegenwart. Soziale Liebe ist offen gegenüber allen Menschen und gegenüber allen Völkern. Wenn sie sich tief und redlich in ihren grundlegenden Bereichen herausbildet (Mensch, Familie, Vaterland), dann hält sie auch im weitesten Bereich der Prüfung stand. 13. Deshalb nehmt, teure Teilnehmer der heutigen Begegnung auf schlesischem Boden, in dieser unserer großen Gemeinschaft noch einmal von eurem Landsmann und Nachfolger Petri das Evangelium der Arbeit entgegen - und nehmt das Evangelium der sozialen Gerechtigkeit und Liebe entgegen. Möge es euch fest um die Mutter Christi in ihrem Heiligtum in Piekary vereinen, so wie es hier ganze Generationen vereint. Möge es weit ausstrahlen auf das Leben der schwer arbeitenden Menschen in Schlesien und in ganz Polen. Wir wollen noch an alle verstorbenen Werktätigen erinnern, jene, die tödliche Unfälle in Bergwerken oder an anderen Stellen erlitten - an jene, die unlängst bei tragischen Ereignissen starben. An alle. Auf uns, die wir leben, wartet eine große moralische Anstrengung, die mit dem Evangeüum der Arbeit verbunden ist, eine Anstrengung, die darauf gerichtet ist, soziale Gerechtigkeit und Liebe in das polnische Leben einzuführen. Unter dem Zeichen Mariens - und mit ihrer Hilfe! Für diese Anstrengung und Mühe: Gott befohlen! „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit!“ Predigt bei der Messe in Breslau am 21. Juni 1. „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden“ (Mt 5,6). Mit dieser Seligpreisung aus der Bergpredigt ehrt die Liturgie des heutigen Festes die hl. Hedwig von Schlesien. Mit dieser Seligpreisung grüße ich die Stadt Wroclaw (Breslau) auf uralter 513 REISEN Piastenerde. Ich grüße die Metropolitankirche, die in Breslau ist und die Suffragankirchen in Gorzöw (Landsberg) und Opole (Oppeln) um sich versammelt. In diesen Kirchen begrüße ich das ganze Gottesvolk von Niederschlesien, aus dem Lubusker Land und aus dem Oppelner Gebiet, das ich heute noch gesondert werde besuchen können, wenn ich zum Heiligtum auf dem Sankt-Anna-Berg komme. Ich begrüße den Metropoliten von Breslau, Erzbischof Henryk, sowie auch die Breslauer Weihbischöfe, Bischof Wincenty als Senior sowie die Bischöfe Tadeusz und Adam. Aus Landsberg begrüße ich Bischof Wilhelm: ich wurde mit ihm am gleichen Tage ins Bischofsamt berufen, sowie Weihbischof Pawel, dem ich die Hände auflegen durfte, als ich ihm die Bischofsweihe spendete. Ich begrüße auch Bischof Alfons aus Oppeln sowie die Weihbischöfe, die ich noch in ihrer eigenen Diözese werde begrüßen können. Ich freue mich über die Anwesenheit vieler polnischer Bischöfe, auch der Gäste aus dem Ausland. 2. Nach Breslau bin ich viele Male in meiner Vergangenheit gekommen. Ich kam hierher aus Krakau, besonders in der Zeit, als der verstorbene Kardinal Boleslaw Kominek Erzbischof und dann Breslauer Metropolit war, ein Hirte mit gewaltigen Verdiensten um die Kirche und um die Gesellschaft in Niederschlesien, und dann zur Zeit seines jetzigen Nachfolgers. Wohl bekannt ist mir der gotische Dom, der an die Zeiten eines Bischof Nanker erinnert, in dem ich viele Male die Eucharistie feiern und das Wort Gottes verkünden durfte. Ich möchte das Metropolitankapitel und auch den gesamten Klerus begrüßen sowohl aus Breslau wie auch aus anderen Diözesen, ferner die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Häufige Kontakte verbanden mich mit dem Geistlichen Seminar in Breslau sowie mit der Päpstlichen Theologischen Fakultät. Heute will ich auch diese Institutionen begrüßen, die so wichtig sind für die Zukunft der Kirche und für die Entfaltung der katholischen Kultur in Niederschlesien. Als ich 1979 in Polen war, kamen Breslau und Nieder Schlesien nach Jasna Göra, und sie brachten die Reliquien der hl. Hedwig mit sich. Es waren sehr wertvolle und hochgeschätzte Reliquien, auch deshalb, weil sie mich an den 16. Oktober 1978 erinnern, das liturgische Fest der hl. Hedwig, als ich durch den unerforschlichen Ratschluß der göttlichen Vorsehung auf den Stuhl Petri in Rom berufen wurde. Heute ist es mir im Rahmen der zweiten Pilgerreise in mein Vaterland, die zusammenhängt mit dem heimatlichen Jubiläum von Jasna Göra, vergönnt, nach Breslau zu kom- 514 REISEN men und hier gemeinsam mit euch, teure Brüder und Schwestern, angesichts der Reliquien eurer heiligen Patronin zu wiederholen: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden.“ Mögen diese Worte unsere Herzen auch auf das außergewöhnliche Jubiläumsjahr der Erlösung lenken, durch das die ganze Kirche noch reichhaltiger aus den „erlösenden Quellen“ schöpfen will. 3. Heilige sind Menschen der acht Seligpreisungen. Nach Gerechtigkeit dürstete und hungerte Hedwig von Schlesien, diese tüchtige Frau (vgl. Spr 31, 10), wie die erste Lesung der heutigen Liturgie von ihr sagt. Sie stammte aus Deutschland, aus dem bayrischen Grafengeschlecht Dießen-Andechs - von dort kam sie ins Piastenland und gelangte in eine Piasten-Familie als Ehefrau Henryks (Heinrichs) des Bärtigen. Wir befinden uns an der Schwelle vom 12. zum 13. Jahrhundert. Alles, was das Buch der Sprichwörter über die „tüchtige Frau“ sagt, kann man auf die Herzogin Hedwig als Frau und Mutter beziehen. Andererseits auch auf die Witwe -deshalb spricht die zweite Lesung der Liturgie heute von der Witwenschaft. Die hl. Hedwig von Schlesien In ihrer Witwenzeit entdeckte sie, daß Christus sie durch die eheliche und mütterliche Berufung noch auf eine weitere Berufung vorbereitet hatte, durch die sie bis zum Ende Gottes Willen erfüllen sollte, indem sie - in völliger und ausschließlicher Hingabe an den göttlichen Bräutigam durch Annahme des Lebensstils einer Ordensfrau - zur „Schwester und Mutter“ Christi wurde gemäß seinen eigenen Worten: „Wer den Willen Gottes erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter“ (Mt 3, 35). Diese Worte lesen wir im heutigen Evangelium. Hedwig von Schlesien erfüllte den Willen Gottes bis zum Ende, als sie im Heiligen Geist zur „Schwester und Mutter“ von Christus selbst wurde. Und ihre - Hedwigs - geistige Mutterschaft sollte sich in besonderer Weise erfüllen und bestätigen in bezug auf den eigenen Sohn: auf Henryk (Heinrich) den Frommen. Er fiel - wie wir alle wissen - in dem ungleichen Kampf bei Legnica (Liegnitz) gegen die Tataren, die damals (in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) ihre kriegerischen Vorausabteilungen weit nach Westen über das ganze polnische Land hin hatten ausschwärmen lassen. Heinrich der Fromme fiel auf dem Schlachtfeld bei Liegnitz, aber die Tataren zogen nicht weiter nach Westen, ja, sie zogen sich nach Osten 515 REISEN zurück und befreiten so die Piasten-Gebiete von ihrem Joch. Man kann sagen, daß Polen schon damals zur Vormauer des Christentums geworden ist. Mutter Hedwig durchlebte den Tod ihres Sohnes Heinrich im Geist des Glaubens, darin der Gottesgebärerin gleich, die zu Füßen des Kreuzes auf dem Kalvarienberg das Opfer ihres göttlichen Sohnes zur Rettung der Welt darbrachte. Auf diese Weise ging die hl. Hedwig von Schlesien auch in die Geschichte Polens und in die Geschichte Europas ein. 4. In dieser Geschichte steht sie gleichsam wie eine Grenzgestalt, die zwei Nationen miteinander verbindet: die deutsche und die polnische Nation. Sie verbindet sie im Verlauf vieler Jahrhunderte einer Geschichte, die schwierig und schmerzhaft war. Die hl. Hedwig bleibt inmitten aller geschichtlicher Prüfungen schon sieben Jahrhunderte lang die Fürsprecherin einer wechselseitigen Verständigung und Versöhnung, entsprechend den Erfordernissen des Rechtes der Nation, der internationalen Gerechtigkeit und des Friedens. Man kann sagen, daß auch durch ihr Eintreten der Hl. Stuhl die kirchliche Normalisierung auf diesen Gebieten vollziehen konnte, die nach dem Zweiten Weltkrieg, nach vielen Jahrhunderten erneut Teil des polnischen Staates, wie zu Zeiten der Piasten, geworden waren. Wir haben ja in Erinnerung, daß Breslau als Bistum seit dem Jahre 1000 zur Kirchenprovinz von Gniezno (Gnesen) gehörte - und daß dieser Zustand bis zum Jahre 1821 dauerte. Ich möchte hier einem Sohn der schlesischen Erde das Wort geben, der zugleich erster Metropolit von Breslau nach dem Zweiten Weltkrieg war. Folgende Worte sprach Kardinal Boleslaw Kominek: „Unmittelbar an der Dombrücke in Breslau, die auf die Piasteninsel führt, steht die in Stein gehauene Hedwig. Sie steht auf der Brücke, die das östliche und westliche Ufer der Oder verbindet. Alle, die auf sie zukommen, heißt sie auf sich schauen und daran denken, daß alle Brüder sind, auf welchem Ufer sie auch wohnen mögen. Vereint in dieser Brüderlichkeit Christi, grüßen wir einander. Das Geheimnis Christi auf dem Altar und die Brüderlichkeit der Menschen, auf welchem Ufer sie auch immer wohnen, hat uns heute im Namen des Herrn zusammengeführt. Wir bitten unsere Patronin von Schlesien, sie möge uns bei der Heiligsten Dreifaltigkeit den Frieden, die Eintracht und die Brüderlichkeit in der menschlichen Familie des Volkes und der Nationen erwirken“ (Trzeb-nica/Trebnitz, 15. 10. 1967). 516 REISEN Der Papst sagte auf deutsch „ Versöhnung“ Diese Idee des wechselseitigen Verständnisses und der Versöhnung {Anmerkung der Redaktion: der Papst gebraucht hier nach dem polnischen Wort auch das deutsche Wort,, Versöhnung“) hatte bekanntlich auch auf deutscher Seite zahlreiche Fürsprecher. Ausdruck dessen sind auch die vielfachen wechselseitigen Besuche von Vertretern der Polnischen und der Deutschen Bischofskonferenz. Ich selber nahm an einem solchen Besuch gemeinsam mit Stefan Kardinal Wyszynski einige Wochen vor meiner Wahl auf den Stuhl Petri teil. 5. Wir schauen also durch mehr als sieben Jahrhunderte zur hl. Hedwig hin, und wir sehen in ihr ein großes Licht, das die menschlichen Dinge im Lande unserer Nachbarn - und gleichzeitig auf unserem heimatlichen Boden - erhellt. In ihrem Leben kam gleichsam die Fülle christlicher Berufung zum Ausdruck. Die hl. Hedwig hat das Evangelium zu Ende gelesen - in seiner ganzen lebenspendenden Wahrheit. In ihr gibt es keine Diskrepanz wischen der Berufung als Witwe und Gründerin des Klosters in Trebnitz einerseits und der Berufung als Ehefrau und Mutter im Piasten-Haus der Heinrichs. Eines folgte auf das andere, und doch war das eine gleichzeitig tief in dem anderen verwurzelt. Hedwig lebte von Anfang an für Gott, sie lebte so, daß sie Gott über alles liebte, wie es das erste Gebot des Evangeliums verkündet. So lebte sie in der Ehe als Gattin und Mutter. Und als sie Witwe wurde, sah sie mit Leichtigkeit, daß diese alles übersteigende Gotteshebe jetzt zur ausschließlichen Liebe für den göttlichen Bräutigam werden konnte. Und sie folgte dieser Berufung. Nach dem Vorbild der Heiligen Im Evangeliumsgebot der Liebe steckt nämlich die tiefste Quelle geistiger Entfaltung für jeden Menschen. Und deshalb wünsche ich auch euch allen, teure Brüder und Schwestern, meine Landsleute, die ihr hier in Breslau und in Niederschlesien dieses besondere Erbe der hl. Hedwig angetreten habt, von ganzem Herzen, daß sich euer persönliches, familiäres und gesellschaftliches Leben nach ihrem Vorbild auf das Gebot der Liebe stützt. Dies.ist zugleich die tiefste Quelle moralischer Kultur für die Menschen und die Nationen. Von der moralischen Kultur hängt deren tatsächlicher Fortschritt ab. Der Mensch ist ein nach Bild und Gleichnis Gottes geschaffenes Wesen. Deshalb ergibt sich auch seine wirkliche Entwicklung und tatsächliche Kultur daraus, wie er dieses Bild und 517 REISEN Gleichnis erkennt und wie dauerhaft er das eigene Menschentum nach diesem zugleich menschlichen und göttlichen Maß gestaltet. Es ist nötig, daß ihr, die ihr euch hier in Niederschlesien befindet, die ihr hier geboren und erzogen worden seid, auf den Spuren eurer großen Patronin, der Piasten-mutter, gewissermaßen auf ihren Knien das Evangelium lest, so wie es ihre leiblichen Kinder gelesen haben, so wie es Heinrich der Fromme gelesen hat, der Held von Liegnitz, und daß ihr so in euch die tiefsten Grundlagen der menschlichen und christlichen Moral festigt, die zugleich das Fundament für die Kultur einer Nation und die Bedingung für ihre Entfaltung ist. 6. „Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie“ (Spr 31,11) - so spricht das Buch der Sprichwörter von der „tüchtigen Frau“. Es ist nötig, daß wir vor den Augen unserer Seele das Bild dieses Piastenhauses beschwören, dieser Familie, in der die hl. Hedwig Ehefrau und Mutter war. Die eheliche und familiäre Gemeinschaft baut sich auf gegenseitigem Vertrauen auf. Dies ist das grundlegende Gut wechselseitiger Beziehungen in der Familie, der wechselseitigen Beziehung der Eheleute und der wechselseitigen Beziehung zwischen Eltern und Kindern. Tiefstes Fundament dieser Beziehungen ist letztlich dieses Vertrauen, das Gott selber den Eheleuten schenkt, indem er sie schafft und sie zum Leben in der ehelichen und familiären Gemeinschaft beruft. Eben auf dieses sein Vertrauen gegenüber den Eltern stützte Gott die Beziehungen zwischen Kind und Eltern. „Das Herz Gottes vertraut ihnen.“ Auf sein Vertrauen, insbesondere gegenüber der Mutter, stützte Gottvater die Beziehung zwischen Kind und Mutter. „Das Herz . . . Gottes vertraut ihr!“ Gottvater will auf diese Weise das Leben des Kindes schützen, Seinen Schatz, damit es bereits vom Augenblick der Empfängnis an der Sorge des Nächsten aller Nächsten des Kindes anvertraut sei: seiner Mutter. „Das Herz Gottes vertraut ihr.“ Eine Familie ist wirklich Familie, wenn sie sich auf solchen Beziehungen aufbaut, auf wechselseitigem Vertrauen, auf wechselseitigem Glauben zueinander. Nur auf einem solchen Fundament läßt sich der Prozeß der Erziehung aufbauen, der das grundlegende Ziel der Familie und ihre erstrangige Aufgabe darstellt. In der Erfüllung dieser Aufgabe können die Eltern durch niemanden ersetzt werden - und niemandem auch ist es erlaubt, den Eltern diese ihre erstrangige Aufgabe wegzunehmen. Gleichzeitig kann man nie genug daran gemahnen, daß die Erfüllung dieser Aufgabe bedeutende Anforderungen an die Eltern stellt. Die Eltern selber müssen gut erzogen sein, um zu erziehen — und sie selber müssen sich immerfort erziehen, um erziehen zu können. Nur unter solchen Bedingungen, bei einer solchen inneren 518 REISEN Einstellung, kann der Prozeß der Erziehung fruchtbar sein. Wenn heute -in Niederschlesien und in ganz Polen - soviel davon abhängt, ob der Prozeß der Erziehung in der Familie fruchtbar und erfolgreich ist, dann deshalb, weil dies grundlegende Bedeutung für die Zukunft der ganzen Nation hat. Ich möchte sagen: für die polnische Staatsräson! Liebe ist von der Wahrheit abhängig 7. „Das Herz ihres Mannes vertraut auf sie“, lesen wir in der Liturgie des Festes von der hl. Hedwig. Weshalb vertraut das Herz ihres Mannes auf die Ehefrau? Weshalb vertraut das Herz der Ehefrau auf ihren Mann? Weshalb vertrauen die Herzen der Kinder auf die Eltern? Dies ist sicher der Ausdruck einer Liebe, auf der sich in der Moral und in der Kultur alles von den grundlegenden zwischenmenschlichen Bindungen her aufbaut. Dennoch ist diese Liebe außerdem noch von der Wahrheit abhängig. Die Eheleute vertrauen deshalb aufeinander, weil sie einander glauben, weil sie sich in der Wahrheit begegnen. Die Kinder vertrauen deshalb auf die Eltern, weil sie von ihnen Wahrheit erhoffen - und sie vertrauen auf sie so weit, als sie von ihnen Wahrheit erhalten. Die Wahrheit ist also das Fundament des Vertrauens. Und die Wahrheit ist auch eine Kraft der Liebe. Andererseits ist auch die Liebe eine Kraft der Wahrheit. In der Kraft der Liebe ist der Mensch bereit, selbst die schwierigste, selbst die forderndste Wahrheit anzunehmen. So wie Fürst Heinrich bereit war, die Wahrheit anzunehmen, daß er sein Leben hingeben mußte - und seine Mutter, die hl. Hedwig, die Wahrheit über den Tod des Sohnes anzunehmen bereit war. 8. Es besteht auch ein unlösbares Band zwischen der Wahrheit und Liebe einerseits und der ganzen menschlichen Moral und Kultur andererseits. Man kann mit Sicherheit feststellen, daß nur in einer solchen wechselseitigen Verbindung der Mensch wirklich als Mensch leben und sich als Mensch entwickeln kann. Dies ist wichtig in jeder Dimension. Dies ist wichtig in der Dimension der Familie, dieser grundlegenden menschlichen Gemeinschaft. Aber es ist andererseits wichtig in der Dimension der ganzen, großen Gesellschaft, wie die Nation sie darstellt. Dies ist wichtig in der Dimension der einzelnen Gruppierungen, insbesondere derer, die von ihrer Natur her eine erzieherische Aufgabe haben, wie Schule oder Universität. Dies ist wichtig für alle, die die Kultur der Nation schaffen: für die Bereiche der Kunst, für die Literatur, die Musik, das Theater und die bildenden Künste. Man muß schaffen in Wahrheit und in Liebe! Man 519 REISEN kann der Meinung sein, daß dieses Prinzip um so weniger streng gehand-habt wird, je allgemeiner der Bereich ist. Und dennoch - man darf keinen Bereich, kein Milieu, keine Institution, keine Mittel oder Instrumente der Vermittlung und der Verbreitung geringschätzen. 9. Die ganze polnische Nation muß in gegenseitigem Vertrauen leben! Und dieses Vertrauen stützt sich auf Wahrheit. Ja, sie muß dieses Vertrauen im weitesten Bereich ihrer gesellschaftlichen Existenz wiedererlan-gen. Dies ist eine grundlegende Frage. Ich zögere nicht, zu sagen, daß gerade davon - davon vor allem, von dem auf der Wahrheit aufgebauten Vertrauen - die Zukunft des Vaterlandes abhängt. Man muß Zentimeter um Zentimeter und Tag um Tag das Vertrauen errichten, das Vertrauen wiederaufbauen, und das Vertrauen vertiefen! Alle Dimensionen des gesellschaftlichen Seins - sowohl die politische wie die wirtschaftliche Dimension und natürlich die kulturelle Dimension sowie jede andere -stützen sich letztlich auf diese grundlegende ethische Dimension: Wahrheit - Vertrauen - Gemeinschaft. So ist es in der Familie. So ist es auch im anderen Maßstab, in der Nation und im Staat. So ist es schließlich in der ganzen Menschheitsfamilie. „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen“ ( Gen 12, 1-2) - solche Worte bezieht die heutige Liturgie auf die hl. Hedwig von Schlesien. Sie ist zu uns aus einem fremden Land gekommen, sie wurde ein Glied der Piasten-Familie und unserer Geschichte - deshalb, um noch nach sieben Jahrhunderten die einfachen Wahrheiten und grundlegenden Prinzipien zu bezeugen, ohne die es kein wahrhaft menschliches Leben gibt, ohne die nicht nur der Mensch und die Familie nicht leben und sich entwickeln können - sondern auch nicht die Nation! 10. Seüg, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. Es gibt hier in Breslau - hier: in Niederschlesien -, es gibt in ganz Polen viele Menschen, enorm viele Menschen, die nach Gerechtigkeit hungern und dürsten. Ich denke in dieser Stunde an die Menschen, die ihr schweres Tagewerk verrichten: an das polnische Dorf in diesen Gebieten, an die Menschen, die auf dem Lande arbeiten, an die schöpferischen Bereiche, an die Universität Breslau und an die übrigen Hochschulen, die Schulen, die Wissenschaftler und Kulturschaffenden, die Künstler, die Bergleute und Hüttenwerker, die Arbeiter der staatlichen Waggonfabrik Pa-Fa-Wag und in so vielen anderen Betrieben, an die Mitarbeiter der Verwaltung, an alle. 520 REISEN Euch allen, die ihr in Erfüllung des Schöpfergebotes euch die Erde untertan macht, bringe ich meine Solidarität und die der Kirche. Dieses Hungern und Dürsten nach der Gerechtigkeit ist in besonderer Weise im Laufe der letzten Jahre offenbar geworden. Ich möchte, als Hirt der Kirche und zugleich als Sohn meiner Nation, dieses Hungern und Dürsten bestätigen, das aus gesunden Schichten des polnischen Geistes kommt: aus dem Gefühl für die Würde menschlicher Arbeit, aus der Liebe zum Vaterland sowie aus der Solidarität, das heißt aus dem Gespür für das Gemeinwohl. Ich möchte gleichzeitig dieses berechtigte Hungern und Dürsten breiter Schichten meiner Landsleute nach Gerechtigkeit gegen alles schützen, was es entstellt und schwächt. Aber gleichzeitig möchte ich es auch befreien und verteidigen gegen alle ungerechten Vorwürfe und Verdächtigungen, woher immer sie auch kommen mögen. Auf das, was ein berechtigtes Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit im Leben unserer Nation ist, muß in einer solchen Weise geantwortet werden, daß die ganze Nation das gegenseitige Vertrauen wiedergewinnt. Man kann dies weder zerstören noch ersticken. Man kann darüber nicht hinweggehen, denn wie unser Dichter sagt: „Das Vaterland ist eine große - gemeinschaftliche - ,Pf licht’, die das , Vaterland um des Menschen willen‘ und ,den Menschen um des Vaterlandes willen1 bindet“ (C. K. Norwid: Denkschrift über die junge Emigration). Die polnische Nation, insbesondere Breslau und das Volk von Niederschlesien, schauen unverwandt auf die wunderbare Gestalt der hl. Hedwig, der Piasten-Mutter in diesem Lande, und sie erinnert sich an alle, die hier während des Zweiten Weltkrieges gefallen sind, an alle, die in den schon fast vierzig Jahren seit Kriegsende gestorben sind. An alle, die in den Ereignissen der letzten Jahre fielen . . . Die polnische Nation, insbesondere Breslau und das Volk von Niederschlesien, schauen unverwandt auf die wunderbare Gestalt der hl. Hedwig, der Piasten-Mutter in diesem Land, und sie bekennt voller Glauben, Hoffnung und Liebe: - Selig sind, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden! 521 REISEN ,,Dieses Land braucht immerzu Versöhnung“ Predigt auf dem Annaberg am 21. Juni 1. Gelobt sei Jesus Christus! Ich grüße von ganzem Herzen alle Pilger, die hier auf dem Berg der hl. Anna versammelt sind. Ich komme hierher auf dem Wege meiner Pilgerreise, die im Zusammenhang steht mit dem Jubiläum von Jasna Göra: seit sechs Jahrhunderten ehren wir Maria als unsere Mutter und Königin in ihrem Gnadenbild, das nicht nur im Vaterland, sondern auch in der weiten Welt bekannt ist. Während meines ersten Besuches als Papst pilgerte ich nach Jasna Göra auf dem Weg unserer ältesten Patrone, des hl. Wojciech (Adalbert) und des hl. Stanislaus - auf dem Weg, der über Gniezno (Gnesen) und Krakau führt. Die Umstände der diesjährigen Pilgerreise bewirken, daß ich mich nach Jasna Göra über den Weg unseres Heute begebe, über den Weg des 20. Jahrhunderts. Diese Strecke führt über das Martyrium des hl. Maximilian Maria Kolbe, den wir im ersten Jahr nach seiner in Rom vollzogenen Heiligsprechung in seinem Vaterland ehren, vor allem in Niepokalanöw. Diese Strecke des Heute führt nach Jasrta Göra auch vom noch frischen Grab des großen Primas von Polen, Kardinal Stefan Wyszynski, der das marianische Erbe Pater Maximilians in die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts hinüberbrachte und fest mit Jasna Göra verband. 2. Dennoch fordert dieser Weg des Heute - der so beredt und ergreifend ist - unbedingt eine Ergänzung. Man muß zurückgreifen auf den Anfang dieser 600-Jahr-Feier, die uns im vergangenen und in diesem Jahr um Jasna Göra versammelt. Dieser Anfang befindet sich aber gerade hier: im Schlesien der Piasten. Und deshalb führt heute der Weg meiner Pilgerreise über Wroclaw (Breslau), wo wir die hl. Hedwig ehrten, eine Tochter des deutschen Volkes, die gleichzeitig die große Mutter der polnischen Piasten am Übergang vom 12. zum 13. Jahrhundert war. Von Breslau kommen wir in das Gebiet von Opole (Oppeln), um im Lande dieses Piasten zu verweilen, mit dessen Name die Stiftung Jasna Göras und die Schenkung des Gnadenbildes von Jasna Göra aus den Jahren 1382/1384 verbunden ist. Es handelt sich um Wladyslaw II., Herzog von Oppeln, allgemein der „Opolczyk“ (Oppelner) genannt, eine uns besonders aus der Regierungs- 522 REISEN zeit Ludwigs des Ungarn bekannte Gestalt, von dem - bekanntlich -dessen Tochter, Königin Jadwiga, den polnischen Thron in Krakau erbte. Wladyslaw aus der Familie der schlesischen Piasten selber beschloß sein Leben in Oppeln, und hier ruht er in der Gruft der Franziskanerkirche. Auf seinem Grabmal lesen wir die folgende Aufschrift: „Im Jahr des 600. Jubiläums von Jasna Göra - seinem Stifter, dem Oppelner Herzog Wladyslaw II.“ Das erschöpft noch nicht die unmittelbaren Verbindungen des Oppelner Landes zum Bild von Jasna Göra. In den Jahren des Schwedeneinfalls, während der „Sintflut“ im Jahre 1655, üeß das Oppelner Schlesien dem Gnadenbild seine Obhut angedeihen und gab ihm sicheren Schutz in Pauliny, einer bei Glogöwek (Oberglogau) in der Pfarrei Mochöw-Mochau gelegenen Ortschaft (vgl. Bischof Franciszek Jop: Im Dienst des Gotteswortes, S. 225). Auf diese Weise reiht sich die heutige Station im Oppelner Land in die päpstliche Pilgerreise zum Jubiläum von Jasna Göra ein. Diese Station ist auf dem Sankt-Anna-Berg, in dessen Nähe sich Kamien Slaski (Groß Stein) befindet, der Geburtsort des hl. Jacek, des sei. Czeslaw und der sei. Bronislawa Odrowaz - von Gestalten, die mir seit früher Jugend sehr teuer und nahe sind. Der hl. Jacek und die sei. Bronislawa ruhen in Krakau, der sei. Czeslaw ist Patron von Breslau. 3. Wir befinden uns also in einer Umgebung, die in der Vergangenheit mit Zeichen der Heiligkeit gleichsam besonders gesättigt wurde. Mein Gruß wendet sich hier an die anwesenden Hirten der Kirche in der Diözese Oppeln - und in der Breslauer Kirchenprovinz. Gestattet jedoch, hochwürdige und teure Brüder im Bischofsamt, daß ich zuerst an diejenigen erinnere, die eure unmittelbaren Vorgänger waren. Denn ich kann - wenn sich das silberne Jubiläum meiner Bischofsweihe nähert - schwerlich jene unerwähnt lassen, die mir am 28. September 1958 ihre Hände auflegten, wobei sie mir in der Königskathedrale auf dem Wawel im Sakrament der Bischofsweihe den Heiligen Geist und die Apostelnachfolge vermittelten. Hierbei aber handelte es sich - gemeinsam mit dem verstorbenen Erzbischof Eugeniusz Baziak, dem Metropoliten von Lwow (Lemberg) - um den verstorbenen Kardinal Boleslaw Kominek, seit 1972 Metropolit von Breslau, sowie um den verstorbenen Bischof Franciszek Jop, seit 1972 erster residierender Bischof der Diözese Oppeln. Indem ich die Verstorbenen - die erst kürzlich Verstorbenen - erwähne, grüße und begrüße ich herzlich die Lebenden. Vor allem - außer dem Metropoliten von Breslau — den der Folge nach zweiten Bischof von 523 REISEN Oppeln, Alfons Nossol, der ein gebürtiger Sohn eurer Erde ist, wie auch alle drei Oppelner Weihbischöfe: Waclaw, Antoni sowie Jan. Ich grüße und begrüße gleichzeitig das Oppelner Kapitel sowie den gesamten Klerus der Kirche von Oppeln, darunter die männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften. Besondere Worte richte ich an die Franziskanerpatres, die seit vielen Generationen das Heiligtum auf dem Sankt-Anna-Berg schützen und dabei zahlreichen Pilgern seelsorgliche Dienste leisten. Neben den Gastgebern begrüße ich herzlich alle Gäste - Geistliche und Laien die aus Schlesien und aus verschiedenen Gebieten Polens hierher gekommen sind, vor allem aber die Vertreter der Bischofskonferenz. Unter ihnen sind sechs Kardinäle: Kardinal Volk, Kardinal Krol, der hier am Morgen in Vertretung des Papstes Hauptzelebrant war, Kardinal Meisner, Kardinal Casaroli und unsere polnischen Kardinäle - der Kardinal-Primas sowie der Kardinal-Metropolit von Krakau. Außerdem zahlreiche Bischöfe, meine geliebten Brüder, auch jene von außerhalb Polens. Ich muß auch die Vertreter der katholischen Hochschulen begrüßen, und zwar kommen sie aus verschiedenen Gegenden Polens. Ihre Anwesenheit kommt daher, daß die katholischen Hochschulen euren Bischof sehr lieben. Sie lieben ihn, denn er selber ist ein hervorragender Theologe. Auch er liebt die katholischen Hochschulen, und so versteht er es irgendwie einzurichten, daß die Liebe zur Hochschule und zur Wissenschaft ihn nicht in seiner Liebe zur Diözese Oppeln behindert, sondern ganz im Gegenteil diese noch stärkt. 4. Wir kommen hierher, auf den Sankt-Anna-Berg, angesichts dieser „erfüllten Zeit“, von der der hl. Paulus im Brief an die Galater spricht. Die Worte aus diesem Brief lauten: „Als ... die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau . . .“ (Gal 4, 4). Auf dem Sankt-Anna-Berg verdeutlicht sich diese zentrale Wahrheit der Heilsgeschichte in besonderer Weise: die „Frau“, die den Gottessohn geboren hat, befindet sich, zusammen mit diesem Sohn, in der Umarmung ihrer Mutter, der hl. Anna. Dies drückt sich in der Gestalt der hl. Anna Selbdritt aus, die hier im zentralen Heüigtum Schlesiens und des Oppelner Landes - das kaum 100 Jahre jünger ist als Jasna Göra - seit fünf Jahrhunderten besondere Ehre empfängt und von der Liebe der Generationen umgeben ist. Diese Liebe und Verehrung richtet sich auf das Geheimnis der Menschwerdung. Wir wissen sehr gut aus dem Evangelium des hl. Matthäus und des hl. Lukas, daß der Gottessohn, der durch Wirken des Heiligen Geistes im Schoße der Jungfrau aus Nazaret Mensch wird, auch seine menschliche 524 REISEN Abstammung hat. Der Stammbaum bei den Evangelisten nennt vor allem die männlichen Vorfahren Jesu Christi. In der Gestalt der hl. Anna Selbdritt ist vor allem die Mutterschaft hervorgehoben: die Mutter - und die Mutter der Mutter. Der Gottessohn wurde Mensch, weil Maria seine Mutter wurde. Sie selber lernte von ihrer Mutter, Mutter zu sein. Die Verehrung der hl. Anna wird durch den Stammbaum der Mutterschaft eingefügt in das unmittelbare Geheimnis der Menschwerdung. Er ist hineingestellt in diese „erfüllte Zeit“, als „Gott seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau“. 5. Er aber sandte ihn . . ., „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (ebd., Vers 5). Ihr wißt sehr wohl, teure Pilger, daß am 25. März dieses Jahres, das heißt vom Fest der Verkündigung an, das gleichzeitig das liturgische Fest vom Geheimnis der Menschwerdung ist - in der gesamten Kirche das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung begann. Denn so, wie die Kirche im Jahre 1933 in Erinnerung an die 1900 Jahre, die seit Erlösung der Welt vergangen waren, ein Jubiläum beging, so erinnert sie im laufenden an die 1950 Jahre seit diesem Heilsgeschehen. Auf diese Weise geht das in Polen gefeierte heimische Jubiläum von Jasna Göra gewissermaßen in jenes allgemeine Jubiläum der gesamten Kirche über. Bezugspunkt dieses Jubiläums der Erlösung ist eben jene „erfüllte Zeit“, in der Gott seinen von einer Frau geborenen Sohn sandte, „damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen . . damit er das ganze Menschheitsgeschlecht von der Sünde erlöse - „damit wir die Sohnschaft erlangen“. Ihr, die ihr hier auf den Sankt-Anna-Berg pilgert, erwägt in diesem Jahre mit vertieftem Glauben das Geheimnis dieses „Geborenseins von einer Frau“, das der Anfang unserer Erlösung ist. Und bemüht euch, mit besonderer Hoffnung die unergründlichen Schätze der Erlösung zu durchdringen, die die Kirche in diesem Jahr vor dem ganzen Gottesvolk ausbreitet, damit es aus ihnen Vergebung und Versöhnung schöpft. Bemüht euch also um Vergebung der Sünden und auch um Nachlaß der zeitlichen Strafen, soweit das bei angemessener innerer Einstellung möglich ist. Bemüht euch auch, daraus Versöhnung zu schöpfen: vor allem immer tiefere Versöhnung mit Gott selbst in Jesus Christus und durch das Wirken des Heiligen Geistes, gleichzeitig aber Versöhnung mit den Menschen, den nahen und fernen — den in diesem Land anwesenden und den abwesenden. Denn dieses Land braucht immerzu mannigfaltige Versöhnung, wie ich schon 525 REISEN heute in Wroclaw (Breslau) erwähnte, als ich an das Werk der hl. Hedwig anknüpfte. 6. Ehrend erinnern wir auf dem Anna-Berg auch an die, die in diesem Lande nicht zögerten, zu gegebener Zeit ihr Leben zu opfern auf dem Kampffeld, so wie das hier befindliche Denkmal der schlesischen Aufständischen bezeugt. Der Berg der hl. Anna behält auch sie in Erinnerung. Gleichzeitig aber trägt dieser Berg im unmittelbaren Herzen des Heiligtums die Erinnerung an alle, die von Generation zu Generation hierher kamen, um „die Sohnschaft zu erlangen“: die Sohnschaft Gottes. Um jenes göttliche Leben zu führen, das um den Preis von Christi Opfer zum Geschenk für alle Menschen wurde. Um auf dem übernatürlichen Boden der heiligmachenden Gnade ein ehrliches, edles menschliches Leben aufzurichten: ein Leben, würdig eines Christen, und zwar sowohl im Haus der Familie wie an der Stätte landwirtschaftlicher oder industrieller Arbeit wie auch schließlich im Leben der ganzen Gesellschaft. „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater!“ (ebd., Vers 6). Hierher, auf den Sankt-Anna-Berg, kamen und kommen ganze Generationen von Pilgern, um diesen Ruf zu lernen. Um das Gebet zu lernen, das dann das menschliche Leben durchdringt - durchdringt und auf göttliche Weise formt. Und dieses Gebet, das nebeneinander Eltern und Kinder, Großeltern und Enkel vereint, schafft zugleich die tiefste Bindung zwischen den Generationen. Ist denn nicht in dieser Bindung das große göttliche und menschliche Erbe seit den Zeiten der Piasten erhalten geblieben: seit den Zeiten der hl. Hedwig und des Wladyslaw von Oppeln, des Gründers von Jasna Göra? 7. Die Gestalt der hl. Anna Selbdritt führt uns vor Augen, wie der Gottessohn aus dem Heiligen Geist und zugleich durch die Stammesgeschichte menschlicher Generationen zum Menschen wurde. Möge diese Gestalt für euch, teure Brüder und Schwestern, zu einer ständigen Quelle der Inspiration im täglichen Leben, im familiären und gesellschaftlichen Leben werden. Überliefert einander, von Generation zu Generation, zusammen mit dem Gebet das ganze geistige Erbe christlichen Lebens. Als heutiger Pilger zum Sankt-Anna-Berg und zugleich als erster Papst, den die polnische Erde hervorgebracht hat, will ich dieses Erbe bestätigen und bestärken. Es hat hier so viele Generationen überdauert. Möge es weiter dauern. Möge sich im Strahlbereich des Sankt-Anna-Berges all das entfalten, was seinen Anfang hat in der von Jesus Christus, dem Sohn 526 REISEN Mariens, gewirkten Erlösung. Das, was das Sakrament der Taufe in unsere Seelen eingepflanzt hat und was das Sakrament der Firmung bestärkt. Das, was ständig durch die Buße sich erneuert und seine sakramentale Fülle in der Eucharistie findet. Zur Erinnerung an meine Anwesenheit in diesem Gebiet will ich auch das ehrwürdige Bild der Muttergottes aus der Oppelner Kathedrale krönen. Söhne und Töchter dieser Erde! Hört nicht auf, in diesem Glauben zu leben, daß Gott seinen von einer Frau geborenen Sohn gesandt hat . . ., damit wir die Sohnschaft Gottes erlangen. Söhne und Töchter dieser Erde! Hört nicht auf, in der Gottessohnschaft zu bleiben, die wir von Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, durch das Wirken des Heiligen Geistes haben. Söhne und Töchter dieser Erde! Hört nie auf zu rufen - (in der Sprache, die die Sprache eurer Vorfahren war) -, hört nie auf, zu Gott zu rufen: Abba, Vater! Dank an die Krakauer Alma mater Ansprache in der Jagiellonen-Universität von Krakau am 22. Juni Magnifizenz, hochverehrter Herr Rektor, Akademischer Senat der ersten Universität in Polen, Herr Minister, Professoren, wissenschaftliche Mitarbeiter, Studenten, sehr geehrte und werte Damen und Herren! 1. Ich kann nicht verhehlen, daß ich heute die Schwelle der „Alma mater Jagiellonica“ mit besonderer Rührung überschreite. Viele Jahre lang begegnete ich als Krakauer täglich diesem Komplex von Gebäuden, die die Universität in sich bergen - und doch hat sie dadurch nichts von ihrer Größe verloren. Sie ist nicht alltäglich geworden. Sie blieb in der Geschichte des Vaterlandes wie in der Geschichte der polnischen, der europäischen und der Weltkultur. So sah sie ihr Zögling, Pater Piotr Skarga, als er die Krakauer Akademie eine „glückliche Gründung der polnischen Könige und eine Zier dieser Krone“ nannte. (Leben der Heiligen des Herrn, Ausgabe von 1855, S. 73.) Wenn ich ihr täglich im 527 REISEN Laufe von vierzig Jahren meines hiesigen Aufenthaltes begegnete, so verlor ich keinen Augenblick das Bewußtsein dafür, daß ich es mit Größe zu tun hatte, mit einer von den Größen, die den Platz meines Vaterlandes in der Geschichte der Menschheitskultur bestimmen. Sie diente der Wahrheit und der Republik 2. Das erste Mal betrat ich die Mauern des Collegium Maius als zehnjähriger Volksschüler, um an der Promotion meines älteren Bruders, eines Absolventen der Medizinischen Fakultät der Jagiellonen-Universität, zum Doktor teilzunehmen. Bis heute habe ich diese Feier in der Universitätsaula vor Augen. Seit dem Augenblick, da ich selber zur Ehre einer ähnlichen Promotion an der Theologischen Fakultät gelangen durfte, sind fast 35 Jahre vergangen. Diese Promotion stellte den Abschluß meiner Studien dar, die ich gewissermaßen an zwei Universitäten absolvierte: an der Jagiellonen-Universität sowie an der römischen Universität „Angelicum“, wo ich in den Jahren 1946-1948 studierte. 3. Die früheren Jahre meiner Krakauer Studien fallen mit der Zeit des Zweiten Weltkrieges und mit der nazistischen Okkupation zusammen. Ich begann im Herbst 1938 an der damaligen Philosophischen Fakultät als Hörer Polnische Philologie zu studieren. Tief in meiner Erinnerung trage ich dieses eine Vorkriegs-Studienjahr: das ganze Milieu der Universität, die Namen großer Professoren, deren Schüler zu sein ich das Glück hatte, die Gesichter von Kommilitonen und Kommilitoninnen, von denen mich die Ereignisse der Jahre 1939-1945 zumeist trennten. Mit um so größerer Freude sehe ich manche von ihnen hier als Anwesende. Ich möchte zu ihren Händen für all das danken, was ich der Polonistik der Jagiellonen-Universität verdanke. Bis heute ernte ich die Früchte dieser ja doch sehr kurzen und fragmentarischen Studien. 4. In der Periode des Untergrunds in der Okkupationszeit begann ich - als Arbeiter einer Fabrik in Borek Falecki - an der konspirativen Theologischen Fakultät der Jagiellonen-Universität zu studieren. Ich begann dieses Studium im Herbst 1942. Inmitten der schrecklichen Erfahrungen des Krieges entdeckte ich in mir allmählich die Berufung zum Priestertum - und ich beschritt den neuen Weg. Die Studien an der Theologischen Fakultät seit Herbst 1942 bezeichnen den Anfang dieses Weges. Er führte mich zuerst durch die 528 REISEN konspirative Etappe, um dann, ab Januar 1945, in offene Studien an eben dieser Fakultät überzugehen. Dies ist das zweite Kapitel meiner studentischen Erfahrungen, das sich sehr von dem der Vorkriegszeit unterscheidet und in gewisser Weise jenes ergänzt. Als Alumne des Krakauer Geistlichen Seminars konnte ich in diesen ersten Nachkriegsjahren am Leben der akademischen Gemeinschaft der Universität teilhaben, ich war sogar eine gewisse Zeit stellvertretender Vorsitzender der studentischen Bruderhilfe der Jagiellonen-Universität oder, wie man sagt, ein „Bruderschaftler“. 5. Nach Beendigung der Studien und nach dem Doktorat an der Theologischen Fakultät blieb ich weiterhin in Kontakt mit der Hochschule. Im November 1953 war es mir noch vergönnt, mich in Moraltheologie zu habilitieren. Das war die letzte Habilitation an der Theologischen Fakultät der Jagiellonen-Universität, bevor diese Fakultät - nach ungefähr sechs Jahrhunderten - aus dem Organismus dieser Universität ausgegliedert wurde: dieser ältesten Alma mater in Polen. Meiner Alma mater! 6. Wenn ich heute, auf freundliche Einladung des Rektorats, über die Schwellen zurückkehre, dann fühle ich - so wie stets zuvor - diese historische Größe der Jagiellonen-Universität, mit der die Vorsehung mir - wenn auch in ziemlich fragmentarischer Weise - meine jungen Lebensjahre zu verbinden erlaubte. Durch das Prisma dieser unvergeßlichen und durch nichts zu ersetzenden Erfahrung erfasse ich die über sechs Jahrhunderte der Existenz der Universität in der Geschichte meines Vaterlandes. „Der Wahrheit und der Republik“, schrieb Priester Konstanty Michalski, „diente die Universität ganze Jahrhunderte lang, zusammen mit ihr teilte sie Höhen und Tiefen, Glück und Unglück, so daß die ganze Republik mit Jagiello zur polnischen Universität sagen konnte: „Filia mea“, meine Tochter, Bein von meinem Bein und Blut von meinem Blut“ (Wohin wir gehen?, Krakau 1964, S. 91). Ich greife zurück auf das Jahr 1364, auf die Anfänge unter Kazimierz, ich greife zurück auf das Jahr 1397: auf diesen zweiten Beginn, der zusam-menhängt mit den Namen der Gründer der Jagiellonen-Dynastie, die gleichzeitig Neubegründer der Jagiellonen-Universität waren. 7. Wie viele große Namen in der Geschichte der Nation, der Wissenschaft und der Kultur! Um nur Wojciech von Brudzewo zu nennen, Mikolaj Kopernik (Nikolaus Kopernikus), Maciej Miechowita, Stanislaw von Skalbmierz, Pawel Wlod- 529 REISEN ko wie, Jakub von Paradyz, den hl. Jan von Kqty, Zbigniew Oiesnicki, Stanislaw Hozjusz, Mikolaj Rey, Jan Kochanowski, Andrzej Frycz Modr-zewski, Marcin Kromer . . . Das sind nur einige Namen aus der ersten Zeit der Jagiellonen-Akademie, die im übrigen die Zeit ihrer besonderen Blüte war. Eine große Genealogie von Lehrern 8. Danach vergehen Jahrhunderte. Epochen in der Geschichte Polens, in der Geschichte Europas, der Welt, Epochen in der Geschichte der Wissenschaft und Kultur. Durch alle diese Jahrhunderte bleibt die Jagiello-nen-Hochschule im unmittelbaren Herzen der polnischen Wissenschaft und Kultur. Es ist unmöglich, hier alle zu nennen, die es verdienen. Erlaubt mir, daß ich zumindest Jan Sniadecki erwähne, Hugon Koxx^taj, Zygmut Wrö-blewski, Karol Olszewski, Marian Smoluchowski. 9. Und hier nähern wir uns unserer Zeit. Jenen großen Namen, denen ich persönlich während meines Studiums begegnen durfte. Um nur folgende Professoren zu nennen: Pigön, Kolaczkowski, Nitsch, Klemensiewicz, Kamykowsky (es lebt noch Professor Urbaüczyk, der im ersten Jahr meines Polonistik-Studiums als Assistent unsere Übungen in deskriptiver Phonetik leitete. Dagegen lebt Professor Wyka nicht mehr, der zu jener Zeit ebenfalls Assistent für Literatur war, und wenn ich mich nicht irre, auch Professor Spytkowski, der jüngere Assistent. Ich erinnere mich, was die Theologische Faktultät betrifft, an die lebenden geistlichen Professoren und an jene, die hinübergegangen sind. Mögen sie mir verzeihen, daß ich sie hier nicht nenne. 10. Eine große Genealogie von Lehrern. Und eine Genealogie von Schülern dieser „Mutter der polnischen Schulen“, wie Jan Sobieski sie nannte, als er nach dem Sieg bei Wien die erbeuteten Roßschweiffahnen am Grab des hl. Jan Kanty niederlegte, „eingedenk der glücklichen Wissensnahrung an der Universität Krakau“ (Aufschrift auf der Tafel Sobieskis im Haus des hl. Jan). Die Universität ist gleichsam eine große Familie. Alle sind vereint durch die Liebe zur Wahrheit - dieser Wahrheit, die das Fundament für die Entwicklung des Menschen in seinem eigenen Menschtum ist. Sie ist auch das Fundament für die Entwicklung der Gesellschaft in ihrer tiefsten Identität. Während des Besuchs am Sitz der UNESCO am 2. Juni 1980 äußerte ich folgende Worte: 530 REISEN „Ich bin Sohn einer Nation, die im Lauf ihrer Geschichte die meisten Erfahrungen damit machte, daß ihre Nachbarn sie zum Tode verurteilt haben, zu wiederholten Malen, die aber überlebt hat, sie selbst geblieben ist. Sie hat ihre Identität bewahrt, und sie hat trotz der Teilungen und fremden Besatzungen nationale Souveränität bewahrt, indem sie sich nicht auf die Mittel physischer Gewalt gestützt hat, sondern einzig und allein auf ihre Kultur. Die Kultur hat sich als eine Macht herausgestellt, die größer ist als alle anderen Mächte ... Es gibt eine fundamentale Souveränität der Gesellschaft, die sich in der Kultur der Nation manifestiert“ (Nr. 14). Im Geist des Gehorsams gegenüber der Alma mater Welchen Anteil die Jagiellonen-Universität bei der Schaffung und Verbreitung dieser Kultur hat, die die geistige Souveränität der Nation schafft, das wissen wir alle. Heute - unter diesen in der Tat ungewöhnlichen Umständen - stehe ich, Johannes Paul II., Bischof von Rom, vor dieser großen akademischen Genealogie meiner jagiellonischen Alma mater - und wie es sich gegenüber einer Mutter geziemt, ich sagte dies bereits auf dem Flughafen in Warschau, wiederhole ich heute noch einmal: ich küsse ihre Hände, um mit dieser Geste Zeugnis davon zu geben, welch große Schuld ich abzutragen habe. Ich selber - gemeinsam mit meiner ganzen Nation. 11. Wenn Sie wollen, Magnifizenz, ehrwürdiger Senat, daß ich die Ehrendoktorwürde entgegennehme, so tue ich dies im Geist des Gehorsams gegenüber der Alma mater, auch wenn die Regeln meines Amtes dies nicht vorsehen, aber über alle Regeln des Amtes hinweg bleibt stets der Gehorsam gegenüber den Eltern. 12. Auf dem Portal eines Saales der alten Universität, gerade in diesem Saal, in der Aula des „Collegium Maius“, lesen wir die folgende Aufschrift: „Plus ratio quam vis“. Ich wünsche dir, Jagiellonen-Universität, du mögest im siebenten Jahrhundert deines Bestehens dieser akademischen Devise stets treu bleiben. Möge deine Anwesenheit im Leben des Polens von heute zum Sieg dessen dienen, was des Menschen als eines vernünftigen und freien Wesens würdig is.t. Möge sie ein Schutz sein gegen das Übergewicht der rein materiellen Kräfte. Ich wünsche, du, Jagiellonen-Universität, du große Protagonistin aller akademischen Hochschulen im Vaterland, mögest stets 531 REISEN dazu beitragen, daß das ganze polnische Leben auf Fundamenten der Weisheit, des Wissens und der Rechtlichkeit gründet. Ich bete, daß Gott die weiteren Generationen deiner Professoren und Studenten segnet. Noch einmal danke ich für die Ehrenwürde „honoris causa“. „ Heiligkeit beruht auf Liebe!“ Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Rafael Kalinowski und Albert Chmielowski in Krakau am 22. Juni 1. „Der Herr ist mein Hirte . . .“ (Ps 23/22,1). Meine lieben Landsleute! Ich will heute gemeinsam mit euch Gott lobpreisen, der unser Hirte ist: der der Gute Hirt seiner Herde ist. Er selber hat das im Evangelium von sich gesagt. Auch der Psalm der heutigen Liturgie spricht davon zu uns. Ich will deshalb heute, am letzten Tag meiner Pilgerreise in das Vaterland, zusammen mit euch die Wahrheit über den Guten Hirten vor dem Hintergrund des Jubiläums von Jasna Göra bekennen. Sind denn sechs Jahrhunderte wunderbarer Anwesenheit der Muttergottes in diesem Bild, das uns alle geistig eint und zusammenschweißt, kein Werk des Guten Hirten? Wir wissen doch alle, daß er sich vor allem um die Einheit seiner Herde sorgt. Er sorgt sich darum, daß niemand verlorengehe, und er selber sucht das verlorengegangene Schaf. Wir geben durch das Heilige Jahr der Erlösung in der ganzen Kirche davon Zeugnis. Und im polnischen Land, in dem noch immer das Jubiläum von Jasna Göra andauert, fragen wir: Vollbringt Christus, der Gute Hirte, sein ganzes Werk nicht durch besondere Mittlerschaft seiner Mutter? Unserer Lieben Frau von Jasna Göra? Der Psalmist sagt vom Guten Hirten: „(Er) führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen . . .“ (ebd. 2. 3). „Firmung der Geschichte“ Ist Jasna Göra nicht für uns so ein Platz, wo wir ausruhen können? Wo unsere Seelen Erquickung finden? Gleicht es nicht der Quelle lebendigen 532 REISEN Wassers, aus der wir im Laufe von Generationen schöpfen? Wir schöpfen aus den unendlichen Schätzen von Christi Erlösung, einer Erlösung, der Maria uns nahebringt. 2. Am letzten Tag meiner Pilgerreise, die mit dem Jubiläum von Jasna Gora verbunden ist, will ich hier, in Krakau, zusammen mit euch, meine lieben Landsleute, über das wunderbare Geheimnis der Anwesenheit des Guten Hirten unter allen Generationen sprechen, die über das polnische Land gegangen sind und die hier, in Krakau, einen besonderen Ausdruck ihrer polnischen und christlichen Identität hinterlassen haben. Eben deshalb ist dieses Krakau so wertvoll und teuer. Und deshalb muß man sich so sehr darum bemühen, daß seine historische Substanz nicht zerstört wird, in der unsere Nation in besonderem Maße nicht nur ihre Vergangenheit, sondern ganz einfach ihre Identität wiederfindet. Ich sprach davon vor vier Jahren, als wir in Krakau die 900-Jahr-Feier des hl. Stanislaus begingen. Heute will ich auf diese „Firmung der Geschichte“ zurückkehren, die andauert und sich von Generation zu Generation entfaltet. Zu dieser „Firmung“, die für die Polen des Jahres 1983 - für euch, liebe Brüder und Schwestern, meine Landsleute - besondere Bedeutung hat! 3. Ich begrüße und grüße euch aus ganzem Herzen auf diesen Blonie (Auen) wie vor vier Jahren - vor der Perspektive des Wawel und des Skalka, vor der Perspektive des Kosciuszko-Hügels und gewissermaßen auch der Türme der Marienkirche und des Rathauses sowie der Universität. Mein Krakau! Ich begrüße meinen Nachfolger, den Metropoliten und Kardinal von Krakau, und meine Brüder im Bischofsamt: Julian, Jan, Stanislaw, Albin, mit denen mich Jahre gemeinsamen Dienstes in der Erzdiözese Krakau verbinden. Ich grüße und begrüße besonders herzlich die Bischöfe der Kirchenprovinz Krakau, aus Tschenstochau, Katowice (Kattowitz), Kielce und Tamöw. Ich begrüße den Kardinal-Primas von Polen sowie Kardinal Wladyslaw Rubin und alle hier anwesenden Vertreter der Polnischen Bischofskonferenz. Ich begrüße auch sehr herzlich unsere Gäste aus dem Ausland: Kardinal Kröl aus Philadelphia, Kardinal Ballestrero aus Turin, Kardinal Lustiger aus Paris, Kardinal Meisner aus Berlin sowie den mich auf dieser Reise begleitenden Kardinalsstaatssekretär Casaroli. Auch alle Bischöfe, Gäste von außerhalb Polens. Ich begrüße das Metropolitan-Kapitel von Krakau sowie den gesamten Klerus der Erzdiözese: meine Brüder im Priesteramt, zu denen ich durch 533 REISEN Weihe und mit meinem Herzen gehöre - und die Bande dieser Zugehörigkeit fördere und vertiefe ich bewußt in mir. Ich bin mit diesem Geistlichen Seminar verbunden, in dem ich mich auf das Priestertum vorbereitet habe, wie auch mit dieser Theologischen Fakultät, an der ich studiert habe, teilweise in der Zeit des Untergrunds während der Besetzung. Heute begrüße ich besonders herzlich die Päpstliche Theologische Akademie, die in sich das Erbe der Hochschule trägt, die mit dem großen Namen der seligen Königin Jadwiga verbunden ist. Zusammen mit dem Klerus der Erzdiözese Krakau begrüße und grüße ich auch alle Priester sowohl aus der Krakauer Kirchenprovinz wie auch aus ganz Polen. Die Vertreter der männlichen und weiblichen Ordensgemeinschaften beglückwünsche ich in besonderer Weise zum heutigen Tag. 4. Denn ich darf heute einen besonderen päpstlichen Dienst verrichten: Diener Gottes durch Seligsprechung zur Ehre der Altäre erheben. Dies findet normalerweise in Rom statt. Dennoch wurde es schon in früheren Zeiten außerhalb Roms vollzogen. Wir wissen zum Beispiel, daß der hl. Stanislaus in Assisi heiliggesprochen wurde. Ich selbst durfte bereits eine Seligsprechung in Manila, während meines Pastoralbesuchs auf den Philippinen, sowie eine in Spanien, in Sevilla, im November vergangenen Jahres vollziehen. Ich hatte den großen Wunsch, daß meine Pilgerreise in das Vaterland, die mit dem Jubiläum von Jasna Gora im Zusammenhang steht, ebenfalls zu einer besonderen Gelegenheit würde, Diener Gottes zur Ehre der Altäre zu erheben; ihr Weg zur Heiligkeit ist mit diesem Land und mit dieser Nation verbunden, in dem Unsere Liebe Frau von Jasna Göra Königin ist. Ihre Seligsprechung ist ein besonderer Festtag für die Kirche in Polen, für das ganze Gottesvolk, das diese Kirche darstellt. Denn die Kirche soll, nach der Weisung des II. Vatikanischen Konzils ständig alle an die Berufung zur Heiligkeit erinnern, und sie soll ihre Söhne und Töchter zu dieser Heiligkeit führen. Wenn diese Heiligkeit in feierlicher Weise bestätigt wird - auf dem Wege der Seligsprechung und insbesondere der Heiügsprechung -, dann empfindet die Kirche besondere Freude. Dies ist gewissermaßen die größte Freude, die die Kirche auf ihrem irdischen Pilgerweg erfahren kann. Heute also freut sich die Kirche im polnischen Land, indem sie den Ewigen Hirten für das Werk der Heiligkeit ehrt, das es durch den Heiligen Geist in den Dienern Gottes bewirkt hat: in Pater Rafael Kalinowski und in Bruder Albert (Adam) Chmielowski. 534 REISEN An der Freude der heutigen Seligsprechung hat die ganze Kirche in Polen Anteil. In besonderer Weise ist dies die Freude der Ordensfamilie der Karmeliten, und nicht nur der polnischen, einer Gemeinschaft, der Pater Rafael angehörte, sowie der franziskanischen Ordensfamilie, insbesondere der Albertiner-Gemeinschaft, deren Gründer Bruder Albert war. Ich möchte hinzufügen, daß dies auch meine besondere Freude ist, denn diese beiden Gestalten waren mir geistig immer sehr nahe. Stets wiesen sie den Weg zu dieser Heiligkeit, die die Berufung eines jeden in Jesus Christus ist. 5. Der Herr Jesus sagt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe“ ('Joh 15, 9). Hier sind zwei Jünger des göttlichen Meisters, die auf den Wegen ihrer irdischen Pilgerschaft die Liebe Christi voll entdeckt haben - und die in dieser Liebe blieben! Denn Heiligkeit beruht auf Liebe. Sie stützt sich auf das Gebot der Liebe. Christus sagt: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ (ebd. 12). Und er sagt weiter: „Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (ebd. 10). Heiligkeit ist also besonders Ähnlichkeit zu Christus. Sie ist Ähnlichkeit durch die Liebe. Durch die Liebe bleiben wir in Christus, so wie er selber durch die Liebe im Vater bleibt. Liebe ist eine Ähnlichkeit zu Christus, die an das Geheimnis seiner Einheit mit dem Vater im Heiligen Geist rührt: seine Einheit mit dem Vater durch die Liebe. Liebe ist der erste und ewige Inhalt des Gebotes, das vom Vater kommt. Christus sagt, daß er selber dieses Gebot „hält“. Er gibt uns dieses Gebot, in dem der ganze wesentliche Inhalt unserer Ähnlichkeit mit Gott in Christus enthalten ist. Pater Rafael und Bruder Albert erlangten in ihrem Leben die Gipfel der Heiligkeit, die heute die Kirche bestätigt, auf dem Wege der Liebe. Es gibt keinen anderen Weg, der zu diesen Gipfeln führt. Heute sagt Christus zu ihnen: „Ihr seid meine Freunde“ (ebd. 14), „ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (ebd. 15). Dieses „alles“ ist im Gebot der Liebe verdichtet. 6. „Es ist keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (ebd. 13). 535 REISEN Pater Rafael und Bruder Albert begriffen seit frühen Lebensjahren diese Wahrheit, daß Liebe darin besteht, seine Seele zu opfern, daß man - wenn man hebt - sich selber geben muß, ja daß man „sein Leben hingeben“ muß, so wie es Christus zu den Aposteln sagt. Diese Hingabe des Lebens für die Freunde, für die Landsleute, kam im Jahre 1863 auch durch ihre Teilnahme am Aufstand zum Ausdruck. Jozef Kalinowski zählte damals 28 Jahre, er war Ingenieur, er besaß den Offiziersrang in der zaristischen Armee. Adam Chmielowski zählte im gleichen Jahr 17 Jahre, er war Student am Institut für Land- und Forstwirtschaft in Pulawy. Jeder von ihnen war geleitet von heldenhafter Vaterlandsliebe. Für die Teilnahme am Aufstand zahlte Kalinowski mit Sibirien: die Todesstrafe wurde in Sibirien umgewandelt; Chmielowski zahlte mit körperlicher Behinderung. Wir erinnerten an diese beiden Gestalten im Jahr 1963 zum 100. Jahrestag des Januar-Aufstandes, als wir uns vor der Kirche der Unbeschuhten Karmeliten versammelten, wie die dortige Gedenktafel bezeugt. Der Januar-Auf stand war für Jozef Kalinowski und Adam Chmielowski eine Etappe auf dem Weg zur Heiligkeit, die ganzes heroisches Leben ist. 7. Die göttliche Vorsehung führte jeden von ihnen auf seinem eigenen Weg. Bevor Jozef Kalinowski in das Noviziat der Karmeliter eintrat, war er - nach der Rückkehr aus Sibirien - Lehrer von August Czartoryski, einem der ersten Salesianer, der auch Kandidat für die Ehre der Altäre ist. Adam Chmielowski studierte Malerei und widmete sich eine Reihe von Jahren künstlerischer Tätigkeit, bevor er den Weg der Berufung einschlug, die - nach ersten Versuchen im Jesuitenorden - ihn in die Reihen des Dritten Ordens vom hl. Franziskus führte, von wo die Albertiner-Berufung ihren Anfang nahm. Jeder von ihnen verwirklichte auf seinem persönlichen Weg weiterhin jene Worte des Erlösers und Meisters: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben . . . hingibt.“ Pater Rafael gab sein Leben in dem strengen Karmelitenkloster hin, wo er bis zum Ende insbesondere im Beichtstuhl seinen Dienst tat; die Zeitgenossen nannten ihn einen „Märtyrer des Beichtstuhls“. Bruder Albert gab sein Leben hin im Dienst für die Ärmsten und sozial Benachteiligten. Der eine wie der andere gab sein Leben bis zum Ende für Christus. Der eine wie der andere fand in Ihm die Fülle der Erkenntnis, der Liebe und des Dienens. Einer wie der andere konnte mit dem hl. Paulus sagen: „Ich sehe alles als Verlust an, weü die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft. Seinetwegen habe ich alles aufgegeben“ {Phil 3, 81). 536 REISEN Pater Rafael und Bruder Albert zeugen von diesem wunderbaren Geheimnis des Evangeliums von der „Kenosis“: der Selbstentäußerung, die die Tore zur Fülle der Liebe öffnet. Pater Rafael schreibt an seine Schwester: „Gott hat sich ganz für uns hingegeben, wie sollten wir uns nicht Gott weihen?“ (Briefj 1. 7. 1866). Und Bruder Albert bekannte: „Ich schaue auf Jesus in seiner Eucharistie. Hat seine Liebe etwas noch Schöneres ersonnen? Da er Brot ist, wollen auch wir Brot sein . . . Geben wir uns selber hin“ (W. Kluz: „Adam Chmielowski“, S. 199). Auf diese Weise wurde jeder von ihnen „von Christus Jesus ergriffen“ (Phil 3,12). Auf diese Weise gewann jeder von ihnen Christus und fand in ihm . . . Gerechtigkeit, die Gott. . . schenkt und wirkt. . ., in der Hoffnung, von seinem Tod geprägt zu werden . . . zur Auferstehung von den Toten zu gelangen . . . (vgl. ebd. 8.9.10-11). In dieser Hoffnung beendete Pater Rafael sein Leben in den Mauern des Karmelitenklosters in meinem heimischen Wadowice im Jahre 1907, Bruder Albert in seinem Krakauer „Asyl“ im Jahre 1916. An der Schwelle unseres Jahrhunderts, am Vorabend der von Polen wiedererrungenen Unabhängigkeit, vollendeten diese beiden großen Söhne polnischer Erde ihr Leben, denen es gegeben war, den Weg zur Heiligkeit unter ihren Zeitgenossen - und zugleich: für künftige Generationen - zu markieren. Stark sein aus dem Glauben 8. Unser vaterländisches Jubüäum von Jasna Göra traf mit dem Jahr der Erlösung zusammen, und es mündete darin am 25. März dieses Jahres. Das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung lenkt uns alle zu dieser ersten Liebe hin, mit der Gottvater „die Welt so sehr geliebt (hat), daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Von dieser Liebe spricht Christus im heutigen Evangelium: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe.“ Das Jahr der Erlösung ist dafür da, dieses Bleiben in der Liebe der Erlösung besonders zu beleben. Es ist dazu da, daß wir aus dieser Liebe schöpfen - und auf diese Weise die eigene Liebe vertiefen und erneuern, indem wir nach Wegen der Bekehrung und der Versöhnung mit Gott in Jesus Christus suchen. 537 REISEN Dieses besondere Wirken der Kirche im Jahr der Erlösung ist verbunden mit der Wirklichkeit der Gemeinschaft der Heiligen. Denn in ihnen, in den Heiligen, zeigte und zeigt sich ständig die unerschöpfliche Macht von Christi Erlösung. Durch die Macht der Erlösung haben sie selber diese besondere Beteiligung an der Heiligkeit Gottes erlangt, jene Teilhabe, die Ziele und Freude der Kirche ist. Andererseits helfen dieselben Heiligen uns, der Erlösung Christi näherzukommen, sie teilen gewissermaßen mit uns ihre gesegnete Teilhabe an dieser erlösenden Kraft. Das Heilige Jahr bedeutet im Leben der Kirche stets, daß die Mittlerschaft der Heiligen besondere Belebung erfährt. Vor allem die Mittlerschaft der heiligsten Mutter Christi - und aller Heiligen. Deshalb danke ich auch besonders der Heiligen Dreifaltigkeit dafür, daß ich während meiner Pilgerreise nach Polen, die wegen des Jubiläums von Jasna Göra erfolgt, in sichtbarer Weise diesen unseren heimatlichen Kreis der Gemeinschaft der Heiligen gewissermaßen erweitern konnte: — der heilige Maximilian Maria Kolbe, - der selige Rafael Kalinowski, - der selige Albert Chmielowski (Bruder Albert), — die selige Ursula Ledöchowska. 9. „Venimus - vidimus - Deus vicit!“ Wir kamen - wir sahen - Gott hat gesiegt! Hier in Krakau, auf dem Wawel, ruht der König, der diese Worte sprach: Jan III. Sobieski. Ich erinnerte an sie am Anfang meiner Pilgerreise in Warschau. Heute komme ich noch einmal darauf zurück. Ich komme deshalb darauf zurück, weil die Heiligen und Seligen uns den Weg zu diesem Sieg weisen, den Gott in der Geschichte der Menschheit davonträgt. Ich will deshalb noch einmal wiederholen (was ich bereits in Warschau sagte), daß der Mensch in Jesus Christus zum Sieg berufen ist: zu einem solchen Sieg, wie ihn Pater Maximilian und Bruder Albert und Pater Rafael und Mutter Ursula - in historischem Maße - errungen haben. Doch zu einem solchen Sieg ist jeder Mensch berufen. Und berufen ist jeder Pole, der sich in das Beispiel seiner Heiligen und Seligen versenkt. Daß sie zur Ehrö der Altäre in ihrem Heimatland erhoben werden, ist ein Zeichen dieser Macht, die von Christus kommt — vom Guten Hirten. Von dieser Kraft, die mächtiger ist als jede menschliche Schwäche - und als jede noch so schwierige Situation, einschließlich der Gewalt. Ich bitte euch, daß ihr diese Schwächen, Sünden, Fehler und Situationen beim Namen nennt. Daß ihr immerzu mit ihnen ringt. Daß ihr euch nicht 538 REISEN verschlingen laßt von der Woge der Demoralisierung und Gleichgültigkeit, vom Verfall des Geistes. Schaut deshalb immerzu in die Augen des Guten Hirten: „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (Ps 23/22, 4). So lautet der Responsorienpsalm in der heutigen Liturgie. 10. Vor vier Jahren erinnerte ich hier, auf den Blonie Krakowskie (Krakauer Auen), an jene „Firmung der Geschichte“, die verbunden war mit der Tradition des hl. Stanislaus, des Patrons von Polen. Ich will heute jene Worte wiederholen, die ich damals sagte: „Ihr müßt stark sein, liebe Brüder und Schwestern! Stark sein durch jene Kraft, die aus dem Glauben kommt! Ihr müßt stark sein durch eure Glaubenskraft! Ihr mußt treu sein! Mehr als in jeder anderen Epoche bedürft ihr gerade heute dieser Kraft. Ihr müßt stark sein durch die Kraft der Hoffnung, die die vollkommene Freude bringt und nicht zuläßt, daß ihr den Heiligen Geist beleidigt! Ihr müßt stark sein durch die Liebe, die stärker ist als der Tod! Sie,erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand1 - in dieser Liebe, die ,niemals aufhört1 “ (2 Kor 13, 4-8). Durch diesen Glauben, diese Hoffnung und diese Liebe waren sie stark: Maximüian und Rafael; Ursula und Albert — Kinder dieser Nation. Und sie sind dieser Nation als Siegeszeichen gegeben. Denn die Nation als besondere Gemeinschaft von Menschen ist ebenfalls zum Sieg berufen, zum Sieg durch die Kraft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, zum Sieg der Wahrheit, der Freiheit und der Gerechtigkeit. Jesus Christus! Du Hirte der Menschen und der Völker! Im Namen deiner heiligsten Mutter bitte ich dich an ihrem Jubiläum um einen solchen Sieg! Jesus Christus! Du guter Hirt! Ich befehle dir das schwierige Heute und Morgen meiner Nation: Ich empfehle dir meine Zukunft! 11. „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir.“ Du - durch deine Mutter. Der Herr ist mein Hirte . . . Der Herr ist unser Hirte. Amen. 539 REISEN „Ich will Christi Evangelium der Arbeit in eure Hände legen“ Predigt bei der Weihe der Maximilian-Kolbe-Kirche in Nowa Huta-Mistrzejowice am 22. Juni 1. „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2, 19). Ich wiederhole diese Worte aus der ersten Lesung der Liturgie der Kirchweihe aus dem Brief an die Epheser. Teure Brüder und Schwestern! Ihr seid „Hausgenossen Gottes“, denn der Heilige Gott, in der Heiligen Dreifaltigkeit ein Einziger, hat hier unter euch, in Mistrzejowice, sein Haus. Eine Kirche - ein Haus Gottes. Ich freue mich darüber. Ich freue mich darüber, mein lieber Nachfolger auf dem Stuhl des hl. Stanislaus, teure Bischöfe aus der Erzdiözese Krakau und ihr, Bischöfe, unsere werten Gäste. Ich freue mich darüber, lieber Prälat Mikolaj, langjähriger Kanzler und mein Mitarbeiter an der Metropolitankurie und seit mehreren Jahren zweiter Pfarrer in Mistrzejowice, und ihr alle, Priester von Mistrzejowice und Nowa Huta, aus Krakau, aus der Erzdiözese und ihr Nachbarn. 2. Ich freue mich darüber . . . Priester Jözef! Geliebter Priester Jözef! Du erster Pfarrer von Mistrzejowice, du gabst deine Seele hin für diesen Teil der Kirche von Krakau; nun ruhst du schon fast sieben Jahre im Grab: zuerst auf dem Friedhof von Grebalowice und jetzt hier in der Kirche von Mistrzejowice. Möge der auferstandene Christus dir, geliebter Priester Jözef, heute an diesem unserem außerordentlichen österlichen Fest Freude spenden. Wenn wir ein Gotteshaus dem lebendigen Gott weihen, dann treten wir ein in das Pascha-Geheimnis Christi. Denn der gekreuzigte und auferstandene Christus selber ist der Eckstein: „Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn. Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut“ (ebd. 21, 22). Ein solches Bild der zukünftigen Kirche in Mistrzejowice trugst du, teurer Priester Jözef, in deinem Herzen: ein Bild, geformt aus dem lebendigen Glauben. Und mit einem solchen Bild verließest du diese Welt, mit kaum 540 REISEN 39 Lebensjahren: ein bis zum Äußersten erschöpfter Arbeiter Gottes. Du Priester Jesu Christi. 3. Heute weiht euer früherer Bischof und Metropolit von Krakau - und seit 1978 durch unerforschlichen Ratschluß der göttlichen Vorsehung Bischof von Rom - diese Kirche. Er konsekriert sie. Dies geschieht auf meiner Pilgerreise nach Polen. In das Vaterland führt mich das Jubiläum von Jasna Gora, das zusammenhängt mit der 600 Jahre währenden Anwesenheit der Muttergottes in ihrem von allen Polen geliebten Bild. Dies geschieht zugleich im ersten Jahr, nach dem der hl. Maximilian Maria, der Märtyrer von Auschwitz, unser Landsmann, zur Ehre der Altäre erhoben wurde. Es ist deshalb sehr angemessen, daß ich mich im Verlauf dieser Pilgerreise auch in Mistrzejowice einfinde. Diese Kirche, die ich weihe, diese Pfairrei, der sie dienen soll - sie entstanden unter der besonderen Inspiration Pater Maximilians, bald nach seiner Seligsprechung, die, wie wir uns erinnern, im Oktober 1971 erfolgte. Priester Jözef Kurzeja vertraute, als er diese seine schwierige Aufgabe, seine heroische Aufgabe, hier übernahm, von den ersten Tagen an auf den seligen (damals noch seligen) Maximilian. Er vertraute dem, der selber grenzenloses Vertrauen zur Immakulata gehabt hat. Ich erinnere mich an die ersten Anfänge dieses schwierigen, nach menschlichem Ermessen riskanten Werks, Anfänge, die in einem kleinen Katecheseraum und einer ihm angefügten Altarüberdachung bestanden. Ich feierte an diesem Altar 1971 die erste „Hirtenmesse“ in Mistrzejowice. In den kleinen Raum kamen Kinder und Jugendliche zum Religionsunterricht, und am Altar, unter freiem Himmel, versammelten sich — bei sehr unterschiedlichem Wetter - die Pfarrmitglieder aus der sich immer mehr ausdehnenden Siedlung Mistrzejowice. Die Inspiration des hl. Maximilian währte fort. Seine Fürsprache ebnete dem schwierigen Unterfangen den Weg. Dieses Unterfangen schien recht häufig bedroht. Schließlich und endlich jedoch dankten wir den Krakauer Behörden, als sie, in entsprechender Zeit, die Genehmigung zum Bau an der Stelle erteilten, an der wir uns jetzt befinden. 4. Heute ist der Tag der Kirchweihe in Mistrzejowice, in Krakau - Nowa Huta gekommen: es handelt sich um eine Kirche, die dem hl. Maximilian Maria Kolbe geweiht ist, dem ersten unter den polnischen Heiligen, der bereits zu unserem zweiten Jahrtausend zählt. 541 REISEN Heute werden die Mauern dieses modernen Sakralgebäudes geweiht, und der Altar wird mit dem heiligen Chrisam gesalbt. Heute zieht in diesen neuen Sakralraum der Kirche in Mistrzejowice Simon Petrus ein, um das gleiche Bekenntnis abzulegen, das er in der Nähe von Cäsarea Philippi ablegte, als er auf die Frage antwortete: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ {Mt 16, 13). Diese Frage stellte Jesus von Nazaret, und Simon Petrus antwortete: „Du bist der Messias - Christus - der Sohn des lebendigen Gottes“ (ebd. 16). Auf dieses Bekenntnis stützt sich die Kirche wie auf einen Fels. Eben deshalb sagte Jesus von Nazaret zu Simon: „Du bist Petrus (das heißt der Fels), und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {ebd. 18). Auf das Bekenntnis des Simon Petrus stützt sich die ganze Kirche. Die universale Kirche Jesu Christi bekennt, daß er der Sohn des lebendigen Gottes ist. Auf dieses Bekenntnis stützt sich jede Kirche. Auf dieses Bekenntnis stützt sich auch eure Pfarrei in Mistrzejowice, die ein lebendiger Bestandteil der Weltkirche in der Erzdiözese Krakau ist. Was also ist dieses Gotteshaus, das wir heute weihen und konsekrieren? Es ist ein Raum - ein sakraler Raum, in dem unablässig das Bekenntnis des Simon Petrus ertönt, wiederholt von Tausenden von Lippen und Herzen. 5. Heute singt die Luturgie einen feierlichen Psalm, der die Freude und den Glauben des Gottesvolkes widerspiegelt, die Freude und den Glauben der Pfarrei, die über die Schwelle des eigenen Gotteshauses tritt. „Ich freute mich, als man mir sagte: ,Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.1 Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem!“ {Ps 122/121/ 1-2). Ja. Teure Brüder und Schwestern! Ihr tretet über die Schwelle der neuen Kirche. Ihr steht in ihren Toren. Heute in besonders festlicher Weise. Und ihr werdet so hineingehen - das gebe Gott - von Generation zu Generation. Diese Generationen müssen wissen, wie ihr begonnen habt, zu dieser Kirche zu gehen, als sie noch nicht existierte. „Jene, die dem Hergott sichtbare Kirchen bauen“, sagt P. Piotr Skarga, „bauten zuvor eine Kirche des Herzens in sich“ {Predigten II. 369). Es ist notwendig, daß eure Opferbereitschaft und eure Arbeit am Bau dieses Gotteshauses bekannt sind. Daß man sich jener erinnert, die es geplant und vollendet haben. Daß man die zahlreichen Wohltäter, die für dieses Werk gespendet haben, in Erinnerung behält. Es ist notwendig, daß in dieser Erinnerung die Priester ihren Platz haben, die hier von Anfang an, zuerst an der Seite des 542 REISEN verstorbenen Priesters Jözef und danach an der Seite seines Nachfolgers, gewirkt haben. Daß in dieser Erinnerung die Ordensschwestern ihren Platz haben, insbesondere die Mägde der Immakulata. Diese ganze lebendige Geschichte des Gottesvolkes von Mistrzejowice, von Nowa Huta, hat hier ihre Zukunft gebaut. Und sie muß weiter daran bauen. Der heutige Tag ist kein Abschluß, sondern ein Beginn. Das Bekenntnis des Simon Petrus soll hier für jeden und für alle zum Sauerteig des Lebens werden, des göttlichen und gleichzeitig voll und ganz menschlichen Lebens. 6. Nowa Huta schaut auf Alt-Krakau und lernt die Geschichte eines Menschen, der seit Jahrhunderten auf polnischer Erde an den Ufern der Weichsel lebt, eines Menschen, eines Christen, eines Bekenners Christi. Nowa Huta schaut auf das königliche Krakau - und schreibt zu dessen Geschichte ein neues Kapitel. Den zahlreichen Pfarreien Krakaus, die aus den verschiedenen Jahrhunderten und aus den verschiedenen Epochen unseres Jahrhunderts stammen, fügt sich eine weitere an. Jede Pfarrei ist eine Gemeinschaft des Gottesvolkes, in der das Werk der Evangelisation systematisch verwirklicht wird. Durch das Werk der Evangelisierung wird die Sache des Himmelreiches in die Hände der Pfarrmitglieder gelegt. „Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben“ (Mt 16, 19), sagt Christus zu Petrus. Diese „Schlüssel“ erreichen jede Pfarrei - und sie sollen durch die Pfarrei die Tore zum „kommenden Zeitalter“ öffnen. Für die Menschen jeder Generation. Gleichzeitig geht das Werk der Evangelisierung, das in der Pfarrei verwirklicht wird, durch die Herzen lebendiger Menschen. Die Menschen hier in Mistrzejowice, in Nowa Huta, stellen eine neue Generation dar, die im Bereich der Hochöfen herangewachsen ist. Eine Generation, die Tag um Tag in großer und schwerer Industriearbeit heranwächst. Das Weizenkorn des Evangeliums fällt in die Erde dieser Arbeit. Und da das Evangelium eine Frohe Botschaft über die Berufung des Menschen zur höchsten Würde ist: zur Würde der Sohnschaft Gottes, muß das Werk der Evangelisierung in einer Pfarrei von Nowa Huta in besonderer Weise mit der großen Frage nach der Würde der Arbeit verbunden werden. Einer menschlichen und christlichen Würde. Dieser Frage muß auch die St.-Maximilian-Pfarrei dauerhaft dienen. 7. Meine teuren Brüder und Schwestern! Werktätige! Ich möchte euch heute aus tiefem Herzen danken für diese Kirche unter dem Patronat des 543 REISEN hl. Maximilian und für alle Kirchen in Nowa Huta! Sie sind hier vor dem Hintergrund der Hochöfen und Fabrikschlote dank eurem Glauben und eurer christlichen Solidarität erwachsen. Ich will in dieser neuen Kirche von Mistrzejowice, die zu konsekrieren mir heute vergönnt ist, Christi Evangelium der Arbeit in eure Hände legen. Möge es die Frohbotschaft eures Lebens sein. Möge es durch euch zur Frohen Botschaft für die Welt von heute werden. Christus legte das Evangelium in die Hände und Herzen der Fischer vom See Genezareth -und heute muß man es in eure Hände und in eure Herzen legen, damit es „allen Geschöpfen“ (Mk 16, 15) verkündet werde. Damit der Mensch in der Industrie - der Mensch der modernen technischen Zivilisation - sich, seine Würde, seine Rechte in ihm wiederfindet. Damit er dank dem Evangelium „das Leben hat“ - „und es in Fülle hat“ (vgl. Joh 10, 10). Gestattet, daß ich noch Worte anführe, die ich im Juni vergangenen Jahres in Genf vor der Internationalen Organisation der Arbeit äußerte: „Die Verknüpfung zwischen der Arbeit und dem eigentlichen Sinn des menschlichen Daseins ist immer Beweis dafür, daß der Mensch durch die Arbeit nicht entfremdet, daß die Arbeit zum Verbündeten seines Menschseins geworden ist, daß sie ihm hilft, in der Wahrheit und in der Freiheit zu leben: in der Freiheit, die auf der Wahrheit aufbaut und ihm ermöglicht, im ganzen ein menschenwürdiges Leben zu führen“ {Ansprache an die Internationale Konferenz für Arbeit in Genf am 15. 6. 1982, Nr. 7). 8. Zum Schluß möchte ich in diesem Heiligen Jahr der Erlösung über diese eine Pfarrei in Mistrzejowice in Jesus Christus alle Pfarreien in Nowa Huta, in Krakau und im gesamten Polen in Jesus Christus grüßen. Ich möchte ihnen allen wünschen, daß das Werk der Buße und Versöhnung, das in besonderer Weise die diesjährige Zeit des außerordentlichen Jubiläumsjahres ausdrücken soll, sich organisch in ihnen entwickele und reife Früchte trage. Denn sie alle sind „auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst“ {Eph 2, 20). Allen Pfarreien in Nowa Huta, in Krakau und im gesamten Polen erteile ich, durch Mittlerschaft der Mutter der Kirche, den Segen des Friedens und den heiligen Kuß der Liebe. Amen. 544 REISEN „Macht meine Freude vollkommen!“ Ansprache zum Abschluß der Provinzialsynode in Krakau am 22. Juni 1. Gelobt sei Jesus Christus! Mit diesem liturgischen Akt in der Königskathedrale auf dem Wawel wird die Provinzialsynode der Krakauer Kirchenprovinz beendet. Wir befinden uns alle vor den Reliquien des hl. Stanislaus, des Patrons von Polen, denn die Synode wurde in der Zeit des Jubiläums begonnen, das zusammenhing mit dem 900. Jahrestag des Hirtendienstes des Stanislaw von Szcezepa-nöw auf dem Bischofsstuhl in Krakau (1072—79) sowie seines Märtyrertodes (1079). Ich will der göttlichen Vorsehung innigen Dank sagen dafür, daß dieses Werk in der Zeit des Jubiläums von Jasna Göra beendet wurde, das zusammenhängt mit der sechshundertjährigen Anwesenheit der Gottesgebärerin, der Königin Polens, in ihrem vom ganzen Volk geliebten Bild. Ich will diesen Dank um so mehr abstatten, weü ich, obwohl ich die Arbeit in der Provinzialsynode der Krakauer Kirchenprovinz am 16. Oktober 1978 endgültig aufgegeben habe, heute dennoch im Verlauf meiner zweiten Pilgerreise in mein Vaterland, an ihrem Abschluß teilnehmen darf. 2. Wenn ich der göttlichen Vorsehung und zugleich der göttlichen Weisheit danke, dann will ich zugleich euch meinen Dank zum Ausdruck bringen, meine geliebten Brüder im Bischofsamt, die ihr das Werk der Synode der Krakauer Kirchenprovinz nach meinem Weggang fortgesetzt habt und es hier zu einem glücklichen Ende bringt. Dir, Kardinal und Metropolit von Krakau, der du den Stuhl des hl. Stanislaus und das Erbe der Synode nach meinem Weggang übernommen hast. Zugleich euch, ihr bischöflichen Brüder, Julian, Jan, Stanislaus und Albin, die ihr mit dem Kardinal die Mühe des bischöflichen Hirtenamtes teilt und ihm dabei helft, der Kirche von Krakau zu dienen. Dir, Bischof von Katowice (Kattowitz), sowie euch Bischöfen: Jozef, Czeslaw und Janusz, die ihr als Weihbischöfe zusammen mit eurem Ordinarius dem Gottesvolk der Kirche von Kattowitz dient. Dir, Bischof von Tarnöw, sowie euch Bischöfen Piotr, Jozef und Wladys-law, die ihr gemeinsam mit eurem Ordinarius im Weinberg des Herrn, der Kirche von Tarnöw, arbeitet. 545 REISEN Dir, Bischof von Tschenstochau, sowie deinen Brüdern: Tadeusz, Franci-sek, Miloslaw, die in kollegialer bischöflicher Mühe der marianischen Diözese von Tschenstochau dienen. Dir, Bischof Stanislaw aus Kielce, dem Nachfolger des verstorbenen Bischofs Jan, der zusammen mit uns das Werk der Provinzialsynode begann und vom Vater des Lichts im Jahre 1980 abberufen wurde. Auch den Bischöfen Jan und Mieczyslaw, die der Herr zum bischöflichen Dienst für die Kirche von Kielce in Einheit mit dem Ordinarius berufen hat. 3. Indem ich euch, Brüder im Bischofsamt, diesen Dank abstatte, will ich mich gleichzeitig an alle wenden, die mit euch in besonderer Weise beim Werk der Provinzialsynode der Krakauer Kirchenprovinz mitgearbeitet haben. Ich möchte hier wenigstens die Koordinierungskommission und die theologisch-soziologischen Kommissionen, aber auch die Konsultativgruppen der Synode für folgende Fragen erwähnen: Inspiration christologisch-mariologischer Volksfrömmigkeit, Liturgie, Heranbildung zum Priestertum, Leben und Dienst als Priester, Orden in der Seelsorge, Fragen der Pfarreien, Fragen der Katechese, Jugendseelsorge, Ehe und Familie, Laienapostolat, Sonder- und Berufsseelsorge, Massenmedien, Päpstliche Theologische Akademie, Strukturen der Kirchenprovinz. Ich möchte auch unterstreichen, daß neben der Diözesan- und Ordensgeistlichkeit Laien, Spezialisten der verschiedenen Gebiete und im Leben der Kirche stark engagierte Persönlichkeiten, großen Anteil an den Arbeiten der Synode hatten. Euch allen, teure Brüder und Schwestern, will ich heute ein „Vergelt’s Gott“ sagen, und ich bin mir der ersten Etappe dieser großen Arbeit bewußt, die wir gemeinsam begonnen haben, als ich noch in Krakau war. 4. Christus sagt: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn heben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14, 23). Aus der Liebe zu unserem Herrn und um seine Lehre zu bewahren, habt ihr das Werk dieser Synode vollendet. Möge die Frucht dieser Synode sich darin erweisen, daß die Heiligste Dreifaltigkeit noch mehr in den Seelen aller Söhne und Töchter dieser großen Gemeinschaft wohnen wird, welche die Krakauer Kirchenprovinz darstellt. Christus, der durch sein Kreuz und seine Auferstehung die Welt verlassen hat, kommt zu uns im Heiligen Geist, dem Erlöser. Er, der Geist der Wahrheit, wird „uns alles lehren und uns an alles erinnern“ (vgl. ebd. 26). 546 REISEN Mögen der Beschluß der Synode und ihre Hinweise ständig diesem unsichtbaren Wirken des Heiligen Geistes dienen, aus dem der Friede entsteht. Deshalb sagt Christus: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht“ (ebd. 27). 5. Noch einmal sind wir hier in der Königskathedrale auf dem Wawel, bei den Reliquien des hl. Stanislaus und der seligen Königin Jadwiga, versammelt. Hier - wo fast die gesamte Geschichte unserer Nation hineingeschrieben ist in das Geheimnis von Christi Kreuz und Auferstehung. Hier macht ihr, meine hochwürdigsten Brüder im Bischofsamt, sowie ihr alle, teure Brüder und Schwestern, „meine Freude dadurch vollkommen, daß ihr eines Sinnes seid, einander in Liebe verbunden, einmütig und einträchtig“ (Phil2, 2). Mit diesen Worten aus dem Brief des hl. Paulus an die Philipper kann man das ganze Werk der Provinzialsynode bestimmen und charakterisieren: „Macht meine Freude vollkommen!“ Und so nehme ich, Johannes Paul II., dieses Werk aus euren Händen entgegen und nehme es an als Teil dieser Wahrheit und dieses Guten, von dem die Kirche Christi auf der ganzen Welt lebt. Ich nehme dieses Werk an als eines der Geschenke im außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung der Welt. Ich nehme es an in Anwesenheit aller unserer hochwürdigen und werten Gäste: der Kardinäle, der Bischöfe, der Priester von außerhalb der Krakauer Kirchenprovinz, aus ganz Polen. Ich danke ihnen für diese ihre Anwesenheit. Gleichzeitig lege ich - als Pilger des Jubiläums von Jasna Göra in meinem Heimatland - dieses Werk der Synode der von mir geliebten Krakauer Kirchenprovinz in die Hände und an das Herz unserer Mutter und Königin. Möge es der Wahrheit und der Liebe dienen. 547 REISEN „Den verdienten Platz des polnischen Staates“ Ansprache vor dem Abflug von Krakau am 23. Juni 1. Sehr geehrter Herr Professor und Staatsratsvorsitzender, sehr geehrte Herren Vertreter der Staatsmacht! Ich möchte Ihnen, Herr Vorsitzender, für die Worte danken, die Sie im eigenen Namen sowie im Namen der höchsten Behörden der Volksrepublik Polen soeben geäußert haben. Ich danke dafür, daß es mir vergönnt war, in den vergangenen Tagen mein Vaterland zu besuchen, wobei ich an vielen Orten meinen pastoralen Dienst als Bischof von Rom erfüllen konnte. Der Umstand, daß dieser Bischof von Rom Pole ist, macht seine Anwesenheit inmitten der Polen gleichsam besonders notwendig, vor allem in so bedeutsamen Augenblik-ken, wie es das Jubiläum von Jasna Göra ist. Ich möchte beim Abschluß dieses Besuches an die Adresse der Staatsbehörden und auch der ihnen unterstehenden lokalen Behörden in Warschau, in Skierniewice (Niepokalanöw), in Tschenstochau, in Poznan (Posen), in Katowice (Kattowitz), in Wroclaw (Breslau), in Opole (Oppeln), Lesnica (Bergstadt), Göra Swietej Anny (St.-Anna-Berg) und Krakau noch einmal meinen Dank für all das zum Ausdruck bringen, was sie getan haben, damit dieser Besuch in einer Weise stattfinden konnte, der seinem besonderen Charakter entspricht. Ich bin mir bewußt, wie viele Mühe und Anstrengung dafür aufgewandt werden mußten. Worte des Dankes richte ich an die Adresse der verschiedenen Dienste, die über die Ordnung sowie über meine und der Pilger Sicherheit wachten, auch an die Adresse des Flugbereitschaftsdienstes, des Sanitätsdienstes, des Transportes, der Nachrichtenübermittlung, der Massenmedien und anderer. Ich denke in besonderer Weise an alle die Dienste und Personen, die mich auf der Strecke meiner Pilgerreise begleitet haben und begleiten; ich äußere ihnen gegenüber Worte der Anerkennung für die straffe und opferbereite Organisation. Es liegt mir auch sehr daran, daß mein Dank in diesem Augenblick alle Institutionen und Gruppen erreicht, mehr noch -mir liegt daran, daß ausnahmslos jede Person, die an der Durchführung dieses Besuches Anteil hatte, ihren Platz in diesem meinem „herzlichen Dankeschön“ findet. 2. Herr Kardinal-Primas! Ich danke für das soeben im Namen der Bischofskonferenz und der Kirche in Polen geäußerte Schlußwort. Ich 548 REISEN danke Ihnen, Herr Kardinal und Metropolit von Krakau, und allen Vertretern der Bischofskonferenz und der Kirche für ihre Anwesenheit. Ich erachte es als eine besondere Gnade Gottes, als ein besonderes Zeichen der Vorsehung, daß es mir gegeben war, an diesem vaterländischen Jubiläum von Jasna Göra teilzunehmen: daß ich nach sechs Jahrhunderten der Anwesenheit der Gottesgebärerin im Gnadenbild von Jasna Göra zusammen mit euch das polnische „Te Deum laudamus“ singen konnte. Daß ich gemeinsam mit euch Christus, zusammen mit seiner Mutter, in dieses unser Kana in Galiläa für weitere Jahre und Generationen einladen konnte. Daß ich dies tun konnte und mich dabei mit meinen Landsleuten freuen durfte über den ersten polnischen Heiligen des zweiten Jahrtausends - über Maximilian Kolbe - sowie über die neuen Sehgen. Unter der Obhut Unserer Lieben Frau Ich erachte es als ein besonderes Geschenk Unserer Lieben Frau von Jasna Göra, daß es mir vergönnt war, sowohl von Warschau und Niepo-kalanöw aus wie auch von Poznan (Posen), von Wroclav (Breslau) und vom St.-Anna-Berg wie auch schließlich von meinem heimatlichen Krä-kau zu ihrem Heiligtum zu pilgern. Es möge mir erlaubt sein, noch ein weiteres Geschenk des polnischen Landes zu nennen: ich konnte am heutigen Tag die Tatra aus der Nähe sehen und die Luft meiner Jugendzeit atmen. 3. Noch einmal möchte ich wiederholen, was ich im Augenblick der Begrüßung sagte: Auch wenn mein Besuch auf den soeben erwähnten Wegen verlief, war er doch gleichzeitig an das ganze Vaterland und an alle Landsleute gerichtet. Und so wie ich am Ankunftstag besonders jene Städte und jene Gruppen nannte, die sich diesmal nicht auf der Route meiner Pilgerreise befanden, so möchte ich sie auch auf besondere Weise verabschieden, indem ich besonders jenen danke, die sich darum bemüht haben, den Papst in anderer Umgebung zu treffen, und die zu diesem Zweck manchmal viele Kilometer zurücklegen mußten. 4. Während meiner Pilgerfahrt in das Vaterland unterstrich ich viele Male, daß Polen das gemeinsame Wohl der ganzen Nation darstellt und daß alle seine Söhne und Töchter offen sein müssen für dieses Wohl, denn ein solches Wohl verlangt eine ständige und redliche Anstrengung von seiten der ganzen Gesellschaft. Ich wünsche sehr, daß allmählich die sich auftür- 549 REISEN menden Schwierigkeiten überwunden werden, damit die Polen in fruchtbarer Weise ihr Heute und Morgen bauen können. Denn die Nation muß, wie ich in Warschau sagte, aufgrund eigener Kräfte leben und sich entwickeln. Bei der Abreise will ich noch einmal mit Blick und Herz dieses ganze Land umfassen, ich will auf die großen Gebiete polnischer Arbeit schauen und an jeder Arbeitsstätte verweilen, an der großen wie an der kleinen, auf dem Dorf und in der Industrie, an der Arbeitsstätte schöpferischer Tätigkeit - überall, wo ein Mensch arbeitet. Ich will an jeder Arbeitsstätte verweilen. Ich wünsche, daß die ganze, diesem Bereich menschlichen Lebens angemessene moralische Ordnung in diese Arbeit hineingeschrieben wird, damit alle in der Fülle inneren Friedens, unter Sicherung der Rechte und bei Achtung der Würde des Menschen und seiner Arbeit, in wechselseitigem Vertrauen den Sinn dieser grundlegenden Berufung des Menschen, wie es gerade die menschliche Arbeit ist, wiederfinden und vertiefen können. Einen Sinn, der seinerseits stärkstes und wirksames Motiv für die innere Mobilisierung des Menschen ist. Ich wünsche auch, daß unter solchen Bedingungen die Arbeit im Geist sozialer Liebe geleistet wird, von der ich in Katowice (Kattowitz) sprach, damit der Mensch sich in ihr wiederfindet und durch sie anderen sowie dem Wohl des eigenen Landes diene. Ich will, ich wünsche für mein Vaterland, daß das ganze „Evangelium der Arbeit“ in diese polnische Arbeit eingehe. Sowohl jenes, das den Menschen, seine Würde und Rechte schützt, wie auch jenes, das verpflichtet und das eine Sache des Gewissens und des Verantwortungsgefühls ist. Denn Rechte und Pflichten sind eng miteinander verbunden. Persönlich wünsche ich den Staatsbehörden, daß die obengenannten Bedingungen das Gemeinwohl des Vaterlandes schaffen und den verdienten Platz des polnischen Staates - der Volksrepublik Polen - unter den Nationen Europas und der Welt sichern. Beim Abschied von meinen Landsleuten in Krakau, dieser Stadt, die schwierige Stunden des Vaterlandes gesehen hat, aber auch Zeuge von Perioden seiner höchsten Blüte war, wünsche ich, daß das Gute noch einmal - unter der Obhut Unserer Lieben Frau von Jasna Göra - auf polnischem Boden sich mächtiger erweist als das Böse und den Sieg davonträgt. Und darum bete ich ständig. 550 Pilgerreise nach Lourdes (14. und 15. August) REISEN Mit euch allen bin ich Pilger Ansprache an die Pilger bei der Grotte in Lourdes am 14. August Gott sei gepriesen! Ja, Gott sei gepriesen, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, daß er hier für die Bigorre und für die Pyrenäen, für Frankreich und für die ganze Kirche einen solchen Ort des Gebetes geschaffen hat, einen Ort, an dem sich die Gläubigen zusammenfinden, einen Ort der Versöhnung! Gott sei gepriesen, daß er hier zusammen mit der kleinen Quelle von Massabielle eine lebendige Quelle aufsprudeln läßt, aus der der Glaube neue Kraft schöpft, an der Leib und Seele gesunden und der Sinn für die Kirche erstarkt! Gott sei gepriesen, daß er dies — einmal mehr — durch die Jungfrau Maria verwirklicht hat, die die Menschenmengen hierherzieht, um sie zu Christus zu führen, so, wie sie damals Bernadette hierher gezogen hat. Gepriesen sei Unsere Liebe Frau, die uns so viele Gnaden erlangt und die mich nach einem Attentat, aus dem ich errettet wurde, nun hierherkommen ließ, damit auch ich aus der Quelle trinke und die Gläubigen hier versammle, wie es der Sendung des universalen Hirten entspricht, die dem Apostel Petrus anvertraut wurde. Und euch, liebe Brüder und Schwestern, Dank, daß ihr so zahlreich dem Aufruf zur Pilgerfahrt gefolgt seid, Dank für alles, was ihr vorbereitet habt, Dank für euren Empfang! Außer Msgr. Donze, dem lieben hiesigen Ortsbischof, dem ich für seinen herzlichen Willkommensgruß danke, grüße ich den Episkopat Frankreichs und alle Bischöfe aus zahlreichen Ländern, die mit ihnen hier sind. Ich grüße die Priester, die hier einen bevorzugten Ort für ihren Dienst der Glaubenserziehung, des Gebetes und der Versöhnung finden, vor allem die Kapläne, die täglich den Pilgerzügen mit Anregung und Hilfe zu Diensten stehen. Ich grüße die Ordensmänner und Ordensfrauen, alle, die ihr Leben Gott geweiht haben. Ihr Zeugnis der Liebe, mit der sie der ihnen geschenkten Gnade antworten, ist wesentlich in der Kirche! Ich grüße die einzelnen und die Vereinigungen, die sich dem Dienst an den kranken Pilgern an dieser Stätte widmen. Ich grüße alle Gläubigen, die Familienväter und Familienmütter, die alten Menschen, die Kranken und Leidenden, denen an diesem Ort immer Ehre erwiesen werde. Ich grüße die Armen aller Art, die in der marianischen Stadt Lourdes besondere Gastfreundschaft finden sollen, wie es Msgr. Rodhain, der Gründer des Secours Catholique und der Cite Saint-Pierre, so gut verstanden hatte. Ich grüße die Jugend und denke, dabei an die junge 552 REISEN Bernadette, an die sich die hl. Jungfrau mit so viel Güte, Achtung und Vertrauen gewandt hat. Ich grüße alle aus ganzem Herzen, die hierhergekommen sind, um ihren Glauben zu leben oder die auf der Suche nach dem Glauben sind. Mit euch allen habe ich mich zum Pilger gemacht. Auf dieser Erde sind wir in gewisser Weise immer Pilger und Reisende, wie der hl. Petrus sagt (vgl. 1 Petr 2,11). Und ich werde mit euch einen richtigen Pilgertag leben, in aller Einfachheit, mit den Gesten und Äußerungen der Frömmigkeit, die sich hier jeden Tag als wahrhaft dem Evangelium entsprechend, echt kirchlich, den einzelnen und der Menge angepaßt und geistlich fruchtbar erweisen. Ich habe mich mit großem Verlangen nach dieser Pilgerfahrt gesehnt. Möge Gottes Güte mich heute in eurer Mitte reich beschenken. Welche Botschaft, welche Frohe Botschaft soll ich euch heute abend verkünden, um allen unseren Schritten die Richtung zu weisen? Ich möchte einfach sagen: Die sündelose Jungfrau kommt den Sündern zu Hilfe. 1. Die Jungfrau, Unsere Liebe Frau von Lourdes! Morgen werden wir sie in der Herrlichkeit ihrer Aufnahme in den Himmel feiern, mit Leib und Seele dem himmlischen Leben ihres Sohnes verbunden. Die Frau, mit dem Leben Gottes umkleidet wie mit der Sonne und von Sternen gekrönt, um mit den Worten der Apokalypse zu sprechen. Der Bernadette Soubirous erschien sie wohl im strahlenden Glanz dieses Glückes. Aber eher ließ sie noch an das junge Mädchen der Verkündigung denken, jung, immer jung, jünger als die Sünde, wie es einer eurer Schriftsteller, Georges Bernanos, gut darstellt. Sie ließ an das Vorspiel zur Menschwerdung Christi denken, an die Vorbereitung auf sein Kommen durch Taufe und Buße, an den Advent. Und vor allem erinnerte sie an die Gnade ihrer eigenen unbefleckten Empfängnis. Diese Gnade hat sie vor der Erbsünde bewahrt, d. h. vor jenem Getrenntsein von Gott, von dem alle Menschen von Geburt an betroffen sind und das im Herzen eine Neigung zu Argwohn, Mißtrauen, Ungehorsam, Aufruhr und zum Bruch mit Gott zurückläßt, mit ihm, der nie aufgehört hat, die Menschen zu lieben. Diese Gnade hat aus Maria im voraus das Zeichen für die durch Christus erlöste Menschheit gemacht. Die Jungfrau stand sogleich, von Anfang an, in liebender Beziehung zu Gott. 2. Warum wählte sie dieses Aussehen und diesen Namen, um sich hier zu offenbaren? REISEN Sagen wir es frei heraus: Unsere Welt bedarf der Bekehrung. Das trifft übrigens für jedes Zeitalter zu. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zeigte sich diese Notwendigkeit vor allem im Unglauben gewisser wissenschaftlicher Kreise, im Hinblick auf gewisse Philosophien oder im praktischen Leben. Heute ist sogar der Sinn für die Sünde teilweise abhanden gekommen, weil man den Sinn für Gott verliert. Man dachte, einen Humanismus ohne Gott aufzubauen, und der Glaube ist ständig der Gefahr ausgesetzt, für eine Absonderlichkeit von einigen wenigen gehalten zu werden, ohne für das Heil aller eine notwendige Rolle zu spielen. Die Gewissen haben sich verdunkelt, wie nach der ersten Sünde, und unterscheiden nicht mehr das Gute und das Böse. Viele wissen nicht mehr, was die Sünde ist, oder wagen es nicht mehr zu wissen, so, als ob ein solches Wissen ihre Freiheit beeinträchtigen würde. Mit welch bewundernswürdigen Anstrengungen hingegen suchen unsere Zeitgenossen die menschlichen Fähigkeiten auszuweiten, die Gott ihnen gegeben hat, und bessere Lebensbedingungen für sich und für die anderen zu schaffen! Doch schwierig bleibt es, diese Welt vom Elend ihrer Sünde zu überzeugen und vom Heil, das Gott ihr unaufhörlich in der durch die Erlösung erworbenen Versöhnung anbietet. Das gerade ist aber der Schritt, den die Kirche in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung unternimmt. Die Jungfrau ohne Sünde erinnert uns hier an die erste Notwendigkeit; sie sagt zu uns, wie zu Bernadette: Betet für die Sünder; kommt, wascht euch, reinigt euch, schöpft ein neues Leben! „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Diesen allerersten Worten Jesu im Evangelium (Mk 1, 15) gibt sie eine neue Aktualität. Nur der Stolz wäre ein Hindernis 3. Denn wenn Maria sich auch als Feind des Satans, als Gegensatz zur Sünde vorstellt, zeigt sie sich hier doch als Freundin der Sünder, wie Christus, der mitten unter ihnen zu Tisch saß und lebte, er, der „Heilige Gottes“. Das ist die Frohe Botschaft, die sie dieser Welt, jedem von uns, aufs neue verkündete. Es ist möglich, es ist wohltuend, es ist belebend, den Weg zu Gott zu finden, ihn wiederzufinden. Ja, es ist möglich, sich der Sünde bewußt zu werden und gleichzeitig auch der erbarmenden Liebe Gottes oder besser: Durch seine Gnade ist es möglich, denn er ist es, der das Herz des Sünders umwandelt, es hell und bußfertig macht. Das ist nicht demütigend, nicht verletzend, es ist befreiend. Nur der Stolz wäre ein Hindernis. Und Bernadette denkt während ihres ganzen Lebens daran, daß Maria in ihrem Magnificat 554 REISEN ausgerufen hatte: „Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut . . . und erhöht die Niedrigen“ (Lk 1, 48. 52). Es könnte den Anschein haben, als ob heute die inneren und äußeren Hindernisse für die Bekehrung unübersteigbar seien. Aber bei Gott ist alles möglich. Es handelt sich um ein Geschenk Gottes, und das erbitten wir. Es geht damit wie mit der Quelle, die unter den Händen Bernadettes unvorhergesehen aufsprang und nicht mehr aufhört zu fließen. Man muß sich darin waschen. „Wären eure Sünden auch rot wie Scharlach, sie sollen weiß werden wie Schnee“ ( Jes 1, 18). Und man muß sich durch Demut, Gesten der Buße, Gebet und Bitte um Vergebung dazu bereitmachen: anders geht es nicht. So haben es die Propheten verkündigt, die Christus vorausgingen, vor allem Johannes, der Täufer; so hat Christus selbst es bestätigt, so wiederholen es die Kirche und Maria, die uns seine Botschaft bringen, und Bernadette, die sie uns so einfach, so treu wiedergibt. Dieser Weg der Bekehrung und Buße steht auch in besonderem Einklang mit diesem Heiligen Jahr, in dem wir das Jubiläum der Erlösung feiern. Christus ist gestorben und auferstanden, um uns aus dem Zustand des Sünders herauszureißen und uns neues Leben mitzuteilen. Dadurch hat er dem Menschen Gott wiedergegeben und Gott den Menschen. Lourdes ist ein Ort, wo man zweifellos besser als anderswo diese Erlösung begreift und wo Millionen Pilger dieses Jubiläum leben. Sehr bald wird übrigens in Rom die Bischofssynode stattfinden, die ich zum Thema Versöhnung und Buße einberufen habe und die augenblicklich in den Diözesen vorbereitet wird. In meinen Augen ist sie ein Ereignis von größter Bedeutung. Und ich komme nach Lourdes, um zu beten, daß die Synode gut verlaufe und in der ganzen Kirche viele Früchte bringe. Ich vertraue diese Intention Maria, der Unbefleckten Empfängnis, an. Und ich vertraue sie auch eurem Gebet an. 4. Jetzt, Brüder und Schwestern, bereiten wir unsere Herzen für die Begegnung mit dem Herrn, wozu Maria uns einlädt. Bereiten wir uns für das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel! Und danken wir Gott für die Gnade, die er uns an diesem Ort schenkt. Seit mehr als einem Jahrhundert - ist es nicht gerade hundert Jahre her, daß der Grundstein zur alten Basilika gelegt wurde? - hat die ganze Welt die Augen auf Lourdes gerichtet. Sicher, jedes Land hat seine berühmten Heiligtümer, in denen die Gegenwart Mariens besonders geehrt und angerufen wird. Ich habe als Pilger schon eine ganze Anzahl besucht, denn ich bin überzeugt, daß die Kirche aus diesen Quellen schöpfen muß: Ich denke natürlich an Tschenstochau, aber auch an Guadalupe, an Ephesus, an Fatima, an 555 REISEN Knoch in Irland, an Aparecida in Brasilien, an Montserrat und Saragossa in Spanien, an Loreto und Pompei in Italien. Es scheint mir aber, daß es in Lourdes eine besondere Gnade gibt. Die Botschaft ist nüchtern und klar, aber grundlegend. Sie wurde in besonders kraftvoller, reiner und transparenter Weise von einem jungen Mädchen mit klarer und mutiger Seele übermittelt. Die Zeichen sind einfach: der Wind, der an den Geist des Pfingstfestes erinnert, das Wasser der Reinigung und des Lebens, das Licht, das Kreuzzeichen, das Rosenkranzgebet. Von Anfang an wurden die Christen eingeladen, in Scharen hierher zu kommen, als Kirche. Und in der Tat, so ist es, hier Übewand man ganz natürlich Menschenfurcht und falsche Scheu, die zu oft die Bekehrung und den religiösen Ausdruck blockieren. Hier betet man, betet gern, läßt sich gern mit Gott versöhnen, verehrt gern die Eucharistie, gibt den Armen, den Kranken einen Ehrenplatz. Es ist ein außerordentlicher Gnadenort. Gott sei gelobt. Loben wir ihn mit den Worten Mariens: „Magnificat anima mea Dominum!“ „Meine Seele preist die Größe des Herrn! Er denkt an sein Erbarmen.“ Hören wir dem Herrn zu uns sagen: „Ich liebe dich, ich habe nie aufgehört, dich zu lieben.“ Hören wir, wie er uns, so wie dem Petrus die immer grundlegende Frage stellt: „Liebst du? Liebst du mich?“ Ohne ihn, ohne seine Gegenwart wären wir unfähig zu antworten. Aber der Heilige Geist kann in uns die Liebe und den Glauben beleben: Nehmen wir den Geist auf, der in Fülle auf Maria herabkam: „Der Mächtige hat Großes an mir getan! Magnificat anima mea Dominum.“ „Alle Verfolgten möchte ich mit dem Herzen der Kirche umarmen“ Betrachtung beim Abschluß des Fackelzuges vor der Basilika in Lourdes am 14. August 1. In dieser friedlichen Nacht wachen wir. Wir wachen in der Erwartung, Mariens Verherrlichung zu feiern. Wir beten, aber nicht jeder still für sich, sondern als zahlreiches Volk, das dem auferstandenen Christus nachfolgt; wir helfen einander, klarer zu sehen; wir ermutigen einander, indem wir uns auf den Glauben an Jesus Christus stützen, auf sein Wort, das unsere Herzen erhellt. Jesus hat uns gesagt: „Laßt eure Lampen 556 REISEN brennen!“ (Lk 12, 35): die Lampen des Glaubens und des Gebetes! Mögen sich eure Gebete vereinen, um wie die Flammen eurer Kerzen zu Gott emporzusteigen, um mit Maria aus ganzem Herzen zu danken und auch um gemeinsam ein großes Bittgebet an ihn zu richten. Jeder kommt mit seinen persönlichen Anliegen hierher, betet für sein Heil, für seine Familie und sein Land. Das ist gut. An diesem Abend vereinen wir all diese Anliegen, um sie durch Maria unserem himmlischen Vater anzuvertrauen. Wir schließen aber auch die Anliegen der ganzen Welt und der gesamten Kirche mit ein und suchen das, was dem Willen Gottes und nicht nur dem unseren entspricht. Ja, für die ganze Welt wollen wir beten! Sie alle sollen in unser Gebet aufgenommen werden, jene Männer und Frauen, die in irgendeinem Teil der Welt vom Hunger, von den Verwüstungen des Krieges und von der Vertreibung bedrängt sind; die Opfer des Terrorismus, des politischen oder auch nicht, sind, der gewissenlos Unschuldige trifft; die Opfer des Hasses, aller Unterdrückungen und Ungerechtigkeiten, des Menschenraubes, der Folterung und der ungerechten Verurteilung. Wir wollen für alle jene beten, die unerträglichen Angriffen auf ihre Menschenwürde ausgesetzt sind, für die, deren berechtigte Freiheit Einschränkungen erleidet und schließlich für jene, deren gerechtfertigte nationale Bestrebungen unterdrückt werden. Möge sich die Haltung der Verantwortlichen ändern und mögen die Opfer Trost und Stärkung erfahren! Denken wir auch an das moralische Elend derer, die in Korruption verschiedener Art verstrickt sind. Beten wir schließlich für alle jene, die in ihrer Lage als Auswanderer, Arbeitslose, Kranke, Leidende und Vereinsamte ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Christus, der Sohn Gottes, leidet in ihnen. Ich will hier diese Aufzählung menschlichen Elends nicht fortsetzen, weil ich ja oft Gelegenheit habe, davon zu sprechen. Als Christen liegt uns im Gebet auch die Weltkirche mit ihren spirituellen Anliegen am Herzen; wir kennen diese Anliegen, und ich komme auch oft darauf zurück; die Bekehrung, die Weitergabe des Glaubens, die Ausstrahlungskraft der christlichen Familien ... Es gibt jedoch ein spirituelles Elend, das besonders sichtbar ist und auf das wir jetzt unser Gebet konzentrieren möchten: das Elend jener Menschen, die für ihren Glauben leiden. Wir, die wir hier ohne jede Behinderung unseren Glauben zum Ausdruck bringen und beten können, wir müssen uns davor hüten, diese Brüder und Schwestern zu vergessen! Und das vor allem an diesem Wallfahrtsort Lourdes, auf den, seit die Gottesmutter hier die Hoffnung aufleuchten ließ, die Bücke der Christen in aller Welt gerichtet sind! Als 557 REISEN Papst bin ich um alle Ortskirchen besorgt und lade euch daher ein, mit mir dieses Geheimnis der Verfolgung der Gläubigen zu betrachten; wir wollen das tun, indem wir mit Maria die Worte Jesu aufgreifen. 2. „Wohl euch, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5, 11—12). Diese Seligpreisung — die letzte der acht im Evangelium des Matthäus -will ich hier in Lourdes vor dir ausrufen, vor dir, Mutter Christi und Mutter der Kirche. Gleichzeitig möchte ich in deiner Gegenwart alle versammeln, die in den verschiedenen Teilen der Welt „um Christi willen“ Verfolgungen erleiden, alle, die „um meines Namens willen mißachtet werden“ (vgl. Mk 13, 13). 3. Christus hat wiederholt von der Verfolgung seiner Jünger gesprochen. Er verheimlichte ihnen nicht, daß die Verfolgung der Preis des Zeugnisses (vgl. Lk 21, 13) sein würde, das sie vor den Menschen zu geben haben. Wir wollen in dieser Stunde einige Worte des göttlichen Meisters auf greifen, die ein echtes Evangelium der Verfolgung enthalten: „Man wird euch um meinetwillen vor die Gerichte bringen, in den Synagogen mißhandeln und vor Statthalter und Könige stellen, damit ihr vor ihnen Zeugnis ablegt. . . Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet“ {Mk 13, 9-13). Daneben heißt es jedoch: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können“ {Mt 10, 28). So können wir in den Evangelien nach Markus und Matthäus lesen. Das Lukas-Evangelium wieder, das von jenen Menschen gesprochen hat die um des Menschensohnes willen (vgl. Lk 6, 22-23) gehaßt, verstoßen und beschimpft werden, betont: „Wenn man euch vor die Gerichte und Synagogen und vor die Herrscher und Machthaber schleppt, dann macht euch keine Sorgen, wie ihr euch verteidigen oder was ihr sagen sollt. Denn der heilige Geist wird euch in der gleichen Stunde eingeben, was ihr sagen müßt“ {Lk 12, 11-12). 4. Im Johannes-Evangelium liest man ferner: „Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat. . . Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt. . . Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen . . . Das alles werden sie euch um meines Namens willen antun, denn sie kennen 558 REISEN den nicht, der mich gesandt hat“ (Joh 15, 18-21). „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt“ (Joh 16, 33). 5. Christus hat also seine Jünger auf die Verfolgung vorbereitet. Tatsächlich hatten sie Verfolgungen zu erleiden, seit sie begonnen hatten, die ihnen anvertraute Mission zu erfüllen. Schon in Jerusalem waren die Apostel und die, die sich zu Christus bekannten, Verfolgungen ausgesetzt. Die ersten drei Jahrhunderte waren im römischen Reich eine Zeit der Verfolgungen, deren erste in Rom zur Zeit Neros, in den sechziger Jahren, ausbrach. Zu den Opfern dieser Verfolgung zählten die Apostel Petrus und Paulus. Diese blutigen Verfolgungen wiederholten sich regelmäßig bis ins vierte Jahrhundert. Die Kirche ist aus dem Kreuz Christi geboren und inmitten der Verfolgungen gewachsen. Das war im römischen Altertum der Fall. Aber auch später. Im Laufe der Jahrhunderte brachen an verschiedenen Orten Kirchenverfolgungen aus, und viele, die an Christus glaubten, gaben ihr Leben für den Glauben hin und waren schlimmsten Verfolgungen ausgesetzt. Das Martyrologium der Kirche wurde im Laufe der Jahrhunderte geschrieben. 6. Heute, am Tag meiner Pilgerfahrt nach Lourdes, möchte ich im Gedanken und mit dem Herzen der Kirche alle jene umarmen, die in unserer Zeit Verfolgungen erleiden. Ich möchte sie alle durch das Herz der Kirche umarmen, mit dem mütterlichen Herzen der Gottesmutter, die die Kirche als ihre Mutter und als Königin der Märtyrer verehrt. Die Glaubensverfolgungen sind manchmal denen ähnlich, die das Martyrologium der Kirche schon in vergangenen Jahrhunderten beschrieben hat. Sie nehmen verschiedene Formen der Diskriminierung der Gläubigen und der ganzen kirchlichen Gemeinschaft an. Diese Diskriminierungen werden manchmal gleichzeitig mit der Verkündigung der Religions- und Gewissensfreiheit angewandt, und zwar sowohl in der Gesetzgebung einzelner Staaten als auch in internationalen Dokumenten. 7. Muß das noch genauer erklärt werden? In den Verfolgungen der ersten Jahrhunderte kannte man als Strafen für gewöhnlich den Tod, die Vertreibung und das Exil. Heute sind zum Gefängnis, zum Konzentrationslager, zur Zwangsarbeit und zur Vertreibung aus der Heimat weniger sichtbare, aber einschnei- 559 REISEN dendere Strafen hinzugekommen: nicht der blutige Tod, sondern eine Art zivilen Todes; nicht nur die Absonderung in einem Gefängnis oder einem Konzentrationslager, sondern die ständige Einschränkung der persönlichen Freiheit oder die soziale Diskriminierung. Es gibt heute Hunderttausende von Glaubenszeugen, welche die von verschiedensten Ereignissen in Anspruch genommene öffentliche Meinung oft ignoriert; sie sind oft nur Gott bekannt. Sie ertragen in den verschiedenen Gebieten der einzelnen Erdteile tägliche Entbehrungen. Es handelt sich dabei um Gläubige, die gezwungen sind, heimlich zusammenzukommen, weil ihre Gemeinde nicht zugelassen ist. Es handelt sich um Bischöfe, Priester und Ordensmänner, denen die Ausübung ihres heiligen Amtes in Kirchen oder öffentlichen Versammlungen verwehrt ist. Es handelt sich um zerstreut lebende Ordensfrauen, die nicht ihr gottgeweihtes Leben führen können. Es handelt sich um hochherzige Jugendliche, die am Eintritt in ein Priesterseminar oder in ein Noviziat und somit an der Verwirklichung ihrer Berufung gehindert werden. Es handelt sich um Mädchen, denen die Möglichkeit fehlt, sich in einer Form gemeinschaftlichen Lebens Gott zu weihen und dem Gebet und der Nächstenliebe hinzugeben. Es handelt sich um Eltern, denen es verwehrt wird, ihren Kindern, eine ihrem Glauben entsprechende Erziehung zuteü werden zu lassen. Es handelt sich um Arbeiter und Arbeiterinnen, um Intellektuelle oder Angehörige anderer Berufszweige, die, nur weil sie ihren Glauben bekennen, riskieren, in ihrer Laufbahn oder ihren Studien behindert zu werden. Ihr Zeugnis reiht sich dem schmerzlichen der Häftlinge, Internierten und Verbannten an, die es nicht nur unter den Katholiken und anderen Christen, sondern auch unter anderen Gläubigen gibt (vgl. Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 17). Sie alle stellen gleichsam einen Lobeshymnus dar, der ständig aus dem Heiligtum ihres Gewissens zu Gott emporsteigt und als geistliches Opfer sicher mit Wohlgefallen bei ihm Aufnahme findet. Die für den Namen Christi leiden 8. All das darf uns nicht die anderen Schwierigkeiten vergessen lassen, die ein Leben nach dem Glauben mit sich bringt. Diese Schwierigkeiten haben nicht nur in einer äußeren Begrenzung der Freiheit, in dem von Menschen, Gesetzen oder Regimen ausgeübten Zwang ihren Ursprung. 560 REISEN Sie lassen sich auch von Gewohnheiten oder geistigen Strömungen herleiten, die im Gegensatz zu den vom Evangelium geforderten Sitten stehen und auf die ganze Gesellschaft starken Einfluß ausüben; darüber hinaus kann es sich um ein materialistisches oder religiös gleichgültiges Klima handeln, in dem die geistlichen Bestrebungen ersticken, oder um eine hinfällige und individualistische Auffassung von Freiheit, die die Möglichkeit, sich für irgend etwas zu entscheiden, was die Leidenschaften befriedigt, mit dem Bestreben zusammenwirft, so gut als möglich die menschliche Berufung, die Werte des Geistes und das Gemeinwohl zu verwirklichen. Eine solche Freiheit kann nicht die Grundlage der menschlichen Würde sein und fördert auch nicht den christlichen Glauben (vgl. Re-demptor hominis, Nr. 27). Die Glaubenden, die in einer solchen Umgebung leben, brauchen viel Mut, um ihren klaren Blick und ihre Treue zu bewahren und sich ihrer Freiheit auf die rechte Weise zu bedienen. Auch für sie muß man beten. Fürchtet euch - sagt Jesus - vor denen, die die Seele ins Verderben stürzen können (vgl. Mt 10, 28). 9. In allen Epochen ihrer Geschichte hat die Kirche jene Menschen mit besonderer Aufmerksamkeit und Liebe umgeben, die „für den Namen Christi“ leiden. Lasset uns für alle beten, die, wo auch immer, Verfolgungen irgendwelcher Art erleiden. Wir haben an die Worte Christi erinnert. Mögen diese Brüder und Schwestern den Sinn ihres Leidens finden und auch die Kraft, es zu ertragen! Möge der Heilige Geist mit ihnen sein, er, der die Herzen dieser Bekenner erleuchtet und ihnen heroische Kraft verleiht. In einem gewissen Sinn sind sie es, die in den Augen Gottes wie zahlreiche, über die ganze Erde verstreute Lichter leuchten und auf geheimnisvolle Weise der Kirche Lebenskraft schenken. Mögen sie alle den inneren Frieden und einen wahrhaft christlichen Geist bewahren! Möge der Herr ihnen die Gnade verleihen, ihren Verfolgern zu verzeihen und ihre Feinde lieben zu können! O Mutter Christi, die du zu Füßen des Kreuzes deines Sohnes stehst, sei allen jenen nahe, die heute in der Welt Verfolgungen ausgesetzt sind! Möge deine mütterliche Gegenwart ihnen helfen, die Leiden zu ertragen und im Kreuz siegreich zu sein! 561 REISEN Maria - die erste der Erlösten Predigt während der Messe in Lourdes am 15. August 1. „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb 12, 1). Zu diesem Zeichen hin haben wir heute unsere Pilgerfahrt gemacht. Wir feiern das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Darin erreicht dieses Zeichen seine volle Bedeutung. Eine Frau, bekleidet mit der Sonne der unerforschlichen Gottheit, mit der Sonne der unbegreiflichen Dreieinigkeit. „Voll der Gnade“: Sie ist ganz erfüllt vom Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Sie schenken sich ihr als einziger Gott — der Gott der Schöpfung und der Offenbarung, der Gott des Bundes und der Erlösung, der Gott des Anfangs und des Endes: Alpha und Omega. Der Gott, der die Wahrheit ist. Der Gott, der die Liebe und die Gnade ist, der heilige Gott. Eine Frau, bekleidet mit der Sonne. Wir pilgern heute zu diesem Zeichen. Es ist das Zeichen der Aufnahme in den Himmel, die sich über der Erde vollendet, aber zugleich von der Erde ihren Ausgang nimmt. Von dieser Erde, in die das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis wie ein veredelndes Reis eingepflanzt wurde. Heute begegnen sich beide Mysterien: die Aufnahme in den Himmel und die Unbefleckte Empfängnis. Heute zeigt sich ihre gegenseitige Ergänzung. Heute, zum Fest der Aufnahme in den Himmel, wallfahren wir nach Lourdes, wo Maria zu Bernadette sagte: „Ich bin die ohne Erbschuld Empfangene“ (Que soy era Immaculada Councepciou). 2. Wir sind hierhergekommen zum Anlaß des außerordentlichen Jubeljahres, des Jahres der Erlösung. Wir wollen dieses Jubiläum mit Maria feiern. Lourdes ist dafür der geeignete Ort. Hier sprach damals „die schöne Frau“ mit einem einfachen Mädchen von Lourdes, Bernadette Soubirous, sie betete mit ihr den Rosenkranz, und gab ihr bestimmte Aufträge. Wenn wir nach Lourdes kommen, wollen wir von neuem diese außerordentliche Nähe spüren, die nie zu bestehen aufhörte, ja sich noch verstärkt hat. Die Nähe Mariens ist wie die Seele dieses Heiligtums. Wir wallfahren nach Lourdes, um der Mutter Gottes nahe zu sein. Wir wallfahren nach Lourdes, um dem Geheimnis der Erlösung näherzukommen. Niemand 562 REISEN wurde tiefer als Maria in das Erlösungsgeheimnis hineingenommen. Und nur sie kann uns diesem Mysterium näherbringen. Sie selbst ist im Kern des Geheimnisses. Möge im Jahr des außerordentlichen Jubiläums das Herz des Erlösungsgeheimnisses stärker in uns schlagen! Weil dies unser Wunsch ist, kommen wir hier zusammen. Wir sind in Lourdes zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, an dem die Kirche Mariens endgültige Geburt in der Herrlichkeit des Himmels verkündet. Wir wollen — vor allem durch die Liturgiefeier — an diesem strahlenden Glück teilhaben. Durch die Herrlichkeit ihrer Aufnahme in den Himmel wollen wir zugleich auch die glückliche Stunde ihrer Geburt auf Erden verehren. Das Jahr der Erlösung 1983 wendet unsere Gedanken und unser Herz diesem beglückenden Ereignis zu. Am Kernpunkt der Erlösung 3. Zunächst aber gedenken wir heute der Geburt für den Himmel, der Aufnahme in den Himmel. Die Liturgie zeigt uns die Aufnahme Mariens in den Himmel unter drei Aspekten. Der erste ist die Heimsuchung im Haus des Zacharias. Elisabeth sagt: „Gesegnet bist du, mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes . . . Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1, 42.45). Maria hat den an sie gerichteten Worten geglaubt — sie hat das Wort des Herrn aufgenommen, das Wort, das in ihr Fleisch geworden und die Frucht ihres Leibes ist. Die Erlösung der Welt wurde auf dem Glauben der Mutter Gottes begründet, sie ist eng gebunden an ihr „fiat“ im Augenblick der Verkündigung. Aber ihre Verwirklichung begann mit der Tatsache, daß „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1, 14). Bei der Heimsuchung sagt Maria auf der Schwelle des gastfreundlichen Hauses von Zacharias und Elisabeth ein Wort, das den Beginn des Erlösungsgeheimnisses betraf. Sie sagt: „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1, 49). Dieser Satz aus dem Kontext der Heimsuchung fügt sich in der heutigen Liturgiefeier in den Kontext der Aufnahme in den Himmel. Das Magnificat, bei der Heimsuchung gesprochen, wird in der heutigen Liturgie zum Lobgesang der Aufnahme Mariens in den Himmel. Die Jungfrau von Nazaret betet diese Worte damals, als der Sohn Gottes durch sie auf Erden geboren werden sollte. Mit welcher Inbrunst muß sie sie wiederholt haben, als sie durch ihren Sohn selbst in den Himmel auf genommen wurde! 563 REISEN 4. Die Liturgie dieses feierlichen Tages erhellt uns den zweiten Aspekt der Aufnahme in den Himmel durch die Worte des hl. Paulus in seinem Brief an die Korinther. Die Aufnahme der Mutter Gottes in den.Himmel ist ein Teil des Sieges über den Tod, dieses Sieges, der in der Auferstehung Christi seinen Anfang nahm: „Nun aber ist Christus von den Toten auf erweckt worden als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15, 20). „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15, 20). Die von Christus vohbrachte Erlösung wird als Erbe weitergegeben: „So werden in Christus alle lebendig gemacht werden. Es gibt aber eine bestimmte Reihenfolge: Erster ist Christus; dann folgen, wenn Christus kommt, alle, die zu ihm gehören“ (2 Kor 15, 22-23). Und wer gehört mehr zu Christus als seine Mutter? Wer wurde mehr als sie durch ihn erlöst? Wer stand in engerer Mitwirkung bei seinem Erlösungswerk als sie durch ihr „fiat“ bei der Verkündigung und durch ihr „fiat“ am Fuße des Kreuzes? So findet sich also im Kernpunkt der Erlösung, die durch das Kreuz auf Kalvaria vollbracht wurde, in der Kraft der Erlösung, die sich in der Auferstehung offenbarte, die Quelle des Sieges über den Tod, welchen die Mutter des Erlösers an sich erfuhr, das heißt ihre Aufnahme in den Himmel. Das ist der zweite Aspekt der Aufnahme in den Himmel, den die Liturgie uns heute bietet. Aus der Geschichte des Kosmos wird das Reich Gottes 5. Den dritten Aspekt finden wir in den Worten des Antwortpsalms. Er drückt es in poetischer Sprache aus: Die Tochter des Königs, bekleidet mit kostbaren Stoffen, tritt ein, um ihren Platz an der Seite des Königsthrons einzunehmen: „Dein Thron, du Göttlicher, steht für immer und ewig; das Zepter deiner Herrschaft ist ein gerechtes Zepter“ (Ps 44, 45, 7). In der Erlösung erneuert sich das Reich Gottes, das mit der Erschaffung begann, aber dann im Herzen des Menschen durch die Sünde schweren Schaden litt. Maria, die Mutter des Erlösers, ist die erste, die an diesem Reich der Herrlichkeit und der Einheit mit Gott in der Ewigkeit teilhat. Ihre Geburt im Himmel ist der endgültige Beginn der Herrlichkeit, die den Söhnen und Töchtern dieser Erde in Gott selbst, kraft der Erlösung Christi, zuteil werden soll. Ja, die Erlösung ist das Fundament für die Umwandlung der Geschichte des Kosmos in das Reich Gottes. Maria ist die erste der Erlösten. In ihr hat schon die Verwandlung der Weltgeschichte in das Reich Gottes begonnen. Das bringt das Geheimnis ihrer 564 REISEN Aufnahme in den Himmel zum Ausdruck, ihre Geburt im Himmel, mit Leib und Seele. 6. Durch die Aufnahme der Mutter Gottes in den Himmel - durch ihre Geburt im Himmel - wollen wir auch die glückliche Stunde ihrer Geburt auf Erden verehren. Viele stellen sich die Frage: Wann wurde sie geboren? Wann ist sie in die Welt gekommen? Besonders jetzt, da das Jahr 2000 nach der Geburt Christi sich nähert, stellen sich viele diese Frage. Die Geburt der Mutter liegt natürlich zeitlich vor der Geburt ihres Sohnes. Wäre es deshalb nicht angemessen, zunächst das Jahr 2000 nach der Geburt Mariens zu feiern? Die Kirche bezieht sich, wenn sie Jahrestage und Jubiläen feiert, auf die Geschichte und auf die historischen Daten und achtet dabei die Exaktheit der wissenschaftlichen Forschung. Der gültige Rhythmus der Jahrestage und Jubiläen wird jedoch durch die Heilsgeschichte bestimmt. Es liegt uns vor allem daran, uns auf die Ereignisse selbst zu beziehen, die das Heil gebracht haben, und nicht nur mit historischer Genauigkeit den Zeitpunkt dieser Ereignisse zu respektieren. In diesem Sinne nehmen wir an, daß das Jubiläum der Erlösung in diesem Jahr sich - nach 1950 Jahren - auf das Ereignis des Kalvarienberges bezieht, das heißt auf den Tod und die Auferstehung Christi. Die ganze Aufmerksamkeit der Kirche konzentriert sich vor allem auf das Heilsgeschehen und nicht auf das bloße historische Datum. Gleichzeitig unterstreichen wir immer wieder, daß das außerordentliche Jubeljahr heute die Kirche auf das große Zweitausend-Jahr-Jubiläum, das Jahr 2000, vorbereitet. Unter diesem Aspekt nimmt unser Jahr der Erlösung den Charakter eines Advents an: Es führt uns hinein in die Erwartung des Jubiläums, das uns an das Kommen des Herrn erinnert. Nun ist aber der Advent ganz besonders die Zeit Mariens. In ihr erreicht die Erwartung der ganzen Menschheit, die sich auf das Kommen Christi richtet, ihren Höhepunkt. Sie führt diese Erwartung zur Vollendung: die Fülle des Advent. Mit dem Jubiläum der Erlösung in diesem Jahr wollen wir in eine solche Zeit des Advents eintreten. Wir möchten teilhaben an der Erwartung Mariens, der Jungfrau von Nazaret. Wir wünschen, daß in diesem Jubeljahr des Heils, das wie ein Advent ist, auch ihr eigenes Kommen, ihre Geburt auf Erden uns vor Augen steht. Ja: die Ankunft Mariens in dieser Welt ist der Beginn des Heils-Advents. Darum unternehmen wir die Wallfahrt nach Lourdes: nicht nur, um die Geburt Mariens im Himmel zu preisen — durch die Feier ihrer Aufnahme 565 REISEN in den Himmel, sondern auch, um der glücklichen Stunde ihrer Geburt auf Erden in Verehrung zu gedenken. Wir pilgern nach Lourdes, wo Maria („die schöne Frau“) zu Bernadette gesagt hat: „Ich bin die ohne Erbschuld Empfangene.“ Mit diesen Worten hat sie dem Geheimnis ihrer irdischen Geburt Ausdruck verliehen als einem Heilsgeschen, das eng verbunden ist mit der Erlösung und mit dem Advent. 7. Schöne Frau! O Frau, mit der Sonne bekleidet! Nimm an unsere Wallfahrt in diesem Jahr, im Advent zum Jubiläum der Erlösung. Hilf uns, durch das Licht dieses Jubiläums in dein Geheimnis einzudringen: - das Geheimnis der Jungfrau-Mutter, - das Geheimnis der Magd und Königin, - das Geheimnis der alles vermögenden Fürsprecherin. Hilf uns, daß wir in diesem Geheimnis immer mehr Christus, den Erlöser der Welt, den Erlöser des Menschen entdecken. Du hast die Sonne als Mantel, die Sonne der unerforschlichen Gottheit. Die Sonne der unbegreiflichen Dreieinigkeit. „Voll der Gnade“ bis hin zur Aufnahme in den Himmel! Und gleichzeitig . . . trägst du seit Betlehem und Nazaret, seit Jerusalem und Kalvaria die Sonne Christi als Mantel, für uns, die wir auf dieser Erde leben, für uns, arme Kinder Evas im Exil. Du bist bekleidet mit der Sonne der Erlösung des Menschen und der Erde durch das Kreuz und die Auferstehung deines Sohnes. Mach, daß die Sonne für uns auf dieser Erde ohne Unterlaß scheine! Mach, daß sie sich niemals verdunkle in der Seele der Menschen! Mach, daß sie den irdischen Weg der Kirche beleuchte, deren Urbild du bist! Und möge die Kirche zu dir aufschauend, Mutter des Erlösers, unaufhörlich lernen, selber Mutter zu sein. Du, ohne Erbschuld Empfangene Schau! Hier lesen wir in der Apokalypse: „Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war“ (Offb 12, 4). 566 REISEN O Mutter, bei deiner Aufnahme in den Himmel hast du die Fülle des Sieges über den Tod der Seele und des Leibes erfahren, bewahre die Söhne und Töchter dieser Erde vor dem Tod der Seele! O Mutter der Kirche! Vor dieser Menschheit, die immer vom Vergänglichen fasziniert scheint und der die Beherrschung der Erde die Sicht auf die ewige Bestimmung des Menschen in Gott versperrt, sei du ein Zeugnis Gottes! Du, seine Mutter! Wer kann sich dem Zeugnis einer Mutter verschließen? Du, geboren für die Mühsal dieser Welt: du, ohne Erbschuld Empfangene! Du, geboren für die Herrlichkeit des Himmels! Auf gestiegen in den Himmel! Du, bekleidet mit der Sonne der unerforschlichen Gottheit, der Sonne der unergründlichen Dreieinigkeit, erfüllt vom Vater, Sohn und Heiligen Geist! Du, der sich die Dreieinigkeit als ein einziger Gott schenkt, der Gott der Schöpfung und der Offenbarung! Der Gott des Bundes und der Erlösung. Der Gott des Anfangs und des Endes. Alpha und Omega. Der Gott, der die Wahrheit ist. Der Gott, der die Liebe und die Gnade ist. Der heilige Gott. Der Gott, der alles übersteigt und alles umfängt. Der Gott, der „alles in allem“ ist. Du trägst die Sonne als Mantel! Unsere Schwester! Unsere Mutter! Sei das Zeugnis Gottes . . . vor der Welt des zu Ende gehenden Jahrtausends, vor uns Kindern Evas im Exil sei das Zeugnis Gottes! Amen. Aufopferung unserer selbst Gebet an Unsere Liebe Frau von Lourdes am 15. August Vor dir, Mutter Christi, vor deinem Herzen möchte ich heute aufs neue mit unserem Erlöser eins werden, der sich für die Menschen geopfert hat, um ihnen durch die Vergebung neues Leben zu schenken und sie mit seinem Leben zu nähren. Niemand ist so eng wie du mit seinem Opfer verbunden. Du forderst uns durch die Stimme Bernadettes auf, die Einladung zur Buße, zur Bekehrung und zum Gebet anzunehmen. Lasse nie zu, daß wir auf unserem Weg deinen Aufruf vergessen. 567 REISEN Mutter der Menschen und der Völker, du kennst ihre Leiden und Hoffnungen und hast ein mütterliches Gefühl für ihren Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis: Erhöre unser Gebet und komme deinen Kindern in der Prüfung zu Hilfe. In Lourdes erneuere ich im Namen der gesamten Kirche das Gebet, das ich an den Wallfahrtsorten aller Welt, die dir geweiht sind, an dich richte. Hier, auf dem Boden Frankreichs, vertraue ich deiner mütterlichen Liebe insbesondere die Söhne und Töchter dieses Landes an. Sie haben dich stets in ihren Traditionen, durch die Kunst ihrer Kathedralen, durch ihre Pilgerfahrten, in der Frömmigkeit des Volkes und der geistlichen Schriftsteller verehrt und sind überzeugt, Christus nahe zu sein, indem sie dich betrachten, auf dich hören und zu dir beten. Für viele war es eine Ehre, sich dir weihen zu können, auch für Könige, wie Ludwig XIII., der sich dir im Namen seines Volkes weihte. Du selbst hast Bernadette Soubirous deine trostvolle Gegenwart erfahren lassen, indem du ihr den Auftrag gabst, eine Botschaft weiterzugeben, in welcher das der Kirche anvertraute Wort Gottes seinen Widerhall findet. Die Aufopferung unserer selbst, die wir dir, unserer Herrin, darbringen, muß ein persönlicher Akt jedes einzelnen, jeder Familie und jeder kirchlichen Gemeinschaft sein; jede Generation soll sie in der Weise erneuern, welche diese vertrauensvolle Hingabe am besten zum Ausdruck bringt. Heute vollziehe ich diesen Akt gemeinsam mit all jenen Angehörigen dieser Nation, die sich ihm anschließen möchten, damit ihr christlicher Glaube über alle Gefahren triumphiere, treu weitergegeben und uneingeschränkt von der jungen Generation angenommen werde; damit es immer überzeugte Christen gebe, Heilige, die ihre Brüder in ein Leben brennender Liebe zu Gott und zum Nächsten, in ein von missionarischem Eifer erfülltes Leben mitreißen; damit Einheit und Liebe allzeit in dieser Kirche herrsche; damit ihr Zeugnis in der ganzen Nation den wahren Fortschritt fördere, den du für sie ersehnst. O Maria, Unsere Liebe Frau von Lourdes, erwirke diesen Brüdern und Schwestern Frankreichs die Gaben des Heiligen Geistes und schenke ihnen so eine neue Jugend, die Jugend des Glaubens; schenke sie diesen Christen und ihren Gemeinschaften, die ich deinem unbefleckten Herzen, deiner mütterlichen Liebe anvertraue. Amen! 568 REISEN Die Freude, an Gott zu denken Ansprache in der unterirdischen Basilika in Lourdes am 15. August Liebe Jugend Frankreichs, Europas und der anderen Länder! 1. Ich freue mich, diese Gedanken mit euch weiterzuführen. Wir haben den Glauben des Propheten Jesaja in uns aufgenommen: „Gott ist immer Erlöser.“ Ebenso nah ist uns die Vision der ersten christlichen Gemeinde von Jerusalem, die so brüderlich um den Apostel Petrus versammelt und Maria, der Mutter Jesu, so nahe war. Jene Männer und Frauen, die uns vorangegangen sind, sind für uns Väter und Mütter, aber im Glauben sind sie mit uns lebendig. Unser Loblied hat in unserem Herzen gerade das Wunder der Gemeinschaft Gottes mit der Menschheit Wiederaufleben lassen, so daß wir diesen Hochgesang erneut aufnehmen können, der dem demütigen und im Glauben brennenden Herzen unserer Herrin entspringt. Manche von euch haben verschiedene Fragen an mich gestellt. Ich kann hier nicht auf jede einzelne eingehen, ich werde aber während dieser unserer Besinnung meine Gedanken auf sie gerichtet lassen. 2. „Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (vgl. Lk 1, 46). Vor allem will ich danken für unsere tiefe Verbundenheit: die Jugend mit dem Papst und der Papst mit euch. Gelobt seist du, o Herr, für diese Jugendlichen, die nach Lourdes gekommen sind, um gemeinsam zu beten, brüderliche Freundschaft und den Dienst am Kranken zu erleben und um die Kirche zu erfahren. Gelobt seist du, o Herr, für all das, was du uns in Lourdes erleben läßt, an diesem Ort der Hoffnung so vieler, leidender Menschen, dem Ort der Bekehrung jener, die Gott wirklich suchen! Diese Hoffnung und diese Bekehrung sind an die Gegenwart Mariens in uns gebunden. Und sie selbst kommt zu uns auf geheimnisvolle Weise, um uns eine andere Präsenz, nämlich Gott selbst in der Person seines inniggeliebten Sohnes, zu offenbaren. Sie überzeugt uns, genau wie die Jünger, voller Vertrauen zu ihm zu kommen. 3. „Selig ist die, die geglaubt hat!“ (vgl. Lk 1, 45). Maria vor allem führt uns zum Glauben hin. Zum Glauben an die Liebe Gott Vaters, die uns immerwährend umgibt. Nicht wir haben Gott geliebt, er war es, der als 569 REISEN erster geliebt hat. Zum Glauben an die in der Erlösung offenbarte Macht Christi. Er ist der von Jesaja prophezeite Erlöser. Er ist die überfließende Lebensquelle. Er ist die Wahrheit Gottes und die Wahrheit unseres armseligen Daseins. Er ist der Weg Gottes und der Weg des Menschen, er ist der einzige Mensch, der vollkommen nach seiner Berufung lebte. Zum Glauben an den Heiligen Geist, den Maria rückhaltlos in sich aufgenommen hat und der auch uns begegnet ist. Wir sind uns dieser Liebe der göttlichen Dreifaltigkeit gewiß; indem wir uns im Glauben ihm hingeben, werden wir mit Maria selig sein und die Freude und Kraft der Liebe erleben. Durch die Taufe, die Firmung, das Sakrament der Beichte, die Eucharistie und andere Handlungen der Kirche ist Christus zu uns gekommen, ohne unser Verdienst und manchmal sogar, ohne daß wir ihn sofort erkannt hätten. Maria möge uns helfen, die Verkündigung der Liebe Gottes in Bescheidenheit anzunehmen und daran zu glauben, trotz der Zweifel, die die Gesellschaft und wir selbst in unsere Herzen säen. Wir dürfen keine Angst haben! Und wenn solche Schwierigkeiten nicht zu bewältigen sind, dann beten wir, trotzdem oder gerade deswegen, im Glauben festzubleiben, weil wir dann unser Vertrauen und unsere Treue unter Beweis stellen können. Unser Glaube wird wachsen durch eine tiefe Erkenntnis der Worte Gottes und der nie endenden Ausstrahlung der Kirche und ihrer lebendigen Uberheferung. Wir wollen versuchen, der Wahrheit nach zu leben, um ans Licht zu gelangen. Laßt uns so klar und stark glauben wie Bernadette: Sie, die an die Botschaft Mariens glaubte, war im Alter von 15 Jahren so mutig, sich dem Mißtrauen der Erwachsenenwelt entgegenzustellen, um getreu von der erhaltenen Botschaft Zeugnis zu geben. 4. „Für Gott ist nichts unmöglich“ (vgl. Lk 1, 37). Dieses Versprechen des Engels an Maria nehmen wir auf. Wir brauchen die Hoffnung, die den Glauben weiterführt. Viele werden aus der Fassung gebracht, werden unruhig und flügehahm vor den drängenden, besorgniserregenden Fragen unserer Zeit: Was bringt die Zukunft? Was für eine Arbeit wird man finden? Wer brächte es fertig, die Mängel der Gesellschaft zu überwinden? Welchen Anstrengungen gelänge es, die großen Weltprobleme des Hungers, des Krieges, der Verletzung der Menschenrechte einer Lösung zuzuführen? Was bedeutet unser guter Wille für so viele? Und was ist schließlich der Sinn dieses Lebens? Manche fühlen sich unnütz in einer gealterten Welt, unfähig, in einer verschlossenen Welt etwas zu leisten, sie zweifeln selbst am Wert ihres Daseins als Christen. Wir sind gewiß nicht davon dispensiert, uns Gedanken zu machen und 570 REISEN unsere Freiheit in einem Einsatz zu investieren, der Geduld fordert und etwas kostet: Die Hoffnung will das alles nicht ersetzen. Aber Gott zeigt uns, um was wir ihn zuerst bitten müssen: um den Heiligen Geist, seinen Geist, der das Antlitz der Erde erneuert, weil er unseren Geist, unser Herz erneuert. Maria hat sich dem Heiligen Geist geöffnet. Der Mächtige hat Wunder an ihr vollbracht. Er wird Großes auch in uns tun. Er wird uns dazu bringen, daß wir Christus folgen: Hat nicht der Herr, als er sich den Versuchungen der Macht, des Reichtums, des Stolzes entzog und sich an das Ideal der Seligpreisungen band, eine wirklich neue Welt angebahnt? Er wird unsere Hoffnung, die wir auf ihn setzen, nicht enttäuschen. 5. „Maria machte sich auf den Weg, und eilte in das Haus ihrer Verwandten Elisabet“ (vgl. Lk 1, 39-40). Der Glaube und die Hoffnung führen zur Nächstenliebe. Jedes Dasein zieht seinen Wert aus der Qualität der Liebe. Sage mir, wie deine Liebe beschaffen ist, und ich sage dir, wer du bist. Maria lenkt unseren Blick, unser Herz, unsere Hände auf die anderen hin, wie im Haus der Elisabet, wie in Kana. Wir dürfen uns nicht in den engen Kreis unserer eigenen Interessen und Urteüe einschließen. Eine grundlegende Solidarität bindet uns an die, die uns in unserer Familie, unserer Heimat nahe sind, und auch an die, zu deren Nächsten man sich machen muß, wie die Menschen der Dritten Welt, denn wir müssen uns unablässig dem Universalen öffnen. Die Liebe im Sinn Gottes hat keine Grenzen. Glücklich jene, die dem Kind, das kommt und das manche zurückweisen, einen Platz einräumen; oder dem Menschen, den die Gesellschaft für unnütz hält, dem Menschen, der an Leib und Geist leidet, dem, der seine menschliche Würde vergessen hat. Worin die Liebe zum Leben besteht Wenn ihr so euer Herz auftut, seit ihr auch aufgerufen zur Sorge um alles, was das Los der Menschen verbessern kann: die Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen, der Einsatz für mehr Gerechtigkeit, Teilen der Güter, Brüderlichkeit und Frieden zwischen den Völkern und sozialen Bereichen, Aufnahme der Fremden, Gesundung der Sitten, Förderung einer Kultur, die dieses Namens würdig ist, usw. ... Es liegt bei euch, euch darum zu kümmern, daran zu arbeiten, durch konkrete Einsätze, und so eure Talente zu entfalten, um dem Menschen in all seinen Dimensionen besser zu dienen, die Augen auf Jesus gerichtet, das alleinige Vorbild der Menschheit. 571 REISEN An der Grotte in Lourdes und in den Hospitälern lernen wir, worin die Liebe zum Leben besteht: in der Hilfe, die den Kranken geleistet wird; dort oben in der Beichtkapelle im Anhören all des moralischen Elends, in der tröstenden Vergebung Christi. Die Liebe läßt sich nicht trennen vom Geist des Dienens, der dem Leben, dem Leben der Jugend, seine Bedeutung gibt. Dieser Geist des Dienens schenkt nicht nur Hilfe, er ist vielmehr ein Austausch, Angebot gegenseitiger Gemeinschaft. 6. Simeon sagte zu Maria: „Dein Kind ist dazu bestimmt, ein Zeichen zu sein, dem widersprochen wird“ . . . „Und Maria stand unter dem Kreuz“ (vgl. Lk 2, 34; Joh 19, 25). Der Weg der Liebe im Geist Christi ist ein schwieriger, fordernder Weg. Wir müssen Realisten sein. Diejenigen, die euch von Spontaneität und Erleichterung sprechen, täuschen euch. Es verlangt geduldige Anstrengung, einen Kampf mit sich selbst, wenn man lernen will, immer mehr sich selbst zu beherrschen und so zu sein, wie Gott uns will. Seid Männer und Frauen mit Gewissen! Erstickt euer Gewissen nicht und verbildet es nicht, nennt das Gute und das Böse beim Namen! Es ist unvermeidlich, daß ihr Widerspruch von seiten einer Gesellschaft erfahrt, deren Fehler und Mängel ja bekannt sind. Wir müssen, ohne von der Liebe zu lassen und mutig, zuerst in uns selbst jene Gesellschaft aufbauen, die wir für morgen wünschen. Der Glaube ist ein Wagnis. Christus war ein Zeichen des Widerspruchs. Er hat bis in den Tod allen seine Freundschaft angeboten, und Maria stand unter dem Kreuz. Auch Bernadette hat Widerspruch und Leid erfahren. Nicht nur für die anderen hat sie das Wort der Jungfrau weitergegeben: „Buße.“ Maria hat sie auf die Härte des Weges aufmerksam gemacht: „Ich verspreche dir nicht, das Glück auf dieser Erde, sondern im Jenseits.“ Haben wir keine Furcht: Wenn wir auf diese Forderungen eingehen, dann verbindet uns das wirklich mit Christus, der sein Leben hingibt; es ist eine Quelle innerer Freude und eine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kirche in der Welt. 7. „Christus hat seine Kirche geliebt und sich für sie hingegeben, um sie heilig zu machen ... Er wollte sie vor sich erscheinen lassen ohne Flecken und Falten, heilig sollte sie sein und makellos“ (vgl. Eph 5, 25-27). Auch wir lieben die Kirche. Und wie sehr wünschten wir, daß sie noch lauterer sei, noch mehr frei von allem Kompromiß! Aber wir sind ja die Kirche! Wir dürfen sie nicht kritisieren, als ob sie etwas außerhalb unser selbst wäre. Wenn wir die lieben, die sie in sich schließt, wenn wir bereit 572 REISEN sind zum Dienst, werden wir mit ihr zusammen Formen neuen Lebens und eine echte, wahre Sprache suchen und finden können. Wir werden Plätze finden, wo jeder leichter seine Berufung erfüllen kann. Wir werden auch entdecken, daß die Pfarrei der Ort ist, an dem wir mit unseren Brüdern und Schwestern aus allen Kreisen und jeder Altersstufe zu einem Leib verbunden sind. Mit der Kirche zusammen dienen wir der Sache des Menschen. Mit ihr fürchten wir uns auch nicht mehr, in Liebe und Achtung vor den anderen unseren Glauben zu bekennen und hinauszurufen, denn wie sonst könnte die gleichgültige Welt ihn kennenlernen? Wir werden dazu beitragen, in die Kirche, in jede ihrer Pfarreien, ihrer Bewegungen, ihrer Seminare die jugendliche Frische des göttlichen Geistes einzubringen! „Geht, macht alle Völker zu Jüngern!“ Dieser Auftrag des Herrn wurde Petrus und den anderen Aposteln anvertraut. Und auch ich sende euch alle als Getaufte und Gefirmte in die Mission. Und, meine lieben Jugendlichen, ich habe euch etwas Wichtiges zu sagen: Ich möchte, daß eine Anzahl von euch dem Anruf des Herrn ihr „Ja“ zur Antwort geben und alle ihre Kräfte in seinen ausschließlichen Dienst stellen. Vielleicht ist dies der Ort und die Stunde, um vor Maria darüber nachzudenken. Maria, die Mutter der Kirche, möge weiterhin dem mystischen Leib Christi Gestalt geben! Sie lehre uns, der Kirche zu dienen! 8. Am Pfingsttag „waren die Jünger zusammen im Obergemach und verharrten im Gebet mit Maria, der Mutter Jesu“ (vgl. Apg 1, 13-14). Maria, lehre uns beten! Lassen wir uns wie Maria vom Feuer des Geistes erfüllen! Viele von uns haben die Freude am Gebet entdeckt, die Freude daran, an Gott zu denken und ihn zu lieben, ihn gemeinsam zu loben und seinem Wort zuzuhören. Das Gebet ist aber nicht in erster Linie dazu da, uns selbst zufriedenzustellen. Es bedeutet Entäußerung unser selbst, um uns dem Herrn zur Verfügung zu stellen und ihn in uns beten zu lassen. Im Gebet atmet die Kirche und stellt sich auf Gott ein. Es ist ein wesentlicher Dienst in der Kirche, der Dienst des Lobes und der Dienst, der den Menschen sich dem Erlöser öffnen läßt. Es steht am Ursprung und am Ende unserer Bemühungen. Daß wir doch nie die Aktion und die Kontemplation voneinander trennen mögen! Und möge unser Beten in der Eucharistie den zentralen Punkt finden, an dem Christus selbst unser Leben ergreift, um es zusammen mit dem seinen darzubringen und es fruchtbar zu machen. 573 REISEN Alles, was wir soeben in Erinnerung gerufen haben, läßt uns das wahre Leben in den Blick nehmen. Christus will, daß wir das Leben lieben, daß wir die Freude am Leben und am Lieben um uns verbreiten. Er ist gekommen, damit wir das Leben in Fülle haben. O Mutter, gesegnet du unter allen Müttern, dir vertraue ich alle hier anwesenden Jugendlichen an und die Jugendlichen der ganzen Welt. Ich bitte dich für alle und für jeden: gib ihnen die Gnade, das Leben zu lieben, deinem Sohn Jesus Christus ihr volles Vertrauen zu schenken und konkret mit der Kirche zusammenzuarbeiten in ihrer Sendung für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden! Und nun wollen wir gemeinsam Gott danken, indem wir die Worte Mariens wieder aufnehmen. Eine Realität mit tausend Gesichtern Ansprache an die Kranken in Lourdes am 15. August Liebe Kranke, leidende Glieder des Leibes Christi! 1. Muß man euch noch daran erinnern, daß Jesus von Nazaret - bevor er hinaufging nach Jerusalem, um fast völlig von den Seinen verlassen, sein geheimnisvolles Opfer der universalen Erlösung zu vollbringen - in all den Jahren seines Wandems und Predigens den von körperlichen wie auch von geistigen Leiden bedrückten Menschen den Vorzug gegeben hat? Die Geschichte des Christentums tut in oftmals strahlender Weise nichts anderes, als diesen von ihrem göttlichen Stifter begründeten Dienst an den Kranken und Ärmsten ins Licht zu rücken. Euer französisches Vaterland hat seinerseits zahlreiche Krankenpflegeorden entstehen sehen! Muß man nicht an die „Töchter der Nächstenliebe“ erinnern, gegründet von Vinzenz von Paul,' der selbst in der hier benachbarten Region des Landes geboren wurde? Und wie könnte man vergessen, daß Bernadette Soubirous in die Kongregation der „Schwestern der Nächstenliebe und der christlichen Unterweisung“ von Nevers eintrat, die im 17. Jahrhundert für die kleinen Schulen, die Betreuung der Armen und der Kranken und den Krankenhausdienst gegründet wurde? Und ist nicht die Stadt Lourdes der Ort schlechthin, an dem sich die Kranken auf 574 REISEN derselben Ebene wie die Gesunden wirklich zu Hause fühlen, mit all den Diensten und Organismen, die voll auf sie abgestimmt sind? Christus hat dem Leiden einen Sinn gegeben 2. Das Leiden ist immer eine Realität, eine Realität mit tausend Gesichtern. Ich denke an die Krankheiten, die durch ziemlich unvorhersehbare geologische Gegebenheiten verursacht werden, und an das moralische Elend, das sich in einer Gesellschaft, die glaubte, es besiegen zu können, so stark ausbreitet. Krankheiten, von denen die einen innerhalb eines bestimmten Zeitraums geheilt werden können, die anderen leider noch immer unheilbar sind. Wenn auch das Leiden eine objektive Tatsache ist, so ist es doch noch mehr etwas Subjektives, Einmaliges, in dem Sinne nämlich, daß leidende oder kranke Menschen auf eine bestimmte Krankheit jeweils auf verschiedene, zuweilen sogar auf grundverschiedene Weise reagieren. Das ist das Geheimnis der nicht erfaßbaren Sensibilität eines jeden. Das geht — im verborgenen Bereich des Gewissens — so weit, daß Menschen ohne wirklichen Grund unter Beunruhigungen und Gewissensqualen leiden können. 3. Jedem Leiden gegenüber haben die Gesunden eine erste Pflicht: die Pflicht des Respekts, manchmal sogar des Schweigens. Hat nicht Kardinal Pierre Veuillot, der vor 15 Jahren von einer unerbittlichen Krankheit so rasch hinweggeraffte Erzbischof von Paris, von den Priestern, die ihn besuchten, verlangt, mit großer Vorsicht von diesem Leiden zu sprechen? Man mag wollen oder nicht: Das Leiden bleibt trotz aller teilweisen Erklärungen schwer verstehbar und nicht annehmbar, selbst für einen glaubenden Menschen. Denn der Glaube nimmt ja nicht die Schmerzen weg. Aber er vereint sie in unsichtbarer Weise mit denen des Erlösers Christus, dem makellosen Opferlamm, der gleichsam hineingetaucht ist in die Sünde und das Elend der Welt, um vollkommen solidarisch damit zu sein, um ihm einen anderen Sinn zu geben, um schon im voraus alle Prüfungen und selbst den Tod zu heiligen, die das Fleisch und das Herz seiner Menschenbrüder umschlingen. „Durch Christus und in Christus also wird das Rätsel von Schmerz und Tod hell, das außerhalb seines Evangeliums uns überwältigt.“ Diese Versicherung stammt aus der bewundernswerten Konzilskonstitution über die Kirche in der Welt von heute (Gaudium et spes, Nr. 22). Der Prophet Jesaja, den wir soeben gelesen haben, sagte mit Recht zu den Menschen seiner Zeit: „Habt Mut, fürchtet euch nicht! Seht, hier ist euer Gott! ... Er selbst wird kommen 575 REISEN und euch erretten“ (Jes 35, 4). Und Jesus konnte in Wahrheit versichern: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11, 28). 4. Liebe Kranke, ich möchte in euren Gedanken und euren Herzen drei kleine Lichter hinterlassen, die mir kostbar erscheinen. Vor allem: Welcher Art euer Leiden auch sei, physisch oder moralisch, persönlich oder familiär, apostolisch oder sogar kirchlich - es ist notwendig, daß ihr euch dessen klar bewußt werdet, ohne es zu untertreiben oder zu übertreiben, und daß ihr alle Erschütterungen erkennt, die es in eurer menschlichen Gefühlssphäre hervorruft: Aussichtslosigkeit, Nutzlosigkeit des Lebens usw. Sodann ist es unerläßlich, auf dem Weg der Annahme des Leidens voranzukommen. Ja, annehmen, daß es so sei, doch nicht in mehr oder weniger blinder Resignation, sondern weil der Glaube uns die Sicherheit gibt, daß der Herr aus dem Übel Gutes gewinnen kann und will. Wie viele der hier Anwesenden könnten bezeugen, daß die im Glauben angenommene Prüfung in ihnen Ausgegüchenheit und Hoffnung hat Wiedererstehen lassen? Und weil der Herr Gutes aus dem Übel gewinnen will, fordert er euch auf, trotz der Krankheit selbst aktiv zu sein, so gut ihr das könnt; und wenn ihr behindert seid, lädt er euch ein, trotz der Behinderungen Verantwortung auf zu nehmen gemäß den euch verfügbaren Kräften und Talenten. Die euch mit ihrer Zuneigung und ihrer Hilfe beistehen und auch die Vereinigungen, denen ihr angehört, wie etwa die Krankenbruderschaft, versuchen zu Recht, euch das Leben liebenswert zu machen und es auch in euch, so gut das möglich ist, als ein Geschenk Gottes zu entfalten. Gestärkt für eure „Sondermission“ Schließlich bleibt noch die schönste Geste zu vollbringen: die Hingabe. Das Opfer, dargebracht aus Liebe zu Gott und zu unseren Brüdern, gestaltet, einen zuweilen sehr hohen Grad an übernatürlicher Liebe zu erreichen, nämlich selber aufzugehen in der Liebe Christi und der Allerheiligsten Dreifaltigkeit für die Menschheit. Wenn jeder Leidende diese drei Schritte je nach seinem inneren Rhythmus und seiner Gnade lebt, so bewirken sie in ihm eine erstaunliche innerliche Befreiung. Ist das nicht jene paradoxe Lehre, die uns die Evangelisten übermitteln: „ . . . wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ {Mt 16, 25)? Ist das nicht jener im Geist des Evangeliums vollzogene Akt der Hingabe, 576 REISEN den Bernadette von Lourdes und Theresia von Lisieux, die beide fast ihr ganzes Leben lang krank waren, in solcher Tiefe erlebt haben? - Liebe leidende Brüder und Schwestern, reist gestärkt und erneuert für eure „Sondermission“ wieder von hier ab! Ihr seid die wertvollen Mitarbeiter Christi bei der Anwendung seiner Erlösung in Zeit und Raum, jener Erlösung, die er ein für allemal und zum Wohl der gesamten Menschheit in den Geheimnissen seiner Menschwerdung, seiner Leidensgeschichte und seiner Auferstehung verwirklicht hat. Und Maria, seine Mutter und eure Mutter, möge euch immer nahe sein! 5. Gestattet zum Abschluß, daß ich in eurem Namen und auch im Namen der Kirche der „Hospitalite“ von Lourdes wie auch den diözesanen „Hospitalites“ in Frankreich und den anderen hier vertretenen Ländern Dank und Ermutigung ausspreche. Ich verstehe und würdige die im Geist des Evangeliums geleistete Arbeit und die Verdienste der Laien und der Priester, die sich im Dienst an den kranken Pilgern engagieren. Einige von ihnen - ich weiß es - opfern auch einen Teil oder sogar ihren ganzen Jahresurlaub, um mit ganzem Herzen euch zur Verfügung zu stehen. Liebe Kapläne, Ordensbrüder und Ordensschwestern, Krankenträger und Helfer aller Art, dankt für den Ruf, den ihr eines Tages gehört habt, euer Leben denen zu widmen, die leiden. Vertieft unablässig bei euren diözesanen oder regionalen Begegnungen die Spiritualität und die Praxis eures Auftrags in der Kirche. Schlagt vielen jungen Menschen vor, sich euch anzuschließen. Bleibt immer einig untereinander, einig mit den katholischen Krankenbruderschaften, die es in den meisten Diözesen gibt, und selbstverständlich einig mit eurem Bischof. Ich versichere euch meiner besonderen Hochschätzung, und ich erbitte reiche „Standesgnaden“ für alle Mitglieder der „Hospitalites“ von Lourdes, von Frankreich und der ganzen Welt! In einigen Augenblicken wird der Herr selbst kommen, um die Kranken zu segnen; er wird kommen im Allerheiligsten Altarsakrament, das sein Opfer, die Hingabe seines Lebens und das Geschenk seiner Liebe gegenwärtig macht! 577 Pastoraireise nach Österreich (10. bis 13. September) REISEN „Ein Land, das mir bekannt und vertraut ist“ Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Wien-Schwechat am 10. September 1. Mit Freude und Ergriffenheit betrete ich heute österreichischen Boden. Von Herzen grüße ich alle hohen Persönlichkeiten und Gäste, die mich hier durch ihre Anwesenheit beehren. Zugleich grüße ich alle Bürger dieses schönen Landes, das mir aus früheren Tagen schon weitgehend bekannt und vertraut ist. Aufrichtig danke ich Ihnen, sehr verehrter Herr Bundespräsident, für die herzlichen Willkommensworte, die Sie in so freundlicher Weise an mich gerichtet haben. Ebenso danke ich Ihnen und der Österreichischen Bischofskonferenz für die ehrenvolle Einladung zu diesem Besuch. Er soll allen Menschen, allen Diözesen und Gemeinden Österreichs gelten, obwohl sich das Programm meiner Reise auf Wien und Mariazell beschränkt. Meine Teilnahme am Österreichischen Katholikentag, den ich durch Gottes gnädige Fügung zusammen mit vielen Glaubensbrüdern und -Schwestern aus allen Teilen des Landes feiern kann, gibt diesem Besuch seinen besonderen Charakter. 2. Mein Pastoralbesuch anläßlich des Katholikentages soll mit besonderer Deutlichkeit zeigen, wie sehr ich mich eins weiß mit den Glaubenden und Betenden, die in der problembelasteten Welt von heute Hoffnung leben und Hoffnung geben wollen. Es geht hierbei um das gleiche zentrale Anliegen, auf das auch die Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung ausgerichtet ist. Es geht um jene alle menschliche Resignation überwindende christliche Hoffnung, die aus einem erlösten Herzen kommt und im Kreuze Jesu Christi ihren unversiegbaren Quellgrund hat. Österreich, dessen Volk sich in so starker Mehrheit zum christlichen Glauben bekennt und das sich als Staat zur aktiven Neutralität verpflichtet hat, ist nicht nur Träger einer großen geschichtlichen Tradition, sondern hat auch in der Gegenwart und Zukunft Europa und der Welt viel zu geben. „Liegst dem Erdteil du inmitten, einem starken Herzen gleich“, heißt es so trefflich in Ihrer Bundeshymne. Mit den Bürgern Österreichs hoffe und bete ich, daß dieses Herz immer gesund und voller Hoffnung schlagen möge. Es ist mein inniger Wunsch, daß von der intensiven Vorbereitung und der Feier des Katholikentages nachhaltige 580 REISEN Impulse für eine christliche Neubesinnung der Kirche und Gesellschaft ausgehen und sich für das Gemeinwohl fruchtbar auswirken werden. 3. Es scheint ein glücklicher Rahmen für meinen Pastoralbesuch in Österreich zu sein, daß dieser mit einer Europavesper beginnt, die im Zeichen des Kreuzes und des Magnificat steht, und daß er enden wird im Heiligtum der „Magna Mater Austriae“. Christus, dem Gekreuzigten, in dem allein Hoffnung auf Heil ist, und seiner Mutter, die unser aller Mutter ist, empfehle ich die kommenden Tage meiner Begegnung mit dem Volk und der Kirche Österreichs; ebenso unser gemeinsames Gedenken an die historische Entscheidung vom Jahre 1683, das weder von bloßer Erinnerung noch gar von Triumphalismus bestimmt sein soll. Es sei uns vielmehr Auftrag und Verpflichtung, aus der Geschichte Lehren zu ziehen und sie im Geist unseres Glaubens für eine hoffnungsfrohere gemeinsame Zukunft der Menschen zu verwirklichen. So verbindet sich mein Dank Ihnen gegenüber, sehr verehrter Herr Bundespräsident, und an Sie, lieber Herr Kardinal, mit meiner Freude, in Ihrem Land zu sein, und mit der Vorfreude auf die kommenden Tage unserer Gemeinschaft in Glauben, Hoffnung und Gebet. Allen Menschen in diesem Lande rufe ich aus ganzem Herzen zu: Gott segne und beschütze Euer geliebtes Österreich! Im Kreuz ist Hoffnung und Heil Ansprache bei der Europa-Vesper auf dem Heldenplatz in Wien am 10. September 1. Der Friede sei mit Euch! Friede dieser Stadt! Diesem Land Österreich! Und allen seinen Nachbarn im Norden, Osten, Süden und Westen! Einen besonderen Gruß und Friedenswunsch Euch österreichischen Katholiken, die Ihr aus allen Diözesen, aus den Pfarrgemeinden, aus den vielen großen und kleinen Gemeinschaften zu diesem Katholikentag zusammengekommen seid. Friede allen, die von jenseits der Grenzen dieses Landes hierher gekommen sind oder durch Funk und Fernsehen an dieser feierlichen Vesper teilnehmen! Friede allen Christen, allen christlichen Kirchen! Friede auch allen Menschen, die den einen Gott verehren und ihm ihre Geschicke demütig anvertrauen! 581 REISEN Diesen Friedensgruß entbiete ich Euch allen im Namen Jesu Christi, unter dessen Kreuz wir uns hier versammelt haben. Der wahre Frieden kommt aus dem geöffneten Herzen dessen, der - am Kreuz erhöht - alle an sich zieht. Seit heute ist sein Zeichen auf diesem großen und geschichtsträchtigen Platz Wiens aufgerichtet: als christliche Mahnung und Hoffnung, als Erinnerung an das Jahr des Heiles 1983, an das Jubiläumsjahr der Erlösung, an einen Katholikentag, der als Tag christlicher Hoffnung in die Geschichte dieses Landes eingehen soll. Unter dieses Kreuz stellen wir Österreich; unter dieses Kreuz stellen wir Europa. Denn „allein im Kreuz ist Hoffnung“! An ihm hat das Leben den Tod besiegt. Das Kreuz ist Zeichen der versöhnenden, Leid und Tod überwindenden Liebe Gottes zu uns Menschen, Verheißung der Brüderlichkeit aller Menschen und Völker, göttlicher Kraftquell für die beginnende Erneuerung der ganzen Schöpfung. 2. Die heutige Europafeier anläßlich des Österreichischen Katholikentages lenkt unseren Blick über alle natürlichen, nationalen und willkürlichen Grenzen hinweg auf ganz Europa, auf alle Völker dieses Kontinents mit ihrer gemeinsamen Geschichte, vom Atlantik zum Ural, von der Nordsee bis zum Mittelmeer. Österreich — selbst im Herzen Europas gelegen — hat in besonderer Weise dessen Geschicke geteilt und entscheidend mitgeprägt. Es zeigt sich exemplarisch, wie eine Vielzahl von Volksstämmen auf begrenztem Raum spannungsreich und schöpferisch zusammenlebt und in der Vielfalt eine Einheit schaffen kann: Auf dem Territorium des heutigen kleinen Österreich sind die Wesenszüge von Kelten und Romanen, von Germanen und Slawen tief eingegraben und in der Bevölkerung lebendig. Hierin ist Österreich ein Spiegel und Modell Europas. Was dem europäischen Kontinent zur Einheit in der Vielfalt verholfen hat, war vor allem die Verbreitung des einen christlichen Glaubens. Die Wege der Missionare und der christlichen Pilger haben Länder und Völker Europas friedlich miteinander verbunden - wofür wiederum Österreich ein kennzeichnendes Beispiel ist. An der Evangelisierung Eures Landes hat der hl. Severin, ein Römer - Ihr habt vor kurzem sein Jubiläum gefeiert — ebenso mitgewirkt wie Glaubensboten aus anderen europäischen Ländern. Euer Land hat aber nicht nur missionarische Hilfe empfangen, sondern diese auch anderen Völkern vielfach gewährt. Als Beispiel unter vielen sei aus aktuellem Anlaß die Gründerin der Grauen Ursulinen genannt, Schwester Maria Julia Ledochowska. In Loosdorf bei Melk geboren, hat sie so segensreich in Polen gewirkt, daß sie im Juni dieses Jahres während meiner Reise in die polnische Heimat seliggesprochen werden konnte. 582 REISEN Europa: vom Christus glauben geprägt Zur den einheitstiftenden Wegen der Glaubensboten kommen die Wege der Pilger. Wallfahrten nach Rom zum Grab des hl. Petrus, nach Santiago de Compostela auf den Spuren des hl. Jakobus, zu den Wirkungs- und Grabstätten anderer Heiliger und zu den großen Marienheiligtümern haben nicht nur europaweit das fromme Andenken an die Mutter des Herrn, an die Apostel und Heiligen gepflegt, sondern auch das gegenseitige Verständnis der so verschiedenen Völker und Nationen gefördert. Dadurch haben sie auch mitgeholfen, Europas Identität zu prägen. Gerade auch nach Mariazell, in Eurem Land, wallfahrten seit Jahrhunderten Christen aus ganz Europa, nicht zuletzt aus slawischen Ländern. Ich selbst, Pole und Römer, bin glücklich, in diesen Tagen als Pilger nach Mariazell zu kommen. Die - trotz aller Krisen und Spaltungen fortbestehende - kulturelle Gemeinsamkeit des europäischen Kontinents ist ohne den Inhalt der christlichen Botschaft nicht zu verstehen. Diese - mit antikem Geist großartig verschmolzen — bildet ein gemeinsames Erbe, dem Europa seinen Reichtum und seine Kraft verdankt, das blühende Gedeihen von Kunst und Wissenschaft, Bildung und Forschung, Philosophie und Geisteskultur. Innerhalb des christlichen Glaubensgutes hat in ganz besonderer Weise das christliche Menschenbild die europäische Kultur mitgeprägt. Die Überzeugung von der Gottebenbildlichkeit des Menschen und von seiner Erlösung durch Jesus Christus, den Menschensohn, hat der Wertschätzung und Würde der menschlichen Person, der Achtung ihres Anspruchs auf freie Entfaltung in mitmenschlicher Solidarität ein heilsgeschichtliches Fundament gegeben. So war es auch folgerichtig, daß die Formulierung und Verkündigung der allgemeinen Menschenrechte vom Abendland ausgegangen ist. Dieses vom Christusglauben geeinte und geprägte Europa stellen wir erneut unter das Kreuz; denn „im Kreuz ist Hoffnung“. 3. Niemand kann sich der Tatsache verschließen - und wer wäre davon nicht zutiefst betroffen -, daß die gemeinsame Geschichte Europas nicht nur leuchtende, sondern auch dunkle, schreckliche Züge trägt, die mit dem Geist der Menschlichkeit und der Frohen Botschaft Jesu Christi unvereinbar sind. Immer wieder haben Staaten und Parteien haßerfüllt und grausam gegeneinander Krieg geführt. Immer wieder wurde Menschen ihre Heimat genommen; sie wurden vertrieben oder sahen sich angesichts von Not, Diskriminierung und Verfolgung zur Flucht veranlaßt. Millionen 583 REISEN von Menschen wurden auf Grund ihrer Rasse, ihrer Nation, ihrer Überzeugung oder einfach, weil sie anderen im Wege waren, ermordet. Es ist bedrückend, daß zu jenen, die ihre Mitmenschen bedrängten und verfolgten, auch gläubige Christen gehörten. Wenn wir uns zu Recht unseres Herrn Jesus Christus und seiner Botschaft rühmen dürfen, so müssen wir andererseits bekennen und dafür um Vergebung bitten, daß wir Christen Schuld auf uns geladen haben - in Gedanken, Worten und Werken und durch tatenloses Gewährenlassen des Unrechts. Doch nicht nur im staatlichen und politischen Leben ist Europas Geschichte von Zwietracht gezeichnet. Auch durch die eine Kirche Jesu Christi haben Glaubensspaltungen Grenzen und Gräben gezogen. Im Verein mit politischen Interessen und sozialen Problemen kam es zu erbitterten Kämpfen, zu Unterdrückung und Vertreibung Andersgläubiger und zu Gewissenszwang. Als Erben unserer Väter tragen wir auch dieses schuldbeladene Europa unter das Kreuz. Denn in ihm ist Hoffnung. 4. Das Österreich von heute — leider nicht ganz Europa! — ist frei von fremder Herrschaft und kriegerischer Gewalt, frei von unmittelbarer äußerer Bedrohung, unbelastet von haßerfüllten inneren Auseinandersetzungen. Welch denkwürdiger und freudiger Kontrast zu mancher früheren Epoche und besonders zum Jahre 1683. Dieses Jahr ist ein großes Datum nicht nur der österreichischen, sondern europäischen Geschichte, wahrlich wert, daß wir uns seiner nachdenklich und dankbar erinnern. Jedem von uns ist vertraut, wie vor 300 Jahren Truppen des osmanischen Reiches, wie schon 1529, bis vor diese Stadt gelangten und sie mit gewaltiger Übermacht belagerten. Der Zug der Armee war von Brandschatzung, Mord und Verschleppung gekennzeichnet; unsäglich waren die Not, der Jammer, das Elend, bewundernswert war die Tapferkeit der Verteidiger Wiens. Sie schöpften Kraft aus ihrem Glauben, aus dem Gebet, aus ihrer Überzeugung, nicht nur für ihr Land, sondern für Europa und für die Christenheit zu streiten. Dem Papst steht es wohl zu, daran zu erinnern, daß sein damaliger Vorgänger, der selige Innozenz XI., Österreich und seine Verbündeten mit Subventionen, mit diplomatischer Hilfe und mit seinem Gebetsaufruf an die Christenheit wirksam unterstützt hat. Dem Papst aus Polen sei es auch gestattet, mit besonderer Bewegung davon zu sprechen, daß es der polnische König Jan Sobieski gewesen ist, unter dessen Oberbefehl die verbündeten Entsatztruppen Wien befreiten, zu einem Zeitpunkt, da sich die heldenhaften Verteidiger der Stadt nur mehr mit letzter Kraft der Belagerung erwehren konnten. 584 REISEN Weder spontan noch gesamteuropäisch Es ist gerechtfertigt, mit Bewunderung der Verteidiger und Befreier Wiens zu gedenken, die in beispielhaftem Zusammenstehen dem Angriff Einhalt geboten. Uns sind die Aufrufe heiligmäßiger Prediger überliefert, welche die Menschen dieser Zeit nicht nur zu Tapferkeit, sondern vor allem zu christlicher Umkehr zu bewegen suchten. Die Geschichte gebietet uns, damaliges Geschehen aus dem Geist der damaligen Zeit zu verstehen und nicht einfach an unserer Gegenwart zu messen. Sie gebietet, einseitige Verurteilung und Verherrlichung zu vermeiden. Wir wissen, daß himmelschreiende Grausamkeiten nicht nur vom osmanischen Heer, sondern auch von der Armee des Kaisers und seiner Verbündeten begangen worden sind. Wir müssen, so sehr wir uns über den Verteidigungserfolg des christlichen Abendlandes freuen mögen, beschämt zur Kenntnis nehmen, daß die christliche Solidarität damals weder spontan noch euro-paweit war. Vor allem aber sind wir uns dessen bewußt, daß die Sprache der Waffen nicht die Sprache Jesu Christi ist und nicht die Sprache seiner Mutter, die man damals wie heute als die „Hilfe der Christenheit“ angerufen hat. Bewaffneter Kampf ist allenfalls ein unausweichliches Übel, dem sich auch Christen in tragischen Verwicklungen nicht entziehen können. Aber auch hierbei verpflichtet das christliche Gebot der Feindesliebe, der Barmherzigkeit: der für seine Henker am Kreuz gestorben ist, macht mir jeden Feind zum Bruder, dem meine Liebe gebührt, auch wenn ich mich seines Angriffs erwehre. So sei dieses Jubiläum nicht die Feier eines kriegerischen Sieges, sondern eine Feier des uns heute geschenkten Friedens im dankbar bekundeten Kontrast zu einem Ereignis, das mit so viel Leid verbunden war. Und wir wollen uns der Freiheit würdig erweisen, die damals mit so großem Einsatz verteidigt worden ist. 5. Österreich bemüht sich, wie in der Vergangenheit, auch heute seiner besonderen Verantwortung und Aufgabe im Herzen Europas zu entsprechen. Euer Land setzt sich mit Nachdruck ein für Frieden und Völkerverständigung, für soziale Gerechtigkeit, für die Beachtung und Förderung der Menschenrechte auf nationaler und internationaler Ebene. Ihr selbst habt Tausende von Flüchtlingen und Hilfesuchenden aufgenommen; Gäste aus aller Herren Länder kommen in Euer Land und finden bei Euch freundliche Aufnahme und Erholung. Ihr habt nicht nur von hochherzigen Helfern in Zeiten der Not wirksame Unterstützung empfangen, 585 REISEN sondern auch selbst die Nöte anderer Länder, darunter auch meiner polnischen Heimat, hilfsbereit gelindert. Das Bekenntnis zur europäischen Solidarität läßt Euch auch nicht die Augen vor der Not und Hilfsbedürftigkeit außereuropäischer Gebiete verschließen. Dankbar denke ich dabei an Eure großen Beiträge zur Entwicklungshilfe und an den persönlichen Einsatz so vieler Missionare, Schwestern und Entwicklungshelfer. Euer Land spielt — seiner besonderen Lage und seinem geschichtlichen Erbe entsprechend — vor allem eine wichtige Rolle für die Schaffung eines stabileren und humaneren Europas und für den Abbau internationaler Spannungen. Diese Bemühungen verdienen Anerkennung und Ermutigung. Sie rufen jedoch zugleich angesichts der noch fortdauernden großen Schwierigkeiten innerhalb der Völkergemeinschaft nach immer größeren Anstrengungen. Die katholische Kirche ist hierbei im Rahmen ihres Auftrages stets ein hilfsbereiter und solidarischer Partner. Wahre Hoffnung nur im Kreuz Zum besonderen Vermächtnis des entscheidungsvollen Ereignisses von 1683 an die christlichen Kirchen gehört vor allem das Anliegen des religiösen Friedens - der Frieden zwischen den Erben Abrahams und die Einheit unter den Brüdern Jesu Christi. Die Jünger Mohammeds, die damals als Feinde vor den Toren Eurer Hauptstadt lagerten, sie leben jetzt mitten unter Euch und sind uns in ihrer gläubigen Verehrung des einen Gottes nicht selten Vorbild. Die jüdische Gemeinschaft, einst so fruchtbar mit den Völkern Europas verflochten und jetzt so tragisch dezimiert, mahnt uns gerade dadurch, jede Chance zu nützen, einander menschlich und geistig näherzukommen und miteinander vor Gott zu treten und von ihm her den Menschen zu dienen. Die Spaltungen unter den Christen, 1683 bis in die Politik hinein so verhängnisvoll wirksam, sind heute Anlaß und Aufforderung zu bewußter Gemeinschaft in Begegnung, Gebet und Diakonie. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Wie ich in meiner Fernsehbotschaft an Euch im Juni des vergangenen Jahres betont habe, sollen die erfolgreichen Anstrengungen der Christenheit zum Schutz des Abendlandes im Jahre 1683 und die jetzige Gedenkfeier während des Österreichischen Katholikentages vor allem „die Christen von heute an ihre gemeinsame Verantwortung für Europa erinnern und ihnen neuen Mut vermitteln zu opferbereitem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit, für Menschenrechte und christliche Solidarität unter den Völkern“. Bei derselben Gelegenheit 586 REISEN gab ich meiner Hoffnung Ausdruck, daß von Eurem Katholikentag „für Eure Heimat und für ganz Europa eine christliche Neubesinnung auf die tiefen gemeinsamen geistigen Wurzeln ausgehen“ möge. Ein jeder von Euch ist aufgerufen, dazu an seinem Platz und entsprechend seinen Möglichkeiten einen ganz persönlichen Beitrag zu leisten. Uns Christen ist es aufgegeben, aus der Mitte unseres Glaubens und durch einen solidarischen Einsatz zum Wohl des Menschen und der Gesellschaft wirksam zu bezeugen, daß es allein im Kreuz wahre Hoffnung gibt—für den einzelnen, für das eigene Land, für Europa und für die ganze Menschheit. Ihr Christen in Österreich und in allen Ländern des Kontinents! Gebt Zeugnis von der tiefen christlichen Verwurzelung der menschlichen und kulturellen Werte, die Euch - und ganz Europa - heilig sind, die seine Vergangenheit so entscheidend geprägt haben und auch seine Zukunft zu gewährleisten vermögen. Zeigt Euch würdig jener Glaubensbrüder, die auch heute noch für ihre religiösen Überzeugungen und für ihre christliche Lebensführung Verfolgung leiden und schwere Opfer bringen müssen. Habt Mut und Entschlossenheit, Euch auch in der Politik und im öffentlichen Leben aus christlicher Verantwortung für das Wohl des Menschen und der Gesellschaft im eigenen Land und über alle Grenzen hinaus einzusetzen. Im Kreuz ist Hoffnung für eine christliche Erneuerung Europas, aber nur wenn wir Christen selbst die Botschaft des Kreuzes ernst nehmen. Kreuz besagt: das Leben für den Bruder einzusetzen, um es zusammen mit dem seinen zu retten. Kreuz besagt: Liebe ist stärker als Haß und Rache — Geben ist seliger als Nehmen — Sich-selbst-Einsetzen bewirkt mehr als bloßes Fordern. Kreuz besagt: Es gibt kein Scheitern ohne Hoffnung - keine Finsternis ohne Stern — keinen Sturm ohne rettenden Hafen. Kreuz besagt: Liebe kennt keine Grenzen: beginne mit dem Allernächsten und vergiß nicht den Fernsten. Betet! Kreuz besagt: Gott ist immer größer als wir Menschen, größer als unser Versagen — Leben ist stärker als der Tod. Als Jünger Christi seid Ihr, hebe Brüder und Schwestern, aufgerufen, aus der Kraft des Kreuzes Christi durch Euer hoffnungsvolles Wort und christliches Lebensbeispiel den Menschen von heute in ihrer mannigfaltigen Bedrohung und Verwirrung die befreiende Antwort und Hoffnung zu geben. 587 REISEN Und pflegt in allem das Gebet! Betet, wie es die Christen in der Bedrängnis von 1683 getan haben. Betet, wie es gerade in Eurem Land seit Jahrzehnten so vorbildlich im „Rosenkranz-Sühnekreuzzug um den Frieden der Welt“ geschieht. Laß Euch von mir in dieser Stunde unter dem Zeichen des Kreuzes, das wir heute auf diesem Platz aufgerichtet haben, zu jenem wahren Kreuzzug der christlichen Tat und des Gebetes sammeln. Wie einst der selige Papst Innozenz XI. die bedrohten Völker zur Heiligen Allianz zusammenrief, so ruft Euch heute sein Nachfolger auf dem Stuhl Petri ins Gewissen: Der geistige Kampf für ein Überleben in Frieden und Freiheit verlangt den gleichen Einsatz und Heldenmut, die gleiche Opferbereitschaft und Widerstandskraft, durch die unsere Väter damals Wien und Europa gerettet haben! Entscheiden wir uns dazu und leben wir diesen Entschluß unter dem Kreuz Christi, des Herrn aller Geschichte. Denn in seinem Kreuz ist wirklich Hoffnung und Heil! „Wir beten Dich an, Herr Jesus Christus, und preisen Dich, denn durch Dein heiliges Kreuz hast Du die Welt erlöst.“ Amen. „Habt Mut und Geduld zu kleinen Schritten!“ Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Wiener Prater-Stadion am 10. September Liebe junge Freunde! Brüder und Schwestern! 1. An diesem Abend gehöre ich Euch! - Aus ganz Österreich seid Ihr hierhergekommen und habt auch Freunde aus den Nachbarländern mitgebracht. Viele von Euch sind schon berufstätig. Andere besuchen Schulen, auch Hochschulen. Gemeinsam ist Euch dieses schöne Land im Herzen Europas. Gemeinsam ist Euch auch der Glaube an Jesus Christus oder wenigstens das Suchen und Fragen nach ihm. Darum steht unsere Begegnung heute abend unter dem Thema „Jesus Christus — unser Weg“. Wenn ich Euch oder die jungen Menschen anderer Länder sehe, dann erfüllt mich eine tiefe Zuneigung und eine große Hoffnung. Das Schicksal Eures Landes bis weit hinein in das nächste Jahrtausend hegt auch in 588 REISEN Euren Händen. Und auch das Schicksal des Glaubens in Österreich und darüber hinaus wird von Euch mitbestimmt sein. Aus Euren Fragen und Anregungen, mit denen Ihr das Wirken der Verantwortlichen in Staat und Kirche oft kritisch begleitet, erkenne ich Eure Bereitschaft, Euch den Aufgaben der Gegenwart zu stellen. Diese sind ungeheuer groß und verlangen Euren ganzen Einsatz. Ihr selbst habt es soeben sehr eindrucksvoll und ernst dargestellt: Die Welt und die Zeit, in der wir heute leben, sind eine große Herausforderung für Euch. Ihr seid betroffen vom Elend und Hunger in weiten Teilen der Erde und von soviel Ungerechtigkeit. Ihr warnt vor der tödlichen Gefahr gigantischer Waffenarsenale und eines drohenden Atomkrieges. Ihr macht Euch Sorgen um die Umwelt. Ihr wißt, daß viele Menschen, vor allem Jugendliche, durch Arbeitslosigkeit bedroht sind oder schon jetzt keine Arbeit haben. Viele Menschen in anderen Ländern sind auch geistig unterdrückt und können ihren Glauben nicht in Freiheit bekennen. Das alles schafft da und dort das Gefühl, das Leben habe wenig Zukunft, wenig Sinn. In einer solchen Situation fliehen manche aus der Verantwortung: in kurzlebiges Vergnügen, in die Scheinwelt des Alkohols und der Drogen, in unverbindliche sexuelle Beziehungen, in Gleichgültigkeit, Zynismus oder auch Gewalt. Für einige wird die Flucht in den Tod zum scheinbar letzten Ausweg. 2. Aber die Mitte der Nacht ist, wie jemand gesagt hat, zugleich schon der Anfang des Tages. Die Schwierigkeiten unserer Zeit wecken bei vielen Menschen, besonders bei den jungen, auch die kühnsten Träume, die besten Kräfte des Geistes, des Herzens, der Hände. Es erwacht die Bereitschaft, zu teilen und das Leben ohne Berechnung einzusetzen. Überall auf der Welt haben Menschen begonnen, sich und andere zu fragen: Was kann ich tun? Was können wir tun? Wohin führt unser Weg? Es sind vor allem junge Menschen, die so fragen. Sie möchten ihren Beitrag leisten, um eine weithin müde und kranke Gesellschaft zu heilen. So geben sie ihrem Leben und dem Leben ihrer Freunde einen neuen Sinn. Dieser Sinn hat für viele von ihnen schon einen Namen: den Namen „Jesus Christus“. Sie haben Jesus gefunden. Er ist ihre neue Hoffnung geworden. Andere junge Menschen hingegen suchen Jesus. Zeigt Ihr ihnen den Weg zu ihm! Ihr seid auf verschiedenen Wegen miteinander zu Fuß in dieses Stadion gekommen. Die verschiedenen Wege, auf denen Ihr gekommen seid, mündeten ein in das Kreuz, das einige von Euch stellvertretend für die anderen mitten im Stadion auf den Boden gelegt, auf den Boden geschrie- 589 REISEN ben haben. Es ist ein Kreuz aus Blumen, ein blühendes Kreuz. Es ist das Siegeszeichen Jesu, der als der Gekreuzigte zugleich auferstanden ist. Ein Zeichen des Osterglaubens gegen alles, was Euch lähmen könnte. Eure Wege und dieses Kreuz in unserer Mitte verweisen uns auf Jesus Christus, der von sich gesagt hat: „Ich bin der Weg“ (Joh 14, 6). Er hat vor bald 2000 Jahren junge Menschen, wie Ihr seid, zu sich gerufen. Sie haben Boot und Netz verlassen und sind seine Jünger geworden. Aus Fischern und Zöllnern wurden Apostel. Jesus ruft auch heute. Er ruft Euch! Und er zeigt Euch den Weg durch das, was die Evangelien über seinen Umgang mit den Menschen berichten. 3. Uns berührt sogleich die große Behutsamkeit und Zuneigung, mit der er den Menschen begegnet: wie er Kinder segnet und den Sündern beim Mahl Gemeinschaft gewährt; wie er um seine Jünger besorgt ist und sie schrittweise in seinen Lebensplan einführt; wie er den Schmerz der Witwe von Naim teilt, auf den blinden Bettler hört, der am Wege schreit, und wie er mit der Frau am Brunnen ein Gespräch führt. Jede Seite des Evangeliums berichtet von der feinfühligen Güte dessen, der „umherging, Wohltaten spendend . . .“ Gefühle allein reichen nicht Über den Menschen hinaus zeigt sich Jesus mit der ganzen Schöpfung tief verbunden: Er beobachtet, wie die Saat auf dem Acker gedeiht und wie der Feigenbaum Früchte ansetzt. Er achtet auf Wind und Wolken. Senfkorn und Weinstock, Lilien und Sperlinge werden zum Gleichnis für das Reich Gottes, das er verkündet. Wirklich, es erstaunt nicht, daß junge Menschen von heute auf Jesus neu aufmerksam werden: Ihr seid ja besonders darauf bedacht, daß Mensch und Natur in ihrer Würde und in ihrem Wert ernstgenommen werden. Freilich verkörpert Jesus mehr als nur einige Ideale des modernen Menschen. Er zeigt in Natur und Mensch einen tiefen Sinn auf: Die Welt ist Gottes Schöpfung; in ihr ist ohne Unterlaß Gott, der ewige Vater, am Werk. So wird alles Geschaffene durchsichtig auf Gott hin: die großen Ereignisse ebenso wie die scheinbar unbedeutenden Dinge, an denen man leicht achtlos vorübergeht. Die Evangelien bezeugen also: Die Kraft, die Jesus und sein ganzes Leben durch und durch bestimmt, ist seine liebende Bindung an Gott Vater. Für uns sollte diese Botschaft Jesu von der beständigen Gegenwart Gottes inmitten dieser Schöpfung eine Quelle der Zuversicht sein: Gott kennt 590 REISEN uns. Er kennt uns besser, als wir uns selber kennen. Er liebt uns, auch wenn diese Liebe oft verborgen ist. Er ist ein Gott, der uns Zukunft gibt. Er ist nicht ein Gott der Toten, sondern der lebendige und lebensspendende Gott. Ihm können wir uns anvertrauen, in ihm Wurzeln schlagen. Wenn wir fallen, dann fallen wir nicht tiefer als in Gottes Hand. Das hat Jesus in den 33 Jahren seines Weges inmitten der Menschen vorgelebt. Das hat er gemeint, als er sagte: „Ich bin der Weg.“ Jesu Botschaft ist aber zugleich ein Anspruch. Zuneigung und Vertrauen zu ihm sollen in Nachfolge einmünden. Gefühle allein reichen nicht: Wir müssen bereit sein, unser Wollen und Handeln auf ihn einzurichten. Daran läßt der Herr keinen Zweifel: „ Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt“ (Joh 14, 21). Ihr mögt vielleicht jetzt fragen: Was fordert der Herr? Wie verwirklichen wir seinen Willen? „Du kennst die Gebote“, antwortet Jesus selbst im Evangelium dem jungen Mann, der ihm die gleiche Frage stellt. „Ihr kennt die Gebote!“ Nehmt sie ernst! Sie weisen Euch den Weg. 4. Liebe junge Freunde! Auf diesen Weg hat Christus Euch gerufen. Und wie mit den Emmausjüngem ist er mit Euch unterwegs auf Eurem Weg zu den Menschen, in den Beruf, in die Gesellschaft. Ihr geht auf Menschen zu. Viele von ihnen sind Euch noch gar nicht bekannt. Einer wird vielleicht der Partner für Euer Leben sein, entscheidend ebenso für Euch wie für die Kinder, deren Eltern Ihr sein werdet. Wie findet Ihr den Weg zueinander? Wie lernt Ihr jene Liebe, die auch Enttäuschungen übersteht? Wie lernt Ihr jene wahre Selbstverwirklichung, die nicht nur Ich sagen kann, sondern auch Du und wir? Jesus hat gesagt: „Kommt und lernt von mir.“ Ihr geht auch auf einen Beruf zu, und ich hoffe von ganzem Herzen, daß alle eine Arbeit finden können. Für viele wird es nicht ein Traumberuf sein, sondern ganz nüchtern ein Arbeitsplatz, an dem Ihr aber doch als ganze Menschen gefordert seid. Leistet zuverlässige Arbeit, seid gute Kameraden. Und wenn es Euch gegeben ist, seid auch bereit, besondere Verantwortung zu übernehmen. Habt keine Angst, Euch in Eurem Milieu als Christen zu bekennen. Dieses Bekenntnis bringt Euch eine tiefe Freude, auch wenn Ihr manchmal nicht verstanden oder sogar ausgelacht werden solltet. Ihr seid schließlich auch unterwegs zu einer künftigen Gesellschaft. Ihr wünscht, daß sie besser sei als die jetzige Gesellschaft. Euer Wunsch ist berechtigt. Es wäre aber ungerecht, jenen nicht zu danken, die zu ihrer Zeit im voraus vieles für Euch getan haben. Es wäre ungerecht, rückblik- 591 REISEN kend und besserwissend alles Gewesene gering zu schätzen. Als Christen glauben wir aber auch an die Möglichkeit der Weiterentwicklung zum Besseren. Dies setzt freilich oft eine tiefgreifende Neubesinnung und Umkehr voraus. Ihr wollt eine Gesellschaft mit mehr Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Ihr wollt eine Gesellschaft mit mehr Verantwortungsbewußtsein gegenüber Mensch und Umwelt, mit mehr Toleranz und vor allem mit mehr Friede. Beginnt Ihr damit, wahrhaftig und gerecht zu sein, barmherzig und um Frieden bemüht, um Frieden, den man von anderen nur erwarten kann, wenn man ihn selbst lebt. Ihr geht auf eine Gesellschaft zu, die Ihr mitgestalten müßt. Die nächste Generation wird Euch genauso fragen, wie Ihr heute die Älteren fragt: Was habt Ihr aus Eurem Leben und aus der Welt gemacht? Den Glauben nicht billig veräußern 5. Ihr werdet auch, liebe Freunde, die kommende Geschichte der Kirche prägen. Ich bin überzeugt, daß Ihr keine Kirche wollt, die die Forderungen Jesu verkürzt oder die Schätze des Glaubens zu billigen Preisen veräußert. Ihr wollt eine Kirche, die deutlich spricht und glaubwürdig lebt. Ohne sich an den Zeitgeist auszuliefern, soll sie den Menschen von heute Hoffnung vermitteln. Sie tut dies: - indem sie unter den Menschen die Überzeugung wachhält, daß die Erlösung der Strukturen von der Erlösung der Herzen abhängt; - indem sie das Heil nicht allein von unserer eigenen Anstrengung, sondern vor allem als Gottes Geschenk erwartet; - indem sie Gott als unsere endgültige Erfüllung verkündet und uns die Angst nimmt, das Glück zu verpassen, wenn wir es uns nicht in raschem Zugriff selbst verschaffen; - indem sie eine fröhliche Einfachheit lebt, weil sie in Gott ihren wahren Reichtum hat. Jesus sagt heute zu jedem von Euch, was er einst zum heiligen Franz von Assisi gesagt hat: Du sollst mein Haus, die Kirche, wieder aufbauen. Viele träumen von einer anderen, einer ganz neuen Kirche. Christus fordert Euch jedoch auf, ihm Euren Einsatz für die gegenwärtige Kirche zu schenken: diese sollt Ihr „wieder aufbauen“, diese soll erneuert werden. Heute schon kann Euer Dienst beginnen, die Kirche von morgen bauen zu helfen: eine Kirche, die keine Trennung kennt, weder die Trennung von Konfessionen noch der Generationen; eine Kirche, die vielen Heimat 592 REISEN bietet und doch deutlich macht, daß diese Welt nicht unser endgültiges Zuhause ist. In dieser Kirche habt Ihr alle einen Platz, eine Aufgabe. Ihr baut diese Kirche als junge Christen, als künftige Mütter und Väter, als gläubige Menschen in vielen Berufen und Lebensbereichen. Unter Euch sind sicher auch nicht wenige, die Christus zum Dienst des Priesters, der Ordensfrau, des Ordensmannes berufen will. Verweigert Euch nicht seinem Ruf. Achtet auf seine leise Stimme inmitten der lauten Stimmen, die Euch etwas anderes sagen wollen. 6. Eure Aufgabe ist groß, junge Freunde! Aber Jesus sagt auch zu Euch: „Fürchtet Euch nicht.“ Laßt Euch nicht lähmen durch Unheilspropheten. Verschreibt Euch nicht dem Motto „Alles oder nichts“, sondern habt Mut und Geduld zu kleinen Schritten. Denkt selbst nach und laßt Euch nicht durch fremde Parolen leiten. Jesus sagt auch zu Euch: „Kehrt um, bekehrt Euch.“ Schiebt Eure Verantwortung nicht auf andere, auf die Gesellschaft, auf den Staat, auf die Kirche. Kehrt um aus der Klage und Anklage zu Eigenverantwortung. Laßt Euch im Bußsakrament versöhnen mit Gott und den Menschen, dann werdet Ihr frohe Menschen sein und auch andere froh machen können. Jesus fragt auch Euch, wie er Petrus gefragt hat: „Liebst du mich?“ Wenn Ihr ihn liebt, was darf dann diese Liebe kosten? Ihr seid reich an Begabungen, an Ideen, an gutem Willen. Ihr setzt Euch ein für den Frieden und gegen die Not in der Dritten Welt. Ihr seid jung. Es ist auch heute schön, jung zu sein: offen für die Welt und für das Leben. Es ist schön, zu schenken und zu empfangen. Jesus sagt zu Euch: „Ich sende euch.“ Bleibt nicht sitzen in Bequemlichkeit. Bleibt nicht sitzen mit Euren Zweifeln und Ängsten, sondern geht. Ihr wißt den Weg. Unser Weg ist Jesus Christus. Gehen wir diesen Weg miteinander! 593 REISEN ,, Wieder entdeckt im gemeinsamen Glaubensfundament“ Ansprache an die Repräsentanten der christlichen Kirchen im Erzbischöflichen Palais in Wien am 11. September Verehrte Brüder in dem einen Herrn! 1. Wir haben in dieser Morgenstunde gemeinsam zu Gott, unserem Vater, gebetet und dabei erlebt, wie tief wir durch die eine Taufe und den christlichen Glauben in dem einen Herrn Jesus Christus verbunden sind und wie wir alle aus diesen Quellen gespeist werden. Darum möchte ich Sie jetzt ganz bewußt als Brüder ansprechen. Mit großer Freude und Dankbarkeit nehme ich die Gelegenheit wahr, heute mit Ihnen, den Verantwortlichen der christlichen Kirchen in Österreich, zusammenzusein. Ein besonderes Wort des Dankes gilt Ihnen, dem hochwürdigsten Herrn Metropoliten Dr. Tsiter, und Ihnen, Herr Landesbischof Magister Knall, für Ihre freundlichen Grußadressen und die darin enthaltenen Anregungen. Wir dürfen uns freuen, daß diese auf verschiedenen Ebenen schon weitgehend Gegenstand des ökumenischen Gesprächs sind. Unser Lob und Dank strebt über alle brüderlichen Worte und Zeichen hinaus zum Geber aller Gaben, der die Seinen instand gesetzt hat, sich in dieser Gemeinschaft des einen Geistes zu begegnen. 2. Wir alle blicken bei dieser Zusammenkunft tief bewegt zurück über den Lauf der Jahrhunderte, in denen Österreich — wie manche andere europäische Länder — durch die Wirren konfessioneller Auseinandersetzungen erschüttert wurde. Das kirchliche, kulturelle und gesellschaftliche Leben des Landes war geprägt von religiöser Zwietracht, ja von feindseliger Intoleranz, Unterdrückung und Verfolgung. Gerade als Christen wissen wir um die Begrenztheit und Schwäche des Menschen, um die Möglichkeit des Versagens vor dem hohen und lauteren Anspruch des Evangeliums. Die Schuld, die Christen tatsächlich auf sich geladen haben, darf nicht geleugnet werden. Sie wartet immer neu auf Bekenntnis und Vergebung. Dabei sitzen wir nicht zu Gericht über eine Vergangenheit, deren Erbe wir selbst sind und die nur in ihren besonderen geschichtlichen Umständen verstanden werden kann. 594 REISEN Mit der schmerzlichen Erinnerung und der Bitte um Vergebung verbindet unsere Kirche gemäß dem Willen des II. Vatikanischen Konzils die ernsthafte Bereitschaft, die unheilvollen Folgen der Vergangenheit zu überwinden. Mit der Erklärung über die Religionsfreiheit und dem Dekret über den Ökumenismus ist uns der Weg in die Zukunft gewiesen, der neue Horizonte der Hoffnung auf eine wachsende Einheit und Gemeinschaft der Christen erschließt. Der vom Konzil ausgestreute Samen hat hierzulande bereits deutlich Wurzeln geschlagen. Der Prozeß der Versöhnung unter den Christen der verschiedenen Traditionen hat zu sichtbaren Ergebnissen geführt, die verheißungsvoll stimmen und auch als beispielhaft gelten können. Ich möchte Sie ermutigen, in Ihren Bemühungen fortzufahren. 3. Es freut mich in besonderer Weise, daß die katholische Kirche in Österreich sich seit Jahren ihrer ökumenischen Verantwortung auch weit über die Grenzen des Landes hinaus bewußt ist. Sie versucht eine Brücke zu bilden, auf der sich Ost und West, Nord und Süd begegnen. Dem Erzbischof von Wien, dessen segensreicher Einsatz für die Weltkirche und die Ökumene weit bekannt ist, verbindet sich das Wirken von engagierten Theologen, Priestern und Laien zur Seite, die je auf ihre Weise dem Ruf unseres Herrn zu entsprechen versuchen. Ich weiß auch mit Freude darum, daß Sie seit Jahren eine betende Gemeinschaft sind. Besonders die „Ökumenische Morgenfeier“ hat ja schon eine segensreiche Tradition. Durch den Stiftungsfonds „Pro Oriente“ hat die katholische Kirche einen bedeutsamen Beitrag im Dialog mit der orthodoxen Kirche geleistet, und durch das ekklesiologische Kolloquium „Koinonia“ hat sie geholfen, den Weg zum offiziellen theologischen Dialog zwischen der orthodoxen Kirche und der römisch-katholischen Kirche zu ebnen. Ebenso wurden brüderliche Kontakte zu den altorientaüschen Kirchen in den sogenannten „Lainzer Gesprächen“ gepflegt. Mögen alle diese Arbeiten in großem gegenseitigen Vertrauen, mit aufrichtiger Hochachtung und Liebe segensvoll weitergeführt werden. Auch die Gespräche zwischen katholischen und evangelischen Theologen haben dazu beigetragen, traditionelle Vorurteile abzubauen, haben ein neues Klima des Miteinander geschaffen und sogar Weichen für die Durchführung von gemeinsamen pastoralen Programmen gestellt. Solche Schritte auf Landesebene sind unverzichtbare Elemente der umfassenden ökumenischen Bewegung. Sie stützen und inspirieren in wechselseitigem Austausch die Lebensvorgänge und Entwicklungen im Ganzen des Volkes Gottes. So erst gedeiht eine rechte Weggemeinschaft zwischen allen, die 595 REISEN das Zeichen Christi auf ihrer Stirn tragen. Mein Dank gilt allen Mitgliedern und Beratern der offiziellen Gesprächskommissionen. Ihre Arbeit findet auch im Päpstlichen Einheitssekretariat Beachtung und Anerkennung. 4. Mit besonderer Genugtuung und Zuversicht erfüllt uns der Gedanke, daß die katholische Kirche Österreichs sich in diesen Tagen zu einem Katholikentag versammelt hat, der die Türen für alle Gäste offenhält, die durch das einigende Band der Taufe auf den Namen des Dreifältigen Gottes in einer echten, wenn auch noch nicht vollen Gemeinschaft mit dieser unserer Kirche stehen. Der Geist dieser großen Zusammenkunft wie seine äußeren Formen sind bewußt geprägt vom Willen zu christlicher Offenheit füreinander, zur gegenseitigen geistlichen Stärkung und Bereicherung, zur Sammlung für ein gemeinsames Zeugnis und zur Sendung in eine Welt, die sich nach Licht und Wärme sehnt. Diese Ausrichtung des Katholikentages entspricht einem wesentlichen Anliegen, welches das Zweite Vatikanische Konzü im ökumenismus-dekret proklamiert hat. Dort ermahnt es „alle katholischen Gläubigen, daß sie die Zeichen der Zeit erkennend, mit Eifer an dem ökumenischen Werk teilnehmen“ (Nr. 4). Ferner betont es: „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen“ (Nr. 5). 5. Verehrte Brüder! Unsere Begegnung findet zu einer Zeit statt, wo die evangelischen Christen sich auf vielfältige Weise des 500. Geburtstages von Martin Luther und von Huldrych Zwingli erinnern. Diese Daten gehören zu unserer gemeinsamen Geschichte. Wir sind Erben jener geschichtsmächtigen Ereignisse der Reformationszeit, deren Auswirkungen wir uns heute noch stellen müssen. Nach Jahrhunderten des polemischen Gegeneinander oder kühlen Nebeneinander haben wir uns im wahren Sinn des Wortes „wiederentdeckt“ in unserem gemeinsamen Fundament des Glaubens an den einzigen Herrn und Heilsbringer Jesus Christus, aber auch in der Suche nach der tieferen und umfassenderen Fülle der Offenbarung. Für diese Bereitschaft zur Verständigung möchte ich gerade hier in Wien an die Gestalt jenes großen Zeugen des Evangeliums erinnern, in der die versöhnende Kraft des Erlösungswerks Jesu Christi in Wort und Tat vor den Menschen sichtbar wurde. Ich meine den Stadtpatron, den heiligen 596 REISEN Clemens Maria Hofbauer. Er hat in der Kirche leuchtende Spuren hinterlassen, indem er aufrichtige Verständnisbereitschaft gegenüber der refor-matorischen Christenheit im Geist der Wahrheit und Liebe zu verkörpern suchte. Er hat uns gezeigt, daß wir die Last der Geschichte unserer Trennungen jenseits von Polemik und gegenseitigen Einstellungen nur in demütigem Hinhören und brüderlicher Begegnung bewältigen können. 6. In allen unseren Bemühungen bleiben wir eingedenk jenes wichtigen Prinzips der Heilsgeschichte: „Ich habe gepflanzt, Apollo hat begossen, Gott aber ließ wachsen. So ist weder der etwas, der pflanzt, noch der, der begießt, sondern nur Gott, der wachsen läßt. . . Denn wir sind nur Gottes Mitarbeiter . . .“ (7 Kor 3, 7 ff.). Hat die Einheit der Kirche ihre letzte und absolute Begründung im Geheimnis des Dreifältigen Gottes, in der Einheit und Gemeinschaft der drei göttlichen Personen, so sucht das von Gott berufene Volk aus der Kraft dieses uns alle umgreifenden Geheimnisses zu leben: In der Vielfalt der Gaben des Heiligen Geistes verwirklicht es die Koinonia; im Bekenntnis zum Kyrios Jesus Christus erblickt es das Fundament und die Quelle der allen gemeinsamen Berufung. Erst kürzlich haben die zur Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Vancouver anwesenden Christen in ihren gemeinsamen Gebeten und Meditationen dieses tiefe Geheimnis bedacht und in ihrem geistlichen Miteinander Jesus Christus als das Leben der Welt bekennen und preisen können. Dank sei dem Herrn, der uns berufen hat, in dieser Zeit des Heils, auf dem Weg der Pilgerschaft am Ende des zweiten Jahrtausends unserer Erlösung, der Einheit seines Volkes demütig zu dienen. Wir sind dabei von der unverbrüchlichen Hoffnung geleitet, daß wir eines Tages mit einer Zunge Gott unseren Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit (vgl. Joh 4, 24). 597 REISEN Voller Hoffnung — gegen alle Hoffnung Predigt bei der Festmesse zum Abschluß des Österreichischen Katholikentags im Donaupark in Wien am 11. September 1. „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen“ (Lk 15, 18). Liebe Brüder und Schwestern! Aus der Mitte des heutigen Evangeliums treffen uns diese Worte. Sie bekommen eine besondere Bedeutung beim Abschluß dieses Katholikentages, dessen Thema „Hoffnung leben - Hoffnung geben“ die Perspektiven unserer Hoffnung eröffnet. Ja, jene Worte aus dem Evangelium enthalten tatsächlich die Perspektive der Hoffnung, die Jesus Christus uns offenbart hat, als er mit seiner Frohen Botschaft das ganze Leben des Menschen in ein neues Licht stellte. Die heutige festliche Abschlußmesse gibt mir die Gelegenheit, im Geiste gemeinsamer christlicher Hoffnung alle Teilnehmer an dieser Eucharistiefeier sowie am gesamten Katholikentag aufs herzlichste zu begrüßen. Ich grüße die Gläubigen aus den verschiedenen Diözesen Österreichs. Mein Besuch hier in Wien gilt zugleich allen Orten ihrer nahen oder fernen Heimat. Meinen mitbrüderlichen Gruß richte ich sodann an die hier anwesenden Kardinäle und Bischöfe, an ihrer Spitze den verehrten Herrn Kardinal König, an die Priester und Diakone wie auch an die Vertreter der christlichen Bruderkirchen und anderer Glaubensgemeinschaften. Ebenso aufrichtig begrüße ich die hohen Persönlichkeiten aus Staat und Gesellschaft, die an diesem festlichen Abschlußgottesdienst teilnehmen. Schließlich grüße ich mit Freude die zahlreichen Gäste, die aus vielen anderen Ländern, auch aus dem Osten, zu dieser Eucharistiefeier gekommen sind. 2. Ihr, liebe Österreicher, habt Euren Katholikentag unter das Thema der Hoffnung gestellt. Ihr wißt aus eigener Erfahrung, daß heute viele Menschen, junge und alte, die Hoffnung verloren haben. Aber ohne Hoffnung kann man auf Dauer nicht leben! Wie also finden wir wieder Hoffnung? Wie können wir anderen den Weg zur Hoffnung weisen? Das Gleichnis, das wir soeben im Evangelium gehört haben, spricht von einem jungen Mann, der stolz und selbstbewußt sein Vaterhaus verließ und in die Ferne zog, weil er dort mehr Freiheit und Glück erhoffte. Als aber sein Vermögen dahin war und er in ganz neue, menschenunwürdige Abhängigkeit geriet, schwand all seine Hoffnung. Bis er schließlich seine 598 REISEN eigene Schuld eingestand, sich seines Vaters wieder erinnerte und sich aufmachte, um ins Vaterhaus zurückzukehren. Voller Hoffnung — gegen alle Hoffnung! 3. Genau an dieser Stelle des Evangeliums werden die Worte gesprochen: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen.“ In jenem tiefen Gleichnis Christi ist eigentlich das ganze ewige Drama des Menschen enthalten: das Drama der Freiheit, das Drama einer schlecht genutzten Freiheit. Von seinem Schöpfer hat der Mensch die Gabe der Freiheit erhalten. In seiner Freiheit kann er diese Erde ordnen und gestalten, kann er die wunderbaren Werke menschlichen Geistes schaffen, von denen dieses Land und die Welt voll ist: Wissenschaft und Kunst, Wirtschaft und Technik, die gesamte Kultur. Die Freiheit befähigt den Menschen zu jener einmaligen Gestalt der menschlichen Liebe, die nicht bloß Folge natürlicher Anziehung ist, sondern eine freie Tat des Herzens. Die Freiheit befähigt ihn - als höchste Tat menschlicher Würde —, Gott zu lieben und anzubeten. Die Freiheit hat aber ihren Preis. Alle, die frei sind, sollten sich fragen: Haben wir in der Freiheit unsere Würde bewahrt? Freiheit bedeutet nicht Willkür. Der Mensch darf nicht alles tun, was er kann oder was ihm beliebt. Es gibt keine Freiheit ohne Bindung. Der Mensch ist verantwortlich für sich selbst, für die Mitmenschen und für die Welt. Er ist verantwortlich vor Gott. Eine Gesellschaft, die Verantwortung, Gesetz und Gewissen bagatellisiert, bringt die Fundamente des menschlichen Lebens ins Wanken. Der Mensch ohne Verantwortung wird sich in die Genüsse dieses Lebens stürzen und wie der verlorene Sohn in Abhängigkeiten geraten und seine Heimat und Freiheit verlieren. Er wird in rücksichtslosem Egoismus seine Mitmenschen mißbrauchen oder unersättliche materielle Güter an sich reißen. Wo die Bindung an die letzten Werte nicht anerkannt wird, zerfallen Ehe und Familie, wird das Leben des anderen, besonders des ungeborenen, des alten und kranken Menschen, gering geachtet. Aus der Anbetung Gottes wird die Anbetung des Geldes, des Prestiges oder der Macht. Ist nicht die ganze Geschichte der Menschheit auch eine Geschichte der mißbrauchten Freiheit? Gehen nicht auch heute viele den Weg des verlorenen Sohnes? Sie stehen vor einem zerbrochenen Leben, vor verratener Liebe, in selbstverschuldeter Not, voll Angst und Verzweiflung. „Sie haben gesündigt und die Herrlichkeit Gottes verloren“ (Röm 3, 23). Sie fragen sich: Wohin bin ich geraten? Wo zeigt sich ein Ausweg? 599 REISEN 4. Der verlorene Sohn im Gleichnis Christi ist der Mensch, der seine Freiheit schlecht genutzt hat. In diesem Gleichnis können wir die Folgen des Mißbrauchs der Freiheit - das heißt, der Sünde - sehen: jene Folgen, die auf dem Gewissen des einzelnen lasten, wie auch jene, die zu Lasten des Lebens der verschiedenen menschlichen Gemeinschaften und ihrer Umwelt gehen, ja sogar zu Lasten der Völker und der ganzen Menschheit. Sünde bedeutet eine Herabminderung des Menschen (vgl. II. Vat. Konzil, GS 13): Sie widerspricht seiner wahren Würde und hinterläßt zugleich eine Wunde im sozialen Leben. Sünde hat von sich aus eine persönliche und eine soziale Dimension. Beide verdunkeln den Blick auf das Gute und nehmen dem menschlichen Leben das Licht der Hoffnung. Das Gleichnis Christi läßt uns jedoch nicht stehen vor der traurigen Situation des in Sünde gefallenen Menschen mit all seiner Erniedrigung. Die Worte „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen“ lassen uns im Herzen des verlorenen Sohnes die Sehnsucht nach dem Guten und das Licht untrüglicher Hoffnung erkennen. In diesen Worten eröffnet sich ihm die Perspektive der Hoffnung. Eine solche Aussicht ist uns immer gegeben, weil jeder Mensch und die ganze Menschheit zusammen aufbrechen können, um zum Vater zu gehen. Das ist die Wahrheit, die im Kern der Frohen Botschaft steht. Die Worte „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen“ bestätigen die innere Umkehr. Denn der verlorene Sohn fährt fort: „Ich will zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“ (Lk 15, 18). Im Zentrum der Frohen Botschaft steht die Wahrheit von der metänoia, der Umkehr: Umkehr ist möglich, und Umkehr ist nötig! Unstillbarer Hunger nach Wahrheit 5. Und warum ist das so? Weil sich hier zeigt, was in der innersten Seele eines jeden Menschen liegt und dort trotz der Sünde und sogar durch die Sünde hindurch lebt und wirkt: Jener unstillbare Hunger nach Wahrheit und Liebe, der uns bezeugt, wie sich der Geist des Menschen über alles Geschaffene hinaus zu Gott hin ausstreckt. Auf der Seite des Menschen ist dies der Ausgangspunkt der Bekehrung. Ihm entspricht der Ausgangspunkt auf der Seite Gottes. Im Gleichnis wird dieser göttliche Ausgangspunkt mit eindrucksvoller Schlichtheit und zugleich mit überzeugender Kraft dargestellt. Der Vater wartet. Er wartet auf die Rückkehr des verlorenen Sohnes, als wenn es bereits sicher wäre, 600 REISEN daß er zurückkehren wird. Der Vater geht auf die Straßen, auf denen der Sohn heimkehren könnte. Er will ihm begegnen. In diesem Erbarmen bekundet sich jene Liebe, mit der Gott den Menschen in seinem Ewigen Sohn von Anfang an geliebt hat (vgl. Eph 1, 4-5). Es ist die Liebe, die von Ewigkeit her im Herzen des Vaters verborgen, durch Jesus Christus in unserer Zeit offenbart worden ist. Kreuz und Auferstehung bilden den Höhepunkt dieser Offenbarung. So war es sehr sinnvoll, daß wir gestern während der Europavesper das Kreuz Christi als Zeichen der Hoffnung verehrt haben: denn hieraus bezieht der Österreichische Katholikentag 1983 - zusammen mit der ganzen Kirche - seine Lebenskraft. Im Zeichen des Kreuzes bleibt der göttliche Ausgangspunkt einer jeden Bekehrung in der Geschichte des Menschen und der ganzen Menschheit stets gegenwärtig. Denn im Kreuz ist die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes ein für allemal zur Menschheit herabgestiegen, eine Liebe, die sich niemals erschöpft. Sich bekehren heißt, dieser Liebe begegnen und sie im eigenen Herzen auf nehmen; heißt, auf dieser Liebe das weitere Verhalten auf-bauen. Genau das hat sich im Leben des verlorenen Sohnes ereignet, als er beschloß: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen.“ Zugleich aber war er sich klar bewußt, daß er bei der Rückkehr zum Vater seine Schuld bekennen mußte: „Vater, ich habe mich versündigt“ (Lk 15, 18). Bekehrung ist Aussöhnung. Aussöhnung aber kommt nur zustande, wenn man seine Sünden bekennt. Seine Sünden bekennen bedeutet, die Wahrheit bezeugen, daß Gott Vater ist, ein Vater, der verzeiht. Wer in seinem Bekenntnis diese Wahrheit bezeugt, den nimmt der Vater wieder als seinen Sohn auf. Der verlorene Sohn ist sich bewußt, daß nur Gottes Vaterhebe ihm die Sünden vergeben kann. Liebe ist stärker als Schuld! 6. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr habt in den Mittelpunkt dieses Katholikentages die Perspektive der Hoffnung gestellt: Vertieft Euch gut in das Gleichnis Christi vom verlorenen Sohn. Es ist durch und durch realistisch. Die Perspektive der Hoffnung ist dort eng mit dem Weg zur Umkehr verbunden. Meditiert über alles, was zu diesem Weg gehört: die Erforschung des Gewissens — die Reue mit dem festen Vorsatz, sich zu ändern — das Bekenntnis mit der Buße. Erneuert in Euch die Wertschätzung für dieses Sakrament, das ja auch „Sakrament der Versöhnung“ genannt wird. Es ist eng mit dem Sakrament der Eucharistie, dem 601 REISEN Sakrament der Liebe, verbunden: Die Beichte befreit uns vom Bösen; die Eucharistie schenkt uns Gemeinschaft mit dem höchsten Gut. Nehmt die verpflichtende Einladung der Kirche ernst, jeden Sonntag die heilige Messe mitzufeiern. Hier dürft Ihr inmitten der Gemeinde immer wieder dem Vater begegnen und das Geschenk seiner Liebe empfangen, die heilige Kommunion, das Brot unserer Hoffnung. Gestaltet den ganzen Sonntag aus diesem Kraftquell als einen Tag, der dem Herrn geweiht ist. Denn ihm gehört unser Leben: ihm gebührt unsere Anbetung. So kann auch im Alltag Eure Gottverbundenheit lebendig bleiben und all Euer Tun zum christlichen Zeugnis werden. Das alles ist die Bedeutung der Worte: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen.“ Ein Programm unserer Hoffnung, wie es sich tiefer und zugleich einfacher nicht denken läßt! (Vgl. Enzyklika Dives in miseri-cordia über das göttliche Erbarmen, Nr. 5 und 6.) 7. Von diesem geistlichen Programm her möchte ich nun zusammen mit Euch einiges zur Umkehr im Bereich von Familie und Gesellschaft bedenken. Ehe und Familie sind heute in Gefahr. Darunter leiden so viele Menschen: die Ehepartner und noch mehr ihre Kinder, letztlich aber die ganze Gesellschaft. Vor zwei Jahren habe ich aus der Erfahrung der Bischöfe der ganzen Welt die Krise der heutigen Familie so charakterisiert: Es gibt „Anzeichen einer besorgniserregenden Verkümmerung fundamentaler Werte: eine irrige . . . Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Mißverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familie in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weitverbreitete Übel der Abtreibung“ (Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, Nr. 6). Ein Übel, zu dessen Eindämmung wir noch nicht den rechten Weg gefunden haben und das in seiner Schrecklichkeit noch viel zu wenig Menschen bewußt ist. Die Wurzel dieser Krise scheint vor allem in einem falschen Begriff von Freiheit zu liegen. Eine Freiheit, „die nicht als die Fähigkeit aufgefaßt wird, den Plan Gottes für Ehe und Familie zu verwirklichen, sondern vielmehr als autonome Kraft der Selbstbehauptung — für das eigene, egoistisch verstandene Wohlergehen und nicht selten gegen die Mitmenschen“ (ebd.). Diese negativen Entwicklungen werden noch gefördert durch eine öffentliche Meinung, die die Institution Ehe der Familie in Frage stellt und andere Formen des Zusammenlebens zu rechtfertigen sucht. Trotz der Beteuerung vieler, die Familie sei so wichtig für die 602 REISEN Gesellschaft, wird doch noch viel zu wenig unternommen, um sie wirklich zu schützen. Ich glaube aber, daß der entscheidende Grund für diese Krise tiefer hegt. Ehe und Famiüe sind in Gefahr, weil oft der Glaube und der religiöse Sinn in ihnen erstorben sind. Weil Ehepartner selbst und damit auch ihre Kinder Gott gegenüber gleichgültig geworden sind. Liebe Mütter und Väter, liebe Familien! Macht auch Ihr Euch auf und kehrt zurück zum Vater! Nur in Verantwortung vor Gott könnt Ihr die ganze Tiefe des Reichtums in Ehe und Familie erkennen und leben. Ich weiß, daß in Österreich viele Priester und Laien in den vergangenen Jahren versucht haben, Ehe und Familie aus christlichem Geist heraus zu erneuern. Ich weiß um Euer Bemühen, den Ehegatten zu helfen, in echter Partnerschaft zu leben; um Euer Bemühen, der Frau in Ehe und Familie, in Gesellschaft und Kirche einen ihrer Würde und Eigenart entsprechenden Platz zu geben. Ihr habt erkannt, daß die Kleinfamilie sich öffnen muß für andere, um ihnen aus der selbstgelebten Liebe spirituelle und materielle Hilfe anbieten zu können. Immer mehr Familien werden sich bewußt, daß sie Kirche im kleinen, gleichsam Hauskirche sind. Arbeitet weiter in dieser Richtung! In der Verantwortung vor Gott Sucht aber mit gleichem Ernst nach Wegen, um eine vor Gott verantwortete Elternschaft zu leben, die objektiven Kriterien entspricht, wie sie das kirchliche Lehramt in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri weltweit vorlegt. Ich erinnere dabei besonders an das kürzliche Apostolische Schreiben Familiaris consortio, das die Weisung der Enzyklika Humanae vitae bekräftigt. Christliche Familie! Werde wieder eine betende Familie!Eine Familie, die aus dem Glauben lebt! In der die Eltern erste Katecheten ihrer Kinder sind. Wo der Geist Gottes, der die Liebe ist, erlebt werden kann. Lernt vom barmherzigen Vater, einander immer wieder zu vergeben. Eltern, lernt auch von ihm, Eure Kinder in Freiheit entlassen zu können und doch allezeit für sie bereitzustehen. Schöpft aus unserem Gleichnis die Hoffnung, daß gerade der verlorene Sohn seinen Vater schließlich in einer Weise wiedergefunden hat, wie er ihn vorher nicht gekannt hatte. 8. „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen.“ Diese Worte haben uns den Weg der Hoffnung für die Familien gezeigt. Die Familie gehört aber zu einer bestimmten Gesellschaft, zu einem Volk und im weitesten 603 REISEN Sinne zur ganzen Menschheitsfamilie. So ist sie mitbetroffen von vielen Vorgängen in der heutigen Zivilisation. Hören wir nicht auch in all diesen Vorgängen und Entwicklungen den Notschrei jenes Sohnes aus dem Gleichnis Jesu? Oder wenigstens ein schwaches Echo dieses Schreies? Der Sohn in seinem ungestümen Freiheitsdrang scheint mir ein Gleichnis zu sein für den Menschen in der Gesellschaft der hochentwickelten Staaten. Ein rascher Fortschritt in Technik und Wirtschaft, ein schnell gestiegener Lebensstandard haben grundlegende Veränderungen in diese Gesellschaft gebracht. Eine Euphorie erfaßte viele, als ob der Mensch nun endlich imstande sei, die Welt in den Griff zu bekommen und sie für alle Zukunft zu gestalten. In diesem stolzen Selbstbewußtsein verließen nicht wenige ihre angestammte Weltanschauung, in der Gott Ursprung und Ziel allen Seins war. Nun schien Gott entbehrlich geworden zu sein. Aber diesem selbstbewußten Auszug, weg von Gott, ist alsbald eine große Ernüchterung gefolgt, gepaart mit Angst: Angst vor der Zukunft, Angst vor den Möglichkeiten, die der Mensch nun in Händen hält. Angst also vor dem Menschen selbst. Auch Österreich im Herzen Europas ist von solchen Entwicklungen nicht verschont geblieben. Nun sucht Ihr neue Wege, Antworten auf die Probleme dieser Zeit. Besinnt Euch wieder Eurer geistigen Herkunft! Kehrt um, wendet Euch Gott wieder zu und gestaltet das Leben Eurer Gesellschaft nach seinen Gesetzen! Die Kirche will Euch mit ihrem Hirten- und Lehramt dabei eine Hilfe sein. Mit der Pastoralkonstitution des Konzils wird sie immer wieder die wesentlichen Fragen vorlegen: „Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes? - Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?“ (Gaudium et spes, Nr. 10). 9. Liebe Brüder und Schwestern! Diese Grundfragen des II. Vatikanischen Konzils berühren den Kern des Problems, dem die Arbeiten des Katholikentages 1983 gewidmet sind. Antwort auf diese Fragen gibt das Evangelium. In dieser Antwort eröffnet sich dem Menschen die .Perspektive der Hoffnung. Ohne diese Antwort gibt es keine Aussicht auf Hoffnung. Folgt daraus nicht, daß wir die Frohe Botschaft neu annehmen müssen? Daß wir sie annehmen müssen als eine Botschaft, die für den Menschen unserer Tage ebenso lebensentscheidend ist, wie sie das für den Menschen vor 2000 Jahren war? Daß wir sie annehmen müssen mit innerer Überzeugung und Entschlossenheit zur Umkehr? 604 REISEN Ja, wir müssen eine neue Verkündigung beginnen. Die Verkündigung von der Umkehr und Heimkehr des Menschen zum Vater. Der Vater wartet auf uns. Der Vater geht uns entgegen. Der Vater möchte jeden Menschen wieder als Sohn oder Tochter aufnehmen. Laßt uns aufbrechen und zu ihm gehen! Das ist unsere Hoffnung! Amen. Erinnerung an den Beginn christlicher Hoffnung Ansprache vor dem Angelus in Wien am 11. September Liebe Brüder und Schwestern! Zum Abschluß dieses festlichen Gottesdienstes wollen wir das mariani-sche Mittagsgebet der Kirche miteinander sprechen. Es erinnert uns täglich an den Beginn unserer christlichen Hoffnung in jenem dreifachen Ereignis: der Engel des Herrn bringt Maria die Botschaft — Maria spricht: Mir geschehe, wie du gesagt - das Ewige Wort wird einer von uns. Wir alle wollen uns noch einmal öffnen für die Botschaft, die Gott auf diesem Katholikentag an uns gerichtet hat, damit sein Wort auch in unserem Leben Fleisch annehmen kann. So lade ich nun alle ein zum gemeinsamen Gebet: Euch, die Ihr um diesen Altar versammelt seid - Euch, die Ihr durch Fernsehen und Radio mit uns verbunden seid - Euch alle in den verschiedenen Ländern Europas -vor allem aber Euch Christen Österreichs: in den Diözesen Salzburg und Wien, Linz und Sankt Pölten, Graz-Seckau und Eisenstadt, Gurk, Innsbruck und Feldkirch. 605 REISEN „Eine Welt ohne Kranke würde ärmer sein“ Ansprache an die Behinderten, Kranken und Alten im Haus der Barmherzigkeit in Wien am 11. September Liebe Kranke! Liebe pflegebedürftige Brüder und Schwestern hier im Haus der Barmherzigkeit und draußen in den Spitälern, Heimen und Wohnungen überall in Österreich! 1. Diese Stunde meines Österreichbesuches soll ganz Euch gehören. Ich möchte mit Euch Zusammensein — als Bote Christi, der Euch froh machen will, und als einer, der selbst für einige Wochen Euer Leidensgefährte gewesen ist. Ärztliche Kunst und sachkundige Pflege haben nach Gottes Ratschluß meine Gesundheit wiederhergestellt. So stehe ich heute als Gesunder vor Euch, aber nicht als Fremder. Bemühen wir uns gemeinsam darum: Lassen wir keinen Graben entstehen zwischen uns und Euch, zwischen den Gesunden und den Kranken! Vielleicht habt Ihr manchmal Angst, uns zur Last zu fallen. Vielleicht hat man Euch das sogar gesagt oder fühlen lassen. Dann möchte ich Euch dafür um Verzeihung bitten. Sicher, Ihr braucht uns, unsere Hilfe und Pflege, unsere Hände und unser Herz. Aber genauso brauchen wir Euch. Ihr müßt Euch vieles schenken lassen. Aber Ihr beschenkt auch uns. Euer Kranksein macht uns bewußt, wie gebrechlich menschliches Leben ist, wie gefährdet und begrenzt; macht uns bewußt, das man nicht alles schaffen kann, was man sich vornimmt, daß man nicht alles vollenden kann, was man begonnen hat. Natürlich freut Ihr Euch über alles, was Ihr einmal an Schönem erlebt und an Gutem geschaffen habt; Ihr sollt auch dankbar dafür sein. Aber jetzt seht Ihr das alles in einem neuen Licht, und manches wertet Ihr anders als früher. Ihr wißt jetzt besser, worauf es im Leben wirklich ankommt, und dieses Wissen, diese durch Euer Leid geläuterte und gereifte Lebensweisheit könnt Ihr uns mitteilen - durch das, was Ihr uns sagt, durch das, was Ihr jetzt erlebt, und durch die Art, wie Ihr es ertragt. Der Papst dankt Euch für diese „Predigt“, die Ihr uns durch Euer geduldig ertragenes Leiden haltet. Sie ist durch keine Kanzel zu ersetzen, durch keine Schule und durch keine Vorlesung. Die Krankenzimmer dienen einem Volk nicht weniger als die Klassenzimmer und die Hörsäle. 606 REISEN In der Mitte Eures jetzigen Lebens steht das Kreuz. Viele laufen ihm davon. Aber wer vor dem Kreuz entfliehen will, findet nicht zur wahren Freude. Jugendliche können nicht stark werden und Erwachsene nicht treu bleiben, wenn sie nicht gelernt haben, ein Kreuz anzunehmen. Euch, meine lieben Kranken, wurde es aufgebürdet. Euch hat niemand gefragt, ob Ihr wollt. Lehrt uns Gesunde, es rechtzeitig anzunehmen und mutig zu tragen, jeder in seiner Art. Es ist stets ein Teil des Kreuzes Christi. Wie Simon von Cyrene dürfen wir es ein Stück weit mit ihm tragen. 2. Und nun schaue ich besonders auf Euch, die Ihr von der Last der Jahre gebeugt seid und unter den Gebrechen und Beschränkungen des Alters leidet. Auch Ihr braucht unsere Hilfe, und doch seid Ihr es, die uns beschenken. Auf Eurer Arbeit, auf Eurer Leistung, auf dem, was Ihr gleichsam für uns investiert habt, bauen wir weiter. Wir brauchen Eure Erfahrung und Euer Urteil. Wir brauchen Eure Glaubenserfahrung und Euer Vorbild. Ihr dürft Euch nicht von uns abschließen. Ihr dürft nicht draußen bleiben vor den Türen unserer Wohnungen und vor den Toren unserer Welt. Ihr gehört zu uns! Eine Gesellschaft, die sich von den alten Menschen lossagt, würde nicht nur ihre eigene Herkunft verleugnen, sondern sich auch ihrer Zukunft berauben. Weder alte noch kranke Menschen sind Außenseiter der Gesellschaft. Sie gehören vielmehr wesentlich dazu. Wir alle sind ihre Schuldner. In dieser Stunde möchte ich Euch allen danken, die Ihr in den vielen Nöten und Anliegen der Menschheit Euer Leiden und Beten aufopfert. Natürlich sollen auch die Gesunden beten; aber Euer Gebet hat ein besonderes Gewicht. Ströme des Segens könnt Ihr vom Himmel herabrufen und hinaussenden in Euren Bekanntenkreis, in Euer Vaterland und zu allen Menschen, die der Hilfe Gottes bedürfen. Der Mensch kann hier auf Erden Gott nicht wahrhaftiger loben und anbeten als mit einem Herzen, das auch im Leiden an seine Weisheit und Liebe glaubt. Ein geduldig ertragenes Leid wird selbst gewissermaßen zum Gebet und zum reichen Quell der Gnade. Ich möchte Euch deshalb alle bitten: Macht Eure Zimmer zu Kapellen, schaut auf das Bildnis des Gekreuzigten und betet für uns, opfert für uns - auch für das Wirken des Nachfolgers Petri, der ganz besonders auf Eure geistliche Hilfe vertraut und Euch alle von Herzen segnet. 3. Bei unserer heutigen Begegnung denke ich auch besonders an jene unter Euch, die schon von Kindheit an so krank sind, daß sich ihre körperlichen und auch geistigen Fähigkeiten gar nicht entfalten konnten. 607 REISEN Ich denke an Menschen, die durch einen Unfall, durch eine heimtückische Krankheit schwer behindert sind. Ich denke an jene Form des Altwerdens, in welcher einem Umwelt und Mitmenschen immer mehr entschwinden, an alte Menschen also, die die Weisheit ihres Lebens gar nicht mehr weitergeben und den Dienst der Liebe gar nicht mehr wahrnehmen können. Der Blick auf diese Menschen, denen so Entscheidendes genommen ist, stellt uns vor die Frage: „Worin besteht eigentlich die Würde des Menschen?“ Reichtum an heroischer Liebe Der Mensch hat seinen Adel darin, daß Gott ihn ins Leben gerufen hat, daß er zu ihm ja gesagt und ihn angenommen hat und daß er ihn bei sich vollenden wird. Ist demgegenüber nicht alles menschliche Leben im Grunde bruchstückhaft und unzulänglich, angewiesen auf Gottes vollendendes Wirken? Über Gesunden und Kranken, Frischen und Müden, Beweglichen und Behinderten, geistig Wachen und geistig Schlafenden steht Gottes väterliches Ja und macht jeden ihrer Tage zu einem Stück Weg in die Vollendung - und damit lebens-wert. Liebe Österreicher, möge der Herr über Euer Verhalten zu Euren kranken und behinderten Mitmenschen, in denen letztlich er selber Euch begegnet, einmal sagen können: „Ich war eine Last, und Ihr habt mich getragen; ich war unnütz, und Ihr habt mich geschätzt; ich war entstellt, und Ihr habt meine Würde erkannt; ich war vor der Geburt schon krank, und Ihr habt zu mir ja gesagt“ (vgl. Mt 25, 35 ff.). 4. Kranke und alte Menschen, Behinderte und Pflegebedürftige zeigen uns in besonderer Weise, wie sehr wir aufeinander angewiesen sind und zutiefst zusammengehören. Sie fordern unsere Solidarität und unsere Nächstenliebe auf das äußerste heraus. Wenn Kranke nicht mehr fähig sind, die ihnen geleistete Hilfe zu erfassen und dankend zu erwidern, dann zeigt sich, wie selbstlos und opferbereit solch dienende Liebe sein muß. Krankheit und Leid sind stets eine schwere Prüfung. Aber eine Welt ohne Kranke, so widersprüchlich dies auch klingen mag, würde ärmer sein. Denn sie wäre ärmer an gelebter Mitmenschlichkeit, ärmer an selbstloser, ja mitunter heroischer Liebe. Mit allen kranken und pflegebedürftigen Menschen in Österreich danke ich deshalb zu dieser Stunde von Herzen allen Ärzten, allen Schwestern, Pflegerinnen und Pflegern, die in diesem „Haus der Barmherzigkeit“ und überall im Lande mit Treue und Hingabe ihren Dienst verrichten. Ich 608 REISEN danke allen, die hier und in den anderen Spitälern, in den Heimen und Familien durch ihren persönlichen opferbereiten Einsatz dazu beitragen, daß Leiden gelindert, Krankheiten geheilt und alte Menschen neu mit Mut und Zuversicht erfüllt werden. Ein aufrichtiges Wort der Ermutigung richte ich an die Mütter und Väter, die ihr krankes, vielleicht zeitlebens behindertes Kind voll Aufopferung und oft inmitten einer verständnislosen Umgebung pflegen und lieben; an diejenigen, die ihren alten Eltern eine hebevolle Stütze sind und auch Einschränkungen auf sich nehmen, um ihnen ein wenig davon dankbar zu vergelten, was sie einst von ihnen an selbstloser Liebe empfangen haben. Mein Dank ist nicht nur ein Wunsch. Ihr habt zugleich die Verheißung Jesu Christi, der gekommen ist, zu dienen und zu heilen, was verwundet war. Was Ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt Ihr ihm getan (vgl. Mt 25, 40). Er ist Eure Kraft, er ist Euer Lohn. Er ist - wenn Ihr Euch dafür öffnet - die stille Freude mitten in Eurem Tun. Ebenso ist Christus auch der Trost in Eurem Leid, hebe kranke und pflegebedürftige Brüder und Schwestern. Er, der den Boten seiner Liebe zur Seite steht in ihrem Dienst, er steht auch Euch zur Seite in Eurer Not. Ihm seid Ihr in einer besonderen Weise gleichgestaltet. Er, der die Leidenden geheilt hat, er hat auch selbst gelitten. Er hat selber die äußerste Verlassenheit erduldet, damit wir nie verlassen sind. Er, Christus, unser Herr und Erlöser, sei stets mit Euch und segne Euch alle in seiner reichen Barmherzigkeit und Liebe! Im partnerschaftlichen Dialog mit der Kirche Ansprache beim Empfang des Bundespräsidenten in der Wiener Hofburg am 11. September Sehr verehrter Herr Bundespräsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist für mich eine besondere Ehre und Freude, heute mit dem Herrn Bundespräsidenten, mit den Mitgliedern der Bundesregierung und mit Vertretern des politischen und kulturellen Lebens in Österreich zusam- 609 REISEN menzutreffen. Mit Österreich verbinden mich seit langem persönliche Bekanntschaft und Bande der Freundschaft. Schon in den ersten Tagen nach meiner Berufung auf den Stuhl Petri erhielt ich eine freundliche Einladung zu einem Besuch in Ihrem Land. Nun ist dieser Besuch möglich geworden. Dafür danke ich Ihnen aufrichtig, sehr verehrter Herr Bundespräsident, besonders aber auch für die heutige Begegnung und die ehrenvollen Worte Ihrer Begrüßung. Zugleich danke ich der Bundesregierung und allen zuständigen Stellen dieser Stadt und in ganz Österreich für alles, was sie beigetragen haben, daß mein Besuch so gut vorbereitet und organisiert werden konnte und daß ich eine so herzliche Aufnahme gefunden habe. In Ihnen, den höchsten und maßgeblichen Vertretern Ihres Landes, grüße ich alle, die für das Wohl und Geschick Ihres Volkes Verantwortung tragen. Ich bekunde Ihnen meine Bewunderung für die entscheidungsvolle Geschichte, den kulturellen Reichtum und das hohe Ansehen, die Österreich in Vergangenheit und Gegenwart in der Gemeinschaft der Völker stets ausgezeichnet haben. Mit besonderer Dankbarkeit gedenke ich in dieser Stunde der jahrtausendealten tiefen Verbundenheit des österreichischen Volkes mit dem Christentum und der freundschaftlichen Beziehungen, die seit langem zwischen Ihrem Land und dem Heiligen Stuhl bestehen. Beeindruckende Form der Verkündigung Es ist lange her, daß ein Papst Wien einen Besuch abgestattet hat. Ich bin Gott dankbar, daß die Umstände meines jetzigen Pastoralbesuches andere sind als jene, unter denen vor 200 Jahren Pius VI. in Ihre Hauptstadt gekommen ist. Seinerzeit gab es Anlaß zu großen Sorgen um die Einheit der Kirche und um ihre Autonomie in Österreich. Heute kann sich das kirchliche Leben ungehindert entfalten, der Katholikentag selbst ist ein beredtes Zeichen dafür. Es war mir eine Freude, daran teilnehmen zu können. Es war eine sehr beeindruckende Form der Verkündigung der Botschaft Christi an die Menschen dieses Landes. Es war ein Stück gelebte Hoffnung, das auch vielen anderen Hoffnung geben kann. 2. Die Aufgabe, die die Kirche kraft ihrer Sendung in der Welt zu erfüllen hat, ist eine religiöse und geistliche, keine politische. Aber gerade um des ihr anvertrauten Evangeliums willen verkündet die Kirche, wie das II. Vatikanische Konzil betont, auch „die Rechte des Menschen, und sie anerkennt und schätzt die Dynamik der Gegenwart, die diese Rechte überall fördert“ (Gaudium etspes, Nr. 41). Sie empfindet daher Genugtu- 610 REISEN ung und Dankbarkeit, wenn Staaten, wie die Republik Österreich, dank ihrer demokratischen Grundordnung und der brüderlichen Gesinnung ihrer Bürger sich in den Dienst der Menschenrechte stellen. Dabei ist nicht nur an die gute Ordnung des öffentlichen Lebens und die Bemühungen um die Wahrung der menschlichen Grundrechte im eigenen Land zu denken, sondern auch an die Bereitschaft, Menschen aus anderen Ländern aufzunehmen, die dort ihrer Religionsfreiheit, ihrer Freiheit der Meinungsäußerung oder der Achtung ihrer Menschenwürde beraubt sind. In großzügiger Weise hat Österreich immer wieder solchen Menschen Asyl gewährt. Damit zollt dieses Land der persönlichen Freiheit des Menschen jenen Respekt, der ihr als einem unveräußerlichen Recht der menschlichen Person zukommt. Ein Wort der Anerkennung In diesem Zusammenhang gebührt Ihrem Land ein besonderes Wort der Anerkennung und der Ermutigung dafür, wie es seine europäische und internationale Aufgabe insgesamt wahrnimmt. Wie in der Vergangenheit erfüllt Österreich auch in der Gegenwart vielfach die Funktion des Brückenschlages zwischen den Völkern. Es hat sich immer wieder bemüht, über die eigenen Grenzen hinaus im Bewußtsein der gemeinsamen Aufgaben Europas und dessen Verantwortung in der Völkergemeinschaft seinen Beitrag zur Friedenssicherung und zur Verständigung zwischen den Nationen und Machtblöcken zu leisten. Es wird nötig sein, diese Anstrengungen entschlossen weiterzuführen und die angestrebten Ziele noch klarer ins Auge zu fassen. So hat die Sorge um die internationale Gerechtigkeit schon seit Jahren zu zahlreichen Maßnahmen der Entwicklungsförderung zugunsten ärmerer Weltregionen geführt. Ich freue mich, daß auch die kirchliche Entwicklungshilfe einen erheblichen Beitrag dazu leistet. Dennoch nimmt die Kluft zwischen Reichen und Armen immer noch zu. Das muß alle in Staat und Kirche zu noch größeren Anstrengungen anspomen, die auch tiefgreifende Änderungen in der Weltwirtschaftsordnung einschließen können. Dasselbe gilt für die Sorge um die internationale Verständigung und um die Sicherung des Weltfriedens. Gerade hier hat ihr Land aufgrund seiner geographischen Lage und seines kulturellen Erbes besondere Chancen für noch intensivere Bemühungen um menschlichen und kulturellen Austausch und für eine noch wirksamere Förderung von Begegnungen und Dialog zwischen den Nationen. 611 REISEN Vom christlichen Geist geprägt 3. In diesem Einsatz für das Wohl der Menschen und Völker finden die Staaten in der katholischen Kirche einen stets hilfsbereiten Partner. Die Kirche fühlt sich kraft ihres umfassenden apostolischen Auftrags berufen, zum Dienst am Menschen auch in der Öffentlichkeit beizutragen. Und das besonders in einem Land, in dem sich viele Staatsbürger als Christen bekennen und das in seiner Geschichte und Kultur so stark vom christlichen Geist geprägt worden ist. Die Kirche ist keine politische Instanz. Sie hat keine technologische und wirtschaftspolitische Kompetenz und behauptet sich auch nicht durch Machtpolitik. Sie achtet die Verantwortung des Staates, ohne sich in seine politischen Aufgaben einzumischen. So gewinnt sie um so mehr an Autorität, Mahner für die unwahre Freiheit zu sein, Mahner für die unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person, für ihre Würde und göttliche Berufung. Im Namen der wahren Freiheit und der Würde des Menschen ist die Küche vor allem aufgerufen, für die Bewahrung des moralischen Gewissens und eines vor ihm verantwortbaren sittlichen Handelns einzutreten, und das nicht nur im individuellen, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Es ist somit stets ihr geistlicher Auftrag, der die Kirche dazu bewegt, sich so entschlossen in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den Staaten auch für die zeitlichen Belange des Menschen, für Gerechtigkeit und Frieden, für ein menschenwürdiges Zusammenleben und eine wirksame Verteidigung der sittlichen Ordnung in Familie und Gesellschaft einzusetzen. Dieser konkrete Dienst der Kirche ist um so dringlicher in einer Zeit, in der eine wachsende Mißachtung menschlicher Grundwerte die Fundamente der gesellschaftlichen Ordnung untergräbt und den Menschen selbst in seiner innersten Würde bedroht. Auch der moderne pluralistische Staat kann auf ethische Normen bei der Gesetzgebung und im öffentlichen Leben nicht verzichten, ohne daß das Wohl des einzelnen und der Gemeinschaft großen Schaden erleidet. Dies vor allem dann, wenn es so hohe Rechtsgüter wie das Leben des Menschen in all seinen Phasen zu schützen gilt. Die Kirche bekundet allen Verantwortlichen Solidarität und Anerkennung, die mit ihr aus persönlicher Überzeugung für die Verteidigung der sittlichen Grundwerte in der heutigen Gesellschaft eintreten und dies vor allem auch der Jugend als verpflichtende Aufgabe vor Augen stellen. Daß Sie, verehrter Herr Bundespräsident, dieses in Ihrem verantwortungsvollen Amt immer sehr freimütig und mit Nachdruck getan haben, darf ich an dieser Stelle in hoher Wertschätzung ausdrücklich hervorheben. Dafür und für alle Ihre Bemü- 612 REISEN hungen, durch die Sie das Wirken der Kirche und des Heiligen Stuhles in der Öffentlichkeit stets hochherzig unterstützt haben, sage ich Ihnen aufrichtigen Dank. Der schwere Beruf des Politikers 4. Gestatten Sie mir, sehr geehrte Damen und Herren, zum Schluß auch für Sie noch eine mehr persönliche Anmerkung. Sie, die Sie hier versammelt sind, sind vom österreichischen Volk in freien und demokratischen Wahlen in Ihr politisches Amt berufen worden oder leiten Ihre gesellschaftliche Aufgabe von einer solchen Berufung ab. Sie tragen eine sehr große Verantwortung für dieses Land und seine Stellung in der Welt. Der ehrenvolle, aber schwere Beruf des Politikers fordert den Einsatz aller Ihrer Kräfte und Ihrer ganzen Person. Jene unter Ihnen, denen die Gnade des Glaubens geschenkt ist, werden wissen, daß man dazu auch den Beistand Gottes erbitten darf und soll. Möge Ihnen allen die geistige und sittliche Kraft gegeben sein, den hohen Erwartungen gerecht zu werden, die die Gesellschaft, besonders auch die Jugend, gerade heute an die Politiker richtet. Ich bin Ihnen, sehr verehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Damen und Herren, dankbar dafür, daß Sie der christlichen Sicht der Dinge und dem partnerschaftlichen Dialog mit der Kirche Ihren jeweiligen persönlichen Überzeugungen entsprechend Achtung erweisen. Mögen Sie dem auch in Ihrem verantwortungsvollen Wirken zum Wohl Ihres Volkes konkret Rechnung tragen. Ich erbitte Ihnen, dem „viel gerühmten, viel geprüften, viel geliebten Österreich“ (österreichische Bundeshymne) und allen Menschen, die in ihm wohnen, den bleibenden Schutz und Segen des allmächtigen und barmherzigen Gottes. 613 REISEN Beitrag der Kirche „im Kräftespiel der Nationen“ Ansprache an das Diplomatische Korps in der Wiener Nuntiatur am 11. September Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Es ist mir eine besondere Freude, nach meiner Begegnung mit den höchsten staatlichen Vertretern Österreichs heute abend auch noch mit Ihnen, den bei diesem Staat akkreditierten Diplomaten, zusammenzutreffen. Ich danke Ihnen für Ihr Erscheinen und die Ehre, die Sie dadurch nicht nur meiner Person, sondern dem Oberhaupt der katholischen Kirche erweisen. Zusammen mit dem Hausherrn der Apostolischen Nuntiatur, die für einige Tage auch meine Residenz geworden ist, heiße ich Sie alle sehr herzlich willkommen. Eine eigene Begegnung mit den Mitgliedern des Diplomatischen Korps ist ein fester Bestandteil fast aller meiner Pastoraireisen. Dadurch möchte ich der großen Wertschätzung Ausdruck geben, die der Heilige Stuhl Ihrem Wirken für die Verständigung und die harmonische Zusammenarbeit zwischen den Völkern entgegenbringt. Die Stadt Wien lädt noch in einer ganz besonderen Weise dazu ein. Ist sie doch der Ort, wo die Stellung und Aufgabe der diplomatischen Vertretungen durch internationale Vereinbarungen zum ersten Mal verbindlich festgelegt und formuliert worden ist. Dies geschah bekanntlich durch das Wiener Abkommen im Jahre 1815 und durch die Konvention über die diplomatischen Beziehungen vom April 1961. Instrument der Diplomatie 2. Diplomatische Vertretungen sind ein wichtiges Instrument der modernen Diplomatie. Sie erschöpfen sich nicht nur in der Wahrnehmung bilateraler Interessen zwischen den einzelnen Staaten, sondern erstrecken sich auch auf die grundlegenden Belange und Erfordernisse der internationalen Völkergemeinschaft: auf die Erhaltung oder Wiederherstellung des Friedens, die Förderung einer fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen den Regierungen sowie die Schaffung humaner und vernünftiger rechtlicher Bindungen zwischen den Völkern durch gemeiname loyale Vereinbarungen. Die Diplomatie ist zu Recht als die „Kunst des Friedens“ bezeichnet 614 REISEN worden. Wir erkennen sogleich die ungeheure Aktualität und Verantwortung, die Ihrer Mission als Diplomaten in der Welt von heute zukommen. Der Aufschrei nach Frieden, der sich immer lauter in den Herzen der Menschen und vielerorts auf den Straßen und Plätzen erhebt, scheint den Befürchtungen derer Recht zu geben, die bei der Beobachtung der gegenwärtigen Weltsituation bereits von einem Übergang von der „Nachkriegs-“ zu einer neuen „Vorkriegsphase“ sprechen. Deshalb bedürfen wir heute, vielleicht noch dringender als in der Vergangenheit, der mutigen und beharrlichen Bemühungen einer geschickten Diplomatie, die sich mit Geduld und Ausdauer darum bemüht, der Stimme der Gewalt mit der Stimme der Vernunft zu begegnen, die bestehenden Spannungen zu mindern und stets Raum für den Dialog offen zu halten, damit der Ruf der Menschen nach Frieden nicht eines Tages plötzlich vom Lärm der Waffen erstickt wird. Auf Lüge und Intrige verzichten Es bedarf vor allem einer christlichen und aufrichtigen Diplomatie, die auf trügerische Verschlagenheit, Lüge und Intrigen verzichtet, die legitimen Ansprüche und Forderungen der Partner achtet und durch loyale Verhandlungsbereitschaft den Weg für eine friedliche Lösung von bilateralen und internationalen Konflikten ebnet. Unaufrichtigkeit verbreitet Mißtrauen gerade dort, wo Vertrauen absolut notwendig ist und allein eine wirklich tragfähige Grundlage für eine dauerhafte Verständigung bieten kann. Alle, die nach Frieden rufen, ermutigen Sie, die Sie als Diplomaten Baumeister des Friedens sein sollen, angesichts der großen Schwierigkeiten nicht die Zuversicht zu verlieren, sondern ihren Einsatz für die gerechte Sache des Friedens vielmehr mit Umsicht und Ausdauer noch zu verstärken. Wenn auch die entscheidenden Beschlüsse letztlich auf dem Feld der Politik gefällt werden, so haben Sie als Diplomaten doch die Möglichkeit, aufgrund Ihrer besonderen Stellung und Kenntnis der Lage die Entscheidungen Ihrer Regierungen positiv zu beeinflussen. 3. Wie ich, sehr geehrte Damen und Herren, in meiner Ansprache vor den Vereinten Nationen hervorgehoben habe, „ist die Existenzberechtigung jeglicher Politik der Dienst am Menschen, die unermüdliche und verantwortliche Sorge um die Probleme und wesentlichen Bereiche seiner irdischen Existenz in ihrer sozialen Dimension und Tragweite, von der gleichzeitig ja auch das Wohl einer jeden einzelnen Person abhängt“ (Ansprache vom 2. Oktober 1979). In diesem Dienst am Menschen 615 REISEN begegnen sich die schwierige und verantwortungsvolle Aufgabe des Politikers und Diplomaten mit der besonderen Heilssendung der Kirche, die sich auf das Wohl des ganzen Menschen und auf die gesamte Menschheit richtet. Die Kirche teilt die Sorge der Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft vor allem dort, wo es um die Wahrung und Förderung der hohen Güter wie Frieden, Gerechtigkeit, menschliche Würde, Menschenrechte, Versöhnung und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Völkern geht. Nicht aus politischen Ambitionen, sondern um des Menschen und um ihrer eigenen Sendung willen fühlt sich die Kirche verpflichtet, dafür ihre moralische Unterstützung und jede mögliche konkrete Hilfe anzubieten — auch durch die Mittel und Wege einer vertrauenswürdigen Diplomatie, die ein vorzügliches Instrument des Friedens ist. Nicht nur Symptome bekämpfen Wie Ihnen bekannt ist, unterhält der Heilige Stuhl selbst volle diplomatische Beziehungen zu einer Vielzahl von Staaten, von denen viele gewiß durch Sie auch hier vertreten sind. Das eingangs erwähnte Wiener Abkommen erkennt den päpstlichen Vertretern unter den Diplomaten auch offziell eine gewisse Vorrangstellung zu, die ihnen bereits früher vom internationalen Gewohnheitsrecht eingeräumt worden war. Dies bedeutet nicht so sehr eine Auszeichnung für den Vertreter des Heiligen Stuhles selber, sondern ist vielmehr eine Ehrenbezeugung gegenüber jenen geistigen und sittlichen Werten, die die Kirche in der internationalen Völkergemeinschaft vertritt und deren Vorrang dadurch von den Unterzeichnerstaaten grundsätzlich anerkannt worden ist. 4. Entsprechend der Sendung der Kirche ist auch die Diplomatie des Heiligen Stuhles im wesentlichen religiöser und geistiger Natur. Gerade dadurch vermag sie im internationalen Kräftespiel der Nationen bei der Verfolgung der jeweiligen Ziele den ihr eigenen spezifischen Beitrag zu leisten. Sollen Diplomatie und Politik heute den Erwartungen entsprechen, die in sie gesetzt werden, so müssen vor allem die grundlegenden geistigen und sittlichen Werte in die Zielsetzungen der Völker auf genommen und bei deren Verwirklichung berücksichtigt werden. Die Geschichte und die Erfahrung lehren, wie vergeblich internationale Friedensbemühungen oder der Einsatz für Gerechtigkeit und sozialen Fortschritt sind, wenn man nur die Symptome der vorhandenen Übel und nicht zugleich auch deren Ursachen, die ihnen zugrunde liegenden moralischen Fehlhaltungen und Mißstände, bekämpft. 616 REISEN Den Menschen sittlich erneuern Das Zweite Vatikanische Konzil stellt diesbezüglich in seiner Pastoral-konstitution über die Kirche in der Welt von heute fest: „Die Staatsmänner, die das Gemeinwohl ihres eigenen Volkes zu verantworten und gleichzeitig das Wohl der gesamten Welt zu fördern haben, sind sehr abhängig von der öffentlichen Meinung und der Einstellung der Massen. Nichts nützt ihnen ihr Bemühen, Frieden zu stiften, wenn Gefühle der Feindschaft, Verachtung, Mißtrauen, Rassenhaß und ideologische Verhärtung die Menschen trennen und zu Gegnern machen. Darum sind vor allem eine neue Erziehung und ein neuer Geist in der öffentlichen Meinung notwendig“ (Gaudium et spes, Nr. 82). Um vorhandene Mißstände und drohende Gefahren im privaten und öffentlichen Leben, auf nationaler oder internationaler Ebene wirksam beseitigen zu können, gilt es vor allem, den Menschen selbst zu ändern, ihn sittlich zu erneuern und zu stärken. Schon für diese grundlegende Aufgabe sind Staat und Kirche partnerschaftlich aufeinander verwiesen. Es ist offenkundig, welch wichtigen Beitrag gerade hierfür die Kirche und die Christen zu leisten vermögen. Seien Sie sich, sehr geehrte Damen und Herren, in Ihrem schweren und verantwortungsvollen Wirken als Diplomaten für die Sache des Friedens, der Gerechtigkeit, für die internationale Zusammenarbeit und den allseitigen Fortschritt der Volker stets der solidarischen Unterstützung der Kirche und des Heiligen Stuhles bewußt. Mögen die hohen Werte, für die Sie sich durch die hohe „Kunst des Friedens“ in der internationalen Gemeinschaft einsetzen, auch Ihnen persönlich, Ihren Familien und Ihrem Volk, das Sie hier vertreten, in reichem Maße beschieden sein. Das wünsche und erbitte ich Ihnen allen von Herzen. Dank für Dienste im Verborgenen Predigt bei der Messe mit Vertretern des Laienapostolats und der kirchlichen Dienste im Wiener Stephansdom am 12. September 1. Gelobt sei Jesus Christus! Ich grüße Euch int Namen Jesu Christi; denn „in keinem anderen ist Heil zu finden! Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4, 12). 617 REISEN Ich grüße Euch im Namen Marias, den das heutige Festevangelium so herausstellt und dessen liturgische Feier vor dreihundert Jahren von dieser Stadt ihren Ausgang nahm. Ich grüße Euch alle, die Ihr in diesem ehrwürdigen, dem heiligen Stephanus geweihten Dom versammelt seid. Er ist einst als gemeinsames Werk der Stände in jahrzehntelangem Einsatz entstanden und nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges durch gemeinsame Opfer der Bürger und Länder Österreichs neu errichtet worden. Wie ehedem bildet er als Zeugnis des christlichen Glaubens den weithin ragenden Mittelpunkt dieser Stadt Wien und des Erzbistums. Keine „Kirche von oben“ und keine „von unten“ Heute ist in dieser festlichen Kathedrale das gesamte Laienapostolat Österreichs in seinen Vertretern zugegen, um zusammen mit dem Herrn Kardinal, mit Bischöfen, Priestern und Diakonen und mit dem Nachfolger des heiligen Petrus das Opfer Christi zu feiern. Uns alle verbindet eine gemeinsame christliche Vergangenheit, in der auch die Geschichte der Erlösung Eures Vaterlandes enthalten ist. Zugleich verbindet uns eine gemeinsame Sendung: die Sendung, in unserer Zeit das Heil zu verkünden. 2. Liebe Brüder und Schwestern! „Der Engel Gabriel wurde von Gott... zu einer Jungfrau gesandt... Der Name der Jungfrau war Maria“ {Lk 1, 26.27). Die Darstellung der Verkündigung beim Evangelisten Lukas spricht von der Sendung Gabriels zu Maria, der Jungfrau von Nazaret. Zugleich aber offenbart dieser Text die Sendung des Sohnes Gottes: Gott der Vater sendet ihn in die Welt und gibt ihm eine irdische Mutter. Die Sendung des Sohnes Gottes verwirklicht sich in der Menschwerdung. Das Ewige Wort, eines Wesens mit dem Vater, nimmt Fleisch an; im Schoß der Jungfrau wird es Mensch durch die Kraft des Heiligen Geistes. Im Glauben nimmt Maria die Verkündigung des Engels entgegen und spricht ihr „Fiat“, ihr Ja: So wird sie Mutter Christi. In diesem Geschehen erreicht die Heilsgeschichte ihren Höhepunkt; es beginnt die messianische Sendung Christi unter den Menschen. „Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden . . . und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1, 32.33). 3. Die Sendung Christi, die durch das Kreuz auf Kalvaria vollbracht und durch die Auferstehung vom Vater bestätigt wurde, hat ihre Fortsetzung. 618 REISEN Der auferstandene Herr wird den Aposteln sagen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ (Joh 20, 21). Er sendet sie aus als Zeugen des Evangeliums, als Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung. Er sendet sie als Boten des Reiches Gottes. Er sendet sie, damit er von jetzt an durch ihren Mund, durch ihre Hände, durch ihr Herz wirken könne. In der Kraft des Heiligen Geistes hat der Sohn Gottes seine irdische Sendung übernommen und verwirklicht; in der Kraft desselben Geistes sollen nun die Apostel die Sendung erfüllen, die er an sie weitergegeben hat. Die zweite Lesung der heutigen Liturgie stellt uns die Apostel vor Augen, wie sie in der Erwartung des Heiligen Geistes versammelt sind „zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1, 14). „Sie alle verharrten einmütig im Gebet“, im Gebet um den Heiligen Geist. Ist dieser erste Kern der Urkirche nicht bereits ein Abbild des Volkes Gottes, wie es sich heute aufbaut aus den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel und aus den Laienchristen, Frauen und Männern? In Treue zum geoffenbarten Willen Gottes und seiner amtlichen Auslegung in der Geschichte kennt die Kirche tatsächlich zwei Dimensionen ihres Apostolates: das Apostolat des Amtes aus der apostolischen Sukzession der Bischöfe und das Apostolat der Laien aus der allgemeinen Berufung eines jeden Christen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat beide Dimensionen in ihrem eigenständigen Wert, aber auch in ihrer gegenseitigen Bezogenheit vorbildlich herausgestellt. Dort finden wir das bleibende theologische Fundament für jede konkrete Verwirklichung dieser beiden Apostolatsformen in unseren Tagen. Das Apostolat des Amtes und das Apostolat der Laien stehen nicht im Gegensatz zueinander, sondern sind zuinnerst aufeinander verwiesen. In der Urgemeinde von Jerusalem gab es keine „Kirche von oben“ und keine „Kirche von unten“: „Zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern verharrten alle Apostel dort einmütig im Gebet.“ 4. Brüder und Schwestern! Diese Kathedrale, in der die Geschichte und der stete Glaube Eurer Heimat spürbar sind, erinnert uns daran, wie einst mutige Männer und Frauen die Botschaft von Jesus Christus in dieses Land gebracht haben. Neben Bischöfen, Priestern, Mönchen und Nonnen haben ungezählte Laien aus allen Berufen und in allen Lebensumständen das Evangelium hierhergetragen, eingepflanzt, gefördert und zur Blüte gebracht. Nur Gott kennt das Maß von Glaube, Hoffnung und Liebe, das von diesen Menschen gelebt und geweckt wurde. 619 REISEN Diener und Lehrer der Wahrheit sein Auch heute wird die Kirche nicht müde, die Gnadengaben Gottes auszusäen. Gleichzeitig wird sie nicht müde, daran zu arbeiten, daß steinige Böden sich in fruchtbares Ackerland verwandeln. Dazu könnt gerade Ihr beitragen in Eurer spezifischen Sendung als Laien. Der Laie ist zugleich Zeichen des Heils in der Welt und Brücke zwischen Welt und Kirche. Sehr oft steht Ihr tiefer als die Priester- und Ordensleute inmitten der Lebensbedingungen, der Nöte, Hoffnungen und geistigen Auseinandersetzungen unserer Zeit. Nur mit dem hochherzigen, dem Hirtenamt der Kirche verbundenen, von der sakramentalen Gnade belebten Apostolat der Laien ist die Kirche wirklich Kirche (vgl. Ad gentes, Nr. 21). So möchte ich Euch als Nachfolger des heiligen Petrus in dieser Stunde ausdrücklich danken für Euren Dienst an jener Sendung, die der Sohn des Vaters an seine Kirche gegeben hat. In vielfältiger Weise dient Ihr dem Evangelium: jeder an seinem Ort und entsprechend seiner persönlichen Berufung - doch alle aufs engste miteinander verbunden. Ihr habt Euch einmal selbst für diese Berufe und Aufgaben entschieden. Zugleich aber sind sie Erwählung und Gnade Gottes. 5. Seid davon überzeugt, daß all Euer Wirken im Laienapostolat letztlich im Dienst der Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi steht. Dies trifft in einer besonderen Weise für diejenigen zu, die unmittelbar im Dienst der Glaubensvermittlung stehen. Ich denke dabei an den Religionsunterricht in der Schule und auch an alle anderen Arten von Glaubensunterweisung, besonders in der Vorbereitung auf Taufe und Firmung, auf Buße und Kommunion und auf die Ehe. Mit dem Evangelisten Johannes bekennen wir, daß in Jesus von Nazaret das göttliche Wort Mensch geworden ist (vgl. Joh 1, 14). Gott ist Wahrheit; und es ist uns geschenkt, diese Wahrheit mitten in unserem Menschsein zu vernehmen, sie nachzusprechen, sie zu verkündigen, und dies in unseren Sprachen, mit unseren menschlichen Worten und Sätzen. Daraus leitet die Kirche die Verpflichtung ab, den Glauben auch in klaren Glaubenssätzen auszusprechen und weiterzugeben. Dies entspricht auch der Natur des Menschen, der die königliche Gabe seines Verstandes besitzt, um zu hören, zu bedenken und anzunehmen. Viele geistige Strömungen fordern die katechetische Unterweisung heraus: „Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ (Eph 4, 15), antworten wir mit dem Apostel Paulus. Werdet also nicht müde, Diener und Lehrer der Wahrheit zu sein, damit „euch die Wahrheit des Evange- 620 REISEN liums erhalten bleibe“ (Gal 2, 5). Die Heilige Schrift nennt den Widersacher Gottes „Vater der Lüge“ (Joh 8, 44); unserem Beistand aber nennt sie den „Geist der Wahrheit“ (Joh 4, 17). Ich weiß, wie dornenreich Euer Dienst in der Katechese sein kann. Aber vertrauen wir darauf, daß der Geist Gottes mit seiner Wahrheit in der Kirche lebt, und stoßen wir nicht die uns Anvertrauten in die Verlassenheit einer bloß subjektiven Auslegung des Glaubens. Benützen wir alle guten Methoden, damit Wahrheit als verdauliche Speise gereicht werden kann (vgl. 1 Kor 3, 2). Zugleich aber gilt die Mahnung des Apostels: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht“ (2 Tim 4, 2). Jene Evangelisierung, die den Laien anvertraut ist, geschieht aber vor allem im jeweiligen Lebensmilieu. Mit Recht sagen wir, daß die Eltern die ersten Katecheten ihrer Kinder, daß die Arbeiter die ersten Apostel der Arbeiter sind, daß Jugendliche ihre Freude oft besser anzusprechen wissen als Erwachsene. Wo immer Ihr als gläubige Katholiken lebt, berufen durch Taufe und Firmung, dort seid Ihr wahre und echte Glaubensboten, bestellt zur Befreiung der Menschen, durch die Wahrheit (vgl. Joh 8, 32). Es wird oft hilfreich sein, sich dafür in Gemeinschaften zusammenzuschließen. Immer hat die Kirche ihre unerschöpfliche Lebenskraft bewiesen, wenn durch die vielen Jahrhunderte ihres Bestehens Gemeinschaften des geistlichen Lebens und des Apostolates entstanden sind. Manche sind zeitbedingt; manche bleiben durch viele Jahrhunderte lebendig. Kraft aus der Feier der Geheimnisse Christi Ich grüße alle diese Gemeinschaften! Ich weiß um Euren Beitrag zum Aufbau des kirchlichen und gesellschaftlichen Lebens, den Ihr bisher geleistet habt und der auch heute von Euch erwartet wird. Bemüht Euch dabei um eine ständige Erneuerung aus den Quellen, die uns die Lehre der Kirche und das Vorbild heiligmäßiger Menschen anbieten. Die Feier der Geheimnisse Christi, zumal die Eucharistie, muß die unverrückbare Mitte bilden, aus der Ihr Eure apostolische Kraft bezieht. Seit langem gibt es auch in Eurem Lande zahlreiche Menschen, die bereit sind, die Bischöfe und Priester in ihrer Seelsorge unmittelbar zu unterstützen. Vor allem die Seelsorgshelferinnen haben Pionierarbeit geleistet für einen Dienst, der heute in den Gemeinden immer bekannter wird im Beruf des Pastoralassistenten. Dankbar denke ich auch an viele andere Männer und Frauen, die hauptamtlich dem Reich Gottes in der Kirche dienen: Sakri- 621 REISEN stane und Organisten, Juristen und Fachleute der Verwaltung. Besonders intensiv stellen die Mitarbeiter der katholischen Caritas und alle, die in christlicher Gesinnung sich den vielfältigen Werken der Barmherzigkeit widmen, das liebevolle Antlitz und die helfenden Hände Christus dar. Ihr werdet durch Euer ganzes Tun zum Zeichen für das Erbarmen Gottes mit dem bedrängten Menschen. Das Mitleiden im Namen Jesu sollte die personale Wurzel jeglicher Sozialarbeit der Kirche sein. Zur sinnvollen Koordinierung all dieser Dienste im kirchlichen Bereich bestehen auch bei Euch Pfarrgemeinderäte und ähnliche Gremien auf höherer Ebene. Sie alle machen die Wirklichkeit des ganzen Volkes Gottes deutlich. Sie tragen dazu bei, daß Priester und Laien gemeinsam Wege der Evangelisierung suchen können; sie helfen, daß die Kirche auch in der öffentlichen Meinung Eures Landes ihre Stimme besser zur Geltung bringt. Schließlich möchte ich noch jene nennen, die oft Dienste im verborgenen leisten. Es ist nicht gleichgültig, ob das Gebäude einer Kirche mit Liebe gepflegt und geschmückt wird; es ist nicht gleichgültig, wer die Pfarrhöfe betreut; es hat seine Bedeutung, mit welchem Geist die vielfachen kleinen Verrichtungen in einer Gemeinde getan werden, die in den Augen Gottes groß sein können. Auch sie brechen dem Evangelium Bahn, wenn sie aus überzeugtem Herzen getan werden. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Damit Eure Arbeit in den verschiedenen Bereichen des Laienapostolates zur vollen Wirkung gelangen kann, müßt Ihr selbst vom Geiste Christi zutiefst beseelt und durchdrungen sein. Deshalb rufe ich Euch auf, Euer eigenes Leben zu heiligen. In Eurem Land haben Heilige gelebt und gewirkt, deren Andenken unvergessen ist. Hier in Wien gedenken wir besonders des hl. Klemens Maria Hofbauer. Es waren Priester und Laien, Männer und Frauen, Ordensmänner und Ordensfrauen. Und auch in jüngster Zeit gab es bei Euch Menschen, auf die wir, wenn sie auch nicht oder noch nicht zur Ehre der Altäre erhoben wurden, mit Dankbarkeit und Hoffnung blicken. Ein Heiliger ist in seinem Leben und Sterben eine Übersetzung des Evangeliums für sein Land und seine Zeit. Christus zögert nicht, seine Jünger zur Nachfolge, ja zur Vollkommenheit aufzufordern (vgl. Mt 5, 48). Die Bergpredigt ist eine einzige Schule, um heilig zu werden. Habt keine Angst vor diesem Wort und habt keine Angst vor der Wirklichkeit eines heiligen Lebens! Sicher bedarf die Kirche ihrer großen Einrichtungen, ihrer Strukturen, auch ihrer finanziellen Mittel. Die Quelle ihres 622 REISEN Lebens aber ist der Geist Gottes, der sich in den Menschen ganz konkret ausprägen möchte. Pflegt also das Gebet, besonders auch das persönliche Gebet. Viele Eurer Kirchen sind hervorragende Kunstwerke, sie dürfen jedoch nicht zu Museen werden. Die beständige Treue des stillen Gebetes vieler Menschen vor dem Tabernakel trägt dazu bei, diesen Kirchen ihre wahre Bestimmung und Würde zu erhalten. Belebt in Euren Gemeinden wieder die Gesinnung und das Sakrament der Buße. Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner (vgl. Lk 18, 10 ff.) spricht der Herr deutlich aus, mit welcher Gesinnung jemand den Raum und ebenso das geistige Gebäude der Kirche betreten soll. Ohne Buße wächst Anklage gegen Anklage, und aus diesen Anklagen wachsen Feindschaft, Unfrieden, ja Krieg. Unsere Buße vor Gott dient nicht allein der eigenen Heiligung, sondern sie ist ebenso eine Heilung Eurer Umwelt. So werden wir zu lebendigen Zeichen der Hoffnung inmitten von Menschen, die ihre Schuld verdrängen oder von ihr erdrückt werden. Bittet Gott um Gnade, Euer Kreuz tragen zu können. Vielfach ist unser Leben gefährdet, und viele Pläne scheitern. Es gibt nicht wenige Menschen — auch in Eurem Land — die dann keinen Sinn mehr in ihrem Leben finden. Gebt Ihr ihnen durch Eure demütige Kraft neuen Mut, ihr Kreuz zu tragen. Ihr seid dann für sie ein befreiendes Beispiel; in Euch sehen sie den Weg, um zusammen mit unserem Erlöser zu Ölberg und Auferstehung gelangen zu können. Und schließlich: Lebt mutig Euer ganz persönliches Leben, auch wenn es Euch unbedeutend erscheint. Die große Lehrmeisterin des kleinen Lebens, Theresia von Lisieux, hat uns in ihren kurzen Lebensjahren die Einsicht eröffnet, wie groß die kleinen, normalen Tätigkeiten vor Gott sein können. Auch Charles de Foucauld ist hier zu nennen, der das verborgene Leben Jesu in Nazaret als großes Vorbild erkannt hat. Es gibt die aufsehenerregende Heiligkeit einiger Menschen; es gibt ebenso auch die unbekannte Heiligkeit des täglichen Lebens. Die unbekannte Heiligkeit des täglichen Lebens In all dem ist Maria Euch Vorbild. „Der Engel trat bei ihr ein“ und grüßte sie als die Begnadete. „Ave Maria, gratia plena“, so grüßt sie die Kirche über die Jahrhunderte hin. Der Herr ist mit ihr. Ja, der Herr sei auch mit Euch in der Heiligung Eures Lebens und in Eurem apostolischen Dienst. Das ist der Wunsch des Papstes, und das ist der priesterliche Dienst Eurer Bischöfe, Priester und Diakone an Eurer Berufung. 623 REISEN 7. Zum Abschluß möchte ich noch einmal auf die Worte der heutigen Liturgie zurückkommen. Die erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach spricht von der Weisheit, die „aus dem Mund des Höchsten hervorging“ (vgl. Sir 24, 3). Liebe Brüder und Schwestern! Wir wollen diese Weisheit lieben! Dann werden wir unsere Freude finden an einem Apostolat, das im Dienst dieser göttlichen Weisheit steht. Durch diesen Dienst von vielen Generationen hat die Weisheit „bei einem ruhmreichen Volk Wurzeln gefaßt“, im „Anteil des Herrn“, in seinem „Erbbesitz“ (vgl. Sir 24, 12). Durch den gleichen Dienst der gegenwärtigen Generation von Boten der göttlichen Weisheit möchte diese in der heutigen Welt Wurzeln fassen. Laßt uns diesen ewigen Wunsch der göttlichen Weisheit nachkommen. Öffnen wir ihr unser Herz. Bringen wir sie den Menschen und den Dingen in unserer Umgebung nahe. Erschließen wir ihr den Zugangzu Moral und Kultur, zum sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben. Die göttliche Weisheit ist das Licht, das die ganze Schöpfung durchdringt. Sie umfaßt in ihrer Liebe den Schöpfer und die Schöpfung, Gott und die Menschheit. Brüder und Schwestern! Gehen wir die Wege dieser Weisheit! Werden wir ihre Boten! Dienen wir dem Heil, das Gott selbst der Menschheit in Jesus Christus anbietet. Amen. „Der Mensch - das Ebenbild Gottes“ Ansprache an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kunst im Kongreßzentrum der Wiener Hofburg am 12. September Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Mit Freude über diese Begegnung begrüße ich Sie alle. Unter Ihnen ebenso Forscher und Lehrer der österreichischen Universitäten, Hochschulen und Akademien, wie Künstler aus den verschiedenen Bereichen der bildenden Künste, der Musik, der Literatur und des Films. Unter Ihnen sind auch Verantwortliche von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Zugegen sind schließlich jene, die in der Kirche Österreichs um eine 624 REISEN schöpferische Begegnung mit Wissenschaft, Kunst und Medien bemüht sind, an ihrer Spitze der Herr Kardinal. 2. Könnte ich Ihnen nicht begegnen, würde meinem Besuch in Österreich ein wichtiges Element fehlen. Ihr Land hat in der konfliktreichen, aber fruchtbaren Überschneidung mehrerer Kulturen über Jahrhunderte einen großartigen und unverwechselbaren Beitrag zu Wissenschaft und Kunst erbracht, und Sie fügen diesem reichen Erbe Ihren Beitrag für heute und morgen hinzu. Die Geschichte von Wissenschaft und Kunst ist in Österreich, wie in Europa überhaupt, auf vielfältige Weise verbunden mit der Geschichte des Glaubens und der Kirche. Konflikte haben diese Verbindung zuweilen belastet, ja fast unterbrochen. Diese Konflikte sollen uns aber den Blick auf soviel in gemeinsamer Bemühung Geglücktes nicht verstellen, noch dürfen sie ein neues Gespräch zwischen Wissenschaft, Kunst und Kirche zum Wohle der Menschen verhindern. 3. Mögen wir uns im übrigen auch an verschiedenen Ufern auf halten, so begegnen wir einander doch in der Frage nach dem Menschen und seiner Welt, in der Sorge um ihn und in der Hoffnung für ihn. Und wir tun dies in einer weltgeschichtlichen Situation, in welcher die Zukunft des Menschen radikal bedroht ist. In einer solchen Stunde sind alle schöpferischen, alle nachdenklichen und gutwilligen Menschen aufgerufen, ihre Kräfte mehr als je zu verbinden, damit der Weg des Menschen, der Weg der Menschheit nicht durch Katastrophen blockiert und beendet werde. 4. Am Sitz der UNESCO in Paris habe ich vor drei Jahren den dort versammelten Verantwortlichen aus allen Kulturen der Menschheitsfamilie zugerufen: „Seht da: der Mensch!“ Und ich fügte hinzu: „Man muß den Menschen lieben, weil er Mensch ist.“ Hier in Wien und vor Ihnen möchte ich diese Worte wiederholen. Der Mensch ist ja das zusammenfassende Thema aller Wissenschaft und aller Kunst, und die Medien haben gerade dies zum Ziel, Menschen miteinander zu verbinden. Der Mensch als Individuum, als Mitmensch und als Kind Gottes ist auch das Thema der Kirche: so sehr, daß ich in meiner Enzyklika „Redemptor hominis“ sagen konnte: „Dieser Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages gehen muß; ein Weg, der von Christus selbst vorgezeichnet ist und unabänderlich durch das Geheimnis der Menschwerdung Gottes und der Erlösung führt“ (Nr. 14). Die Kirche bekennt den kühnen Glauben, daß der Mensch ein Bild Gottes ist und daß er bei Gott seine ewige Zukunft hat. 625 REISEN 5. Vor diesem Hintergrund möchten Sie bitte die schlichten Gedanken sehen, die ich Ihnen nun vorlege. Alle Wissenschaft vollendet sich als Wissenschaft von Menschen und für den Menschen. Das gilt in gewisser Hinsicht auch von der Theologie, die gerade so vom Menschen handelt, daß sie ihn überschreitet und von seinem Schöpfer her sieht. In allen ihren Bereichen hat sich die Wissenschaft weitestgehend spezialisiert. Dies war eine der Voraussetzungen für jene Entdeckungen und Entwicklungen, die uns staunen lassen über den Geist des Menschen und die den Glaubenden darüber hinaus zum Lob des Schöpfers dieses Geistes drängen. Die technische Anwendung des wissenschaftlichen Fortschritts hat die Bedingungen menschlichen Lebens vielfach verbessert. Man denke nur an die Erfolge im Kampf gegen Hunger und Schmerz. Auch die von der Wissenschaft in Anspruch genommene Wertfreiheit, Wertneutralität ihres Handelns kann als asketische Distanz zu eigenem Wunschdenken reinigend auf die Analyse wirken, wenn sie sich nicht so verabsolutiert, daß sie den unabdingbaren Anspruch sittlicher Werte nicht mehr erkennt. „Die Physiker haben die Sünde kennengelernt“ 6. Wie jedes menschliche Handeln steht aber auch jenes der Wissenschaft und ihrer technischen Anwendung unter einer unaufhebbaren Ambivalenz. Der Mensch ist bedroht durch das, was er selbst produziert. Im Blick auf die Katastrophe von Hiroshima hat der Physiker Jakob Robert Oppenheimer bekannt: „Die Physiker haben die Sünde kennengelernt.“ Angesichts der vielfältigen Bedrohungen der Menschen als Folge technischer Umwälzungen wächst vielerorts die Skepsis gegen Wissenschaft und Technik und entwickelt sich da und dort sogar zur Feindschaft. Dennoch wird nicht der Verzicht auf Wissenschaft und technische Anwendung ihrer Ergebnisse die Probleme lösen, sondern nur ein fortgesetzter, vielleicht sogar noch stärkerer Einsatz beider, freilich unter humanem Maßstab. Denn nicht Wissenschaft und Technik als solche bedrohen den Menschen, sondern ihre Loslösung von sittlichen Maßstäben. 7. Es ist an der Zeit, daß der Mensch — Gottes Ebenbild — wieder Herr und Ziel von Wissenschaft und Technik werde, damit das Werk seines Geistes und seiner Hände nicht ihn und seine Umwelt verschlinge. Dazu müssen sich Wissenschaft, Technik und Politik jene Fragen stellen, die ebenso auf den unverwechselbaren Einzelmenschen wie auf die ganze Menschheit 626 REISEN zielen. Fragen, deren zeitweilige Suspendierung den wissenschaftlichen Fortschritt mitermöglicht hat. Fragen der Philosophie und der Religion, die auf Sinn, Grenzen, Prioritäten und Kontrolle wissenschaftlichen und technischen Handelns abzielen, wobei es selbstverständlich nicht um eine Eingrenzung oder Fremdbestimmung der sogenannten Grundlagenforschung und ihrer Suche nach der Wahrheit gehen darf. Diese Fragen erscheinen im ersten Buch der Bibel als Gottes bleibende Fragen an den Menschen: „Adam, wo bist du?“ und „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ Die Sensibilität dafür hängt in hohem Maße auch vom Beitrag der Humanwissenschaften ab, von denen ich in meiner Ansprache vor dem Institut Catholique in Paris sagte, sie seien das freiliegene Kapital unserer Zeit: Sie zeigten aber trotz der Horizonte, die sie uns eröffnen, auch die ihnen anhaftenden Grenzen. 8. Es ist ermutigend zu wissen, daß die Allianz jener, die sich als Wissenschaftler selbst solche Fragen stellen, im Wachsen begriffen ist. Uber die Grenzen von Ländern und Machtblöcken hinweg bildet sich eine wissenschaftliche Weltgemeinschaft, die sich aus ethischer Verantwortung mit der Gefährdung des Menschen durch genetische Manipulationen, biologische Experimente und die Vervollkommnung chemischer, bakteriologischer und nuklearer Waffen nicht einfach abfindet. Ein Beispiel dafür gaben jene 58 Wissenschaftler aus allen Erdteilen, die im September 1982 anschließend an eine Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften eine Erlärung über die Vermeidung eines Atomkrieges veröffentlicht haben (O. R., dt. Ausgabe, Nr. 26, 1. Juli 1983, S. 13-14). 9. Der Mensch und seine Welt — unsere Erde, die sich bei der ersten Weltraumfahrt als Stern in Grün und Blau gezeigt hat sie müssen bewahrt und entfaltet werden. Dazu gehört ein behutsamer Umgang mit dem Leben, auch mit dem tierischen Leben, und mit der ganzen belebten und unbelebten Natur. Die Erde ist im Horizont des Glaubens kein schrankenlos ausbeutbares Reservoir, sondern ein Teil des Mysteriums der Schöpfung, dem man nicht nur zugreifend begegnen darf, sondern Staunen und Ehrfurcht schuldet. 10. Das Staunen öffnet uns aber nicht nur einen oft vergessenen Weg zur Natur als Schöpfung Gottes, sondern auch einen Weg zur Kunst als Werk des schöpferischen Menschen. Max Reinhardt, der die Salzburger Festspiele mitbegründet hat, nannte die Kunst ein Lebensmittel, also eine Bedingung entfalteten menschlichen Lebens. Und der Dichter Rainer 627 REISEN Maria Rilke, der Ihrem kulturellen Raum angehört, sprach vom Kunstwerk, von der Musik als von etwas, das hinreißt und tröstet und hilft. Helferin des Menschen, das ist eine schöne Definition der Kunst, ein schöner Auftrag für sie. Diesem Auftrag entspricht sie aber nur, wenn sie ihre Freiheit an das Humanum bindet. Das Humanum seinerseits kommt in seiner Größe mit all seinen Hoffnungen, aber auch Gefährdungen nur in den Blick, wenn es im Horizont des Unendlichen, im Horizont Gottes, gesehen wird, der letztlich hinter aller Sehnsucht des Menschen steht und sie allein erfüllen kann. Der einzelne wie die Gesellschaft brauchen die Kunst zur Deutung von Welt und Leben, zur Ausleuchtung der epochalen Situation, zum Erfassen der Höhen und Tiefen des Daseins. Sie brauchen Kunst, um sich dem zuzuwenden, was die Sphäre des bloß Nützlichen übersteigt und so erst den Menschen vor sich selber bringt. Sie brauchen Literatur und Dichtung: ihr sanftes wie ihr prophetisch zorniges Wort, das oft am besten reift in Einsamkeit und Leiden. Nach einem tiefen Gedanken Beethovens ist der Künstler gewissermaßen zu einem priesterlichen Dienst berufen. 11. Auch die Kirche braucht die Kunst, und zwar nicht zuerst, um ihr Aufträge anzuvertrauen und so ihren Dienst zu erbitten, sondern um mehr und Tieferes über die „Conditio humana“, über Glanz und Elend des Menschen, zu erfahren. Sie braucht die Kunst, um besser zu wissen, was im Menschen ist: in jenem Menschen, dem sie das Evangelium verkünden soll. Im besonderen bedarf die Kirche der Kunst für ihre Liturgie, die in ihrer Vollgestalt ein durch den Glauben inspiriertes Kunstwerk sein wül unter Einbeziehung aller schöpferischen Kräfte aus Architektur, bildender Kunst, Musik und Dichtung. In ihrer eschatologischen Dimension verstanden, will die Liturgie Teilhabe am Glanz und Klang des ewigen Jerusalem sein, vom dem die Bibel in ihrem letzten Buch in künstlerischer Sprache spricht. Diese Stadt ist der Ort, wo die Schönheit und das Gute, die im Lauf der Geschichte sooft und so schmerzlich auseinanderfallen, für immer vereint sind. Das Gespräch zwischen Kunst und Kirche Albert Einstein sagt, daß an der Wiege der wahren Kunst und der wahren Wissenschaft das Geheimnis stünde. In die Tiefe dieses Geheimnisses verweisen Religion und Kirche und verbinden sich so mit der Kunst und der Wissenschaft. 628 REISEN Man hat zuweilen vom bevorstehenden oder angekommenen Ende der Kunst gesprochen. In dieser Hinsicht ergeht es der Kunst, aber auch der Philosophie ähnlich wie der Kirche. Ich selbst vertraue auf die Unerschöpflichkeit der Kunst in allen ihren Bereichen, weil ich von der Unerschöpflichkeit des menschlichen Geistes und der menschlichen Phantasie überzeugt bin: „Gott schuf den Menschen als sein Abbild“ (Gen 1, 27). Von dem allmählich wieder beginnenden Gespräch zwischen Kunst und Kirche dürfen wir als Ergebnis vielleicht auf lange Sicht auch künstlerische Werke erwarten, die den Menschen, Glaubenden wie Suchenden, auf eine neue Weise Augen, Ohren und Herz auftun. 12. Darf ich mich nun auf besondere Weise Ihnen zuwenden, die als Publizisten den Menschen einen wichtigen Dienst tun? Ihr Dienst ist Vermittlung, seine Instrumente heißen darum Medien. Ich danke Ihnen für Ihren großen Beitrag dazu, daß das Wort der Kirche gerade auch in diesen Tagen meines Besuches so viele Menschen erreichen konnte. Im Namen Unzähliger, welche, diesen Dienst von Ihnen erwarten und benötigen, bitte ich Sie: Bauen Sie beharrlich Brücken zwischen getrenntesten Ufern und über Grenzen hinweg. Ihr Land bietet dafür besondere Möglichkeiten. Betrachten Sie den Menschen und die Gesellschaft nicht nur mit einem unerbittlich diagnostizierenden Blick, sondern mit einem Blick der Hoffnung, mit dem Spürsinn für mögliche Veränderungen zum Besseren. Ermöglichen Sie es dem Guten, als wenigstens ebenso spannend erlebt zu werden wie das Unerfreuliche. Und zeigen Sie auch im Bedauerlichen das damit verbundene Gute. 13. „Seht da, der Mensch!“ Mit diesem Wort möchte ich meine Überlegungen zusammenfassen. Verehrte Wissenschaftler, Künstler und Publizisten, übersehen und überhören Sie ihn nie: den hoffenden, liebenden, angsterfüllten, leidenden und blutenden Menschen. Seien Sie sein Anwalt, hüten Sie seine Welt: diese schöne, gefährdete Erde. Sie treffen sich dabei mit den Anliegen der Kirche, die unverwandt auf jenen schaut, über den Pilatus sagte „Ecce homo“, „Seht da, der Mensch!“ Jesus Christus — Gottes und der Menschen Sohn — ist der Weg zur vollen Menschlichkeit. Er ist auch das Ziel. Möge es vielen geschenkt werden, ihn neu zu erkennen — auch durch Sie. 629 REISEN Hoffnung als „überspringender Funke“ Ansprache an die österreichischen Bischöfe im Erzbischöflichen Palais in Wien am 12. September Meine lieben bischöflichen Mitbrüder! Dieses Zusammentreffen mit Ihnen hat eher familiären Charakter. Heute mittag ist unser Kreis klein und übersichtlich. Den meisten von Ihnen bin ich schon früher begegnet. Einige sind mir bereits lange bekannt und - wie der Vorsitzende Ihrer Bischofskonferenz, unser verehrter Kardinal -durch viele Gespräche vertraut und nahe. Doch auch das Zusammentreffen im Familienkreis kennt gelegentlich eine deutende Ansprache, wenn etwa der besondere Anlaß ein Wort fordert, das über den Augenblick orientiert und auch eine Weisung für die Zukunft sucht. In diesem Sinne möchte ich mich heute an Sie wenden. Lassen Sie mich Ihnen eröffnen, welche Gedanken mich bewegen, oder vielmehr einen Gesichtspunkt, hinsichtlich des Dienstes in der Kirche Ihres Landes mit Ihnen bedenken. In den letzten Jahren hat sich die Art geändert, in der das bischöfliche Amt ausgeübt wird. Das konziliare Kirchenverständnis sowie das zeitgenössische Denken haben den bischöflichen Leitungsstil beträchtlich umgeformt. Bischöfe müssen heute dem Leben der Gläubigen näher sein. Zäune der Konvention und mancherlei Vorzimmerschranken sind gefallen. - Und wer immer im Evangelium den Aufruf zur größeren Brüderlichkeit unter den Christen hört, kann für diese Wiederentdeckung von mehr Gemeinschaft nur dankbar sein. Mehr noch: Der Amtsträger erkennt sie als Chance, in der unmittelbaren Umgebung mit vielen Christen seine eigene Gottesbeziehung sprechen zu lassen und so die persönliche Glaubensüberzeugung für die Pastoral wirksam zu machen. Auch ich beabsichtigte das bei meinen sonntäglichen Besuchen in den römischen Pfarreien. Mir scheint, die Menschen der Gegenwart brauchen nachdrücklich die Stärkung im Glauben durch den gottverbundenen Zeugen. Allen Gliedern der Kirche, besonders den Mitbrüdern im Priesteramt, kann der geistliche Austausch zur großen Hilfe werden für den Weg zu Gott und für den Seelsorgedienst. Schließlich sind solche Begegnungen uns selbst eine geistliche Kraft. Wie es beispielsweise der Völkerapostel erwartet, wenn er seiner Gemeinde in Rom schreibt: „Ich sehne mich danach, zu euch zu 630 REISEN kommen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben“ (Röm 1, 11 ff.). So bringt der neue bischöfliche Leitungsstil nicht nur eine gute Möglichkeit — er wird gewissermaßen zur Verpflichtung, zum vorzüglichen Pasto-ralinstrument in einer Zeit, da Gottes Antlitz vielen Menschen dunkel und unverkennbar geworden ist. Die Erfahrung der scheinbaren Abwesenheit Gottes lastet ja nicht nur auf den Abständigen und Fernstehenden, sie ist generell. Die Geistesströmung des gängigen gesellschaftlichen Bewußtseins prägt also gleichfalls die aktiven Glieder der Kirche, die ja, wenn auch nicht von der Welt, so doch in der Welt sind. Nöte und Wünsche sind allen Menschen gemeinsam, die Kirche ist keine selige Insel. Fragestellungen und Probleme der Öffentlichkeit haben in Diözesen und Gemeinden Ihr provozierendes Echo. Darum sieht sich der kluge Hirte genötigt, in Welt und Kirche vor allem anderen dem Licht Raum zu schaffen, das aus dem Glauben an die wirksame Anwesenheit Gottes kommt. Der Einfluß des Sakulärismus ist evident. Er straft alle die Lügen, die die Grundaussagen des Glaubensbekenntnisses für Binsenwahrheiten halten. „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater . . .“. Formt dieser Satz wirklich das Leben der Christen von heute? Der Katholik unserer Zeit führt wohl kaum von vornherein schon und mit Selbstverständnis sein Leben im Angesicht Gottes. Die Verknüpfung des Alltags mit Gott ist ihm keineswegs von selbst gegeben. Davon auszugehen, alle Glieder der Kirche erlebten ihre Entscheidungen, Ängste und Freuden ohne weiteres in der Zwiesprache mit dem Vater im Himmel, wäre eine Illusion. Im Gegenteil: Stärker denn je wird es heute ein Problem, wenn die Implikationen kirchlichen Tuns von der Seelsorge nicht deutlich gemacht werden, wenn die stillschweigend vorausgesetzte Gottesbeziehung als garantiert angesehen wird. Wenn wir uns nicht mehr mühen, sie bewußt zu leben, verliert sie ihre Kraft. Gemeinschaft mit dem Vater im andauernden Gebet Jesus läßt in seiner Predigt keine Gelegenheit aus, an die Nähe des Vaters zu erinnern — etwa nach den Aufzeichnungen des Johannesevangeliums. Oft verbindet er das Geschehen ausdrücklich mit dem Vater im Himmel -wie im Gespräch mit Nikodemus oder mit der Samariterin; bei der 631 REISEN Heilung des Gelähmten und des Blindgeborenen oder während der großen Eucharistierede. Wo immer er lehrt, führt er seine Zuhörer geistig zum handelnden Vater — der den Sohn sendet; der dem Sohn das Leben gegeben hat; dessen Werke offenbar werden müssen; der das Lebensbrot reicht und dem die Anbetung gebührt. — Die Proklamation der Herrschaft Gottes, d. h. daß wir Menschen uns faktisch und uneingeschränkt vom Herr-Sein Gottes bestimmen lassen, ist für Jesus der Sinn seiner Sendung. Alle vier Evangelien vermerken demzufolge, wie allgegenwärtig der Vater für Jesus ist; wie unablässig ihn seine Seele sucht. Die Evangelien lassen ebenso erkennen, daß Jesus diese Gegenwart des Vaters seinen Hörern zutiefst einprägen möchte. Der Herr tat es in einem Volk, das durch Geschichte und Frömmigkeit, Geistesleben und Brauchtum ohnehin in beispielloser Weise auf Jahwe bezogen war. Um wieviel mehr braucht diesen Verweis die Menschheit der Gegenwart, in der Gott so fern erscheint, daß man sogar eine „Theologie vom Tode Gottes“ erfand. Der Überstieg von der Alltagswelt hin vor das Angesicht Gottes drängt sich Jesus auf die Lippen. Dabei geht es ihm zunächst gar nicht darum, seine eigene Würde und Legitimation zu sichern; er anerkennt den Vater ausdrücklich als den, der größer ist (vgl. Joh 14, 28). Vielmehr artikuliert sich in diesem Überstieg die Grundkraft seines Wesens; diese Grundkraft gibt ihm die Worte ein. Denn die Verbundenheit mit dem Vater ist für ihn allumfassend. Bitte, verstehen Sie mich nicht falsch! Ich möchte das immer neue und ausdrückliche Einbringen des gegenwärtig wirkenden Vaters in all unser kirchliches Reden und Handeln nicht empfehlen als bloße pastorale Methode. Der Verweis auf den Vater im Himmel als seelsorgliche Technik wäre eine arge Profanierung. Vielmehr muß das Bewußtsein seiner Nähe so wachsen, daß es von selbst in Wort und Tat durchscheint. Unsere Gemeinden und vor allem unsere priesterlichen Mitbrüder sollten unsere Gottverbundenheit als die tiefste Motivation all unseres Dienstes entdek-ken. So könnten wir unsere Brüder und Schwestern von dieser Anwesenheit Gottes lebendig überzeugen und in ihnen den Wunsch wecken, Gottes Gemeinschaft und seinen Willen immer inniger zu suchen. Wer die Verwiesenheit auf den Vater im Himmel tiefer leben möchte, kann wohl nichts Besseres tun, als auf Jesus zu schauen. Das Neue Testament gibt uns - wenn auch spärlich - Andeutungen über seine Weise, die Vertrautheit mit dem Vater zu pflegen. Vor allem sind es die Hinweise auf die langen Zeiten des Gebetes, die hier bedacht sein wollen, zum Beispiel vor der Wahl der zwölf Apostel (vgl. Lk 6, 12.). 632 REISEN Die Gemeinschaft mit dem Vater im andauernden Gebet, in der - ich möchte es ruhig so nennen - mystischen Versenkung, ist wohl die entscheidende Quelle von Jesu Geborgenheit beim Vater. Beim Vater aufgehoben, fragt er nicht ängstlich nach dem morgigen Tag und rät auch seinen Zuhörern, nicht auf Geld und Gut zu setzen, sondern die Sorge um Besitz und Sicherheit abzugeben. Er tritt in souveränem Mut für Gott und seine Ehre ein, ohne die Menschen zu fürchten. Er fasziniert seine Zeitgenossen, die seinetwegen Maria preisen (vgl. Lk 18, 27) und in ihm die Überzeugungskraft eines Menschen rühmen, der redete, „wie einer, der Macht hat“ {Lk 11, 27). In seiner Vorbildlichkeit ist uns der Herr freilich mehr als ein bloßes Modell. Jesu biblische Wege gehen wir nicht nach, wie wir uns andere große Gestalten der Vergangenheit vor Augen führen. Wir tauchen vielmehr ein in eine liebende, innige Vereinigung mit ihm, der ja den Graben der Geschichte übersprungen hat und in seinem Geist jedem von uns allzeit gegenwärtig ist. So mit ihm verbunden, gelingt es uns, durch ihn unsere Existenz für den Vater zu gewinnen. Wir vermögen der Hoffnungslosigkeit zu wehren, die ja aus der Gottesferne herrührt. Wir können den Sog des Materialismus bei den Menschen eindämmen, weil wir unser Vertrauen in die Güte des Vaters bekunden. Und selbst ein aggressiver Widerspruch aus der gesellschaftlichen oder kirchlichen Öffentlichkeit kann unserem Mut nichts anhaben, für Gottes Rechte und für den Glauben der Gesamtkirche einzutreten. - Es war das Zweite Vatikanische Konzil, das Wesen und Wirkweise des bischöflichen Amtes ausführlich dargestellt hat. Besonders die Kirchenkonstitution erinnert uns daran, daß wir Bischöfe „als Lehrer in der Unterweisung, als Priester im heiligen Kult und als Diener in der Leitung der Herde vorstehen“ (Nr. 20). Und meine soeben vorgetragenen Überlegungen werden nur unterstrichen durch die einfordernde Versicherung desselben Satzes, daß wir diesen unseren Dienst „an Gottes Stelle“ vollziehen. Wohl tun wir ihn als einzelne und in je individueller Verantwortung. Doch jedem Bischof ist die Vollmacht zur Ausübung des genannten dreifachen Amtes nur insofern gegeben, als er Glied des Kollegiums des Gesamtepiskopats — ist. Damit folgt aus der Bestellung zum Bischof die nachdrückliche Verpflichtung zur Einheit. Da es Gottes Geist war, der uns dazu gesetzt hat, in der Nachfolge der Apostel die Kirche Gottes zu weiden (vgl. Apg 20, 28) — wie könnte da ein anderer Sinn unser Tun bestimmen als der Geist der Einheit? 633 REISEN Kollegiale Einheit mit dem Gesamtepiskopat Diese Einheit ist zunächst für Ihre Bischofskonferenz und deren Arbeit gefordert. Niemand wird übersehen, wie gewichtig Überlegungen und Entscheidungen dieser kirchlichen Ebene für die Menschen und Ortskirchen Ihres Vaterlandes — ja darüber hinaus — sind. Noch bedeutsamer ist jedoch die kollegiale Einheit mit dem Gesamtepiskopat. Und diese wieder ist nur gegeben, wenn das Bischofskollegium mit dem Papst als seinem Haupt zusammengefügt ist; denn das Bischofskollegium würde ja ohne sein Haupt zerfallen. Obwohl es gewiß theologische und ethische Fragen gibt, die uns Bischöfe wegen der Verpflichtung auf die Einheit zum Zeichen des Widerspruchs machen, so wird „communio“ dennoch in diesem Zusammenhang zur grundlegenden theologischen Bedingung. Darum schreibt auch die Kirchenkonstitution: „Die Bischöfe, die in Gemeinschaft mit dem römischen Bischof lehren, sind von allen als Zeugen der göttlichen und katholischen Wahrheit zu verehren. Die Gläubigen aber müssen mit einem im Namen Christi vorgetragenen Spruch ihres Bischofs in Glaubens- und Sittensachen Übereinkommen und ihm mit religiös begründetem Gehorsam anhangen“ (Nr. 25). Liebe Brüder im Bischofsamt, das Zweite Vatikanische Konzil war für die Kirche ein verheißungsvoller Neubeginn, dessen Impulsen Ihr Dienst in der Kirche von Österreich gilt. Auch meine Besuche in Kontinenten und Ländern wollen die Kräfte dieser Erneuerung stärken. Ich bin zutiefst durchdrungen von der Überzeugung, diese Erneuerung werde um so mehr Dynamik entwickeln, je andauernder und treuer wir, die Hirten der Kirche, in der Gemeinschaft mit Jesus die Nähe des Vaters im Himmel suchen. Dann allein werden wir von Christi Geist und nicht von unseren eigenen Ideen bestimmt. Dann allein kann es uns gelingen, unseren Priestern geistliche Väter zu sein und als gewinnende Brüder ihnen den überspringenden Funken der Hoffnung zu vermitteln, nach dem ja so viele von ihnen rufen. Dann werden Sie die Laien Ihrer Bistümer inspirieren, der Herausforderung durch Gesellschaft und Staat die rechte Antwort zu geben und die Last des Lebens auszuhalten angesichts der vor ihnen liegenden Freude in Gottes Gemeinschaft (vgl. Hebr 12, 2). Möge die Mutter Gottes, die Ihr Volk schon so lange und innig an vielen Orten Ihres Landes verehrt, unsere Fürsprecherin sein, daß diese unsere brüderliche Begegnung von Gott gesegnet sei. 634 REISEN Zum Gemeinwohl aller Nationen Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der UN-Behörden in der Wiener UNO-City am 12. September Herr Generaldirektor der IAEA, Herr Generaldirektor des Büros der Vereinten Nationen, Herr Exekutivdirektor der UNIDO, Vertreter und Funktionäre der verschiedenen internationalen Organisationen, die ihren Sitz in der UNO-City haben! Ihnen allen gilt mein achtungsvoller Gruß, insbesondere weil mir bekannt ist, daß auch Ihre Familienmitglieder an dieser Begegnung teilnehmen und großes Interesse daran bezeigen, wie sie es auch bei all Ihren beachtenswerten Aktivitäten tun, die sie auf eine Weise unterstützen, wie es nur Familienmitglieder können. 1. Gestatten Sie mir, Ihnen meine Wertschätzung für diese Einladung nach hier zum Ausdruck zu bringen, wo so viele wichtige Dienststellen für den Schutz und die Förderung des Lebens auf entscheidenden Gebieten menschlichen Strebens arbeiten: in der friedlichen Nutzung der Kernenergie, der Förderung der Industrie, insbesondere in den Entwicklungsländern, der Handelsgesetzgebung, der sozialen und humanitären Entwicklung und der schwerwiegenden Frage der Rauschgiftkontrolle. Alle diese Dienststellen und Büros bezeugen, wie sehr in der heutigen Welt die Zusammenarbeit nötig ist, wenn wir uns auf konstruktive Art mit vielschichtigen und vielseitigen Sektoren des menschlichen Lebens befassen wollen. Die Behandlung dieser Probleme bietet Möglichkeiten zum Guten und zum Bösen, mit denen frühere Generationen nicht konfrontiert wurden. Die erste gemeinsame Verpflichtung ist daher die der Zusammenarbeit, das gemeinsame Teilhaben an unserer Kompetenz und das Erarbeiten gemeinsamer Entscheidungen durch gemeinsames Bemühen und gemeinsamen Einsatz. Auf diese Weise nehmen die hier errichteten Dienststellen und Büros an eben dem Geist und der Haltung teil, die der UNO als solcher eigen ist und der, wie ich 1979 in New York sagte, „vereint und verbindet und nicht trennt und verfeindet“ (Ansprache an die XXXIV. Generalversammlung der UNO, 2. Okt. 1979, Nr. 4). Das hervorragende Merkmal Ihrer Arbeit sollte sein, daß sie eint und verbindet und nicht 635 REISEN trennt und Gegensätze hervorruft. Dieses Merkmal wächst aus dem Geist, der zur Gründung Ihrer Organisationen geführt hat. Es wird durch die Anforderungen verstärkt, die in Ihren Kompetenzbereichen an Sie gestellt werden. 2. In meiner Enzyklika Laborem exercens stellte ich Überlegungen zur Arbeit im objektiven Sinn an und nahm die Entwicklung der modernen Industrie und Technologie im Reichtum ihrer Ausdrucksformen zum Anlaß, „das Problem der menschlichen Arbeit in neuer Weise wieder zu stellen als die Gesamtheit der Instrumente, . . . deren sich der Mensch bei seiner Arbeit bedient“. Ich betrachtete „den korrekten Erfolg der Technologie als grundlegenden Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt“ {Laborem exercens, Nr. 5). Wenn Sie über all das nachdenken und es auf Ihre verschiedenen Bereiche anwenden, werden Sie dazu herausgefordert, sich auf neue Weise für die Erforschung und Entwicklung der Beziehungen des Menschen zur Technologie einzusetzen. Denn nur wenn wir die Berührungspunkte zwischen dem Menschen und der Technologie überprüfen, können wir die Kriterien bestimmen, die Ihre gegenwärtigen und zukünftigen Bestrebungen lenken müssen. Zu diesem Zweck und angesichts der Tatsache, daß bei diesen Berührungspunkten viele Elemente überprüft werden müssen, möchte ich heute Ihre Aufmerksamkeit auf zwei unerläßliche Faktoren lenken, an die ständig aufs neue erinnert werden muß. Gerade die Vielschichtigkeit Ihrer Arbeit erfordert ein Niveau von Kompetenz und Können, das Sie zeitlich und einsatzmäßig voll beansprucht. So füllt z. B. die Beherrschung auch nur eines der Fachgebiete, die zur Kenntnis der Kernenergie beitragen, ein Menschenleben ganz aus, bedeutet lebenslangen Einsatz und Hingabe. Deshalb kann die Versuchung groß sein, unsere Lebensauffassung, die Werte, die wir hochhalten und die Entscheidungen, die wir treffen, restlos vom Inhalt und von der Methode eines Wissensgebietes bestimmen zu lassen. Eben wegen der allumfassenden inneren Notwendigkeiten dieser höchst vielschichtigen Wissensgebiete, die der Menschheit soviel zu bieten haben, ist es von äußerster Wichtigkeit, daß wir stets am Primat des Menschen als Kriterium für unsere Urteile und Entscheidungen festhalten. Der Mensch ist das Subjekt jeder Arbeit und aller intellektuellen und wissenschaftlichen Disziplinen. Der Mensch ist, nach Gott, das Maß und Ziel aller Unternehmen, die wir in dieser Welt verwirklichen wollen. Sei das Objekt nun die Industrialisierung der Entwicklungsländer oder seien es Kernreaktoren oder Programme für eine bessere Gesellschaft: Das 636 REISEN richtungweisende Kriterium muß immer der Mensch sein. Kein Projekt, möge es auch noch so perfekt oder wirtschaftlich sicher sein, ist gerechtfertigt, wenn es die Würde und die Rechte der Beteiligten in Gefahr bringt. Es wird nicht immer leicht sein, eine solche Reflexion anzustellen, sie ist jedoch nötig. Niemand wird leugnen, daß man die Vielschichtigkeit von Industrie, Technologie und Kemwissenschaft sowie die zahlreichen Organisationen der modernen Gesellschaft unter voller Achtung all ihrer Elemente anfassen muß, die unsere ganze Aufmerksamkeit verdienen. Im Licht dieser Wirklichkeiten und eingedenk ihres Potentials kann und muß ich darauf bestehen, daß der Einsatz und die Bemühungen, die Sie mit Recht den technologischen, wissenschaftlichen und erzieherischen Aspekten gegenüber aufwenden, immer Ihrer Empfänglichkeit und Ihrem Einsatz für die Sache des Menschen gleichkommen muß, der, wie wir verkünden, nach dem Abbild Gottes geschaffen ist und daher wegen seiner so hohen Würde unbedingte Achtung verdient. Der hl Franziskus als Apostel des Friedens 3. Das zweite Kriterium, das ich kurz erwähnen möchte, stellt uns in den Kontext der Welt hinein, in der wir leben. Es handelt sich dabei um die Sorge, die wir für das Wohl des Volkes als solches tragen müssen, für die Wohlfahrt der Gesellschaft, für das, was wir für gewöhnlich als Gemeinwohl bezeichnen. Für Sie heißt das, Ihre Arbeit nicht nur als einen Beitrag zu einem spezifischen Projekt oder für eine bestimmte Regierung oder Dienststelle zu betrachten; es heißt, in Ihrer Arbeit einen Beitrag für alle Menschen der Erde zu sehen. Auf diese Weise werden Sie den Wert eines Projekts anhand seiner Rückwirkungen auf die kulturellen und die anderen menschlichen Werte sowie auf das wirtschaftliche und soziale Wohl des Volkes oder der Nation beurteilen. Sie setzen somit Ihre Arbeit in den weitgespannten und anspruchsvollen Kontext des gegenwärtigen und zukünftigen Wohles der Welt. Sie beschäftigen sich mit allen Nationen dieser Erde. Die Förderung des Gemeinwohls durch Ihre Arbeit erfordert Achtung vor den Kulturen der Nationen und der Völker, gepaart mit einem Sinn für die Solidarität aller Völker und Nationen unter der Führung eines gemeinsamen Vaters. Der Fortschritt einer Nation kann nie auf Kosten einer anderen erfolgen; der Fortschritt aller unter gleicher Nutzung Ihrer Sachkenntnis ist die beste Garantie für ein Gemeinwohl, das allen Völkern das sichert, wessen sie bedürfen und was ihnen gebührt. 637 REISEN 4. Diese wenigen Worte spreche ich heute zu Ihnen, um Sie zu ermutigen. Als Oberhaupt der katholischen Kirche, die ihre Glieder in aller Welt hat, möchte ich Sie alle dazu ermutigen, Diener dieser Welt zu sein, die einer immer größeren Einheit bedarf durch die Bemühungen, die anzustellen jeder von uns in seinem Wirkungsbereich berufen ist. Als Diener der Wahrheit über den Menschen sowie als Diener der Wahrheit in unseren Wissenszweigen, als Diener des Gemeinwohls aller Nationen und Völker wünsche ich Ihnen, daß sie untereinander immer enger verbunden seien in der Arbeit, in der Ihre Fähigkeiten und Ihr Wissen für die Förderung des Wohlstandes, der Harmonie und des Friedens aller Völker und der kommenden Generationen zum Tragen kommen. 5. Gestatten Sie mir, auf einen außerordentlichen Menschen einer früheren Generation anzuspielen - auf jemanden, der als Apostel des Friedens bekannt und berühmt ist, auf eine Gestalt, die sehr oft künstlerisch dargestellt wurde, die vielen von Ihnen vertraut ist und dessen Ideen sich in Worten herauskristallisieren, die seinen Geist vor der modernen Welt tatsächlich zum Ausdruck bringen. Ja, die Ideale des hl. Franziskus von Assisi sind ein Band, das Generationen umfaßt und Männer und Frauen guten Willens aller Jahrhunderte in der Bitte um den Frieden vereint, Männer und Frauen, deren spirituelle Bestrebungen durch die ehrlichen Bemühungen und die gemeinsame Arbeit gefördert werden, die zahlreiche Experten auf vielen Wissensgebieten täglich leisten. Im Geist des hl. Franziskus erlaube ich mir, von unseren Leistungen für die Welt zu sprechen, von dem, was Sie durch Ihre gemeinsame Arbeit als Brüder und Schwestern unter der Führung Gottes, des gemeinsamen Vaters, leisten können: Gott, mach uns zu Werkzeugen deines Friedens! Wo Haß ist, laß uns Liebe säen; wo Beleidigung ist, Verzeihung; wo Zweifel ist, den Glauben; wo Verzweiflung ist, die Hoffnung; wo Finsternis ist, das Licht; wo Trauer ist, die Freude; und wo der Tod ist, laß uns Leben säen; wo Krieg ist, laß uns Frieden schaffen! Gott, mach uns zu echten Dienern der Menschheit, zu Dienern des Lebens und des Friedens! 638 REISEN Christliche Solidarität drängt zum Handeln Ansprache bei der Begegnung mit österreichischen Arbeitnehmern und Gastarbeitern vor der Kirche Am Hof in Wien am 12. September Liebe Brüder und Schwestern aus der Welt der Arbeit! 1. Euch alle, die Ihr heute hierher gekommen seid, begrüße ich auf das herzlichste: Ich begrüße Euch, österreichische Arbeitnehmer, und ich begrüße Euch, die Ihr aus verschiedenen Ländern Europas und sogar aus Übersee hier in Österreich Arbeit gefunden habt. Euer gemeinsames Kommen ist für mich ein eindrucksvolles Zeichen dafür, zu welcher Solidarität Ihr bei der Arbeit bereits gefunden habt. Ich begrüße von dieser Stelle aus aber auch alle, die in den vielen Betrieben dieses Landes Tag für Tag ihre Arbeitskraft zum Wohl aller einsetzen: im Handwerk, in der Industrie, in der Landwirtschaft, in Verwaltung und Dienstleistung. Diese Begegnung soll ein Zeichen meiner tiefen Verbundenheit mit dem arbeitenden Menschen sein. Ich möchte Euch zur Seite stehen und Eure Hoffnungen, Eure Sorgen und Ängste teilen. Euch und Euren Familien will ich Zuversicht und Ermutigung schenken, und dies aus der Kraft unseres christlichen Glaubens, den die meisten von Euch im Herzen tragen. Liebe Freunde! Ihr seid untereinander verbunden durch die gemeinsame - oft so mühevolle - Arbeit, in der Ihr steht. Ihr unterscheidet Euch aber auch voneinander durch Geschichte, Tradition, Sprache, Kultur und Religion. 2. Ich wende mich zunächst an Euch, liebe Gastarbeiter. Ihr habt auf der Suche nach Arbeit und Brot — zum Teil mit Euren Familien — Eure Heimat verlassen, um inmitten einer neuen Umgebung, in einem Land mit einer anderen Kultur und einer fremden Sprache ein neues Leben zu beginnen. Mitgebracht habt Ihr - und das ist Euer Reichtum - Eure vielfältigen Fähigkeiten, Euren Leistungswillen und Arbeitseifer. Ihr habt in den vergangenen Jahren zum wirtschaftlichen Aufbau und Aufstieg des Industrielandes Österreich beigetragen und damit ein Anrecht auf gleiche Behandlung in allen sozialen Belangen der Arbeit erworben. Darüber hinaus bringt Ihr aus Eurer Heimat auch ein reiches kulturelles Erbe mit, Eure Religiosität und Eure Art der Menschlichkeit. 639 REISEN So begegnen sich auf Österreichs Boden wieder Angehörige vieler Völker: in friedlichem Miteinander und in gemeinsamer Arbeit. Diese Tatsache ermöglicht intensive Kontakte verschiedener Kulturen, ein besseres Sichkennenlernen, brüderliche Verbindung unter den Völkern. Die Gemeinsamkeit in der Arbeit könnte zur gegenseitigen menschlichen und geistigen Bereicherung führen. Gemeinsam am gleichen Arbeitsplatz zu stehen, das müßte eine Hilfe sein, etwaige Vorurteile dem anderen gegenüber abzubauen und die Ehrfrucht und Toleranz vor dem Anderssprechenden und Andersglaubenden zu stärken. Die Gastarbeiter zuerst als Menschen aufnehmen 3. Für das Gastland und seine Bevölkerung ergibt sich dabei die Aufgabe, die Arbeiter aus der Fremde zuerst als Menschen aufzunehmen und ihnen brüderlich zu begegnen. Sie dürfen nicht als bloße Arbeitskraft oder Mittel für die Produktion betrachtet werden, die man möglichst billig zu erwerben und auszunutzen sucht, vielleicht sogar unter Umgehung der geltenden Sozialgesetze. Alle, vor allem aber die öffentlichen Stellen, sollen ihnen helfen, in angemessenem Rahmen ihre Familien nachzuholen und sich eine entsprechende Wohnung zu verschaffen; sie sollen ferner ihre Eingliederung in das gesellschaftliche Leben begünstigen. Auch öffentliche Einrichtungen, wie die Gewerkschaft, die Parteien, die mit Bildung befaßten Institutionen, sind auf gerufen, je nach ihren Möglichkeiten zum Abbau von Diskriminierung und Vorurteil von Intoleranz und Mißtrauen beizutragen. Besonders die Christen in diesem Land rufe ich auf, dem Gastarbeiter echte Gastfreundschaft zu gewähren, seinem persönlichen Leben und Wirken ehrliches Interesse entgegenzubringen und sich mit seinen Problemen vertraut zu machen. So wie Jesus selbst und viele heiligmäßige Menschen in seiner Nachfolge sollen wir Christen immer wieder die Grenzen unseres Volkstums, unserer gesellschaftlichen Stellung, unserer kulturellen Prägung überschreiten und gerade den Fremden und Hilfsbedürftigen als unseren Bruder anerkennen und uns in Liebe seiner annehmen. An dieser Stelle möchte ich der Kirche in Österreich danken für alles, was sie für die Seelsorge im Gastarbeiterbereich getan hat und weiterhin noch plant. In besonderem Maße möchte ich jenen Priestern danken, die ihren Gläubigen aus der Heimat nachgefolgt sind, um ihnen auch in der Fremde die Frohe Botschaft in ihrer Muttersprache zu verkündigen. 640 REISEN 4. Und nun, liebe Brüder und Schwestern, wende ich mich besonders an die Männer und Frauen unter Euch, die aus Österreich selbst stammen. Es ist über die Grenzen Eures Landes bekannt, daß Ihr die sozialen Konflikte der Arbeitswelt auf einem sehr fortschrittlichen Niveau austragt. Ihr habt Euch in der Gewerkschaft eine starke Organisation geschaffen, und der hohe Mitgliederstand zeigt ein großes Maß an Solidarität unter Euch. Ihr habt in einem langen Ringen die wichtigsten Fragen im Arbeitsbereich gelöst und gesetzlich abgesichert. Ihr habt ein gewisses Maß an Mitbestimmung im wirtschaftlichen Bereich erreicht und auch bewiesen, daß Ihr mit diesen Möglichkeiten sachkundig und verantwortlich umgeht. Die Arbeiterschaft anderer Länder schaut mit Respekt auf Euch. Es ist erfreulich, daß in Eurem Land Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer fairen „Sozialpartnerschaft“ anstehende Probleme gemeinsam zu klären versuchen und dabei schon beachtliche Erfolge verbuchen konnten. Ich spreche Euch meine Anerkennung dafür aus; denn die christliche Soziallehre vertritt das Prinzip einer friedlichen, allen dienenden Solidarität mit besonderem Nachdruck. Doch auch bei Euch stehen Wirtschaft und Arbeiterschaft heute vor ganz neuen Problemen. Am internationalen Horizont zeichnet sich eine schwere wirtschaftliche Krise ab, die — wie es scheint — vielerorts eine langdauernde Arbeitslosigkeit mit sich bringen kann. Fachleute sagen Entwicklungen voraus, die menschliche Arbeit in geringerem Ausmaß als bisher zur Herstellung von Gütern und zur Bereitstellung von Dienstleistungen notwendig machen. Wir befinden uns bereits in den Anfängen dieser Umwälzungen. In solchen Zeiten muß sich bewähren, was wir Christen vom Menschen und seiner Arbeit denken. Es darf nicht dazu kommen, daß derjenige, der seinen Arbeitsplatz verlieren sollte, auch seinen Standort in der Gesellschaft verliert, daß er isoliert und seines Selbstwertgefühls beraubt wird. Die Arbeit ist zwar für den Menschen von grundlegender Bedeutung. Und das Christentum selbst hat der Arbeit zu hohem Ansehen verholfen. Die christliche Botschaft zeigt aber auch, daß der Mensch nicht erst durch die Arbeit zum Menschen wird. Der Mensch ist Abbild Gottes und ist nach seiner bleibenden Würde und nicht nach seiner Arbeit zu bewerten. Arbeitslosigkeit darf daher niemals als persönlicher Makel gesehen werden. Eine Lösung dieses schwerwiegenden Problems kann nicht ohne Opfer aller Beteiligten gefunden werden. Ihr werdet dabei Eure sooft bewiesene Solidarität erneut unter Beweis stellen müssen. Ich vertraue auf Euch, daß Ihr gemeinsam nach Lösungen sucht und solche auch findet. 641 REISEN 5. Nicht alle Menschen sind in gleicher Weise durch das Übel der Arbeitslosigkeit gefährdet. Es gibt einige Gruppen, die Eurer Sorge besonders bedürfen. Immer mehr Jugendliche werden nach der Zeit ihrer Ausbildung keinen festen Arbeitsplatz finden können. Sie sehen sich in ihrer Bereitschaft zur Arbeit und zur Übernahme von Verantwortung in der Gesellschaft schmerzlich enttäuscht. - Frauen erleben, daß sie zu den ersten gehören, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Wenn auch ihren Aufgaben in der Familie höchste Bedeutung zukommt, dürfen sie jedoch deshalb in ihrem Beruf nicht zurückgesetzt werden. Sie arbeiten heute in fast allen Lebensbereichen und sollen diese Tätigkeiten ihrer Veranlagung gemäß ausüben können ohne Benachteiligungen und ohne Ausschluß von Stellungen, für die sie befähigt sind. - Besonders schwer haben es die Behinderten. Es wäre aber des Menschen unwürdig und eine Verleugnung der gemeinsamen Menschennatur, wollte man zur Arbeit nur voll Leistungsfähige zulassen. Die Menschen dürfen nicht in willkommene Starke und Gesunde auf der einen und in kaum geduldete Schwache und Kranke auf der anderen Seite aufgeteilt werden. Auch hier muß die Arbeit der Würde des Menschen untergeordnet werden, nicht dem wirtschaftlichen Ertrag. Solange es trotz aller Bemühungen Arbeitslose unter Euch gibt, sollt Ihr mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen. Die Not der Länder der Dritten Welt Schließlich muß noch ein Problem erwähnt werden, das mir besonders am Herzen liegt. Vergessen wir bei all den berechtigten Sorgen über die wirtschaftliche und soziale Zukunft nicht die viel größere Not der Länder der Dritten Welt. Wir dürfen heute in der Lösung der großen gesellschaftlichen Probleme nicht bloß an uns selber denken. Wir müssen gerade als Christen solche Lösungen anstreben, die immer auch die Würde jener Menschen im Auge haben, deren fundamentale Menschenrechte verletzt werden. Das gilt gerade auch für den Bereich der abhängigen Arbeit in vielen Ländern der Erde. In diesem Zusammenhang appelliere ich an die katholischen Arbeitnehmer-und Arbeitgeberverbände, an die Schulen und Sozialinstitute, die heutigen weltweiten Probleme der Wirtschafts- und Arbeitsordnung im Licht der katholischen Soziallehre — bis hin zur Enzyklika „Laborem exercens“ — intensiv zu studieren, damit im Zusammenwirken aller verantwortlichen Kräfte gerechte und realisierbare Lösungen gefunden werden können. Liebe Brüder und Schwestern! 642 REISEN 6. Wenn die heutigen Probleme auch übergroß erscheinen, so besteht dennoch kein Grund zur Resignation. Diese Welt - auch in ihrem heutigen Zustand - ist uns von Gott als Aufgabe übergeben. Und unser christlicher Glaube enthält viele Motive und Grundsätze, uns in der richtigen Weise um die Lösung dieser Aufgabe zu bemühen. Die ersten Seiten der Bibel — die Beschreibung des Schöpfungswerkes — sind in gewissem Sinn das erste Evangelium der Arbeit. Der Mensch wurde als Abbild Gottes geschaffen und nimmt durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teil. Das betrifft nicht nur die außergewöhnlichen Leistungen. Männer und Frauen, die durch ihre tägliche Arbeit für ihren Lebensunterhalt sorgen, dürfen mit Recht überzeugt sein, daß sie darin das Werk des Schöpfers weiterführen. Die Entwicklung der sozialen Probleme in Industrie und Wirtschaft hat die arbeitenden Menschen immer stärker zu einem gemeinsamen Handeln herausgefordert — zur Solidarität. Im gemeinsamen Voranschreiten befreiten sich die Arbeiter und Arbeiterinnen aus Erniedrigung und Unterdrük-kung. Sie schufen die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein, für ein Leben in Gerechtigkeit und Freiheit. Die christlichen Arbeitnehmer fanden hierbei Kraft und Anregung besonders auch in der Soziallehre der Kirche. Gott will, daß wir Leben in Fülle haben Christliche Solidarität drängt zum Handeln. Wir sehen in den Evangelien Jesus mit offenen Augen durch seine Heimat gehen. Den mit Leid geschlagenen Menschen wendet er sich liebevoll zu und holt sie heraus aus der Isolierung von Krankheit und Verachtung. Dabei setzt er sich über Widerstände in seiner Umgebung, selbst bei den Aposteln, mit großer Bestimmtheit hinweg. So kann es auch für den solidarischen Christen keine Neutralität dem Unrecht gegenüber geben. Er verläßt die bequeme Distanz und ist bereit, etwas zu tun. Der Entschluß zu handeln ist der entscheidende Schritt, um zum Aufbau einer menschenwürdigen Welt beizutragen. Christliche Solidarität drängt zum gemeinsamen Handeln. Der Weg vom Ich zum Wir setzt den Verzicht auf Egoismus und Eigensinn voraus. Die Suche nach Übereinstimmung ist zugleich eine Schule persönlicher Entfaltung und Reifung. Schließlich ist das gemeinsame Handeln der angemessene Weg, um vorliegende Probleme mit den Betroffenen selbst zu lösen. — Wir sehen diese Elemente oftmals in der Geschichte der Kirche Christi. Auch die Jünger des Herrn bilden um Jesus eine Gruppe gemeinsamen Lernens und Handelns. Sie werden zwei und zwei ausgesandt und 643 REISEN verkünden schließlich nicht bloß eine individuelle Heilsbotschaft - das Heil ist dem ganzen Volk Gottes versprochen. Christliche Solidarität lebt aus dem „Für“, nicht aus dem „Gegen“. Solidarisches Handeln will unnötiges, von Menschen oder von der Natur bewirktes Leid aufheben. Damit richtet es sich zunächst auch gegen jene, die eventuell an der Aufrechterhaltung eines solchen Unrechts oder Unheils interessiert sind. Letztlich aber sollte der Antrieb zur Tat nicht das „Gegen“ sein, das zu neuer Unterdrückung führen kann, sondern das befreiende „Für“. — An Jesus sehen wir, daß er die Auseinandersetzung mit den Übeltätern und Verfechtern des Unrechts nicht scheut. Sein Ziel aber ist die Umkehr des Sünders, nicht sein Untergang; sein Ziel ist das Leben, nicht der Tod. Auch das Ziel der Arbeitersolidarität sollte nicht Sieg, Triumph und Herrschaft sein, sondern Hilfe, Besserung und Verständigung. Wenn Ihr Euch also solidarisch zusammenschließt, um eine gerechtere, menschenwürdigere Welt aufzubauen, dann steht Ihr im Dienste des Lebens. Gottes Wille zum Heil ist umfassend. Er will, daß wir leben und Leben in Fülle haben. Vom Geist eines Kardinals Cardijn angespornt 7. Zu diesen Betrachtungen über die Solidarität in der Arbeit gehört auch ein herzliches Wort der Anerkennung für jene Brüder und Schwestern aus der Welt der Arbeit, die bewußt als gläubige Christen an ihrem Arbeitsplatz stehen. Ich weiß, daß gerade in Österreich seit vielen Jahrzehnten solche Männer und Frauen in den Reihen der Arbeiterschaft tätig sind und für Christus Zeugnis ablegen. Gerade von diesen Christen sind viele Impulse ausgegangen zur Lösung zahlreicher Probleme der Arbeiterschaft. Die ersten und nächsten Apostel unter der Arbeiterschaft müssen ja die Arbeiter selbst sein. Ich denke dabei auch an die vielen Laien und Priester, die sich in besonderer Weise dem Arbeiterapostolat widmen. Ich weiß, daß sich auch in Österreich viele vom Geist eines Kardinals Cardijn anspornen lassen. Und wenn heute hier auf diesem Platz die Katholische Arbeitnehmerbewegung Österreichs die Gastarbeiter zu einem Treffen mit mir eingeladen hat, dann sehe ich darin ein hoffnungsvolles Zeichen, daß Christen deutlich machen wollen, wie Solidarität in der Arbeit nicht an der Grenze des eigenen Landes und am eigenen Interesse endet. Ich danke Euch für dieses Beispiel, das Ihr damit gegeben habt. Liebe Brüder und Schwestern aus der Welt der Arbeit! Seid Euch Eurer Würde und Eurer Berufung bewußt: Söhne und Töchter 644 REISEN Gottes seid Ihr, Mitarbeiter Gottes, der diese Welt schuf und sie uns Menschen übergab. Wirkt an ihrer Vollendung. Stellt Eure Kräfte zur Verfügung, um die sozialen Verhältnisse gerecht und menschenwürdig zu gestalten. Ihr habt eine große Vergangenheit,, überlaßt die Zukunft nicht dem Zufall! Ich versichere Euch: Die Kirche fühlt sich Euch zutiefst verbunden und steht an Eurer Seite. Sie glaubt an die Werte, die im Menschen sind, an die Ordnung, die der Schöpfer der Welt jedem Menschen eingeschrieben hat. Ich bitte Gott in dieser Stunde, daß die wirtschaftliche Situation sich wieder zum Besseren wende und für Euch und Eure Familien viele Belastungen und Sorgen wegfallen; daß in den Betrieben und Arbeitsstätten Gerechtigkeit herrsche und so - bei Euch und durch Euch - immer deutlicher werde, daß das Gottesreich schon angebrochen ist. Hier in dieser Welt, auch in der Welt der Arbeit. (Im Anschluß an seine Ansprache richtete der Papst kurze Grußworte in Kroatisch, Slowenisch, Englisch [an Inder und Filippinos] und Türkisch an die ausländischen Arbeitnehmer.) „Mehrt das Erbe, das Ihr in Euch tragt!“ Ansprache bei der Begegnung mit den Polen vor der Karlskirche in Wien am 12. September Gelobt sei Jesus Christus! 1. Liebe Brüder und Schwestern, liebe Landsleute! Ich danke dem lebendigen Gott für die Gnade dieses Augenblicks, für das Treffen mit meinen Landsleuten auf österreichischem Boden. Ich heiße alle herzlich willkommen und begrüße Euch alle zusammen und jeden einzelnen von Euch. An erster Stelle begrüße ich den Erzbischof von Wien, Kardinal Franz König, den großen Freund Polens. Ferner begrüße ich den Kardinal-Primas, den Kardinal-Erzbischof von Krakau, alle Bischöfe aus Polen sowie die mit uns brüderlich verbundenen Bischöfe aus der Slowakei und aus Böhmen. Ich danke dem Weihbischof Szczepan Wesoly, dem Delegaten für die Seelsorge der Auslandspolen, für seine Worte. Herzlich begrüße ich alle 645 REISEN Priester - die hiesigen Seelsorger, die Diözesan- und Ordenspriester, insbesondere die Priester von der Kongregation der Resurrektionisten; von ihrer Kirche aus kam ich hierher. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich auch für die Gastfreundschaft bedanken, die sie mir und manchen Bischöfen aus Polen auf dem Weg nach Rom hier in Wien gewährt haben. Besonders herzlich begrüße ich die zahlreichen Kinder und Jugendlichen. Ich grüße Euch alle, die der Glaube, die Hoffnung, Liebe und brüderliche Solidarität zu diesem Treffen geführt haben. In diesem Geiste grüße ich auch die Vertreter anderer Konfessionen und alle Gäste. Von Herzen danke ich allen für ihre Anwesenheit und ihr Zeugnis. 2. „Glücklich ist das Volk, dessen Gott der Herr ist - das Land, das er für sein Vermächtnis erwählt hat“ (Ps 33/32, 12). Meine Ansprache beginne ich mit diesen Psalmworten, denn sie sagen die grundlegende Wahrheit aus, daß Gott, unser Schöpfer und Vater, der seinen Anspruch in die Herzen der Menschen eingeschrieben hat, der Gott der Geschichte ist. Er steht - wie einst in dem Zeichen der feurigen Säule vor den Israeliten, die in der Wüste ihrer Befreiung entgegengingen — an dem Weg jedes Menschen, aller Völker und Nationen, für die er endgültige Bestimmung und Erfüllung ist. Durch das Bündnis, das er mit der Menschheit im Namen Jesu Christi geschlossen hat, wählt er einzelne Menschen und Völker „für sein Vermächtnis“ aus. Durch die Treue zu diesem Bündnis wird er ihr Herr und Erlöser. Das Leben der Menschen, das Leben der einzelnen Völker und deren Zusammenleben bleibt für immer an die höchste Autorität Gottes gebunden. Diese Bindung charakterisiert nicht nur die Beziehung des allmächtigen Schöpfers zu seinen Geschöpfen; in Christus, dem Sohn Gottes, und der Jungfrau von Nazaret wird sie zu einer Familie, in der wir Kinder unseres alleinigen Gottes und Brüder untereinander sind. Nur in dieser Bindung wird das Wohl des einzelnen und das Wohl aller zum umfassenden Gemeinwohl aller. Angesichts der gegenwärtigen Bedrohung und Rückschläge, die wir erleben, schaut die Kirche mit größter Sorge auf das Innere des Menschen, auf seinen Geist. Sie schaut auf den Geist der Nationen, und in der geistigen Wiedergeburt sieht sie Heilung und Rettung. Die Nation ist nicht nur eine Gemeinschaft von Individuen. Sie ist vielmehr eine Synthese der Sprache, des Denkens, der Werte, der Erfahrungen, des Glaubens, der Tradition -also eine Synthese der Kultur. Diese Synthese bildet den Menschen und formt die Generationen. Daraus schöpft der Mensch die Kraft für sein Leben in der Familie, der Heimat und für die Zukunft. 646 REISEN 3. Und in diesem Geist wollen wir den 300. Jahrestag des Entsatzes in Wien feiern. Dem allmächtigen Gott wollen wir unsere tiefe Dankbarkeit dafür ausdrücken, daß er der Gott der Geschichte der Menschen und der Völker ist, daß er sie als Vermächtnis erwählt hat, dem er trotz aller Gefährdungen die Treue hält, dafür auch, daß er unseren Vätern Tapferkeit und Kraft gegeben hat. Hier in Wien wollen wir dem König Johannes III. Sobieski die Ehre dafür erweisen, daß er das damals bedrohte Vaterland verteidigte, als sich Europa, die Kirche und die christliche Kultur in Todesnot befanden. Wir wollen Gott für den vor 300 Jahren errungenen Sieg danken. Wir gedenken des Heeres, dessen Oberbefehlshaber der König war, besonders unserer Landsleute. Wir würdigen ihre Opferbereitschaft und Tapferkeit. Wir erinnern uns dankbar daran, daß sie kamen und daß Gott durch sie gesiegt hat. Möge ihnen das ewige Licht leuchten, und möge dieses Licht auch unseren Weg, den Weg unserer Brüder und Schwestern in unserem Vaterland und auf der ganzen Erde erleuchten. Wir werden uns gleich zu unserem Glauben an Gott, der gleichzeitig unser Glaube an den Menschen ist, wenden. Denn die Größe und Würde des Menschen sind darin begründet, daß der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, daß er erlöst wurde und die Kraft erhalten hat, Kind Gottes zu werden, selbst am Leben Gottes teilzuhaben, indem er unsterblich ist, obwohl er sterben muß. Meine Pilgerfahrt nach Österreich und auch dieses Treffen mit meinen Landsleuten, die sich ständig oder vorübergehend in Österreich aufhalten, findet im Jahre des großen Jubiläums unserer Befreiung statt. Wir gedenken in diesem Jahr ganz besonders des Werkes der Erlösung durch Jesus Christus vor 1950 Jahren. Wir gedenken des Kalvarienkreuzes und der Auferstehung, für die dieses Kreuz den Weg bereitet hat. Ohne die Auferstehung wären das Kreuz und der Tod am Kreuz eine Tragödie. Wenn Christus nicht auferstanden ist, ist unser Glaube leer, schreibt der Apostel Paulus (1 Kor 15, 14). Aber Christus kam, um zu sterben und aufzuerstehen, damit wir das Leben und das Leben in Fülle haben (Joh 10, 10). Er hat für euch gelittten, schreibt der heilige Petrus, und er trug unsere Sünden, damit wir aufhören, Sünder zu sein, und damit wir für die Gerechtigkeit leben. Durch das Blut aus seinen Wunden wurdet ihr geheilt (vgl. 1 Petr 2, 21.24). Ich bin ein Kind von Tschenstochau 4. Dieser Sieg ist ein Geschenk der Liebe. Seither ist das Kreuz das Symbol des Sieges durch die Liebe und verkündet den Menschen eine 647 REISEN Hoffnung. Von diesem ersten Tag nach dem Sabbat an verkündet die Kirche dem Menschen, daß seine Sache gewonnen hat, daß er trotz aller Not, Erniedrigung und Beraubung der Freiheit — frei ist. Es wird nichts mehr geschehen, was imstande wäre, ihn zu vernichten, ihm den Glauben an die Zukunft zu nehmen. Christus „hat dem Tod die Macht genommen und uns das Licht des unvergänglichen Lebens gebracht durch das Evangelium“ (2 Tim 1, 10). Deshalb bekennen wir heute mit gestärktem Bewußtsein und besonderer Kraft: Ich glaube an die Vergebung der Sünden, an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Möge dies für Euch eine dauerhafte Frucht des Heiligen Jahres und unseres Treffens bleiben. 5. Liebe Brüder und Schwestern, ich kenne — zumindest zum Teil — Eure Schmerzen und Eure Bitterkeit, die die mit eurer Emigration verbundene Verpflanzung über Euch gebracht hat. Ihr habt vielleicht diese Schmerzen nicht vorausgesehen. Manchmal seid Ihr in der Versuchung, den Verführungen dieser Welt zu erliegen. Ich werde diese Versuchungen hier nicht aufzählen: Ihr kennt sie gut. Aber ich bitte Euch: Laßt Euch durch keine Macht und Täuschung vom rechten Weg abbringen! Seid stark durch die Kraft des Glaubens und des Geistes! Müht Euch um Euer Wohl und das Wohl Eurer Familien! Mögen die Familien der Liebe nach dem Gebot des Evangeliums treu und eine Stütze des Glaubens bleiben! Arbeitet für das Wohl der Gemeinschaft, die Ihr gewählt habt oder in der Ihr leben müßt! Seid dankbar für jedes Entgegenkommen, für jede Güte, und seid bereit, auf christliche Weise zu verzeihen! Wahrt Euren guten Ruf und den guten Ruf Eurer Heimat, in der Ihr aufgewachsen seid. Behaltet und mehrt das Erbe, das Ihr in Euch tragt! Bleibt diesem Erbe treu in allem, was gut ist! Das ist der Weg zur Rettung der eigenen Würde und der Achtung vor der Würde des anderen. Verfallt keinem Materialismus! Bewahrt und vertieft durch Eure Gemeinden das Bündnis mit der Kirche! Öffnet Euch durch ihre Sakramente die Quellen der Gnade des Erlösers! 6. Mit Zuversicht möchte ich Euren Blick und Eure Herzen zur Mutter von „Jasna Göra“ lenken; ihr vertraue ich das Los der Landsleute innerhalb und außerhalb der Heimat an. Ihr möchte ich Euch alle anvertrauen. Jasna Göra ist das Zeichen und die Quelle der Werte, die von Gott sind und die die Seelen und Herzen der Menschen dieser Erde formen, die erlöschende Augen mit Hoffnung erfüllen, die eine Niederlage in einen Sieg verwandeln. Unser Dichter bekennt in seinem Gedicht Gott als Verwalter der Erde und sagt mit großer Einfachheit: 648 REISEN „Wißt ihr, wo ich war, wo ich das gelernt habe?“ . . . Ich bin ein Kind von Tschenstochau, komme von dort zu Fuß, wohl weither, aber gern“ (K. C. Norwid). In diesem Sinne beten wir zu Gott durch unsere Mutter und Königin von Jasna Gora: Herr, baue unser Haus, hüte deine Stadt (vgl. Ps 127/126,1). Jetzt wollen wir gemeinsam das Taufgelöbnis erneuern. Ein Gebet nahmen sie mit in den Kampf Ansprache auf dem Kahlenberg in Wien am 13. September Freudig und mit bewegtem Herzen grüße ich Euch alle, die Ihr an diesem letzten Vormittag meines Besuches in Österreich mit mir auf den Kahlenberg gekommen seid. Ich danke für den liebevollen Empfang, die treffenden Worte und das frohe Singen. Als vor dreihundert Jahren von diesen Höhen des Wienerwaldes eine große Entscheidung ihren Ausgang nahm, erhielt für die Menschen in der belagerten Stadt das Psalmenwort eine neue, lebensnahe Bedeutung: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen: woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn“ (Ps 121, lf.). Die Kirche auf dem Kahlenberg erinnert uns daran, daß auch die Befreier wußten, wie sehr sie auf die Hilfe von oben angewiesen waren. Sie wollten die Schlacht nicht beginnen, ohne vorher gemeinsam Gott um seine Hilfe angefleht zu haben. Und dieses Gebet nahmen sie mit in den Kampf: „Jesus und Maria hilf!“ Ja, das Vertrauen auf die machtvolle Fürsprache Marias hat die bedrohten Völker in diesen Monaten der Angst beseelt. Und so sehr hat man den glücklichen Sieg ihrer mütterlichen Vermittlung zugeschrieben, daß der 12. September jeden Jahres seitdem als Fest Mariä Namen ihr gehört. Es war mir wie ein Geschenk von ihr, daß ich dieses Fest am 300. Jahrestag jener Befreiung, für die mein Vorgänger es einführte, im Hohen Dom der befreiten Stadt feiern durfte, in geistiger Verbundenheit mit denen, die damals — zuerst in Not und dann im Jubel — im selben Gotteshaus gebetet und gesungen haben. Hören wir nicht auf zu beten und zu singen; Mariä Namen ist uns auch heute als Zuflucht gegeben. Wir haben nicht weniger Grund, sie zu bestürmen: „Maria, breit den Mantel 649 REISEN aus, mach Schirm und Schutz für uns daraus; laß uns darunter sicher stehn, bis alle Stürm’ vorübergehn.“ Ich bin auf dem Weg zu ihrem Heiligtum Mariazell. In Gedanken nehme ich Euch alle mit. Marias mütterlicher Liebe empfehle ich die vielen, die bei der Vorbereitung und Gestaltung dieses großen Katholikentages mitgeholfen haben. Ich möchte Euch und Euren Familien danken für allen Einsatz, alle Opfer und Euch zurufen: „Vergelt’s Gott!“ Ich möchte Euch aber auch eindringlich bitten: Haltet Euch stets vor Augen, daß die Nacharbeit eines solchen Ereignisses ebenso wichtig ist wie die Vorbereitung. Sie ist vielleicht eine mehr unscheinbare Aufgabe, aber gerade deswegen dürfen wir nicht zögern, uns ihr mit Phantasie und Ausdauer zu widmen. Auch Euch, meine polnischen Landsleute, möchte ich mitnehmen zur Magna Mater Austriae und Mater Gentium Slavorum. Die tiefgehende Verbundenheit, die am 12. September 1683 unter dem Schutzmantel Marias zwischen Österreich und Polen entstanden ist, hat sich gerade in unseren Tagen wieder als tragfähig für echte Brüderlichkeit erwiesen. Den folgenden Teil seiner Ansprache hielt der Papst in Polnisch: Liebe Landsleute! Seid willkommen! Ich möchte in wenigen Worten die Bedeutung dieses Augenblicks hervorheben, den wir hier zusammen auf dem Kahlenberg erleben in Erinnerung an den Sieg der polnischen Waffen und der Koalition der europäischen Länder unter Führung unseres Königs Jan Sobieski. Dieser Augenblick weckt viele Überlegungen, denn es handelt sich um ein Ereignis, das die europäische Kultur und die Christenheit Europas gerettet und sich tief in seine Geschichte eingeschrieben hat. Vor allem aber weckten dieses Jubiläum und diese Begegnung heute in uns tiefe Dankbarkeit für die großen Werke, die Gott unter den Menschen und durch sie wirkt. Im Alten Testament sagen die Propheten, die geistlichen Führer des auserwählten Volkes, das einzige Mittel, das zum Sieg und zur Freiheit führt, sei die innere Umkehr, die sittliche Ordnung, der Glaube und die Treue zu dem mit dem Herrn geschlossenen Bund. Und in diesem Zusammenhang muß man den Sieg von Wien einordnen. Es war vor allem die Kraft des Glaubens, die den König und sein Heer veranlaßte, eine tödliche Bedrohung zu bestehen, in Verteidigung der Freiheit Europas und der Kirche, und diese historische Sendung voll zu erfüllen. 650 REISEN Es ist sehr bedeutsam, daß der König auf seinem Weg nach Wien in Jasna Göra haltmachte, wo er beichtete und an mehreren Messen teilnahm. Er betete in Krakau in der Karmelitenkirche vor dem Bild Unserer Lieben Frau von Krakau und bestimmte zum Tag des Aufbruchs aus dieser Stadt das Fest Mariä Himmelfahrt. Er betete vor dem wundertätigen Bild in Piekary Slaskie. Die Weihe einer Kapelle der Madonna von Jasna Göra heute hier auf dem Kahlenberg, an der Stelle der siegreichen Schlacht, gewinnt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung. Sie ist der Ausdruck des Dankes gegenüber unserer Mutter, die uns schützt, und eine Huldigung, die wir unseren Vätern erweisen für ihr Zeugnis, aus dem wir Mut schöpfen möchten, um bei der Verteidigung der heute bedrohten Werte standhaft zu sein. Im Schlußteil seiner Rede sprach Johannes Paul II. wieder Deutsch: Natürlich möchte ich nach Mariazell ganz besonders Euch mitnehmen, liebe Schülerinnen und Schüler. Ich möchte Maria sagen können, daß Euer Herz offen ist für jeden Anruf ihres Sohnes, so wie sie es wünscht: „Was er euch sagt, das tut“ {Joh 2, 5). Laßt Euch auf ihn ein! Er braucht euch: Euren Schwung, Eure Ideen, Eure Kraft, ja das auch, vor allem aber Euer hoffnungsvolles, junges Herz. Laßt Euch auf ihn ein! Mag er Euch dann in die Ehe, in eine geistliche Gemeinschaft oder ins Priestertum führen — überall seid Ihr Kirche; aber laßt es ihn entscheiden! Er braucht Ehen, die sich als lebendige Zellen seines Reiches verstehen, als Strahlungszentrum seiner Liebe. Er braucht Menschen, an deren Lebensform sichtbar wird, daß er die letzte Sehnsucht unseres Herzens ist und der letzte Inhalt jeder Gemeinschaft. Er braucht Menschen, die in der Kirche das Wirken ihres Herrn im priesterlichen Dienst verkörpern, so wie ich es in diesen Tagen unter Euch tun durfte. Laßt Euch ein auf ihn; es ist ein herrliches Abenteuer und jede Anstrengung wert! Liebe Freunde! Der Tag, an dem uns die Kirche auf dem Kahlenberg erinnert, entschied über Leben und Tod von Zehntausenden von Soldaten und Bürgern und über das politische und religiöse Schicksal ganzer Völker auf Jahrhunderte hin. Bei einem solchen Rückblick fühlen wir uns recht klein. Aber der Herr der Geschichte hat auch den Lebensweg eines jeden einzelnen von uns in seiner Hand und in seinem Herzen. Vertrauen wir uns ihm an, im großen und im kleinen. Lebt wohl! 651 REISEN „Das erste ist immer das Sprechen Gottes“ Predigt bei der Messe mit Priestern und Ordensleuten in Mariazell am 13. September Liebe Mitpilger zur Gottesmutter von Mariazell! 1. Maria machte sich auf den Weg und eilte in eine Stadt im Bergland von Judäa. Der Name der Stadt war Ain-Karem. Heute machten wir uns auf den Weg und eilten zu ihr ins Bergland der Steiermark. Pater Magnus von St. Lambrecht hat ihr hier eine „Zelle“ errichtet. Seit über 800 Jahren empfängt sie nun darin die Pilger und nimmt ihr Bitten und Danken an -hier in ihrem Heiligtum „Mariazell“. Von weit her kamen und kommen die Pilger — mit Zepter oder Wanderstab - und empfehlen sich und die Ihren immer wieder neu dem Schutz und der Fürsprache der „Magna Mater Austriae“, der „Mater Gentium Slavorum“, der „Magna Hungarorum Domina“. Sie reihen sich damit ein in die große Wallfahrt der Völker, von der wir soeben beim Propheten Jesaja gelesen haben: „Völker wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz. Blick auf und schau umher: Sie alle versammeln sich und kommen zu dir . . . Dein Herz bebt vor Freude und öffnet sich weit“ (Jes 60, 3-5). Auch in dieser Stunde öffnet sich wiederum das mütterliche Herz Marias, liebe Brüder und Schwestern, da wir im Anschluß an den großen Katholikentag ebenfalls als Pilger zu ihr gekommen sind, um nicht nur die Diözesen Österreichs und der benachbarten Völker, sondern die ganze Kirche ihres Sohnes vor ihr zu vertreten und ihrer Liebe und Sorge anzuvertrauen. Sprecht vor Gott aus, was Euch bewegt! 2. Liebe Mitbrüder im Bischofsamt, im Priestertum und im Diakonat, liebe Ordensleute, liebe Seminaristen, Novizinnen und Novizen, liebe Brüder und Schwestern im Laienstand! Als pilgerndes Gottesvolk sind wir alle von Gott „erkannt“, „bestimmt“ und „berufen“, „an Wesen und Gestalt ihres Sohnes teilzuhaben“ (vgl. Röm 8, 28—30). Diese gemeinsame Berufung hat in den verschiedenen Lebensformen und Diensten der Kirche eine besondere Ausprägung. Dennoch gibt es in der Kirche wie in einer Familie zwischen ihren einzelnen Gliedern und Gruppierungen 652 REISEN keine trennenden Schranken. Alle sind aufeinander verwiesen, und jeder trägt jeden. So gehört auch jede meiner Begegnungen in diesen Tagen Euch allen, meine lieben Glaubensbrüder und -Schwestern in Österreich: mein Wort zur Politik und das zur Kultur, mein Wort an die Jugend und das an die Kranken. Und Euch allen gehören auch meine Gedanken über das Priestertum und Ordensleben, die ich Euch hier beim Gnadenbild der Gottesmutter der Betrachtung und persönlichen Vertiefung anvertrauen möchte. 3. Das heutige Evangelium gipfelt in dem Satz:,,Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1, 45). Mit diesem Satz schaut der Evangelist vom Haus der Elisabet zurück in die Kammer von Nazaret, vom Gespräch der beiden Frauen zum Sprechen Gottes. Gott ist es, der das Gespräch mit der heiligen Jungfrau, mit der Menschheit eröffnet. Das erste ist immer das Sprechen Gottes. „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1, 1). Deshalb muß, liebe Priester und Ordensleute, in unserem geistlichen Leben das erste immer das Hören sein. Erst muß das Wort Gottes vernommen werden, dann erst können wir Antwort geben; erst müssen wir horchen, dann erst können wir gehorchen. Stille und Sammlung, geistliche Lesung und Betrachtung sind unerläßlich für unseren Weg und Dienst als Hörer und Verkünder des menschgewordenen Wortes. Maria ist uns darin Vorbild und Hilfe. Die Evangelien zeichnen sie als die große Schweigende, als die im Schweigen Hörende. Ihr Schweigen ist der Schoß des Wortes. Sie bewahrt alles und läßt es reifen in ihrem Herzen. Wie in der Szene der Verkündigung wird das Hören auf Gott ganz von selbst zu einem Gespräch mit Gott, in dem wir ihn ansprechen dürfen und er uns anhört. Sprecht also vor Gott aus, was Euch bewegt! Dankt ihm voll Freude für das, was er an Euch gewirkt hat und was er Tag für Tag durch Euch an andere vermittelt! Tragt vor ihn die Sorge um die Euch anvertrauten Menschen, die Kinder und die Jugend, die Eheleute, die Alten und die Kranken! Tragt vor ihn die Schwierigkeiten und Mißerfolge in Eurem Dienst, all Eure persönlichen Nöte und Leiden! Liebe Priester und Ordensleute, das Gebet ist ein unersetzlicher Bestandteil unserer Berufung. Es ist so wesentlich, daß seinetwegen manches andere -scheinbar Dringlichere - zurückgestellt werden darf und muß. Auch wenn Euer Alltag im Dienst für die Menschen oft bis zum Übermaß mit Arbeit ausgefüllt ist, so dürfen darin angemessene Zeiten der Stille und des Gebetes nicht fehlen. Gebet und Arbeit dürfen niemald voneinander getrennt werden. Wenn wir unsere Arbeit täglich vor Gott bedenken und ihm anempfehlen, so wird sie schließlich selbst Gebet. 653 REISEN Lernt beten! Schöpft dabei vor allem aus dem Reichtum des Stundengebetes und der Eucharistie, die in besonderer Weise Eure tägliche Arbeit begleiten sollen. Lernt in der Schule des Herrn selbst so beten, daß Ihr zu „Meistern“ des Gebetes werdet und auch jene, die Euch anvertraut sind, das Beten lehren könnt. Wenn Ihr die Menschen beten lehrt, dann bringt Ihr ihren oft verschütteten Glauben wieder zum Sprechen. Durch das Gebet führt Ihr sie zurück zu Gott und gebt ihrem Leben wieder Halt und Sinn. Voll Hoffnung schaue ich auf Euch, liebe Priesteramtskandidaten, Novizinnen und Novizen. Schon Eure Seminare und Noviziate sollen Stätten der Besinnung, des Gebetes und der Einübung in den vertrauten Umgang mit dem Herrn sein. Ich weiß, welche neue Sehnsucht Ihr nach rechtem Beten habt und daß Ihr auch nach neuen Wegen sucht, um Eurer Leben noch tiefer vom Gebet durchdringen zu lassen. Mit Euch zusammen wollen wir alle wieder neu beten lernen! Lassen wir uns mitreißen vom Psalmisten des Alten Bundes, der da betet: „Nur eines erbitte ich vom Herrn, danach verlangt mich: im Haus des Herrn zu wohnen alle Tage meines Lebens, die Freundlichkeit des Herrn zu schauen und nachzusinnen in seinem Tempel“ (Ps 27, 4). Gott beruft nicht nur, sondern er hilft auch 4. Liebe Brüder und Schwestern! Gottes Wort führt uns in die Stille, zu uns selbst, zur Begegnung mit ihm, aber es trennt uns nicht voneinander. Gottes Wort isoliert nicht, sondern es verbindet. In der Stille ihres Gesprächs mit dem Engel erfährt Maria von der Mutterschaft Elisabets. Aus der Stille dieses Gesprächs macht sie sich auf den Weg und eilt zu ihr ins Bergland von Judäa. Maria weiß um Gottes Wirken an Elisabet und berichtet ihr von Gottes Wirken an ihr selbst. Kostbare Gebete sind das Geschenk jener Stunde. „Du bist gebenedeit unter den Frauen und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes“, so beantwortet Elisabet den Gruß Marias, und unser tägliches Magnifikat ist Marias Antwort an Elisabet. Merken wir uns aus dem Evangelium unserer heutigen Pilgermesse: Gott beruft nicht nur, sondern er hilft den Berufenen auch, einander in ihrer jeweiligen Berufung zu verstehen und gegenseitig anzunehmen. Jesus will, daß die Gerufenen bei ihm sind (vgl. Mk 3, 14), aber nicht als isolierte einzelne, sondern in Gemeinschaft. Das ganze Gottesvolk, aber auch die einzelnen Berufungen in ihm stehen in „communio“ mit dem Herrn und untereinander. Wie bei Maria und Elisabet umfaßt diese 654 REISEN Gemeinschaft das Glaubensleben wie den Alltag. Das wird besonders deutlich bei Euch Ordensleuten. Ihr lebt noch mehr als andere nach dem Beispiel der Urkirche, in der „die Gemeinde der Gläubigen ein Herz und eine Seele war“ (vgl. Apg 4, 32). Je mehr es Euch gelingt, in Euren Gemeinschaften in echter Liebe zu leben, um so eindringlicher bezeugt Ihr die Glaubwürdigkeit der christichen Botschaft. Eure Einheit macht nach den Worten des Konzils „das Kommen Christi offenbar, und eine große apostolische Kraft geht von ihr aus“ (Perfectae caritatis, Nr. 15). Das gilt in ähnlicher Weise auch von Euch Diözesanpriestern und Diakonen. Ich weiß, daß manche von Euch unter Einsamkeit leiden. Viele von Euch stehen - auch wegen des zunehmenden Priestermangels - in ihrer Arbeit allein. Ihr fühlt Euch vielleicht zu wenig verstanden und angenommen in einer Welt, die anders denkt und Euch mit Eurer Botschaft als etwas Befremdendes erlebt. Um so mehr müssen wir das bedenken und konkret zu leben versuchen, was das Konzil über die Gemeinschaft unter den Priestern sagt. Auch Ihr Weltpriester und Diakone seid niemals wirklich allein: Ihr bildet zusammen eine innige Schicksalsgemeinschaft! Denn durch die heilige Weihe und Sendung seid Ihr, wie das Konzil nachdrücklich betont, „einander in ganz enger Brüderlichkeit“ (Lumen gentium, Nr. 28), in „inniger sakramentaler Bruderschaft. . . verbunden“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 8). Ihr seid mit Euren „Mitbrüdern durch das Band der Liebe, des Gebetes und der allseitigen Zusammenarbeit“ (ebd.) geeint. Bemüht Euch, liebe Mitbrüder, diese im Weihesakrament grundgelegte beglückende Wirklichkeit in lebendiger priesterlicher Gemeinschaft zu leben! Das machen auch wir, der Papst und die Bischöfe, mit Euch zu unserem gemeinsamen Anliegen. Tun wir alles, was mit Gottes Hilfe in unserer Macht steht, um uns einander brüderlich anzunehmen, gegenseitig mitzutragen und so gemeinsam für Christus Zeugnis zu geben. Die von Euch Priestern und Ordensleuten um des Himmelreiches willen gewählte Ehelosigkeit macht Euch freier für die Gemeinschaft mit Christus und den Dienst an den Menschen. Sie macht Euch aber auch freier für um so engere und tiefere Gemeinschaft untereinander. Laßt Euch von niemandem und von nichts versuchen, diese hochherzige Verfügbarkeit zu mindern oder zurückzunehmen. Macht sie vielmehr voll fruchtbar für Euer Leben und Euren Dienst zum Heil des Menschen. Liebe Priesteramtskandidaten in den Seminarien! Ihr seid voller Ideen über den Dienst und das Leben der Priester in unserer Zeit. Wir wollen uns mit Euch öffneniüx das, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2, 29; 3. 6.13.22). Zugleich bitte ich Euch: Lebt Eure Ideale schon jetzt, 655 REISEN gerade das Ideal der Gemeinschaft — untereinander und mit Eurem Regens — in Glaubensleben, Studium und Freizeit. Je mehr Gemeinschaftsgeist es bei den Ordensleuten und Priestern gibt, um so wirkungsvoller wird ihr Dienst. Von der Art, wie sie Gemeinschaft leben, wird es auch abhängen, ob mehr junge Menschen den Schritt zum Ordens- und Priesterberuf wagen. Dort, wo lebendige Konvente sind, dort, wo Seelsorger brüderlich Zusammenleben und Zusammenarbeiten, dort wo Priester und Laien in der Einheit des Leibes Christi zusammenstehen, dort gibt es auch die meisten Berufe! 5. Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine ganz besondere Freude, diese Worte hier beim Gnadenbild der Gottesmutter von Mariazell an Euch richten zu können. Als Mutter Gottes und Mutter der Kirche ist Maria in vorzüglicher Weise auch die Mutter derjenigen, die die Sendung ihres Sohnes in der Geschichte fortsetzen. In ihrer Berufung, in ihrem vorbehaltlosen Ja zur Botschaft des Engels, in ihrem Lobpreis auf das gnädige Erbarmen Gottes im Magnifikat erkennen wir das Geheimnis und die Größe unserer eigenen Berufung. Im gläubigen Ja zu ihrer Erwählung und Sendung ist Gottes Wort in ihr geschichtliche Wirklichkeit geworden. Dadurch hat sich der ewige Ratschluß Gottes verwirklicht, von dem der heilige Paulus in der heutigen zweiten Lesung spricht: „Alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch dazu vorausbestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei“ (Rom 8, 29). Durch ihren gläubigen Gehorsam dem Wort des Engels gegenüber ist Maria in den Mittelpunkt des göttlichen Heilsplanes getreten. Durch ihre Mutterschaft ist Gottes Sohn unser aller Bruder geworden, damit wir ihm gleichgestaltet werden können in Gerechtigkeit und Herrlichkeit. Denn so sagt der heilige Paulus heute weiter: Die Gott „berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, hat er auch verherrlicht“ (ebd., Vers 30). Die Erhöhung des Menschen bis zur Teilnahme an der Herrlichkeit der Heiligsten Dreifaltigkeit verwirklicht sich durch Christus, den Sohn Gottes, der durch das gläubige „Fiat“ Marias der Menschensohn geworden ist. Ja, in der Tat: „Selig ist die, die geglaubt hat“; siehe, fortan preisen sie selig alle Geschlechter. Ja, liebe Brüder und Schwestern, selig auch wir, die wir geglaubt haben, wenn wir wie Maria aus unserer persönlichen Begegnung mit Gott aufbrechen, um den Bewohnern der Berge und Täler aller Länder und Kontinente heute zu verkünden, was sich im Schoß Marias, in Christus, ihrem Sohn, und in uns, seinen Brüdern, an Großtaten Gottes ereignet hat. 656 REISEN Denn, so sagt uns der Prophet Jesaja in der ersten Lesung, „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht leuchtend der Herr auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (Jes 60, 2). Durch den Glauben Marias ist das Licht Gottes aufgestrahlt und erleuchtet das neue Jerusalem. Es ist das Aufleuchten der Herrlichkeit des Allerhöchsten, jenes Lichtes, das anfangsweise schon jeden Menschen erleuchtet, das aber in Jesus Christus allen in hellem Glanz erstrahlen will. Deshalb ist es uns aufgetragen zu verkünden: „Auf, werde Licht, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (Jes 60, 1). Wer einen geistlichen Beruf hat, dem gilt diese Sendung der Kirche in einer besonderen Weise. Christus hat seine Jünger nicht nur in seine vertraute Nähe berufen, sondern er sendet sie aus der Vertrautheit mit ihm hinaus zu den Menschen (vgl. Mk 3, 14). „Geht hinaus in die ganzfe Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16, 15). Eigens erwähnen möchte ich in diesem Zusammenhang Eure Priester, Brüder und Schwestern in der Mission, die zusammen mit den kirchlichen Entwicklungshelfern in aller Welt die Frohe Botschaft im Wort und in sozialer Tat verkünden. Wer immer Ihr seid und wo immer Ihr arbeitet, Euer geistlicher Auftrag ist überall der gleiche, nämlich mit dem „aufstrahlenden Licht aus der Höhe“ alle zu erleuchten, die „in Finsternis und im Schatten des Todes sitzen“ (vgl. Benediktus). Dies ist Eure Sendung, ob Ihr in einer Stadtpfarrei Priester seid oder eine kleine Landgemeinde betreut, ob Ihr als Ordensmänner und Ordensfrauen in der Schule wirkt oder in der Fürsorge und Krankenpflege arbeitet oder ob Ihr durch Krankheit und Alter zu scheinbarer Untätigkeit verurteilt seid. Gerade auch Euch kranken und betagten Priestern und Ordensleuten fühle ich mich in dieser Stunde ganz besonders verbunden - einige von Euch werde ich ja anschließend persönlich begrüßen. Eurer Sorge und Eurem Gedenken empfiehlt sich die ganze Kirche auf der weiten Welt. Für Eure Mission gibt es keine Schranken des Raumes mehr. Eure Sprache ist das Gebet und das mutig immer neu angenommene Leid. Auch Euch sendet der Herr immer wieder aus. Euer besonderer Dienst - das Beten und Leiden — ist in der Sendung der Kirche unersetzbar. Am Ende seines Lebens hat auch der Herr nicht mehr gepredigt. Er hat nur mehr sein Kreuz auf sich genommen und es getragen und erduldet, bis schließlich alles vollbracht war. 6. Liebe Brüder und Schwestern im Priester- und Ordensstand und Ihr alle, die Ihr Euch auf diese geistlichen Berufe vorbereitet! Der Herr hat 657 REISEN Euch auserwählt, damit Ihr in Gebet und Sammlung bei ihm seid, damit Ihr Eure Berufung in Gemeinschaft lebt und damit Ihr sein Heil hinaustragt zu den Menschen. Am Ende der Eucharistiefeier werde ich diese Eure Berufung dem mütterlichen Schutz und Beistand der Gnadenmutter von Mariazell anempfehlen. Um zusammenzufassen, was ich Euch von unserer gemeinsamen Wallfahrt mitgeben möchte, was Maria selber Euch - und mir - von diesem ihrem Heiligtum mit auf den Weg geben möge, wähle ich ein Wort, das sie sicher selbst oft in ihrem Leben gebetet hat, einen Vers aus dem heutigen Antwortpsalm. Mit ihm möchte ich nochmals das große Thema des Katholikentages auf greifen und durch Maria einem jeden von Euch ins Herz legen lassen: Hoffe auf den Herrn, sei stark! Hab festen Mut und hoffe auf den Herrn!“ Amen. Für alle Opfer des Hasses Appell zum Gebet für Kirche und Welt in Mariazell am 13. September Vor dem Schlußsegen rief der Papst in Mariazell zum Gebet für die Kirche und die ganze Menschheitsfamilie auf. Zum Schluß möchte ich Euch bitten, daß Ihr Euch einem Gebetsgedanken anschließt, der mich auch auf dieser pastoralen Reise immer begleitet hat. Ich meine das Gebet für die Bedrängnisse der Kirche in aller Welt und für die harten Prüfungen so vieler unserer Brüder und Schwestern. Für die Opfer von Hunger, Haß und Terrorismus, von Rivalitäten unter den Nationen. Sie alle sind doch Söhne und Töchter derselben Menschheitsfamilie. Wie könnten wir heute vor allem die Toten vergessen, die der Bruderkrieg im Libanon auf allen Seiten fordert. Ebenso die Opfer von Gewalt in Lateinamerika und Afrika. Und schließlich auch die Toten aus dem kürzlichen tragischen Abschuß des koreanischen Flugzeuges. Der mütterlichen Fürsprache der Jungfrau Maria wollen wir das Wohl und die Freiheit der Kirche und aller Gläubigen an vertrauen. In ihre Hände legen wir die Sehnsucht der Menschheit nach Frieden, nach Gerechtigkeit und Brüderlichkeit unter den Völkern. 658 REISEN „ Ganz Österreich und seine Bewohner Dir an vertraut“ Weihegebet an die Gottesmutter in Mariazell am 13.. September 1. Selig bist Du, Maria, die Du geglaubt hast! So lobpreisen wir Dich zusammen mit Elisabet (vgl. Lk 1, 45). Selig bis Du, Mutter unseres Herrn Jesus Christus und Mutter der Kirche. Unser aller Mutter bist Du, die wir heute diese Wallfahrt zu Deinem Heiligtum in Mariazell unternommen haben: Bischöfe, Priester, Diakone, Ordensleute, Seminaristen, Novizen und viele Gläubige von nah und fern zusammen mit dem Nachfolger des Apostels Petrus inmitten des pilgernden Gottesvolkes. Vor Dir möchten wir dieses Gebet unserer Weihe aussprechen. Deinem reinen Herzen vertrauen wir alles an, was uns in dieser Stunde zutiefst bewegt: all unsere berechtigten Wünsche und Hoffnungen, zugleich aber auch unsere Sorgen und Leiden. Führe uns mit unseren Freuden und Lasten zu Deinem Sohn, in das Heiligtum seines liebenden Herzens, damit er seinen Brüdern und Schwestern den Vater zeige, das selige Ziel unserer Wege. 2. Heilige Mutter von Mariazell! Dir überantworten wir dieses Land mit seinen Dörfern und Städten, ganz Österreich und seine Bewohner. Sein kostbares Erbe, das Christentum, möge weiterhin das Leben der einzelnen und der Familien, das Leben der Gesellschaft und des Staates heilen und prägen. Es helfe allen, den tiefsten Sinn ihres irdischen Lebensweges zu finden. Es wecke wieder Mut und Hoffnung für die Tage und Jahre, die kommen. 3. Deinem mütterlichen Herzen, Maria, vertrauen wir vor allem diejenigen an, die von Leid und Schmerz bedrückt sind: Kranke und Behinderte, Männer und Frauen in schwierigen Ehen, Kinder in zerstrittenen Familien, Menschen mit drückenden Schulden, Arbeitslose, Entwurzelte, Strafgefangene. Wieviel Tränen, wieviel Angst, wieviel Dunkel auf dem Weg! Zeichen des unendlichen Erbarmens Gottes Das Kreuz Deines Sohnes leuchte ihnen auf als Zeichen des unendlichen Erbarmens Gottes. Zeige ihnen die Gesinnung Christi, die es möglich 659 REISEN macht, das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12, 21), durch tapfere Liebe zu einer neuen Lebenserfüllung zu gelangen. Nimm an, barmherzige Mutter, jeden selbstlosen Samariterdienst, jede freiwillig geschenkte Stunde im Dienst für den Nächsten in Bedrängnis! 4. Ebenso empfehlen wir Dir die Menschen in der vollen Kraft ihres Lebens, Männer und Frauen, die für ihre Familie, für ihren Berufsbereich, für die Gemeinschaftsaufgaben im Lande verantwortlich sind. Laß sie in der Frohen Botschaft Licht und Kraft für ihre Pläne und Entscheidungen finden, geleitet von einem reifen christlichen Gewissen: die Väter und Mütter, die Lehrer und Ärzte, die Wissenschaftler und Politiker, die Polizisten, Soldaten und alle, die dem Gemeinwohl dienen. Zeige ihnen den leuchtenden Wert der Wahrheit, das hohe Gut der Gerechtigkeit, den stillen Glanz der Selbstlosigkeit! 5. Deinen mütterlichen Schutz, Maria, erbitten wir auch für die junge Generation: Kinder, Burschen und Mädchen, junge Männer und Frauen. Geleite sie behutsam Schritt für Schritt auf dem Weg christlicher Verantwortung für sich selbst und die Gemeinschaft: die Mutigen und die Starken, die Unternehmungslustigen und die Zupackenden; ebenso die Stillen, die Zögernden, die Abwägenden; die Lachenden und die Ernsten. Laß in ihrem Herzen das Licht jener Ideale nicht verlöschen, die dem Leben des Menschen seinen wahren Wert geben. Niemand soll sie auslöschen: weder die jungen Menschen selbst noch irgend jemand sonst, Mutter, segne die Jugend, daß sie fähig werde, von sich viel zu fordern und anderen viel zu geben, den Versuchungen einer Genußwelt zu widerstehen und dem Wohl ihres Nächsten zu dienen. 6. Schließlich weihen wir Dir, Gottesmutter von Mariazell, die Kirche Jesu Christi hier in Österreich: alle, die in ihr Verantwortung tragen und ihr dienen, alle Hirten und Gläubigen in den Diözesen Salzburg und Wien; Sankt Pölten und Linz; Graz-Seckau und Eisenstadt; Gurk, Innsbruck und Feldkirch. Die Kirche erfülle heute wie in Zukunft ihren Heilsauftrag: im Namen des Evangeliums Jesu Christi, in fester Einheit mit den anderen Ortskirchen der Weltkirche und mit dem Petrusamt in Rom, zum Wohl und Segen aller Menschen dieses Landes, der Einheimischen und der Zugezogenen, der Gläubigen und der Suchenden. Mutter der Kirche, zeige dem Volk Gottes in diesem Lande wieder den Weg, Berufungen zum Priestertum und Ordensleben in größerer Zahl zu entdecken und zu fördern. Möge sich zugleich das vielfältige Laienaposto- 660 REISEN lat noch vertiefen und ausbreiten, die missionarische Verantwortung aller noch zunehmen. Magna Mater Austriae, segne die Kirche Österreichs! Christus, Guter Hirt der Deinen, nimm im Herzen Deiner Mutter unser ganzes Vertrauen, unseren guten Willen, unsere hochherzige Weihe entgegen. Amen. „Lebt wohl! Gott segne Euch!“ Ansprache vor dem Abflug von Wien-Schwechat am 13. September Sehr verehrter Herr Bundespräsident! Verehrter Herr Kardinal, hebe Mitbrüder im Bischofsamt! Meine Damen und Herren! 1. Gekommen ist die Stunde des Abschieds. Voll dankbarer Freude blicke ich auf die zurückliegenden erlebnisreichen Tage, in denen ich als Pilger im Volke Gottes, als Zeuge des Glaubens und christlicher Hoffnung sowie als Freund Ihres Landes in Ihrer Mitte weilen durfte. Ich war gekommen, um dem Auftrag des Herrn entsprechend meine Brüder und Schwestern in ihrer christlichen Berufung zu bestärken. Reich beschenkt und voll tiefer Erinnerungen kehre ich nun wieder in meine Bischofsstadt Rom zurück. Wir alle haben wohl aus den Begegnungen dieser Tage, aus dem feierlichen Bekenntnis zu Christus und aus dem gemeinsamen Gotteslob viel empfangen. Dafür gebührt Gott, dem Geber alles Guten, unser Preis und Dank. 2. Aufrichtig danke ich allen, die zum guten Gehngen dieser meiner Pastoraireise beigetragen haben: Ihnen, sehr verehrter Herr Bundespräsident, und den Bürgern des Landes für die mir gewährte herzliche Gastfreundschaft; meinen Mitbrüdern im Bischofs- und Priester amt sowie allen Gläubigen, die den Österreichischen Katholikentag und meinen Besuch so sorgfältig vorbereitet haben. Allen beteiligten Stellen aus Staat und Kirche, dem Sicherheits- und Ordnungsdienst, der Ersten Hilfe sowie den unzähligen verborgenen Helfern gilt mein herzliches „Vergelt’s Gott“! 661 REISEN 3. Im Zeichen des Kreuzes haben wir uns auf die Geschichte und Sendung Europas besonnen und in diesem Licht die Geschichte und Sendung Österreichs bedacht. Wir sind uns neu bewußt geworden, daß Gegenwart und Zukunft Europas kraftvoller Impulse aus der Mitte unseres Christseins bedürfen; daß es wache Herzen braucht, solche Impulse aufzunehmen und in die Tat umzusetzen. Unter diesem Anliegen standen die Begegnungen im Raum der Kirche und die feierlichen Gottesdienste; diesem Anliegen wollten auch meine Begegnungen mit den Vertretern des internationalen, öffentlichen und kulturellen Lebens dienen. 4. Und nun heißt es Abschied nehmen. Möge Gott den Samen seines Wortes, den er durch den Katholikentag und durch meinen Dienst in Ihrer Mitte über Ihr Vaterland ausgestreut hat, in den Herzen Wurzel schlagen lassen und für alle fruchtbar machen! Möge er auch in mir die vielen tiefen Eindrücke, die mir hier geschenkt wurden, lebendig erhalten und so zu einem Geschenk an die ganze Kirche machen! Ich wünsche Österreich Frieden und Wohlergehen. Ich wünsche ihm jene Haltungen und Tugenden, auf denen Frieden und Wohlergehen gedeihen können, in denen alle materiellen Güter und Strukturen ihre Sinnerfüllung finden. Ich wünsche ihm auch weiterhin jene Heiterkeit des Gemütes, der es wohl zuzuschreiben ist, daß sich die Künste und die Gäste seit eh und je in seinen Grenzen so zu Hause fühlen. Ich wünsche ihm den Schutz der Heiligen, deren Wirkungsfeld es war. Ich habe es in Mariazell der Mutter unseres Herrn anempfohlen, der es mit besonderer Liebe an so vielen Stellen seiner gesegneten Landschaft Kapellen und Kirchen geweiht hat. Der Herr der Geschichte, der Österreich nach dem Krieg eine neue Blüte gewährt hat, möge auch in Zukunft seine schützende Hand darüberhalten, ja, es zu einem Segen für ganz Europa machen! Liebe Österreicher! Lebt wohl! Gott segne Euch! 662 III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dialog für den Frieden: eine Forderung an unsere Zeit Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 1983 1. Für den 16. Weltfriedenstag am Beginn des neuen Jahres 1983 lege ich euch diese Botschaft vor zum Thema: „Der Dialog für den Frieden: eine Forderung an unsere Zeit“. Ich richte sie an alle, die teilhaben an der Verantwortung für den Frieden: an die Regierungen der Völker, an die Beamten internationaler Gremien, an die Politiker und die Diplomaten, aber auch an die Bürger eines jeden Landes. Alle sind sie ja von der Notwendigkeit betroffen, den wahren Frieden vorzubereiten, ihn zu erhalten oder wiederherzustellen, und dies auf fester und gerechter Grundlage. Nun bin ich aber zutiefst davon überzeugt, daß der Dialog -* ein echter Dialog - eine wesentliche Bedingung für einen solchen Frieden ist. Ja, dieser Dialog ist notwendig, nicht nur opportun; er ist schwierig, aber möglich, trotz der Hindernisse, die wir, realistisch gesehen, dabei beachten müssen. Er stellt deshalb eine echte Herausforderung dar, die ich euch bitte, anzunehmen. Ich tue das in der alleinigen Absicht, um selbst und zusammen mit dem Hl. Stuhl einen Beitrag zum Frieden zu leisten; denn als dem erstverantwortlichen Erben der Botschaft Christi, die vor allem eine Botschaft des Friedens für alle Menschen ist, liegt mir das Geschick der Menschheit sehr am Herzen. 2. Ich bin sicher, hiermit die grundlegende Sehnsucht der Männer und Frauen unserer Zeit zu treffen. Wird dieses Verlangen nach dem Frieden nicht von allen Regierenden in ihren Wünschen an ihre Nation oder in ihren Erklärungen an die Adresse anderer Staaten feierlich bekräftigt? Welche politische Partei würde es wagen, die Suche nach dem Frieden nicht in ihr Programm aufzunehmen? Und was die internationalen Organisationen betrifft, so sind sie doch gegründet worden, um den Frieden zu fördern und zu sichern; und sie behalten dieses Ziel trotz aller Mißerfolge bei. Auch die öffentliche Meinung entscheidet sich für friedliche Lösungen, wenn sie nicht durch Leidenschaften wie Stolz und ungerechtfertigte Verbitterung künstlich auf geputscht ist. Ja, immer zahlreichere Bewegungen setzen sich dafür ein, wenn auch nicht immer mit der wünschenswerten Klarheit und, Aufrichtigkeit, das Bewußtsein dafür zu wecken, daß nicht nur jeder Krieg, sondern auch alles, was zum Krieg führen kann, beseitigt werden muß. Die Bürger im allgemeinen wünschen sich, daß ein 665 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Klima des Friedens ihr Bemühen um Wohlergehen sichert, vor allem, wenn sie mit einer wirtschaftlichen Krise zu ringen haben, die alle Werktätigen bedroht. Man muß jedoch mit dieser zum Glück weitverbreiteten Sehnsucht bis zur letzten Konsequenz gehen: den Frieden erreicht man nicht, den Frieden behält man nicht, ohne die entsprechenden Mittel dafür anzuwenden. Das alles überragende Mittel ist aber, den Weg des Dialogs zu beschreiten, das heißt, überall dort, wo der Frieden bedroht oder schon gebrochen ist, in den Familien, in der Gesellschaft, zwischen den Staaten oder zwischen den Blöcken von Staaten, in aller Geduld die Methoden und Phasen des Dialogs einzubringen. 3. Die Erfahrung der Geschichte, auch aus jüngster Zeit, bezeugt tatsächlich, daß der Dialog für einen wirklichen Frieden unerläßlich ist. Mit Leichtigkeit könnte man Fälle aufzählen, in denen der bewaffnete Konflikt unausweichlich erschien, wo aber der Krieg dennoch vermieden oder abgebrochen wurde, weil die streitenden Parteien an den Wert des Dialogs geglaubt und ihn auch miteinander über lange und ehrliche Verhandlungen hinweg geführt haben. Wenn es demgegenüber zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen ist - entgegen einer ziemlich verbreiteten Meinung kann man leider mehr als einhundertfünfzig bewaffnete Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg aufzählen -, dann deshalb, weil ein Dialog tatsächlich nicht stattgefunden hat oder weil er verfälscht, hinterhältig geführt oder bewußt eingeschränkt worden ist. Das Jahr, das gerade zu Ende geht, hat einmal mehr das traurige Schauspiel von Gewalt und Krieg geboten; Menschen haben gezeigt, daß sie es vorziehen, Waffen zu gebrauchen, anstatt eine Verständigung zu suchen. Ja, neben einigen Hoffnungszeichen wird das Jahr 1982 für viele Familien Trauer und Zerstörung hinterlassen, ein bitteres Gefühl von Tränen und Tod. 4. Wer wollte es also wagen, solche Kriege, von denen einige noch im Gange sind, oder solche Kriegszustände oder die Bitterkeit, welche die Kriege zurücklassen, als Kleinigkeit anzusehen? Wer hätte den Mut, sich ohne Zittern noch viel ausgedehntere und schrecklichere Kriege, wie sie fortwährend drohen, vorzustellen? Muß man nicht alles tun, um den Krieg zu vermeiden, auch den „begrenzten Krieg“, wie er von denjenigen beschönigend genannt wird, die nicht direkt davon betroffen sind, angesichts des Übels, das jeder Krieg darstellt, seines Preises an Menschenleben, an Leiden, an Zerstörung von all dem, was für das Leben und die 666 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Entwicklung des Menschen notwendig wäre, ohne die Störung der unerläßlichen Ordnung und des sozialen Gefüges zu rechnen, die Vertiefung von Mißtrauen und Haß gegen den Nächsten, wie sie die Kriege mit sich bringen? Und heute, da selbst die konventionellen Kriege so mörderisch werden und man die dramatischen Folgen kennt, die ein Atomkrieg haben würde, ist die Notwendigkeit, den Krieg abzubrechen oder jede Kriegsdrohung zu beseitigen, noch drängender. Um so grundlegender erscheint folglich die Notwendigkeit, zum Mittel des Dialogs zu greifen und die dafür geforderte politische Tugend zu üben, um so den Einsatz der Waffen zu vermeiden. 5. Es gibt jedoch heute Menschen, die sich für Realisten halten und deshalb bezweifeln, daß der Dialog möglich und wirksam ist, wenigstens solange die Positionen so extrem und unvereinbar sind, daß sie ihnen keinen Raum für eine Verständigung zu lassen scheinen. Wie viele negative Erfahrungen und wiederholte Mißerfolge scheinen eine solche von Enttäuschungen geprägte Sicht zu stützen! Und dennoch, der Dialog für den Frieden ist möglich, immer wieder möglich. Das ist keine Utopie. Selbst, wo er unmöglich schien und es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung gekommen ist, ist es dann nicht auf jeden Fall nötig gewesen, nach den Zerstörungen des Krieges, der zwar die Stärke des Siegers gezeigt, aber im Bereich der umstrittenen Rechte nichts gelöst hat, sich erneut um einen Dialog zu bemühen? Um es klar zu sagen: Die Überzeugung, die ich hier ausspreche, beruht nicht auf diesem fatalen Umstand, sondern gründet auf einer Wirklichkeit, auf der tiefsten Natur des Menschen. Wer den christlichen Glauben teilt, ist davon noch leichter überzeugt, auch wenn er zugleich an die angeborene Schwäche und Sünde glaubt, die des Menschen Herz von Anfang an prägen. Jeder Mensch aber, ob gläubig oder nicht, kann und soll sich bei allem klaren Wissen um eine mögliche Verhärtung seines Bruders genügend Vertrauen bewahren in den Menschen und seine Fähigkeit, vernunftsgemäß zu handeln, in seinen Sinn für das Gute, für Recht und Gerechtigkeit, auf seine Fähigkeit, zu hoffen und den Bruder zu lieben -die niemals vollständig entstellt werden -, um auf das Mittel des Dialogs und seine mögliche Wiederaufnahme zu setzen. Ja, die Menschen sind letztlich durchaus fähig, Spaltungen, Interessenkonflikte und sogar Gegensätze zu überwinden, die tiefgreifend zu sein scheinen, vor allem, wenn jede Seite davon überzeugt ist, eine gerechte Sache zu verteidigen, wenn sie nur an die Tugend des Dialogs glauben und bereit sind, sich als Menschen zu begegnen, um eine friedliche und vernünftige Lösung ihrer 667 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konflikte zu suchen. Ferner dürfen sie sich nicht durch wirkliches oder nur scheinbares Scheitern entmutigen lassen. Schließlich müssen sie sich dazu bereitfinden - wobei sie die Hindernisse aus dem Weg schaffen und die Fehler beim Dialog, von denen ich später noch sprechen werde, vermeiden - und diesen einzigen Weg, der zum Frieden führt, mit all seinen Anforderungen und Bedingungen bis zum Ende durchschreiten. Die Tugenden des wahren Dialogs 6. Ich halte es darum für nützlich, an dieser Stelle.die Eigenschaften eines wahren Dialogs in Erinnerung zu rufen. Sie gelten vor allem für den Dialog zwischen einzelnen Personen; aber ich denke auch und besonders an den Dialog zwischen sozialen Gruppen, zwischen politischen Kräften in einer Nation, zwischen Staaten innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Sie gelten aber ebenso für den Dialog.zwischen den umfangreichen Gruppierungen von Menschen, die sich im ethischen, kulturellen, ideologischen oder religiösen Bereich unterscheiden und einander gegenüberstehen. Denn die Analytiker der Kriegsursachen geben zu, daß in diesen Bereichen die meisten Konflikte ihre Wurzeln haben, wobei sich diese Konflikte dann auch mit den gegenwärtigen großen Spannungen zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd verbinden. Der Dialog ist ein zentrales und unerläßliches Element im ethischen Denken der Menschen, wie auch immer sie geartet sein mögen. Unter dem Aspekt von Austausch und Mitteilung unter den Menschen, wie die Sprache sie ermögücht, ist der Dialog in der Tat ein gemeinsam erstrebtes Ziel. - Im Grunde geht er aus von der Suche nach dem Wahren, dem Guten und dem Gerechten für jeden Menschen, für jede Gruppe und jede Gesellschaft, sei es auf der Seite, mit der sich jemand solidarisiert, oder auf der sogenannten Gegenseite. - Er verlangt also in erster Linie Offensein und Annehmen, das heißt, daß jeder seine Lage darlegt, aber auch die Darlegung der Situation, wie der andere sie gibt, anhört und aufrichtig nachfühlt, und zwar mit seinen Problemen, mit seinen Rechten, mit den Ungerechtigkeiten, die er empfindet, und den vernünftigen Lösungen, die er vorschlägt. Wie könnte sich Frieden einstellen, wenn eine der Seiten sich nicht einmal die Mühe macht, sich die Lebensbedingungen der anderen vor Augen zu halten? - Dialog setzt also voraus, daß jeder auf dieses Anderssein, diese Besonderheit des anderen eingeht, daß er genau erfaßt, inwieweit er sich vom anderen unterscheidet und dem Rechnung trägt, auch wenn das zu 668 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spannungen führen sollte. Dabei darf man natürlich nicht aus Feigheit oder Zwang das aufgeben, was man als wahr und ungerecht erkennt; das gäbe einen schlechten Kompromiß. Erst recht darf man den anderen nicht zu einem Objekt machen; vielmehr ist er als ein Subjekt mit Verstand, Freiheit und Verantwortung zu achten. - Dialog ist zugleich die Suche nach dem, was den Menschen immer gemeinsam ist - auch in Spannungen, Gegensätzen und Konflikten. In diesem Sinne macht er den anderen zum Nächsten. Er läßt dessen Beitrag annehmen, die Verantwortung vor Wahrheit und Gerechtigkeit mit ihm teilen. Er läßt alle sinnvollen Formeln einer ehrenhaften Verständigung vorschlagen und studieren und dabei die gerechte Verteidigung der Interessen und der Ehre der eigenen Seite verbinden mit dem von der Gerechtigkeit ebenso geforderten Verstehen und Achten der Gründe der anderen sowie mit den Forderungen des beiden gemeinsamen allgemeinen Wohls. Wird es übrigens nicht immer deutlicher, daß sich alle Völker der Erde wirtschaftlich, politisch und kulturell in gegenseitiger Abhängkeit befinden? Wer sich dieser Solidarität entziehen wollte, würde bald sich selber schaden. - Schließlich ist der wahre Dialog die Suche nach dem Guten mit friedlichen Mitteln; er ist der unbeirrbare Wille, alle Möglichkeiten von Verhandlungen, Vermittlung oder Schiedsspruch zu versuchen und das Verbindende über das Trennende und über den Haß siegen zu lassen. Er ist Anerkennung der unveräußerlichen Würde des Menschen. Er beruht auf der Achtung des menschlichen Lebens. Er setzt alles auf die Sozialnatur der Menschen, auf ihre Berufung, fortwährend unter wachsender Annäherung in Verstand, Wille und Herz gemeinsam unterwegs zu sein zu ihrem vom Schöpfer gegebenen Ziel: die Erde zu einer würdigen Heimat für alle zu machen. Als politische Tugend geübt, würde ein solcher Dialog ganz gewiß Früchte des Friedens bringen. Mein verehrter Vorgänger Papst Paul VI. hat dem Dialog einen großen Abschnitt seiner ersten Enzyklika Ecclesiam suam gewidmet. Er schrieb dort: Wer einen Dialog beginnt . . ., der unparteiisch, objektiv und redlich ist, erklärt sich eben dadurch für einen freien und ehrenhaften Frieden. Verstellung, Rivalität, Trug und Verrat sind dabei ausgeschlossen“ (vgl. AAS 56, 1964, S. 654). Diese Tugend des Dialogs verlangt von den verantwortlichen Politikern unserer Tage viel Klarheit, Redlichkeit und Mut - nicht nur anderen Völkern gegenüber, sondern auch gegenüber der öffentlichen Meinung ihres eigenen Volkes. Oft wird sie eine wahre Bekehrung voraussetzen. 669 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber es gibt angesichts der Kriegsgefahr keine andere Wahl. Und noch einmal: Sie ist keine Illusion. Es wäre leicht, Zeitgenossen zu nennen, die sich in der praktischen Übung dieser Tugend ausgezeichnet haben. 7. Es scheint mir hilfreich, nun gleichsam als Gegenstück einige besondere Schwierigkeiten zu nennen, die sich dem Friedensdialog entgegenstellen können. Ich meine hier nicht die Schwierigkeiten, die naturgemäß dem politischen Dialog gegeben sind, wie zum Beispiel die häufige Schwierigkeit, entgegengesetzte konkrete Interessen miteinander zu vereinbaren; oder jene anderen unzumutbaren Lebensbedingungen bewußt zu machen, ohne daß man die andere Seite eines regelrechten Unrechts bezichtigen könnte. Ich denke vielmehr an das, was den normalen Dialogprozeß verhärtet. Ich gab schon zu verstehen, daß der Dialog blockiert wird durch die Vorentscheidung, kein Zugeständnis machen zu wollen, durch den Mangel an Zuhören, durch die Anmaßung, man selbst sei das alleinige Maß der Gerechtigkeit. Hinter dieser Haltung kann sich ganz einfach der blinde und taube Egoismus eines Volkes verbergen oder - häufiger - der Machtwille seiner Führer. Manchmal fällt sie übrigens mit einer übertriebenen und überholten Auffassung von der Souveränität und Sicherheit des Staates zusammen. Dieser droht dabei zum Objekt eines Kultes zu werden, der nicht mehr diskutiert werden darf und der die verwerflichsten Maßnahmen rechtfertigt. Gestützt auf die mächtigen Instrumente, über welche die Propaganda verfügt, kann dieser Kult - nicht zu verwechseln mit einer wohlverstandenen Vaterlandsliebe — das Urteilsvermögen und sittliche Empfinden auch der wachsten Bürger trüben und zum Kriege verführen. Erst recht ist hier die bewußte taktische Lüge zu nennen, welche die Sprache mißbraucht, raffinierteste Techniken der Propaganda einsetzt, den Dialog zu Fall bringt und die Aggressionen anheizt. Solange schließlich heute manche Beteiligten von Ideologien leben, die allen Bekundungen zum Trotz im Widerspruch stehen zur Würde der menschlichen Person, zu ihren gerechten Ansprüchen nach den gesunden Prinzipien der Vernunft, des Naturrechts und des ewigen Gesetzes, von Ideologien, die im Kampf die Triebhaftigkeit der Geschichte sehen, in der Gewalt die Quelle des Rechts, in Feindbildern das Abc der Politik, solange verläuft der Dialog stockend und steril, oder ist, wenn er überhaupt noch stattfindet, in Wirklichkeit nur äußerlich und sinnentleert. Er wird dann äußerst schwierig, um nicht zu sagen, unmöglich. Eine weitgehende Kommunikationssperre zwischen den Ländern und Blöcken ist die 670 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Folge; sogar die internationalen Gremien sind gelähmt; das Scheitern des Dialogs droht zum Rüstungswettlauf zu führen. Aber selbst beim Eindruck einer solchen Blockierung im Maße, wie sich die Beteiligten mit solchen Ideologien identifizieren, erscheint der Versuch eines vernünftigen Dialogs zur Entkrampfung der Situation und zur Arbeit an möglichen Friedensschritten in einzelnen Punkten immer noch notwendig. Dabei sollte man mit dem gesunden Empfinden rechnen, mit der Einsicht in die Gefahr für alle und mit den Idealen, welche großenteils die Völker selbst bewegen. Der Dialog auf nationaler Ebene 8. Der Friedensdialog muß zunächst auf nationaler Ebene geführt werden. Er soll soziale Konflikte lösen und das Gemeinwohl fördern. Unter Achtung der Interessen der verschiedenen Gruppen ist durch den Dialog in der Ausübung der demokratischen Freiheiten und Pflichten aller ein dauerndes friedliches Zusammenwirken möglich, gestützt auf Strukturen der Beteiligung und auf vielfältige Instanzen des Ausgleichs zwischen Unternehmern und Arbeitern. Die kulturellen, völkischen und religiösen Gruppen, die eine Nation bilden, sind dabei zu beachten und einzubeziehen. Wo der Dialog zwischen Regierung und Volk unglücklicherweise fehlt, ist der soziale Frieden bedroht oder sogar abwesend; das ist wie ein Kriegszustand. Aber Geschichte und Gegenwart zeigen, daß es vielen Staaten gelang und immer wieder gelingt, sich wirkungsvolle Mittel des Dialogs zu schaffen und damit ein echtes und dauerhaftes Zusammenwirken zu erreichen, das die bei ihnen entstehenden Konflikte löst oder gar verhindert. Sie geben sich im übrigen Gesetze in stetiger Entwicklung, für deren Beachtung geeignete, dem Gemeinwohl entsprechende Behörden sorgen. Der Dialog auf internationaler Ebene 9. Wenn sich der Dialog auf nationaler Ebene als fähig erwiesen hat, zu Ergebnissen zu führen, warum sollte es nicht auch auf internationaler Ebene so sein? Sicher, die Probleme sind dort komplizierter, die Beteiligten und die Interessen, um die es geht, zahlreicher und verschiedenartiger. Aber auch hierfür ist und bleibt der redliche und geduldige Dialog das vorrangige Mittel. Wo er zwischen den Nationen fehlt, muß man alles daransetzen, ihn zu beginnen. Wo er schwach ist, muß man ihn verbessern. Niemals dürfte man den Dialog abtun und sich zur Lösung von 671 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konflikten der Gewalt der Waffen anvertrauen. Schwere Verantwortung liegt dabei nicht nur auf den sich feindlich gegenüberstehenden Parteien, deren Leidenschaften schwer zu meistern sind, sondern ebenso und noch mehr auf den mächtigeren Staaten, die jenen nicht helfen, den Dialog wieder aufzunehmen, sie geradezu zum Kriege drängen oder durch den Waffenhandel dazu verführen. Dem Dialog zwischen den Nationen muß die starke Überzeugung zugrunde liegen, daß das Wohl eines Volkes letztlich nicht gegen das Wohl eines anderen Volkes zu erreichen ist. Alle haben ja dieselben Rechte, dieselben Ansprüche auf ein würdiges Leben für ihre Bürger. Wesentlich ist auch, weitere Fortschritte zu machen im Überbrücken der überkommenen künstlichen Klüfte und Gegensätze zwischen den Blöcken. Vor allem aber muß man der wachsenden gegenseitigen Abhängigkeit der Nationen Rechnung tragen. 10. Wenn man den Gegenstand des internationalen Dialogs näher bestimmen will, so kann man sagen, daß er sich besonders auf die Menschenrechte, auf die Gerechtigkeit unter den Völkern, auf die Wirtschaft, die Abrüstung und das internationale Gemeinwohl beziehen muß. So soll der Dialog darauf ausgerichtet sein, daß die Menschen und die menschlichen Gruppen in ihrer Besonderheit, in ihrer Ursprünglichkeit -mit dem dafür geforderten Freiheitsraum - und vor allem in der Ausübung ihrer Grundrechte anerkannt werden. Man kann in dieser Hinsicht auf eine internationale Rechtsordnung hoffen, die auf den Hilferuf jener besser hört, deren Rechte mißachtet werden, und es sind Rechtsprechungen wünschenswert, die über wirksame und geeignete Mittel verfügen, um sich Achtung zu verschaffen. Wenn Ungerechtigkeit in all ihren Formen die erste Quelle für Gewalt und Krieg ist, dann ist natürlich der Dialog für den Frieden grundsätzlich vom Dialog für die Gerechtigkeit nicht zu trennen, der zugunsten jener Völker geführt wird, die von anderen benachteiligt und beherrscht werden. Der Dialog für den Frieden schließt mit moralischer Notwendigkeit auch eine Diskussion über die Regeln ein, die das Wirtschaftsleben bestimmen. Denn die Versuchung zu Gewalt und Krieg wird stets in den Gesellschaften vorhanden sein, in denen die Habgier und der Wettlauf um die materiellen Güter eine wohlhabende Minorität dazu bringen, der großen Mehrheit der Menschen die Erfüllung ihrer elementarsten Rechte auf Nahrung, Erziehung, Gesundheit und Leben zu verweigern (vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution Gaudium etspes, Nr. 69). Dies 672 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gilt auf der Ebene jedes einzelnen Landes, aber auch in den Beziehungen zwischen den Ländern, vor allem, wenn die bilateralen Beziehungen vorherrschend bleiben. Hier ermöglicht die Öffnung zu multilateralen Beziehungen, besonders im Rahmen der internationalen Organisationen, einen Dialog, der weniger von Ungleichheit belastet ist und somit besser zur Gerechtigkeit führen kann. Natürlich umfaßt der Gegenstand des internationalen Dialogs auch den gefährlichen Rüstungswettlauf mit dem Ziel, ihn schrittweise zu verringern, wie ich es in meiner Botschaft an die UNO im vergangenen Jahr angeregt habe und wie es auch jener anderen Botschaft entspricht, welche die Gelehrten der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften in meinem Namen den Verantwortlichen der Nuklearmächte überreicht haben. Statt den Menschen zu dienen, richtet sich die Wirtschaft auf müitärische Zielsetzungen aus. Entwicklung und Wohlstand werden der Sicherheit untergeordnet. Wissenschaft und Technik degradieren sich zu Gehilfen des Krieges. Der Hl. Stuhl wird nicht aufhören, mit Nachdruck auf die Notwendigkeit hinzuweisen, den Rüstungswettlauf durch fortschreitende Verhandlungen unter Wahrung der Gegenseitigkeit zu verlangsamen. Er wird weiter alle Schritte, selbst die kleinsten, ermutigen, die in diesem so entscheidenden Bereich einen vernünftigen Dialog bilden. Der Gegenstand des Dialogs für den Frieden darf sich aber nicht auf die Anprangerung des Rüstungswettlaufs beschränken. Es geht vielmehr darum, eine gerechtere internationale Ordnung zu suchen, einen Konsens über die gleichmäßigere Verteilung der Güter, der Dienstleistungen, des Wissens und der Information sowie die feste Entschlossenheit herbeizuführen, all dies auf das Gemeinwohl hinzuordnen. Ich bin mir bewußt, daß ein solcher Dialog, zu dem auch der Nord-Süd-Dialog gehört, sehr komplex ist; er muß aber entschlossen fortgeführt werden, um die Bedingungen für einen wahren Frieden an der Schwelle des 3. Jahrtausend vorzubereiten. 11. Nach diesen Überlegungen möchte meine Botschaft vor allem ein Aufruf sein, die Herausforderungen des Friedensdialogs anzunehmen. Ich richte ihn zuerst an euch, die Leiter von Staaten und Regierungen! Ermöglicht, daß euer Volk einen wahren sozialen Frieden kenne, alle Bedingungen für den Dialog und für ein geordnetes Vorgehen, die - wenn einmal richtig verwirklicht - das Gemeinwohl der Nation in Freiheit und Unabhängigkeit nicht behindern, sondern es im Gegenteil auf lange Sicht hin fördern! Führt diesen Dialog mit den anderen Ländern von gleich zu 673 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gleich und helft den Konfliktsparteien, die Wege des Dialogs, einer vernünftigen Aussöhnung und eines gerechten Friedens zu finden! Meinen Aufruf richte ich zugleich an euch Diplomaten, deren vornehme Aufgabe unter anderem darin besteht, die strittige Fragen zu erörtern und sie durch Dialog und Verhandlungen zu lösen zu versuchen, um zu verhindern, daß man zu den Waffen greift, oder um an die Seite der Militärs zu treten. Eine Arbeit von Geduld und Ausdauer, die der Hl. Stuhl um so mehr schätzt, als auch er diplomatische Beziehungen unterhält, in denen er sich darum bemüht, daß der Dialog als das geeignetste Mittel zur Überwindung der Schwierigkeiten angenommen Wird. Vor allem möchte ich euch, den Verantwortlichen und Mitgliedern der internatinalen Organisationen und euch, die ihr in internationalen Gremien arbeitet, erneut mein Vertrauen bekunden! Im Lauf des letzten Jahrzehnts sind eure Organisationen allzuoft zum Gegenstand von Manipulationsversuchen durch Nationen geworden, die solche Einrichtungen auszunutzen trachten. Dennoch bieten die zahlreichen gegenwärtigen gewalttätigen Zusammenstöße, Spaltungen und Blockierungen, auf die die bilateralen Beziehungen stoßen, den großen internationalen Organisationen den Anlaß, in ihrer eigenen Tätigkeit eine qualitative Veränderung vorzunehmen, eventuell sogar in einigen Punkten ihre Strukturen zu erneuern, um so den neuen Realitäten Rechnung zu tragen und eine wirkliche Kraft zu werden. Seien eure Organisationen regional oder weltweit; sie haben eine außergewöhnliche Chance, die genutzt werden muß, mämlich, jene Aufgabe in ihrer ganzen Fülle zurückzugewinnen, die ihnen von ihrem Ursprung, ihrer Charta und ihrem Mandat her zukommt: auf vorrangige Weise Ort und Instrument für einen wahren Friedensdialog zu werden. Statt sich von Pessimismus und Entmutigung bestimmen zu lassen, welche die Kräfte lähmen, haben sie die Möglichkeit, sich vielmehr als Orte der Begegnung zu erweisen, wo in kühnster Weise die Praktiken diskutiert werden können, die gegenwärtig in den politischen, wirtschaftlichen, monetären und kulturellen Beziehungen vorherrschen. Ebenso richte ich einen besonderen Aufruf an euch, die ihr in den Massenmedien arbeitet! Die schmerzlichen Ereignisse, die die Welt in der letzten Zeit erlebt hat, haben die Bedeutung einer gut orientierten öffentlichen Meinung dafür bekräftigt, daß ein Konflikt nicht in einen Krieg ausartet. Denn die öffentliche Meinung kann kriegerische Bestrebungen bändigen oder im Gegenteil diese bis zur Verblendung steigern. Als Gestalter von Radio- und Fernsehsendungen sowie von Zeitungen spielt ihr in diesem Bereich eine immer einflußreichere Rolle. Ich ermutige euch, das Gewicht eurer Verantwortung zu sehen und die Rechte und 674 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Probleme und die Einstellung jeder Seite mit größter Objektivität aufzuzeigen, um dadurch das Verständnis und den Dialog unter den Gruppen, den Ländern und den Kulturen zu fördern. Schließlich muß ich mich an jeden einzelnen Mann und an jede einzelne Frau sowie auch an euch Jugendliche wenden: Ihr habt vielfältige Gelegenheiten, die Barriere des Egoismus, des Unverständnisses und der Aggression durch die Art und Weise abzubauen, wie ihr täglich den Dialog pflegt in euren Familien, eurem Heimatort, eurem Wohnviertel, in den Vereinen eurer Stadt, eurer Region, wobei ich die nichtstaatlichen Organisationen eigens erwähnen möchte. Der Friedensdialog ist die Aufgabe aller. 12. Und nun ermahne ich besonders die Christen, euch entsprechend eurer jeweiligen Verantwortung an diesem Dialog voll zu beteiligen, ihn im Geist der Bereitschaft, der Freimütigkeit und der Gerechtigkeit, den die Liebe Christi verlangt, fortzusetzen und ihn mit Ausdauer und Hoffnung, die euch der Glaube möglich macht, immer wieder neu aufzugreifen. Ihr wißt auch um die Notwendigkeit der Bekehrung und des Gebetes; denn das Haupthindernis für die Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden findet sich im Herzen des Menschen, in der Sünde (vgl. Gaudium et spes, Nr. 10), sowie im Herzen des Kain, der sich dem Dialog mit seinem Bruder Abel verweigert hat (vgl. Gen 4, 6-9). Jesus hat uns gelehrt, wie wir hören und teilen und auch für die anderen das tun sollen, was wir für uns selbst wünschen, ferner, wie wir die Differenzen beilegen sollen, solange wir noch zusammen auf dem Wege sind (vgl. Mt 5, 25), und wie wir verzeihen sollen. Vor allem aber, er ist gekommen, um uns durch seinen Tod und seine Auferstehung von der Sünde zu befreien, die sich uns entgegenstellt, und seinen Frieden zu geben und die Mauer niederzureißen, die die Völker trennt. Aus diesem Grund hört die Kirche nicht auf, den Herrn darum zu bitten, daß er den Menschen seinen Frieden schenke, wie es die Botschaft des letzten Jahres hervorgehoben hat. Die Menschen sind jetzt nicht mehr dazu verurteilt, einander unverständlich gegenüberzustehen oder sich sogar zu entzweien wie in Babel (vgl. Gen 11, 7—9). Beim Pfingstfest in Jerusalem läßt der Heilige Geist die ersten Jünger des Herrn, ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Sprache, den königlichen Weg des Friedens in der Brüderlichkeit wiederfinden. Die Kirche bleibt der Zeuge für diese große Hoffnung. Mögen die Christen sich immer mehr ihrer Berufung bewußt werden, gegen Sturm und Brandung die demütigen Hirten jenes Friedens zu sein, den Gott den Menschen in der Weihnacht anvertraut hat. 675 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mögen zusammen mit ihnen alle Menschen guten Willens diese Herausforderung für unsere Zeit annehmen, selbst in schwierigsten Situationen alles zu tun, um den Krieg zu vermeiden und sich darum mit wachsender Überzeugung für den Weg einzusetzen, auf dem die Bedrohung abgewendet werden kann: den Dialog für den Frieden! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1982 Joannes Paulus PP. II Gemeinsam nach dem Frieden suchen! Predigt bei der Messe in St. Peter am Weltfriedenstag, 1. Januar 1. „Als die Zeit erfüllt war . . .“ (Gal 4, 4). Heute, am ersten Tag des Jahres 1983, fordert uns die Kirche auf, über diesen Satz nachzudenken. Ist die Zeit erfüllt? Heute können wir sagen, daß das Jahr 1982 erfüllt ist, es ist vergangen. Die Zeit ist nur ein Maß, um alles zu messen, was in der Zeit existiert, ein Maß für den Lauf der Welt und den Menschen in der Welt. Wir können von der Erfüllung der Zeit nur in Beziehung zum Ablauf der Zeit sprechen. So auch der hl. Paulus in dem Text aus dem Galaterbrief, den wir in der heutigen Liturgie lesen. Die Erfüllung der Zeit, von der Paulus spricht, bedeutet den ewigen Plan Gottes, der sich in der Zeit vollendet. Dieser göttliche Plan ist die Fülle des Guten und der Liebe. Daher „erfüllt sich die Zeit“, denn die Zeit ist gewissermaßen ein Darlehn auf das Gute, das sich in ihr erfüllt. 2. Und was ist dieses Gute? „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4, 4-5). Das Gute erfüllt sich, es erfüllt sich besonders für den Menschen eben in der Nacht, in der Gott geboren wurde. 676 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das ist die Fülle des Guten und der Liebe, die dem Menschen in der Zeit geschenkt wird. Die ihm für alle Zeit geschenkt wird: jeden Tag, jedes Jahr, in jedem Jahrhundert, in jeder Zeitepoche. Zugleich ist sie aber die eschatologische Erfüllung über alle Zeit hinaus, die Erfüllung, die in sich die Ewigkeit trägt. „Weil ihr aber Söhne seid, sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater. Daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn, bist du aber Sohn, dann auch Erbe, Erbe durch Gott“ (Gal 4, 6-7). So hat sich die Zeit des göttlichen Heilsplans erfüllt; sie erfüllte sich in der Nacht der Gottesgeburt. Deshalb kann der Mensch jederzeit, in jedem Bruchteil der Zeit, Gott „Vater“ nennen, er erlangt die Sohnschaft in Erwartung der Erbschaft in Christus. Diese Erbschaft ist ewig. 3. Beim Übergang vom alten zum neuen Jahr feiern wir in der Liturgie Weihnachten: das Weihnachtsfest und die Oktav. Das erlaubt uns, den Ablauf der menschlichen Zeit und die Ankunft des neuen Jahres am Ende des alten im Licht der göttlichen „Erfüllung der Zeit“ zu sehen. So betrachtet, ist jedes Jahr ein neuer Bruchteil dieser Erfüllung, die ein für allemal in der Geburt Gottes in der Menschengeschichte geschehen ist. Unter diesem Blickpunkt nennen wir Christen jedes Jahr ein „Jahr des Herrn“. Auch das vergangene Jahr war eines der Bruchteile dieser Erfüllung der Zeit, die in der Menschheitsgeschichte mit der Geburt Gottes begonnen hat. Mit ihr öffnete sich die Heilsquelle des Guten und der Liebe, die jeden Abschnitt der menschlichen Zeit durchfließt und noch darüber hinausgeht, weil sie schon die eschatologische Dimension, die Dimension der Ewigkeit, in sich birgt. Das Jahr 1983 ist bekanntlich ein besonderer Bruchteil dieser „Erfüllung der Zeit“. In ihm beginnt das neue Jubiläumsjahr unserer Erlösung, das seinen liturgischen Anfang am 25. März nimmt. Aufgrund der traditionell festliegenden Daten möchten wir, daß in diesem Jahr das Geheimnis der Erlösung in unserem Bewußtsein und Verhalten besonders lebendig und wirksam wird. Hoffen und beten wir, daß Gott in diesem Jahr, vom ersten Tag an, den Geist seines Sohnes in besonderer Weise in unser Herz sende, damit wir die „Sohnschaft“ in voller Hochherzigkeit annehmen können. 4. Heute, am Neujahrstag, beziehen sich unsere Gebete besonders auf die Gottesmutterschaft Mariens. Das hat eine tiefe Bedeutung. Weil Weihnachten auch ein Marienfest ist, ist auch sein Oktavtag ein 677 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Marienfest. An ihm wird Maria als Gottesmutter gefeiert. Die Erfüllung der Zeit bedeutet auch, daß sie Gottesmutter wurde. Gleichzeitig ist diese Mutterschaft - wie jede irdische Mutterschaft - ein Anfang. Mutterschaft bedeutet Anfang des Lebens, Anfang des Menschen. Die Mutterschaft Mariens bedeutet den Anfang des Gottmenschen in der Geschichte der Menschheit. Deshalb heißt es: „Als die Zeit erfüllt war.“ Dieser Anfang ist die „Erfüllung der Zeit“. Wir hoffen, daß das neue Jahr, als Bruchteil und Reflex dieser „Erfüllung“ unter dem Zeichen des Anfangs des Gottmenschen in der Geschichte stehe; daß es unter dem Zeichen der Gottesmutterschaft stehe, in besonderer Weise dieses Jahr, das für uns das Jubiläumsjahr der Erlösung ist: das Jahr des Herrn 1983. 5. Der Neujahrstag, der unter dem Zeichen der Weihnachtsoktav und der Gottesmutterschaft Mariens steht, ist gleichzeitig in der ganzen Kirche der Tag des Gebetes für den Frieden in der Welt. Hoffen wir, daß in diesem Gebet die Worte der Nacht von Betlehem ein lebhaftes Echo finden: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2, 14). Vor unseren Augen „erfüllt sich die Zeit“, in der die Geburt Gottes in der Menschheitsgeschichte die Heilsquelle des Guten und der Liebe öffnet. Gleichzeitig denken wir tief bewegt und beunruhigt, im Bewußtsein unserer Verantwortung daran, daß sich in der Menschheitsgeschichte eine entgegengesetzte Quelle öffnen kann: die Quelle des Bösen, des Hasses und der Zerstörung. Dafür gibt es ständig beunruhigende Anzeichen. Und deshalb versuchen wir, dieses schwere Problem im Gebet Gott zu empfehlen, vom ersten Tag des neuen Jahres an. Zugleich versuchen wir auch, alles nur mögliche zu tun, um die heutige Menschheit für die große Sache des Friedens zu sensibilisieren. 6. Das ganze Volk Gottes, alle Männer und Frauen guten Willens müssen ständig zum Frieden erzogen werden. Sie müssen zum Einsatz für die Sache des Friedens geschult und ermutigt werden. Ein unermüdlicher Einsatz ist notwendig, um in den Geistern und Herzen die Notwendigkeit und Möglichkeit des Friedens, seine Dringlichkeit, aber auch die Verantwortung, die jeder dafür trägt, bewußtzumachen. Seit 18 Jahren schon sendet der Papst an die Verantwortlichen Botschaften zum Weltfriedenstag, zeichnet unermüdlich die großen Linien einer echten Friedenskatechese und zeigt so den Weg, wie er zu erreichen ist. So auch in der Weltfriedensbotschaft 1983 über den „Dialog für den 678 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frieden: eine Forderung unserer Zeit“. Seiner Natur nach ist der Dialog Austausch, Mitteilung des einen an den anderen; aber er ist vor allem gemeinsame Suche. Im Krieg steht eine Partei gegen die andere auf. Auch in der Sache des Friedens müssen sich immer und notwendigerweise zwei Parteien einsetzen. Der Friede läßt sich nicht von den einen ohne den anderen aufbauen, alle müssen sich hier gemeinsam einsetzen. Und das ist der wahre Sinn des Dialogs für den Frieden: Er verlangt von allen Seiten Zusammenarbeit, um gemeinsam den Weg des Friedens gehen zu können. Deshalb läßt sich schwer vorstellen, wie das Problem des Friedens in der Welt einseitig gelöst werden könnte, ohne die Beteiligung und den konkreten Einsatz aller. Bei der Suche nach dem Frieden nimmt das Abrüstungsproblem einen Sonderplatz ein, und der Wunsch, daß der Dialog hier konkrete Resultate zeitigt, ist mehr als legitim. Aber wie der Dialog, so muß sich auch die Forderung nach progressivem Waffenabbau, ob nuklear oder konventionell, gleichzeitig an alle beteiligten Parteien richten. Die Kräfte, die sich gegenüberstehen, müssen gemeinsam die verschiedenen Etappen der Abrüstung durchlaufen und sich in jeder Etappe im gleichen Maß verpflichtet fühlen. In unserem gemeinsamen Gebet für den Frieden beten wir heute darum, daß der Dialog in diesem Geist aufgenommen werde und zu konkreten und praktischen Entscheidungen führe, die einen wirklichen und dauerhaften Frieden sichern. 7. An dem Tag, an dem wir noch aus der Stille der Nacht von Betlehem die Worte hören, die „allen Menschen guten Willens“ Frieden verkünden, bitten wir also zusammen mit dem Psalmisten ihn, dessen Heil sich in der Zeit erfüllt. Wir beten: „Die Nationen sollen sich freuen und jubeln, denn du richtest die Völker nach Recht und regierst die Nationen auf Erden . . . Es segne uns Gott! Alle Welt fürchte und ehre ihn! (Ps 67, 5-8). Ja, der Anfang der Weisheit ist die Furcht des Herrn: der Anfang der Weisheit der Menschen, der Nationen, der ganzen Menschheitsfamilie. Amen. 679 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freude, Freiheit und brüderliche Liebe Botschaft zum Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 800. Geburtsjahrs des hl. Franz von Assisi in Greccio am 2. Januar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Meine Pilgerfahrt in das Tal von Rieti erreicht seinen Höhepunkt in dieser Einsiedelei von Greccio, die zwischen rauhen Felsen und einsamen Wäldern aus heiligen Steinen erbaut wurde, die durch die ununterbrochenen Wallfahrten vieler Generationen von Pilgern auf der Suche nach Frieden und franziskanischer Freude abgenutzt sind. Hier möchte ich die Feier des 800. Geburtsjahres des hl. Franz von Assisi abschließen, die im vergangenen Jahr überall einen Reichtum nützlicher Initiativen hervorgebracht hat, die dem Leben der ganzen Kirche, insbesondere dem der engsten Nachfolger des Heiligen, neue Impulse gaben. 2. Ich danke allen, voran dem Herrn Minister Darida für seine Anwesenheit und die Worte, die er im Namen der italienischen Regierung an mich gerichtet hat, und drücke dem Generalobern der Franziskaner, der den Gedanken und Gefühlen der franziskanischen Ordensfamilien Ausdruck gegeben hat, meine dankbare Anerkennung aus. Dann begrüße ich Kardinal Antonelli und den Bischof von Rieti; außerdem begrüße ich herzlich alle Bewohner von Greccio, einschießlich der Autoritäten und insbesondere euren Bürgermeister und Gemeinderat, und wünsche allen „Frieden und Heil“, ein Wunsch, der in diesem heiligen Tal, das „von Stille und Heiterkeit tönt“, so oft von den Lippen des Mannes aus Assisi zu hören war, der in diesem Land eine einzigartige Spur als Heiliger, Apostel und auch Gesetzgeber hinterlassen hat. Viele Jahrhunderte sind vergangen, die Geschichte hat unzählige Seiten geschrieben, aber in den alten Klöstern des Rietitals sind die Erinnerungen an den „Poverello“, der hier predigte, betete, Buße tat und Wunder vollbrachte, noch immer lebendig. Der Name Greccio ist zu Weihnachten des Jahres 1223 in die Geschichte eingegangen, als der hl. Franziskus hier die erste Krippe aufstellte, eine mystische und volkstümliche Eingebung, die in der ganzen Welt Verbreitung fand und Triebkräfte christlichen Lebens weckte. Greccio, das „franziskanische Betlehem“, richtet auch an den heutigen Menschen, der sich auf abenteuerliche Weise in den Raum geworfen, aber auch von einer beunruhigenden Leere an Werten und Sicherheit umgeben sieht, eine 680 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heils- und Friedensbotschaft: Das menschgewordene Wort, das göttliche Kind will auch die Herzen dieser Generation erreichen und bekehren, indem es sie einlädt, die Erfahrung einer grenzenlosen Liebe zu machen, die soweit ging, daß sie unsere sterbliche Gestalt annahm, um die Quelle der Vergebung und neuen Lebens zu sein. Übrigens liebte der hl. Franziskus die Bewohner von Greccio wegen ihrer Armut und Einfachheit ganz besonders und sagte: „In keiner großen Stadt habe ich so viele Bekehrungen gesehen wie in diesem kleinen Kastell Greccio.“ Das ist ein Zeugnis, das auch für die Gegenwart gilt und das die Übung der Tugend der Sparsamkeit und der Loslösung betrifft, Tugenden, die dazu dienen, wieder eine echte Herrschaft über die Dinge zu erlangen, und noch mehr, um in einer Gesellschaft, die zuviel hat und darum oft ungerecht ist, dem nahe zu sein, der am meisten Not leidet. So leben jene Brüderlichkeit und jenes universale Solidaritätsbewußtsein fort, die der franziskanischen Spiritualität innewohnen und die so wichtig und notwendig sind, damit die Menschheit in der echten Freiheit die Fähigkeit wiederentdecken kann, gemeinsam mit der ganzen Schöpfung einen Lob- und Dankhymnus zu Gott zu erheben. Deshalb will ich meinen Gruß an euch, Menschen von Greccio, mit den Worten des Heiligen beschließen: „Jede Kreatur, die im Himmel und auf Erden und im Meer ist . . ., bringt Gott Lob, Preis, Ehre und Segen dar, denn er allein ist allmächtig und bewundernswürdig und glorreich und heilig und des Lobes würdig von Ewigkeit zu Ewigkeit“ (Lett. ai Fedeli, 10; FF 202). Zweifache Dimension franziskanischer Berufung 3. Und nun möchte ich von diesem Heiligtum aus, das gewissermaßen die zweifache - kontemplative und apostolische - Dimension der franziskanischen Berufung symbolisiert, insbesondere zu den unmittelbaren Jüngern des Heiligen von Assisi sprechen, zu den Brüdern seiner vier Familien, und zum Abschluß des erwähnten Gedenkjahres eine Botschaft an sie richten. Der menschgewordene und für den Menschen gestorbene Jesus Christus steht im Mittelpunkt der Spiritualität des Franziskus. Die Geheimnisse der Menschwerdung und der Erlösung sind alles für ihn, der dem Meister in so beispielhafter Nachfolge anzuhängen versucht, daß ihm in diesem Punkt auch von den Seinen widersprochen wird. Dadurch, daß er jede Symbolsprache, dieses beherrschende Merkmal der mittelalterlichen Kul- 681 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tur, beiseite läßt, ist sein Verhältnis zu Christus direkt und sieht von zu vielen lehrhaften Vermittlungen ab. Gott ist für ihn wahrhaftig „der, der ist“; und Jesus, der eingeborene Sohn des Vaters und Sohn Mariens, ist der Lehrer und Gefährte bei dem menschlichen Abenteuer, das aus seiner Erlösung Sicherheit und Freude schöpft. Franziskus steht in ständigem Dialog mit Jesus Christus: Er läßt ihn eingreifen in die Auseinandersetzungen über die Ordensregel, er bittet ihn um Rat, Trost und Hilfe. Man kann sagen, er lebt in seiner ständigen Gegenwart. In diesem franziskanischen Stil müssen wir eine Quelle ewiger evangelischer Echtheit und Glaubwürdigkeit erkennen, eine Schule, die stets auf den Ursprung, das Wesen, die Wahrheit des christlichen Lebens ausgerichtet ist. Hier kommen uns die anspruchslosen, aber treffenden Worte von Tommaso da Celano über den Heiligen in den Sinn: „Sein höchstes Streben, sein beherrschender Wunsch, sein fester Wille war es, das heilige Evangelium vollkommen und immer zu beobachten und mit ganzer Wachsamkeit, mit allem Einsatz, mit dem ganzen Aufschwung der Seele und des Herzens die Lehre und die Beispiele unseres Herrn Jesus Christus getreu nachzuahmen“ (Vita prima 83, FF 466). Das brachte Franziskus den Beinamen „Novello evangelista“, „neuer Evangelist“, ein; er legte in der Tat seiner Gesetzgebung und seinem geistlichen Leben das Evangelium zugrunde und löste in seinem Licht alle Probleme, die sich ihm auf seinem Weg stellten. 4. Liebe Brüder der vier großen franziskanischen Familien, ihr gehört verschiedenen Orden an, deren besondere Zielsetzungen und speziellen Leitlinien ihr teilt, zusammen aber bildet ihr alle die große Familie der Söhne des hl. Franziskus, die sich zu seinem Charisma und seinem evangelischen Ideal bekennen wollen. Werdet euch immer stärker dessen bewußt, daß ihr in einer Zeit lebt, die in vieler Hinsicht der Zeit des Heiligen ähnelt und dringend ein Zeugnis lauterer Glaubwürdigkeit, radikal gelebten Christentums braucht, um den zuschnürenden Schlingen eines „horizontalen Humanismus“ zu entkommen, der, von innen her der transzendenten Werte entleert, die Gefahr in sich birgt, die ganze Gesellschaft zur Selbstzerstörung zu führen. Es ist Zeit, das Evangelium mit erneuerter, klarer Kraft zu bezeugen und es „sine glossa“, ohne Umschweife, zu verkündigen. Der einzige Weg, um die Freude, die Freiheit, die brüderliche Liebe und den Frieden, ersehnte Ziele auch der heutigen Generation, zu erreichen, ist der Weg, den das Evangelium weist. Das Evangelium ist für jeden Menschen der Weg zu Gott, dessen Väterlichkeit es uns wiederentdecken 682 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN läßt; der Weg zu sich selbst, um die eigene Würde neu zu entdecken; der Weg zum Nächsten, um die wahre Brüderlichkeit zu verwirklichen. Den Egoismus besiegt Freude, Freiheit, Friede und Liebe, im höchsten Sinne franziskanische Werte, fanden sich alle zusammen in dem Heiligen nicht aufgrund eines außergewöhnlichen, glücklichen Zufalls, sondern als Ergebnis einer dramatischen Entwicklung, den er in dem Ausdruck „tut Buße“ zusammenfaßt, wohl das Wort, das am häufigsten von seinen Lippen kam und zu dem der Satz Jesu zu Beginn seiner Predigt ein Gegenstück bildet: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15). Zur Freude gelangte er durch das Leiden, zur Freiheit durch den Gehorsam, zur Liebe zu allen Geschöpfen, indem er seinen Egoismus besiegte. Alles in ihm ist nach dem Vorbild des gekreuzigten Christus gebildet; auch seine ständige Armut hat als letzten Beweggrund die Nachfolge des Gekreuzigten. So wird Franziskus zum echten Jünger Christi und teilt mit diesem seine weltweite Anziehungskraft. 5. Einer Gesellschaft wie der unsrigen, die ganz und gar auf die Überwindung des Leidens, der Sklaverei, der Gewalt und des Krieges ausgerichtet ist und sich zugleich in Angst und Furcht versetzt sieht angesichts der erschreckenden Nutzlosigkeit ihrer Anstrengungen, muß das Evangelium - nachdem es so bezeugt wurde - mit aller Milde (vgl. II. Rig. 3; FF 85), aber auch mit heiligem Mut verkündet werden, um die Christen zu überzeugen, daß sie nur dann zu neuen Menschen werden, die in den Genuß der Freude, der Freiheit und des Friedens gelangen, wenn vor allem die Sünde in uns erkannt wird, um dann durch wirkliche Buße Früchte hervorzubringen, die eine wirkliche Umkehr zeigen (vgl. Lk 3, 8). ,,Herolde des Großen Königs“ Die Gottleugnung, der theoretische oder systematische oder in der Konsumgesellschaft einfach gelebte Atheismus, bildet in der Tat die Wurzel aller heutigen Übel, von der Zerstörung des keimenden Lebens bis zu den sozialen Ungerechtigkeiten und dem Verlust allen Empfindens für Moral. Die Buße als Bedingung zur lebendigen Erfahrung des göttlichen Erbarmens in allen Bereichen menschlichen Daseins ist in dieser Zeit der Erwartung des Jubiläumsjahres der Erlösung ein höchst aktuelles Thema. 683 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Noch einmal sage ich zu euch, daß ihr berufen seid, Männer des Evangeliums zu sein wie euer Vater Franziskus, von dieser Einsiedelei Greccio aus, daß man unbedingt den heutigen Menschen nahekommen muß, indem man ihre Lebensverhältnisse, Probleme und Leiden erfaßt, vor allem aber, um sie davon zu überzeugen, daß im Evangelium der sichere Weg des Heils gegeben ist und daß jeder andere Weg ungangbar, unsicher, unzureichend und häufig unergiebig ist. Bringt unserer Zeit die Frohbotschaft, die Hoffnung, Versöhnung, Frieden verkündet; weckt aufs neue in den Herzen der verängstigten und unterdrückten Menschen Christus; seid allen Hüter und Zeugen der Hoffnung,, die nicht trügt. Seid wie Franziskus „Herolde des Großen Königs“ (1 Cel 16; FF 346). Eine günstige Gelegenheit, eure Sendung als Verkünder des Evangeliums wiederzubeleben und euren wertvollen Dienst für die Kirche zu intensivieren, wird euch vom Heiligen Jahr geboten, das zu feiern wir uns am Ausgang dieses Jahrtausends anschicken, um in den Herzen wieder das frohe und sichere Empfinden der ewigen Erlösung zu entzünden, aus der jedes Gut für die Menschheit fließt (vgl. 1 Kor 8, 6). Söhne des heiligen Franziskus, im Vertrauen auf eure Bereitwilligkeit als Männer des Evangeliums, über die der Geist zum Aufbau des Reiches frei verfügen kann, in der Gewißheit eurer Treue zu den Nachfolgern Innozenz’ III. und Honorius’ III., dem euer Ordensvater auch für alle künftigen Generationen der Franziskaner Gehorsam gelobt hatte, erflehe ich jedem von euch reiche Gnaden franziskanischer und vollkommener Freude und eines fruchtbaren evangelischen Apostolats, während ich euch meinen Apostolischen Segen spende. ,, Um jene Nacht zu erleuchten“ Predigt bei der Eucharistiefeier in Rieti am Sonntag, 2. Januar 1. „Auf, werde hell, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (Jes 60, 1). Liebe Brüder und Schwestern, die Aufforderung der heutigen Sonntagsliturgie vom Fest der Erscheinung des Herrn führt uns in Gedanken und mit dem Herzen zurück in jene Nacht vor vielen, vielen Jahren, als in diesem Tal auf Veranlassung des hl. Franz von Assisi zum ersten Mal das Weihnachtsgeheimnis in lebendem Bild dargestellt wurde. Bei dieser 684 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gelegenheit versammelten sich - nach dem Bericht des ersten Biographen des Heiligen — Männer und Frauen aus eurer Gegend in Greccio und „jeder brachte seinen Möglichkeiten entsprechend Kerzen und Fackeln, um jene Nacht zu erleuchten, in welcher am Himmel der Stern strahlend aufgegangen ist, der alle Tage und Zeiten erhellte“ (Celano, Vita prima, 85). Auf diese Weise erfüllte sich ein Wunsch, den Franziskus seit langem im Herzen hegte: „das in Betlehem geborene Kind darzustellen und gewissermaßen mit eigenen Augen die Entbehrungen wahrzunehmen, unter denen es sich aus Mangel an dem befand, was für ein neugeborenes Kind notwendig ist; zu sehen, wie es in eine Krippe gelegt wurde und auf Stroh zwischen Ochs und Esel lag“ (ebd., 84). 2. Auch wir sind heute hier zusammengekommen, um über das unerhörte Geheimnis eines Gottes nachzudenken, der aus Liebe zu uns Mensch geworden ist; auch wir sind hier, um zu erkennen, daß jenes Kindlein, das noch nicht sprechen kann, das nichtgeschaffene Wort des Vaters ist, derjenige, der die Antwort besitzt, die jede unserer wesentlichen Fragen zu befriedigen vermag; auch wir sind hier, um das unaussprechliche Entgegenkommen des dreifältigen Gottes zu verehren, der uns in unserem Elend nicht allein gelassen hat, sondern dadurch, daß er den Abgrund seiner Transzendenz übersprang, einer von uns geworden ist, um an unserer Seite zu gehen und uns mit seinem Beispiel auf den Weg des Heils hinzuweisen. Dieser Gedanke und die tiefe Lehre evangelischer Spiritualität, die die so eindrucksvolle Krippenszene ausstrahlt, erfüllen unser Herz mit Freude und lassen uns begreifen, warum der hl. Franziskus für Weihnachten „mehr Frömmigkeit und Hingabe besaß als für jedes andere Fest des Jahres“ (Leggenda perugina, 110). Denn „vom Tag seiner Geburt an -wie er sagte - hat sich der Herr um unsere Rettung bemüht“ (ebd.), indem er jene Initiative einleitete, die mit der Demütigung und der Herrlichkeit des Ostermysteriums ihren Abschluß finden sollte. Christus: Mitte der Weltgeschichte Dem Zeugnis des hl. Franziskus folgend, habe ich diese weihnachtliche Pilgerfahrt unternommen und bin an die Orte gekommen, die ihm besonders teuer waren, um seinen Worten beizustimmen und vor den Menschen der heutigen Zeit zu wiederholen, daß das wahre „Licht der Völker“ 685 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus ist, er, das fleischgewordene Wort, der Erlöser des Menschen. Mögen sich die Herzen öffnen, um diese Botschaft anzunehmen, und möge ein jeder aufbrechen zur Krippe von Betlehem, wo „das Kind war, . . . mit seiner Mutter - Maria“, und „vor ihm niederfallen und es anbeten“ (vgl. Mt 2, 11) wie die Könige aus dem Morgenland, die sich vom Stern leiten ließen. 3. Liebe Brüder und Schwestern der Gemeinde Rieti, ihr seid auf diesem Platz zusammengekommen, den der herrliche Glockenturm beherrscht und auf den die würdevolle Domkirche blickt, die am 9. September 1225, als der hl. Franziskus noch am Leben war, von Papst Honorius III. eingeweiht wurde. Ich sage euch: Im Mittelpunkt der Weltgeschichte steht Christus. Mit ihm erschließt sich der Sinn des Lebens; in ihm befindet sich das Fundament der Gemeinde; durch ihn und für ihn lebt die Kirche. Sein Licht muß wieder überall erstrahlen: - in den einzelnen, um den Entscheidungen des christlichen Lebens Richtung zu geben; - in den Familien, um dort unerschütterliche Treue, fruchtbringende Liebe und Hochschätzung des Lebens zu wecken; - in den Pfarreien, den grundlegenden Strukturen der kirchlichen Gemeinschaft, damit das Volk Gottes dort den Trost des Wortes und die Unterstützung der Eucharistie in der Freude brüderlicher Einheit empfangen kann; - in den Erfahrungen kirchlicher Vereine und Verbände, die so vielfältig in ihren Methoden und so verschiedenartig in ihren Angeboten sind, damit jeder dort eine fortschreitende Reifung im Glauben und in der praktischen Verwirklichung der Botschaft des Evangeliums erfahren kann. 4. Hier wenden sich meine Gedanken und meine Liebe ganz besonders euch Priestern, euch Pfarrern, euch Ordensmännern und Ordensfrauen zu, die ihr eure Kräfte in dieser geliebte Diözese Rieti einsetzt. Euch will ich ein besonderes Wort vor dem Gebet des Angelus Vorbehalten. Hier möchte ich vor allem an euch Laien appellieren, die ihr durch eure Berufung inmitten der Welt steht, um ihre komplexe Wirklichkeit mit christlichem Geist zu durchdringen. Die Beteiligung und die Verantwortlichkeit am Wirken der Kirche sind nicht ein Monopol oder eine Last, die nur einigen wenigen Vorbehalten wäre: Das Apostolat ist Berufung und Verpflichtung aller. Eine reife Gemeinde muß imstande sein, aus ihrer Mitte heraus die menschlichen Kräfte hervorzubringen, die für eine 686 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angemessene und wirksame Präsenz in der modernen Welt erforderlich sind. Ich ermutige euch daher, euch stets der Sendung klar bewußt zu sein, die Christus euch anvertraut und die die Kirche euch überträgt: In den weiten und vielfältigen Bereichen des „Profanen“ müßt ihr die Zeugen der vollen Wahrheit über den Menschen sein, indem ihr jede verzerrte und verengte Sicht seiner Bestimmung bekämpft und darum insbesondere jene Interpretationen zurückweist, die die transzendente Dimension dieser Bestimmung nicht gelten lassen. Ich wende mich besonders an euch junge Leute, die vielversprechende Zukunft der Kirche und der Gesellschaft: Verschließt eure Herzen nicht vor Christus! Ihr werdet bei anderen nicht die Antwort finden, nach der ihr vielleicht noch auf der Suche seid. Zu viele Stimmen sind rings um euch zu hören, zu viele Versprechungen, zu viele Verlockungen. Laßt euch nicht bestricken, laßt euch nicht betäuben! Erobert euch Räume der Stille, wo ihr in euch gehen könnt und euch aufs Zuhören einlaßt. Christus hat euch ein Wort zu sagen, ein persönliches, direktes Wort, das das Geheimnis eurer Gegenwart und eurer Zukunft in sich birgt. Wenn ihr dieses Wort aufzunehmen vermögt, werdet ihr sicher und froh eurer Zukunft entgegengehen können. 5. Liebe Gläubige des Rieti-Tals: Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres, von dem sich jeder die Erfüllung so vieler Hoffnungen erwartet, die 1982 unerfüllt geblieben sind. Es wird auch das Jahr sein, in welchem das Heilige Jahr der Erlösung beginnt. Welchen geeigneteren Wunsch könnte der Papst für euch aussprechen als jenen, der dem hl. Franziskus so teuer gewesen und dann sinnbildlich für alle seine Söhne geblieben ist? „Frieden und Heil!“ Auf diesem alten Platz, auf dem der Heilige aus Assisi rastete, in diesem „heiligen Tal“, das er barfuß durchwanderte und das mit sehr bekannten und verehrungswürdigen Heiligtümern seiner Anwesenheit gedenkt, wiederhole ich für euch den Wunsch, in dem jeder andere Ausdruck und Erfüllung findet: „Frieden und Heil!“ Frieden im Innern des Gewissens und in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Frieden zwischen den einzelnen und Frieden zwischen den Nationen, die die Erde bevölkern. Und Heil! Jedes Heil: vor allem das geistliche Heil, das das Licht der Wahrheit und die Freude der Liebe ist; sodann das irdische Heil: das ist Gesundheit, Arbeit, alles, was für ein Leben nötig ist, das menschlicher Wesen und Kinder Gottes würdig ist. Ihr habt während des franziskanischen Gedenkjahres die diözesane 687 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Volksmission abgehalten, die euer Bischof, der liebe Bruder Msgr. Francesco Amadio, in seiner pastoralen Sorge gefördert hat, um zur Wiederentdeckung und Wiederholung des ewigen Wortes Christi beizutragen als Antwort auf die wesentlichen Fragen und auf die besonderen Fragen des heutigen Menschen in Nachahmung der franziskanischen Erfahrung. Die Volksmission - die die Worte „Im Namen des Vaters“ zum Thema hatte und sich reger Beteiligung erfreuen konnte - hat durch das hochherzige Wirken der Franziskaner-Prediger das Evangelium wieder erklingen und das Licht erstrahlen lassen, so wie jenes Licht, das das Geburtsdorf Greccio in der Weihnachtsnacht des Jahres 1223 entzündete. Möge also, meine Lieben, in eurem Herzen stets die Gewißheit eingeprägt bleiben, daß es einen einzigen Vater im Himmel gibt, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Das ist das Geheimnis, in das wir uns in diesen Weihnachtstagen versenkt haben. Es ist das Geheimnis, das das Leben des hl. Franziskus erleuchtet hat. Wenn diese Glaubensüberzeugung auch weiterhin die Menschen des Rieti-Tales leitet und ihre Worte und ihr Tun inspiriert, wird man auch von diesem Tal die Worte sagen können, die wir an diesem vorverlegten Fest der Erscheinung des Herrn aus dem Munde des Propheten Jesaja gehört haben: „Über dir leuchtet der Herr, seine Herrlichkeit erscheint über dir“ (Jes 60, 2). Volk des „heiligen Tales“, möge immer die Herrlichkeit des Herrn über dir leuchten und sein Licht deine Schritte leiten! Die christliche Identität konsequent leben Ansprache an die Teilnehmer des 16. nationalen Jugendkongresses der Katholischen Arbeiterverbände Italiens (ACLI) am 4. Januar 1. Mit Freude begrüße ich euch, liebe Teilnehmer am 16. nationalen Jugendkongreß der Katholischen Arbeiterverbände Italiens (ACLI), und ich grüße in euch alle jungen Arbeiter eurer Bewegung. Ich weiß, daß dieser Nationalkongreß für euch ein Augenblick ist, der der Reflexion und Vertiefung eurer Identität und eurer besonderen Aufgaben dient. Es ist immer nützlich, von Zeit zu Zeit seine Tätigkeit zu unterbre- 688 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen und ein wenig innezuhalten, um sich strenger an den eigenen Idealen zu messen, seine Arbeit zu überprüfen, die Vorsätze zu bekräftigen und neue Ziele festzulegen, neue Energie zu holen und so mit neuer Kraft und neuer Begeisterung seinen Weg wieder aufnehmen zu können. Die Welt der Arbeit braucht heute mehr denn je ein christliches Zeugnis, und ihr jungen Leute seid, wenn ihr Christus und der Kirche treu seid, durch die Dynamik und die Begeisterung, die euch kennzeichnen, die geeignetsten Zeugen für die Werte des Christentums. In der Welt der Arbeit seid ihr jungen Christen Träger einer Botschaft, die wegen ihrer unvergleichlichen Größe manchmal paradoxerweise Gefahr läuft, übersehen zu werden. An euch liegt es, sie im Alltag zu verwirklichen, sie sozusagen zu zerkleinern, sie wahrnehmbar und erlebbar, griffig und vor allem verlockend zu machen. Es steht in der Tat jene menschliche Fülle auf dem Spiel, die nur das Evangelium ermöglicht. Ich kenne das Leitwort eurer Verbände: „Als Christen in der Arbeitswelt.“ Bleibt seiner anspruchsvollen Verpflichtung treu. Wir müssen endlich den unseligen Gegensatz, den gewisse Ideologen des vorigen Jahrhunderts zwischen der Identität des Arbeiters und der kirchlichen Identität, zwischen Arbeit und Glauben schaffen wollten, für überwunden betrachten. Dieser unglückliche Gegensatz hat häufig zu einer weiteren Demütigung des Menschen geführt, weil er versuchte, in ihm ein Licht zum Erlöschen zu bringen, das in Wirklichkeit nicht ausgelöscht werden kann. Das Christentum hat es von seinem Wesen her niemals darauf abgesehen, etwas von dem auszulöschen, was den wahren Adel des Menschen ausmacht (vgl. 1 Thess 5, 19), sondern hat es allenfalls wieder angefacht oder sogar in ihm neue Flammen hoher Ideale und hochherziger Hingabe an den Bruder entzündet, in dem er mit Hilfe des Glaubens gleichsam ein sakramentales Zeichen Gottes selbst sieht (vgl. 1 Joh 4, 20). Ihr habt deshalb Gründe, eine fruchtbringende Solidarität zwischen den Arbeitern und die Verwirklichung einer echten sozialen Gerechtigkeit anzustreben, indem ihr von Theorien Abstand nehmt, die den Menschen auf eine einzige Dimension, nämlich die ökonomische und materialistische, festlegen (vgl. Laborem exercens, Nr. 13). 2. Ihr werdet in dem Maß imstande sein, das Zeugnis, das die heutige Gesellschaft braucht, zu geben, indem ihr die christliche Identität, die eure Bewegung ins Leben rief und die in manchen Augenblicken eurer Geschichte schwächer wurde, immer lebendiger und schöpferischer zu gestalten wißt. Engagiert euch hochherzig in diesem Bemühen, während ihr weiterhin im 689 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sozialen Netz eures Landes aktiv präsent seid. Denkt immer daran, daß diese Präsenz fruchtlos wäre, wenn ihr dabei versäumtet, euch ständig mit dem vom kirchlichen Lehramt authentisch ausgelegten Wort Gottes zu konfrontieren und euch immer mehr in das Glaubensleben eurer Kirchengemeinden einzufügen. Davon müßt ihr ausgehen, aus dieser Wirklichkeit müßt ihr euch nähren und darauf müßt ihr euren ganzen Einsatz zurückführen. Wie sich die italienischen Bischöfe in dem Dokument „Die italienische Kirche und die Perspektiven des Landes“ vom 23. Oktober 1981 treffend ausgedrückt haben, „besteht keine Aussicht mehr für ein Christentum, das in bloßer gesellschaftlicher Tradition besteht. Und es wäre anderseits ein schwerer Irrtum, die Dringlichkeit der Alltagsprobleme voranzustellen, dadurch, daß man den grundlegenden Einsatz schmälert, der in der täglichen Konfrontation mit dem Wort Gottes, in der Feier der Eucharistie und in der Verpflichtung zum Zeugnis für das Evangelium seine organische Planung findet. Aus dem intensiven kirchlichen Leben werden wir immer aufs neue die nötige Sensibilität gewinnen können, um dem Land zu dienen“ (Nr. 16). 3. Das Thema eures Kongresses lautet: „Der Friede ist die Bestimmung des Menschen.“ Welche Begriffsdichte ist in diesem Motto enthalten! Es ist ein radikal christliches Leitwort und erinnert an jene alten und feierlichen Bibeltexte, in denen der Prophet dem Volk Gottes leuchtende Horizonte der Harmonie, der Eintracht und eben des Friedens in Aussicht stellt: wenn sie ihre „Schwerter zu Pflugscharen schmieden“ (Jes 2, 4), wenn „der Wolf beim Lamm wohnt“ (ebd., Nr. 11, 6), wenn „der Kriegsbogen vernichtet wird“ (Sach 9, 10). Ist das alles Utopie? Eitle Hoffnung? Illusion? Nein! Der Christ weiß, daß im Gegenteil eben das die Bestimmung des Menschen ist! Er weiß, daß es sich nicht um ein nahes Ziel handelt, aber um eines, das sicher ist und so viel hochherzige Hingabe als möglich verdient, um ihm immer stärker näherzukommen. Keine Mühe um dieses Ziel ist vergebens, sondern jede ist fruchtbar. Die Prophetenworte sind ja nicht nur unser Trost, sondern auch unser Ansporn. Gott spricht: „Es drängt zum Ende und ist keine Täuschung; wenn es sich verzögert, so warte darauf; denn es kommt, es kommt und bleibt nicht aus“ (Hab 2, 3). Eines ist sicher: Der Herr hat „Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn er will euch Zukunft und Hoffnung geben“ (/er 29, 11). Aber das ist eine Bestimmung, zu der der Mensch, eben weil sie ihn betrifft, selbst beitragen muß. Und eine Bestimmung zum Frieden wird 690 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewiß nicht dadurch vorbereitet, daß man, ob im internationalen Leben, ob in den Beziehungen zwischen den Gruppen und den sozialen Kräften, zu Konflikten, Gewalt und Übergriffen Zuflucht nimmt. Wie ich in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar gesagt habe, braucht „der wahre Friede nicht die kämpferische Auseinandersetzung, sondern den Dialog“ (Nr. 3). Nur er ermöglicht es, sich kennenzulernen, zu verstehen, zu begegnen. Er ist in der Tat bereits von gleicher Natur wie das Ziel, das man erreichen will, denn um Frieden zu erlangen, sind friedliche Mittel notwendig, entsprechend dem Grundsatz, nach dem „nur das Ähnliche ähnliches hervorbringen“ kann. 4. Ihr, liebe junge Arbeiter der christlichen Arbeiterverbände, seid aufgerufen, diese Worte in der Welt eurer Arbeit lebendig und wirksam zu machen. Ich ermutige euch, eure christliche Identität immer mehr zu stärken und sie konsequent und in voller Treue zu den Weisungen der Bischöfe der Kirche zu leben. Ich versichere euch meines ständigen Gedenkens beim Herrn, damit er euch erleuchte und euch bei jedem guten Werk stärke und euren wertvollen Einsatz zu einem guten Ende führe. Von ihm erbitte ich für euch die Fülle seiner Gnade durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau, während ich euch und allen, die ihr heute hier vertretet, und im besonderen allen euren Lieben und Freunden von Herzen den Apostolischen Segen erteile. 691 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolisches Rundschreiben zum Jubiläumsjahr der Erlösung „Aperiteportas redemptori“ vom 6. Januar An alle Gläubigen der katholischen Kirche: Gruß und Apostolischer Segen! 1. „Öffnet die Türen dem Erlöser!“ Diesen Appell richte ich für das Jubiläumsjahr der Erlösung an die ganze Kirche und erneuere so die Einladung, die ich am Tag nach meiner Wahl zum Nachfolger Petri ausgesprochen habe. Von jenem Augenblick an sind meine Gefühle und Gedanken in besonderer Weise auf Christus, den Erlöser, gerichtet, auf sein Ostergeheimnis, den Höhepunkt der göttlichen Offenbarung und die äußerste Verwirklichung des Erbarmens Gottes für die Menschen aller Zeiten. Das universale Dienstamt, das dem Bischof von Rom zu eigen ist, hat ja seinen Ursprung im Ereignis der Erlösung, die Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung erwirkt hat; und vom Erlöser selbst ist jenes Amt in den Dienst eben dieses Ereignisses gestellt worden, <31> das im Mittelpunkt der gesamten Heilsgeschichte steht. <32> <31> Zwar stellt jedes liturgische Jahr eine Feier der Geheimnisse unserer Erlösung dar; das zeitliche Jubiläum des Erlösungstodes Christi legt es jedoch nahe, diese Feier intensiver zu begehen. Schon im Jahre 1933 hatte Papst Pius XI. die glückliche Eingebung, des 1900. Jahrestages der Erlösung mit einem außerordentlichen Jubiläumsjahr zu gedenken, wobei er es vermieden hat, der Frage genauer nachzugehen, an welchem Datum 692 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vollen Freude, die uns das Erlösungsopfer Christi bringt, durch das die Kirche immer wieder „auf wunderbare Weise geboren und genährt“6 wird. So werde dies ein wahrhaft Heiliges Jahr, eine echte Zeit der Gnade und des Heils, weil intensiver geheiligt durch die Annahme der Erlösergnaden von seiten der Menschheit unserer Zeit. Das geschehe durch die geistige Erneuerung des ganzen Gottesvolkes, dessen Haupt Christus ist; von ihm heißt es: „Wegen unserer Verfehlungen wurde er hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt.“7 3. Das ganze Leben der Kirche ist von der Erlösung durchdrungen; von der Erlösung bezieht es seine Kraft. Um uns zu erlösen, ist Christus vom Herzen des Vaters in die Welt gekommen und hat sich selbst am Kreuz dahingegeben in einem Akt größter Liebe zur Menschheit. Seinen Leib und sein Blut hat er der Kirche „zu seinem Gedächtnis“8 hinterlassen und sie als Dienerin der Versöhnung mit der Vollmacht, Sünden zu vergeben, eingesetzt.9 Die Erlösung wird dem Menschen durch die Verkündigung des Wortes Gottes und die Sakramente vermittelt, im Rahmen jener Heilsordnung, in der die Kirche als Leib Christi zum „allumfassenden Heilssakrament“10 geworden ist. Die Taufe, das Sakrament der Wiedergeburt in Christus, führt die Gläubigen in den Lebensstrom hinein, der im Erlöser entspringt. Die Firmung verbindet sie noch enger mit der Kirche und bestärkt sie im Zeugnis für Christus und in einer Liebe, die Gott und die Brüder zugleich umfaßt. Die Eucharistie vergegenwärtigt in besonderer Weise das gesamte Werk der Erlösung; das ganze Jahr hindurch wird es in der Feier der heiligen Geheimnisse fortgeführt. Hierbei schenkt sich der Erlöser selbst den Gläubigen durch seine reale Gegenwart unter den heiligen Gestalten; er führt sie immer näher an jene Liebe heran, „die mächtiger ist als der Tod“,11 und verbindet sie mit sich selbst und zugleich miteinander. Die Eucharistie erbaut so die Kirche, weil sie Zeichen und Grund der Einheit des Volkes Gottes ist und somit Quelle und Gipfel des gesamten christlichen Lebens.12 Das Bußsakrament reinigt die Gläubigen, wie im folgenden weiter ausgeführt werden wird. Die Priesterweihe macht die Erwählten Christus ähnlich, dem ewigen Hohenpriester, und verleiht ihnen die Vollmacht, als Hirten in seinem Namen die Kirche durch das Wort und die Gnade Gottes zu führen, und dies vor allem in der Eucharistiefeier. Im Ehesakrament wird „echte eheliche Liebe in die göttliche Liebe aufgenommen und durch die erlösende Kraft Christi und die Heilsvermittlung der Kirche gestützt und bereichert“.13 Die Kranken- 693 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Salbung schließlich vereint die Leiden der Gläubigen mit der Passion des Erlösers und reinigt sie so für die vollständige Erlösung des Menschen auch in seinem Leibe und bereitet sie vor auf die selige Begegnung mit Gott, dem Einen und Dreifältigen. Da auch die verschiedenen Formen christlicher religiöser Praxis, vor allem jene, die „Sakramentalien“ genannt werden, wie auch die Weisen einer echten Volksfrömmigkeit ihre Wirkkraft aus dem Reichtum beziehen, der beständig aus dem Kreuzestod und der Auferstehung unseres Erlösers Jesus Christus hervorströmt, erleichtern sie den Gläubigen den immer neuen lebendigen Kontakt mit dem Herrn. Wenn also das gesamte Wirken der Kirche von der verwandelnden Kraft der Erlösung Christi gekennzeichnet ist und ständig aus diesen Heilsquellen schöpft,14 dann wird deutlich, daß das Jubiläum der Erlösung - wie ich schon vor dem Kardinalskollegium am vergangenen 23. Dezember betont habe — nichts anderes ist als „ein gewöhnliches Jahr, das in außergewöhnlicher Weise gefeiert wird: Die Gnadengabe der Erlösung, gewöhnlich schon innerhalb der Struktur der Kirche und durch diese erfahren, wird außergewöhnlich durch das Besondere der angekündigten Feier“.15 Auf solche Weise erhält das ganze Leben und Wirken der Kirche in diesem Jahr den Glanz einer Jubelfeier: Das Heilige Jahr der Erlösung muß allem Leben der Kirche einen besonderen Charakter verleihen, damit die Christen durch persönliche Erfahrung alle Reichtümer neu zu entdecken vermögen, die das seit der Taufe empfangene Heil ständig in sich birgt, und von der Liebe Christi zur Erkenntnis geführt werden: „Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde.“16 Wenn die Kirche als Ausspenderinder vielfältigen Gnade Gottes diesem Jahr eine besondere Bedeutung verleiht, dann wird in den verschiedenen Formen, unter denen dieses Jubiläumsjahr in Erscheinung tritt, die göttliche Heilsordnung selbst verwirklicht. Aus all dem ergibt sich für dieses Ereignis deutlich ein pastoraler Charakter. In der Neuentdeckung und im lebendigen Vollzug der sakramentalen Heilsordnung der Kirche, durch welche die Gnade Gottes in Christus zu den einzelnen und zu den Gemeinden kommt, kann man die tiefe Bedeutung und erhabene Schönheit dieses Festjahres erblicken, dessen Feier uns der Herr geschenkt hat. Es muß andererseits klar sein, daß diese besonders dichte Zeit, in der jeder Christ dazu auf gef ordert ist, seine Berufung zur Versöhnung mit Gott dem Vater im Sohn Jesus Christus tiefer zu verwirklichen, ihr Ziel 694 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur dann voll erreicht, wenn sie in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen allen Menschen sowie für den Dienst am Frieden zwischen allen Völkern einmündet. Ein echt christlicher Glaube und ein ebensolches Leben müssen notwendigerweise Frucht tragen in einer Liebe, die die Wahrheit tut und die Gerechtigkeit fördert. 4. Die besondere Jubiläumsfeier der Erlösung möchte in den Söhnen und Töchtern der Kirche vor allem das Bewußtsein dafür neu beleben, „daß ihre ausgezeichnete Stellung nicht den eigenen Verdiensten, sondern der besonderen Gnade Christi zuzuschreiben ist; wenn sie ihr im Denken, Reden und Handeln nicht entsprechen, wird ihnen statt Heil strengeres Gericht zuteil“.17 Folglich soll jeder Gläubige sich vor allem aufgerufen wissen zu einem besonderen Akt der Buße und der Erneuerung; denn dies ist auch die ständige Haltung der Kirche selber: „Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung.“18 So folgt sie dem Aufruf, den Christus zu Anfang seines öffentlichen Wirkens an die Menschen gerichtet hat: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“19 Mit diesem besonderen Einsatz liegt das Jubiläumsjahr, dessen Feier wir bald beginnen, auf der Linie des Heiligen Jahres 1975, dem mein verehrter Vorgänger Paul VI. als erstes Ziel die Erneuerung in Christus und die Versöhnung mit Gott zugewiesen hat.20 Es kann in der Tat keine geistige Erneuerung geben, die sich nicht in Buße und Umkehr vollzieht: sei es als innere und ständige Haltung des Gläubigen und als Übung jener Tugend, die auf die Einladung des Apostels „sich mit Gott versöhnen zu lassen“,21 antwortet, sei es auch als Weg zur Vergebung Gottes im Bußsakrament. Aus seiner Mitgliedschaft in der Kirche folgt ja notwendig, daß jeder Katholik alles tue, um im Stand der Gnade zu bleiben und nicht in Sünde zu fallen, damit er stets in der Lage sei, am Tisch des Leibes und Blutes des Herrn teilzunehmen, und so eine Hilfe für die ganze Kirche bei ihrer eigenen persönlichen Heiligung und ihrem immer reineren Einsatz für den Dienst des Herrn darstelle. 5. Das Freisein von der Sünde ist also eine Frucht und vorrangige Forderung aus dem Glauben an den Erlöser Jesus Christus und seine Kirche, da er uns befreit hat, damit wir frei bleiben22 und am Geschenk seines sakramentalen Leibes zur Auferbauung seines Leibes, der Kirche, teilnehmen. Für diese Freiheit hat unser Herr Jesus Christus in der Kirche das 695 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bußsakrament eingesetzt, damit diejenigen, die nach der Taufe gesündigt haben, wieder versöhnt werden mit Gott, den sie beleidigt, und mit der Kirche, die sie verletzt haben.23 Die allgemeine Aufforderung zur Bekehrung24 gehört in diesen Zusammenhang. Weil alle Sünder sind, haben alle jene tiefe Änderung in Geist, Verstand und Leben nötig, die in der Heiligen Schrift gerade metänoia, Bekehrung, genannt wird. Diese Haltung wird geweckt und gefördert vom Wort Gottes, der Offenbarung der Barmherzigkeit des Herrn,25 sie verwirklicht sich vor allem im Empfang der Sakramente und zeigt sich in vielfältigen Formen der Nächstenliebe und des Dienstes an den Brüdern. Zur Wiederherstellung des Gnadenstandes genügt in unserer Heilsordnung normalerweise nicht das innere Eingeständnis der eigenen Schuld noch die äußere Wiedergutmachung. Christus, der Erlöser, hat ja die Kirche gegründet und zum universalen Heilssakrament gemacht und dadurch grundgelegt, daß das Heil des einzelnen im Schoß der Kirche und durch das Geheimnis der Kirche geschehe,26 dessen Gott sich auch bedient, um den Anfang des Heiles, den Glauben,27 zu schenken. Sicher, die Wege des Herrn sind unerforschlich, und das Geheimnis der Gottesbegegnung im Gewissen bleibt unauslotbar; aber der Weg, den uns Christus gezeigt hat, geht über die Kirche, die durch das Sakrament (oder wenigstens den Wunsch nach ihm) die persönliche Verbindung zwischen dem Sünder und dem Erlöser wiederherstellt. Auf diese lebensspendende Verbindung weist auch das Zeichen der sakramentalen Lossprechung hin, in welcher der vergebende Christus - in der Person seines Dieners - die Person des Vergebungsbedürftigen in ihrer Einmaligkeit erreicht und in ihr jene Glaubensüberzeugung neu belebt, von der jede weitere abhängt: der „Glaube an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“.28 6. In jedem Wiederfinden der Überzeugung von der erbarmenden Liebe Gottes und in jeder einzelnen Antwort reumütiger Liebe von seiten des Menschen vollzieht sich Kirche. Zur besonderen Kraft des Sakramentes kommen als Teilnahme am unendlichen Verdienst und Sühnewert des Blutes Christi, des einzigen Erlösers, die Verdienste und Sühneleistungen all jener, die, von Jesus Christus geheiligt und ihrer Berufung zur Heiligkeit getreu,29 Freuden und Gebete, Entbehrungen und Leiden für die Glaubensbrüder aufopfern, die der Vergebung am meisten bedürfen, ja für den ganzen Leib Christi, die Kirche.30 Die Übung der sakramentalen Beichte ist somit durch ihren Zusammenhang mit der Gemeinschaft der Heiligen, die in verschiedener Weise zur 696 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Annäherung der Menschen an Christus beiträgt,31 ein Akt des Glaubens an das Geheimnis der Erlösung und ihrer Verwirklichung in der Kirche. Die Feier der sakramentalen Buße ist immer ein Akt der Kirche, in dem diese ihren Glauben bekennt, Gott für die uns in Christus geschenkte Freiheit dankt, ihr Leben als geistiges Opfer zum Lob der Herrlichkeit Gottes darbringt und darin Christus, dem Herrn, entgegeneilt. Es folgt aus dem Geheimnis der Erlösung, daß der Dienst der Versöhnung, den Gott den Hirten der Kirche anvertraut hat,32 seinen natürlichen Vollzug im Sakrament der Buße findet. Die Verantwortung liegt bei den Bischöfen; sie sind in der Kirche die Verwalter der Gnade aus dem Priestertum Christi,33 an dem seine Diener auch in der Gestaltung der Bußdisziplin teilhaben. Die Verantwortung liegt auch bei den Priestern, die sich gerade in der Verwaltung des Bußsakramentes der Absicht und der Liebe Christi verbinden können.^ 7. Bei diesen Erwägungen fühle ich mich der seelsorglichen Anliegen all meiner Brüder im Bischofsamt verbunden. Es ist in diesem Zusammenhang von besonderer Bedeutung, daß die Bischofssynode in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung gerade die Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche zum Thema hat. Sicher werden die Oberhirten mit mir der unersetzlichen Rolle des Bußsakramentes in der Heilssendung der Kirche besondere Aufmerksamkeit schenken und mit ganzer Kraft alles versuchen, was dem Aufbau des Leibes Christi dient.33 Ersehnen wir doch gemeinsam nichts dringender in diesem Jahr der Erlösung, als daß die Zahl der irrenden Schafe abnehme und alle zum Vater zurückkehren, der auf sie wartet,36 und zu Christus, dem Hirten und Hüter der Seelen aller.37 An der Schwelle zu ihrem dritten Jahrtausend fühlt sich die Kirche zu besonderer Treue gegenüber den göttlichen Gaben verpflichtet, die in der Erlösungstat Christi ihre Quelle haben und durch welche sie der Heilige Geist zu ihrer Entfaltung und Erneuerung führt, damit sie immer mehr eine ihres Herrn würdige Braut werde.38 So vertraut sie auf den Heiligen Geist und möchte sich seinem geheimnisvollen Wirken verbinden als die Braut, welche nach dem Kommen Christi ruft.39 8. Die besondere Gnade des Jahres der Erlösung ist also eine Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes und eine Vertiefung der unerforschlichen Reichtümer des Paschageheimnisses Christi, die wir uns im Alltag des christlichen Lebens in all seinen Formen aneignen. Die verschiedenen Übungen dieses Jubiläumsjahres müssen in dauerndem 697 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bemühen auf diese Gnade hingeordnet sein, was Abwendung von der Sünde voraussetzt und fordert, von der Gesinnung der Welt, die „unter der Macht des Bösen“ steht,40 von allem, was den Weg der Bekehrung behindert oder hemmt. In diesem Zusammenhang der Gnade gehört auch das Geschenk des Ablasses, welches für das Jubiläumsjahr kennzeichnend ist. Die Kirche bietet es in ihrer durch Christus verliehenen Vollmacht allen an, die mit den genannten Voraussetzungen die Vorschriften des Jubiläums erfüllen. Wie mein Vorgänger Papst Paul VI. in der Bulle zum Heiligen Jahr 1975 betonte, „läßt die Kirche, gestützt auf die Vollmacht, Dienerin der von unserem Herrn Jesus Christus vollbrachten Erlösung zu sein, ihre Gläubigen durch den Ablaß an dieser Fülle Christi in der Gemeinschaft der Heiligen Anteil haben, indem sie ihnen Heilsmittel in reichstem Maße anbietet“.41 Die Kirche, welche ihr Gründer ausdrücklich zur Verwalterin der Gnade gemacht hat, schenkt allen Gläubigen die Möglichkeit, sich durch den Ablaß das Vollgeschenk des göttlichen Erbarmens anzueignen; sie verlangt allerdings - da ja der Ablaß nicht von der Bußgesinnung und vom Bußsakrament zu trennen ist -, daß die notwendige innere Einstellung und Läuterung ungeteilt gegeben sei. Von ganzem Herzen vertraue ich, daß sich durch das Jubiläumsjahr in den Gläubigen die Gabe der Furcht Gottes, ein Geschenk des Heiligen Geistes, immer reiner entfalte, daß der Geist sie immer mehr dahin führe, in feinfühliger Liebe die Sünde zu meiden, sie nach Möglichkeit durch die Annahme der täglichen Leiden und die Werke des Jubiläumsjahres für sich und die anderen wiedergutzumachen. Man muß den Sinn für die Sünde wiederentdecken; dafür aber muß man den Sinn für Gott wiederentdecken! Die Sünde ist ja eine Kränkung des gerechten und barmherzigen Gottes, welche in oder nach diesem Leben entsprechend gesühnt werden muß. Wer denkt da nicht an die heilsame Ermahnung: „Der Herr wird sein Volk richten. Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.“42 Diesem erneuerten Bewußtsein von der Sünde und ihren Folgen muß eine erneute Wertschätzung des Gnadenlebens entsprechen, die der gekreuzigte und auferstandene Herr seiner Kirche als neue Erlösungsgabe schenken wird. Das ist es, worum es in der so pastoralen Zielsetzung des Jubiläumsjahres geht, von der ich schon gesprochen habe. 9. Die gesamte Kirche, von den Bischöfen bis zu den kleinsten und einfachsten unter den Gläubigen, fühlt den Ruf, in diesem letzten Abschnitt des zwanzigsten Jahrhunderts seit der Erlösung in einem er- 698 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN neuerten und vertieften Adventsgeist zu leben, der sie für das schon nahe dritte Jahrtausend bereitet. Sie fühlt den Ruf zur gleichen Gesinnung, mit welcher die Jungfrau Maria die Geburt des Herrn in der Schwachheit unserer Menschennatur erwartet hat. Wie Maria bei der Morgenröte der Erlösung der Kirche in Glaube und Liebe voranging, so gehe sie ihr heute voran, da diese mit dem Jubiläumsj ahr den Weg ins nächste Jahrtausend der Erlösung beginnt. Mehr als je zuvor „bewundert und feiert“ die Kirche in diesem neuen Abschnitt ihrer Geschichte in Maria „die höchste Frucht der Erlösung und schaut in ihr mit Freuden wie in einem reinen Bilde, was sie selbst als ganze zu sein ersehnt und erhofft“;43 in Maria erkennt, verehrt und ruft sie an „die Ersterlöste“ und zugleich die erste, welche dem Werk der Erlösung ganz nahe zugesellt war. Die ganze Kirche muß also versuchen, sich wie Maria mit ungeteilter Liebe ihrem Herrn Jesus Christus zuzuwenden; sie muß in Lehre und Leben bezeugen, daß wir getrennt von ihm nichts tun können, weil in keinem anderen das Heil zu finden ist.44 Wie Maria in der Annahme der göttlichen Botschaft Mutter Jesu wurde und sich im Dienst am Geheimnis der Erlösung ganz der Person und dem Werk ihres Sohnes weihte,45 so muß die Kirche heute und immer verkünden, daß sie unter den Menschen nichts anderes wisse als Jesus, den Gekreuzigten, der für uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung wurde.46 Mit diesem Zeugnis für Christus, den Erlöser, kann auch die Kirche wie Maria die Flamme einer neuen Hoffnung für die ganze Welt entzünden. 10. Bei diesem Jahr der Erlösung - welche ein für allemal verwirklicht ist, aber für die immer größere und tiefere Heiligung der Welt zugewandt und ausgebreitet werden muß - beseelt mich die innige Hoffnung, alle, die an Christus glauben, möchten sich in ihren Anliegen begegnen, auch jene Brüder von uns, die, wenn auch nicht voll, so doch wahrhaft mit uns in Gemeinschaft stehen: durch den gemeinsamen Glauben an den mensch-gewordenen Sohn Gottes, unseren Erlöser und Herrn, und durch die gemeinsame Taufe.47 Alle, die der göttlichen Erwählung entsprochen haben und Jesus Christus gehorchen, die mit seinem Blut besprengt sind und an seiner Auferstehung teilhaben 48 sie alle glauben ja, daß die Erlösung von der Knechtschaft der Sünde die Vollendung der gesamten göttlichen Offenbarung ist, hat sich doch in ihr verwirklicht, was kein Geschöpf je hätte denken noch tun können, nämlich daß der unsterbliche Gott sich in Christus für den Menschen als Opfer darbrachte und daß die sterblichen Menschen in ihm 699 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auferstanden sind. Sie glauben, daß die Erlösung die höchste Erhöhung des Menschen ist, weil sie ihn der Sünde sterben und am Leben Gottes selbst teilhaben läßt. Sie glauben, daß jede menschliche Existenz und die ganze Geschichte der Menschheit ihre Sinnfülle erst aus der unerschütterlichen Sicherheit erlangen, daß „Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“.49 Möchte doch die erneute lebendige Erfahrung dieses einen Glaubens auch im Jubiläumsjahr die Zeit jener unsagbaren Freude beschleunigen, da die Brüder im Hören auf die Stimme Christi in seiner einen Herde mit ihm, dem einen höchsten Hirten, Zusammenleben!50 Schon jetzt ist uns die Freude geschenkt, daß viele von ihnen sich bereiten, in diesem Jahr in besonderer Weise Christus als das Leben der Welt zu feiern. Ich wünsche ihren Vorhaben Erfolg und bitte den Herrn, sie zu segnen. 11. Es ist jedoch klar, daß die Feier des Jubiläumsjahres hauptsächlich die Söhne und Töchter der Kirche betrifft, die ihren Glauben an Christus, den Erlöser, uneingeschränkt teilen und in voller Gemeinschaft mit ihr leben. Wie ich schon angekündigt habe, wird das Jubiläumsjahr gleichzeitig in Rom und in allen Diözesen der Welt gefeiert werden.51 Für die Erlangung der geistlichen Früchte, die mit dieser Jubiläumsfeier verbunden sind, gebe ich außer einigen Anordnungen eine mehr allgemeine Orientierung, wobei ich den Bischofskonferenzen und den Bischöfen der einzelnen Diözesen die Aufgabe überlasse, unter besonderer Berücksichtigung der Mentalität und der Gewohnheiten der jeweiligen Gegenden wie der geistigen Zielsetzung der Feiern zur 1950. Wiederkehr des Todes und der Auferstehung Christi konkretere Richtlinien und pastorale Empfehlungen zu erlassen. Die Feier dieses Ereignisses will vor allem ein Aufruf zu Reue und Umkehr sein, die die notwendigen inneren Voraussetzungen dafür sind, um an der Gnade der von ihm gewirkten Erlösung teilzunehmen und so in den einzelnen Gläubigen, den Familien, Pfarr-gemeinden, Diözesen, den religiösen Gemeinschaften und in den anderen Zentren des christlichen und apostolischen Lebens zu einer geistigen Erneuerung zu gelangen. Ich wünsche vor allem, daß man den beiden wichtigsten Bedingungen, die für die Gewinnung jedes vollkommenen Ablasses erforderlich sind, eine tragende Bedeutung gibt, nämlich der persönlichen und vollständigen sakramentalen Beichte, in der sich das Elend des Menschen und die Barmherzigkeit Gottes begegnen, sowie dem würdigen Kommunionempfang. 700 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Hinsicht ermahne ich alle Priester, den Gläubigen mit hochherziger Bereitschaft und persönlicher Hingabe reiche Möglichkeiten zu bieten, um von den Heilsmitteln fruchtbaren Gebrauch machen zu können. Um die Aufgabe der Beichtväter zu erleichtern, bestimme ich, daß die Priester, die die Pilgerwallfahrten zum Jubiläum begleiten oder sich ihnen anschließen, sich außerhalb ihrer Diözese jener Fakultäten bedienen können, die sie durch die rechtmäßige Autorität in ihrer eigenen Diözese besitzen. Besondere Vollmachten werden sodann von der Apostolischen Pönitentierie den Pönitentiären in den römischen Patriarchalbasiliken und in bestimmtem Maße auch allen anderen Priestern gewährt werden, die jenen Gläubigen die Beichte hören, die das Bußsakrament zur Erlangung des Jubiläumsablasses empfangen. Indem ich das mütterliche Empfinden der Kirche interpretiere, bestimme ich, daß der Jubiläumsablaß in freier Wahl nach einer der folgenden Weisen gewonnen werden kann, die zusammen Ausdruck und vertieftes Bemühen für ein vorbildliches kirchliches Leben sein werden: A Durch die andächtige Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Feier, die auf Diözesanebene oder, in Übereinstimmung mit den Anordnungen des Bischofs, auch in den einzelnen Pfarreien zur Erlangung des Jubiläumsablasses veranstaltet wird: In diese Feier muß stets ein Gebet nach meiner Meinung eingefügt werden, besonders dafür, daß das Geschehen der Erlösung allen Völkern verkündet werden kann und in jeder Nation jene, die an Christus, den Erlöser, glauben, ihren Glauben frei bekennen können. Es ist wünschenswert, daß die Feier möglicherweise von einem Werk der Barmherzigkeit begleitet wird, wodurch der büßende Christ seine Bemühungen um Bekehrung fortsetzt und zum Ausdruck bringt. Der gemeinschaftliche Akt kann im einzelnen bestehen in der Teilnahme: - an der heiligen Messe, die für das Jubiläum gefeiert wird. Die Bischöfe werden dafür Sorge tragen, daß in ihren Diözesen den Gläubigen eine leichte Teilnahme daran gewährleistet wird und die Feier selbst würdig und gut vorbereitet ist. Wenn es die liturgischen Vorschriften erlauben, wird eine der folgenden Messen empfohlen: Um Versöhnung - Um Nachlaß der Sünden - Um Liebe - Um Eintracht - Vom kostbaren Blut, deren Formulare sich im Römischen Missale finden; auch kann 701 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eines der beiden Eucharistischen Hochgebete für die Versöhnung benutzt werden; - an einem Wortgottesdienst, der eine Anpassung oder eine Ausweitung der Lesehore sein könnte, oder am Gebet der Laudes oder Vesper, sofern diese Feiern auf das Jubiläum ausgerichtet sind; - an einer Bußfeier, die zur Gewinnung des Jubiläumsablasses veranstaltet wird und mit der individuellen Beichte der einzelnen Teilnehmer abschließt, wie es im Bußritus vorgesehen ist (2. Form); - an einer feierlichen Spendung der Taufe oder anderer Sakramente (wie z. B. der Firmung oder der Krankensalbung „innerhalb der Eucharistiefeier“); - am andächtigen Gebet des Kreuzweges, das für die Gewinnung des Jubiläumsablasses verrichtet wird. Die Diözesanbischöfe können ferner bestimmen, daß die Erlangung des Jubiläumsablasses durch die Teilnahme an einer Volksmission erfolgt, die von den Pfarreien anläßlich des Jubiläums der Erlösung durchgeführt wird, oder durch die Teilnahme an religiösen Einkehrtagen, die für Gruppen oder bestimmte Kategorien von Personen veranstaltet werden. Natürlich darf auch hier ein Gebet nach der Meinung des Papstes nicht fehlen. B Durch den Besuch, einzeln oder - wie es vorzuziehen ist - zusammen mit der eigenen Familie, einer der im folgenden angegebenen Kirchen oder Stellen, wo man sich eine Zeitlang der Betrachtung widmet, seinen Glauben durch die Rezitation des Credos und des Vaterunsers erneuert und nach meiner Meinung betet, wie es vorher schon gesagt worden ist. Was diese Kirchen und Stellen betrifft, bestimme ich das folgende: a) In Rom muß eine der vier Patriarchalbasiliken (S. Giovanni in Late-rano, S. Pietro in Vaticano, S. Paolo fuori le Mura, Santa Maria Maggiore) oder eine der Katakomben oder die Basilica Santa Croce in Gerusalemme besucht werden. Das Komitee für das Heilige Jahr wird in Zusammenarbeit mit der Diözese Rom für eine geordnete und kontinuierliche Folge von liturgischen Feiern mit angemessener religiöser und geistiger Betreuung der Pilger Sorge tragen. b) In den anderen Diözesen der Welt kann der Jubiläumsablaß gewonnen werden, indem man eine der Kirchen besucht, die von den Bischöfen 702 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dafür bestimmt werden. Bei der Wahl der Orte, in die natürlich vor allem die Kathedrale eingeschlossen ist, werden die Bischöfe den Erfordernissen der Gläubigen, aber auch dem Anliegen Rechnung tragen, daß der Sinn der Wallfahrt möglichst erhalten bleibt, der in seinem Symbolgehalt das Bedürfnis, die Suche, mitunter die heilige Unruhe der Seele zum Ausdruck bringt, die sich danach sehnt, mit Gott Vater, Gott Sohn, dem Erlöser des Menschen, und mit Gott dem Heiligen Geist, der in den Herzen die Erlösung wirkt, das Band der Liebe zu festigen oder wiederherzustellen. Diejenigen, die aufgrund schwacher Gesundheit sich nicht in eine der vom Ortsordinarius bezeichneten Kirchen begeben können, können den Jubiläumsablaß durch einen Besuch ihrer Pfarrkirche erlangen. Für die Kranken, die zu diesem Besuch nicht in der Lage sind, genügt es, daß sie sich geistig mit dem Akt für die Erlangung des Jubiläumsablasses verbinden, der von ihren Familienangehörigen oder ihrer Pfarrei vollzogen wird, und Gott ihre Gebete und Leiden aufopfern. Analoge Erleichterungen werden den Bewohnern von Altersheimen und Insassen von Haftanstalten gewährt, denen im Lichte Christi, des Erlösers aller Menschen, besondere Sorge und Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen. Die klausierten Ordensmänner und -frauen können den Jubiläumsablaß in den Kirchen ihrer Klöster oder Konvente erlangen. Während des Jubiläumsjahres bleiben alle anderen gewährten Ablässe in Kraft, wobei jedoch nach der geltenden Norm nur einmal am Tag ein vollkommener Ablaß gewonnen werden kann.52 Alle Ablässe können immer als Fürbittgebet den Verstorbenen zugewendet werden.53 12. Die Heilige Pforte, die ich selbst in der Vatikanbasilika am kommenden 25. März öffnen werde, sei Zeichen und Symbol für einen neuen Zugang zu Christus, dem Erlöser des Menschen, der alle - keinen ausgeschlossen - zu einer noch tieferen Betrachtung des Geheimnisses der Erlösung und zur Teilnahme an ihren Früchten,54 besonders durch das Bußsakrament, ruft. Eine besondere Gebets- und Bußfeier kann am selben Tag oder unmittelbar danach von allen Bischöfen in ihren jeweiligen Kathedralen veranstaltet werden, damit am feierlichen Beginn des Jubiläums der gesamte Episkopat der fünf Kontinente zusammen mit ihren Priestern und Gläubigen seine geistige Einheit mit dem Nachfolger Petri bekundet. Ich lade meine Brüder im Bischofsamt, die Priester, Ordensleute und alle Gläubigen von Herzen dazu ein, dieses Jahr der Gnade mit großem Eifer zu feiern. 703 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bitte die heiligste Jungfrau Maria, die Mutter des Erlösers und Mutter der Kirche, auf daß sie für uns eintrete und uns die Gnade einer fruchtbaren Feier des Jubiläumsjahres, 20 Jahre nach dem II. Vatikanischen Konzil, erlange und „noch einmal der ganzen Kirche, vielmehr der ganzen Menschheit, jenen Jesus zeige, der die gebenedeite Frucht ihres Leibes und der Erlöser aller ist“.55 Ihren Händen und ihrem mütterlichen Herzen empfehle ich das gute Gelingen dieser Jubiläumsfeier. Ich wünsche, daß dieses Schreiben in der ganzen Kirche volle Geltung habe und zur Ausführung gelange ungeachtet jeglicher entgegengesetzter Bestimmung. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am Fest der Erscheinung des Herrn, dem 6. Januar des Jahres 1983, im fünften des Pontifikates. Ich, Johannes Paulus, Bischof der katholischen Kirche Anmerkungen 1 Vgl. Homelie zum Beginn des Pontifikates: AAS 70 (1978) 949; Enz. Redemptor hominis, 2; Enz. Dives in misericordia, 7. 2 Vgl. Mt 16, 17-19; 28, 18-20. 3 Vgl. Gal 4, 4-6. 4 Bulle Quod nuper: AAS 25 (1933) 6. 5 Hebr 2, 14 f. 6 Meßbuch, Ostersonntag: Gabengebet der Messe am Tage. 7 Röm 4, 25. 8 Vgl. Lk 22, 19; l Kor 11, 24 f. 9 Vgl. Joh 20, 23; 2 Kor 5, 18 f. 10 II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 48. 11 JOHANNES PAUL II., Enz. Dives in misericordia, 13. 12 Vgl. II. Vat. Konzil, a. a. O., 11. 13 II. Vat. Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et spes, 48. 14 Vgl. Jes 12, 3. 15 Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der römischen Kurie, 3: „L’Osservatore Romano“, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 7. Januar 1983. 16 2 Kor 5, 141. 17 II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 14. 18 Ebenda, 8. 19 Mk 1, 15. 20 Vgl. Bulle Apostolorum limina, I: AAS 66 (1974) 292 ff. 21 Vgl. 2 Kor 5, 20. 22 Vgl. Gal 5, 1. 23 II. Vat. Konzil, a. a. O., 11; Die Feier der Buße, Nr. 2. 24 Vgl. Mk 1, 15; LA; 13, 3-5. 25 Vgl. Mk 1, 15. 704 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 26 Vgl. Die Feier der Buße, Nr. 46. 27 Vgl. II. Vat. Konzil, a. a. O., 11; Konzil von Trient, Sess. VI De iustificatione, cap. 8: DS 1532. 28 Gal 2, 20. 29 Vgl. 1 Kor 1, 2. 30 Vgl. Gal 6, 10; Ko/1, 24. 31 Vgl. II. Vat. Konzil, a. a. O., 50. 32 Vgl. 2 Kor 5, 18. 33 Vgl. 1 Petr 4, 10. 34 Vgl. II. Vat. Konzil, a. a. O., 26; Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum ordinis, 13. 35 Vgl. Eph 4, 12. 36 Vgl. Lk 15, 20. 37 Vgl. 1 Petr 2, 25. 38 Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 9; 12. 39 Vgl. Off 22, 17. 40 1 Joh 5, 19. 41 Bulle Apostolorum limina, II: AAS 66 (1974) 295. 42 Hebr 10, 30 f. 43 II. Vat. Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 103. 44 Vgl. Joh 15, 5; Apg 4, 12. 45 Vgl. II. Vat. Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 56. 46 Vgl. 1 Kor 1, 30; 2, 2. 47 Vgl. II. Vat. Konzil, Dekret über den Ökumenismus Unitatis redintegratio, 12, 2. 48 Vgl. 1 Petri, lf.; Kol 3, 1. 49 Joh 3, 16. 50 Vgl. Ps 133, 1; Joh 10, 16. 51 Ansprache an die Kardinale und die Mitglieder der römischen Kurie, 3: „L’Osservatore Romano“, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 7. Januar 1983. 52 Vgl. Enchiridion Indulgentiarum, Normae de Indulgentiis, Nr. 24, 1. 53 Vgl. ebenda, Nr. 4. 54 Vgl. 1 Tim 2, 4. 55 Ansprache an die Kardinale und die Mitglieder der römischen Kurie, 11: „L’Osservatore Romano“, Wochenausgabe in deutscher Sprache, 7. Januar 1983. 705 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Macht euch auf und führt andere!“ Predigt bei der feierlichen Messe und Bischofsweihe in Sankt Peter am Fest der Erscheinung des Herrn, 6. Januar 1. „Stehe auf, Jerusalem, werde hell, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ (Jes 60, 1). Stehe auf, Jerusalem, nimm das Licht auf! Dieses Licht kommt von weither, obwohl es so nahe ist. Nahe. Nur wenige Kilometer südlich von dir ist das Licht von Weihnachten gekommen, und du, Jerusalem, scheinst es nicht zu beachten. Es mußten erst die Magier aus dem Osten kommen, um es dir zu sagen, sie mußten kommen, um dich danach zu fragen. Du, Jerusalem, scheinst es nicht zu beachten. Doch die Magier kommen zu dir und fragen dich, weil „die Herrlichkeit des Herrn leuchtend über dir aufgeht“, weil du die Stadt bist, die im Mittelpunkt der ganzen Geschichte der Offenbarung und des Alten Bundes steht. Zu dir kommen die Magier aus dem Osten, um den Messias zu suchen. Und sie fragen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ {Mt 2, 2). 2. Halten wir fest, liebe Brüder und Schwestern, daß die Magier einen Stern gesehen haben. Einen einzelnen Stern. Und dieser wurde für sie zum entscheidenden Zeichen. Sie beschlossen, ihm zu folgen. In der Nacht von Betlehem hatten die Hirten, die bei ihrer Herde wachten, einen hellen Glanz wahrgenommen, „und der Glanz des Herrn umstrahlte sie. Sie fürchteten sich sehr“ {Lk 2, 9). Wir befinden uns in der Tat im Zentrum der Offenbarung, die, einer gewaltigen Woge gleich, seit Jahrhunderten durch die Geschichte des auserwählten Volkes ging. Die Hirten von Betlehem gehören zu diesem Volk. Sie sind in den Bund eingeschlossen. Die Herrlichkeit des Herrn steht vor ihnen in hellem Glanz und kommt in den Worten der himmlischen Heerschar zum Ausdruck (vgl. Lk 2, 13). Über diesen Mittelpunkt der Offenbarung und des Alten Bundes hinaus weist ein einzelner Stern im Osten die Magier an, nach Jerusalem zu wandern. Der Weg der Hirten war kurz. Der Weg der Magier ist lang. Die Hirten gingen direkt auf das Licht zu, das sie in der Nacht von Betlehem 706 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN umstrahlt hatte. Die Magier mußten beharrlich suchen, indem sie dem Stern folgten und sich von seinem Licht führen ließen. Die Wege des Glaubens, die Menschen und Völker zu Christus hinführen, sind also verschieden. 3. Manchmal ist es jedoch notwendig, daß das Licht von weither an den Ort kommt, an dem es voller leuchten und sich den anderen mitteilen soll. So war es notwendig, daß die Magier aus dem Osten nach Jerusalem kamen und dieser Stadt die Geburt des Messias mitteilten. Und nun geschah etwas noch Seltsameres. Herodes „ließ alle Hohenpriester und Schriftgelehrten des Volkes Zusammenkommen und erkundigte sich bei ihnen, wo der Messias geboren werden solle“ (Mt 2, 4). Die Hohenpriester und Schriftgelehrten antworteten ihm unverzüglich. Und sie gaben die richtige Antwort: „In Betlehem in Judäa; denn so steht es bei dem Propheten“ (Mt 2, 5). Sie zitierten einen Text aus dem Buch des Propheten Micha. Sie wußten also darum. Dieses Licht war in ihrem eigenen Haus. Es erleuchtete seit langem ihr Volk. Es erleuchtete Jerusalem. Sie befanden sich im Mittelpunkt dieses Lichtes. Und so fanden sie sogleich die richtigen Worte im Buch des Propheten: „Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel“ (Mt 2, 6). Sie haben diese Worte aufs neue gelesen, haben die Buchrolle zusammengerollt - und sind an Ort und Stelle geblieben. Keiner von ihnen ist nach Betlehem aufgebrochen. Das große, im Buch des Propheten enthaltene Licht scheint für sie nicht zu strahlen. Einzig und allein Herodes kündigt an, sich nach Betlehem begeben zu wollen; aber mit welcher Absicht? Wir alle wissen es. Inzwischen brechen die Magier auf. Die Worte aus dem Buch Micha haben erneut das Licht bestätigt, von dem sie geleitet worden waren. Der Stern führt sie auch weiterhin. Bis an den Ort, „wo sie das Kind fanden“ (Mt 2, 9). 4. „Stehe auf, Jerusalem, werde hell, denn es kommt dein Licht“ (Jes 60, 1). Liebe Brüder, die ihr heute die Bischofsweihe empfangt! Diese Worte sind an euch gerichtet: Stehe auf, Jerusalem! Nimm das Licht auf. Nimm deine neue Berufung im Licht des Glaubens an! Nimm zugleich mit ihr die neue Sendung im Gottesvolk der Kirche an! 707 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nimm sie an mit dem Glauben an den, der dich führt - so wie die Weisen aus dem Osten das Licht des Sternes annahmen, der sie führte. Und nehmt auch ihr, liebe Brüder, die neue Berufung und die verantwortliche Sendung an, um die in Betlehem geborene Kirche Gottes im Glauben zu führen. Ihr vertretet verschiedene Länder: Italien, Polen, Spanien, Deutschland, die Tschechoslowakei, Nigeria, Äquatorialguinea, Panama, Uganda und Korea. Bringt allen das Licht der Erscheinung des Herrn! Wie verschieden sind die Wege des Glaubens der heutigen Menschen. Sucht mit ihnen diese Wege: sowohl mit denen, die von weither kommen, als auch mit denen, die in der christlichen Überlieferung bleiben. Auch wenn diese Überlieferung bisweilen ihr Denken und ihre Werke nicht neu zu beleben scheint. Sie wissen, wo die Worte über den Messias geschrieben stehen, und trotzdem brechen sie nicht nach Betlehem auf. Ihr, liebe Brüder, macht euch auf und führt andere! Führt alle jene, die die Vorsehung auf den Weg eurer Berufung gestellt hat. Tut alles, was in euren Kräften steht, damit sie Betlehem finden. Und vor allem, macht dort halt, wohin euch das Licht des Glaubens führt, und tut alles, was die Magier aus dem Osten gesagt haben; bringt ihm Gaben dar: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Das Gold der Liebe, den Weihrauch des Gebets und die Myrrhe des Leidens. 5. Ihr alle, die ihr ausersehen wurdet, heute aus der Hand des Bischofs von Rom die Bischofsweihe zu empfangen, schreibt das Geheimnis der Erscheinung des Herrn tief in eurer Herz ein. Zur Ehre des ewigen Gottes und zum Heil der Seelen. Amen. Das Licht und der Glanz der Taufe Predigt bei der Messe und Taufe in der Sixtinischen Kapelle am Sonntag, 9. Januar „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ {Mt 3, 17). 1. An diesem Sonntag nach Epiphanie, liebe Eltern und Paten, feiert die Kirche in ihrer Liturgie das Fest von der Taufe des Herrn, und ich freue mich, euch in dieser Kapelle zu empfangen, um euren Kindern die Taufe 708 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu spenden. Diese Zeremonie hat für mich eine große Bedeutung, weil sie auf schlichte, aber treffende Weise ausdrücken will, daß die Kirche nur im Dienst des ewigen Heils der Mensehhheit lebt und wirkt und im Hinblick auf die Mitteilung der Gnade, das heißt des göttlichen Lebens, das Jesus, das fleischgewordene Wort, auf die Erde gebracht hat, als er in Betlehem geboren wurde und auf Golgotha starb. Ich grüße euch und eure Kinder ganz herzlich und möchte durch eure Anwesenheit auch alle jene Eltern und Paten grüßen, die heute in den verschiedenen Pfarreien ihre Kinder zur Kirche bringen, um sie taufen zu lassen. 2. Die Zeremonie, die wir an diesem liturgisch besonders ausgezeichneten Sonntag des Kirchenjahres vollziehen, ruft uns einige Wahrheiten in den Sinn, denen in der christlichen Lehre wesentliche Bedeutung zukommt. Zunächst erinnert sie an die - im heutigen Evangelium berichtete -Episode von der Taufe Jesu, der sich als Büßer unter die Jünger Johannes des Täufers mischte, um von ihm die Wassertaufe zu empfangen. Dieser Ritus war ein Zeichen der Buße; aber Jesus wollte sich dem unterwerfen, um deutlich zu machen, daß er die religiöse Botschaft des Volkes Israel annahm, wie sie abschließend vom letzten der Propheten zum Ausdruck gebracht wurde. Von Abraham bis Mose, bis Elija, Jesaja, durch alle Propheten und hin zu Johannes dem Täufer war das „Wort Gottes“ mit dem jüdischen Volk durch die geheimnisvolle und dramatische Heilsgeschichte gegangen, bis es in die geheimnisvolle Stimme aus dem Himmel einmündete, die über Jesus, als er von Johannes getauft war, sagte: „Du bist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Lk3, 22). In Jesus, dem vom auserwählten Volk erwarteten Messias, vollzog sich der endgültige Übergang vom Alten zum Neuen Testament, und Johannes der Täufer war der würdevolle und erleuchtete Zeuge dieses Übergangs. Aber die heutige Liturgie will zugleich und vor allem die Bedeutung der neuen, von Jesus eingesetzten Taufe hervorheben. Als Johannes der Täufer das Kommen des Messias ankündigte, sagte er: „Es wird einer kommen, der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ Jesus, mit dem die neue Heilsordnung ihren Anfang nimmt, sagt zu den Aposteln: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28, 18—19). Das ist die neue und endgültige Taufe. Sie befreit die Seele von der Erbsünde, die der gefallenen Menschennatur 709 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anhaftet, weil die ersten beiden mit Vernunft begabten Geschöpfe die Liebe zurückgewiesen haben, und gibt ihr die heiligmachende Gnade zurück, das heißt die Teilhabe am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit. Jedesmal wenn die Taufe gespendet wird, geschieht etwas Großartiges und Wunderbares: Der Ritus ist schlicht, aber von höchster Bedeutung! Das Feuer der schöpferischen und erlösenden Liebe Gottes verbrennt und vernichtet die Sünde und nimmt Besitz von der Seele, die zur Wohnung des Höchsten wird! Der Evangelist Johannes sagt, daß Jesus uns die Macht gegeben hat, Kinder Gottes zu werden, weil wir aus Gott geboren sind (vgl. Joh 1, 12-13); und der hl. Paulus spricht wiederholt von unserer Größe und unserer Würde als Glieder des Leibes Christi (vgl. Kol 2, 19; Eph 3, 11.17.19-22; 4, 12). 3. Die Taufe ist eine übernatürliche Gabe, die radikale Umwandlung der Menschennatur, die Einfügung der Seele in das Leben Gottes selbst, die konkrete und personale Verwirklichung der Erlösung, und folglich verpflichtet sie den Getauften dazu, in einer neuen Weise, das heißt, in der Nachfolge Christi zu leben. Als Christ zu leben, ist niemals leicht gewesen, und noch weniger ist es das in der modernen Gesellschaft. Die Kirche freut sich, diese neugetauften Kinder aufzunehmen; aber sie will, daß die Eltern, die Paten und Patinnen und auch die ganze Gemeinde die schweren Pflichten des guten Beispiels, der richtigen Unterweisung und der glaubwürdigen christlichen Ausbildung übernehmen, damit das Kind in der stufenweisen Entwicklung seines Daseins seinen Tauf Verpflichtungen treu ist. 4. In Erinnerung an seine Taufe schreibt der hl. Augustinus in den „Bekenntnissen“: Ich konnte nicht genug der wunderbaren Süße jener Tage kosten, nachzusinnen über die Tiefe deines Planes zum Heil des Menschengeschlechtes“ (Confessiones, Buch IX, Kap. VI, 14). Diese unermeßliche innere Freude wünsche ich von Herzen auch euch und euren Kindern jetzt und für alle Zeiten, und ich rufe die vermittelnde Fürsprache der heiligen Jungfrau Maria an, damit durch ihre Hilfe das Licht und der Glanz der Taufe, die diese Kleinen nun empfangen, in ihnen während ihres ganzen Lebens leuchten. 710 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ich muß an meinen Besuch in Polen denken“ Gebet für Polen am 12. Januar Mutter von Jasna Göra und Königin Polens! Wir stehen an der Schwelle des neuen Jahres. Vor uns öffnet sich ein neuer Zeitabschnitt, der jedem Menschen zugleich geschenkt und aufgetragen ist. In der Weltkirche wollen wir uns im Laufe dieses Jahres für das außerordentliche Heilige Jahr unserer Erlösung öffnen. Wir wollen in besonderer Weise all das annehmen, was Gottvater in Christus, Deinem Sohn, der Menschheit angeboten hat. In Polen geht das 600. Gedenkjahr Deiner mütterlichen Anwesenheit im Gnadenbild von Jasna Göra noch weiter. Das stellt zugleich eine besondere Einleitung für das Jahr der Erlösung dar. Zu Beginn dieses Jahres kann ich nicht umhin, an meinen Besuch in Polen im Zusammenhang mit dem Jubiläum von Jasna Göra zu denken. Ich habe bereits mehrmals auf dieses Thema hingewiesen. Ich weiß auch, daß die notwendigen Vorbereitungen in Gang gesetzt wurden, wofür ich meine Anerkennung und Dankbarkeit ausspreche. Doch während ich mich auf diesen Besuch in meinem Herzen vorbereite, möchte ich vor allem, daß er von Dir, Mutter, geleitet wird! Daß Du allein über ihn entscheidest. Dir vertraue ich an, ob und wie er stattfinden soll. Du, Mutter, nur Du, vermagst aus ihm das wahrhaft Gute zu wirken, jenes Gute, das ich so sehr für die Kirche, für meine Heimat und für jeden Menschen herbeiwünsche! 711 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Beispiel des hl. Josaphat Ansprache beim Besuch des Ukrainischen Kollegs in Rom am 15. Januar Herr Kardinal! Ehrwürdige Brüder im Priesteramt! Liebe Studenten! 1. Mit Freude habe ich - sobald es mir möglich war - die Einladung angenommen, um mit euch das glückliche Jubiläum dieses Päpstlichen Ukrainischen Kollegs vom hl. Josaphat zu feiern, mit dem ich mich innerlich so sehr verbunden fühle. Herzlich begrüße ich Herrn Kardinal Rubin, Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen, und Msgr. Miroslaw Marusyn, Sekretär dieser Kongregation, von der das Kolleg abhängig ist, sowie den hochw. Pater Isidor Patrylo, Proto-Archimandrit des Basilianerordens vom hl. Josaphat, welchem Orden die Leitung des Kollegs übertragen ist. Außerdem begrüße ich den hochw. Pater Rektor und danke ihm für die freundlichen Worte, die er an mich gerichtet hat, und mit ihm begrüße ich auch alle, die hier zusammengekommen sind, um das; glückliche Ereignis festlich zu begehen. Ein besonderer Gruß ergeht nicht zuletzt an die Schwestern des Ordens der Mägde der Immakulata, die in diesem Institut seit seinen Anfängen mit mütterlicher Hingabe und Ergebenheit ihre wertvolle Arbeit verrichten. Der herrliche Sitz eures Kollegs ruft uns die schöpferische Freigebigkeit Papst Pius’ XI. in Erinnerung, der zur Bestätigung der Sorge des Hl. Stuhls um die ukrainische Kirche dieses neue Gebäude wünschte, in dem das Seminar, das Papst Leo XIII. am Ende des vergangenen Jahrhunderts gegründet hatte, eine würdige Unterkunft finden sollte. Das Kolleg ist wirklich schön wegen seiner bezaubernden Lage und der herrlichen Aussicht, aber noch schöner ist es, weil in ihm die Hoffnung der ukrainischen Kirche auf Christus blüht. Diese Hoffnung seid ihr, liebe Seminaristen, die ihr in diesem heiligen Haus durch eure Ausbildung in Wissenschaft und Frömmigkeit in die zukünftigen Aufgaben hineinwachst, die euch im Dienst der Herde Christi in der geliebten ukrainischen Nation anvertraut werden sollen. Bei meinem Besuch möchte ich euch herzlich dazu auffordern, allen Eifer für die Vorbereitung auf euer künftiges Dienstamt einzusetzen, indem ihr euch um die Aneignung einer tiefen Spiritualität und einer soliden geistigen Ausbildung bemüht. Papst Pius XI. richtete in der Audienz vom 13. November 1932 an die 712 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hierarchie und an das ukrainische Seminar eine Aufforderung, an die ich heute erinnern möchte: „Man darf die Notwendigkeit der Wissenschaft nicht vergessen - sagte er aber vor allem gilt es, sich um die Gewinnung der Frömmigkeit zu bemühen.“ Und an Hand des hl. Paulus fügte er hinzu: „Wissenschaft ohne Heiligkeit ist Selbstgefälligkeit, glänzende Leere, eiskalter Intellektualismus“ (vgl. 1 Kor 8, 2; 13, 2). 2. Dabei denke ich besonders an euch Studenten der Theologie. Die Theologie ist ein fortwährender Dialog zwischen Wissenschaft und Glaube, aber dieser Dialog wirkt nur dann aufbauend, wenn die Wissenschaft von der Liebe geformt wird. Diesbezüglich heißt es in einem von der Kongregation für das katholische Bildungswesen vor einigen Jahren veröffentlichten Dokument treffend: „Die Theologie, deren Gegenstand Wahrheiten bilden, die sowohl für jeden Gläubigen wie für die Gemeinschaft, zu der er gehört, Prinzipien des Lebens und des persönlichen Einsatzes darstellen, besitzt eine geistliche Dimension, aufgrund der der Theologe in der Forschung und beim Studium nicht der Linie eines reinen Intellektualismus folgt, sondern den Forderungen des Glaubens gehorcht, wenn er seine existentielle Verbundenheit mit Gott und seine lebendige Eingliederung in die Kirche zunehmend verwirklicht“ (Rom, 1976, S. 11). Darauf scheint sich das Beispiel des hl. Josaphat zu berufen, unter dessen Namen und unter dessen Schutz dieses Kolleg steht. Denn der hl. Josaphat stellt sich gemäß der Überlieferung der Basilianer als Vorbild an Wissen und Heiligkeit dar. Ja, er hat das Bemühen um persönliche Heiligung bis zum heroischen Zeugnis des Martyriums zu leben vermocht, das in ihm das Siegel der Sehnsucht und der Suche nach der Einheit der Kirche war. Und das hat die slawisch-byzantinische Liturgie hervorgehoben, wenn sie den hl. Josaphat als hellen Leuchtturm hinstellt: „Wie ein Leuchtturm strahlte und leuchtete er, und wie ein guter Hirte gab er sein Leben hin für seine Schafe.“ Das Zweite Vatikanische Konzil hat bekanntlich neue Perspektiven auf dem Weg zur vollkommenen Einheit der Kirche eröffnet und eine glückliche Wiederannäherung zwischen allen bewirkt, die an Christus glauben und das Geschenk derselben Taufe teilen, dank welcher wir am Leben des einen himmlischen Vaters teilhaben. In eurer Situation als Glieder der ukrainisch-katholischen Kirche spürt ihr lebhaft und dringend den Wunsch des Herrn, „alle sollen eins sein“ (Joh 17, 21), und beschleunigt durch die Sehnsucht eures jugendlichen Herzens den Augenblick der ersehnten vollen Einheit. Setzt diesen gesegne- 713 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Weg fort und bereitet euch darauf vor, nach dem Beispiel des hl. Josaphat morgen unermüdliche Befürworter dieser heiligen Sache zu sein. Ich möchte euch jedoch daran erinnern, daß ihr durch ein Leben des Gebets und des Studiums schon jetzt zur Annäherung an jenes Ziel beitragen könnt, das man als „geistlichen Ökumenismus“ zu bezeichnen pflegt (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 7). Wir stehen unmittelbar vor der Gebetswoche für die Einheit der Christen: Möge sie für euch alle eine willkommene Gelegenheit zu persönlichem Wachsen in der Liebe und zu intensiverem Gebet sein, in geistlichem Einklang mit allen, die in diesen Tagen besondere Fürbitten an den einen Herrn der Kirche richten werden. Auf diese Weise werdet ihr einen wichtigen Beitrag zur Suche und zum Gebet um die volle kirchliche Gemeinschaft leisten. 3. Ich kann diese kurze Ansprache nicht schließen, ohne noch ein herzliches Gedenken an alle ukrainischen Kirchengemeinden zu richten, sowohl an jene in der Emigration, die in verschiedenen Ländern der Welt an dem ererbten Glauben festhalten, wie an jene, die im Land ihrer Väter die Traditionen einer glorreichen Vergangenheit lebendig erhalten. An alle ergeht die Versicherung meiner ständigen und betrübten Sorge; für alle steigt mein Gebet zu Gott empor, daß sie sich nach dem Vorbild des hl. Josaphat auch weiterhin eng verbunden mit dem Zentrum der katholischen Einheit fühlen mögen. In diesem Sinne danke ich dem Herrn für die Wohltaten, mit denen er dieses teure Kolleg von seinen Anfängen an überhäuft hat, und wünsche von Herzen, daß es weiterhin die künftigen Priester für die ukrainische Kirche ausbilden möge, während es ihnen das Streben nach dem paulini-schen Ideal des Mannes Gottes eingibt, „der zu jedem guten Werk bereit und gerüstet sein wird“ (2 Tim 3, 17). Diesen Wunsch vertraue ich der Fürsprache der Jungfrau und Gottesmutter an, während ich allen von Herzen den Apostolischen Segen erteile. 714 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Verbündete in der Sache des Menschen“ Ansprache beim Neujahrsempfang für das Diplomatische Korps am 15. Januar Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Es ist immer eine große Freude, Sie alle gemeinsam an der Schwelle eines neuen Jahres hier in diesem Haus zu empfangen. So sehe ich jeden der Botschafter wieder, mit denen ich anläßlich der Überreichung ihrer Beglaubigungsschreiben ein zugleich persönliches und offizielles Gespräch hatte. Ich halte Kontakt mit anderen Mitgliedern der Botschaften. Und über ihre Person hinaus habe ich gleichsam den Eindruck, mit den Völkern und Nationen, den Staatschefs und den Regierungen, die Sie vertreten, ein Gespräch zu führen, also mit 105 Ländern, die nach ihrer Bevölkerungszahl, ihrer Kultur, ihrer wirtschaftlichen Macht sehr verschieden sind, hier aber mit derselben Achtung und demselben Wohlwollen auf genommen werden. Ja, das ist immer ein ergreifender Augenblick meines Pontifikats; und ich begrüße besonders die neuen, im Laufe des vergangenen Jahres beim Hl. Stuhl akkreditierten Mitglieder des Diplomatischen Korps. Für mehrere Länder sind die Missionen in den Rang einer Botschaft erhoben worden. Das gilt für Großbritannien, für das Fürstentum Monaco, für den Souveränen Malteserorden. Andere haben beschlossen, diplomatische Beziehungen mit dem Hl. Stuhl aufzunehmen: Dänemark, Norwegen, Schweden. Mit gewohntem Feingefühl hat Ihr verehrter Doyen, während er Ihren Gedanken und Gefühlen Ausdruck gab, Wert darauf gelegt, eine Reihe von Initiativen meines Pontifikats mit spirituellem oder friedensförderndem Einschlag aufzuzählen. Ich danke ihm sehr für seine hochherzigen Worte. Mögen seine Wünsche mit Gottes Gnade Wirklichkeit werden, damit der Hl. Stuhl auf seiner Stufe ein immer geeigneteres Instrument des Dialogs zwischen den Menschen ist, um ihnen besser dienen zu können. Diese gemeinsame Begegnung erhält um so markantere Bedeutung, als sie uns gestattet, beim Austausch unserer Wünsche lebenswichtige Probleme der internationalen Beziehungen aufzugreifen. 2. Der Dialog für den Frieden war denn auch das für den diesjährigen Weltfriedenstag gewählte Thema, und Sie werden verstehen, daß ich hier 715 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darauf zurückkomme, weniger um dessen Notwendigkeit, Möglichkeit, Wirksamkeiten oder Schwierigkeiten aufzuzeigen, als um seine Anwendung auf die konkreten Situationen herauszustellen. In dieser Botschaft habe ich einen besonderen Appell an Sie gerichtet, an Sie als Diplomaten, „deren vornehme Aufgabe — so sagte ich — unter anderem darin besteht, die strittigen Fragen zu erörtern und sie durch Dialog und Verhandlungen zu lösen zu versuchen, um zu verhindern, daß man zu den Waffen greift, oder um an die Stelle der Militärs zu treten“ (Nr. 11; in: O.R.dt. vom 31.12. 82, S. 5). Und ich würdige diese geduldige und ausdauernde Arbeit, deren Dringlichkeit dem Hl. Stuhl nicht neu ist. Schon mein verehrter Vorgänger Paul VI. sagte im Jahr 1965 vor dem Diplomatischen Korps: „Je mehr das Recht vergessen, mißachtet wird . . ., desto offensichtlicher wird . . ., daß die Vernunft, der menschliche Sinn, die ruhige und leidenschaftslose Verhandlung - und darum, sehr geehrte Herren, schließlich die Diplomatie - die menschlichen Beziehungen regeln müssen und als einzige dazu imstande sind, das Gebäude des Friedens zu erhalten“ (AAS 57, 1965, S. 231-232). Ja, wenn der Friedensdialog alle angeht, um die Barriere des Egoismus, des Unverständnisses und der Aggression abzubauen (vgl. Friedensbotschaft 1983, Nr. 11), dann sind es nach den Staats- und Regierungschefs wohl in erster Linie die Diplomaten, die es betrifft. Sie sind, sie müssen Meister in der Kunst eines solchen Dialogs sein, der das Offensein für die tatsächlichen Probleme des anderen voraussetzt und verlangt (vgl. ebd., Nr. 6); die Berücksichtigung dessen, was die Andersartigkeit und Besonderheit des anderen ausmacht, den man nicht einfach auf ein Objekt reduzieren darf; die Annahme der Tatsache, daß jeder ein verantwortlicher Partner ist und daher Elemente zur Lösung beiträgt; das Festhalten an ausschließlich friedlichen Mitteln und vor allem, über manchmal schwer vereinbare Standpunkte hinaus, die Suche nach dem, was letzten Endes beiden Seiten gemeinsam, was für ihre Existenz lebenswichtig ist und vom allgemeinen Interesse gefordert wird, weil es sich um das handelt, was wahr und gerecht ist. Ohne diese positive Zielsetzung gibt es keinen echten Dialog. Und in unseren Tagen muß man ein erneutes Anwachsen des gegenseitigen Mißtrauens befürchten, das selbst gewisse Dialogangebote als Propagandamittel benützt. Ich unterstreiche einen wichtigen Punkt: Der Dialog verlangt Gegenseitigkeit. Darauf legte ich in meiner Predigt am 1. Januar dieses Jahres besonderen Nachdruck, als ich vom progressiven „Waffenabbau, ob nuklear oder konventionell“, sprach: Die betroffenen Seiten müssen sich in gleichem Maße engagieren und gemeinsam die schwierigen Phasen der 716 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abrüstung durchlaufen, indem sie sich bemühen, unverzüglich die größtmögliche Reduzierung zu erlangen. Ich hoffe, daß dieses Endziel bei sämtlichen Abrüstungsverhandlungen in Genf und anderswo niemals aus den Augen verloren wird. Diese beiderseitige Anstrengung gilt auch für die anderen Verhandlungsformen: Der Friede kann nicht von den einen ohne die anderen, also einseitig, geschaffen werden. Wann werden die Menschen also davon überzeugt sein, daß letzten Endes das Wohl eines Volkes nicht gegen das Wohl eines anderen Volkes zustande kommen kann, daß kein Volk ein anderes zerstören darf und daß es auf jeden Fall Rechte der Personen und der Gemeinschaften gibt, die respektiert, für alle gefährliche Vernichtungstechniken, die vermieden, verworfen werden müssen? Nein, der Friedenskatalog ist nicht leicht; er stellt hohe Anforderungen; er ist voller Fallstricke; und manche, betreten und verlegen darüber, etwas Vernünftiges einsehen oder zugeben zu müssen, ziehen es vor, es abzulehnen oder dazu Bedingungen zu stellen, die es unmöglich machen, oder sie ziehen die Sache unendlich hinaus. Sicher, er setzt Scharfblick voraus, um mögliche Fallen festzustellen, er fordert Festigkeit und Ausdauer. Aber die Schwierigkeiten sind kein Hindernis, denn es ist immer von Nutzen, zu versuchen, den Dialog auf sicheren Grundlagen aufzunehmen und dem anderen zu helfen, ihn ohne Demütigung aufzunehmen; und es ist notwendig. Andernfalls, wohin kann die Ablehnung des Dialogs führen? Würde sie nicht zum Status quo in der Ungerechtigkeit und Unterdrük-kung, zum kalten Krieg oder gar zum Krieg selbst führen? So verstanden, schätzt der Hl. Stuhl das Engagement der Diplomaten und zollt ihm Anerkennung. Und ich wage zu hoffen, daß Sie Ihrerseits eine Quelle der Inspiration und der Ermutigung in der Art und Weise finden werden, wie der Hl. Stuhl über seine Mahnungen hinaus sich selbst auf bilaterale diplomatische Beziehungen und die Beteiligung an internationalen Konferenzen und Institutionen einläßt: die Tatsache des auf Wahrheit und Achtung des anderen gegründeten Dialogs, die Methode und das bevorzugte Instrument seines Einsatzes und seiner Beziehungen, wobei er bemüht ist, die anderen darauf hinzuweisen und ihn als das geeignetste Mittel zur Lösung der Schwierigkeiten und Differenzen zu realisieren. Die Tatsache, daß so zahlreiche Länder Wert darauf gelegt haben, diplomatische Beziehungen mit dem Hl. Stuhl aufzunehmen, ist ein Beweis für dieses gegenseitige Vertrauen. 3. Was ist mit diesen Grundsätzen, wem man die verschiedenen Kriegsherde direkt ins Auge faßt, die Staaten, die sich im Kriegszustand oder im 717 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Guerillakampf befinden, die ernsten Spannungen, die heute in der ganzen Welt bestehen? Was zum Beispiel den Libanon betrifft, so ist offenkundig, daß der Hl. Stuhl, der, wie jeder weiß, nach jeder Episode des Dramas seine Unterstützung geleistet hat, niemals davon abließ, zur Wiederaufnahme der Verhandlungen und zur Suche nach einer umfassenden Regelung für den gesamten Nahen Osten zu ermutigen, „davon überzeugt, daß es keinen wahren Frieden ohne Gerechtigkeit geben kann und daß es keine Gerechtigkeit geben kann, wenn nicht die Rechte aller beteiligten Völker auf stabile, angemessene und gerechte Weise anerkannt und festgelegt werden“ (vgl. meine Ansprache am 15. September 1982; in O.R.dt. vom24. 9. 82, S. 3). Wir hoffen, daß diese Begründung bei den begonnenen Verhandlungen Fortschritte macht. Die beiden Seiten müssen ebenso aufhören, in Furcht zu leben, wie sie davon ablassen müssen, zu Gewalt, Terrorismus oder Vergeltungsmaßnahmen zu greifen; sie müssen loyal nach den Bedingungen suchen - diese annehmen und anwenden -, die Existenz und Sicherheit für alle in Frieden, Freiheit, Würde, Toleranz und Versöhnung gewährleisten. Wenn auch der Nahe Osten typisch ist wegen des Ausmaßes der Katastrophen, wegen der Härte der zu lösenden Probleme und der Vielfalt der Bündnisse, die auf dem Spiel stehen, sollte man doch nicht alle anderen Orte vergessen, wo es Kämpfe, Spannungen und Leiden gibt. Die Sendung des Hl. Stuhls besteht immer darin, beizutragen, daß man sich besser versteht und vom Schlimmsten Abstand nimmt, die Hoffnung auf eine Lösung aufrechtzuerhalten, auf die sittlichen Bedingungen eines echten Friedens hinzuweisen. Er bemüht sich, das selbst dann zu tun, wenn seine Appelle im Zentrum der Konflikte kaum gehört werden. Es genügt, an den Krieg zu erinnern, der sich schon lange zwischen dem Iran und dem Irak hinzieht und Zerstörungen, Tod und immer neuen Haß mit sich bringt: Der Hl. Stuhl fühlt sich zutiefst berührt von diesem menschlichen Drama; er ermutigt die Nachbarländer und die internationale Gemeinschaft, den echten Dialog zu erleichtern, indem er sie bittet, sich nicht mit diesem zerstörerischen Unternehmen abzufinden und vor allem nicht von den örtlichen Rivalitäten zu profitieren, um die kurzsichtigen Hegemonieinteressen dieses oder jenes Landes zu begünstigen oder sich auf den Waffenhandel einzulassen. Wie könnte man die Augen verschließen vor der tragischen Situation, in der sich das afghanische Volk befindet, das mit Recht stolz auf seine Unabhängigkeit ist und das sich in ein Abenteuer hineingezogen sieht, das 718 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit so vielen Opfern, so großer Not und einem solchen Auszug von Flüchtlingen endet? Ist es denn unmöglich, zu Verhaltensweisen zu gelangen, die das für die Beruhigung der Lage notwendige Vertrauen wecken würden? Ich denke ferner an die Länder Mittelamerikas: Muß man nicht wünschen, daß ein echter innerer Dialog die Lösung der ernsten, das soziale Elend und die inneren Spannungen betreffenden Probleme erlaubt und so vermeidet, daß die Beteiligten entweder zu Opfern materialistischer Optionen werden oder Einmischungen von außen erleiden, die die Gegensätze zu radikalisieren versuchen? Man könnte viele andere Orte nennen, wo noch immer gefährliche Spannung herrscht, die - wie in Nordirland - leicht in Gewaltaktionen ausarten kann; und sogar anscheinend ruhige Situationen, hinter denen sich aber ein falscher Friede verbirgt, der ohne Fortschritt ist, weil die legitimen Rechte weiterhin verletzt werden und keine Möglichkeit für einen echten Dialog zwischen den sozialen und politischen Partnern besteht. Der Hl. Stuhl ist nicht gewillt, an die Unabwendbarkeit von Krieg und Guerillakampf zur Schaffung von Gerechtigkeit zu glauben. Die Gerechtigkeit und der Friede befinden sich letzten Endes auf dem Weg eines echten Dialogs, eines freien, ohne Lug und Trug geführten Dialogs, wenn man den Mut hat, ihn zu beginnen, wenn man stolz darauf ist, das Risiko eines solchen Dialogs auf sich zu nehmen, und wenn die anderen Länder das respektieren. Zum Verkünder dieser Prinzipien, die für alle klar erkennbar sein sollten, will sich der Hl. Stuhl, zusammen mit Ihnen, wenn Sie das wollen, machen. Garantie der Unparteilichkeit 4. Ich komme nun auf einen Aspekt zu sprechen, der die Diplomatie und die internationale Tätigkeit des Hl. Stuhls kennzeichnet: die Sorge um den Menschen, Abwenden und Vermeiden dessen, was das Leben, die Würde der Einzelpersonen und der Gemeinschaft, was auch immer ihr Bereich oder ihre Minderheitensituation sein mag, ernstlich gefährdet. Offen gesagt, diese Sorge muß alle Diplomaten der verschiedenen Länder beherrschen und inspirieren. Ich weiß, daß der Gegenstand von Verhandlungen weit umfangreicher ist, als ich es in meiner Friedensbotschaft erwähnte (Nr. 10). Der Hl. Stuhl weiß sehr wohl um die Bedeutung territorialer wie kommerzieller und ökonomischer Fragen, wie sie zum Beispiel in diesem Jahr bei der 719 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN CNUCED-Konferenz in Belgrad behandelt werden sollten, und er leistet gern im Rahmen seiner Zuständigkeit und seiner Möglichkeiten einen Beitrag zu ihrer Lösung. Aber die Kirche empfindet es in besonderer Weise als ihre Pflicht, so weit sie dazu in der Lage ist, zum barmherzigen Samariter derjenigen zu werden, die auf dem Weg der Geschichte links liegengelassen werden. Und wenn ich sage „die Kirche“, denke ich nicht bloß an die Diplomatie, sondern an die verschiedenen Organe des Hl. Stuhls, wie den Päpstlichen Rat „Cor Unum“, an die vielfältigen kirchlichen Institutionen und an alle, die im Bereich von Konflikten und Spannungen ihrem christlichen Gewissen gemäß handeln. Ja, die Kirche möchte sich vor allem zur Stimme derer machen, die keine Stimme besitzen, der Armen, der Opfer jeder Art, sie möchte die Aufmerksamkeit auf die vergessenen oder verhöhnten menschlichen Grundrechte lenken, auf die Probleme der Minderheiten, auf die Bedrohungen, denen Bevölkerungsgruppen mitunter ausgesetzt sind. Diese Nächstenliebe will offen sein nach allen Richtungen, für alle Formen von Not und Bedrohung, für die Bürger aller Länder. Der Hl. Stuhl, der im Namen der Kirche die Möglichkeit besitzt, mit den Verantwortlichen der Länder Beziehungen aufzunehmen, hofft, daß seine Vermittlung wenigstens angenommen wird; daß sie Aussicht auf Erleichterung für die Opfer bietet. Er fordert nichts; er verlangt nichts für sich: Er macht von seiner Stimme Gebrauch und bietet eine humanitäre Geste an. Er hat nicht die Absicht zu beleidigen, zu verurteilen, er will nur retten. Ein Staat, der versucht wäre, sich heute gegen eine freundliche und diskrete Vermittlung des Hl. Stuhls zu sträuben, wird sich vielleicht schon morgen gern seiner Hilfe zugunsten eines seiner Staatsangehörigen im Ausland bedienen. Die universale Berufung der Kirche sollte in den Augen aller eine Garantie für ihre Uneigennützigkeit und Unparteilichkeit sein. Der Mensch als Mensch interessiert sie, um so mehr, als sie in ihm das Ebenbild des Schöpfers, den Bruder Christi sieht. 5. Um nun einige typische Beispiele anzuführen, werden Sie, meine Damen und Herren, also verstehen, warum der Hl. Stuhl in seiner Sorge um den Menschen so weit geht, für die zum Tod Verurteilten, vor allem solche, die aus poütischen Gründen — die zudem wechseln können, weil sie von der Person der augenblicklich Verantwortlichen abhängen -verurteilt wurden, Milde und Gnade zu empfehlen. 720 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Resignation und Fatalismus nicht rechtfertigen Desgleichen nimmt sich die Kirche des Schicksals aller jener an, die gefoltert werden, gleichgültig welches politische Regime dafür verantwortlich ist, denn in seinen Augen kann nichts diese Entwürdigung rechtfertigen, die leider oft mit barbarischen, verabscheuungswürdigen Mißhandlungen einhergeht. Ebensowenig kann er sich entschließen, zu dem verbrecherischen Vorgehen zu schweigen, das darin besteht, eine Reihe von Personen ohne Gerichtsurteil verschwinden zu lassen und überdies ihre Familien in einer grausamen Ungewißheit zu belassen. Der Apostolische Stuhl will den Völkern dabei helfen, wieder auf den Weg der Ehrenhaftigkeit zurückzufinden, wenn er sie bittet, dafür zu sorgen, daß derartige Praktiken abgeschafft werden, wie übrigens auch alle anderen Formen willkürlicher Festnahmen und Verhaftungen, Konzentrationslager und verschiedener Unterdrückungsmaßnahmen. Heute liegt mir übrigens daran, die Anstrengungen zu würdigen, die zu einem gewissen Fortschritt auf diesem Gebiet geführt haben, und ich ermutige weiter dazu. Wir sind natürlich darüber unterrichtet, daß in anderen Ländern Internierungen stattfinden, ohne daß Gerechtigkeit gewährleistet ist, und daß unter dem Vorwand der politischen Opposition sogar immer noch Massenhinrichtungen durchgeführt werden. Was den Hl. Stuhl anbelangt, so bedauert er, die Verantwortlichen für eine solche Ungerechtigkeit nicht überzeugen zu können. Aber man muß wünschen, daß die internationalen, politischen oder humanitären Instanzen fortfahren, in den Punkten zugunsten der Opfer zu intervenieren, wo das internationale Recht und die Erklärungen der Vereinten Nationen die Menschen eindeutig gegen derartige Übergriffe schützen wollten. Schließlich gibt es sogar im Rahmen offener Konflikte Praktiken, die einen besonders unmenschlichen Grad erreichen, wenn zum Beispiel ganze Bevölkerungsgruppen Opfer chemischer und biologischer Waffen werden, deren Anwendung das internationale Gewissen und seit langem auch das internationale Recht verwirft (vgl. Genfer Protokoll 1925). 6. Die Sorge des Hl. Stuhls um den Menschen richtet sich auch auf die Umsiedlung von Bevölkerungsgruppen, die heute immer häufiger und intensiver wird. Es gibt freilich Erscheinungsformen der Ab- und Zuwanderung, die sich in einem Milieu des Dialogs vollziehen, der die Würde der zugewanderten Personen respektiert, zum Beispiel, wenn sie als Gastar- 721 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beiter mit ihrer Familie aufgenommen, angemessen bezahlt und in das System der sozialen Sicherheit integriert werden oder auch, wenn Verträge mit ausländischen Unternehmen abgeschlossen werden, um ihnen Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die frei sind und gut behandelt werden. Aber es gibt Menschen, die mit Absichten und unter Bedingungen ins Ausland kommen oder gesandt werden, welche dem Aufnahmeland einen schlechten Dienst erweisen. Und es gibt vor allem Massen von Arbeitern, die man ins Ausland zu emigrieren gezwungen hat für eine Arbeit, die unter den schlechten Bedingungen von Klima, Entlohnung und Unterkunft der Zwangsarbeit ähnlich ist. Zu erwähnen sind auch diejenigen, die wegen ihrer politischen oder religiösen Meinungen zur Verbannung gezwungen werden, und jene, denen man die Möglichkeit, in ihre Heimat und zu ihrer Familie zurückzukehren, verweigert. In diesem Punkt wären Anstrengungen möglich, ohne dadurch die Sicherheit der Nationen zu gefährden, und manche Länder dürfen sich rühmen, in jüngster Zeit Schritt in diesem humanitären Sinn unternommen zu haben. Aber ich denke hier vor allem an die immer zahlreicheren Massen von Flüchtlingen: an jene aus Südostasien, von denen ich mehrmals gesprochen habe und deren Schicksal noch immer so ungewiß ist; an die Flüchtlinge aus Afghanistan, an jene aus dem Nahen Osten, an die in Europa, in Mittelamerika, in einer Reihe afrikanischer Länder, die sich in großer Not befinden. Schätzt man nicht die Zahl der Flüchtlinge in der Welt auf zehn Millionen? Die Ursachen sind vielfältig: Manchmal ist es die Situation der aus der kolonialen Vergangenheit ererbten Grenzen, dann sind es Naturkatastrophen, Hunger, aber auch die Verletzung der elementarsten Rechte durch despotische Mächte, Verfolgungen aus rassischen, religiösen, politischen Gründen, Unsicherheit im Gefolge von Kriegen oder Guerillakämpfen. Die Personen, die zur Emigration gezwungen sind, gehören oft den sozial ärmsten Gruppen an, mit einem hohen Prozentsatz an Waisen, Witwen und Alten. Diese entwurzelten Bevölkerungsgruppen hegen den verzweifelten Wunsch, in ihr Land, in ihre Kultur, in ihre Gesellschaft zurückzukehren; und sie überleben oft kaum, denn zumeist gehören die Gastländer bereits zu den ärmsten: in mehreren Gegenden Afrikas, in Thailand, in Pakistan. Es erscheint daher notwendig, daß die internationale Gemeinschaft diesen Ländern in einer rein humanitären und friedlichen Sache hilft und man darüber hinaus versucht, mit Hilfe einer Politik der Gerechtigkeit und des Friedens die Ursachen einer so beklagenswerten, aber doch nicht unvermeidlichen Wirklichkeit aus der Welt zu schaffen. Wäre 722 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN doch unsere Generation imstande, die Herausforderung dazu anzunehmen! 7. Ich habe eine Anspielung auf den Hunger gemacht; ich möchte die Aufmerksamkeit noch ausdrücklicher auf dieses Elend lenken. Eine Reihe von Ländern - in Asien, Mittelamerika und Afrika, dort besonders in den Gebieten südlich der Sahara - leiden unter einem Nahrungsmittelmangel mit katastrophalen Folgen für die Menschen. Seit Jahren ist die Nahrungsmittelproduktion pro Einwohner rückläufig, während die Bevölkerung weiter wächst, und doch gäbe es in der ganzen Welt die Reserven, um die Situation zu meistern. Sicher spielen Naturphänomene hier eine Rolle - die langanhaltende Trockenheit zum Beispiel erhöht die Schwierigkeiten des Kampfes gegen den Hunger -, aber sie rechtfertigen nicht Resignation und Fatalismus. Es sind Formen der Agrarpolitik anzuwenden, die den Ernährungsbedürfnissen der Bevölkerung besser angepaßt sind. Die Zusammenarbeit in Wirtschaft und Handel zwischen reichen und armen Ländern muß erfolgreichere Formen für die in großer Bedrängnis befindliche Landwirtschaft finden. Die internationalen regierungsabhängigen oder unabhängigen Organe müssen Mut und Erfindungsgeist verstärken, um die Hungersnot, die da und dort wütet, zu beseitigen. Kurz, es ist dringend notwendig, zu handeln, denn bereits heute werden Völker durch den Hunger dezimiert, und wenn die Anstrengungen nicht intensiviert werden, wird die Katastrophe noch nie dagewesene Ausmaße annehmen und von einem schuldhaften Fehlen an Solidarität von seiten der Völker zeugen, die im Überfluß von Nahrungsmitteln leben. Um das Los aller Menschen besorgt 8. Ich weiß wohl, daß diese Dinge den Regierungen und internationalen Institutionen bekannt sind und daß brauchbare Initiativen ergriffen werden. Aber in dem Wunsch, seine Stimme den Armen zu leihen, geht es dem Hl. Stuhl darum, die Dringlichkeit dieser Bedürfnisse den Diplomaten und der öffentlichen Meinung in Erinnerung zu bringen. In der Tat, wenn bestimmte Länder das Interesse der Großmächte immer nur aus strategischen oder wirtschaftlichen Gründen wachrufen, bis zu dem Punkt, wo sie ihre Begehrlichkeit wecken, die den Krieg zufolge hat, so gibt es andere, die Gefahr laufen, völlig vergessen zu werden! Manchmal deshalb, weil sie kaum über materielle Reichtümer zum Austausch verfügen, während ihre Bevölkerung ebenso fleißig wie notleidend ist. 723 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Manchmal scheinen vor allem die kleinen Länder sogar zum Dahinsiechen und zum Verlust ihrer Unabhängigkeit verurteilt zu sein, weil sie ihrer Verschuldung nicht Herr werden. In anderen Fällen hat man die Freiheiten des Volkes, sein Recht auf Selbstbestimmung dadurch erstickt, daß man sich bemühte, seine nationale Identität zu unterdrücken und das Land in einem fremdländischen Gesamtkomplex zu absorbieren. Schließlich erleben selbst innerhalb der Nationen ethnische und religiöse Minderheiten ein ähnliches Schicksal: Sie werden nicht in ihrer Identität respektiert, während sie selbst sich nicht weigern, loyal am Gemeinwohl mitzuarbeiten. Die Kirche sorgt sich um das Los aller dieser Menschen, das nicht genügend berücksichtigt wird. 9. In seiner Sorge um den Menschen kann der Hl. Stuhl nicht mehr gleichgültig bleiben gegenüber den Plagen, die Ihre Länder immer noch zu fürchten und zu bekämpfen haben: den Terrorismus, die Entführungen, die Geiselnahmen und, in einem anderen Bereich, den Drogenhandel, durch den vor allem die Jugend so gefährdet ist. Hier versucht die Kirche, die nur zu gut um die Bedrohung des Friedens durch derartige Praktiken weiß, vor allem für die unschuldigen Opfer einzutreten. Manche dieser Praktiken werden mit der schmutzigen Absicht des Schwarzhandels und betrügerischer Gewinne ausgeführt; andere nehmen den politischen Kampf zum Vorwand. Doch die Kirche bekräftigt, daß solche Vorgangsweisen durch nichts gerechtfertigt werden können. Heute neigen sie, wie man weiß, dazu, sich in zunehmendem Maße auf ein internationales Netz zu verlassen. Die einhellige Ablehnung muß auch in Zukunft alle diese Machenschaften des Terrorismus entmutigen; sie wird nur dann wirksam sein, wenn sie von einer wirklichen internationalen Zusammenarbeit begleitet ist. Kein Land sollte seine Beteiligung ablehnen, wenn so schwerwiegende, grenzüberschreitende Probleme auf dem Spiel stehen. Dadurch sind, was ich unterstreichen will, Fortschritte möglich: Hat man nicht eine deutliche Abnahme der Flugzeugentführungen erlebt, nachdem die internationale Solidarität ihre Entschlossenheit bekundet hat? 10. Unter den schweren Verletzungen der Würde des Menschen muß ich schließlich noch einmal jene erwähnen, die seinen innersten Überzeugungen zugefügt werden: besonders seinen religiösen Überzeugungen, dem freien Ausdruck seines Glaubens, seinem Verbleiben in der Religionsgemeinschaft, der er angehört. Am 16. November vergangenen Jahres hat der Vertreter des Hl. Stuhls in Madrid bei der Konferenz für Sicherheit 724 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Zusammenarbeit in Europa zu diesem Thema Präzisierungen und Wünsche formuliert, denen voll Rechnung zu tragen man noch immer zögert (vgl. O.R. vom 17.11. 82). Der Hl. Stuhl wird nicht davon ablassen - und man wird leicht begreifen, warum -, die Aufmerksamkeit der Welt auf die Verletzungen der Religionsfreiheit zu lenken, die in so vielen Ländern verschiedenste Formen annehmen, brutale oder raffiniert ausgedachte, die aber immer gefährlich und ungerecht sind. 11. Endlich, Exzellenzen, meine Damen und Herren, möchte ich zum Abschluß Ihre Aufmerksamkeit auf eine Gepflogenheit lenken, die der Hl. Stuhl in seiner Sorge um den Menschen und in seinem Beitrag zur Sache des Friedens hat. Um dem Guten, der Sache der Armen und Unterdrückten zu dienen, ist der Apostolische Stuhl in der Tat der Ansicht, daß er in voller Unabhängigkeit handeln müsse. Er ist deshalb bereit, sich alle menschlichen, religiösen und politischen Äußerungen anzuhören, seine Tür allen zu öffnen, die in dieser Sache tatsächlich eine gewisse Verantwortung, einen gewissen Einfluß besitzen. Das soll natürlich nicht heißen, daß der Hl. Stuhl diesen Personen eine Legitimität oder ein politisches Vertretungsrecht zuerkennt, noch daß er die von ihnen vertretene Ideologie billigt. Die Rolle eines Priesters, eines Bischofs, die Pflicht eines Papstes ist es, die Personen zu empfangen, wenn das für einen Fortschritt in Sachen Gerechtigkeit und Frieden nützlich sein kann; und gerade, um sie mit aller Klarheit auf diesem Weg zu ermutigen, sie aufzufordern, ohne jeden nur möglichen Kompromiß auf die Mittel der Gewalt und des Terrorismus bei der Unterstützung der Sache der Armen zu verzichten, die sie zu verteidigen vorgeben und die doch real und wichtig bleibt. Der Hl. Stuhl schließt niemanden aus und ist bereit, mit allen zusammenzuarbeiten, wenn er es für nützlich und klug hält. Die Kirche macht sich keine Illusionen 12. Die Kirche will letzten Endes klar und entschieden, aber liebenswürdig und freundlich sein, wie Christus. Sie weiß, daß die Macht des Bösen groß ist; daß die Verhärtung lang währen kann; sie macht sich keine Illusionen. Aber sie darf die Hoffnung auf die Wandlung der Menschen nicht auf geben, selbst wenn diese weiter sündigen, ja sie verfolgen. Sie sendet immer wieder ihren Appell zum Dialog aus. Sie bemüht sich, den Sinn für Wahrheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit, zumindest den Sinn für Klugheit zu wecken, der in dem menschlichen Bewußtsein, das trotz 725 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bestimmter gegenteiliger Ideologien niemals völlig verdorben ist, immer noch schlummert. Sie hat das Wohl der Menschen im Auge, die in großer Zahl unter diesen Notsituationen leiden. Sie will die Welt inständig bitten, hier zu helfen. Ihrer Ansicht nach müßten die größten Hindernisse, die manche Verantwortlichen in den Weg legen, schließlich wegfallen, denn die Generationen erneuern sich ja. Aber sie entschließt sich deshalb nicht zu aktuellen Experimenten. Kurz, ihre Haltung besteht in der Hoffnung auf den Fortschritt der Menschen und die Zukunft. Wer kann ihr das zum Vorwurf machen? Ich wage hinzuzufügen, daß dies von seiten der Kirche keine Haltung der Bequemlichkeit ist. Es ist keine demagogische Sprache. Sie ist sich ihrer Unzulänglichkeiten sehr wohl bewußt; ihre Mitglieder sind weit davon entfernt, heute wie in der Vergangenheit, frei von Schwäche und Trägheit zu sein; und jedenfalls erlauben es ihr ihre Möglichkeiten nicht, auf alle humanitären Fälle einzugehen. Der Hl. Stuhl kennt seine Grenzen und er ist glücklich über die konzentrierte Unterstützung seitens so vieler Einzelpersonen und Institutionen auf diesem Gebiet. Ihm fällt dann die Rolle zu, ihre verdienstvollen Anstrengungen anzuerkennen und sie zu ermutigen, ob sie katholisch sind oder keinem Bekenntnis angehören. So war es im vergangenen Jahr für mich eine Freude, mich nach Genf zu begeben und den Einsatz der Internationalen Arbeitsorganisation für die soziale Gerechtigkeit und des Internationalen Roten Kreuzes für die humanitäre Hilfe zu ermutigen. Aber ich darf sagen, daß die Kirche es auch versteht, den Preis für ihr Engagement zu zahlen. Ihre Mitglieder exponieren sich, sie stehen oft in vorderster Reihe. Wie viele Priester, Ordensleute und Laienmissionare, Bischöfe haben ihre Nächstenliebe mit ihrer Freiheit, ihrer Gesundheit oder sogar mit ihrem Leben bezahlt? Und ihre Institutionen versorgen weiter die Wunden derer, die - rechts und links - geschlagen werden. Mit bloßen Händen verteidigt sie nicht selten die objektiven und unveräußerlichen Rechte des Menschen. Sie weiß, daß sie in Ihnen, Exzellenzen, meine Damen und Herren, Verbündete findet, Verbündete nicht in ihrer Sache, sondern in der Sache des Menschen. 13. In der katholischen Liturgie schließen wir nun die Weihnachts- und Epiphaniezeit ab, die unseren Neujahrswünschen ihren vollen Sinn verleiht. Dieses Mysterium hat den Sohn Gottes geoffenbart, der in der Menschheit Jesu mit unserem menschlichen Weg solidarisch wurde, damit wir teilhaben an seiner Liebe und an seinem Leben. 726 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus diesen Gefühlen des Glaubens heraus bitte ich den Herrn, Sie mit seinem Segen zu beschenken, Sie persönlich und ihre Familien zu segnen, jedes Ihrer Länder zu segnen. Hegen wir nicht alle brennende Wünsche für das Wohl, den Frieden, die Freiheit, den sozialen und geistigen Fortschritt unseres eigenen Vaterlandes, so wie ich es für mein Heimatland tue? Mögen wir alle, jeder an seinem Platz, unserer erhabenen Berufung als Hüter des Friedens, die Gott den Menschen anvertraut hat, entsprechen können! Vom Reichtum, der sich in jeder Kultur findet Ansprache an den Päpstlichen Rat für die Kultur am 18. Januar Eminenzen! Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Mit besonderer Freude empfange ich zum ersten Mal und offiziell den Päpstlichen Rat für die Kultur. Es geht mir zuerst darum, den Mitgliedern des internationalen Rates zu danken, die ich vor kurzem ernannt habe und die so umgehend der Einladung zu der Tagung in Rom gefolgt sind, um über die Zielsetzung und die künftige Arbeit des Päpstlichen Rates für die Kultur zu diskutieren. Ihre Präsenz in diesem Rat ist für die Kirche eine Ehre und eine Hoffnung. Ihr Ruf und Ihr Ansehen in so verschiedenen Bereichen der Kultur, der Wissenschaften, der Literatur, der Medien, der Universitäten, der theologischen Disziplinen läßt eine fruchtbare Arbeit dieses neuen Rats erhoffen, bei dessen Gründung ich mich an den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils orientiert habe. 2. Das Konzil hat in dieses Gebiet insbesondere mit der Konstitution Gaudium et spes eine neue Bewegung gebracht. Es ist in der Tat heute eine schwierige Aufgabe, die extreme Vielfalt von Kulturen, Bräuchen, Traditionen und Zivilisationen zu verstehen. Auf den ersten Blick mag es den Anschein haben, als übersteige diese Anforderung unsere Kräfte, aber entspricht sie nicht unserem Glauben und unserer Hoffnung? Die Kirche hat auf dem Konzil erkannt, daß sich ein dramatischer Graben zwischen der Kirche und der Kultur aufgetan hatte. Die moderne Welt ist von ihren Errungenschaften, ihren wissenschaftlichen und technischen 727 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leistungen fasziniert. Aber allzuoft gibt sie sich Ideologien, Kriterien der praktischen Ethik und Verhaltensweisen hin, die im Widerspruch zum Evangelium stehen oder zumindest die christlichen Werte schweigend übergehen. 3. Deshalb hat das Konzil im Namen des christlichen Glaubens die gesamte Kirche aufgefordert, bereit zu sein, den modernen Menschen anzuhören, um ihn zu begreifen und eine neue Form des Dialogs zu finden, die es möglich macht, die Ursprünglichkeit der evangelischen Botschaft in die heutigen Denk- und Anschauungsweisen hineinzutragen. Wir müssen also die apostolische Kreativität und die prophetische Kraft der ersten Jünger wiederfinden, um den neuen Kulturen begegnen zu können. Das Wort Christi muß in seiner ganzen Frische den jungen Generationen vermittelt werden, deren Haltung für traditionelle Geister manchmal schwer zu verstehen sind, die aber den geistlichen Werten gegenüber keineswegs verschlossen sind. 4. Ich habe wiederholt bekräftigt, daß der Dialog zwischen der Kirche und den Kulturen heute eine für die Zukunft der Kirche und der Welt lebenswichtige Bedeutung annimmt. Es sei mir erlaubt, darauf zurückzukommen, wobei ich auf zwei grundlegende und einander ergänzende Aspekte Gewicht lege, die den beiden Ebenen entsprechen, auf denen die Kirche ihre Tätigkeit ausübt: die Ebene der Evangelisierung der Kulturen und die Ebene der Verteidigung des Menschen und seiner kulturellen Förderung. Die eine wie die andere Aufgabe verlangen, daß neue Wege des Dialogs der Kirche mit den Kulturen unserer Zeit festgelegt werden. Für die Kirche ist dieser Dialog absolut notwendig, denn sonst bliebe die Glaubensverkündigung toter Buchstabe. Der hl. Paulus zögerte nicht zu sagen: „Weh mir, wenn ich das Evangelium nicht verkünde!“ (1 Kor 9, 16). Am Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts muß die Kirche, wie zur Zeit der Apostel, allen alles werden, indem sie voll Sympathie auf die heutigen Kulturen zugeht. Es sind noch Bereiche und Haltungen, die wie ganze Länder und Regionen die Evangelisierung brauchen, was einen langen und mutigen Inkulturationsprozeß voraussetzt, damit das Evangelium die Seele der lebenden Kulturen durchdringt, indem es auf ihre höchsten Erwartungen antwortet und sie an die Größe und Bedeutung des christlichen Glaubens, der Hoffnung und der Liebe glauben läßt. Die Kirche hat durch ihre Missionare bereits ein unvergleichliches Werk in allen Erdteilen vollbracht, aber diese Missionsarbeit ist niemals zu Ende, denn bisweilen sind die Kulturen erst oberflächlich davon berührt worden 728 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und in jedem Fall haben sie, da sie sich ständig verändern, einen erneuten Zugang nötig. Fügen wir gleich hinzu, daß der edle Begriff der Mission jetzt auf die alten, vom Christentum geprägten Zivilisationen zutrifft, die nun von Gleichgültigkeit, Agnostizismus oder sogar Religionslosigkeit bedroht sind. Außerdem treten neue Kulturbereiche auf mit verschiedenen Zielen, Methoden und Sprachen. Der interkulturelle Dialog drängt sich daher den Christen in allen Ländern auf. 5. Zur wirksamen Verkündigung des Evangeliums kommt es darauf an, entschlossen eine Haltung des Austausches und des Verständnisses anzunehmen, um mit der kulturellen Identität der Völker, der ethnischen Gruppen und der verschiedenen Bereiche der modernen Gesellschaft zu sympathisieren. Im übrigen muß für die Verständigung zwischen den Kulturen gearbeitet werden, damit: die universellen Werte des Menschen überall im Geist der Brüderlichkeit und Solidarität angenommen werden. Evangelisieren setzt also zugleich das Eindringen in die spezifische kulturelle Identität voraus, aber auch die Förderung des Kulturaustausches, wobei es die Kulturen für die Werte der Universalität und, ich würde sogar sagen, der Katholizität öffnet. Im Gedanken an diese schwere Verantwortung habe ich den Päpstlichen Rat für die Kultur gegründet, um der ganzen Kirche einen starken Auftrieb zu geben und allen Verantwortlichen, allen Gläubigen die Verpflichtung bewußt zu machen, die uns allen obliegt, den modernen Menschen zu hören, nicht um all seine Verhaltensweisen zu billigen, sondern um vor allem seine verborgenen Hoffnungen und Sehnsüchte herauszufinden. Das ist der Grund, warum ich die Bischöfe, die mit den verschiedenen Diensten des Hl. Stuhls beauftragt sind, die internationalen, katholischen Organisationen, die Universitäten, alle Menschen aus Glaube und Kultur eingeladen habe, sich mit Überzeugung im Dialog: der Kulturen zu engagieren, indem sie in diesen Dialog das heilbringende Wort des Evangeliums einbringen. 6. Wir müssen uns überdies daran erinnern, daß in dieser dynamischen Beziehung zwischen der Kirche und der modernen Welt die. Christen viel zu empfangen haben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diesen Punkt nachdrücklich hervorgehoben, und es gilt, daran zu erinnern. Die Kirche ist durch die Errungenschaften so vieler Zivüisationen in hohem- Maße bereichert worden. Die Welterfahrung so vieler Völker, der Fortschritt der Wissenschaft, die verborgenen Reiehtümer der verschiedenen Kulturformen, durch die das Wesen des Menschen immer klarer in Erscheinung 729 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tritt und neue Wege zur Wahrheit aufgetan werden, das alles gereicht der Kirche zum Vorteil, wie das Konzil richtig erkannt hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 44). Und diese Bereicherung geht weiter. Denken wir nur an die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen für eine bessere Kenntnis des Universums, für eine Ergründung des Geheimnisses um den Menschen; denken wir an die Segnungen, zu denen die neuen Mittel der sozialen Kommunikation und der Begegnung zwischen den Menschen der Gesellschaft und der Kirche verhelfen können; denken wir an die Fähigkeit, unzählige Wirtschafts- und Kulturgüter herzustellen, vor allem die Erziehung der Massen zu fördern und Krankheiten zu heilen, die früher als unheilbar galten. Was für großartige Errungenschaften! Das alles gereicht dem Menschen zur Ehre. Und das alles ist in hohem Maße der Kirche selbst in ihrem Leben, ihrer Organisation, ihrer Arbeit und ihrem eigentlichen Werk zugute gekommen. Es ist daher normal, daß das Volk Gottes, verbunden mit der Welt, in der es lebt, die Erfindungen und Errungenschaften unserer Zeitgenossen anerkennt und, soweit wie möglich, daran teilnimmt, damit der Mensch selbst wächst und sich voll entfaltet. Das setzt eine tiefe Fähigkeit zur Aufnahme und Bewunderung voraus, aber auch einen klaren Unterscheidungssinn. Und auf diesen letzten Punkt möchte ich jetzt den Akzent legen. 7. Wenn uns unser Glaube drängt, das Evangelium zu verkündigen, gibt es uns ein, den Menschen als Menschen zu lieben. Nun aber muß der Mensch heute dringender denn je gegen die Gefahren verteidigt werden, die seine Entwicklung bedrohen. Die Liebe, die wir aus den Quellen des Evangeliums im Gefolge des Mysteriums von der Menschwerdung des Wortes schöpfen, veranlaßt uns zu dem Appell, daß der Mensch um seiner selbst willen Ehre und Liebe verdient und in seiner Würde respektiert werden muß. So sollen die Brüder von neuem lernen, als Brüder miteinander zu sprechen, sich zu achten, sich zu verstehen, damit der Mensch als Mensch überleben und in der Würde, Freiheit und Ehre wachsen kann. In dem Maße, in dem die moderne Welt den Dialog zwischen den Kulturen unterdrückt, stürzt sie sich in Konflikte, die die Gefahr in sich bergen, für die Zukunft der menschlichen Zivilisation todbringend zu sein. Jenseits der kulturellen Vorurteile und Schranken, der rassischen, sprachlichen, religiösen und ideologischen Schranken müssen sich die Menschen gegen- 730 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seitig als Brüder und Schwestern anerkennen, sich in ihrer Verschiedenheit akzeptieren. 8. Der Mangel an Verständigung zwischen den Menschen läßt sie also in eine verhängnisvolle Gefahr hineinrennen. Aber der Mensch ist ebenso in seinem biologischen Sein bedroht durch die nicht wiedergutzumachende Umweltschädigung, durch das Risiko genetischer Manipulationen, durch die Gefährdungen des wachsenden Lebens, durch die Folter, die in unseren Tagen noch immer weit verbreitet ist. Unsere Liebe zum Menschen muß uns den Mut geben, die Vorstellungen anzuprangern, die den Menschen zu einer Sache degradieren, die man willkürlich manipulieren, demütigen oder beseitigen kann. Auch in seinem moralischen Wesen ist der Mensch in heimtückischer Weise bedroht, denn er unterliegt hedonistischen Strömungen, die seine Instinkte erregen und durch die Illusionen eines unterschiedslosen Konsums einen unwiderstehlichen Reiz auf ihn ausüben. Die öffentliche Meinung wird von den trügerischen Suggestionen einer mächtigen Werbung manipuliert, deren eindimensionalen Werte uns kritisch und wachsam machen sollten. Darüber hinaus wird der Mensch unserer Zeit von Wirtschaftssystemen gedemütigt und erniedrigt, die ganze Gruppen ausbeuten. Der Mensch ist zudem das Opfer bestimmter politischer oder ideologischer Systeme, die die Seele der Völker gefangennehmen. Als Christen dürfen wir nicht schweigen und müssen diese kulturelle Unterdrückung anprangern, die einzelne Personen und Volksgruppen daran hindert, ihren tiefen Berufung entsprechend sie selbst zu sein. Durch diese kulturellen Werte lebt ja der Mensch als Individuum oder als Glied der Gemeinschaft ein wahrhaft menschliches Leben, und man darf nicht zulassen, daß seine Lebensinhalte zerstört werden. Die Geschichte wird mit unserem Zeitalter in dem Maß streng ins Gericht gehen, als dieses in vielen Gegenden der Welt die Kulturen brutal erstickt, zersetzt und unterjocht. 9. In diesem Sinne habe ich am Sitz der UNESCO vor der Generalversammlung aller Nationen die Worte gesprochen, die ich, wenn Sie gestatten, heute vor Ihnen wiederholen möchte: „Man muß den Menschen seinetwegen und nicht aus irgendeinem Motiv oder Grund bejahen, einzig und allein seinetwegen. Mehr noch: Man muß den Menschen lieben, weil er Mensch ist. Man muß Liebe zum Menschen fordern wegen seiner besonderen Würde, die er besitzt. Die volle Bejahung des Menschen gehört zum Wesen der christlichen Botschaft und der Sendung der Kirche 731 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst trotz allem, was kritische Geister in dieser.Sache erklärt haben, und allem, was die verschiedenen, der Religion im allgemeinen und dem Christentum in besonderen feindlichen Strömungen unternehmen konnten“ {Ansprache vor der UNESCO am 2. Juni 1980, Nr. 10: O.R.dt. vom ö. Juni 1980, S. 5). Diese Botschaft ist grundlegend, damit die Arbeit der Kirche in der heutigen Welt möglich wird. Deshalb schrieb ich am Schluß der Enzyklika Redemptor hominis, daß „der ,Weg‘ des täglichen Lebens der Kirche der Mensch ist und es immer wieder neu wird“ (Nr. 21). Ja, der Mensch ist „der Weg der Kirche“, denn wie könnte man ohne diese Achtung vor dem Menschen und seiner Würde ihm die Worte des Lebens und der Wahrheit verkündigen? 10. Damit also, daß er uns diese beiden Orientierungsgrundsätze -Evangelisierung der Kulturen und Verteidigung des Menschen - in Erinnerung bringt, will der Päpstliche Rat für die Kultur seine eigene Arbeit verfolgen. Einerseits ist es erforderlich, daß der Verkünder des Evangeliums sich mit dem sozio-kulturellen Milieu vertraut macht, in dem er das Wort Gottes verkünden soll; ja mehr noch, das Evangelium selbst ist in dem Maße Ferment der Kultur, in dem es den Menschen in seinen Denk-und Verhaltensweisen, in den Formen seiner Arbeit und seiner Entspannung, das heißt, in seiner kulturellen Eigenart aufsucht. Anderseits .schenkt uns unser Glaube ein Vertrauen in den Menschen - in den als Bild Gottes erschaffenen und von Christus erlösten Menschen -, den wir seinetwegen verteidigen und lieben wollen im Bewußtsein, daß er nur durch seine Kultur, das heißt durch seine Freiheit, ganzheitlich und mit all seinen besonderen Fähigkeiten zum Wachstum Mensch ist. Ihre Aufgabe ist schwierig, aber herrlich. Gemeinsam sollen Sie dazu beitragen, die neuen Wege des Dialogs der Kirche mit der heutigen Welt abzustecken. Wie soll man das Herz und den Verstand des modernen Menschen ansprechen, um ihm das Wort des Heils zu verkünden? Wie können wir unsere Zeitgenossen empfänglicher machen für den eigenen Wert der menschlichen Person, für die Würde jedes einzelnen Individuums, für den Reichtum, der in jeder Kultur verborgen liegt? Ihnen wurde eine große, wichtige Rolle übertragen, da Sie der Kirche dabei helfen müssen, in ihrer Beziehung zur modernen Welt kulturell schöpferisch zu werden. Wir würden unserem Auftrag, die heutigen Generationen zu evangelisie-ren, untreu sein, ließen wir die Christen im Unverständnis der neuen Kulturen. Ebenso würden wir der Liebe, die uns beseelen muß, untreu, 732 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn wir nicht sähen, wie sehr der Mensch heute in seiner Menschlichkeit bedroht ist, und wenn wir nicht durch unsere Worte und Werke die Notwendigkeit verkündeten, daß der Mensch individuell und kollektiv verteidigt und vor Unterdrückungen, die ihn versklaven und entwürdigen, gerettet werden muß. 11. Sie sind aufgefordert, bei Ihrer Arbeit mit allen Menschen guten Willens zusammenzuwirken. Sie werden entdecken, daß der Geist des Guten in geheimnisvoller Weise in so vielen unserer Zeitgenossen am Werke ist, selbst in manchen von denen, die sich zu keiner Religion bekennen, die aber ihre menschliche Berufung ehrlich und mutig zu erfüllen versuchen. Denken wir an die vielen Familienväter und -mütter, an die vielen Erzieher, Studenten, Arbeiter, die sich eifrig ihrer Aufgabe widmen, an so viele Männer und Frauen, die sich aufopfern für die Sache des Friedens, des Gemeinwohls, der Gerechtigkeit und der internationalen Zusammenarbeit. Denken wir auch an alle Forscher, die sich mit viel Ausdauer und moralischer Unerbittlichkeit ihren für die Gesellschaft nützlichen Aufgaben widmen, an alle Künstler, die Schönheit suchen und Schöpfer von Schönem sind. Zögern Sie nicht, mit allen diesen Menschen guten Willens, von denen etliche insgeheim vielleicht das Zeugnis und die Unterstützung der Kirche erhoffen, um den echten Fortschritt des Menschen besser verteidigen und fördern zu können, den Dialog aufzunehmen. 12. Ich danke Ihnen ganz herzlich, daß Sie gekommen sind, um mit uns zu arbeiten. Im Namen der Kirche zählt der Papst sehr auf Sie, denn, wie ich in dem Gründungsschreiben sagte, soll Ihr Rat „den Hl. Stuhl regelmäßig über die großen kulturellen Tendenzen der heutigen Welt informieren und dabei die Erwartungen der modernen Zivilisation vertiefen und neue Wege des kulturellen Dialogs erkunden“ (vgl. O.R.dt. vom 9. Juli 1982). Ihr Rat soll vor allem Zeugnis geben. Sie müssen vor den Christen und der Welt das tiefe Interesse bekunden, das die Kirche dem kulturellen Fortschritt und dem fruchtbaren Dialog der Kulturen wie auch ihrer wohlwollenden Begegnung mit der Kirche entgegenbringt. Ihre Rolle läßt sich nicht ein für allemal und a priori definieren: Die Erfahrung wird Sie die wirksamsten und den Umständen am besten angepaßten Handlungsweisen lehren. Bleiben Sie in regelmäßiger Verbindung mit dem Leitungsgremium des Rates - dem ich Glück wünsche und das ich ermutige —, indem Sie an seinem Wirken und seinen Untersuchungen teilnehmen, ihm Ihre Initiativen vorschlagen und es über Ihre Erfah- 733 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rungen informieren. Selbstverständlich wird vom Rat für die Kultur erwartet, daß er seine Arbeit in der Form des Dialogs, der Anregung, des Zeugnisses und der Forschung durchführt. Es besteht da eine besonders fruchtbare Möglichkeit für die Kirche, in der Welt präsent zu sein, um ihr die immer neue Botschaft des Erlösers Christus zu offenbaren. Unmittelbar vor Beginn des Heiligen Jahres der Erlösung bitte ich Christus, Sie zu inspirieren, Ihnen beizustehen, damit Ihre Arbeit seinem Heilswerk - gemäß seinem Plan - dient. Und indem ich Ihnen aus ganzem Herzen im voraus für Ihre Mitarbeit danke, segne ich Sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. „Mit der Geschichte und Kultur Ihres Landes verbunden“ Ansprache an den niederländischen Botschafter beim Hl. Stuhl, Johan Anthony Beelaeters van Blokland, bei der Überreichung seines Beglaubigungsschreibens am 22. Januar Herr Botschafter! Heute - zufälliges Zusammentreffen oder Vorsehung? - habe ich die Freude, Ihre Exzellenz als neuen Botschafter Ihrer Majestät der Königin der Niederlande beim Hl. Stuhl zu empfangen, aber auch die Bischöfe, die an der Spitze der katholischen Diözesen stehen und zu ihrem traditionellen „Ad-limina“-Besuch hier sind. Diese beiden an sich gewiß verschiedenen Ereignisse konvergieren doch insofern, als sie durch qualifizierte Persönlichkeiten das niederländische Volk mit seinem Leben, seinen Problemen und seinen Hoffnungen in diesem Haus sozusagen präsent machen. Ich danke Ihnen, Herr Botschafter, aufrichtig für die Worte, die Sie an mich gerichtet haben. Sie beweisen die schon bestehenden Übereinstimmungen zwischen den Bemühungen des Hl. Stuhls und denen Ihrer Regierung, wenn es darum geht, den Weltfrieden auf dem Weg des Dialogs zu verteidigen und zu fördern, zu bewirken, daß die heilige Würde der einzelnen Menschen und die Freiheit der Völker geachtet wird, oder auch Regionen zu Hilfe zu kommen, die Opfer unvorhergesehener Kata- 734 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Strophen oder ständiger Not geworden sind. Ihre heute begonnene Mission ist für mich, wie der Besuch der niederländischen Bischöfe, ein Anlaß zu Trost und Hoffnung. Sie sind Sohn einer Nation, deren Geschichte aus mehreren Gründen reich und faszinierend ist. Die berühmte Devise „Luctor et emergo“ (Ich kämpfe und strebe nach oben) verdient, daß sie im Wappen Ihres Landes erscheint. Seit jeher mußten Ihre Vorfahren gegen die aufgewühlten Elemente der Nordsee kämpfen und die starken Seewinde ertragen. Die Überschwemmungskatastrophen des Jahres 1953 sind uns noch in Erinnerung. Im großen und ganzen bestand die Geschichte des holländischen Volkes darin, unaufhörlich das Meer zurückzudrängen, aber es auch unermüdlich zu befahren. Diese beherrschende Wirklichkeit hat aus Ihren Landsleuten Seeleute, Reisende, Kaufleute gemacht, Menschen, die weltoffen und fähig sind, die Relativität der Dinge zu ermessen, während die Bewohner des Hinterlandes, die immer seßhaft waren, vor allem die Traditionen bewahrt haben. In der heutigen Zeit haben diese Unterschiede auf Grund der Entwicklung eines modernen Straßennetzes zweifellos nachgelassen. Ich verstehe, daß sich die Touristen von den Niederlanden so angezogen fühlen. Sie können Ihre Siege über das Meer bestaunen, die Führung Ihrer landwirtschaftlichen Betriebe, die Pracht Ihrer Blumen- und Gemüsekulturen, aber auch die weit vorangetriebene Industrialisierung zahlreicher städtischer Zentren bewundern. Gehört Amsterdam nicht zu den größten Häfen der Welt? Und darf man Ihre berühmten Museen vergessen, die zum Ruhme Ihrer berühmtesten Männer, zum Beispiel Ihrer großen Maler Rembrandt und Rubens, errichtet wurden? Auch gibt es bei Ihnen eine Vielfalt religiöser Bekenntnisse, die seit Jahrzehnten versuchen, friedlich nebeneinander zu existieren, miteinander zu sprechen und für soziale oder karitative Werke, deren Zielsetzung oft international ist, zusammenzuarbeiten. An dieses Panorama wollte ich kurz erinnern, als ich Sie an diesem Morgen empfing. Das erlaubt mir, mich mit der Geschichte und der Kultur Ihres Landes verbunden zu fühlen. Und ich will hoffen, daß die Niederlande, die so reich an materiellen Gütern und menschlichen Möglichkeiten sind, stets eher die Wege des „Seins“ als die des „Habens“ wählen und so Europa und der Welt ihren eigenen Beitrag zum echten Fortschritt der modernen Gesellschaft leisten werden. Aus ganzem Herzen wünsche ich, daß Ihre hohe Aufgabe als Diplomat sich so entwickle, daß die hervorragenden Beziehungen, die zwischen dem Hl. Stuhl, einer wesentlich geistlichen Ordnungsinstanz, und Ihrer Regie- 735 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung bereits bestehen, sich als immer fruchtbarer erweisen mögen. Sie werden hier, wie Ihre Kollegen vom Diplomatischen Korps, die ich zu meiner Freude am 15. Januar empfangen konnte, ein aufmerksamer Beobachter sein, der seiner Regierung von den Tätigkeiten, den Sorgen und den Wünschen des Hl. Stuhls ebenso berichten muß, wie er diesen mit den Informationen, Vorschlägen und Wünschen der Regierung der Niederlande bekanntmachen soll. Ich wäre Ihnen, Herr Botschafter, dankbar, wenn Sie Ihrer Majestät der Königin der Niederlande den Ausdruck meiner achtungsvollen Grüße übermitteln und ihr meine Wünsche für das Wohlergehen ihres Reiches auf allen Ebenen erneuern wollten. Ihnen, Exzellenz, möchte ich gern mein Vertrauen und meine herzlichen Wünsche für einen angenehmen und fruchtbaren Verlauf Ihrer Aufgaben zum Ausdruck bringen. Ich bitte Gott, über Ihr geliebtes und schönes Land zu wachen und Sie sowie die Mitglieder Ihrer Familie zu segnen. Jubiläumsjahr und Synode - Zeiten des Heils und außerordentlicher Gnade Schreiben an alle Bischöfe anläßlich der Veröffentlichung des „Instrumentum laboris“ für die 6. Vollversammlung der Bischofssynode vom 25. Januar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Dieses Schreiben soll das für die 6. Vollversammlung der Bischofssynode vorbereitete Instrumentum laboris begleiten. Jenes Dokument ist ein Zeichen der Gemeinschaft, ein Akt der Kollegialität, ein Zeugnis der Liebe. Ich schreibe euch aus vollem Antrieb meines Herzens und bitte euch, meine Worte als brüderliches und aufrichtiges Gespräch aufzunehmen. Euch schreibt nämlich euer Bruder im selben Glauben, dem nach göttlichem Willen in besonderer Weise „die Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) obliegt: Bruder sodann in der Teilnahme am göttlichen Dienstamt, das den Zwölfen von Christus anvertraut wurde, und als Nachfolger Petri mit euch, Nachfolgern der Apostel, verbunden „im Band 736 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Einheit, der Liebe und des Friedens“ (Lumen gentium, Nr. 22; vgl. 20). Im Bewußtsein der Kollegialität unseres Amtes zum Dienst an der Kirche wende ich mich also an euch, während die Vorbereitung auf das Jubiläumsjahr der Erlösung im Gang ist. Ihr wißt wohl, mit welcher Sorge, welchem Eifer, welcher Freude auch ich mich auf dieses Jubiläumsjahr vorbereite; und ich möchte, daß ihr eurerseits an dieser Freude und dieser Sorge teilnehmt. Ich halte es aber für eine wunderbare Fügung des vorausschauenden Ratschlusses Gottes, daß diese Synodenversammlung gerade im Jubiläumsjahr der Erlösung über das Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ stattfindet. Thema und Zielsetzung der Synode stehen also allenthalben mit der tiefsten Bedeutung der Erlösung und dem besonderen Ziel des Heiligen Jahres der Erlösung in voller Übereinstimmung. Das Jubiläum des Heilstodes Jesu Christi ist freilich eine einzigartige Gelegenheit, die uns Gott, der Herr der Welt, in seiner Vorsehung anbietet, damit wir uns leichter die Früchte der Erlösung Christi zu eigen machen. Das Jubeljahr der Erlösung wird also zugleich zu einer ganz besonderen Zeit des Heils: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2), und ebenso zu einem Aufruf zur Buße und Versöhnung. Es sollte daher dem ganzen Leben der Kirche und der Christen seine Spur aufprägen, damit es einen neuen Vorsatz des Reifens in jener Liebe auslöst, die die Wahrheit bewirkt und die Gerechtigkeit fördert. 2. Die Versöhnung ist ja nichts anderes als die Erlösung, die der Vater im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes jedem Menschen angeboten hat und auch heute noch jedem Sünder anbietet, dessen reuevolle Rückkehr durch Umkehr er wie der Vater im Gleichnis des verlorenen Sohnes erwartet. Die Synode soll sich bemühen, in der Kirche das Bewußtsein für jene großartige Sendung wiederzubeleben, die der Apostel Paulus verkündet hat: „. . . Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat . . . Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,18.20). Das beigefügte Instrumentum laboris, das die charakteristischen Merkmale eines Zusatz- und Hilfsdokuments aufweist, hat daher einen doppelten Zweck. Es kann nämlich nicht nur den Mitgliedern und Teilnehmern der Synode, sondern auch den Bischöfen, dem Klerus und allen Gläubigen helfen, sich auf das Geheimnis der Erlösung zu besinnen, indem es sie anspornt, im Alltagsklima der Ortskirchen zutiefst den Geist des Heiligen 737 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahres zu leben und aufzunehmen, und im Bewußtsein der Menchen wieder den Sinn für Gott und für die Sünde weckt, den Sinn auch für die Größe der göttlichen Vergebung sowie für die Bedeutung, die das Bußsakrament für den Fortschritt des Christen und des Menschen und schließlich für die Erneuerung der Gesellschaft selbst besitzt. Den moralischen Übeln, die die Gesellschaft spalten und entzweien, liegt die Sünde zugrunde. Das ganze Menschenleben erscheint daher als manchmal geradezu dramatischer Kampf zwischen Gut und Böse. Nur wenn die Wurzel des Bösen ausgerissen wird, kann man zu einer wirksamen Versöhnung gelangen. Deshalb ist die Umkehr jedes Menschen zu Gott zugleich der beste Weg für eine dauerhafte Erneuerung der Gesellschaft, weil jeder Akt echter Versöhnung mit Gott durch die Buße seiner Natur nach neben der personalen auch eine soziale Dimension enthält. Die Synode hat bereits seit der ersten Vorbereitung diese Einfügung der Erlösung in das Wirken der Kirche im Auge, von wo der menschlichen Gesellschaft Hilfe zukommen soll. Die emsige Vorbereitungsarbeit auf die Synode wird daher in den Ortskirchen Nachdenken und Ansporn auslösen, was mit den Zielsetzungen des Heiligen Jahres übereinstimmt. Im Hinblick auf die Feier des Jubiläumsjahres möchte ich einige pastorale Richtlinien heraussteilen. 3. Damit das Jubiläumsjahr angemessen gefeiert wird, wünsche ich, daß vor allem ein großer Plan zur Vermittlung der Katechese über die Erlösung aufgestellt und durchgeführt wird. Diese Aufgabe gehört zu den unumgänglichen Verpflichtungen unseres Dienstamtes: und es sei mir erlaubt, euch an die Stellen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu erinnern, die übereinstimmend das grundlegende „officium docendi“ (die Aufgabe zu lehren) erläutern und ihm die Richtung geben (vgl. Lumen gentium, Nr. 24 f.; Christus Dominus, Nr. 11—14; auch Sacrosanctum concilium, 109 b über die Bußkatechese). Diese ganze Aufgabe muß aber darauf hinzielen, das Geheimnis der Erlösung durch Erläuterung derjenigen Lehren darzulegen, die von der Kirche und in der Kirche als bereits fester Besitz weitergegeben werden und über die von neuem nachgedacht werden soll anhand des Wortes Gottes und der in Gebrauch genommenen liturgischen Texte sowie einiger Dokumente, zu denen die Enzykliken Redemptor hominis und Dives in misericordia sowie die zur Synodenvorbereitung bestimmten Lineamenta, das Instrumentum laboris, die Ankündigungsbulle zum Jubiläumsjahr und die Ansprache vor dem Heiligen Kollegium am 23. Dezember vergangenen Jahres gehören. 738 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4, In die Feier des Jubiläumsjahres kann alles einbezogen werden, was die Ortskirchen im Laufe des Jahres zu feiern pflegen. Denn jede Diözese lebt aus einem besonderen Reichtum von Traditionen, die ihrer Geschichte und ihren christlichen und sakramentalen Bräuchen eigen sind. Kein Bischof möge es daher unterlassen zu untersuchen, wie er von dem pastoralen Erbe seiner Diözese weiterhin Gebrauch machen kann. Das Jahr der Erlösung bietet nämlich den Bischöfen die Gelegenheit, alle religiösen Werke und Initiativen, die in den einzelnen Diözesen bereits im Gang sind und blühen, zu verstärken; sie werden dabei deren inneren Gehalt mit Blick auf das Geheimnis der Erlösung erhöhen und die pastorale und erzieherische Wirksamkeit wieder aufdecken müssen, indem sie ihnen bei den Feierlichkeiten eine besondere Würde verleihen. Auf diese Weise wird gleichsam ein Strom intensiverer Spiritualität den gewohnten Gang des diözesanen Lebens durchdringen: Auch hier ist es unbedingt notwendig, all das wiederzubeleben, was gemeinsames Erbe des kirchlichen Lebens ist, entsprechend jenem Prinzip, das ich bereits oben erläutert habe, als ich von den charakteristischen Merkmalen des Jubiläumsjahres gesprochen habe. Die Stadt Rom erschließt allen die Schätze ihres jahrhundertealten Lebens und ihrer Erfahrung sowie der Möglichkeiten, die sich ihr in einzigartiger Weise für die Feier bestimmter Ereignisse im Laufe des Jahres in Gegenwart des Papstes bieten. Aber das darf in keiner Weise an die Stelle des Erbes und der Erfindungsgabe bei den verschiedenen über den Erdkreis verstreuten Kirchengemeinden treten, die manchmal in Formen menschlicher Kultur und Zivilisation eingebettet sind, die den Sinn für das Heilige sehr hochhalten. Jeder Bischof möge also dafür sorgen, daß in allen Pfarreien, auch in den kleinsten, wo die Kirche Christi gegenwärtig ist, allen Gläubigen geholfen wird zu begreifen, daß alle der Erlösung bedürfen und daß das Blut Christi für alle vergossen wurde. 5. Da eine der wichtigsten Zielsetzungen des Jahres der Erlösung gewiß die ist, in besonders eindringlicher Weise die erneuernde Kraft des sakramentalen Lebens der Kirche zu beleben, ja, wenn nötig, wiederzuentdecken, wird es bei euch allen, geliebte Brüder im Bischofsamt, einer besonderen Umsicht bedürfen, um eine immer bessere Sakramentenpa-storal anzubieten und zu verwirklichen. Unter diesen wird besondere Aufmerksamkeit dem Sakrament der Buße gewidmet werden müssen — das ja das Thema der kommenden Versammlung der Synode ist -, um eine würdige und fruchtbare Vorbereitung der Seelen auf die Versöhnung mit Gott zu fördern, durch die jedem Men- 739 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen die Gnade der Erlösung zuteil wird. Das Sakrament der Buße ist das - durch nichts zu ersetzende - Mittel der Umkehr und geistigen Vervollkommnung; es bringt die Menschen dazu, den durch die Sünde zerbrochenen Bund mit Gott wiederherzustellen. Es ist meist auch mit den Bedingungen verbunden, unter denen der Mensch in jenen Kreis der Heiligkeit und Vergebung eintritt, den wir mit dem überlieferten Namen „Ablaß“ bezeichnen. Was den pastoralen Einsatz in den Diözesen betrifft, so wiederhole ich, was ich bereits über die Notwendigkeit einer Rückgewinnung des Sündenbewußtseins gesagt habe, das so eng mit dem erneuerten Gottesbewußtsein verbunden ist. Alles also, was pastoral geeignet ist, in der Tiefe der Herzen Gefühle der Zerknirschung über die Schuld zu wecken, muß entsprechend durch verschiedene zur Verfügung stehende Pläne und Mittel verstärkt werden, sowohl durch Katechese und häufige Bußgottesdienste als auch durch die Anwesenheit von Priestern in den stärker besuchten Kirchen, die während des ganzen Tages ununterbrochen den einzelnen Gläubigen die Spendung des Bußsakraments sicherstellen. 6. Außerdem wiederhole ich die Aufforderung, im Rahmen des diözesa-nen Lebens besondere Bedeutung all jenen Initiativen beizumessen, denen es um die Bewahrung und Verstärkung der Verehrung der Jungfrau Maria in den Herzen der Gläubigen geht. Denn in Maria bewundert und preist die Kirche „die erhabenste Frucht der Erlösung. In ihr schaut sie wie in einem reinen Bilde mit Freuden an, was sie ganz zu sein wünscht und hofft (Sacrosanctum concilium, Nr. 103). Aus diesem Grund sind die über das Kirchenjahr verteilten religiösen Bräuche zur Verehrung Mariens eine besondere Gelegenheit, um daraus Gründe, Themen und Impulse zur Vertiefung des Erlösungsgeheimnisses zu gewinnen (vgl. Marialis cultus, Einleitung). Dieser Aufgabe sollen ganz besonders die zahlreichen berühmten und beliebten Marienheiligtümer dienen, die in jeder Diözese eine ständige Aufforderung an die Gläubigen darstellen, sich an die allerseligste Jungfrau zu wenden, um eine mitunter höchst bedeutsame Begegnung mit Christus, dem Erlöser, zu erfahren. Darüber hinaus empfehle ich das Rosenkranzgebet, in dem man - wie auch Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben Marialis cultus lehrte -durch die Betrachtung der wichtigsten Heilsereignisse, die Christus gewirkt hat, erkennt, wie das Wort Gottes auf ganz und gar barmherzigen Ratschluß hin in das Leben der Menchen eintrat und die Erlösung vollbrachte (vgl. Marialis cultus, Nr. 45). 740 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Ehe ich diesen Brief schließe, will ich die bereits in der Bulle Aperite portas (Nr. 12) ausgesprochene Aufforderung erneuern, daß sich-jeder von euch, geliebte Brüder, am 25. März oder unmittelbar danach mir anschließen und seinerseits einen Eröffnungsgöttesdienst des Jubiläumsjahres feiern möge. Ein solcher Gottesdienst bietet die passende Gelegenheit, sowohl die Ziele des außerordentlichen Jubiläumsjahres als auch die Bedingungen für die Gewinnung eines Ablasses in den Diözesen durch die verschiedenen Gemeinden oder einzelnen Gläubigen zu erläutern. Was schließlich den Abschluß des Jubiläumsjahres betrifft, halte ich es für richtig, bekanntzugeben, daß die Bischofskonferenzen, falls pastorale Gründe eine Verlängerung der Feier des Heiligen Jahres angeraten sein lassen, um die Erlaubnis nachsuchen können,-es in ihren Ländern noch einige Zeit über den für den 22. April 1984 offiziell festgelegten Schlußtermin hinaus zu verlängern. 8. Ehrwürdige, liebe Brüder! Ich weiß mit Sicherheit, daß jeder von euch bereits um eine würdige Vorbereitung des Jubiläumsjahres der Erlösung bemüht ist. Jeder Bischof möge nun aber mehr denn je ein Vorbote Christi sein, der an der Spitze der ihm vom Obersten Hirten anvertrauten Gemeinde die Gläubigen anleitet, „voll Freude das Wasser aus den Quellen des Heils zu schöpfen“ (Jes 12,3). Das Jubiläumsjahr und die Synode, die seine wichtigste Zielsetzung erläutert, stellen eine Gelegenheit außer ordentlicher Gnade dar; diese Gnade nun kündigt die Kirche durch ihre prophetische Präsenz den Menschen des zu Ende gehenden zweiten Jahrtausends an. Nehmen wir aber die sich uns bietende Möglichkeit wahr, uns stärker der Kirche zu widmen, die Priester zu ermutigen, die Gläubigen zu stärken und - wie es Jesus zu Beginn seiner Lehrtätigkeit getan hat - „den Armen eine gute Nachricht zu bringen; den Gefangenen die Entlassung zu verkünden und den Blinden das Augenlicht; die Zerschlagenen in Freiheit setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen“ (vgl. Lk 4,18-19). Ich, Diener der Diener Gottes, bin euch bei dieser wunderbaren Aufgabe nahe und fühle mich aufs engste mit euch verbunden. Niemals soll es uns an Vertrauen oder Mut mangeln! Niemals wird es uns an der Hilfe des lebendigen Gottes fehlen, der Heiligsten Dreifaltigkeit, in deren Namen ich euch alle segne. Aus dem Vatikan, am 25. Januar 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. 741 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorbild zum ,,geistlichen ökumenismus“ Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von Sr. Maria Gabriella Sagheddu in St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 1. Die liturgische Feier der Bekehrung des Saulus von Tarsus läßt uns den dramatischen Augenblick seiner Begegnung mit Christus, dem Herrn, neu erleben, in dem der überzeugte Schüler Gamaliels, „ein Eiferer für Gott“ (Apg 22, 3), auf der Straße nach Damaskus tief von der unverkennbaren Stimme Jesus Christus betroffen, den er verfolgte, ohne ihn zu kennen, sich unverzüglich seinem Wort öffnete und im selben Augenblick, in dem er demütig die eindrucksvollen Vorwürfe des göttlichen Meisters in sich aufnahm, dazu bestellt wurde, auserwähltes Werkzeug zu sein, um Gottes Namen vor Völker und Könige und vor die Söhne Israels zu tragen (vgl. Apg 9, 15), um „vor ahen Menschen sein Zeuge (zu) werden“ (Apg 22, 15). Der Kern des ganzen Ereignisses ist die Tatsache der Bekehrung. Dazu bestimmt, die Völker zu evangelisieren, „denn sie sollen sich von der Finsternis zum Licht und von der Macht des Satans zu Gott bekehren und sollen . . . die Vergebung der Sünden empfangen“ (Apg 26, 18), wird Saulus in erster Linie von Christus aufgefordert, in sich selbst eine radikale Umkehr zu bewirken. Christus, der ihm wie ein „Licht (erscheint) . . ., heller als die Sonne“ (Apg 26, 13), fordert ihn in seinem Innersten heraus, indem er ihn bei seinem Namen ruft und ein sehr persönliches Wort an ihn richtet, das kein Mißverständnis und kein Ausweichen zuläßt: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Es wird dir schwerfallen, gegen den Stachel auszuschlagen . . . steh auf, stell dich auf deine Füße!“ (Apg 26, 14.16). Und Saulus, der sich von Christus entwaffnen ließ und von der unerwarteten Erfahrung eben dieses Christus geblendet war, begann so seinen mühevollen Weg, der sich durch sein ganzes Leben hinziehen sollte und dessen Ausgangspunkt das ungewöhnlich demütige „Herr, was soll ich tun?“ war; er ließ sich gefügig bei der Hand nehmen und zu Hananias führen, durch dessen prophetisches Amt ihm der Plan Gottes zu erkennen gegeben wird. Elemente der Einheit: Bekehrung, Kreuz, Gebet 2. Dieser Plan ist in den Herrenworten zusammengefaßt: „Ich werde ihm auch zeigen, wieviel er für meinen Namen leiden muß“ (Apg 9, 16). Mit 742 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser geradezu blitzartigen Andeutung lüftet Christus für einen Augenblick den Schleier, der über der Zukunft des Apostels hegt, und läßt ihn einen Blick auf die bevorzugte Berufung werfen, die die außerordentlich tiefe Anteilnahme am Geheimnis des Leidens und des Kreuzes ist. Diese Anteilnahme wird so lebensvoll sein und sich so tief im Inneren jenes mystischen Leibes abspielen, dessen Glied Paulus durch das göttliche Erbarmen geworden ist, daß er an die Kolosser schreiben kann: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ {Kol 1, 24). Von diesem Augenblick an ist der einstige Verfolger zum hervorragendsten Verkünder des gekreuzigten Christus geworden, der „Torheit“ des Kreuzes, des Geheimnisses der Sünde und der Erlösung im Blut des Herrn, seines Todes und seiner Auferstehung, so daß er endlich sagen kann: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ {Gal 2, 20). Noch ein Element in der Episode der Bekehrung des Saulus möchte ich hervorheben: es ist der Hinweis auf das Gebet, Grundlage jeder apostolischen Schulung und jedes apostolischen Wirkens. Um Hananias die Möglichkeit zu geben, Saulus, den Bekehrten, identifizieren zu können, bietet ihm der Herr ein unverkennbares Zeichen an: „Frag im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus aus Tarsus. Er betet gerade“ {Apg 9, 11). 3. Mit großer Freude können wir feststellen, daß gerade diese drei Daten, die sich in der Apostelgeschichte abzeichnen - die Bekehrung, das Kreuz und das Gebet wesentlich jene Elemente sind, auf denen die Bewegung zur Wiederherstellung der christlichen Einheit aufbaut. Indem wir hier, am Grab des Völkerapostels, mit diesem Ritus die Weltgebetswoche beschließen, die uns, durch das Band tiefer Liebe verbunden, rings um den gleichen Erlöser Christus versammelt sieht, wollen wir gemeinsam auf diese Elemente zurückgreifen. Wenn ich das sage, so bin ich überzeugt, damit auch die Gefühle der Brüder der anderen Kirchen zum Ausdruck zu bringen, die an dieser Feier teilnehmen wollten. Ihnen allen gilt mein herzlicher Gruß. In diesen Rahmen und in diese Atmosphäre ökumenischer Liebe paßt die kurze, aber so reiche Geschichte der seligen Maria Gabriella von der Einheit, die ich absichtlich an diesem Tag und in diesem Gotteshaus zur Ehre der Altäre erheben wollte. Ihr ganzes Leben ist, zuerst durch die Berufung zur Trappistin und dann durch das Opfer des Lebens für die 743 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einheit der Christen, von eben diesen drei grundlegenden Werten durchzogen: Umkehr, Hingabe an die Brüder, Gebet. Es konnte gar nicht anders sein, das: bestätigt uns das Zweite Vatikanische Konzil, das gerade in dieser Basilika und am gleichen Tag von meinem verehrten Vorgänger Johannes XXIII. verkündet wurde. Was den Ökumenismus betrifft, sagt das Konzil folgendes: „Es gibt keinen echten Ökumenismus ohne innere Bekehrung. Denn aus dem Neuwerden des Geistes, aus der Selbstverleugnung und aus dem freien Strömen der Liebe erwächst und reift das Verlangen nach der Einheit. Deshalb müssen wir vom göttlichen Geist die Gnade aufrichtiger Selbstverleugnung, der Demut und des geduldigen Dienens sowie der brüderlichen Herzensgüte zueinander erflehen . . . Diese Bekehrung des Herzens und die Heiligkeit des Lebens sind in Verbindung mit dem privaten und öffentlichen Gebet für die Einheit der Christen als die Seele der ganzen ökumenischen Bewegung anzusehen, sie kann im wahren Wortsinn geistlicher ökumenismus genannt werden“ (Dekret über den ökumenismus, Nr. 2, 7 und 8). Im übrigen ist doch das ganze 17. Kapitel des Johannesevangeliums -jenes Kapitel, dessen Seiten im kleinen persönlichen Evangelium von Sr. Maria Gabriella infolge der täglichen Abnützung vergilbt aufgefunden wurden - nichts anderes als das dem priesterlichen Herzen Jesu entströmende Gebet, das in unmittelbarer Erwartung des Kreuzes alle, die an ihn glauben, zur Bekehrung des Herzens auffordert. 4. Ganz besonders möchte ich die Jugendlichen mit ihrer Begeisterung für Wettkämpfe und Sport darauf hinweisen, daß die junge Trappistin, die wir heute zum ersten Mal mit dem Titel „Selige“ bezeichnen, es verstanden hat, sich die Aufforderungen des Apostels an die Gläubigen von Korinth (7 Kor 9, 24) zu eigen zu machen: „Lauft so, daß ihr ihn (den Preis) gewinnt“, so daß es ihr in wenigen Jahren gelang, auf dem Ubungs-feld der Heiligkeit eine Reihe erster Preise zu erlangen, die den Neid der erfahrensten Kämpfer erwecken könnten, Sie ist tatsächlich, historisch gesehen, die erste Selige, die aus den Reihen der weiblichen Jugend der Katholischen Aktion hervorgeht; die erste junge Sardin und die erste Angehörige des Trappistenördens sowie die erste Kämpferin für die Einheit der Christen, der diese Ehre zuteil wird. Das sind vier erste Preise, die auf dem Übungsfeld der vom Mönchsvater Benedikt eingesetzten „Schule der Heiligkeit“ errungen wurden, in einer offensichtlich auch nach fünfzehn Jahrhunderten noch brauchbaren Schule, war sie doch 744 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN imstande, in einer Seele, die es verstand, „mit der Intelligenz der Liebe“ zu lernen, solche beispielhafte Tugenden zu wecken. Eben dieses gewissenhafte Hinhören war es, das es der jungen Maria Sagheddu - von Natur aus starrköpfig und herb, wie die Zeugen und selbst ihre heiligmäßige Mutter berichteten - gestattete, jene „Bekehrung des Herzens“ zu verwirklichen, die der hl. Benedikt von seinen Söhnen und Töchtern fordert, eine Bekehrung des Herzens, welche der wahre und erste Quell der Heiligkeit ist. In dem Augenblick, in dem das eigenwillige und aufbrausende Mädchen, das durch den Tod seiner liebsten Schwester mit dem Kreuz Christi in Berührung gekommen war, entschied, sich ihm zu überlassen, demütig und aufnahmebereit die Leitung eines Seelenführers suchte und durch seine Mitgliedschaft bei der weiblichen Jugend der Katholischen Aktion am Leben der Pfarrei teilnehmen wollte, wo es hochherzig die Kleinsten im Katechismus unterrichtete, den alten Menschen dienstbereit zur Seite stand und viele Stunden im Gebet verbrachte - in diesem Augenblick begann jene Bekehrung, die die junge Sardin Tag für Tag weiterführte und die sie schließlich bewog, die geistliche Berufung anzunehmen und mit knapp 21 Jahren ihre geliebte Insel und alle, die ihr teuer waren, zu verlassen, um, der Stimme des göttlichen Bräutigams folgend, in das Kloster der Trappistinnen einzutreten. 5. Gerade diese ihre Bekehrung zu Gott, dieses Verlangen nach Einheit in der Liebe sind die Voraussetzungen und gleichsam der fruchtbare Boden, in den der Herr im gegebenen Augenblick die Berufung zur restlosen Hingabe für die Brüder senkt. Die Versuchung des christlichen Horizontalismus Die Aufopferung ihres Lebens für die Einheit, die ihr der Herr während der Weltgebetswoche 1938 - also während dieser Tage vor 45 Jahren -eingibt und die er als Liebesopfer offensichtlich gern annimmt, ist nicht der Anfang, sondern der Zielpunkt des geistlichen Wettlaufs der jungen Athletin. Der errungenen Einheit mit der Stimme Gottes entspringt die Einladung des Heiligen Geistes, sich den Brüdern zu öffnen. Die Entdeckung der Vertikale, der Absolutheit Gottes ist es, die die Probleme der Welt sinnvoll und die horizontale Öffnung dringend und wirksam werden läßt. Es ist dies ein heute mehr denn je kostbarer Hinweis auf die verbreitete Versuchung des christlichen Horizontalismus, der vom Streben nach dem Höchsten absieht; ein Hinweis auf die Versu- 745 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chung des „Psychologismus“, der die geheimnisvolle Gegenwart und das unerwartete Wirken der Gnade ignoriert; ein Hinweis auf einen Aktivismus, der von irdischen Zielen ausgeht und nur in ihnen ihren Endpunkt hat; ein Hinweis auf eine Verbrüderung, die darauf verzichtet, sich an der gemeinsamen Vaterschaft Gottes zu inspirieren. Von diesen Voraussetzungen ausgehend, wird die heroische Tat von Sr. Maria Gabriella zu einem großen ekklesialen Ereignis. Gerade weil sie von einer sublimen, unablässigen Bekehrung vom Vater ausgeht, ist es ihr möglich, für die Mitmenschen aufgeschlossen zu sein, sich in den gekreuzigten Christus hineinzuversetzen, und das auf eine Art, die historischen Wert und ökümenische Dimensionen annimmt. All das ruft in uns nicht nur Bewunderung und Verehrung hervor, sondern veranlaßt uns, nachzudenken, nachzuahmen, zu leiden und vor allem zu beten, auf daß unser Weg der Bekehrung immer tiefer in Christus Wurzeln fasse. So wird die selige Maria Gabriella Sagheddu, die den Namen des Verkündigungsengels und den der auf ihn lauschenden Jungfrau trägt, zum Zeichen der Zeit und zum Vorbild jenes „geistlichen ökumenismus“, zu dem das Konzil aufgerufen hat. Sie ermutigt uns, über alle unserem Menschsein eigenen, unvermeidlichen Schwierigkeiten hinweg mit Optimismus auf das großartige Ziel der christlichen Einheit zu blicken, deren Fortschritt an den immer tieferen Wunsch der Bekehrung zu Christus verbunden ist, damit sein sehnsüchtiges Verlangen wirksam werde: Alle sollen eins sein! Ja, o Herr, mögen wir bald alle eins werden. Das erfleht von dir, gemeinsam mit uns, die neue Selige, die im Feuer dieses deines göttlichen Sehnens in freudiger Hingabe ihr junges Leben verzehrte. Alle . . . eins. Amen. 746 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sacrae disciplinae leges Apostolische Konstitution zur Promulgation des neuen kirchlichen Gesetzbuches (25. Januar) An die ehrwürdigen Brüder Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe, Presbyter, Diakone und alle Mitglieder des Gottesvolkes! Die katholische Kirche pflegte im Laufe der Zeit die Gesetze der kirchlichen Lebensordnung zu revidieren und zu erneuern, damit diese bei steter Wahrung der Treue gegenüber ihrem göttlichen Stifter in geeigneter Weise der ihr anvertrauten Heilssendung entsprechen. Von eben diesem Vorsatz geleitet, erfülle ich endlich die Erwartung der ganzen katholischen Welt und verfüge heute, am 25. Januar 1983, die Veröffentlichung des revidierten Kodex des kanonischen Rechts. Während ich das tue, denke ich zurück an jenen 25. Januar des Jahres 1959, an dem mein Vorgänger seligen Angedenkens, Johannes XXIII., zum ersten Mal öffentlich seinen Entschluß zur Reform des gültigen kirchlichen Gesetzbuches bekanntgab, das zu Pfingsten des Jahres 1917 promulgiert worden war. Diese Entscheidung zur Revision des kirchlichen Gesetzbuches wurde zusammen mit zwei anderen Entscheidungen getroffen, von denen dieser Papst ebenfalls an jenem Tag gesprochen hat; sie betrafen die Absicht, eine Synode der Diözese Rom abzuhalten und ein Ökumenisches Konzil einzuberufen. Während das erste dieser Ereignisse die Revision des Kodex nicht berührte, so ist dagegen das zweite, nämlich das Konzil, von höchster Bedeutung für unser Thema und aufs engste mit ihm verknüpft. Wenn man sich fragt, warum Johannes XXIII. deutlich die Notwendigkeit gespürt habe, die Reform des geltenden Gesetzbuches zu veranlassen, wird man die Antwort vielleicht in dem 1917 erlassenen Kodex des kanonischen Rechts selbst finden. Doch es gibt noch eine andere und zugleich entscheidende Antwort: daß nämlich die Reform des Kirchenrechts vom Konzil selbst, das der Kirche die meiste Aufmerksamkeit gewidmet hatte, durchaus gewollt und sogar gefordert zu sein schien. Wie es sich nach der ersten Ankündigung der Revision des kirchlichen Gesetzbuches zeigte, war das Konzil ein ganz und gar auf die Zukunft hin ausgerichtetes Vorhaben. Hinzukommt, daß seine lehramtlichen Dokumente und insbesondere seine Lehre über die Kirche in den Jahren 1962—1965 auszuarbeiten waren; doch jeder sieht, daß die Intuition Johannes’ XXIII. richtig war, und man darf mit Recht sagen, daß seine Entscheidung auf lange Sicht hin für das Wohl der Kirche Sorge trug. 747 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Deshalb erfordert der neue Kodex, der heute veröffentlicht wird, notwendigerweise die vorausgehende Arbeit des Konzils; und obwohl er zugleich mit jener ökumenischen Versammlung angekündigt worden ist, folgt er ihr doch zeitlich in beträchtlichem Abstand nach, weil die Vorbereitungsarbeiten, die sich ja auf das Konzil stützen mußten, erst nach dessen Abschluß beginnen konnten. Wenn ich heute an den Ausgangspunkt jenes Weges, also an den 25. Januar 1959, und an Johannes XXIII., den Initiator der Revision des kirchlichen Gesetzbuches, zurückdenke, so muß ich bestätigen, daß dieser Kodex nur dem einen Vorsatz entsprungen ist, nämlich, das christliche Leben zu erneuern; und aus diesem selben Vorsatz bezog die gesamte Konzilsarbeit ihre Richtlinien und ihren Verlauf. Wenn wir jetzt Natur und Ablauf der Arbeiten, die der Promulgierung des neuen kirchlichen Gesetzbuches vorausgegangen sind, und die Art, wie diese Arbeiten hauptsächlich während der Pontifikate Pauls VI. und Johannes Pauls I. und danach bis zum heutigen Tag durchgeführt wurden, betrachten, muß mit aller Klarheit betont werden, daß diese Arbeiten in ausgesprochen kollegialem Geist zu Ende geführt wurden; und das trifft nicht nur auf die äußere Redaktion des Werkes zu, sondern gilt auch zutiefst für die Substanz der erarbeiteten Gesetzes selbst. Dieses Merkmal der Kollegialität, durch das sich der Entstehungsprozeß dieses Kodex in hervorragender Weise auszeichnet, entspricht vollkommen der Lehre und dem Charakter des Zweiten Vatikanischen Konzils. Und deshalb läßt der Kodex nicht nur aufgrund seines Inhalts, sondern schon am Beginn deutlich den Geist dieses Konzils erkennen, in dessen Dokumenten die Kirche, das „allumfassende Heilssakrament“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 9, 48), als Volk Gottes dargestellt wird und ihr hierarchisches Gefüge auf das Kollegium der Bischöfe zusammen mit ihrem Haupt gegründet erscheint. Aus diesem Grund erging also an die Bischöfe und Bischofskonferenzen die Einladung zur Mitarbeit an der Vorbereitung des neuen Kodex, damit auf einem so langen Weg in möglichst kollegialer Weise allmählich die Rechtsformeln heranreifen würden, die dann der ganzen Kirche zum Gebrauch dienen sollten. In sämtlichen Phasen dieses Unternehmens nahmen denn auch Experten an den Arbeiten teil, das heißt hervorragende Fachgelehrte der Theologie, der Geschichte und vor allem des kanonischen Rechts, die aus allen Teilen der Welt berufen wurden. Ihnen allen möchte ich heute das Gefühl meiner herzlichen Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Da stehen zunächst vor meinen Augen die Gestalten der verstorbenen 748 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kardinäle, die die Vorbereitungskommission geleitet haben: Kardinal Pietro Ciriaci, der das Werk begonnen hat, und Kardinal Pericle Fehei, der viele Jahre hindurch den Gang der Arbeiten beinahe bis zu ihrem Abschluß geleitet hat. Sodann denke ich an die Sekretäre dieser Kommission: an den hochwürdigsten Msgr. und späteren Kardinal Giacomo Violardo und an P. Raimondo Bidagor aus der Gesellschaft Jesu, die beide zur Erfüllung dieser Aufgabe die Gaben ihrer Gelehrsamkeit und ihrer Weisheit in reichem Maße einbrachten. Zusammen mit ihnen gedenke ich der Kardinäle, Erzbischöfe, Bischöfe und aller Mitglieder jener Kommission sowie der Berater der einzelnen Studiengruppen, die in diesen Jahren für eine so anspruchsvolle Arbeit herangezogen wurden und die Gott inzwischen in die Ewigkeit abberufen hat. Für sie alle steigt mein Fürbittgebet zu Gott empor. Aber ich will auch der Lebenden gedenken, allen voran des derzeitigen Pro-Präsidenten der Kommission, des ehrwürdigen Bruders Msgr. Rosa-lio Castillo Lara, der lange Jahre in einem so wichtigen Amt hervorragende Arbeit geleistet hat; und nach ihm des geliebten Sohnes Willy Onclin, Priester, der mit seinem unermüdlichen Fleiß und seiner Gewissenhaftigkeit viel zum glücklichen Abschluß des Werkes beigetragen hat, und aller übrigen, die in dieser Kommission, sei es als Kardinalsmitglieder, sei es als Offizialen, Konsultoren und Mitarbeiter in den Studiengruppen oder in anderen Gremien, ihre höchst wertvollen Beiträge zur Ausarbeitung und Fertigstellung eines so gewaltigen und umfassenden Werkes geleistet haben. Wenn ich also heute den Kodex promulgiere, bin ich mir voll bewußt, daß dieser Akt Ausdruck meiner päpstlichen Autorität und Vollmacht ist und darum sozusagen Primatscharakter hat. Ich bin mir jedoch ebenso bewußt, daß dieser Kodex, was seinen Inhalt betrifft, die kollegiale Sorge aller meiner Brüder im Bischofsamt um die Kirche widerspiegelt; ja, aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit mit dem Konzil muß dieser Kodex als Frucht der kollegialen Zusammenarbeit angesehen werden, die aus dem Zusammenfluß der in der ganzen Kirche verstreuten Kräfte von Experten und Spezialinstituten entstanden ist. Da stellt sich nun die zweite Frage, was denn der Kodex des kanonischen Rechtes eigentlich ist. Um diese Frage richtig zu beantworten, muß man im Geist jenes ferne Rechtserbe wieder hervorholen, das in den Büchern des Alten und des Neuen Testaments enthalten ist und in dem die gesamte juridisch-gesetzgeberische Überlieferung der Kirche gleichsam als erster Quelle ihren Ursprung hat. Denn der Herr Christus hat das reiche Erbe des Gesetzes und der 749 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Propheten, das durch die Geschichte und Erfahrung des Gottesvolkes im Alten Testament allmählich gewachsen war, keineswegs aufgehoben, sondern erfüllt (vgl. Mt5,17), so daß es sich in neuer und vertiefter Weise auf das Erbe des Neuen Testaments erstreckte. Obwohl also der hl. Paulus bei der Auslegung des Ostergeheimnisses lehrt, daß die Rechtfertigung nicht durch die Werke des Gesetzes, sondern durch den Glauben erfolgt (vgl. Röm 3, 28; vgl. Gal 2, 16), schließt er die verpflichtende Kraft des Dekalogs nicht aus (vgl. Röm 13, 8-10; vgl. Gal 5, 13-25; 6, 2) noch leugnet er die Bedeutung der Disziplin in der Kirche Gottes (vgl. 1 Kor, Kap 5 u. 6). So lassen uns die Schriften des Neuen Testaments noch viel besser die eigentliche Bedeutung der Disziplin begreifen und uns besser verstehen, daß sie aufs engste mit dem Heilscharakter des Evangeliums verbunden ist. Unter diesen Umständen scheint es hinreichend klar, daß es keinesfalls das Ziel des Kodex ist, im Leben der Kirche den Glauben, die Gnade, die Charismen und vor allem die Liebe zu ersetzen. Im Gegenteil, Ziel des Kodex ist es vielmehr, der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und dem Charisma den Vorrang einräumt und zugleich ihren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert. Als das vorrangige gesetzgeberische Dokument der Kirche, das sich auf das juridische und gesetzgeberische Erbe der Offenbarung und der Überlieferung stützt, ist der Kodex als unerläßliches Instrument anzusehen, mit dessen Hilfe die erforderliche Ordnung im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben wie in der Leitung der Kirche selbst sichergestellt wird. Deshalb muß der Kodex außer den grundlegenden, von ihrem göttlichen Stifter eingesetzten und auf der apostolischen oder einer anderen ganz alten Überlieferung fußenden Elementen der hierarchischen und organischen Struktur der Kirche und außer den wichtigsten Normen zur Ausübung des dreifachen der Kirche übertragenen Dienstamtes auch einige Regeln und Verhaltensnormen definieren. Das Instrument, das der Kodex ist, entspricht voll dem Wesen der Kirche, wie es vom Lehramt des Zweiten Vatikanischen Konzils ganz allgemein und besonders in seiner Ekklesiologie dargestellt wird. Ja, dieser neue Kodex kann gewissermaßen als ein großes Bemühen aufgefaßt werden, die Ekklesiologie des Konzils in die Sprache des Kirchenrechts zu übersetzen. Wenn es auch unmöglich ist, das von der Lehre des Konzils gezeichnete Bild der Kirche vollkommen in die kanonistische Sprache zu übertragen, so muß der Kodex doch immer in diesem Bild, soweit das möglich ist, seinen festen Bezugspunkt haben. 750 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daraus entspringen einige grundlegende Richtlinien, von denen der neue Kodex als ganzer bestimmt wird, sowohl was seinen spezifischen Inhalt als die damit zusammenhängende Sprache angeht. Ja, man kann sagen, daß daraus auch jenes Wesensmerkmal herrührt, aufgrund dessen der Kodex als Vervollständigung der vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgestellten Lehre angesehen wird, insbesondere was die dogmatische und die Pastoralkonstitution betrifft. Daraus folgt, daß jenes grundlegende Neue, das, ohne jemals von der gesetzgeberischen Tradition der Kirche abzuweichen, im Zweiten Vatikanischen Konzil zu finden ist - besonders, was seine Ekklesiologie betrifft -, auch das Neue am neuen Kodex ausmacht. Von den Elementen aber, die das wahre und besondere Bild der Kirche zum Ausdruck bringen, seien vor allem folgende erwähnt: die Lehre, durch die die Kirche als das Volk Gottes (vgl. Lumen gentium, Nr. 2) und die hierarchische Autorität als Dienst dargestellt wird (vgl. ebd., Nr. 3); außerdem die Lehre, die die Kirche als Gemeinschaft ausweist und daher die notwendigen Beziehungen festsetzt, die zwischen den Teilkirchen und der Universalkirche und zwischen Kollegialität und Primat bestehen müssen; ebenso die Lehre, nach der alle Glieder des Gottesvolkes, jedes auf seine Weise, an dem dreifachen, dem priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi teilhaben. Mit dieser Lehre verbunden ist jene über die Pflichten und Rechte der Gläubigen und insbesondere der Laien; und schließlich der Einsatz, den die Kirche für den Ökumenismus aufbringen muß. Wenn also das Zweite Vatikanische Konzil aus dem Schatz der Überlieferung Altes und Neues hervorgeholt hat und seine Neuheit in diesen und anderen Elementen besteht, dann ist es offenkundig, daß auch der Kodex das charakteristische Merkmal der Treue in der Neuheit und der Neuheit in der Treue widerspiegeln und sich ihm in seinem Inhalt und seiner spezifischen Ausdrucksweise gemäß anpassen mußte. Der neue Kodex des kanonischen Rechts tritt zu einem Zeitpunkt an die Öffentlichkeit, da die Bischöfe der ganzen Kirche seine Promulgation nicht nur gefordert, sondern geradezu dringend und ungeduldig verlangt haben. Und der Kodex des kanonischen Rechts wird in der Tat von der Kirche dringend benötigt. Denn weil auch sie nach Art eines sozialen und sichtbaren Gefüges gestaltet ist, braucht sie Normen, Gesetze, damit ihre hierarchische und organische Struktur sichtbar wird; damit die Ausübung der ihr von Gott übertragenen Ämter und Aufgaben, insbesondere die der kirchlichen Gewalt und der Verwaltung der Sakramente, ordnungsgemäß 751 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wahrgenommen wird; damit die gegenseitigen Beziehungen der Gläubigen in einer auf Liebe fußenden Gerechtigkeit gestaltet werden, wobei die Rechte der einzelnen gewährleistet und festgesetzt sind; damit schließlich die gemeinsamen Initiativen, die unternommen werden, um das christliche Leben immer vollkommener zu führen, durch die kanonischen Bestimmungen unterstützt, gestärkt und gefördert werden. SchließÜch müssen die Gesetze des Kirchenrechts ihrer juridischen Natur entsprechend beachtet werden; darum wurde möglichst große Sorgfalt darauf verwandt, bei der langen Vorbereitung des Kodex die Formulierung der Normen klar zu definieren und diese selbst auf ein solides juridisches, kanonisches und theologisches Fundament zu gründen. Nach all diesen Überlegungen darf man wohl wünschen, daß die neue Kirchengesetzgebung sich als wirksames Instrument erweist, mit dessen Hilfe die Kirche sich selbst entsprechend dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils vervollkommnen kann und sich als immer geeigneter für die Erfüllung ihres Heilsauftrages in dieser Welt erweist. Diese Überlegungen möchte ich voll Zuversicht allen anvertrauen, während ich dieses wichtigste Werk der kirchlichen Gesetzgebung für die lateinische Kirche promulgiere. Gebe Gott, daß die Freude und der Friede, die Gerechtigkeit und der Gehorsam diesen Kodex empfehlen und daß die vom Haupt getroffenen Anordnungen von den Gliedern beachtet werden. Im Vertrauen auf die Hilfe der göttlichen Gnade, gestützt auf die Autorität der hl. Apostel Petrus und Paulus, in der Gewißheit und mit dem Wunsch, daß die Bischöfe der ganzen Welt, die in kollegialer Gesinnung mit mir zusammengearbeitet haben, ihre Zustimmung geben, promulgiere ich aufgrund jener höchsten Vollmacht, die ich bekleide, mit dieser von jetzt ab für immer gültigen Konstitution den vorliegenden Kodex, so wie er geordnet und revidiert wurde. Ich verfüge, daß er in Zukunft für die gesamte lateinische Kirche Rechtskraft besitzt, und vertraue der wachsamen Aufsicht aller Verantwortlichen, daß er beobachtet wird. Damit aber alle diese Gesetzesvorschriften einsehen und gründlich studieren können, ehe sie rechtskräftig werden, erkläre und verfüge ich, daß sie vom ersten Adventssonntag 1983 an verbindliche Rechtskraft erhalten. Das auch im Fall von gegenteiligen Anordnungen, Erlässen, Privilegien (auch wenn diese besonderer und eigener Erwähnung wert wären) oder Gewohnheiten. Ich fordere daher alle geliebten Söhne und Töchter auf, die gegebenen Normen mit aufrichtigem Herzen und gutem Willen zu beobachten, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß der Kirche eine neue Disziplin erblühe 752 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und damit auch die Rettung der Seelen unter dem Schutz der seligsten Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche, gefördert werde. Gegeben zu Rom, am 25. Januar 1983, im Apostolischen Palast, im fünften Jahr meines Pontifikats. JOANNES PAULUS PP. II „ ... wenn er nicht in dir geboren wird“ Gebet für Polen am 26. Januar Mutter von Jasna Göra! Sechs Jahrhunderte hindurch bist Du in dem von uns so sehr geliebten Gnadenbild gegenwärtig und scheinst uns sagen zu wollen: „Nehmt meinen Sohn und sein Wort nicht als Menschenwort an, sondern - was es in Wahrheit ist - als Wort Gottes, das in euch Gläubigen wirksam ist“ (vgl. 1 Thess 2, 13). So scheinst Du, Mutter, zu uns zu sprechen. Und das Wort, das in uns Gläubigen wirksam ist, kommt von Deinem Sohn. Er ist das ewige Wort, das Wort, das in dem schweigenden und lebendigen Glanz Deiner Mutterschaft zu uns kommt. Es ist das Wort von Weihnachten, das so tiefen Widerhall in den Herzen der Polen findet. Es ist das Wort von Weihnachten, das seit Jahrhunderten in unseren polnischen Weihnachtsliedern erklungen ist und weiter erklingt. Welcher Reichtum an Gehalt und Melodie! Welcher Reichtum an Gedanken und Gefühlen! Mickiewicz (ein polnischer Dichter) hat geschrieben: „Du glaubst, daß Gott im Stall zu Betlehem geboren ist, aber wehe, wenn er nicht in dir geboren wird!“ Während in der Tradition des Volkes die Weihnachtszeit noch andauert, möchte ich heute mit dem Gesang aller unserer zahlreichen Weihnachtslieder zu Dir, Mutter von Jasna Göra, beten. Und dank dieser Lieder erblicken wir trotz der mannigfachen Dunkelheiten und Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt, in der Tiefe unserer Existenz weiter das Licht und spüren immer neu die Freude 753 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darüber, daß „das Wort Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (.Joh 1, 14). Wir wollen niemals aufhören, daraus geistliche Kraft zu schöpfen! „Gestalter der Sicherheit und Freiheit“ Ansprache an die Leiter und Teilnehmer des 61. Kurses der NATO-Verteidigungsakademie am 31. Januar Liebe Freunde! 1. Es ist mir eine Freude, heute die Teilnehmer des 61. Schulungskurses der NATO-Verteidigungsakademie hier begrüßen zu können. Eure Teilnahme an diesem Programm hat es euch ermöglicht, die grundlegenden Prinzipien und organisatorischen Strukturen eures Bündnisses zu studieren. Aber sie gab euch auch Gelegenheit, euch des wichtigsten Zieles zu erinnern, um dessentwillen dieses Bündnis geschlossen wurde - ein Ziel, das die Sehnsucht aller Männer und Frauen unserer Zeit zum Ausdruck bringt: der Aufbau eines wahren und dauerhaften Friedens. 2. Nun, da die Wochen des Studiums und der Reflexion für euch zu Ende gehen, seid ihr euch zweifellos mehr denn je der Nützlichkeit, ja der Notwendigkeit des Dialogs für eine fruchtbare Beziehung zwischen Einzelpersonen oder zwischen Vertretern verschiedener Nationen bewußt. Als Menschen, denen die Bewahrung des Friedens anvertraut ist, erfaßt ihr außerdem die Wichtigkeit des Themas, das ich für meine Botschaft anläßlich des diesjährigen Weltfriedenstages gewählt habe, nämlich: „Der Dialog für den Frieden - eine Forderung an unsere Zeit.“ Ja, eine Flaltung des Dialogs anzunehmen, ist wahrhaftig einer der wichtigsten Momente, um zu einem dauerhaften Frieden zu gelangen. Die geduldige Einführung der Mechanismen und Phasen des Dialogs überall dort, wo der Friede bedroht oder bereits gebrochen ist, stellt in der Tat ein alles überragendes Mittel für die Herstellung von Einheit und Harmonie unter den Völkern dar. 3. Wie ich in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag hervorgehoben habe, ist der Dialog für den Frieden keineswegs ein utopisches Ideal. Der Friede 754 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist eine grundlegende Sehnsucht des Menschen, die tief in der menschlichen Person verwurzelt ist. Als Mann der Hoffnung und als Christ vertraue ich auf unsere menschliche Fähigkeit, Vernunft zu beweisen und uns auf den brüderlichen Dialog einzulassen. Auf internationaler Ebene muß dem Dialog zwischen den Nationen die feste Überzeugung zugrunde hegen, daß das Wohl eines Volkes letztlich nicht gegen das Wohl eines anderen Volkes zu erreichen ist. Der Friede muß aus dem gegenseitigen Vertrauen zwischen den Nationen geboren, nicht aber ihnen von der Furcht vor den Waffen eines anderen auferlegt werden. 4. Während ich in diesem Sinne euch und eure Familien herzlich grüße, bitte ich Gott den Allmächtigen, euch die Kraft zu geben, beharrlich und mutig am Aufbau einer friedlichen Welt weiterzuarbeiten. Als Gestalter der Sicherheit und Freiheit im Auftrag eurer Nationen könnt ihr einen echten Beitrag zur Herstellung des Friedens leisten. Damit werdet ihr ein Werk der erhabensten Liebe zur Menschheit vollbringen. Gott segne euch und stehe euch bei dieser dringenden Aufgabe bei. „Ein Zeichen, dem widersprochen wird“ Predigt beim Gottesdienst in St. Peter am Fest der Darstellung des Herrn, 2. Februar 1. Heute ist das Fest der Darstellung des Herrn im Tempel. Darstellung Jesu, der „in allem seinen Brüdern gleich sein mußte“ (Hebr 2, 17). Gerade deshalb wird er am vierzigsten Tag nach seiner Geburt in Betle-hem wie jeder Erstgeborene in Israel im Tempel dargestellt. Diese, seiner Geburt zeitlich so nahestehende Darstellung trägt in gewissem Sinn auch schon die erste Ankündigung des Todes in sich, wie der Autor des Briefes an die Hebräer schreibt. Jesus wird „den Brüdern“ ähnlich durch die Darstellung im Tempel. Und er wird ihnen durch den Tod ähnlich werden, den er auf sich nimmt, „um durch seinen Tod den zu entmachten, der die Gewalt über den Tod hat, nämlich den Teufel“ (Hebr 2, 14). Die Darstellung im Tempel ist Ankündigung des Todes, aber auch erste Ankündigung des Sieges über den Tod. So zeichnet sich schon der 755 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausblick auf das Ostergeheimnis ab. Christus „nimmt sich der Nachkommen Abrahams an“ (Hebr 2, 16). 2. Er kommt in den Tempel von Jerusalem, ein Kind, von Maria und Josef auf den Armen getragen, am vierzigsten Tag nach der Geburt. Der so in den Tempel gebracht wird, ist zugleich der vom Propheten Maleachi Verkündete: der Herr, erwartet vom ganzen Gottesvolk. Und wenn auch niemand von den Anwesenden - außer Simeon und der Prophetin Anna -es weiß und bezeugt, so müßte doch im Augenblick seiner Ankunft der Psalm 23/24 erklingen, so wie er heute in der Liturgie gesungen wird: „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit. Wer ist der König der Herrlichkeit? Der Herr der Heerscharen, er ist der König der Herrlichkeit“ (Ps 23/24, 9-10). Dieser Psalm müßte aufklingen. Er ist gerade für diesen Augenblick geschrieben, für dieses Kommen. Der Tempel von Jerusalem mußte es wissen. Doch der Tempel schweigt, und der Psalm ertönt nicht. Nur Maria und Josef opfern gemäß dem Gesetz des Herrn „ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben“: das Opfer der Reinigung. In diesem Opfer kündigt sich ein „richtiges Opfer“ an (Mal 3, 3), dessen Darbringung das Volk Gottes eines Tages beginnen wird, gerade durch dieses Kind, das heute vierzig Tage alt ist. Ja, „darum mußte er in allem seinen Brüdern gleich sein, um ein barmherziger und treuer Hoherpriester vor Gott zu sein und die Sünden des Volkes zu sühnen“ (Hebr 2, 17). Wir feiern das Fest der Darstellung des Herrn. Weihnachten ist in ihm gegenwärtig, und zugleich eröffnet es schon den Ausblick auf Ostern. 3. Während der Tempel von Jerusalem schweigt, während nichts von dem Begrüßungspsalm für den Herrn der Heerscharen und den König der Herrlichkeit zu vernehmen ist, bitte ich euch, liebe Brüder und Schwestern, euch auf die Worte zu konzentrieren, die der greise Simeon bei dieser Gelegenheit sprach. Besonders euch, meine ehrwürdigen Brüder, die ihr heute zum ersten Mal als neue Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche in die Basilika des hl. Petrus gekommen seid, euch vor allem bitte ich heute, am Tag eurer Erhebung zur Kardinalswürde: Blickt mit den Augen Simeons auf Jesus im Geheimnis seiner Darstellung im Tempel. Ich bitte euch, nehmt auch ihr, wie er, dieses vierzig Tage alte Kind in eure Arme und sprecht, wie er, mit dem Glauben, der euer Herz wie damals 756 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Herz Simeons erfüllt: „Meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2, 30-32). Ja, meine Augen sehen dein Heil. Sie sehen in dir das Heil des Menschen und der Welt, Jesus Christus, geboren zu Betlehem, Erlöser des Menschen und der Welt! Meine Augen sehen das Heil in dir. Du bist die ganze Hoffnung meines Lebens, so, wie du die Hoffnung der Generationen Israels warst. Für dich habe ich bis jetzt gelebt - und für dich will ich auch in Zukunft leben. Du bist der Glaube, die Hoffnung und die Liebe meines Herzens, all meiner Werke, meiner Bestrebungen und Wünsche... 4. Ich bitte euch, meine ehrwürdigen und lieben Brüder in der Kardinalswürde, wiederholt, wie Simeon im Tempel von Jerusalem, mit ihm diese Wahrheit über Jesus Christus, die in der Geschichte der Menschheit seit jenem Tag nie aufgehört hat, wahr zu sein. Ich bitte euch, diese Wahrheit heute mit besonders bewegtem Herzen zu bekennen: die Wahrheit von der Darstellung des Herrn: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem widersprochen wird“ (Lk 2, 23). Ja, das ist die Wahrheit über Jesus Christus, die nie verjährt, nie ungültig geworden ist: ein Zeichen, dem widersprochen wird. In diesem Zeichen seid ihr von der römischen Kirche zu eurem Dienst als Kardinäle berufen worden. Dieses Zeichen wird in der Tradition der apostolischen Kirche in Verbindung mit dem Blut der Märtyrer sichtbar. Zusammen mit dieser Tradition ist es euch in besonderer Weise anvertraut. Selbst in der Farbe eurer Kleidung findet es seinen Ausdruck. 5. Die abschließenden Worte dieser aufrüttelnden Wahrheit über Jesus Christus als „Zeichen des Widerspruchs“ spricht der greise Simeon im Tempel von Jerusalem zu Maria, seiner Mutter. Er fügt, zu ihr gewandt, hinzu: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“, damit „die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ (vgl. Lk 2, 35). Wiederholt auch ihr, ehrwürdige und liebe Brüder, diese Wahrheit über Christus vor Maria, seiner Mutter. Vertraut ihr euren neuen Dienst in der Heiligen Römischen Kirche an. Vor allem zu ihr, zu Maria, die unter dem Kreuz stand, sprecht mit tiefster Aufrichtigkeit: Mögen vor dir, Mutter, immer die Gedanken meines Herzens ans Licht kommen, damit Gott in allem angebetet werde. 757 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Gott die Ehre! Seht, heute, am Fest der Darstellung des Herrn, verkündet die Liturgie die Herrlichkeit Gottes, die den Tempel von Jerusalem erfüllt, wenn der Herr in ihn einzieht. „Ihr Tore, hebt euch nach oben, hebt euch, ihr uralten Pforten; denn es kommt der König der Herrlichkeit“ (Ps 23/24, 7). „Ja, er kommt!... Doch wer erträgt den Tag, an dem er kommt? Wer kann bestehen, wenn er erscheint? Denn er ist wie das Feuer im Schmelzofen ..." (Mal 3, 1-2). Ehrwürdige und liebe Brüder! Von Herzen wünsche ich, daß sich durch eure Berufung zu dem neuen Dienst in der Kirche die Ehre Gottes auf der ganzen Erde ausbreite, daß der Tempel erfüllt werde von der Gegenwart dessen, auf den sich von Ewigkeit her seine Erwartung richtet, dessen, der Herr und Bräutigam der Kirche ist. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2, 32). Amen. „Bei euch suchen die Gläubigen Erleuchtung und Orientierung“ Ansprache beim öffentlichen Konsistorium in der Audienzhalle am 2. Februar 1. Mit besonderer Freude begrüße ich euch herzlich, ehrwürdige und liebe Mitbrüder, die ihr zu Mitgliedern des Heiligen Kollegiums der Kardinäle berufen worden seid, und spreche jedem einzelnen im Lichte des soeben verkündeten Gotteswortes meinen aufrichtigen Glückwunsch aus. Mit lebhafter Aufmerksamkeit habe ich die eindrucksvollen Worte vernommen, mit denen Seine Seligkeit Kardinal Antoine Pierre Khoraiche auch im Namen seiner Kollegen die Bedeutung und Wichtigkeit des großen Augenblicks, den wir erleben, hervorgehoben hat. In seinen Worten spürte ich die Leidenschaftlichkeit des Glaubens, der die maronitische Kirche beseelt. Diese hält weiter treu an den alten Überlieferungen fest, trotz der Leiden und Nöte, in die sie zusammen mit der ganzen libanesischen Nation hineingezogen ist. Sie steht meinem Herzen um so näher, je härteren Prüfungen sie ausgesetzt ist, und ich übersende ihr den Ausdruck meiner aufrichtigen Liebe und meiner steten Sorge. 758 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Respektvoll und herzlich möchte ich ferner die hohen Vertreter der Regierungen und zivilen Behörden begrüßen, die durch ihr Kommen die Freude der betreffenden Länder über die Aufnahme eines Sohnes ihrer Erde in das alte und angesehene Gremium der Mitarbeiter des Papstes bekunden. Mein Gruß gilt schließlich den Angehörigen der neuen Purpurträger, den Delegationen von Priestern und Gläubigen der einzelnen Kirchen, aus denen sie kommen, und allen, die sich in dieser Aula eingefunden haben, um euch, meine Herren Kardinäle, zu umringen und euch in festlicher Freude ihre Verbundenheit und Liebe zum Ausdruck zu bringen. 2. Diese Empfindungen finden in meinem Herzen lebhaften und tiefen Widerhall. Würde es mir eure Bescheidenheit nicht verbieten, geliebte Brüder, so würde ich nur allzugern Persönlichkeit, Werk und Verdienste eines jeden von euch skizzieren, um daraus einen Grund zur Dankbarkeit gegen Gott, des Trostes für die Kirche, der Erbauung für alle zu gewinnen. Unter euch befinden sich Bischöfe von Kirchen altehrwürdiger christlicher Traditionen; andere stehen Kirchen vor, die erst in neuerer Zeit gegründet wurden, aber durch die Zahl ihrer Gläubigen und ihr engagiertes Wirken bereits blühen. Unter euch sind Männer verschiedenen Alters: die einen reich an Verdiensten durch lange Jahre hingebender Liebe zur Kirche, die anderen in ihrer Sorge für das Wohl der Seelen voll Kraft, die die Jahre in keiner Weise gemindert haben. Während ich jedem einzelnen meine aufrichtige Anerkennung für den treuen Dienst ausspreche, den er in so vielen Jahren des Wirkens in den verschiedenen Bereichen kirchlicher Ämter für Christus geleistet hat, möchte ich diesen feierlichen Anlaß benutzen, um euch, geliebte Väter, meinen Dank für die Bereitwilligkeit auszudrücken, mit der ihr dem Eintritt in jenes „besondere Kollegium“ zugestimmt habt, dem der soeben veröffentlichte Kodex des Kirchenrechtes die Aufgabe zuschreibt, dem Papst sowohl bei der Behandlung und Bewältigung der „quaestiones maioris momenti“ - (der wichtigeren Probleme) als auch bei der Erfüllung der mit der „cura cottidiana universae Ecclesiae“ (der „täglichen Sorge für die Gesamtkirche“) verbundenen Aufgaben zu helfen (vgl. can. 349). 3. Diese Aufgabe reicht mit ihren Wurzeln in eine ehrwürdige Tradition zurück. Denn im Kardinalskollegium lebt das alte „presbyterium“ des Bischofs von Rom fort, dessen Mitglieder in den Kirchen der Diözese des 759 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Papstes pastorale und liturgische Funktionen ausübten, aber ihm auch ihre Mitarbeit bei jenen anderen Verantwortlichkeiten anboten, die er als Nachfolger des Petrus gegenüber der ganzen Kirche wahrzunehmen hatte. Diese Mitarbeit bei der Erfüllung der wichtigsten Aufgaben des Papstes wurde im Laufe der Zeit bekanntlich vorherrschend: Die Mitglieder des Kardinalskollegiums sahen sich immer dringender dazu gerufen, dem Papst mit einer Fülle von Leistungen beizustehen, deren Ziel und Zweck der Ritus der Überreichung des Biretts eindrucksvoll in die Formel zusammenfaßt: „Pro incremento christianae fidei, pace et quiete populi Dei, libertate et diffusione sanctae Romanae Ecclesiae“ (zur Vermehrung des christlichen Glaubens, für Frieden und Ruhe des Gottesvolkes, für die Freiheit und Ausbreitung der Heiligen Römischen Kirche). Mit der fortschreitenden Durchsetzung dieser universalistischen Funktion des Kardinalskollegiums empfand man es als notwendig, dessen tatsächliche Zusammensetzung diesem Zweck immer besser anzupassen und dafür Sorge zu tragen, daß ihm soweit wie möglich Vertreter der verschiedenen Völker der Erde, die die Verkündigung des Glaubens erreicht hat, angehörten. Das haben vor allem die Päpste der jüngsten Zeit getan. Darum habe auch ich mich sowohl im Konsistorium von 1979 wie im gegenwärtigen Konsistorium bemüht und Männer aus allen Erdteilen zur Kardinalswürde berufen. Mit eurer heutigen Erwählung, ehrwürdige und geliebte Brüder, wird das Heilige Kollegium nicht nur um Männer bereichert, die sich durch Wissen und Tugend auszeichnen; es wird darüber hinaus zu einem immer leuchtenderen Bild der Einheit und Katholizität der Gemeinschaft der Gläubigen und zugleich der Vielfalt ihrer Dienstämter. Und da jeder von euch durch die Übernahme seiner Titelkirche irgendwie zum Klerus dieser Di özese gehört, kann man sagen, daß auch auf diese Weise die Kirche von Rom ihr katholisches Offensein für die Welt bekundet. Mit anderen Worten, in euch, die ihr oft aus sehr fernen Kirchen kommt, beweist diese besondere Gemeinschaft um den Nachfolger Petri in höchst ausdrucksvoller Form ihre universale Reichweite. Das Kardinalskollegium erscheint so als bedeutungsvolle Ausdrucksform kirchlicher Gemeinschaft, die die Teilkirchen mit dem Stuhl Petri verbindet, „welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (Lumen gentium, Nr. 13). 760 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Das aussprechen heißt, die schwere Verantwortung hervorheben, die auf jedem von euch, ehrwürdige, liebe Brüder, lastet. Für euch gilt ganz besonders die Verpflichtung, die vom Apostel Petrus in dem Briefabschnitt, den wir gerade vorhin gehört haben, unterstrichen wird: Ihr müßt „als Hirten für die euch anvertraute Herde Gottes sorgen“; ihr müßt sie leiten, indem ihr euch zu „Vorbildern für die Herde“ macht; ihr müßt sie gegen Angriffe des „Widersachers“ verteidigen, indem ihr Widerstand „in der Kraft des Glaubens“ leistet (vgl. 1 Petr 5, 2 ff.). Denn das Volk Gottes blickt auf euch als auf sichere Bezugspunkte; bei euch suchen die Gläubigen und selbst die Bischöfe der über die ganze Welt verstreuten Teilkirchen Erleuchtung und Orientierung, um die Gemeinschaft mit dem römischen Stuhl tiefer auszuprägen. Ist etwa die Mahnung in dem feierlichen Ritus, den wir hier begehen, keine Anspielung auf diese Verantwortung: „Te intrepidum exhibere debeas“ (du mußt dich als unerschrocken erweisen)? Und haben wir nicht einen deutlichen Hinweis auf die mit der Ausübung einer solchen Verantwortung verbundenen Gefahren im Anspielen auf eine Treue „usque ad sanguinis effusionem“ (bis zum Vergießen des eigenen Blutes)? Wenn aber das Bewußtsein eurer mit so außerordentlichen Auswirkungen verbundenen Würde, zu der ihr heute erhoben worden seid, in eurem Herzen, geliebte Brüder, Angst hervorrufen sollte, so möge euch das beruhigende Wort des göttlichen Meisters helfen: „Bei euch aber sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt. Fürchtet euch also nicht!“ {Mt 10, 30-31). Christus ist bei euch: Dies ist das gesunde Fundament für eure Zuversicht. Geht sicher euren Weg in seinem Namen, indem ihr in euch die Gesinnung dauernder Gemeinschaft und Verbundenheit mit dem nährt, der auf Erden sein demütiger Stellvertreter ist. Euer Vorbild soll Erbauung und Ansporn für die ganze Kirche sein, die auf Erden „miteinander betet und arbeitet, daß die Fülle der ganzen Welt in das Volk Gottes eingehe, in den Leib des Herrn und den Tempel des Heiligen Geistes, und daß in Christus, dem Haupte aller, jegliche Ehre, und Herrlichkeit dem Schöpfer und Vater des Alls gegeben werde“ {Lumen gentium, Nr. 17). Euch und den eurer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen erteile ich meinen Apostolischen Segen. Der Papst hatte seine Ansprache in Italienisch begonnen und fuhr dann in Französisch fort: In Christus geliebte Brüder und Schwestern! Ihr habt gehört, daß ich den neuen Kardinälen meine Gefühle großer, von 761 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tiefem Vertrauen und brüderlicher Liebe geprägter Wertschätzung zum Ausdruck brachte, daß ich sie jedoch aus ganzem Herzen ermutigte, tapfere und demütige Diener Christi und seiner Kirche zu sein. Es liegt mir ebenso daran, euch herzlich zu begrüßen, euch, die ihr in Gruppen oder einzeln - als Angehörige derselben Diözese, als Brüder im Glauben, als Landsleute oder Freunde - gekommen seid, um sie am Tag ihrer offiziellen Aufnahme in das Kardinalskollegium zu umstehen. Ich bitte Gott, daß dieses Ereignis der Kirche für jeden von euch ein neuer Grund zu Freude, Frieden, Hoffnung nach dem Evangelium sein und eure persönlichen und gemeinsamen geistlichen Kräfte anspornen möge zu einem besseren Dienst an dieser Kirche, die Christus zum Heil aller Völker gegründet hat. Auf englisch sagte der Papst: Es ist mir eine Freude, die englischsprechenden Einzelpersonen und Delegationen, die zu diesem Konsistorium nach Rom gekommen sind, zu begrüßen. Ich danke euch für die Ehre, die ihr den neuen Kardinälen erwiesen habt, und die Achtung, die ihr der wichtigen Rolle entgegenbringt, die im Dienst der Universalkirche auszuüben sie berufen sind. Insbesondere versichere ich alle Vertreter der verschiedenen Ortskirchen meiner Nähe im Gebet und in der Liebe unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus. Auf spanisch sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch alle hier Anwesenden spanischer Sprache, besonders die Angehörigen und Freunde der neuen Kardinäle, sowie die Delegationen ihrer Länder. In Gefühlsverbundenheit mit den Mitgliedern des Heiligen Kollegiums erfahrt ihr heute auch an euch das unermeßliche Glück derer, die wahrhaft und aufs engste mit der Gesamtkirche verbunden sind. Möge diese Einheit in dem Glauben und der Liebe, die aus dem Herzen Christi, des Erlösers, fließen, weiter jetzt und immer alle Augenblicke eures Daseins beseelen. Auf deutsch sagte der Papst: Herzlich begrüße ich auch alle, die den neuen Kardinal von Berlin hierher begleitet haben, um ihm ihre frohe Anteilnahme zum Ausdruck zu bringen und in dieser festlichen Stunde als Vertreter ihrer Heimat an der Freude der ganzen Kirche teilzunehmen. Möge die Verbundenheit mit Rom, dem sichtbaren Zentrum der Einheit der Kirche, wie den neuen Kardinälen so auch euch Quelle von Kraft und Zuversicht im Glauben sein! 762 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf portugiesisch sagte der Papst: Herzliche Grüße an alle Anwesenden portugiesischer Sprache, insbesondere an jene, die dem neuen Kardinal von Angola die Ehre erweisen, an alle Freunde, die ihn umgeben, und an jene, die ihm in der Ferne, in seiner Heimat, in dieser Stunde nahe sind. Es ist eine Stunde der Freude, besonders für die Kirche in Angola, eine Stunde des Dankes und des Rufs Christi, des Erlösers des Menschen: das Geschenk des Glaubens auf den Wegen der menschlichen und christlichen Liebe in der Gemeinschaft der universalen Kirche zu leben und zu bezeugen. Gott segne euch! Auf polnisch sagte der Papst: Einen herzlichen Gruß richte ich in diesem besonderen Augenblick an die anwesenden polnischen Kardinäle und Bischöfe und an alle Polen. Durch sie soll dieses Wort an die ganze Kirche in Polen gehen, die meinem Herzen so teuer ist, und darüber hinaus an alle meine Landsleute. Ich bitte euch, nehmt diese Erhebung des polnischen Bischofs, des Primas von Polen, zur Kardinalswürde als Anerkennung für jeden Beweis der Treue in der Kirche zu Gott und zum Menschen in unserem Land. Das Kardinalskollegium — „ein Bild für die Einheit selbst“ Ansprache beim geheimen Konsistorium im Konsistoriensaal am 2. Februar Ehrwürdige und geliebte Brüder, Kardinäle der Heiligen Römischen Kirche! Es ist für mich ein Anlaß zu großer Freude, daß ich euch heute, am Fest der Darstellung des Herrn, der „das Licht der Welt“ ist (Joh 8, 12), alle hier im vatikanischen Palast begrüßen kann. In jüngster Vergangenheit kam es bereits öfter vor, daß die Mitglieder des Heiligen Kollegiums zu einer Versammlung einberufen wurden; dadurch wird die Bedeutung dieses ehrwürdigen Instituts gesteigert und mir wertvolle Hilfe bei der Bewältigung der schwierigen Aufgaben zum Wohl der Kirche geboten. Das jetzige Konsistorium ist ja gleichfalls ein Ereignis von nicht geringer 763 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung im Leben der Kirche: denn es werden Kardinäle kreiert, die nun in euer Kollegium aufgenommen werden sollen. Denn „das Konsistorium ist - um die Worte meines Vorgängers seligen Andenkens, Paul VI., zu gebrauchen - gewiß ein besonders wichtiger und feierlicher Augenblick“ (Ansprache vom 24. Mai 1976: AAS 58, 1976, 270; Wort und Weisung, 1976, S. 258). Dessen ist sich die ganze katholische Familie bewußt, die an dieser Versammlung teilnimmt; warum sollten nicht auch die Meinungen vieler anderer damit übereinstimmen. Sodann fällt dieses Konsistorium in einen besonderen Augenblick der Kirche, in dem ihr bedeutsames pastorales Wirken, das sich auf alle erstreckt, die sich katholisch nennen, leuchtend sichtbar wird: vor kurzem ist, wie ihr wißt, aus Anlaß der vor 1950 Jahren erfolgten Erlösung des Menschengeschlechts ein allgemeines Jubiläumsjahr angekündigt worden; und vor wenigen Tagen ist der neue Codex Juris Canonici herausgekommen, ein fürwahr großes Werk, das sich bereits Johannes XXIII. vorgenommen hatte und an dem nun lange gearbeitet wurde. Ich bezweifle nicht, daß ihr viel Mühe darauf verwenden werdet, damit dieses Unternehmen, dem es um nichts anderes als um die Erneuerung und Stärkung der Kirche geht, sein heilbringendes Ziel erreicht. Die Kardinäle sind nicht nur durch einen besonderen Ehrentitel mit diesem Römischen Stuhl verbunden und sind die wichtigsten Berater und Mitarbeiter dessen, der dem hl. Petrus im apostolischen Dienstamt nachfolgt, sondern gleichsam auch ein Bild für die Einheit der Kirche selbst, da sie ja „in kollegialer Gesinnung“ (Lumen gentium, Nr. 23) unter ihrem sichtbaren Oberhaupt eingesetzt wurden. Außerdem wird am Heiligen Kollegium das der katholischen Kirche, die nach dem Willen ihres Stifters die ganze Welt umfassen soll (vgl. Mt 16, 15), eigene Merkmal der Universalität sichtbar: denn die Mitglieder dieses Kollegiums werden aus allen Kontinenten zu ihrer hohen Aufgabe und Würde berufen. Dieser charakteristische Wesenszug der Universalität tritt auch im heutigen Konsistorium zutage, weil die Mitglieder, die in das höchste Gremium der Kirche aufgenommen werden, aus Afrika, Amerika, Asien, Europa und Ozeanien berufen wurden. Unter ihnen befinden sich nicht nur Bischöfe von Sitzen, die sich durch alte katholische Tradition auszeichnen, sondern auch Bischöfe junger Kirchen, wie Abidjan, Bangkok, Lubango. Mit großer Liebe und Hochachtung blicken wir alle auf diese neuen Zweige „des grünenden, an Blüten und Früchten reichen Baumes“, wie Johannes XXIII. die Kirche nannte (vgl. Ansprache vom 15. Dezember 1958: AAS 50, 1958, 982). Zu denjenigen, die heute Mitglieder des Heiligen Kollegiums werden, 764 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gehören auch zwei, die mit einem schweren Amt in der Römischen Kurie betraut sind und deren Pflicht es daher ist, dem römischen Papst bei der Leitung der Gesamtkirche aus nächster Nähe beizustehen: der eine ist Präfekt des Obersten Tribunals der Apostolischen Signatur, der andere Präfekt der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst. Schließlich wird bei dieser Kardinalsernennung die Vielfalt der Dienstämter herausgestellt: sie sind nämlich größtenteils Bischöfe, die „an Gottes Stelle der Herde vorstehen, deren Hirten sie sind“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 20), andere haben, wie ich soeben aufzeigte, sehr wichtige Ämter beim Apostolischen Stuhl inne, und ein Mann ist darunter, der durch die Entfaltung der theologischen Lehre und durch die Erforschung der Werke der Kirchenväter der christlichen Sache diente. Einige sind Angehörige religiöser Orden, und mehrere Erzbischofs- und Bischofssitze wären würdig gewesen, mit der Kardinalswürde ausgezeichnet bzw. von einem mit dieser Würde ausgestatteten Bischof geleitet zu werden; es ist jedoch nicht vorgesehen, von der von Paul VI. festgesetzten Regelung abzugehen, durch die verfügt wurde, daß die Zahl der rechtmäßig zur Teilnahme an der Wahl eines Papstes vorgesehenen Kardinäle 120 Personen nicht überschreiten solle. Dem fügte jener Papst folgendes hinzu: „Wir hoffen und wünschen, daß diese gründlich erwogene Verfügung lange dauernde Wirksamkeit besitzt und unsere Nachfolger im apostolischen Dienst sich daran halten werden“ (Ansprache vom 5. März 1973: AAS 65, 1973, 163). Kraft der Vollmacht des allmächtigen Gottes Nun seien die Namen derer verlesen, die dem ehrwürdigen Kardinalskollegium neu hinzugezählt werden. Es sind: Antoine Pierre Khoraiche, maronitischer Patriarch von Antiochien; Bernhard Yago, Erzbischof von Abidjan; Aurelio Sabattani, Titu-larerzbischof von Giustiniana prima, Präfekt des Obersten Tribunals der Apostolischen Signatur; Franjo Kuharic, Erzbischof von Zagreb; Giuseppe Casoria, Titularerzbischof von Vescovio, Pro-Präfekt der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst; Jose Ali Lebrun Morati-nos, Erzbischof von Caracas; Joseph L. Bernardin, Erzbischof von Chicago; Michael Michai Kitbunchu, Erzbischof von Bangkok; Alexander do Nascimento, Erzbischof von Lubango und Apostolischer Administrator „ad nutum Sanctae Sedis“ von Onjiva; Alfonso Lopez Trujillo, Erzbischof von Medellin, Vorsitzender des Lateinamerikanischen Bischofsrates (CELAM); Godfried Danneels, Erzbischof von Mecheln-Brüssel; 765 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Thomas Stafford Williams, Erzbischof von Wellington; Carlo Maria Martini, Erzbischof von Mailand; Jean-Marie Lustiger, Erzbischof von Paris; Jozef Glemp, Erzbischof von Gnesen und Warschau; Julijan Vaivods, Titularbischof von Macriana Maior und Apostolischer Administrator „ad nutum Sanctae Sedis“ der Erzdiözese Riga und der Diözese Liepaja; Joachim Meisner, Bischof von Berlin; Henri De Lubac, Mitglied der Gesellschaft Jesu. Kraft der Vollmacht des allmächtigen Gottes, der hll. Apostel Petrus und Paulus und meiner eigenen ernenne und erkläre ich somit feierlich jeden einzelnen, dessen Namen ich soeben genannt habe, zum Kardinal der Heiligen Römischen Kirche. Davon sind Kardinaldiakone: Aurelio Sabatani, Giuseppe Casoria, Henri De Lubac. Die anderen gehören zur Gruppe der Kardinalpriester. Mit den notwendigen und zugehörigen Dispensen, Entpflichtungen und Klauseln. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. ,,Das Erbe juridischer Weisheit, das der Kirche gehört“ Ansprache bei der feierlichen Vorstellung des neuen Kirchenkodex in der Benediktionsaula am 3. Februar Ehrwürdige Brüder Kardinäle und Bischöfe! Sehr geehrte Mitglieder des beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps! Verehrte Professoren und Studenten der Päpstlichen Universitäten und kirchlichen Fakultäten! Liebe Sehne und Töchter! 1. Die heutige Begegnung habe ich sehr herbeigesehnt, um die feierliche Vorstellung des neuen Kodex des kanonischen Rechtes vorzunehmen und damit offiziell den sicher nicht kurzen, aber - wie wir alle wünschen -geordneten und zügigen Weg einzuleiten, den dieses Gesetzbuch in der Kirche, im Dienst der Kirche nehmen soll. Es handelt sich also um ein bedeutsames Ereignis, weil es im Zusammenhang, das heißt in direkter Beziehung zu der Bedeutung des revidierten und an die heutige Zeit angepaßten Werkes steht, das die Normen der allgemeinen kirchlichen Gesetzgebung enthält. Und ich möchte auch 766 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinzufügen, daß dem Ereignis um so größere Bedeutung zukommt, weil im Anschluß an die gestrigen religiösen Feierlichkeiten, bei denen das Heilige Kollegium der Kardinale durch die Aufnahme 18 neuer Purpurträger in angemessener Weise vervollständigt wurde, viele unserer Brüder und angesehenen Bischöfe jetzt hier glücklich vereint zugegen sind. Ihnen allen hier, die durch ihre Teilnahme der heutigen Versammlung qualifizierte Bedeutung und repräsentativen Charakter verleihen, möchte ich herzlich danken, was ein Zeichen der Wertschätzung, Hochachtung, Verbundenheit und gegenseitigen Unterstützung bei den jeweiligen kulturellen, kirchlichen und sozialen Aufgaben sein soll und auch ist. Ob ihre Arbeit hier in Rom beim Stuhl Petri geleistet wird oder in nahen oder fernen Gegenden, ich möchte alle und jeden einzelnen von ihnen jetzt freundlich und herzlich begrüßen in dem Bewußtsein, daß in Rom, der Mutter des Rechts und vor allem dem Zentrum der auf Petrus gegründeten Kirche (vgl. Mt 16, 18), niemand je fremd und fern ist, sondern alle - ich sage alle - hier „zu Hause“ sind wie in einem geliebten geistlichen Heim. „Roma patria communis“ (Rom — gemeinsame Heimat). 2. Das Recht der Kirche: Bereits bei der Unterzeichnung der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae leges am vergangenen 25. Januar hatte ich die Möglichkeit, eine mir zur Gewohnheit gewordene Überlegung zu einem Ausdruck wiederaufzunehmen und zu vertiefen, der zwar einfach scheint, in dem aber die Funktion zusammengefaßt ist, die das Gesetz als solches, auch in seiner äußeren Formulierung, im Leben der „societas sui generis“, der Gesellschaft besonderer Art, hat, die vom Herrn Christus gegründet wurde, um sein Heilswerk in der ganzen Welt im Laufe der Jahrhunderte fortzuführen: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie . . ., und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28, 19-20). Was ist - so fragen wir uns - das Recht in der Kirche? Gibt es Antwort auf die ewige und universale Sendung, die diese letzten Worte des Evangeliums der Kirche in der Person der Apostel zuweisen? Wird es dem wahren Wesen des pilgernden Gottesvolkes gerecht? Und warum überhaupt das Recht in der Kirche? Wozu dient es? 3. Eine erste Antwort dazu kann aus der Betrachtung der Geschichte kommen. Dabei beziehe ich mich nicht allein auf die beinahe 2000jährige Geschichte der Kirche, in der man in vielen Jahrhunderten unermüdlicher Arbeit und immer neu bestätigter Treue zu Christus unter anderen hervortretenden Elementen das Vorhandensein einer ununterbrochenen 767 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kanonischen Überlieferung von hoher lehrhafter und kultureller Bedeutung entdeckt, die von den ersten Anfängen des Christentums bis in unsere Tage reicht; der soeben promulgierte Kodex ist ein neues, wichtiges und weises Kapitel eben dieser Tradition. Nein: nicht nur das habe ich im Auge; sondern wenn ich zeitlich zurückgehe, beziehe ich mich auf die Geschichte des Gottesvolkes im Alten Testament, als der Bund Gottes mit Israel in präzisen kukturellen und gesetzgeberischen Anordnungen Gestalt annahm und der Mann, dem die Rolle des Mittlers und Propheten zwischen Gott und seinem Volk übertragen wurde, nämlich Mose, zugleich dessen Gesetzgeber wurde. Seit damals, seit dem Bund vom Berg Sinai, zeigt sich die enge Verknüpfung zwischen „foedus“ und „lex“, zwischen „Vertrag“ und „Gesetz“, die nach und nach wichtiger wurde. Beachten Sie: Bereits nach dem alten Israel (und das wird in noch viel höherem Maße für den hl. Paulus gelten) geht die Gnade Gottes dem Gesetz voraus und besteht auch ohne dieses (vgl. Ex 20, 2; Dtn 7, 7-9; vgl. auch Gal3,15-29; Röm 3, 28; 4, 22), um sich fortwährend als Vergebung der Übertretungen zu offenbaren (vgl. Dtn 4, 31; Jes 1, 18; 54, 8). Auf alle Fälle bleibt jedoch zwischen dem Herrn und Israel der Liebes-bund bestehen, der von der gegenseitigen Verpflichtung Gottes, der verheißt, und des Volkes, das sich zur Treue verpflichtet, sanktioniert ist. Es handelt sich um einen Bund, der im Zeugnis des täglichen Lebens durch die Befolgung der Gebote (vgl. Ex 24, 3) Ausdruck finden muß, die Gott selbst dem Mose anvertraut hat, damit er sie dem Volk weitergebe. Daraus erwuchs eine typische Form des rechtlich und liturgisch geordneten Lebens, die diesem Volk in seiner Gemeinschaft mit Gott Einheit und Zusammenhalt verlieh. Gesetze und Gebote wurden als hochherziges Geschenk Gottes und ihre Befolgung als echte Weisheit betrachtet (vgl. Sir 24); und auch wenn mit dieser anspruchsvollen Forderung - wie bekannt - eine Reihe von Treulosigkeiten und Treuebrüchen einherging, trat deshalb doch nie der Fall ein, daß der Herr seinen Liebesbund nicht erfült hätte, und er hat nicht versäumt, durch seine Propheten sein Volk an die Beobachtung dieses Bundes und die Befolgung der Gesetze zu erinnern (vgl. Hos 4, 1—6; Jer 2). Und noch mehr: Er ließ die Möglichkeit, ja, die Zweckmäßigkeit und Dringlichkeit einer verinnerlichten Befolgung erahnen, als er ankündigte, daß er ihnen sein Gesetz ins Herz schreiben wolle (vgl. Jer 31, 31-34; Ez 36, 26-27). In dieser Beziehung zwischen „foedus“ und „lex“ und vor allem in der erwähnten Betonung der „Religion des Herzens“ war bereits eine Vor- 768 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wegnahme der neuen Zeit gegeben, die nach dem Plan Gottes gleichfalls angekündigt und nun reif war. 4. Es kommt Jesus, der neue Mose, der Mittler und oberste Gesetzgeber (vgl. 1 Tim 2, 5), und da wird die Atmosphäre plötzlich höher und reiner. Und wenn er auch in der programmatischen Bergpredigt verkündet, er sei „nicht gekommen (das alte Gesetz) aufzuheben, sondern zu erfüllen“ (Mt 5, 17), so stellt er doch sogleich eine neue Forderung oder, besser, er erfüllt die Vorschriften des alten Gesetzes mit neuem Geist: „Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt worden ist. . ., ich aber sage euch“ (vgl. Mt 5, 21-48). Indem er für sich eine im Himmel und auf Erden gültige Machtfülle beansprucht (vgl. Mt 28, 18), überträgt er sie auf seine Apostel. Eine - man beachte - universale und wirkliche Gewalt, die von einer Gesetzgebung abhängig ist, deren allgemeines Gebot die Liebe ist (vgl. Joh 13, 34), für die er selbst als erster im Ausmaß der Vollhingabe des Lebens für die Brüder das Vorbild bietet (vgl. Joh 15,13). Von seinen Aposteln und Jüngern verlangt er die Liebe, ja, das Verbleiben in der Liebe, wobei er ihnen sagt, daß die Bedingung für ein solches „Bleiben in seiner Liebe“ die Einhaltung seiner Gebote ist (vgl. Joh 15, 10). Nach seiner Himmelfahrt sendet er ihnen den Heiligen Geist, und durch diese Gabe findet das Gesetz - so wie es der alte Prophet vorausgesagt hatte (vgl. Joel3,1-5) - im Herzen des Menschen seine Besiegelung und Kraft. Diese Sichtweise gilt bis heute für alle Gläubigen: bewegt vom Geist, sind sie imstande, in sich die neue Ordnung zu schaffen, die Paulus das Gesetz Christi nennt (vgl. Gal 6, 2). Das heißt, Christus lebt im Herzen der Gläubigen in einer Gemeinschaft, durch die jeder in sich selbst das Geheimnis der Liebe und des Gehorsams des Sohnes aufbaut. So wird aufs neue der Zusammenhang zwischen „foedus“ und „lex“ sichtbar, und die im Geist mit Christus verbundenen Gläubigen besitzen nicht nur die Kraft, den Geboten zu gehorchen, sondern es fällt ihnen auch leicht und macht ihnen Freude. Das alles finden wir bestätigt in den ersten von den Aposteln und ihren unmittelbaren Schülern im Orient und Okzident gegründeten Christengemeinden. Da ist zum Beispiel der hl. Paulus, der mit der vom Herrn empfangenen Autorität Anordnungen und Verfügungen trifft, damit in den einzelnen Ortskirchen alles mit der nötigen Disziplin vor sich geht (vgl. 1 Kor 11, 2; 14, 40; Kol. 2, 5). 5. Gegründet auf das Fundament der Apostel und der Propheten (vgl. Eph 2, 20), beginnt die Kirche Christi - die Kirche von Ostern und 769 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pfingsten — rasch ihren Pilgerweg in der Welt; und es ist nur natürlich, daß im Laufe der Jahrhunderte dringende Erfordernisse, praktische Bedürfnisse und bei der zusammengehörigen Ausübung von Autorität und Gehorsam nach und nach gereifte Erfahrungen in einer sehr differenzierten Veränderung der Verhältnisse innerhalb der Kirche als geschichtlicher und lebendiger Wirklichkeit einen ganzen Komplex von Gesetzen und Normen hervorgebracht haben, der bereits im Frühmittelalter zu einer breiten und gegliederten kirchlichen Gesetzgebung wurde. In diesem Zusammenhang sei mir gestattet, unter den zahlreichen und mit Recht berühmten Kanonisten und Juristen wenigstens den Mönch Gratianus zu nennen, den Verfasser des Decretum („Concordia discordantium canonum“), dem Dante einen Platz in seinem vierten Himmel zuweist, unter den weisen Geistern, in Gesellschaft des hl. Albertus Magnus, des hl. Thomas von Aquin und des Petrus Lombardus, wobei er rühmend von ihm sagt, daß „das eine wie das andere Forum geholfen hat, daß er sich im Paradies freut“ (Paradiso X, vv. 104-105). 6. Während wir aber die weiteren Ereignisse bis zur Kodifizierung von 1917 übergehen, wird es angebracht sein, von der historischen zur eigentlich theologischen und ekklesiologischen Perspektiven überzugehen, um -an Hand dessen, was uns das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat - die tieferen und spezifischen Motivierungen der kirchlichen Gesetzgebung wiederzufinden: denn dem Wandel der einzelnen Verfügungen steht der der Kirche wesenseigene Anspruch gegenüber, ihre eigenen Gesetze zu haben. Gestern wie heute. Warum? In der Kirche Christi gibt es - hat uns das letzte Konzil erneut gesagt - neben dem spirituellen und inneren Aspekt den sichtbaren und äußeren; es gibt in ihr Einheit, wenn es tatsächlich stimmt, daß diese zu ihren grundlegenden Merkmalen gehört, aber diese Einheit - und ich bin weit davon entfernt, das auszuschließen -setzt sich zusammen aus der „Verschiedenheit der Glieder und Aufgaben“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 7-8) und schließt diese ein. In der Tat ist die Kirche als Volk Gottes und Leib Christi nicht unterschiedlos nur als messianische und eschatologische Gemeinschaft, die „ihrem Haupt untertan ist“ (ebd., Nr. 7), gegründet, sondern „als sichtbares Gefüge“ und „als Gesellschaft verfaßt und geordnet“ (ebd., Nr. 8), auf dem Fels errichtet (vgl. Mt 16, 18) und vom Herrn selbst vortrefflich mit „hierarchischen und charismatischen Geben“ (vgl. Lumen genitum, Nr. 4) und mit verschiedenen Einrichtungen ausgestattet, die tatsächlich als ihre Bausteine zu betrachten sind. Die Kirche ist schließlich in ihrer lebendi- 770 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen Einheit auch sichtbare Gliederung mit genau festgelegten Funktionen und Befugnissen (sacra potestas). Obwohl also alle Gläubigen so leben, daß ihnen „die Würde der Glieder aus ihrer Wiedergeburt in Christus gemeinsam ist, gemeinsam die Gnade der Kindschaft, gemeinsam die Berufung zur Vollkommenheit, eines das Heil, eine die Hoffnung und ungeteilt die Liebe“ {Lumengentium, Nr. 32), so schließt dennoch diese allgemeine und mystische „Gleichheit“ (ebd.) die bereits erwähnte „Verschiedenheit der Glieder und Aufgaben“ ein, so daß „dank der geeigneten Mittel der sichtbaren und sozialen Einheit“ die göttliche Gründung und die organische „Verschiedenheit“ der Kirche offenbar werden. Man muß also sagen, daß „das Gottesvolk nicht nur aus den verschiedenen Völkern sich sammelt, sondern auch in sich selbst aus verschiedenen Ordnungen gebildet wird. Unter seinen Gliedern herrscht eine Verschiedenheit, sei es in den Ämtern ... sei es in Stand und Lebensordnung“ {Lumen gentium, Nr. 13). 7. Diese „Verschiedenheit unter den Gliedern“ entspricht natürlich göttlichem Recht, und „der Unterschied, den der Herr zwischen den geweihten Amtsträgern und dem übrigen Gottesvolk gesetzt hat“ {ebd., Nr. 32), bringt in der Kirche eine doppelte und öffentliche Lebensform mit sich. Daraus folgt auch die andere „Verschiedenheit“: jene „der Aufgaben“ oder Funktionen in der Gesellschaft, weil „der ganze Leib durch Gelenke und Bänder versorgt und zusammengehalten wird und durch Gottes Wirken wächst“ {Kol 2, 19), „weil nicht alle Glieder denselben Dienst leisten“ {Röm 12, 4). Obwohl also alle gläubigen Christen an dem königlichen, dem prophetischen und dem priesterlichen Amt des Hauptes teilhaben, erhalten die Kleriker und Laien im Hinblick auf ihr Wirken in der Gesellschaft doch verschiedene Aufgaben, die nach dem Willen Gottes vom Kirchenrecht (ius sacrum) geregelt und geschützt werden, damit für das allgemeine Wohl der ganzen Kirche gesorgt ist. Hieraus - nämlich aus der innersten Wirklichkeit der Kirche - ergeben sich gemäß jener Verschiedenheit der Glieder und Ämter die den einzelnen Personen oder Gruppen entsprechenden Rechte und Pflichten, für deren Regelung allerdings die Kirche, unbeschadet des göttlichen Rechts, dadurch Sorge tragen mußte, daß sie den Umständen entsprechend, das heißt je nach den Notwendigkeiten und Bedürfnissen von Zeit und Ort, Gesetze und Vorschriften erließ. Wir wissen, daß der sichtbare Leib der Kirche, der seinem Haupt Christus untertan ist, sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelte, indem er sich um 771 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sichtbare Wesensbestandteile erweiterte, das heißt - in der Sprache des Konzils - „um eine Anzahl organisch verbundener Gemeinschaften, die, unbeschadet der Einheit des Glaubens und der einen göttlichen Verfassung der Gesamtkirche“ (Lumen gentium, Nr. 23), mit vollem Recht „Teilkirchen“ genannt werden, in denen allen „die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wahrhaft wirkt und gegenwärtig ist“ (Christus Dominus, Nr. 11). 8. Liebe Brüder, von dieser wunderbaren, unsichtbaren und sichtbaren, einen und zugleich vielfältigen Wirklichkeit der Kirche her müssen wir das kanonische Recht betrachten, das in der Kirche gültig und wirksam ist: eine Sicht, die offenkundig über die rein menschlich-historische hinausgeht, auch wenn sie sie bekräftigt und bestätigt. Wenn die Kirche - der Leib Christi - ein geordnetes Gefüge ist, wenn sie in sich die erwähnte Verschiedenheit der Glieder und Aufgaben mitein-schließt, wenn sie sich in der Vielfalt der Teilkirchen „vervielfältigt“, dann ist der Einschlag, den sie schon hat und haben muß, sehr dicht. Ich spreche vom Recht, verstanden in seiner Globalität und Wesentlichkeit, ehe ich auf die Spezifizierungen, Ableitungen und Anwendungen kirchenrechtlicher Ordnung eingehe. Das Recht ist also nicht als Fremdkörper, noch als derzeitige nutzlose Superstruktur, noch als Rest zeitlicher Machtansprüche zu verstehen. Das Recht ist dem Leben der Kirche wesenseigen, dem es in der Tat auch sehr nützlich ist: Es ist Mittel, Hilfe und - in heiklen Fragen der Gerechtigkeit - auch Schutz. Von der Liebe beseelt und nach Gerechtigkeit geordnet Um das neue Buch, das heute vorgestellt wird, zu erklären, braucht es also nicht den bloßen und schließlich nebensächlichen Hinweis, daß nunmehr so viele Jahre seit dem weit zurückliegenden Jahr 1917 vergangen sind, als mein Vorgänger Benedikt XV. den Kodex des kanonischen Rechts promulgierte, der bis in unsere Tage in Kraft war. Es bedarf vielmehr und vor allem des Beweises, daß das Recht seinen Platz in der Kirche hat, daß es in ihr Bürgerrecht besitzt. Natürlich gilt — wie könnte man das leugnen? — auch weiter der Grund, auf den oben hingewiesen wurde, nämlich, daß sich seit jenem Jahr sowohl durch den Beitrag des Konzils wie durch den Fortschritt der Studien und auch in psychologischer Hinsicht die ganze Welt innerhalb und außerhalb der Kirche verändert hat. Es war vor allem - das zu betonen, ist nützlich - das Zweite Vatikanische Konzil, das in nicht 772 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenigen Bereichen mitunter neue und erneuernde Akzente und Ansätze gebracht hat: nicht allein - das habe ich ja schon gesagt - in der Ekklesiologie, sondern auch auf dem Gebiet der Pastoral, im Ökumenis-mus und im verstärkten missionarischen Einsatz. Wer wüßte nicht, daß zum Beispiel die Pastoraltätigkeit heute mit Recht in einer breiteren und schärferen Sicht verstanden wird, die, offen für den mit strengen theologischen Motivierungen lebhaft geforderten Beitrag der Laien, von spezifischen Hilfsmitteln, wie der Psychologie und Soziologie, Gebrauch macht und enger mit der Liturgie und der Katechese verbunden ist? Und hat man in bezug auf die Aktivität der katholischen Missionen vielleicht nicht den Eindruck einer glücklichen Wiederentdeckung gewonnen, als das Konzil endgültig festgestellt hat: „Die Kirche ist ihrem Wesen nach missionarisch“ (Ad gentes, Nr. 2)? Aus Zeitmangel muß ich mich leider auf kurze Andeutungen beschränken; aber es ist sicher, daß die Forderungen des Konzils wie die praktischen, dem Dienst der Kirche gegebenen Richtlinien in dem neuen Kodex genaue und gewissenhafte, bisweilen bis in die wörtliche Formulierung gehende Entsprechungen finden. Ich möchte Sie nur bitten, zur Probe das 3. Kapitel von Lumen gentium und das 2. Buch des Kodex zu vergleichen: Beiden gemeinsam ist der identische Titel „Das Volk Gottes“. Es wird -glauben Sie mir - ein sehr nützlicher Vergleich sein, und für den, der eine sorgfältigere Untersuchung vornehmen will, wird sich der exegetische und kritische Vergleich der jeweiligen Paragraphen und Kanones als klärend erweisen. Aus all diesen Gründen ist leicht zu begreifen, daß die von mir zu Beginn gestellte Frage beantwortet, und zwar weitgehend positiv beantwortet werden kann. Der legitime Platz, der dem Recht in der Kirche zukommt, wird in dem Maße bestätigt und gerechtfertigt, in dem es sich anpaßt und die neue geistliche und pastorale Atmosphäre berücksichtigt: Im Dienst an der Gerechtigkeit wird sich das Recht immer stärker und immer besser an dem Gesetz und Gebot der Liebe inspirieren müssen, indem es aus ihm Leben und Kraft schöpft. Das Recht lebt, wenn es von der Liebe beseelt und nach der Gerechtigkeit geordnet ist. „Nimm und lies es!“ 9. Das ist denn auch der eigentliche Sinn der Reform des Kirchenrechts, Brüder, und so ist der neue Text, in dem diese Reform verwirklicht ist, zu beurteilen. In diesen Tagen hat buchstäblich ein Weg von Generationen sein Ende gefunden, sind doch 24 Jahre seit der ersten Ankündigung der 773 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reform des kirchlichen Gesetzbuches vergangen, die der unvergeßliche Papst Johannes zugleich mit der Ankündigung des Konzils machte. Wie vielen müßte ich jetzt danken? Ich habe das bereits in dem genannten Promulgationsdokument getan; aber ich möchte öffentlich noch einmal diesem Gefühl Ausdruck geben, wobei ich vor allem die ehrwürdigen Kardinäle Pietro Ciriaci, der die Arbeit begonnen hat, und Pericle Felici, der für ihren Verlauf bis zum vergangenen Jahr Sorge trug, erwähne. Sodann erinnere ich an die Sekretäre der Päpstlichen Kommission, Msgr. Giacomo Violardo, den späteren Kardinal, und Pater Raimondo Bigador aus der Gesellschaft Jesu; außerdem nenne ich noch mit Dank den Pro-Präsidenten der Kommission, Msgr. Rosalio Castillo Lara, und Msgr. Willy Onclin, zusammen mit allen anderen Mitgliedern der Kommission, Kardinälen, Bischöfen, Offizialen sowie Konsultoren und Experten, die in verschiedenem Maße in vorbildlich „kollegialem Geist“ bei der nicht leichten redaktionellen Arbeit bis zur endgültigen Festsetzung des Textes zusammengearbeitet haben. Dieses Buch, das den neuen Kodex enthält, Frucht gründlicher Studien, angereichert durch eine solche Fülle von Beratungen und Zusammenarbeit, stelle ich Ihnen heute vor, und in Ihrer Person übergebe ich es offiziell der ganzen Kirche, indem ich für alle das Augustinuswort wiederhole: „Tolle, lege!“ (Nimm und lies es!) {Confessiones Will, 12, 29; P/32, 762). Diesen neuen Kodex übergebe ich den Bischöfen und Gläubigen, den Richtern und Offizialen der kirchlichen Gerichtshöfe, den Ordensmännern und Ordensfrauen, den Missionaren und Missionarinnen, sowie auch den Wissenschaftlern und Fachleuten des kanonischen Rechtes. Ich händige es voll Zuversicht und Hoffnung der Kirche aus, die bald in ihr drittes Jahrtausend eintritt: Neben dem Buch, das die Konzilsakten enthält, gibt es nun das neue kirchliche Gesetzbuch, und das erscheint mir eine recht wirksame und bedeutsame Koppelung. Über und vor diese beiden Bücher muß aber als transzendenter Höhepunkt das ewige Buch des Wortes Gottes gestellt werden, dessen Zentrum und Herz das Evangelium ist. Zum Abschluß möchte ich vor Ihnen als Hinweis und Erinnerung so etwas wie ein ideales Dreieck zeichnen: oben die Heilige Schrift, auf der einen Seite die Dokumente des Zweiten Vatikanums, auf der anderen Seite der neue Kodex des kanonischen Rechts. Und um geordnet, kohärent von diesen beiden Büchern der Kirche des 20. Jahrhunderts zu jenem höchsten und unveränderlichen Gipfel aufzusteigen, wird man die Seiten dieses Dreiecks entlanggehen müssen, ohne Vernachlässigungen und Auslassungen und unter Berücksichtigung der notwendigen Beziehungen: das ganze 774 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lehramt - möchte ich sagen - der vorangegangenen ökumenischen Konzilien und auch (natürlich unter Weglassung der hinfälligen und aufgehobenen Bestimmungen) jenes Erbe juridischer Weisheit, das der Kirche gehört. Möge so das Volk Gottes mit Hilfe dieser wesentlichen Maßstäbe sicher seinen Weg fortsetzen, indem es mit der beherzten Zuversicht der ersten Apostel (vgl. Apg 2, 29; 28, 31; 2 Kor 3, 12) Zeugnis ablegt für den Herrn, Jesus Christus, und die ewige Botschaft seines Reiches „der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens“ (Präfation des Christkönigsfestes). Allen meinen Apostolischen Segen. In der Treue zum Apostolischen Stuhl Predigt bei der Totenmesse für Kardinal Antonio Samore in St. Peter am 5. Februar 1. „Wacht, denn ihr wißt nicht, zu welcher Stunde der Herr kommt“ {Mt 24, 42). Während noch die Freudentöne über die Berufung von 18 bedeutenden Männern der Kirche ins Kardinalskollegium nachklingen, haben uns die anbetungswürdigen Fügungen der göttlichen Vorsehung zu dieser Eucharistiefeier — Geheimnis des Todes und der Auferstehung —, an der Bahre unseres verehrten, lieben Bruders Antonio Samore, Kardinal-Bischof mit dem Titel der suburbikarischen Kirche von Sabina und Poggio Mirteto, Bibliothekar und Archivar der Heiligen Römischen Kirche, gerufen. Unser Herz leidet an diesem plötzlichen Verlust, der uns der materiellen Gegenwart und des täglichen Umgangs mit diesem hervorragenden Purpurträger beraubt, dem viele von euch, an erster Stelle der, der jetzt zu euch spricht, durch tiefe Bande der Hochachtung und Zuneigung verbunden waren. Nur der Glaube taucht unseren Schmerz zugleich in ein ruhiges Licht. Das göttliche Wort Christi, der die Auferstehung und das Leben ist, gibt allen unseren Gedanken und Gefühlen Richtung und bekräftigt in uns die vertrauensvolle Erwartung jener Freude ohne Grenzen und Schatten, die Gott denen bereitet hat, die ihn lieben. 2. Unser Bruder, Kardinal Samore, den wir heute seiner Güte und Barmherzigkeit anvertrauen, war einer dieser Menschen. Mit elf Jahren 775 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN trat er in das Diözesanseminar von Piacenza ein, um später in das Kolleg Alberoni in der gleichen Stadt überzuwechseln. Er setzte alle seine jugendlichen Kräfte für das Ideal des Priestertums ein, das ihm am 10. Juni 1928 in der Kathedrale von Piacenza übertragen wurde. Von da ab war sein ganzer weiterer Weg von der Frische und Begeisterung seiner ersten Schritte im Priestertum geprägt. Die vielen Menschen, die ihn gekannt haben und irgendwie mit ihm vertraut geworden sind, bewunderten seine menschlichen, christlichen und priesterlichen Tugenden. Trotz seines eher zurückhaltenden und scheuen Temperamentes besaß er eine außerordentlich starke menschliche Ausstrahlung, hinter der seine lebhafte Intelligenz, seine Klugheit und die Weite seines Herzens standen. Sammlung, Gebet, eucharistische und marianische Frömmigkeit nährten seinen Glauben, seine Hoffnung und Liebe und trieben ihn zu unermüdlicher und rastloser Tätigkeit, die seine ungewöhnliche Persönlichkeit ebenfalls kennzeichnete. Der priesterliche Dienst von Kardinal Samore stand unter dem Zeichen der Demut und Milde, wahrer Schätze seines Inneren, die jeden beeindruckten, der mit ihm in Kontakt kam. Er war ein Mann Gottes im Vollsinn des Wortes und immer ehrlich auf das Übernatürliche bedacht. Fragen, Probleme und augenblickliche Umstände sah er mit dem wachen Blick des Glaubens und von der hohen Warte des letzten Zieles her. Wir dürfen daher unseren unvergeßlichen Bruder zu den guten und treuen Knechten rechnen, deren Leben ein ständiges Warten auf den entscheidenden Augenblick ist, in dem sie dann in die Freude des Herrn auf genommen werden. Wir haben die feste Zuversicht, daß seine Seele, gereinigt von allen Zeichen menschlicher Schwäche, sich bereits der seligen Anschauung Gottes erfreut. 3. „Ein kluger und getreuer Knecht“ {Mt 24, 45). Kardinal Antonio Samore war ein Mann der Treue! Ein Mann, ein Christ und ein treuer Priester. Ich möchte vor allem an seine Treue zum römischen Papst und zum Apostolischen Stuhl erinnern, dem er volle 54 Jahre ununterbrochen und fleißig gedient hat. Er begann diesen Dienst 1932 als Attache der Apostolischen Nuntiatur in Litauen, wo er sechs Jahre blieb. Dann wurde er in die damalige erste Abteilung des Staatssekretariats berufen und leistete dort unter Führung seines bedeutenden Meisters, des verstorbenen Kardinals Domenico Tar-dini seine Dienste während des ganzen Zweiten Weltkrieges. Die intensiven Bemühungen Pius’ XII., den Krieg zu verhindern, die Wunden zu 776 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heilen und die Wiederherstellung des Friedens zu beschleunigen, waren zum großen Teil auch Verdienst seines intelligenten Wirkens. Nach kurzem Dienst an der Apostolischen Delegation in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde er am 30. Januar des Heiligen Jahres 1950 zur bischöflichen Würde erhoben und als Apostolischer Nuntius nach Kolumbien gesandt, wo er sich beharrlich und dynamisch für Entwicklung und Wachstum der Kirche in dieser edlen Nation einsetzte, für die Vertiefung achtungsvoller und herzlicher Beziehungen zu den staatlichen Autoritäten sowie für die ganzheitliche Entwicklung der Benachteiligten und der Armen. Drei Jahre später, 1953, wurde er in den Vatikan zurückgerufen, um das Amt des Sekretärs der Kongregation für die außerordentlichen Angelegenheiten zu übernehmen. Aus seiner 14jährigen Tätigkeit in diesem Amt möchte ich nur erwähnen, wie intensiv er sich für Lateinamerika einsetzte, die Gründung des CELAM förderte und seine Entwicklung unterstützte, ebensowie die der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika, deren Seele er lange Jahre hindurch war, 1957 zum Kardinal erhoben, wurde er mit der Leitung der Kongregation für die Sakramente beauftragt und 1974 zum Bibliothekar und Archivar der Heiligen Römischen Kirche ernannt. Im Dezember 1979, in einem heiklen Augenblick der Beziehungen zwischen Argentinien und Chile, wählte ich Kardinal Samore als meinen Sonderbeauftragten der beiden Regierungen und übertrug ihm dann die Aufgabe, mich persönlich bei den Vermittlungsbemühungen zu vertreten, um die man mich vertrauensvoll gebeten hatte. Dieser heiklen Aufgabe widmete er sich bis zuletzt mit dem gewohnten Eifer. 4. Auch die rein priesterlichen Initiativen dürfen nicht vergessen werden, die der verstobene Kardinal persönlich ergriff und mit all seiner reichen Hochherzigkeit und menschlichen Empfindsamkeit erfüllte. In diesem Zusammenhang möchte ich seine ständige Verbindung mit Villa Nazareth erwähnen, ein Erbe, das ihm Kardinal Domenico Tardini hinterlassen hatte. Er verausgabte sich dort wie ein Vater und wurde fast täglich mit den Kindern zum Kind. Ich denke ferner an die Werke von unleugbar religiösem, sozialem und kulturellem Wert, die Kardinal Samore in seinem Heimatort Bardi hinterläßt, dem er stets tief verbunden blieb. 777 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Meine Lieben, ich wollte die Hauptabschnitte des eifrigen Dienstes unseres Bruders in Erinnerung bringen, der in die Ewigkeit abberufen wurde, und den Leitgedanken, der sein ganzes Leben prägte, unterstreichen. Es war seine Treue. Eine volle, echte und lautere Treuen. Eine in Liebe gelebte Treue. 1979 hatte ich Gelegenheit, auf die große diplomatische Erfahrung von Kardinal Samore hinzuweisen. Doch weiß ich, daß ihm nur eine Anerkennung am Herzen lag: die seiner Treue zum Papst und zum Apostolischen Stuhl. Die letzten Worte, die wenige Augenblicke vor seiner Begegnung mit dem Herrn noch mühsam über seine Lippen kamen, und die von den Anwesenden mit tiefer Bewegung entgegengenommen wurden, waren eine leidenschaftliche Erklärung dieser Treue. „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand . . . Wer ihm treu war, wird in Liebe bei ihm leben, denn auf seine Auserwählten warten Gnade und Barmherzigkeit“ (Weish 3, 1.9). Als der Herr am Morgen des 3. Februar diesem unserem Bruder begegnete, fand er ihn erfüllt von der Sorge um diese Treue, die seine ganze Existenz gekennzeichnet hatte. Gerade deswegen vertrauen wir, daß seine Seele mit denen der Gerechten aufgenommen wurde und „in Gottes Hand“ ist. Für uns, die wir noch auf den Straßen der Zeit unterwegs sind, wird der fromme Heimgang unseres Bruders zum Antrieb für neue Hingabe an unsere Verpflichtung zu Treue und Liebe. „Der Herr ist mein Hirt: nichts wird mir fehlen. Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser“ (Ps 23, 1-2). Diese Worte des responsorialen Psalmes können in diesem Augenblick von unserem lieben Verstorbenen im Frieden Gottes sehr wohl gesprochen werden. Doch es sind Worte, die spontan auch von unseren Lippen kommen, die wir Pilger sind und den Schritt auf das Ziel hin beschleunigen möchten. „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (ebd., Vers 4). Ja, Herr, geh an unserer Seite, damit wir uns nicht im „dunklen Tal“ dieses Lebens verlieren. „Dein Stock und den Stab“ mögen uns dorthin führen, wo wir alle jene wiederzufinden hoffen, die wir geliebt haben und lieben. Amen. 778 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Zeichen des Petrus Ansprache bei der Audienz für Kardinal Joachim Meisner und eine Berliner Besuchergruppe am 5. Februar Verehrter Herr Kardinal, liebe Brüder und Schwestern! Das Bistum Berlin ist mir - wie schon meinen Vorgängern - in besonderer Weise lieb und teuer. Der Anlaß unserer heutigen Begegnung, die Kardinalserhebung des Berliner Oberhirten, ist selbst ein deutliches Zeichen dafür. Der Patronin eurer Kathedrale, der hl. Hedwig, fühle ich mich nicht nur von meiner polnischen Heimat her, sondern auch durch den Tag meiner Wahl zum Bischof von Rom am Hedwigsfest 1978 persönlich tief verbunden. Sankt Hedwig ist uns Vorbild und Trost in allen Stürmen. Aus den Tiefen Gottes bezog sie die Kraft, auch Schweres durchzustehen und in ungebrochenem Glauben an den Sieg des Guten stets und überall tatkräftig zu helfen. „Als die Stürme tobten und an dem Haus rüttelten, da stürzte es nicht ein; denn es war auf Fels gebaut“ {Mt 7, 25). Der Garant dieses Felsengrundes ist für uns Katholiken besonders Petrus, der Fels. Über seinem Grab habe ich eurem Oberhirten den Kardinalsring übergeben. Wie ihn dieser Ring im Zeichen des Petrus künftig an den Papst und an die Weltkirche erinnert, so sollt ihr alle die neue Berufung eures Bischofs durch euren Glauben und eure Liebe mittragen. Ich weiß, daß sich euer Bischof auf euch verlassen kann. Mit ihm danke ich euch für euer mutiges Glaubenszeugnis. Zeichen dieser neuen Verbundenheit eures Bistums mit der Kirche Roms ist auch die Titelkirche eures Kardinals: die Kirche über dem Haus des Pudens, der „Domus Pudentiana“. In diesem Haus fand nach einer Überlieferung einst Petrus selbst ein Obdach. Möge der hl. Petrus, der zugleich der Patron eures Bistums ist, euch und allen Gläubigen ein solches „Zuhause“, wirkliche Geborgenheit und lebendige Gemeinschaft, in euren Heimatgemeinden und in eurem Bistum Berlin erbitten. Mit besten Glückwünschen an Sie, lieber Herr Kardinal, an Ihre heben Angehörigen und Ihr ganzes Bistum erteile ich Ihnen und allen Ihren Gläubigen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 779 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Zeugnis der Verkündigung Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses der Neukatechumenalen Gemeinschaften am 10. Februar Liebe Brüder! 1. Ich freue mich, daß ich heute die Möglichkeit einer Begegnung mit einer Gruppe von Mitgliedern der Neukatechumenalen Gemeinschaften habe, die in Rom zusammengekommen sind, um gemeinsam über das Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ nachzudenken, das auch das Thema der nächsten Bischofssynode bildet. Ich begrüße die hier anwesenden Bischöfe, Pfarrer und Priester, die aus allen Erdteilen hierzu nach Rom gekommen sind. Meine Worte wollen eine Betrachtung über die geistliche und kirchliche Erfahrung sein, die ihr machen wollt, damit sie euch zu immer größerem Eifer anspornt, im Rahmen der modernen Welt ein klares und aufrichtiges Beispiel tiefen christlichen Glaubens zu geben, der ständig in inniger, lehrbereiter und freudiger Einheit mit den Bischöfen der Kirche gelebt wird. Euer Zeugnis will ganz wesentlich ein Zeugnis der Verkündigung des Evangeliums sein, in deren Mittelpunkt die Verkündigung steht, daß Jesus von Nazaret der Messias, der Herr, der Sohn Gottes, der für uns Menschgewordene, Gestorbene und Auferstandene ist. „Die Evangelisierung, sagte Paul VI., wird auch immer - als Grundlage, Zentrum und zugleich Höhepunkt ihrer Dynamik - klar verkünden müssen, daß in Jesus Christus, dem menschgewordenen, gestorbenen und auferstandenen Sohne Gottes, das Heil einem jedem Menschen angeboten ist als ein Geschenk der Gnade und des Erbarmens Gottes selbst“ (Apostol. Schreiben Evan-gelii nuntiandi, Nr. 27: Wort und Weisung, 1975, S. 556). Zu den typischen Äußerungen eurer Gemeinschaft gehört ja eben die Glaubensverkündigung, und zwar in Ländern oder in Milieus, die entweder noch nie etwas von der christlichen Botschaft gehört haben oder aber durch das Übergewicht von Ideologien, Meinungen, ablehnendem oder gleichgültigem Verhalten gegenüber dem „Gottesproblem“ wie taub und stumpf für diese Verkündigung geworden sind. Deshalb ist es euer Ziel, Katecheten vorzubereiten und auszubilden, die vor allem versuchen müssen, das Geheimnis Christi zu vertiefen und persönlich zu leben, um dann die anderen daran teilnehmen zu lassen. „Katechisieren heißt in gewisser Weise - so habe ich in dem Apostolischen Schreiben über die Katechese 780 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in unserer Zeit geschrieben —, jemanden anleiten, dieses Geheimnis in all seinen Dimensionen zu erforschen..in der Person Christi den gesamten ewigen Plan Gottes aufzuzeigen, der sich in ihr erfüllt... In diesem Sinn ist es das Endziel der Katechese, jemanden nicht nur in Kontakt, sondern in Gemeinschaft, in Lebenseinheit mit Jesus Christus zu bringen: Er allein kann zur Liebe des Vaters im Heiligen Geiste hinführen und uns Anteil am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit geben“ (Catechesi tradendae, Nr. 5, L’Osservatore Romano, dtsch. Ausgabe, 2.11. 1979, Beilage, S. II). Mit der „ Tauf Spiritualität“ den Glaubensweg beseelen Der Einsatz eurer Gemeinschaften in der verdienstvollen Arbeit der Katechese ist mir bekannt. In den letzten Jahren haben die Bischofskonferenzen ihre Bemühungen auf diesem Gebiet, das von außerordentlicher Bedeutung für das Leben des Gottesvolkes ist, verstärkt. Wenn ihr euch an die von den Bischöfen vorgeschlagenen Methoden, Weisungen, Wege und Texte haltet und auch das Dienstamt der Katechese in kirchlicher Gemeinschaft und Disziplin mit Rücksicht auf das grundlegende Dienstamt des Bischofs und der ihm verbundenen Priester ausübt, wird das eine wertvolle Hilfe für eure Katechese auf allen Ebenen sein und sicherlich reiche geistliche Früchte unter den Gläubigen bringen. Besonderes Ziel jeder katechetischen Arbeit und Form wird es sein, den vom Heiligen Geist mit der Erstverkündigung gesäten und durch die Taufe wirksam übertragenen Samen zum Keimen, Wachsen und Entwickeln zu bringen. 2. Ihr wollt in euren Gemeinschaften die Bedeutung, den Wert, den Reichtum, die Forderungen der Taufe, des Sakraments, das notwendige Vorbedingung der Erlösung ist, nicht nur theoretisch, sondern vor allem in lebendigem Rahmen vertiefen; das Sakrament, das uns mit dem Tod, dem Begräbnis und der Auferstehung des Erlösers verbindet; das das Leben Christi selbst leben läßt, das den Getauften in einen Tempel des Geistes, ein Kind des himmlischen Vaters, einen Bruder und Erben Christi, ein Glied des Leibes Christi, der die Kirche ist, verwandelt. Diese Vertiefung gilt der Wiederentdeckung und Erschließung der spezifischen Reichtümer der Taufe, die normalerweise im Kleinkindalter empfangen wird und auf die man deshalb nicht wie auf einen rein juridischen Akt, sondern als auf den Augenblick Bezug nehmen muß, in dem das ganze christliche Leben grundgelegt wurde. Mit der Pflege jener geistlichen Haltung, die wir als „TaufSpiritualität“ bezeichnen könnten, wollt 781 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr euren Glaubensweg beseelen, ausrichten, befruchten als logische Entwicklung der dem Sakrament eigenen Forderungen, so daß euer Zeugnis immer echter, aufrichtiger, konsequenter, reger wird und ihr immer bereiter sein könnt, auf den göttlichen Anruf unverzüglich zu antworten. Diese Bereitschaft muß ihren Ausdruck finden in der ständigen Meditation und im religiösen Hören auf die heilige Überlieferung und die Heilige Schrift, die „den einen der Kirche überlassenen heiligen Schatz des Wortes Gottes bilden“ {Dei verbum, Nr. 10). Daraus ergibt sich die Forderung nach einer dauernden und ernsthaften persönlichen und gemeinschaftlichen Vertiefung in das Wort Gottes und die Lehre des kirchlichen Lehramtes, wie auch durch Teilnahme an richtigen Bibel- und theologischen Kursen. Dieses Bemühen um Studium und Reflexion erweist sich als um so notwendiger für den, der als Katechet die Pflicht hat, seine Brüder mit solider geistlicher Nahrung zu versorgen. Haltet euch stets die feierliche und nachdrückliche Beteuerung des Zweiten Vatikanischen Konzils vor Augen: „Die Kirche hat die Heiligen Schriften immer verehrt wie den Herrenleib selbst, weil sie, vor allem in der heiligen Liturgie, vom Tisch des Wortes Gottes wie des Leibes Christi ohne Unterlaß das Brot des Lebens nimmt und den Gläubigen reicht“ {Dei verbum, Nr. 21). Von Christus, dem Wort, zu Christus, der Eucharistie, weil das eucharistische Opfer Quelle, Zentrum und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens ist. Feiert die Eucharistie und vor allem Ostern mit echter Frömmigkeit, großer Würde, Liebe zu den liturgischen Riten der Kirche, genauer Einhaltung der von der zuständigen kirchlichen Autorität festgesetzten Normen und im Wunsch und Willen zur Gemeinschaft mit allen Brüdern. 3. Eure Verfügbarkeit für den Anruf Gottes muß sich darüber hinaus in ständigem, täglichem unermüdlichem Gebet äußern als Ausdruck vor allem der Anbetung, die der sündige, schwache, seiner Bedeutungslosigkeit und seiner Geschöpflichkeit bewußte Mensch Gott darbringt, Gott, dem Überirdischen, Unendlichen, Allmächtigen, dem Schöpfer, aber auch dem liebenden und barmherzigen Vater; ein Gebet, das darum auch zum innigen und liebevollen Dialog zwischen dem Sohn und dem Vater wird. Ein Gebet, das im Vaterunser, das Jesus selbst uns gelehrt hat, zum flehentlichen Chor wird; ein Gebet, das im Credo oder Apstolischen Glaubensbekenntnis zum feierlichen und bewußten Bekenntnis christlichen Glaubens wird; ein Gebet, das in den Psalmen die verschiedenen und so reichen inneren Nuancierungen findet, mit denen sich der Betende — 782 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Volk der Verheißung, das neue auserwählte Volk, also die Kirche, der Christ in den verschiedenen geistlichen Situationen - an Gott, seine Hoffnung, seinen Fels, sein Heil, wenden kann: „Wenn der Psalm betet -rät uns der hl. Augustinus -, betet; wenn er seufzt, seufzt; wenn er jubelt, jubelt; wenn er hofft, hofft; wenn er Furcht hat, fürchtet euch. Alles, was hier geschrieben steht, ist unser Spiegelbild“ (Enarr. in Es XXX, II, s. III, 1: CCL 38, 213). 4. Eure Verfügbarkeit für den Anruf Gottes äußert sich darin, daß ihr Tag für Tag das anspruchsvolle Wort Jesu verwirklicht: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15). Diese Umkehr, diese „Sinneswandlung“ besteht vor allem in der Abwehr des wahren Übels, der Sünde, die uns von Gott entfernt. Diese Umkehr ist ein unablässiger Weg der Rückkehr zum Haus des Vaters, wie es im Gleichnis jener Sohn nach Verschwendung seines Erbteils getan hat (vgl. Lk 15, 11-32). Diese Umkehr findet ihr Heilszeichen im Sakrament der Buße oder der Versöhnung. „Das Freisein von der Sünde - habe ich in der Verkündigungsbulle des Jubiläumsjahres aus Anlaß der 1050. Jahrfeier der Erlösung geschrieben - ist... Frucht und vorrangige Forderung aus dem Glauben an den Erlöser Jesus Christus und seine Kirche... Für diese Freiheit hat unser Herr Jesus Christus in der Kirche das Bußsakrament eingesetzt, damit diejenigen, die nach der Taufe gesündigt haben, wieder versöhnt werden mit Gott, den sie beleidigt, und mit der Kirche, die sie verletzt haben“ (Aperite portas, Nr. 5). Keine Isolierung vom Leben der Gemeinde Der Dienst der Wiederversöhnung - dieses wunderbare Geschenk des grenzenlosen Erbarmens Gottes - ist euch Priestern anvertraut. Seid immer seine würdigen, bereiten, eifrigen, verfügbaren, geduldigen, ruhigen Spender, indem ihr euch getreu an die von der kirchlichen Autorität diesbezüglich festgesetzten Normen haltet. So werden die Gläubigen in diesem Sakrament ein echtes Zeichen und Mittel geistlicher Neugeburt und beglückender innerer Freiheit finden können. Und ihr, alle Brüder, feiert das Sakrament der Wiederversöhnung mit dem großen Vertrauen in das Erbarmen Gottes, in voller Anhänglichkeit an den Dienst und die Disziplin der Kirche, mit dem persönlichen Bekenntnis - wie der neue Kodex des kirchlichen Rechtes wiederholt empfiehlt - zur Vergebung und zum Frieden der Jünger des Herrn und als wirksame Verkündigung der Güte des Herrn für alle. 783 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Versucht auf eurem geistlichen Weg, die katechumenalen Forderungen mit dem Eifer der notwendigen Hingabe an die Brüder, die Familie, die Pflichten in Beruf und Gesellschaft in Einklang zu bringen. Gebt vor allem nicht der Versuchung nach, euch abzuschließen, euch vom Leben der Pfarr- oder Diözesangemeinde zu isolieren, denn nur aus einer tatsächlichen Eingliederung in diese größeren Organismen können eurem apostolischen Engagement Authentizität und Wirksamkeit erwachsen. Ich möchte meine Überlegungen nicht abschließen, ohne euch und den von euch vertretenen Gemeinschaften in Erinnerung zu bringen, was ich kürzlich bei der offiziellen Vorstellung des neuen Kodex des kirchlichen Rechtes gesagt habe: Der Christ muß innerlich bereit sein, das kirchliche Gesetzbuch anzunehmen und es praktisch zu verwirklichen. Die Gesetze sind Gottes großzügiges Geschenk, und ihre Einhaltung ist wahre Weisheit. Das Kirchenrecht ist ein Mittel, eine Hilfe und auch ein Schutz, um in Gemeinschaft mit dem Herrn zu bleiben. Deshalb sind die rechtlichen wie auch die liturgischen Vorschriften ohne Unterlassungen und Versäumnisse zu beobachten. Ich bin sicher, daß eure Gemeinschaften, die von dem Eifer beseelt sind, sich bei der Feier der Taufe, der Eucharistie und des Bußsakraments auszuzeichnen, das unter der Führung der Kirche auch im Bemühen um Treue zur gemeinsamen Disziplin tun wollen. Liebe Brüder! Während ich euch meine Gedanken zum Nachdenken vortrage, rufe ich auf die hier anwesenden und auf alle von euch vertretenen Gemeinschaften die Fülle der göttlichen Gnade herab. Ich vertraue alle der seligsten Jungfrau Maria an, die unvergleichliches Vorbild glühenden Glaubens und gehorsamer Annahme des Willens Gottes ist. Sie, die „den Pilgerweg des Glaubens ging und ihre Vereinigung mit dem Sohn in Treue bis zum Kreuz hielt“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 58), stärke euch mit ihrem mütterlichen Lächeln auf dem täglichen Weg der Nachfolge Christi. Mit meinem Apostolischen Segen. 784 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ukraine: seit 995 Jahren Christianisierung Ansprache an die Synode der ukrainischen Bischöfe am 12. Februar Hochwürdigster Herr Kardinal! Ehrwürdige, liebe Brüder! 1. Aus ganzem Herzen begrüße ich euch, hebe Brüder, die ihr hier, beim Grab des Apostels Petrus und im Haus des Oberhirten von Rom, zu eurer Bischofssynode versammelt seid. Es ist bereits das dritte Mal, daß ihr hier zusammenkommt, um mit meinem Segen gemeinsam über die wichtigsten Probleme der katholischen ukrainischen Kirche beraten zu können, deren Bischöfe ihr seid, vom Heiligen Geist dazu bestimmt, diesen auserwählten Teil der Herde Christi zu führen. Ihr seid euch voll bewußt, daß der, der euch bei euren vielfältigen Sorgen um das Wohl der eurer Hirtensorge anvertrauten Herde Christi maßgebend helfen kann, derjenige ist, an den sich die Worte Jesu richten: „Stärke deine Brüder!“ (Lk 22, 32). Ihr seid an dieses Zentrum der Christenheit aus drei Kontinenten gekommen, wo sich schon seit langer Zeit das ukrainische Volk niedergelassen hat und in der Diaspora lebt. Es hat dort sein kirchliches und soziales Leben entfaltet, indem es zahlreiche Gotteshäuser, Schulen, Kulturstätten und Wohltätigkeitseinrichtungen aufgebaut hat. Mit einem Wort, in der fernen Emigration ist wie aus einem Senfkorn ein großer Baum des Evangeliums erwachsen zum Wohl und zum Heil des gläubigen Volkes. Ganz besonders begrüße ich euren ehrwürdigen Bruder, Kardinal Josyf Slipyj, der gerade vor zwanzig Jahren als echter Bekenner des heüigen Glaubens in der ewigen Stadt eingetroffen ist. Damals hat ihn mein Vorgänger seligen Andenkens, Papst Johannes XXIII., in die Arme geschlossen und mit den der „Nachfolge Christi“ entnommenen Worten jenen Augenblick gepriesen, „in dem Jesus aus Tränen zur geistlichen Freude auf rief“. 2. Mit eurem Kommen nach Rom und mit eurer Synode, die in nächster Nähe zur Person des Nachfolgers des hl. Apostels Petrus und Stellvertreters Jesu Christi auf Erden abgehalten wird, bezeugt ihr auf besondere Weise die kollegiale Einheit, die in den gegenseitigen Beziehungen der einzelnen Bischöfe zu den Teilkirchen wie zur Gesamtkirche sichtbar wird, in der der römische Papst das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Bischöfe und der Gläubigen ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 23). Gerade die große Notwendigkeit des Bundes 785 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Frieden, Liebe und Einheit haben die Bischöfe der ukrainischen Kirche immer gut begriffen. Viele Male haben sie im Laufe ihrer Geschichte dafür besonderes Zeugnis gegeben, schon seit der Einführung des Christentums in der Rus-Ukraine. Der Vertreter dieses Gebietes hat auf dem Konzil von Lyon nicht gefehlt; und dann der großartige Beitrag, den bei der Suche nach der Einheit der Kirchen Metropolit Isidor von Kiew auf dem Konzil von Ferrara und Florenz erbracht hat! Diesen heiligen Beginn brachten eure Bischöfe hier in Rom im Jahre 1595 und gleich darauf, nämlich ein Jahr später, auf dem Konzil von Brest zum glücklichen Abschluß. Für dieses große Anliegen haben eure Hierarchen jahrhundertelang unablässig gekämpft, und nicht wenige von ihnen haben dafür auch ihr Leben hingegeben. Wie ein strahlendes Licht leuchtet bis in unsere Tage für uns alle die Gestalt des hl. Erzbischofs Josaphat von Plock, des Märtyrers und Apostels der kirchlichen Einheit. Der byzantinische Ritus: Lebensquelle für die Kirche 3. Bekannt ist auch allen, mit welcher Liebe die ukrainische Kirche in ihrer nunmehr tausendjährigen Geschichte die liturgischen Funktionen, besonders die Eucharistie, mit dem Glanz des byzantinischen Ritus gefeiert hat als Lebensquelle für die Kirche und Unterpfand der künftigen Verherrlichung, durch die die um den Bischof vereinten Gläubigen - nach den Worten des Apostels - „Anteil an der göttlichen Natur erhalten“ (2 Petr 1,4). Man weiß auch, mit welch herrlichen Hymnen sie die selige Gottesmutter preisen und zugleich die großen Väter der gesamten Kirche rühmen. Eure heilige Aufgabe, geliebte Brüder, ist es nun, weiterhin intensiv für die große Sache der Einheit zu arbeiten, so daß sich die Worte und der sehnsüchtige Wunsch unseres Herrn Jesus Christus erfüllen können, daß „eine einzige Herde unter einem einzigen Hirten“ sei: Dazu soll in besonderer Weise das außerordentliche Heilige Jahr dienen, das von mir verkündet wurde, um das Jubiläum des Leidens und Sterbens unseres Herrn Jesus Christus feierlich zu begehen; es wurde bereits angesagt, und wir nähern uns seiner Eröffnung. Und es möge darüber hinaus der besseren Vorbereitung auf die Tausendjahrfeier der Christianisierung der Rus-Ukraine dienen, die in fünf Jahren von euch gefeiert wird. 4. Ich weiß, ehrwürdige Brüder, daß Gegenstand eurer Synodenberatungen pastorale Probleme waren sowie die Sorge um das Schicksal eurer Gemeinden, das Wohl der euch anvertrauten Seelen, die Hilfe für Lei- 786 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dende und Bedürftige, die Zunahme kirchlicher Berufungen und die Erneuerung des christlichen Lebens im Volk. In der Erfüllung eures Bischofsamtes seid ihr Spender der heiligen Sakramente sowie Verwalter und Hüter des ganzen liturgischen Lebens, und es ist eure Aufgabe, die Heiligkeit des Klerus, der Mönche und der Laien entsprechend ihrer Standesberufung zur Entfaltung zu bringen. Ich empfehle eurer Sorge insbesondere das Bemühen um Priester- und Ordensberufe und die Vorbereitung der Gläubigen auf die großen Aufgaben des Laienapostolats. Das alles erfordert die volle Einheit all eurer Kräfte und Bestrebungen um das wachsende Wohl eurer Gemeinden und damit eures ganzen Volkes. Die Regel, die seit den Anfängen der Kirche gilt und die auch heute mehr denn je gültig ist, lautet: daß die Bischöfe in brüderlicher Liebe geeint handeln und alles einträchtig tun für den Aufbau des mystischen Leibes Jesu Christi zum Ruhm Gottes und zum Wohl der Seelen. 5. Die Beratungen und die Arbeiten der Synode der ukrainischen Bischöfe würden natürlich fruchtlos bleiben, sollten sie nicht in das praktische Leben umgesetzt werden. Es bedarf daher der engsten Zusammenarbeit seitens der Priester und Mönche wie auch seitens des ganzen Gottesvolkes, also aller Gläubigen, mit ihren Bischöfen. Sie ermahne ich deshalb herzlich, durch euch das Wort Christi zu hören und freiwillig und hochherzig dem Ruf der Kirche in unserer Zeit zu entsprechen. Diese Zeit ist weder für euch noch für eure Kirche, besonders in der Heimat, leicht. Wie der Erlöser selbst mahnte, als er zu seinen Aposteln sagte: „Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15, 20). Aber dieser Kummer und diese Leiden werden sich in Freude verwandeln, wie uns die Seligpreisungen Christi versichern: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ {Mt 5, 11-12). Unwillkürlich steigt aus meinem Herzen die Anrufung des Heiligen Geistes, der hier bei der Synode ein gutes Werk an euch begonnen hat: Möge er es zur Vollendung führen! Der Schutz der seligen Gottesmutter begleite euch alle Tage eures Lebens. Schließlich, ehrwürdige, liebe Brüder, erflehe ich von Gott für euch und für die eurer Hirtensorge anvertrauten Priester und Gläubigen die reichsten göttlichen Gnaden und will euch allen aus ganzem Herzen den Apostolischen Segen erteilen. 787 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Wahrheit zur Geltung bringen Ansprache an die Journalisten des Katholischen Presseverbandes Italiens am 14. Februar Meine Herren Journalisten, liebe Freunde! 1. Ich freue mich sehr über die Begegnung, die wenige Tage vor dem Fest eures Schutzpatrons, des hl. Franz von Sales, stattfindet, das diesmal wegen des von der UNO für 1983 ausgerufenen Weltjahres der Kommunikationsmittel besonders feierlich begangen wird. Ich danke der Regionalsektion von Latium des Katholischen Presseverbandes Italiens, daß sie sich zur Fürsprecherin dieser Initiative gemacht hat, womit sie auch dem Wunsch Ausdruck gab, den zahlreiche Vertreter der Massenmedien im Verlauf der kürzlichen Tagung über das Thema „Ethik und Journalistenberuf“ geäußert haben. Ich bin Ihnen allen für Ihre herzliche Teilnahme dankbar, die mir erlaubt, offen zu Ihnen zu sprechen. Und ich danke darüber hinaus Herrn Abgeordneten Piccoli für die an mich gerichteten Worte, in denen er Ihren Gefühlen Ausdruck gegeben hat. 2. Wie ich bereits bei anderen Gelegenheiten betonen konnte, bin ich tief beeindruckt vom Adel und der schweren Verpflichtung Ihres Berufes. Durch die Anwendung des geschriebenen, gesprochenen und dargestellten Wortes ist der Journalismus eine Arbeit, die den Intellekt zum Dienst an der Wahrheit und des Guten verpflichtet, und spielt eine sehr bedeutende Rolle bei der Orientierung des persönlichen und kollektiven Denkens und Gewissens. Er verlangt daher die nicht alltäglichen Gaben des Scharfsinns, der Ausgewogenheit, des Fingerspitzengefühls, die, verbunden mit tiefem Verantwortungsbewußtsein, gleichzeitig und bei jeder Gelegenheit bei Erfüllung der Aufgaben angewandt werden müssen, die zu einem Beruf gehören, der mit der fortschreitenden Entwicklung technischer Mittel und ihrer Perfektionierung immer schwieriger geworden ist. Ihr Beruf verlangt in der Tat vielfältige Opfer, grenzenlose Hingabe, dauernde Erfahrung, ständiges Bemühen um menschliche, intellektuelle und geistige Reifung. Er setzt seine Vertreter auch leicht Gefahren aus, von denen die schwerste immer noch darin besteht - gebe Gott, daß das nur unfreiwillig geschieht! -, das heilige Antlitz der Wahrheit und das höchste Ideal des Guten zu trüben oder zu entstellen. Wie das päpstliche Lehramt in diesen Jahrzehnten wiederholt gesagt hat, 788 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN muß der Journalistenberuf als eine „Sendung“ zur Information und öffentlichen Meinungsbildung verstanden werden, die ihren Ursprung in einem starken inneren Antrieb hat, den wir Berufung nennen können. Diese Sendung, d. h. qualifizierte Aufgabe, verlangt vom einzelnen den persönlichen Einsatz, der seine besten Fähigkeiten mobilisiert; sie erfordert ihrer Natur nach, sich für den Schutz jeder Meinung einzusetzen, und wird zu einem Dienst, der — wie man auch im Jargon journalistischer Arbeit sagt - für immer in den Kriterien der Wahrhaftigkeit, der Objektivität und Klarheit verankert ist. Wenn auf diese Weise einerseits die enge Verknüpfung zwischen Beruf und Moral hervortritt, so wird andererseits der Raum für die persönlichen Möglichkeiten des Künstlers des Wortes, seiner Fähigkeit zu Beobachtung und Unterscheidung, seines besonderen und unwiederholbaren Ausdrucksstils keineswegs eingeengt. Ja, diese Fähigkeiten ziehen aus der Begegnung mit der Wahrheit und mit dem Guten einen dauernden Antrieb zu Vervollkommnung und Wertung. Die Wahrheit und das Gute besitzen ihre eigene Kraft der Verbreitung, die fasziniert, überzeugt und zugleich bestärkt. 3. Gewissermaßen müssen in Ihnen als Katholiken immer die „Diener des Wortes“ (Lk 1, 2) geehrt werden können, um den schönen Ausdruck auf Sie anzuwenden, den der hl. Lukas im Prolog zu seinem Evangelium gebraucht, um die zu bezeichnen, die vor ihm versucht hatten, die Ereignisse, deren Zeugen sie waren, schriftlich niederzulegen. Wie das Konzilsdekret Inter mirifica, die Päpstliche Instruktion Communio et progressio und die zahlreichen päpstlichen Interventionen beweisen, blickt die Kirche mit großer Sympathie und Freundschaft auf Ihre Arbeit als katholische Journalisten. Besonders am Herzen liegt ihr die „spezifisch katholische“ Presse (vgl. Inter mirifica, Nr. 14), nicht aufgrund einer einschränkenden Erwägung oder einer monopolistischen Sicht, sondern entsprechend dem Erfordernis der persönlichen göttlichen Sendung, allen Schichten der Menschheit die christliche Botschaft zugänglich zu machen im Bewußtsein, die Instanz der Wahrheit und der geistlichen Bildung in jenem Pluralismus von Stimmen zur Geltung zu bringen, der für die heutige Gesellschaft charakteristisch ist. Leider gibt es in diesem Pluralismus von Stimmen wegen der einander widersprechenden Ideologien und der verschiedenen Interessen auch solche, die den Weg der Lüge einschlagen, Haß und Zerstörung schüren oder sich zu Förderern von Unmoral und Sittenlosigkeit machen. Sie werden mit Recht vom gesunden Menschenverstand und vom echten 789 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufsethos der Journalisten abgelehnt, weil sie die geistigen und sittlichen Werte wie auch die elementare Würde des Menschen, die Beständigkeit seines freien und friedlichen Lebens gefährden. Ihre Verbreitung ist ein dringender Grund, ihnen Ihre positive Berufsarbeit entgegenzusetzen. 4. Da ich jetzt, wenn auch nur kurz, an die Gestalt Ihres teuren Schutzpatrons, des hl. Franz von Sales, des „liebenswürdigsten Heiligen“ - wie ihn der spätere Papst Johannes Paul I., der selbst Journalist war, gern bezeichnete (vgl. Illustrissimi, S. 142) —, erinnern möchte, hilft mir die von meinem Vorgänger Paul VI. verfaßte Beschreibung. In dem Apostolischen Schreiben zum vierhundertsten Geburtstag des berühmten Bischofs und Schriftstellers pries Papst Paul VI. dessen scharfe Erkenntnisgabe, seinen starken, klaren Verstand, sein scharfes Urteilsvermögen, seine unglaubliche Liebenswürdigkeit und Güte, die lächelnde Freundlichkeit seines Blickes und Wortes, die unveränderte und immer sichere Mäßigung (vgl. AAS 59, 1967, S. 116). Sind mit diesen knappen Ausdrücken nicht die Tugenden des Berufsjournalisten skizziert? Und werden nicht das Geheimnis und die Spur angegeben, denen der Künstler des Wortes folgen muß, um sich in würdiger Weise dem Publikum stellen zu können, gelesen und verstanden zu werden, während er so in angemessener Weise seine schwierige Sendung erfüllt? Heiliges Jahr: Die Welt blickt besonders nach Rom Wenn ich an dieses großartige Vorbild erinnere, möchte ich unterstreichen, daß unsere heutige Begegnung unmittelbar vor dem Jubiläumsjahr der Erlösung stattfindet, wenige Wochen vor dem Tag, an dem mit der Gnade des Herrn die symbolische und ergreifende Zeremonie der Öffnung der Heiligen Pforte vorgenommen wird. 5. Sie, meine lieben Freunde, von der katholischen Presse, wissen, was alles bereits für das große Ereignis angekündigt und bestimmt wurde; Ihnen ist seine Ankündigung an das Heilige Kollegium und die Römischen Prälaten am Tag vor dem Weihnachtsfest noch gegenwärtig; Sie sind auf dem laufenden über die kürzlich veröffentlichte Bulle Aperite portas redemptori, mit der das Jubiläumsjahr angesagt wurde. Ich werde daher nicht auf die Themen und Ausblicke eingehen, die in jenen Dokumenten ausgeführt sind: Sie sind, wie ich sagte, Meister in der Kunst, die Nachrichten und vor allem deren Wert zu sammeln und zu vermitteln. 790 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich will Sie vielmehr zur Mitarbeit anspornen. Mit der Macht der Ihnen zur Verfügung stehenden Mittel und indem Sie sich einer einfachen und klaren Sprache bedienen, die von den glänzenden Gaben des einzelnen Schreibers geprägt ist, mögen Sie sich die erhebende Botschaft von der persönlichen und gesellschaftlichen Versöhnung zu eigen machen, zu der ich die Söhne und Töchter der Kirche und alle Menschen, die der Frohbotschaft des Evangeliums wohlgesonnen sind, aufgerufen habe. Das Jubiläumsjahr wird in der ganzen Welt stattfinden. Doch die Welt wird besonders auf Rom blicken, und die Massenmedien werden sozusagen die Verstärker all dessen sein, was sich hier, am Sitz des Nachfolgers Petri, im Zentrum der Christenheit zutragen wird. In den chronologischen und religiösen Rahmen des Jubiläumsjahres fallen noch andere Ereignisse wie - um nur zwei besonders bedeutsame zu nennen - die Tagung der Bischofssynode und das Inkrafttreten des Kodex des Kirchenrechtes, der vor kurzem promulgiert wurde. Es wird in Überfluß Anregungen und Themen geben, die aus dem Leben der Kirche unserer Zeit stammen und Anlaß geben werden, sie in ihren tieferen Dimensionen, jenseits momentaner Neugier, zu analysieren, und zwar auch in Verbindung mit den Problemen, Sehnsüchten und Leiden, die die Entwicklung der Geschichte kennzeichnen. Die Kirche bemüht sich ernsthaft darum, auf diesem Weg jene leuchtenden Zielpunkte sichtbar werden zu lassen, die Paul VI. zum Abschluß des Heiligen Jahres 1975 prophetisch in dem Programm vor der „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ zusammengefaßt hat. Im Vertrauen auf die Gnade Gottes und die Fürsprache der seligen Jungfrau Maria hoffe ich aus ganzem Herzen, daß diese „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ auch durch den Beitrag eines Journalismus, der Frieden und Eintracht auf der Grundlage der ewigen Werte des Geistes fördert, im Begriff ist, die Oberhand zu gewinnen. 6. Mit diesen glühenden Wünschen spreche ich Ihnen nochmals mein aufrichtiges Vertrauen aus, während ich für Sie persönlich und für Ihre Arbeit den Schutz des hl. Franz von Sales erflehe, dem ich alle Ihre in der Welt verstreuten Kollegen anvertraue. Er möge Sie alle, liebe Medienvertreter, als Ihr Vorbild inspirieren; durch seine Fürsprache erleichtere er Ihren Einsatz zugunsten der Menschheit, der vor allem dahin zielen soll, der Wahrheit zu dienen, dem, was den Menschen positiv aufbaut, was ihn formt und besser macht. In dem Maß, in dem Sie dieses höchste transzendente Ideal verfolgen, versichere ich Ihnen, wie ich es bei anderer Gelegenheit getan habe (vgl. Insegnamenti di Giovanni Paolo II, 1979, 791 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN S. 318), daß die Kirche an Ihrer Seite steht, weil auch sie der Wahrheit und der Freiheit dient: der Freiheit, die Wahrheit kennenzulernen, sie zu verkündigen und in das Innerste jedes Herzens eindringen zu lassen. Ihnen, Ihren Familien und allen Ihren Lieben erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Die Fastenzeit - Aufforderung zur Umkehr Predigt beim Aschermittwochsgottesdienst in der Basilika Santa Sabina am 16. Februar 1. Heute ruft die Kirche die Fastenzeit aus, die große, vierzigtägige Bußzeit. In der Liturgie hören wir die Worte des Propheten Joel: „Ordnet ein heiliges Fasten an!“ (2, 15). Die Kirche bezieht sich auf diese Worte und richtet sich nach ihnen. Sie sagt ein heiliges Fasten an, das uns vierzig Tage lang auf Ostern vorbereiten soll. Auf diese Weise wollen wir das Vorbild des Herrn Christus selbst nachahmen, der zu Beginn seiner messianischen Sendung in Israel vierzig Tage fastete. Wir wollen uns auch beziehen auf den Weg des Gottesvolkes im Alten Testament, den Weg, der in vierzig Jahren dieses Volk unter der Leitung des Mose aus der Sklaverei Ägyptens in das verheißene Land führte. Die Kirche beginnt also die Fastenzeit des Jahres 1983 und ruft sie heute durch den Gottesdienst, an dem wir teilnehmen, aus. Uns wird Asche auf das Haupt gestreut, und während der Zelebrant das tut, spricht er die Worte aus dem Buch Genesis: „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zu Staub zurückkehren wirst“ (vgl. Gen 3,19), oder die Worte des Evangeliums: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ {Mt 1, 15). 2. Wir werden aufgerufen, fromme Werke zu tun, insbesondere Almosengeben, Gebet und Fasten. Diese Werke sind immer, in den verschiedenen Epochen und auch in den verschiedenen Religionen, Zeugnis dafür, daß das, was am Menschen fleischlich und äußerlich ist, dem unterworfen wird, was geistlich und innerlich ist. Der Herr Jesus ruft uns im heutigen Evangelium auch zu solchen Werken auf. Und die Kirche liest dieses Evangelium zu Beginn der Fastenzeit. Wir haben es soeben gehört. 792 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bezeichnend ist aber, daß Christus nicht so sehr zum Almosengeben, Gebet und Fasten aufruft, als darauf hinweist, wie diese frommen Werke ausgeführt werden sollen: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn von eurem Vater im Himmel zu erwarten“ {Mt 6, 1). Somit ist wohl in diesen Worten eine Aufforderung zum Almosengeben, zum Gebet und zum Fasten enthalten, vor allem aber ein Appell, solche Werke „im verborgenen“ zu; tun: vor dem Vater. „Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten“ {Mt 6, 4). 3. Die Fastenzeit ist also die Zeit, um. in sich zu gehen, die Zeit einer besonderen Innigkeit und Vertrautheit mit Gott im Verborgenen des eigenen Herzens und! des eigenen Gewissens. In dieser inneren Vertrautheit mit Gott vollzieht sich das eigentliche Werk der Fastenzeit: das Werk der Umkehr. In der inneren Verborgenheit und in der Vertrautheit mit Gott selbst, in der ganzen Wahrheit des eigenen Herzens und des eigenen Gewissens ertönen Worte wie die des Psalms der heutigen Liturgie: eines der tiefsten Bekenntnisse, die der Mensch je vor seinem Gott abgelegt haben dürfte: „Gott, sei mir gnädig nach deiner Huld, tilge meine Frevel nach deinem reichen Erbarmen! Wasch meine Schuld von mir ab, und mach mich rein von meiner Sünde! Denn ich erkenne meine bösen Taten. Meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt, ich habe getan, was dir mißfällt“ {Ps 51, 3-6). 4. Das sind läuternde Worte. Verwandelnde Worte. Sie wandeln den Menschen innerlich und sind ein Zeugnis seiner Wandlung. Sprechen wir sie oft während'der Fastenzeit. Und versuchen wir vor allem;, den Geist, aus dem sie leben, zu erneuern; die innere Eingebung, die die Kraft der Umkehr gerade an diese Worte gebunden hat. Denn die Fastenzeit, ist wesentlich Aufforderung zur Umkehr. Die frommen Werke, von denen das Evangelium spricht, öffnen dem. Weg dahin.. Vollbringen wir sie, soweit es möglich ist. Vor allem aber-bemühen wir uns um eine innere Begegnung mit Gott in unserem ganzen Leben,, in allem, aus dem es besteht - und.mit Blick auf die tiefe Umkehr zu ihm, die von dem Bußpsalm der heutigen Liturgie ausstrahlt. 5. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ So schrieb der Apostel an die Korinther {1 Kor 5, 20). 793 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und so spricht die Kirche, unsere Mutter, zu allen ihren Söhnen und Töchtern. So sei es heute, am ersten Tag der Fastenzeit, wie auch im Verlauf dieser ganzen Zeit. „Laßt euch mit Gott versöhnen“, denn er hat soviel für diese Versöhnung von unserer Seite getan. Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5,21). „Versöhnt euch“ daher, das heißt: Tretet ein in die Gerechtigkeit Gottes, die uns in Christus angeboten wird! Die Fastenzeit ist ja gerade die Zeit, in der wir die Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus besonders gegenwärtig machen sollen. Die ganze Kirche muß sie für sich gegenwärtig machen. Und jeder Christ muß das in der Gemeinschaft der Kirche tun. Die Gerechtigkeit Gottes gegenwärtig machen. Mit der Gerechtigkeit Gottes in Jesus Christus Zusammenarbeiten. „Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, daß ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt“ (2 Kor 6, 1). 6. Heute, am Aschermittwoch, zu Beginn der Fastenzeit 1983, in der sich die Pforte des Jubiläumsjahres der Erlösung auftun wird, beten wir, nachdem uns die Asche auf das Haupt gestreut wurde, in Demut darum, daß die Gnade dieser heiligen Zeit in uns nicht vergebens sein möge. Wir dürfen sie nicht vergebens empfangen. „Konkret und hochherzig teilen!“ Botschaft zur Fastenzeit 1983 Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! „Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte“ (Apg 2, 44 f.). Diese Worte des hl. Lukas klingen mir im Herzen auf, da wir uns gerade wieder anschicken, die Fastenzeit zu begehen: wertvolle Wochen, die die Kirche allen Christen anbietet, um ihnen zu helfen, über ihr tiefes Wesen als Söhne und Töchter des himmlischen Vaters und als Brüder und 794 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwestern aller Menschen nachzudenken und neuen Mut zu finden, konkret und hochherzig zu teilen; Gott selbst hat uns ja dazu berufen, unser Leben auf die Nächstenliebe zu gründen. Unser Verhältnis zum Nächsten ist deshalb grundlegend wichtig. Mit dem „Nächsten“ meine ich diejenigen, die an unserer Seite leben, in Familie und Nachbarschaft, im Dorf und in der Stadt. Gemeint sind aber ebenso die Arbeitskollegen, dann alle, die leiden und krank sind, die Einsamen, die wirklich Armen. Mein Nächster ist ebenso - und mag er auch räumlich weit entfernt von mir leben - der Mensch im Exil, der Mensch ohne Arbeit, Nahrung und Kleidung, dazu oft in Unfreiheit. Mein Nächster, das sind die Menschen, die nach unvorhersehbaren riesigen Katastrophen ganz oder fast am Ende ihrer Kräfte sind, die tief in äußerem oder moralischem Elend stecken und dabei sehr oft den schmerzlichen Verlust ihrer Lieben beklagen müssen. Die Fastenzeit ist so tatsächlich ein dringender Appell unseres Herrn Jesus Christus zur persönlichen wie auch gemeinschaftlichen inneren Erneuerung durch Gebet und Empfang der Sakramente, ebenso aber durch Taten der Nächstenliebe, durch persönliche und auch gemeinsame Opfer an Geld und allen Arten von Gütern, um auf diese Weise den Bedürfnissen und der Not unserer Brüder in der Welt abzuhelfen. Teilen ist eine Pflicht, der sich kein Mensch guten Willens, ganz gewiß nicht ein Jünger Christi, entziehen kann. Die Art des Teilens kann vielfältig sein: angefangen von freiwilliger Hilfe, die jemand als einen spontanen Dienst, wie er des Evangeliums würdig ist, anbietet, über hochherzige und sogar regelmäßige Spenden aus unserem Überfluß und zuweilen aus dem Notwendigen bis hin zur Arbeit, die dem Arbeitslosen, der schon alle Hoffnung aufgeben will, angeboten wird. Schließlich wird die Fastenzeit 1983 eine außerordentliche Gnadenzeit sein, da sie mit der Eröffnung des Heiligen Jahres der Erlösung zusammenfällt, das geeignet ist, das Leben der Christen bis in die Tiefe anzuregen, damit es immer mehr der göttlichen Berufung entspricht, die ihm zu eigen ist: nach dem Vorbild Christi wahrhaft Kinder Gottes und Brüder aller zu werden. Am Tage des feierlichen Beginns meines Pontifikates habe ich gesagt: „Öffnet weit eure Türen für Christus!“ Heute rufe ich euch zu: Öffnet weit eure Hände, um euren Brüdern in Not wirklich alles zu geben, was in eurer Macht steht! Schreckt nicht davor zurück! Seid alle und jeder einzelne frische und starke Mitarbeiter der Liebe Christi! JOANNES PAULUS PP. II 795 BOTSCHAFTEN UND ANSERACHEN Die „Schätze“ des Bistums Rom Ansprache an den römischen .Klerus bei der Audienz zu Beginn der Fastenzeit am 1,7.-Februar 1. Obwohl ich einen vorbereiteten Text zur Verfügung habe, möchte ich ihn nicht benützen, sondern lieber kurz auf die Worte eingehen, die wir gehört haben, und auf die Themen, die uns vor Augen gestellt wurden. Sprechen wir vor allem von der Familie. Ich habe noch immer die Bischofssynode von 1980 vor Augen .und in den Ohren, eine große pastorale Erfahrung im Rahmen der-Gesamtkirche. Paul VI. sagte einmal, daß für ihn die Teilnahme an den Vollversammlungen der Synode mehr zähle als viel Lektüre und andere Akte des Pontifikats, weiber dabei die Kirche so kennenlernen konnte, wie sie lebt, die Kirche in ihrer gelebten Erfahrung. Hier haben wir heute eine ähnliche Gelegenheit: Die römische Kirche enthüllt sich als gelebte Erfahrung und stellt sich in euch dar, in euren Worten und euren Stellungnahmen. Ein großer Reichtum: viele Feststellungen, viele Fragen, viele Ermutigungen, viele Einzelerfahrungen, viele Vorschläge. Das alles mußte bemerkt werden, um das volle und vollständige Empfinden von dem Reichtum dieser Begegnung zu haben, und ich darf sagen, daß ich diese Art der Begegnung mit dem Klerus von Rom bevorzuge: ihn anzuhören. Natürlich ist es auch Pflicht des Bischofs, zum Klerus zu sprechen, ebenso wie zu denGläubigen, zur ganzen Kirche. Aber zuhören bedeutet auch sprechen, wenn auch in einem anderen Sinn, denn in der Kirche herrscht die Gemeinschaft, und die erste Wirklichkeit der Gemeinschaft ist das Hören als Ausgangspunkt für die eigenen Worte. Die Probleme der Familie durchlitten Ich danke euch für alle diese Beobachtungen, Fragen, Anregungen. Viele davon, das stimmt, sind über die beiden vorgesehenen Themen hinausgegangen, aber alle gehören ;zu;der Wirklichkeit, mit der ich so tief verbunden bin, nämlich der Kirche von Rom. 2. Während ich noch einmal auf die Synode von 1980 zurückkomme, will ich auf das Dokument Bezug nehmen, das aus jener Synode hervorgegangen ist: Familiaris consortio. Man darf sagen, daß man das Problem der Familie bei der letzten Synode nicht nur diskutiert, studiert und sich damit auseinandergesetzt hat; man hat es gewissermaßen auch durchlitten. Und 79.6 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das deshalb, weil die Familie eine menschliche Wirklichkeit ist, die uns einerseits durch ihre Schönheit und Großartigkeit bezaubert, wenn man das Ideal, den göttlichen Plan von der Familie betrachtet, den wir verkündigen und unseren Brüdern und Schwestern vorstellen müssen. rJm Auf der anderen Seite läßt uns diese Wirklichkeit, die Familie, leiden, wenn man die verschiedenen menschlichen Erfahrungen, die vielfältigen Schwierigkeiten und Konflikte betrachtet. Ich will mich nicht allzu lange bei diesem Punkt aufhalten, aber ich möchte nur sagen, daß das Dokument Familiaris consortio, das aus jener Synode hervorgegangen ist, in der Tat das Abc der Familienpastoral darstellt und eifrig gelesen und studiert werden muß. Man muß dieses Dokument lesen. Ja, ich meine, eine wirksame Familienpastoral in jeder Diözese und dann in jeder Pfarrei besteht in einer immer gründlicheren Lektüre von Familiaris consortio, Lektüre nicht bloß im mechanischen und verstandesmäßigen Sinn des Wortes, sondern pastorale Lektüre, Lektüre mittels einer bestimmten Aufgabe, der pastoralen Aufgabe. Diese pastorale Aufgabe ist der Kirche anvertraut, ist uns anvertraut. Was die Familie betrifft, so ist diese Aufgabe ihr selbst übertragen, aber mit unserer Hilfe: Wir müssen der Familie helfen, sich selbst zu evangelisie-ren, ihr eigener Apostel, ihr eigener Katechet, ihre eigene Führerin zu sein. Das grundlegende Programm der Familienpastoral ist das: der Familie helfen, diese Aufgaben selbst zu übernehmen, ihre mensohlfekis und christliche Identität, ihre Berufung zu entdecken. Das alles findet sich in Familiaris consortio, und wir müssen immer auf den verschiedenen Ebenen der Kirche von Rom, angefangen von den Zentren des Vikariats bis zu den Präfekturen, den Pfarreien und den anderen verantwortlichen Gemeinschaften -, wir müssen immer die Lehre von Familiaris consortio in ihrer Vollständigkeit beachten und befolgen: alle Probleme, alle moralischen Grundsätze, die sich dort finden, die gesamte dogmatische und ethische Lehre, die in diesem Dokument Ausdruck findet. Und dann müssen wir die Wege und Möglichkeiten suchen, um diese Probleme in Angriff zu nehmen: Wie können wir uns ihnen stellen und was können wir tun, um die Familie zum aktiven Träger dieses Apostolats, dieser Sendung, dieser Pastoral zu machen. Natürlich — und das ist ein Gedanke aus Familiaris consortio — wird das Apostolat der Familie durch die Familie selbst erfüllt: eine Familie für die andere, jede Familie für sich selbst und jede für die anderen. Unsere Aufgabe besteht darin, das alles wachzurufen, es anzuregen und zu begleiten. In diesem Sinn können wir den Eltern, den Eheleuten, den 797 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Familiengemeinschaften helfen, diesen herrlichen Plan Gottes von der Familie tief zu leben. 3. Mit großem Interesse habe ich die verschiedenen Beiträge zum Thema „Heiliges Jahr der Erlösung“ gehört. Ich habe gesehen, daß es viele Erfahrungen, viele Ideen, viele Anregungen dazu gibt, wie das Heilige Jahr in Rom gelebt und erlebt werden soll. Ein ganzes pastorales Potential, eine pastorale Kreativität wird da in euren Worten greifbar, und ich muß sagen, ich habe alle Beiträge mit größtem Interesse gehört; ich habe viel gelernt, denn unter den Mitgliedern dieser Versammlung befinden sich Personen, die bereits das Heilige Jahr 1933 und auch das Heilige Jahr 1925 miterlebt haben. Wir aber müssen das Heilige Jahre 1983 leben, mit der Erfahrung unserer Zeit, vertieft durch die Erfahrungen mit der Vergangenheit. Ich will nicht auf Einzelheiten eingehen, denn für die Diözese Rom gibt es ein Komitee, das sich mit diesen Problemen befaßt und das, wie ich hoffe, ein entsprechendes Programm vorlegen wird, aber ich möchte sagen, daß das Heilige Jahr der Erlösung, so wie es in den Ausgangsdokumenten und besonders in der Verkündigungsbulle geplant ist, vor allem als eine Wirklichkeit des Alltags zu betrachten ist, die in außergewöhnlicher Weise gelebt wird - durch den Umstand des kairös, durch den Umstand dieses Jahres. Ich meine, das Prinzip muß das folgende sein: Das Heilige Jahr muß von unten her, nicht von oben her gelebt werden. Man soll nicht von den großen Papstfeiern ausgehen: Gewiß, der Papst dient allen. Aber das Heilige Jahr muß gelebt werden, indem man in der Pfarrei beginnt. Das habe ich in den Dokumenten, in der Bulle, in Ansprachen zu betonen versucht, und ich habe die Absicht, es auch in meinem Gründonnerstagsbrief an die Priester zu unterstreichen. Man muß von der Basis der Pfarrei ausgehen: Die Pfarrei muß das Heilige Jahr in ihrem Rahmen leben, wenn auch natürlich in Beziehung zur Diözese, in Beziehung zur Kirche von Rom, aber beginnend bei sich selbst, bei ihrer eigenen Gestalt. Ein Heiliges Jahr der Pfarreien Das ist kein außerordentliches Vorhaben oder die Planung von etwas, das Zusatz bleiben soll; im Gegenteil, es muß in das Leben der Pfarrei eingehen, es muß aus dem Leben der Pfarrei hervorgehen und sich in ihrem gewöhnlichen Leben äußern. So sehe ich das Heilige Jahr in Rom, das in den 310 Pfarreien gefeiert wird, als Heiliges Jahr der Pfarreien. Hier in Rom besitzen wir natürlich besondere Bezugspunkte; die Basili- 798 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ken, Sankt Peter, den Papst, die Heilige Pforte; alle Reichtümer und Schätze, die uns aus der Vergangenheit überkommen sind und die zur Wirklichkeit des Heiligen Jahres gehören. Diese Reichtümer werden in den Kirchen von Rom, in der Diözese Rom eigenes Leben haben, wenn es so viele Heilige Jahre, so viele Jubiläumsjahre wie Pfarreien gibt. Dann werden alle diese Pfarreien in diesen Bezugspunkten zusammenfließen, und so werden wir sagen können, daß unsere Diözese Rom das Heilige Jahr gelebt hat, und so, sehe ich, soll das Heilige Jahr in allen Diözesen der Welt gelebt werden. Wäre ich in diesem Augenblick nicht Bischof von Rom, sondern Bischof von Krakau, würde ich versuchen, es genauso zu organisieren, genauso zu verwirklichen: über die Pfarreien. So viele Pfarreien, so viele Feiern oder so viele erlebte Erfahrungen des Jubiläumsjahres der Erlösung. 4. Ich möchte euch dafür danken, daß ihr mir heute Gelegenheit zu der Begegnung mit eurer Gemeinschaft, mit den Priestern von Rom, geboten habt. Ich darf betonen, daß für mich jede Begegnung mit meiner Kirche, der Kirche von Rom, mit jeder Pfarrei von Rom sehr wertvoll ist; wertvoll ist jeder Pastoralbesuch, den ich, wann immer möglich, durchzuführen versuche; wertvoll sind alle anderen Begegnungen und die übrigen Erfahrungen, die ich mit den Gläubigen, mit den Priestern, mit den Ordensmännern und Ordensfrauen der Diözese Rom mache. Rom ist eine sehr reiche Diözese, und wenn die Diözese reich ist, muß der Bischof sehr arm sein, um sich diesem Reichtum stellen zu können. Ich glaube, der ärmste unter allen Bischöfen der Welt muß der Papst sein, weil seine Diözese so reich ist. 799 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsame Quelle des Denkens und des Menschenideals Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des ersten Botschafters Norwegens beim Hl. Stuhl, Torbjörn Kristoffer Christiansen, am 18. Februar Herr Botschafter! Ich empfange Sie voll Freude in diesem Haus und danke Ihnen herzlich für die feinfühligen Empfindungen und vornehmen Worte, die Sie soeben bei Überreichung Ihres Beglaubigungsschreibens zum Ausdruck gebracht haben. Wir alle hier ermessen mit Ergriffenheit die Bedeutung des historischen Augenblicks, in dem das Königreich Norwegen zum ersten Mal durch einen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter zum Zweck dauernder diplomatischer Beziehungen beim Hl. Stuhl vertreten ist. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie Seiner Majestät König Olaf V., dessen Wohlwollen und guten Wünsche Sie mir überbringen, meine Dankbarkeit übermitteln wollten. Wie mein Vorgänger Paul VI., der ihn hier vor 15 Jahren empfing, bringe ich ihm meinen respektvollen Gruß und meine herzlichen Wünsche für ihn persönlich, seine Familie und das ganze norwegische Volk zum Ausdruck. Das erste Gefühl, dessen ich Eure Exzellenz versichern möchte, ist die Sympathie, mit der der Hl. Stuhl auf Ihr Land blickt. Wer hat nicht, ohne das strenge Klima vor allem während der langen Winternächte zu vergessen, angesichts der Schönheit Ihrer Berge, Ihrer Wälder, der Fjorde, die die ganze Küste zackenartig einrahmen, Bewunderung und Träume empfunden? Und ohne bis in die Zeit der Wikinger und ihrer abenteuerlustigen Seefahrer zurückzugehen, kennt man den mutigen, arbeitsamen Charakter Ihrer Landsleute, die es verstanden haben, ihrem Land eine große moderne Entwicklung zu geben und ihm nach einer Reihe von Wechselfällen seine volle Unabhängigkeit zu sichern, während es enge Beziehungen zum Nordischen Rat, zum Europarat und der Organisation der Vereinten Nationen unterhält. Ja, der Hl. Stuhl betrachtet aufmerksam alle diese Gegebenheiten, denn die katholische Kirche, deren Berufung universal ist, bleibt achtungsvoll aufgeschlossen für die besonderen menschlichen Reichtümer aller Länder, die das Konzert der Nationen bilden. Sie, Herr Botschafter, haben selbst sehr gut die Elemente hervorgehoben, 800 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die geeignet waren, tiefere Bande zwischen dem Hl. Stuhl und Norwegen zu knüpfen. Es gibt in der Tat eine gemeinsame Quelle der Überlieferungen, des Denkens, des Menschenideals, der Verhaltensweisen, d. h. den christlichen Glauben, den alle europäischen Länder im Laufe des ersten Jahrtausends der Kirche als Geschenk empfangen haben, das Früchte bringen sollte. In Kürze wird Ihr Land die Tausendjahrfeier seiner Christianisierung begehen können, die unter den ersten christlichen Königen Haakon dem Guten, Olaf Tryggvesson und vor allem Olaf Haraldsson sich vollzog, der so darauf brannte, sein Volk dem Christentum zuzuführen, und mit Recht verehrt und geliebt wird. Sie haben auf die engen Beziehungen angespielt, die damals zwischen den Bischöfen Norwegens und dem Bischof von Rom bestanden. Die katholische Kirche möchte in Ihren Landsleuten, die heute großenteils dem lutherischen Bekenntnis angehören, Brüder sehen, die ihrerseits auf der Suche nach der von unserem gemeinsamen Herrn gewollten Einheit und darum bemüht sind, das Evangelium im Herzen der Menschen und der Gesellschaft zum Leuchten zu bringen. Im übrigen gibt es — wenn man, wie das bei dieser Audienz normal ist, sich in die Lage des Hl. Stuhls und der politisch Verantwortlichen Norwegens versetzt - Idealvorstellungen vom gesellschaftlichen und internationalen Leben und auch den Mitteln, die ihre Erreichung erlauben, denen die einen wie die anderen verbunden sind: die Förderung der Gerechtigkeit für alle; die Suche nach Sicherheit und Frieden durch ständige Wiederaufnahme eines klaren und fairen Dialogs, der die Rechte, Traditionen und legitimen Interessen eines jeden respektiert; die Solidarität der Völker im Kampf gegen Hunger und Analphabetentum; die Achtung der Grundrechte des Menschen, die unter allen Umständen gewährleistet sein muß; die praktische Erfüllung einer richtig verstandenen Freiheit, die alle Staatsbürgern freie Meinungsäußerungen und Beteiligung gestattet; der Sinn für das Gemeinwohl der Nation und der internationalen Gemeinschaft. Das alles macht die Vorzüge der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und Ihrem edlen Land verständlich, die heute aufgenommen werden und deren privilegierter Repräsentant Eure Exzellenz im Namen Ihres Souveräns und seiner Regierung sein wird, so wie der Apostolische Pro-Nuntius es bei diesen ist. Wie Sie erwähnt haben, hat es bereits Beziehungen und Zusammenarbeit von Repräsentanten oder Beobachtern des Hl. Stuhls mit Ihren Diplomaten bei der Arbeit internationaler Konferenzen gegeben. Aber die neuen Verbindungen in Form bilateraler Beziehungen haben auch andere Ziele im Auge. 801 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Man denkt selbstverständlich an das Vorhandensein katholischer Gemeinden, die in sehr beschränkter Zahl und stark verstreut, vor allem außerhalb der Diözese Oslo, liegen. Dank der Religionsfreiheit, die sie genießen, können sie ihren Glauen pflegen, Zeugnis geben in der Respektierung aller, auf dem Gebiet der Kultur und der Pflege alter und kranker Menschen ihre Dienste leisten und sich mit ihren anderen christlichen Brüdern an den notwendigen Bemühungen für das Gemeinwohl beteiligen. Angesichts ihrer organischen Verbindungen zum Stuhl Petri werden Sie verstehen, daß ich Ihnen gegenüber eine besondere und Hebevolle Sorge zum Ausdruck bringe. Aber gerade indem er ihr Zeugnis unterstützt, interessiert sich der Hl. Stuhl zugleich für die Entwicklung der geistlichen Werte bei allen Ihren Landsleuten, vor allem wenn die bevorzugte Aufmerksamkeit, die als Folge des Wirtschaftsaufschwunges besonders den materiellen Gütern gilt, und die allgemeine Entwicklung der Denkströmungen und Sitten eine große Zahl immer weniger geneigt macht, sich um die wesentliche Beziehung zu Gott und die vom Evangelium inspirierten Tugenden zu kümmern. Ich bin schließlich davon überzeugt, daß auf der Ebene internationaler Beziehungen die Bemühungen des Hl. Stuhls und Norwegens sich immer stärker werden annähem können zum Wohl der Menschen, die sich in Not befinden, und für den Fortschritt der Völker, entsprechend den Grundsätzen, an die wir erinnert haben. Sie begegnen hier nicht einem Staat wie anderen: Er ist im 20. Jahrhundert nur der Träger einer geistlichen Institution; er hat keine Eigeninteressen zu verteidigen, sondern Interessen, die allen Menschen und allen Gläubigen, wo immer sie sich befinden, gemeinsam sind. Ich hoffe, daß Ihre Sendung Ihnen erlauben wird, vor allem Zeuge zu sein und Beziehungen zu fördern, die sich als fruchtbar erweisen sollen. Für diese Sendung spreche ich Ihnen meine besten Wünsche aus und bitte Gott, Ihre Person und Ihr teures Land zu segnen. 802 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeichen der Hoffnung Schreiben an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zum 25jährigen Bestehen der Fastenaktion Misereor vom 22. Februar Meinem ehrwürdigen Bruder Joseph Kardinal Höffner, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz In diesen Wochen der Vorbereitung auf das Osterfest, das Fest der Erlösung und der Versöhnung, richte ich an Euch, liebe Brüder und Schwestern, Bischöfe und Gläubige in der Bundesrepublik Deutschland, ein aufrichtiges Wort der Anerkennung und des Dankes. Anlaß dazu ist die Fastenaktion Misereor, die Ihr in dieser österlichen Bußzeit zum 25. Mal durchführt. Misereor habt Ihr Eure Aktion vor 25 Jahren genannt. Durch die Wahl dieses Namens bringt Ihr zum Ausdruck, daß Ihr Euren Beitrag zur Entwicklung, zur Überwindung von Not, Ungerechtigkeit, Hunger und Krankheit in der Welt zutiefst als ein Werk Eures Glaubens und als Teilhabe an dem unendlichen göttlichen Erbarmen verstehen wollt, das uns in Jesus Christus geschenkt ist. Diese Verankerung Eurer Aktion im Glauben und ihre Verknüpfung mit der christlichen Tradition des Fastens war eine wegweisende Entscheidung. Sie war die Voraussetzung dafür, daß Eure Hilfe, die ihre Kraft aus der Bekehrung des Herzens und der Besinnung auf die wahre, in Christus geoffenbarte Würde des Menschen hat, für viele Millionen von Notleidenden und Unterdrückten zu einem christlichen Zeichen der Hoffnung werden konnte. Die 25. Fastenaktion Misereor fällt zeitlich mit der Eröffnung des außerordentlichen Heiligen Jahres zusammen. Das Jubiläumsjahr der Erlösung, das wir zur Erinnerung an den Tod und die Auferstehung Christi vor 1950 Jahren feiern, soll für die ganze Kirche ein Jahr der Besinnung auf die versöhnende und Einheit stiftende Kraft der christlichen Botschaft sein. Es soll uns bereitmachen zu Buße und Umkehr, zu einer weltweiten Bewegung für Versöhnung und Frieden. Je mehr wir uns in das Geheimnis der Erlösung, in das Geheimnis Jesu Christi, seiner Menschwerdung, seines Todes und seiner Auferstehung vertiefen, um so mehr wird uns bewußt, wie unendlich groß Gottes Erbarmen mit jedem einzelnen Menschen und mit der ganzen Menschheit ist. Von Gott überreich beschenkt, fühlen wir uns zugleich gedrängt und aufgefordert, seine Gaben auch an unsere notleidenden Brüder und Schwestern weiterzuschenken. Christus selbst hat gelehrt, „daß der Mensch das Erbarmen Gottes nicht nur empfängt und erfährt, sondern 803 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch berufen ist, an seinen Mitmenschen Erbarmen zu üben: ,Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden“1 (Enzyklika Dives in misericordia, 14). Bei zahlreichen Begebenheiten, vor allem aber auf meinen Pastoraireisen, habe ich mich davon überzeugen können, daß Euer Fastenopfer und die Arbeit Eures Bischöflichen Hilfsdienstes Misereor reiche Früchte tragen. Euer Bruderdienst schenkt vielen Menschen neuen Lebensmut. Den Schwesterkirchen hilft Eure Solidarität, dem Auftrag des Evangeliums besser gerecht zu werden. Gemeinsam mit vielen anderen Fastenaktionen und Hilfswerken und in enger Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat Cor Unum leistet Ihr einen unverzichtbaren Beitrag dazu, daß mehr Menschen ihre von Gott geschenkte Würde erfahren und zu neuer Hoffnung und Lebensfreude gelangen können. Dies dient zugleich der sozialen Gerechtigkeit, der Versöhnung und dem Frieden und fördert die Einheit unter den Völkern und in der Kirche. Dafür möchte ich Euch von Herzen danken. Wer gibt, dem wird gegeben. In vielen Ländern ist die Not der Menschen unsagbar groß, und an manchen Orten wird sie sogar von Tag zu Tag noch größer. Laßt deshalb nicht nach in Eurer Bereitschaft, dem Schwachen, Hungernden, Kranken und dem in seiner Würde verletzten Bruder beizustehen. Laßt nicht nach in Eurer Bereitschaft zum brüderlichen Teilen, auch wenn Euch im eigenen Land wirtschaftliche Schwierigkeiten, Arbeitslosigkeit und manch andere Nöte bedrängen. Erinnert Euch stets daran: Wer gibt, dem wird in Überfülle gegeben werden. Seit daher stets offen für die Weisheit und Werte der anderen Völker. Laßt Euch von ihnen auch in Eurem Glau-benm stärken. Ich bitte Euch, laßt uns gemeinsam und zu jeder Zeit Gottes Erbarmen anrufen und es durch Wort und Tat unaufhörlich verkünden, vor allem aber in dieser österlichen Bußzeit und während des nun beginnenden Heiligen Jahres. „Misereor super turbam“ - „Mich erbarmt der Menschen“ (Mk 8, 2). Möge er, der einst diese Worte gesprochen hat, uns den tiefen Sinn des Erbarmens erschließen und uns helfen, seines Erbarmens würdig zu sein. Dazu erteile ich Euch, meinen Mitbrüdern im Bischofsamt und allen Gläubigen in der Bundesrepublik Deutschland, die das verdiente Hilfswerk Misereor in der Vergangenheit durch ihr persönliches Opfer getragen haben und auch weiter großzügig fördern, von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 22. Februar 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. 804 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vom alten zum neuen Kodex Ansprache an die Mitglieder der Sacra Romana Rota am 26. Februar 1. Ich danke dem Herrn Dekan herzlich für die Worte, in denen er die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdrück gebracht und die Schwierigkeiten und Perspektiven der umfassenden Tätigkeit hervorgehöben hat, der Sie sich alle mit hochherziger Hingabe widmen. Diese jährliche Begegnung ist für mich eine" willkommene Gelegenheit, vor allem einen herzlichen Gruß an alle zu richten, die ihre Kräfte auf diesem sensiblen, empfindlichen Gebiet des Lebens der Kirche einsetzen: Sie, Herr Dekan, das Kollegium der Auditoren, die den Gerichtshof bilden, die übrigen Gerichtsangestellten und die Gruppe der Anwälte der Rota, die ich hier in großer Zahl vertreten sehe. Ich freue mich, voll Dankbarkeit die Personen empfangen zu dürfen, die die Verwaltung der Gerechtigkeit im Namen dieses Apostolischen Stuhles zu ihrem Beruf gemacht haben. Außerdem bietet sich mir hier die Gelegenheit, mich der Gewohnheit entsprechend mit Ihnen über jene Aspekte Ihrer Arbeit zu unterhalten, die von Jahr zu Jahr mehr Aufmerksamkeit zu verdienen scheinen. Unsere heutige Begegnung findet wenige Tage nach der feierlichen Promulgation des neuen kirchlichen Gesetzbuches statt, das, wie ich in der Konstitution Sacrae disciplinae leges gesagt habe, „als das unerläßliche Instrument anzusehen (ist), mit dessen Hilfe die erforderliche Ordnung im persönlichen wie gesellschaftlichen Leben wie in der Leitung der Kirche selbst sichergestellt wird“ (AAS, 75, 1983, S. XI, O.R., dt., 4. 2. 1983, S. 4). Am Ende der langen und verdienstvollen Arbeit an der Reform der Gesetze der Kirche meine ich rückblickend, die wahren Worte wiederholen zu können, die mein Vorgänger Paul VI. am 12. Februar 1968 unter Bezugnahme auf die Revision des Kodex an Sie gerichtet hat: „Die reiche und vielfältige Erfahrung, die von Ihrem Gerichtshof in diesen letzten Jahren gesammelt wurde, versetzt Sie heute wie in der Vergangenheit in die Lage, ausgiebiges und qualifiziertes Material für die neue Gesetzgebung bereitzustellen. Nicht nur, wie es auf der Hand liegt, der Teil, der der Struktur und Dynamik der kirchenrechtlichen Entwicklung und der Lehre über die Ehe gewidmet ist, sondern auch die Prinzipien und grundlegenden Einrichtungen des Kirchenrechts werden durch den Beitrag, der in Ihren Entscheidungen enthalten ist, richtiger bestimmt und in genaueren und zutreffenderen Begriffen definiert. Durch diese Entscheidungen werden in den neuen Kodex die Ergebnisse, die von der jüngsten Uberarbei- 805 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung des zivilen Rechts der Nationen glücklich erreicht worden sind, ebenso einfließen wie die von der medizinischen und psychiatrischen Wissenschaft erworbenen Daten. Der zutiefst humane Geist, der Ihre Gerichtsurteile inspiriert, wird dazu beitragen, das Geheimnis des Menschen und des Christen von heute zu erhellen, das heißt des Menschen, für den der neue Kodex bestimmt sein wird, dem die neue Gesetzgebung eine klare Leitlinie und eine wirksame Hilfe bieten soll, um die evangelischen Wahrheiten und seine Berufung in der Kirche Christi mutig zu leben“ (AAS 60, 1968, 205-206). Mir will scheinen, daß die Voraussage Pauls VT. sich in den Gesetzestexten des neuen Kodex weitgehend erfüllt hat: Die den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils entsprechende kirchliche Lehre und die in ihm enthaltenen pastoralen Anweisungen stellen einen anregenden Reichtum und eine konkrete Beziehung zur Wirklichkeit sicher, die aufmerksames Studium verdienen, um dann auf das Leben der Kirche angewandt zu werden. 2. Ich möchte nun im besonderen einige Elemente hervorheben, welche die wichtige und unersetzliche Arbeit betreffen, die die Sacra Romana Rota als ordentlicher Gerichtshof des Papstes zum Wohl der gesamten Kirche durchführt. Ich beziehe mich dabei vor allem auf das, was der neue Kodex in Kanon 221 § 1 sagt: „Den Gläubigen steht es zu, ihre Rechte, die sie in der Kirche besitzen, rechtmäßig geltend zu machen und sie nach Maßgabe des Rechts vor dem zuständigen kirchlichen Gericht zu verteidigen.“ Und im folgenden Paragraphen wird präzisiert: „Wenn Gläubige von der zuständigen Autorität vor Gericht gezogen werden, haben sie auch Anrecht auf ein Urteil, das nach Recht und Billigkeit gefällt wird.“ Die Kirche hat stets die Rechte der Gläubigen respektiert und gefördert und im neuen Kodex dafür sogar Grundsätze erlassen (vgl. can. 208-223), worin sie auf der Linie der Entsprechung von Rechten und Pflichten, die der Würde der Person des Gläubigen eigen sind, angebrachte Rechtsgarantien für eine Vorsorge und für einen entsprechenden Schutz bietet. Das Dienstamt des kirchlichen Richters ist darum das des Wortführers und Auslegers der Gerechtigkeit und des Rechts. Außerdem wird, wie ich in meiner Ansprache am 17. Februar 1979 gesagt habe, „der kirchliche Richter . . . sich nicht nur vor Augen halten müssen, daß die erste Forderung der Gerechtigkeit die Achtung der Person ist . . ., sondern er wird sich über die Gerechtigkeit hinaus um Gleichheit bemühen und über 806 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese hinaus um Nächstenliebe.“ (Insegnamenti di Giovanni Paolo II, 11-1979, 410; O.R., dt., 9. 3. 1979, S. 4). 3. Aber der Schutz der persönlichen Rechte aller Glieder des Gottesvolkes, ob Gläubige oder Hirten, darf nicht die Förderung jener kirchlichen Gemeinschaft mindern, die die wichtigste Instanz der gesamten kirchlichen Gesetzgebung darstellt und die das ganze Tun und Wirken des Gottesvolkes leiten muß. Die Kirche wird in der Tat als „Sakrament der Einheit“ bezeichnet (Lumen gentium, Nr. 1). „Wenn der Gläubige“, wie ich in derselben Ansprache gesagt habe, „unter dem Antrieb des Geistes die Notwendigkeit einer gründlichen Revision seines Verhältnisses zur Kirche erkennt, wird er die Behauptung und Ausübung seiner Rechte in die Annahme der Pflicht zur Einheit und Solidarität umwandeln, um die höheren Werte des Gemeinwohls zur Geltung kommen zu lassen“ (.ebd., S. 4). Die Spannung gegenüber dem Gemeinwohl und gegenüber der Mitverantwortung aller Glieder der Kirche beim Aufbau jener festgefügten Gesellschaft, die Heilsträgerin für alle Menschen ist, erfordert die Respektierung der Rollen jedes einzelnen gemäß seinem Rechtsstatus in der Kirche und den wirksamen Einsatz aller öffentlichen Funktionen, denen potestas sacra zukommt. Und das alles in der Perspektive einer tiefer reichenden Erlösung des Menschen von der Knechtschaft der Sünde und vom Mythos einer trügerischen Freiheit. „Mit der Berufung auf das Autoritätsprinzip und auf die Notwendigkeit der Rechtsordnung entzieht sich nichts dem Wert der Freiheit und der Wertschätzung, die ihr ständig zuteil werden muß“, hat Paul VI. in seiner Ansprache am 29. Januar 1970 gesagt; „es werden jedoch die Forderungen nach einem sicheren und wirksamen Schutz der gemeinsamen Güter betont, darunter jenes grundlegende Gut der Ausübung der Freiheit, die nur ein wohlgeordnetes Zusammenleben in angemessener Weise garantieren kann. Denn was wäre die Freiheit dem einzelnen wert, wenn sie nicht von weisen und zweckmäßigen gesetzlichen Bestimmungen geschützt würde? Mit Recht sagte der große Cicero (Anm. d. Ubers.: ,Arpinate‘, weil Cicero in Arpinum geboren wurde): ,Verwalter der Gesetze sind die Beamten, Ausleger der Gesetze sind die Richter, wir alle schließlich sind darum Diener der Gesetze, damit wir frei sein können“ “ (AAS, 62, 1970, S. 115). Auch ich habe in der Konstitution Sacrae disciplinae leges auf den falschen Gegensatz von Freiheit und Gnade, Charismen und Gesetz der Kirche hingewiesen; und ich habe in diesem Zusammenhang erklärt: „Unter 807 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diesen Umständen scheint es hinreichend klar, daß es keinesfalls das Ziel des Kodex ist, im Leben der Kirche den Glauben, die Gnade, die Charismen und vor allem die Liebe zu ersetzen. Im Gegenteil, Ziel des Kodex -ist es vielmehr, der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und dem Charisma den Vorrang einräumt und zugleich ihren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert“ (AAS, 75, 1983, S. XI; O.R., dt., 4. 2. 1983, S. 4). 4. Was das Amt des Richters und die Rechtsprechung in der Kirche anbelangt, muß hervorgehoben werden, daß der Richter abgesehen von der leitenden Rolle, die er aufgrund seines Amtes in jedem Prozeß ausübt, ohne Zweifel Entscheidungsfreiheit besitzt, die ihm der Gesetzgeber zugesteht und die sowohl die Eignung und Kompetenz (vgl. can. 1420-1421 des neuen Kodex) als auch die genaue Einhaltung der Verfahrensvorschriften einschließt. Dadurch wird einerseits die einwandfreie Verwaltung der Gerechtigkeit garantiert, andererseits die Freiheit des Gewissens des Richters, da ja von ihm nicht nur „die moralische Gewißheit über die durch Urteil zu entscheidende Sache“ gefordert wird, sondern er auch daran erinnert wird, daß er die Beweise nach seinem Gewissen würdigen“ muß (can. 1608, §§1-3). Da der neue Kodex mit aller Klarheit Richter und Gerichtspersonen dazu verpflichtet, alle Prozesse in erster und zweiter Instanz rasch zu Ende zu führen (vgl. can. 1453), wird das nicht zum Nachteil der Gerechtigkeit und des Rechtsschutzes aller gereichen, sondern vielmehr sowohl den am Prozeß beteiligten Parteien als auch der Gemeinschaft helfen, deren Mitglieder sie sind. Diese Forderung erhebt sich um so dringender, als die Rechtsprechung der Sacra Romana Rota wie übrigens auch die anderen Apostolischen Gerichtshöfe und darüber hinaus die Praxis der Dikaste-rien der Römischen Kurie als Wegweiser und Orientierung bei der Auslegung der Gesetze zu betrachten sind (vgl. can. 19). Auf dieser Linie hat die Rechtsprechung der Rota im Laufe der Kirchengeschichte in bezug auf die Entwicklung der Rechtsnormen eine zunehmende, nicht nur moralische, sondern auch juridische Autorität erworben. Besonders in der Übergangsphase zwischen dem alten und dem neuen Kirchenrecht hat sie eine entscheidende Rolle gespielt bei der Aufnahme der wichtigsten Forderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem was die Inhalte der christlichen Ehe betrifft (vgl. Gaudium et spes, Nr. 47-52), und ihrer Übertragung in Gerichtsurteile, die selbstverständ- 808 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh nur für die Parteien und die betroffenen Personen bindend sind (vgl. can. 16, § 3). 5. Diese Funktion der Sacra Romana Rota muß unbedingt fortbestehen und weiter entwickelt werden aufgrund der hohen und vorbildlichen Qualität der von allen Mitarbeitern Ihres und meines Gerichtshofes geleisteten Arbeit, um eine immer größere Treue zur Lehre der Kirche über das Wesen und die Eigenschaft der Ehe zu gewährleisten, die im übrigen im neuen kirchlichen Gesetzbuch ausführlich und in ihrer theologischen Tiefe vorgelegt werden (vgl. can. 1055-1165). Denn die Aufgabe der Rechtsprechung der Rota besteht darin, - freilich unter Beachtung eines gesunden Pluralismus, in welchem sich die Universalität der Kirche widerspiegelt — zu einer übereinstimmenden Einheit und einer wesentlichen Einheitlichkeit beim Schutz der Wesensinhalte der kanonischen Ehe zu führen, welche die Brautleute als Verwalter des Sakraments in Zustimmung zur Tiefe und zum Reichtum des Geheimnisses im gegenseitigen Bekenntnis ihres Glaubens vor Gott schließen. Bei der Generalaudienz am 9. Januar dieses Jahres habe ich gesagt: „In diesem Bereich ist der Mensch Urheber von Handlungen, die an und für sich eine klare Bedeutung haben. Er ist als Urheber der Handlungen und zugleich Urheber ihrer Bedeutung. Die Summe jener Bedeutungen stellt gewissermaßen das Ganze der Sprache des Leibes dar, in der die Brautleute als Spender des Ehesakraments miteinander sprechen wollen. Das Zeichen, daß sie mit den Worten des Eheversprechens setzen, ist nicht ein bloß spontanes, momentanes Zeichen, sondern ein zukunftweisendes Zeichen, das bleibende Gültigkeit hat, das heißt, das eine und unauflösliche Ehebündnis meint ,solange ich lebe1, d. h. bis zum Tod. In dieser Perspektive müssen sie das Zeichen mit dem vielfältigen Inhalt erfüllen, den die Ehe- und Familiengemeinschaft von Personen bietet, auch mit jenem Inhalt, der seinen Ursprung in der Sprache des Leibes hat und ständig neu erlernt wird, um wahr zu bleiben. So bleibt die wesenhafte Wahrheit des Zeichens mit dem Ethos des ehelischen Verhaltens lebendig verbunden“ (O.R., dt., 28. 1. 1983, S. 2). Daher will ich Ihnen als hervorragenden Gesetzeskennern und klugen Interpreten seiner Bestimmungen, wünschen, daß Sie auch in dieser, für die Kirche so lebenswichtigen richterlichen Aufgabe dazu beitragen, daß die Gläubigen bei voller Anerkennung der moralischen Ordnung und bei Achtung der wahren Freiheit „Zeugen jenes Liebesgeheimnisses werden können, das der Herr durch seinen Tod und seine Auferstehung der Welt geoffenbart hat“ (Gaudium et spes, Nr. 52). 809 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Während ich mit diesen Wünschen den besonderen göttlichen Beistand auf Sie herabflehe, damit Sie Ihren Einsatz im Dienst der Kirche im Bewußtsein höchster Verantwortung und totaler Hingabe durchführen, wie sie treue Mitarbeiter des Papstes und des Hl. Stuhls auszeichnen sollen, erteile ich Ihnen als Unterpfand ständigen Wohlwollens von Herzen meinen Apostolischen Segen. Gewissenhaft und aufmerksam im Dienst für den Hl. Stuhl Schreiben an Kardinal Opilio Rossi zum 50jährigen Priesterjubiläum vom 1. März Meinem ehrwürdigen Bruder, Sr. Eminenz dem hochwürdigsten Herrn Opilio Kardinal Rossi, Präsident des Päpstlichen Laienrates Da in diesem Monat der fünfzigste Jahrestag Deiner Priesterweihe gefeiert wird, sende ich Dir gern diesen Brief, um Dir die Gefühle brüderlicher Freude wie ehrlichen Lobes nicht nur zu diesem ehrenvollen Ereignis Deines Lebens, sondern auch zu der ganzen pastoralen Tätigkeit zum Ausdruck zu bringen, die Du in diesen fünfzig Jahren mit Eifer und Fruchtbarkeit vollbracht hast. Denn es ist bekannt, daß Du Dich aufmerksam und ausdauernd in den vielen Dir übertragenen Aufgaben für den Apostolischen Stuhl eingesetzt hast: Nachdem Du nämlich sechzehn Jahre lang in verschiedenen europäischen Staaten Deine Kräfte und Fähigkeiten verwandt hattest, wurdest Du zum Nuntius des Hl. Stuhles in Äquatorialafrika bestellt, dann, nach weiteren sechs Jahren, zum Nuntius in Chile und schließlich im Jahre 1961 beim österreichischen Staat, welche Pflichten Du mit größter Gewissenhaftigkeit und Klugheit wahrgenommen hast. Bei der Erfüllung Deines kirchlichen Dienstamtes sind in der Tat die lobenswerten Eigenschaften Deines Charakters reichlich offenbar geworden: Ich nenne hier die außerordentliche Liebe zu Gott, den scharfen menschlichen Verstand, die Freundlichkeit und Umgänglichkeit im Gespräch. Aus diesen und anderen Gründen wurdest Du im Jahr 1976 in das Kardinalskollegium aufgenommen und mit der Leitung des Päpstlichen Rates für die Laien betraut. 810 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Empfange daher, ehrwürdiger Bruder in Christus Jesus, mein Lob für diesen fruchtbaren Verlauf Deines Lebens und für Dein Wirken als Priester und als Bischof; nimm auch meinen herzliche Glückwunsch zu Deinem Jubiläum entgegen. Inzwischen wünsche und erbitte ich mit meinem inständigen Gebet, daß jener 11. März Dir zu einem leuchtenden Freudentag werde und daß Du, dem aufgrund solcher Verdienste die Aufmerksamkeit aller gilt, bei guter geistiger und körperlicher Gesundheit weiterhin der Kirche dienen mögest. Zeichen meines Wohlwollens Dir gegenüber aber soll der Apostolische Segen sein, den ich Dir, ehrwürdiger Bruder, von Liebe bewegt, erteile. Aus dem Vatikan, am 1. März 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. Mit großem Schmerz Telegramm an den Präsidenten der Bischofskonferenz von Guatemala, Bischof Pröspero Panados del Barrio, vom 5. März Während ich mich auf die Begegnung mit der Bevölkerung Guatemalas im Rahmen dieser meiner Pastoraireise vorbereite, die zur Schaffung einer Atmosphäre des Friedens beitragen soll, muß ich mit großem Schmerz an die Vollstreckung der Todesurteile in dieser Nation denken. Für alle Verstorbenen dieses Landes und ganz Mittelamerikas, insbesondere für jene, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, bete ich um Gottes Gnade. Gleichzeitig bitte ich darum, daß mein Besuch ein Beitrag zur Förderung und Respektierung der Menschenrechte sei, die zu beobachten ich auch vor den Mitgliedern des Interamerikanischen Gerichtshofes für Menschenrechte aufgerufen habe. PAPST JOHANNES PAUL II. 811 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Sensibilität für die Wirklichkeit Gottes wecken Predigt bei der Messe zur Einweihung des internationalen Jugendzentrums „San Lorenzo“ in Rom am 13. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gern habe ich die Einladung angenommen, bei der Einweihung des internationalen Jugendzentrums „San Lorenzo“ die Eucharistiefeier zu leiten. Zu den bereits bestehenden geistlichen Initiativen in der Diözese des Papstes kommt nun eine weitere von nicht geringer Bedeutung hinzu. Und von hier aus möchte ich die Bischöfe der ganzen Welt auf diese Initiative hinweisen, damit sie die Jugend ihrer Diözesen in geeigneter Weise mit diesem Zentrum bekanntmachen und diese ihrerseits anläßlich ihrer Besuche in der Ewigen Stadt besonders darauf achtet. Es ist für mich eine besondere Freude zu erfahren, daß dieses Zentrum vor allem für die jugendlichen Pilger, die nach Rom kommen, gedacht ist und daß ihr euch für seine Verwirklichung und Beseelung zur Verfügung gestellt habt. Ihr wißt um mein großes Verlangen, den jungen Menschen nahe zu sein, eure Art des Glaubens und der Lebensauffassung auch durch meine Gegenwart aufzuwerten. Das habe ich zu Beginn meines Pontifikats deutlich gemacht und will es heute wiederholen: „Ihr seid die Zukunft der Welt, die Hoffnung der Kirche. Ihr seid meine Hoffnung.“ In gleichsam marianischer Haltung habt ihr euch hochherzig und ohne die ganze Tragweite dieses Einsatzes ermessen zu können in den Dienst des internationalen Zentrums gestellt. Ihr habt es unter Antrieb des Heiligen Geistes getan, bereit, die Anker zu lichten, damit der Geist Gottes euch nach seinem Willen in Bewegung setzen kann. 2. Dieses Zentrum hängt von eurem Einsatz ab und kann euer Bestes stärken und festigen; denn eure Aufmerksamkeit und euer selbstloser Dienst für die aus verschiedenen Teilen der Welt kommende Jugend wird euch unvermeidlich dazu bringen, über die Beweggründe eurer Bereitschaft zu sprechen, euren Gesprächspartnern eure innere Welt zu enthüllen. Ihr werdet von dem reden, was euch bewegt, begeistert, von allem, was eurem Leben Sinn und Richtung gibt. Und somit auch von der Tatsache, daß ihr von Christus berührt worden seid; daß ihr ihn als Bruder und Freund entdeckt habt; daß ihr die Freude seiner Nähe und des Wortes erfahren habt, das er für seine Zeugen bereithält; daß der Herr euch, wenn auch verhüllt, das Antlitz des liebenden Vaters gezeigt hat. 812 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und warum sollte man ausschließen, daß in diesem Engagement der eine oder andere von euch den Ruf Gottes vernimmt, sich völlig einem geistlichen Dienst in der Kirche zu widmen? Hier werdet ihr, dessen bin ich gewiß, stärker denn je die Freude des Zeugen empfinden, der den Glauben der anderen stärkt, der den anderen mitteilt, wieviel vom Besten er besitzt, nämlich das Vertrauen auf den Vater Jesu Christi. Und genau diese Erfahrung ist es, die die geistliche Berufung weckt. 3. Der Dienst zu verkündigen, daß „Gott Liebe ist“, obliegt uns, die wir glauben! Darauf verweist uns die Botschaft des heutigen Evangeliums, die wie ein Geschenk für das Zentrum „San Lorenzo“ ist — ein Geschenk und eine Orientierung besonderer Art, weil es eine der schönsten Botschaften ist, die Jesus uns anvertraut hat. Wir nennen diesen Abschnitt des Lukasevangeliums das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wir müssen dieses Wort unserem Herzen tief einprägen. Wir müssen es in unserem Herzen tragen, auch wenn uns das Dunkel einer Sackgasse verzweifeln läßt. Doch dieses Evangelium verkündet nicht nur demjenigen Hoffnung, der sich verloren glaubt. Man könnte dieses Gleichnis auch das Gleichnis vom liebenden Vater nennen, dessen unwiderstehliches Herz und dessen Erbarmen der eigentliche Grund der Hoffnung sind. So wollen wir denn, nur einen Augenblick lang, unseren Blick auf den Vater richten, den der eingeborene Sohn uns offenbart hat. „Der Vater sah ihn schon von weitem kommen . . .“ (Lk 15, 20), sagt uns Jesus. Der Vater muß auf den Sohn gewartet haben; er muß in Sorge um ihn gewesen sein. Er hat ihm nicht nur sein schroffes Bestehen auf der Forderung nach seinen Rechten - „Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht“ (ebd15, 12) - vergeben, sondern er liebt ihn so sehr, daß er ihn noch immer bei sich haben will. Als endlich der Sohn in der Ferne zu sehen ist, denkt er gar nicht daran, ihn etwa zu bestrafen. Und er scheint sich nicht einmal darum zu kümmern, wieviel der Sohn seiner Würde und Autorität schuldig geblieben ist. Er scheint sich nicht um die Unterwürfigkeit des verlorenen Sohnes, um seine Selbstanklage, seine Demütigung zu kümmern, was aus erzieherischen und Ordnungsgründen notwendig und angebracht erscheinen könnte. Im Gegenteil, er läuft ihm entgegen, fällt ihm um den Hals und küßt ihn. Er läßt ihm das schönste Gewand anlegen, ihm den Ring an den Finger stecken und Schuhe anziehen; er läßt das Mastkalb schlachten und ein Fest ausrichten. So ist der Vater; so zeigt ihn uns Jesus. Er ist für jeden von uns das Du, das immer wartet; er ist immer bereit, uns in seine Vaterarme zu schließen — was auch immer geschehen 813 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mag. Auf ihn wollen wir blicken, um uns von seiner Liebe und von seinem Erbarmen ergreifen zu lassen. 4. Das Wort Jesu, liebe Brüder und Schwestern, hat uns zu einer Meditation über den himmlischen Vater geführt. Auf diese Weise werden seine Worte für uns zum Evangelium, zur wahren Frohbotschaft. Aber die in uns geweckte Freude und Dankbarkeit dürfen uns nicht den Blick auf uns selbst und unsere Situation verstellen. Die Erfahrung der Güte des Vaters fällt im verlorenen Sohn zusammen mit der Selbsterkenntnis, der Reue und Umkehr. Die Umkehr ist das wesentliche Element der von der Nähe Gottes, der uns liebt, ausgelösten Freude. Wer Gott sucht, kann nicht darauf verzichten, umzukehren: weder wir noch jene, die wir zur Begegnung mit dem Vater führen wollen, können das. 5. Das heutige Evangelium und die Einweihung des Zentrums „San Lorenzo“ werden so für uns zu einer Brücke zum Heiligen Jahr der Erlösung. Die Eröffnung des Jubiläumsjahres steht unmittelbar bevor, und mit unserer Meditation sind wir seinem Inhalt sehr nahe gekommen. Dieses Heilige Jahr soll, wie ich in der Verkündigungsbulle gesagt habe, beitragen zu „einer Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes“ (Nr. 8). Wer sich von dieser Liebe erfüllen läßt, kann seine Schuld nicht länger leugnen. Der „Verlust des Sinnes für die Sünde“ hängt letzten Endes mit dem „radikaleren und verborgeneren Verlust des Sinnes für Gott“ zusammen {Ansprache an die Kardinäle am 23. Dezember 1982, Nr. 5: O.R.dt. vom 7. 1. 1983, S. 6). Dieses Bemühen, tiefer in Gottes Liebe einzudringen, das in zweifacher Weise — vom Gleichnis vom verlorenen Sohn und vom Heiligen Jahr — motiviert wird, wird für „San Lorenzo“ zu einem Testament. Dieses Zentrum möchte in allen seinen Besuchern wieder die Sensibilität für die Wirklichkeit Gottes, die Sensibilität für die Forderungen, die er stellt, wecken. Wenn der Mensch sich als Sünder bekennt, so soll ihn das nicht demütigen, sondern ihm sagen, daß der Weg zur Freude in der Nähe des Vaters über die Umkehr und Vergebung führt. Das Zentrum wird so notwendigerweise zu einem Ort, an dem das Kreuz herrschen muß. Wohin soll man in dieser Welt mit ihren Sünden und ihrer Schuld gehen ohne das Kreuz? Das Kreuz nimmt das ganze Elend der Welt, das der Sünde entspringt, auf sich. Es offenbart sich als Zeichen der Gnade. Es nimmt unsere Solidarität auf und ermutigt uns zum Opfer für die anderen. Auch im Kreuz derer, die leiden, und in unserem eigenen 814 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kreuz erkennen wir das Werkzeug der Erlösung, das Tor zur Auferstehung. Denn im Kreuz hat der Herr die Sünde und den Tod besiegt. Es ist daher gut, daß ihr in dieser Kirche das berühmte Kreuz von San Damiano aufgestellt habt, das sie mit seiner Größe und seiner Schönheit beherrschen soll. Kommt unter dieses Kreuz, zusammen mit Maria, der Muttergottes, die darauf dargestellt ist. Lernt von ihr ihre Verfügbarkeit. Werdet selbst zu Befreiern für die Jugend der Welt. So werdet auch ihr die Sendung erfüllen, die der Herr Franziskus, seinem demütigen Verkünder, erteilt hat: „Geh und baue mein Haus, meine Kirche!“ Zugleich mit dem Andenken an das alte Kreuz von San Damiano, an das Vorbild des hl. Franziskus und des hl. Laurentius möchte ich euch, gleichsam als Ansporn, nach hohen Idealen zu streben, auch an die Gestalt eines jungen Mannes erinnern, der in unserer Zeit gelebt hat: Pier Giorgio Frassati. Er war ein moderner Jugendlicher, offen für die Probleme der Kultur, des Sports, offen für die sozialen Fragen, für die wahren Werte des Lebens, und zugleich ein tiefgläubiger Mensch, der sich aus der Botschaft des Evangeliums nährte, mit leidenschaftlichem Einsatz den Brüdern diente und sich in einer glühenden Nächstenliebe verzehrte, die ihn zu den Armen und Kranken führte. Er hat die Seligpreisungen des Evangeliums erlebt. Es ist mein Wunsch, daß dieses Zentrum zu einer Stätte werden möge, an der echte junge Christen geformt werden, die in der heutigen Welt das Evangelium konsequent zu bezeugen verstehen. Das wünsche ich euch, und das vertrauen wir alle zusammen im gemeinsamen Gebet der Eucharistiefeier dem Herrn an. Neue Domkirche - „ein neues Zeitalter“ Schreiben zur Ernennung von Kardinal Joseph Höffner zum päpstlichen Sonderbeauftragten bei den Einweihungsfeierlichkeiten der Kathedrale in Stockholm vom 14. März Meinem ehrwürdigen Bruder Joseph Kardinal Höffner, Erzbischof von Köln Eben dieser Tag, der 25. März, wird nicht nur wie jedes Jahr wieder das Geheimnis der Menschwerdung der ganzen Kirche zur eingehenden Erwägung vor Augen stellen; er wird nicht nur hier in Rom und überall in 815 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Welt glücklich das Jubiläumsjahr der Erlösung einleiten, sondern wird auch bei der gehebten und mir so teuren Kirche in Schweden in glänzender Weise gleichsam ein neues Zeitalter ankündigen. In diesem Jahr sind es nämlich erfreuhcherweise hundert Jahre, seitdem nach weitblickendem Ratschluß das Apostolische Vikariat Schweden errichtet wurde, und zugleich jährt sich zum dreißigsten Mal die Errichtung der Diözese Stockholm. Es erweist sich daher als äußerst willkommen, das am kommenden Fest der Verkündigung des Herrn die bereits vor einiger Zeit wiederhergestellte und entsprechend ausgeschmückte Domkirche mit einem feierlichen Gottesdienst eingeweiht wird: sie ist nämlich die erste Domkirche in dieser Nation; sie ist in allen Kreisen der Bürger gerne gesehen, sie wird das geistliche Gedeihen des Lebens der Kirche und des Volkes bereichern. Es ist mir daher keineswegs entgangen, welche Bedeutung und welchen Einfluß diese neue Kirche - als weithin leuchtendes Licht und unablässige Mahnung - sodann für die Sache des Evangeliums und der Botschaft Jesu Christi eben unter diesen Menschen haben wird. Denn von dort werden sowohl die Lichter der Wahrheit des Evangeliums als auch die Wohltaten der göttlichen Gnade und die Werke christlichen Fleißes ihren Ausgang nehmen. Es ist daher mein Wunsch, daß diesem ehrenvollen Ereignis der schwedischen Kirche, diesem doppelten Jubiläum von allen möglichst große Bedeutung beigemessen werde. Denn die Betrachtung der bisherigen Geschichte ebenso wie der bereits erreichten Fortschritte wird die Hirten und Gläubigen von heute dazu anspornen und darin bestärken, daß sie auf diesem Weg weitergehen und auf dieselbe Weise möglichst viele Menschen für Christus, den ewigen Erlöser, zu gewinnen suchen. Durch Dich, ehrwürdiger Bruder, möchte ich am 25. März in Stockholm geistig an dieser Einweihungsfeier teilnehmen; durch Dich will ich zugleich jedem einzelnen und alle Teilnehmer - die Königlichen Majestäten, die Gesandten der Kirchen, die Mitglieder der katholischen Gemeinde, die Bischöfe anderer Völker, die Gläubigen und die Bürger — grüßen; durch Dich will ich schließlich meine brüderlichen Glückwünsche zu diesen Jubiläen und zu der neuen Domkirche sowie auch die brüderliche Ermutigung aussprechen lassen, daß dieser glückliche Tag tatsächlich den Anfang eines noch glücklicheren Zeitalters im Leben der schwedischen Kirche und in den freundschaftlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche bilden möge. Somit ernenne und bestimme ich Dich mit diesem meinem Brief offiziell zu meinem Sonderbeauftragten bei der feierlichen Einweihung der Domkirche in Stockholm, damit Du persönlich in meinem Namen dort den 816 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorsitz bei den Festlichkeiten und bei jenem feierlichen Gottesdienst führst, in meinem Namen sprichst, in meinem Namen auch diesen Gruß und Apostolischen Segen übermittelst, in den das ganze geliebte Volk Schwedens einbezogen wird. Nach Abschluß der Feierlichkeiten aber wird es angebracht sein, mich über die einzelnen Ereignisse und über das Denken und Trachten jener Diözese anläßlich dieses so glücklichen und erfreulichen Festaktes zu informieren. Aus dem Vatikanischen Palast, am 14. März 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. Stärkt euren Willen mit den Mitteln der Gnade Ansprache bei der Audienz für die Jugend in St. Peter am 16. März Meine Lieben! 1. Voll Freude und mit großer Zuneigung begrüße ich euch heute in der vatikanischen Basilika bei dieser Audienz, die euch, Jugendliche und Kinder, Vorbehalten ist zusammen mit euren Vorgesetzten, Lehrern und Eltern. Ich danke euch herzlich für eure Anwesenheit, die Zeichen eines lebendigen Glaubens ist. Das Zusammensein mit der Jugend ist immer ein großes Fest, und es ist für mich ein besonderer Trost, eure Lebhaftigkeit und euren guten Willen zu sehen: bewahrt euch immer euren lauteren Blick und euren hochherzigen Sinn! Das ist der Wunsch des Papstes, und das wünscht er euch! In besonderer Weise möchte ich die Lehrer und Schüler der beiden Schulen des 30. Bezirks von Rom begrüßen: die Volksschule „21. April“, die ich während der Pastoralbegegnung mit der Pfarrei San Giuseppe al Forte Boccea besucht habe, und die Volksschule in der Via Soriso, die man nach mir benannt hat. Danke für diese freundliche Geste, die eure Empfänglichkeit für die Kirche und ihr sichtbares Oberhaupt beweist. 2. Die meisten von euch sind nach Rom gekommen, um die Ewige Stadt zu besuchen; ihr seid als Pilger in die über dem Grab des hl. Petrus erbaute vatikanische Basilika gekommen, in der Fastenzeit, die uns auf das Osterfest vorbereitet. Es drängt mich, euch ein paar Gedanken zu 817 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinterlassen, die dem Gleichnis vom verlorenen Sohn entnommen sind, über das in der Liturgie des vergangenen vierten Fastensonntags meditiert wurde. In diesem Gleichnis hebt Jesus drei Arten der Erfahrung hervor, die immer noch aktuell sind: - Die erste Erfahrung, die Jesus beschreibt, ist die der Eigengesetzlichkeit, das heißt des Willens, zu denken und zu handeln, wie es einem selbst richtig erscheint und gefällt, ohne irgendeiner Autorität, auch nicht der des eigenen erleuchteten und geformten Gewissens, zu gehorchen. Genau das ist, was der verlorene Sohn tut: Er will das ihm zustehende Vermögen haben, er will von zu Hause fortgehen, um seinen Leidenschaften zu folgen. Aber wohin führt ihn dieses Verhalten? In die Einsamkeit und Bitterkeit! Seht also, hebe Kinder, die erste Aufforderung, die ich im Namen Jesu an euch richte, lautet: Laßt euch nicht von der Versuchung zur geistigen und sittlichen Eigengesetzlichkeit verführen und hinreißen! Der Herr hat dem Menschen die Vernunft gegeben, damit sie ihn erkennt, liebt und ihm dient, und er hat ihm den Willen gegeben, damit er das Sittengesetz praktisch verwirklicht: darin besteht das wahre Glück! Studiert gründlich die christliche Lehre, um zu festen und sicheren Überzeugungen zu gelangen; stärkt euren Willen mit Gnadenmitteln, das heißt durch das Gebet und die Sakramente, und der Askese, um den Charakter zu stählen und euch auf den Kampf gegen das Böse vorzubereiten! Die Erfahrung des verlorenen Sohnes, von der Jesus erzählt, sei euch immer Mahnung und Belehrung! - Die zweite Erfahrung, die Jesus beschreibt, ist die des Heimwehs und der Reue. Auf einmal geht der verlorene Sohn in sich, er sieht ein, daß er gefehlt hat: Er hat das Elternhaus verlassen, den Vater, die Freude echter Liebe und wahrer Freundschaft, den Frieden des reinen und unschuldigen Gewissens; danach empfindet er nun Sehnsucht, und er bereut; er bringt den Mut auf, seinen Irrtum zu erkennen; er weiß, daß er sich bekehren muß, und er findet bei seinem Vater das Vertrauen wieder, obwohl er nicht mehr verdient, sein Sohn zu heißen: „Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt“ (Lk 15, 18). Mit dieser Szene will uns Jesus lehren, daß keiner, auch wenn er unglücklicherweise die Wahrheit und die Unschuld durch seine Flucht aus dem Vaterhaus verraten hat, je an der Liebe Gottes verzweifeln darf; er muß so bald als möglich Reue zeigen und sich bekehren. Gott will das Heil und das Glück aller Menschen. Das muß uns große Sicherheit und Vertrauen geben - immer! - Die dritte Erfahrung schließlich ist die des Erbarmens und der Vergebung. „Der Vater sah ihn schon von weitem kommen — heißt es in dem 818 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gleichnis -, und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küßte ihn . . . Und er sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden“ (vgl. Lk 15, 20.22 ff.). Mit diesen Worten weist uns Jesus auf die unermeßliche Liebe Gottes hin, der „voller Erbarmen“ gegen seine Geschöpfe ist, und er regt uns an zur Zuversicht, zum Vertrauen, zur Hingabe an die barmherzige Liebe des Vaters, der die Antwort unserer Liebe, wie sie auch in Reue und Umkehr zum Ausdruck kommt, haben will. Vergeßt das nie, und jetzt, wo Ostern nahe ist, in diesem Heiligen Jahr, das in Kürze beginnt, sollt auch ihr in eurer Umwelt, in euren Familien und Pfarreien Zeugen und Apostel der Barmherzigkeit Gottes sein. Die seligste Jungfrau schütze euch, und mein Segen begleite euch. Grußwort an das Passionsspiel-Ensemble aus Oberammergau und die Mitglieder der Pan-Europa-Union am 16. März Mit besonderer Freude grüße ich bei der heutigen Audienz die Mitglieder des Chores und des Orchesters der Passionsspiel-Gemeinde Oberammergau mit ihren Angehörigen. Dieser Rombesuch ist ein würdiger Auftakt zur 350-Jahr-Feier eurer Passionsspiele, auf die ihr euch für das Jahr 1984 vorbereitet. Eure Treue zum Schwur eurer Vorfahren sei nicht nur verantwortungsbewußte Pflege eines kostbaren geschichtlichen Erbes, sondern stets auch Bekenntnis eures christlichen Glaubens an Jesus Christus, der durch sein Leiden die Menschheit erlöst hat. Ihm gelte bei der Aufführung des Passionsspiels all eure Verehrung und Liebe, öffnet ihm eure Herzen auch ganz besonders im bald beginnenden Heiligen Jahr der Erlösung! Mit besten Wünschen für eine fruchtbare Mitfeier dieses Gnadenjahres und einen guten Verlauf eures bevorstehenden Passionsspiel-Jubiläums erteile ich euch und allen Mitwirkenden sowie all euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich ferner an die anwesenden 819 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitglieder der Pan-Europa-Union. In ihren Idealen bekennen sie sich zu jenen Quellen, aus denen der Reichtum und die Einheit Europas gewachsen sind. Aus diesen Quellen des christlichen Glaubens können die Völker Europas auch heute wieder zu neuem Leben und zueinander finden. Die Patrone Europas, die hll. Benedikt, Kyrill und Method, mögen ihnen helfen, ihren Beitrag zu diesem Neuwerden Europas zu leisten. Von Herzen erteile ich ihnen und allen hier anwesenden Pilgern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz meinen Apostolischen Segen. In der ganzen Wahrheit der Offenbarung Predigt bei der Messe für die römischen Universitätsstudenten zur Vorbereitung auf Ostern in der Petersbasilika am 17. März 1. Liebe Brüder und Schwestern! Wir sind nun mitten in der Fastenzeit 1983. In wenigen Tagen wird das außerordentliche Jubiläumsjahr, das Heilige Jahr der Erlösung, beginnen. Zu diesem Zeitpunkt kommt eurer Anwesenheit in der Basilika des hl. Petrus eine besondere Bedeutung zu. Ich begrüße alle herzlich: Ich bin dem Unterrichtsminister, Frau Franca Falcucci, dankbar für ihre Anwesenheit; ich begrüße die Rektoren der verschiedenen italienischen Universitäten; ich begrüße die Professoren, die großenteils aus Rom, aber auch aus Mailand, Pavia und Brescia kommen. Ich begrüße euch alle, liebe Studenten, und bringe euch meine aufrichtige Freude darüber zum Ausdruck, daß ich mit euch beisammen sein kann. Unsere Begegnungen in der Fastenzeit sind - ebenso wie jene im Advent — bereits zu einer jährlichen Gepflogenheit geworden. Auf diese Weise wollen wir Antwort geben auf die Aufforderung, die diese Zeit des Kirchenjahres vom ersten Tag — also vom Aschermittwoch — an uns richtet. An jenem Tag haben wir bei der Aschenauflegung die Worte gehört: „Gedenke, Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst“ (vgl. Gen 3, 19) — aber auch die anderen Worte: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1, 15). Diese letzten Worte ergänzen gewissermaßen die ersten in ihrer ernsten Bedeutung. Wir müssen, solange wir in der Perspektive des irdischen Daseins leben, die uns geschenkte Zeit gut nützen. Und die gute Nutzung der Zeit zeigt sich in 820 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allem, was dem Bemühen um Umkehr, um Bekehrung dient. Wir müssen uns immer von neuem bekehren, und wir müssen immer von neuem „an das Evangelium glauben“. Das schließt die Notwendigkeit einer dauernden Katechese ein. Die Fastenzeit ist genau die Zeit für eine besonders intensive Katechese. Unsere Begegnung in dieser Zeit soll das offenkundig machen. Gottvater legt Zeugnis ab für Christus 2. In der Katechese der Fastenzeit nehmen wir auf die Bibellesungen der Tagesliturgie Bezug. Heute nehmen uns die Worte aus dem Johannesevangelium für einen Augenblick mit in jenes Streitgespräch, das Christus mit einigen seiner Zeitgenossen über die Glaubwürdigkeit seiner messia-nischen Sendung führte. Hintergrund der Handlung ist die Heilung eines Lahmen in der Nähe des Teiches Betesda. Diese Heilung rief, da sie am Sabbat vorgenommen wurde, bei den Anhängern des mosaischen Gesetzes eine Reaktion hervor. Jesus verteidigt das Berechtigte seines Handelns mit dem nachdrücklichen Hinweis, daß sich darin die Macht Gottes selbst offenbare, die sich nicht vom Buchstaben des Gesetzes Schranken auferlegen lasse. Diese Macht Gottes ist es, die Zeugnis für Christus ablegt. „Wenn ich über mich selbst als Zeuge aussage, ist mein Zeugnis nicht giüjig; ein anderer ist es, der über mich als Zeuge aussagt, und ich weiß: Das Zeugnis, das er über mich ablegt, ist gültig“ (Joh 5, 31-32). Gattvater legt Zeugnis ab für Christus. Eine Bestätigung für die Glaubwürdigkeit seiner messianischen Sendung sind die Zeichen, wie das soeben gesetzte, die nur mit Gottes Macht vollbracht werden können. Dieses Urteil Gottes über Christus hat in dem Zeugnis, das Johannes der Täufer am Jordanufer von ihm gab, einen getreuen Widerhall gefunden. Daran erinnert Christus seine Zuhörer, weil alle Johannes für einen Propheten hielten. Doch er fügt hinzu: „Ich aber habe ein gewichtigeres Zeugnis als das des Johannes: Die Werke, die mein Vater mir aufgetragen hat, damit ich sie zu Ende führe, diese Werke, die ich vollbringe, legen Zeugnis dafür ab, daß mich der Vater gesandt hat. Auch der Vater selbst, der mich gesandt hat, hat über mich Zeugnis abgelegt“ (ebd5, 36—37). 3. Wir sind genau im Zentrum jenes Streitgesprächs, das Jesus von Nazaret mit seinen Zeitgenossen, Repräsentanten Israels, führt. Gerade sie sollten mehr als jeder andere in Christus das Zeugnis Gottes selbst 821 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erkennen. Denn sie waren darauf besonders vorbereitet. Christus sagt: „Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen das ewige Licht zu haben; gerade sie legen Zeugnis über mich ab. Und doch wollt ihr nicht zu mir kommen, um das Leben zu haben“ (Joh 5, 39-40). Ihr wollt nicht. . . Die Streitfrage, die Christus mit seinen Zeitgenossen in Israel austrägt, betrifft die Verheißung, die jenes auserwählte Volk im Alten Bund empfangen hatte. Christus kommt als Erfüllung jener Verheißung. Und doch wollen sie ihn nicht annehmen. So disputiert er also mit ihnen, wobei er sich auf die Persönlichkeit beruft, die für sie die größte Autorität besaß: auf Mose. Er sagt: „Wenn ihr Mose glauben würdet, müßtet ihr auch mir glauben; denn über mich hat er geschrieben“ (Joh 5, 46). Und fügt deshalb hinzu: „Denkt nicht, daß ich euch beim Vater anklagen werde; Mose klagt euch an, auf den ihr eure Hoffnung gesetzt habt“ (ebd., 5, 45). So wird also eine Art Prozeß ausgetragen. Er hat gewissermaßen die Merkmale eines Gerichtsprozesses. Christus beruft sich auf die Zeugen. Zeugen sind Mose und das ganze Alte Testament bis herauf zu Johannes dem Täufer. Zeuge ist die Schrift, und Zeuge ist alle Erwartung des auserwählten Volkes. Zeuge sind aber vor allem die „Werke“, die Christus durch Eingreifen des Vaters vollbringt. Vor diesem Zeugnis nehmen die Zeugen des Alten Bundes und vor allem Mose wiederum einen neuen Charakter an; sie erscheinen nun in der Rolle von Anklägern. Sie scheinen zu sagen: Warum nehmt ihr Jesus von Nazaret nicht auf; es weist doch alles darauf hin, daß er jener ist, den Gott der Verheißung entsprechend gesandt hat? Mit dieser Frage aber scheinen jene Zeugen nicht nur zu fragen, sondern geradezu anzuklagen! 4. Doch worüber wird dieser Streit ausgetragen? Nur über die subjektive Echtheit der Sendung des Jesus von Nazaret als des verheißenen Messias? Zweifelsohne ja. Doch die Streitfrage geht tiefer, und die heutige Liturgie beweist uns das auch. Die Streitfrage reicht tiefer und betrifft den eigentlichen messianischen Inhalt der Sendung Christi. Es handelt sich hierbei um jenen Inhalt, in dem sich die grundlegende Wahrheit der Offenbarung zeigt. Denn das eigentliche Wort der Offenbarung ist Gott in seiner göttlichen Wahrheit. „Offenbarung“ heißt, Gott spricht zu den Menschen von sich selbst. Er teilt sich in einer den Menschen verständlichen Weise mit, indem er sich ihren Erkenntnismöglichkeiten und -fähigkeiten anpaßt. Aber: er teilt sich selbst mit. Und er will, daß der Mensch ihn so annimmt, wie er ist. Daß er an ihn denkt als an den, der er - Gott -wirklich ist! 822 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Und gerade an dieser Wahrheit der Offenbarungsgeschichte entzündet sich die Meinungsverschiedenheit. Die heutige Liturgie führt uns vor allem auf die einzelnen Spuren dieses Streites bereits im Alten Bund. Ein bedeutsames Ereignis war jener Augenblick, in dem Mose vor die Majestät Gottes gerufen wurde, um die Gebote entgegenzunehmen. In den Zehn Geboten stellt sich Gott dem auserwählten Volk als Herr und Gesetzgeber vor, der für alles Vorsorge trifft, worin das Leben und die Führung Israels besteht. Das göttliche Gesetz der Gebote macht Gottes Willen offenkundig - und zugleich die Absicht, die grundlegenden Güter des Menschen und der menschlichen Gemeinschaft sicherzustellen. Wir lesen sie nach so vielen Jahrhunderten immer wieder neu - und gelangen stets zur selben Schlußfolgerung. Der Gesetzgeber offenbart sich in seinem Gesetz als der fürsorgliche Herr, der Hirte und Vater seines Volkes. Und gerade in diesem hochbedeutsamen Augenblick begeht das durch die Abwesenheit des Mose verunsicherte, sich selbst überlassene Volk die Sünde des Götzendienstes. Anstelle des unsichtbaren Gottes . . . „haben sie sich ein Kalb aus Metall gegossen und werfen sich vor ihm zu Boden. Sie bringen ihm Schlachtopfer dar und sagen: Das sind deine Götter, Israel, die dich aus Ägypten heraufgeführt haben“ {Ex 32, 8). Die Lesung aus dem Buch Exodus ist voll dramatischer Spannung. Wir stehen an der Grenze zwischen Wahl und Ablehnung von seiten des auserwählten Volkes. Vor allem aber sind wir Zeugen davon, wie der Gott der Erlösung gegen die Beschränktheit der Menschen ankämpft, die an die Stelle des unsichtbaren Herrn und Vaters, des Hirten und Gesetzgebers eine andere Gottheit setzen und bereit sind, sie anzubeten. Anstelle des Absoluten, der Geist ist, der Quelle des Daseins und des Lebens, der Wahrheit und des Guten ist, - sind sie bereit, im Symbol einer Tiergestalt das sichtbare Bild einer primitiven Macht zu vergotten. 6. Nachdem bereits so viele Generationen seit den Zeiten des Mose und der Offenbarung auf dem Berg Sinai vergangen sind, spricht Jesus Christus - nach dem Text des Johannesevangeliums - nun mit den Söhnen des auserwählten Volkes, seinen Zeitgenossen. Und nicht nur er führt mit ihnen dieses Streitgespräch über die Glaubwürdigkeit seiner messiani-schen Sendung. Nicht nur er. In Jesus Christus setzt derselbe Gott der Offenbarung - der Vater und der Sohn und der Heilige Geist - in gewisser Weise und in einem neuen Abschnitt seinen Kampf mit dem Menschen fort, damit dieser die göttliche Wahrheit der Offenbarung annehme. Diese Wahrheit ist das entscheidende Geheimnis Gottes. Durch sie ist er in 823 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewissem Sinne tiefer in seiner Göttlichkeit „eingeschlossen“. Und zugleich ist durch die Mitteilung dieses seines endgültigen Geheimnisses der Gott der Offenbarung viel weiter „offen“ auf den Menschen und auf die Welt hin. Er ist in der Tat jener Gott, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“ (Joh 3, 16). Ja, dieser Gott, der ewige Vater, der auf die Welt zugeht und in seinem eingeborenen Sohn zum Menschen spricht, kämpft in den Worten Jesu von Nazareth mit den damaligen Menschen, damit sie die Wahrheit über ihn annehmen! Damit diejenigen, die bereits glauben, daß er Schöpfer, höchster Gesetzgeber und gerechter Richter ist, auch die Wahrheit annehmen, daß er Vater ist, der in seinem eingeborenen Sohn der Welt seine unendliche Liebe schenkt: die Liebe, die Barmherzigkeit ist! 7. Im heutigen Wortgottesdienst der Fastenzeit entfaltet sich also ein Streitgespräch über den eigentlichen messianischen Inhalt der Sendung Christi. Sollen wir dabei stehenbleiben? Sollen wir diesen Streit lediglich als ein fern aufleuchtendes Ereignis betrachten, das der Vergangenheit angehört, so wie der Streit des Mose mit seinem Volk, das er durch die Wüste führte, einer noch weiter zurückliegenden Vergangenheit angehört? Nein. Hier dürfen wir nicht stehenbleiben. Sonst hätten wir den liturgischen Text nicht gründlich gelesen. Die Kirche liest ihn, als bezöge er sich zugleich auf uns: heute und hier. Vertiefung der Beziehung zu Gott In der Tat, disputiert Christus nicht — hier und jetzt, das heißt in unserer Zeit, in unserer Generation - mit dem Menschen, mit jedem auf andere Weise, über den messianischen Inhalt seiner Sendung? Führt nicht der Gott der Offenbarung in Christus, der „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit ist“ (Hebr 13, 8), mit jedem Menschen ein Streitgespräch über die Annahme der ganzen Wahrheit dieser Offenbarung? Erwartet er etwa nicht kategorisch, daß der Mensch entsprechend dieser Wahrheit an ihn denkt und ihn in ihr bekennt? 8. Die Liturgie der Fastenzeit ist in diesem Sinn eine besondere Herausforderung. Sie ruft uns zur Vertiefung unserer Beziehung zu Gott auf, sie 824 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verlangt die Vertrautheit mit ihm in der Wahrheit - in der ganzen Wahrheit der Offenbarung. In einer Zeit, in der die Welt sich in sich selbst und der Mensch sich in der Welt zu verschließen scheint, indem er seine Existenz von den fundamentalen Quellen losreißt, die ihm seine Bedeutung geben, scheint Christus mit neuer Kraft zu sagen: „Ich bin im Namen meines Vaters gekommen, und doch lehnt ihr mich ab. Wenn aber ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, dann werdet ihr ihn anerkennen. Wie könnt ihr zum Glauben kommen, wenn ihr eure Ehre voreinander empfangt, nicht aber die Ehre sucht, die von dem einen Gott kommt?“ (Joh 5, 43-44). Seht, liebe Brüder und Schwestern, so rühren wir in dieser Betrachtung der Fastenzeit an die tiefsten Punkte unserer Beziehung zu Gott in Jesus Christus. Wir wollen bei ihnen stehenbleiben. Wir wollen uns der Wahrheit der göttlichen Offenbarung öffnen. Wir wollen im Sakrament der Buße unsere Sünden bekennen. Wir wollen uns in der Eucharistie mit Christus vereinigen. Treten wir ein in die seligmachende Osterzeit! Beginnen wir das Heilige Jahr der Erlösung! Amen. Im Zauber vieler Traditionen Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen japanischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Teruhiko Nakamura, am 18. März Herr Botschafter! Ich heiße Sie willkommen in diesem Haus. Und ich danke Ihnen herzlich für die Worte voller Achtung und Wohlwollen, die Sie soeben für den Hl. Stuhl zum Ausdruck gebracht haben, wobei Sie die Friedensmission lobend hervorheben, die mir zu erfüllen gegeben ist. Fortan nehmen Sie den Platz ein in dieser Reihe außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter, die seit mehr als dreißig Jahren Japan beim Hl. Stuhl vertreten haben. Sie bringen das Zeugnis eines Landes mit, das sich ebenso durch die Tiefe und den Zauber seiner Traditionen wie auch durch seinen entschlossenen Einsatz im modernen technischen Fortschritt weltweites Ansehen erworben hat. Es will mir scheinen, daß Ihre Lands- 825 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN leute in ihrer Frische und Dynamik stets den Entdeckungs- und Wissensdurst bewahren, das Verlangen, Experimente anzustellen und mutig und mit Disziplin etwas in Angriff zu nehmen. Für mich hat Ihr Land - Sie waren so gütig, daran zu erinnern — im Februar 1981 konkrete Gestalt angenommen, und ich habe keineswegs den ergreifenden Empfang vergessen, der mir auf den verschiedenen Etappen meiner Reise in Tokio, Hiroshima und Nagasaki von den Obrigkeiten des Landes, von den Gelehrten, von der Jugend, von den Vertretern des Schintoismus und des Buddhismus und natürlich von den katholischen Gemeinden und den verschiedenen Gruppen, aus denen sich diese zusammensetzten, bereitet wurde. Gerade letztere zeigen deutlich, daß das Christentum Ihrem Land nicht fremd ist, sondern daß es wunderbare Früchte bei den Menschen dieses Landes hervorzubringen vermochte, die es zutiefst aufgenommen haben und ihm ermöglichen, ihre natürlichen Vorzüge in einem Klima des Glaubens und der Liebe zur Entfaltung zu bringen. So wurde die katholische Kirche bei Ihnen um ein bemerkenswertes Zeugnis bereichert. Ich begrüße immer mit Freude Ihre zahlreichen Landsleute, die nach Rom kommen, um die Quellen der abendländischen Kulturen zu entdecken und auch das Herz der Kirche besser kennenzulernen. Sie selbst, Herr Botschafter, werden, wenn Sie von den menschlichen, kulturellen oder religiösen Sorgen des japanischen Volkes und seiner Regierung hier berichten, Zeuge dessen sein, was der Hl. Stuhl mit allen Katholiken zusammen im Dienst der Menschen zu vollbringen versucht. Es ist natürlich richtig, wie Sie betonen, daß die Welt viele Schwierigkeiten und Erschütterungen kennt und daß selbst dort, wo scheinbar ein großer Fortschritt erzielt worden ist, neue Probleme, welche die friedlichen und solidarischen Beziehungen, Harmonie und Gleichgewicht oder sogar den Sinn des Lebens betreffen, auftauchen, die die Verwirklichung eines echten Humanismus auf dieser Erde verzögern oder unterdrücken. Zu viele Menschen überall auf der Welt haben nicht einmal das Notwendigste zum Leben, und die übrige Menschheit sollte das nicht vergessen. Allzu viele leiden unter Ungerechtigkeit oder unter Verhältnissen, in denen ihre legitime Freiheit verletzt wird. Die Flüchtlinge, die Verlassenen zählen Legionen. Der zerbrechliche Friede ist dauernd bedroht, und die Bedrohung birgt ungeheure Gefahren, deren erschreckende Erfahrung Ihr Land gemacht hat. Wie ich bei Ihnen, vor den Vertretern der Universität, sagte, ist eine moralische Umkehr notwendig, eine Neubestimmung der Prioritäten, um den Menschen in seinem Sein wachsen zu lassen, eine Schärfung des 826 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gewissens, die Schritt halten muß mit dem wissenschaftlichen Fortschritt. Die Kirche schließt sich daher den Bemühungen aller Menschen guten Willens an um Eintracht, um Solidarität, um Achtung des Menschen und seiner Grundrechte sowie um seine Suche nach Transzendenz, während sie die falschen Lösungen der Gewalt und auch des Materialismus ablehnt. Aber die Kirche schöpft die Kraft ihrer Liebe zum Menschen und ihrer unbesiegbaren Hoffnung aus dem Geheimnis ihres Glaubens, das heißt aus der Art und Weise, wie Christus die Menschen geliebt und ihr Herz freigemacht hat, gemäß dem von Gott, dem Vater, empfangenen Sendungsauftrag. Diese Haftung liegt den vielfältigen Handlungen stets zugrunde, an welchen sich der Hl. Stuhl im Rahmen seiner besonderen Zuständigkeit im internationalen Leben, in seinen Beziehungen zu den Staaten oder zu den Weltorganisationen beteiligt. Ich darf Sie ersuchen, Seiner Majestät Kaiser Hiro-Hito meinen Dank zum Ausdruck zu bringen für seine feinfühligen Wünsche, die unvergeßliche Erinnerung, die ich an seinen Empfang bewahre, und die besten Wünsche, die ich ihm ausspreche. Ich freue mich, erneut dem ganzen japanischen Volk meine Sympathie zum Ausdruck zu bringen, das meinem Denken, meinem Herzen und meinem Gebet immer nahe bleibt. Und Ihnen selbst, Herr Botschafter, wünsche ich eine fruchtbare Mission im Dienst freundschaftlicher Beziehungen zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl. Gott segne Japan! Die Arbeit - ein Gut des Menschen Predigt beim Wortgottesdienst mit den Arbeitern der Region Abruzzen und Molise in San Salvo am Fest des hl. Josef, 19. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich ganz besonders, heute am Fest des hl. Josef unter euch zu sein bei dieser Begegnung, zu der sich die Arbeiter und ihre Familien hier eingefunden haben, begleitet auch von vielen Priestern und den Bischöfen der Region Abruzzen. Es ist eine Begegnung mit der Welt der Arbeit und zugleich mit allen Bewohnern von San Salvo und den Vertretungen der Region Abruzzen. 827 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich begrüße euch alle ganz herzlich: Arbeiter und Werksleiter, Männer und Frauen, Jugendliche und Erwachsene, Kranke und Gesunde. Jedem einzelnen möchte ich versichern, daß er meinem Herzen sehr teuer ist und daß ich ihm mit aufrichtigen Gefühlen menschlicher und christlicher Verbundenheit nahe bin, seine Sorgen und seine Freuden, seine Ängste und seine berechtigten Bestrebungen teile. Allen möchte ich sagen, daß ich hier bin, um mich zum Echo der Worte Christi zu machen, der jeden Menschen so sehr geliebt hat, daß er für ihn sein Leben am Kreuz hingab. Ich danke den zivilen und kirchlichen Autoritäten für den herzlichen Empfang, den sie mir bei der Ankunft in dieser so gastfreundlichen Region bereitet haben, die mit Recht „stark und freundlich“ genannt sind. Meinen besonderen Dank bringe ich Herrn Minister Remo Gaspari zum Ausdruck, dem lieben Erzbischof Vincenzo Fagiolo, dem Bürgermeister Rinaldo Altieri, den Vertretern der Firma Magneti-Marelli und allen Arbeitern für die freundlichen und zugleich verbindlichen Worte, die sie im Namen aller Anwesenden an mich gerichtet haben. Ich habe mit lebhaftem Interesse die verschiedenen Beiträge gehört, die umfassende und dringende Probleme aufgeworfen haben. Es stimmt, daß sich im Sozial- und Wirtschaftsgefüge der Regionen Abruzzen und Molise vieles geändert hat und vieles im Wandel begriffen ist, aber es stimmt auch, daß der Fortschritt nicht überall und nicht mit gleicher Verteilung der Mittel erreicht worden ist. Niemandem kann unter anderem das Mißverhältnis zwischen dem Küstenstreifen und dem Bergland, das den Großteil des Gebietes ausmacht, entgehen; zwischen den Industriezentren und dem Agrarland, das hinter einem wirklichen Fortschritt weit zurückgeblieben ist. Diese und andere Probleme können die Verantwortlichen des öffentlichen Lebens nicht gleichgültig lassen und lasten mit dramatischer Deutlichkeit auf ihnen; aber sie appellieren zugleich an das Gewissen aller Arbeiter im industriellen, sozialen und wirtschaftlichen Bereich und aller Bürger, jene unerläßliche „Zusammenarbeit aller sozialen Kräfte“ Wirklichkeit werden zu lassen, wie sie kürzlich von Erzbischof Fagiolo gefordert wurde. 2. Von diesem Städtchen, das nach dem hl. Mönch Salvus benannt ist, dessen Grab es bewahrt, gehen meine Gedanken zu allen lieben Bewohnern der beiden Regionen Abruzzen und Molise, die ich hier in großer Zahl vertreten weiß. Ich erreiche sie, wo immer sie sind, in den dichtbesiedelten Städten und in den kleinen Dörfern, in den Bergen und an der Meeresküste. Und ich vergesse auch jene nicht, die dieses Land der 828 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeit wegen verlassen mußten. Alle sollen sich herzlich umfangen fühlen von meinem Segensgruß, den ich von diesem schönen Ort aus an jeden richte, von einem Ort aus, wo noch immer der Wahlspruch „Ora et labora“ der Benediktinermönche widerzuhallen scheint, die sich von der Mitte des achten Jahrhunderts an, von der nahegelegenen Abtei Monte-cassino kommend, hier niedergelassen haben. Sie errichteten ihren ersten Bau genau an der Stelle, wo sich heute die Kirche des hl. Josef erhebt, und im Zeichen von Kreuz und Pflug machten sie sich an die umfassende Urbarmachung und Umgestaltung des Gebietes, das damals bewaldet war, womit sie den Anstoß zu blühenden landwirtschaftlichen Kulturen gaben. Um die menschliche Arbeit zu ehren Auf diese frühe christliche Inspiration, die im Laufe der Jahrhunderte nicht abgenommen hat, gründet das heutige Städtchen San Salvo seine Wurzeln. Es hat verstanden, aus seiner edlen Tradition Ansporn zu gewinnen für seinen Einsatz zur Verwirklichung einer menschlicheren und gerechteren Gesellschaft und die Erreichung wertvoller Ziele auf industriellem Gebiet. Das schöne Städtchen San Salvo, das sich durch die Mannigfaltigkeit menschlicher Arbeit auszeichnet und durch die Vielfalt an Obst- und Gemüsefeldern, die ihm das Aussehen einer ländlichen Gemeinde bewahren, ist mit der Glasindustrie, die mit entsprechenden anderen Initiativen einhergeht, und der metallverarbeitenden Industrie in dieser Wirklichkeit ein sprechendes Zeugnis für die Arbeitsamkeit und den Fleiß der Bewohner der Abruzzen. Neben dieser Tugend laßt mich auch die anderen Tugenden erwähnen, die diese Bevölkerung kennzeichnen; das gütige und freundliche Wesen, die Hochherzigkeit, das sittliche Empfinden, die Anhänglichkeit an die Familie, das Solidaritätsgefühl, die Hochhaltung des Brauchtums; mit einem Wort, die Pflege der geistlichen und sittlichen Werte. In der Aufeinanderfolge der geschichtlichen Ereignisse, von denen der fernsten Vergangenheit bis zum Geschehen unserer Tage, hat dieses reiche Erbe, das auch dank der Sensibilität und pastoralen Hingabe eifriger Priester, die oft in Armut und Isolierung arbeiten, stets lebendig erhalten wurde, das Geflecht der christlichen Kultur und des christlichen Lebens genährt. Es war Anstoß und Ansporn für einen geordneten Fortschritt und hat die Verbreitung von Erscheinungen der Gewalttätigkeit und moralischen wie sozialen Abweichung verhindert. 829 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Auf dieses zivile und religiöse Erbe beziehe ich mich denn auch, wenn ich den eigentlichen Zweck meines Kommens ins Licht rücke. Ich komme nämlich, um die menschliche Arbeit zu ehren, die — woran gerade so eindrucksvoll in der Lesung des Abschnittes aus der Genesis (2, 4b-9.15) erinnert wurde - die Menschen am Werk des Schöpfers teilnehmen läßt. Denn nachdem Gott den Menschen als sein Bild und Gleichnis frei und mit Verstand begabt geschaffen hatte, setzte er ihn in den Garten des Universums, damit er „ihn bebaue und hüte“, also damit er die Erde durch Arbeit umgestalte und an seiner Herrschaft über die Natur teilhabe, indem er ihren Reichtum zum Vorschein bringe. Aber vor allem komme ich, um euch zu ehren, liebe Arbeiter und Arbeiterinnen, die ihr die unmittelbaren Träger der Arbeit seid. Ich komme, um Zeugnis zu geben von der Sorge der Kirche für die Welt der Arbeit und die persönliche Würde jedes Arbeiters. Ich will euch nicht verbergen, daß ich mit euch, wie es mir bei anderen ähnlichen Gelegenheiten gegangen ist, von neuem die Erfahrung der manuellen Arbeit miterlebe, die die Vorsehung in meinen Jugendjahren für mich bereit hatte. Es war eine schwierige Zeit meines Lebens; schwierig gewiß, aber auch eine glückliche. Und das nicht nur wegen der Befriedigung, die man erlebt, wenn man die Materie der Herrschaft des Verstandes unterwirft, sondern auch und vor allem wegen der angeknüpften Freundschaften und der Bande solidarischer Zusammengehörigkeit mit allen, die in derselben Mühe zu Brüdern wurden. Ihr könnt daher verstehen, daß die Herzlichkeit, mit der ich mich in diesem Augenblick an euch, eure Familien, eure Kollegen und alle, die arbeiten, schwitzen und unter den manchmal schwierigen Arbeitsverhältnissen leiden, wirklich aus der Tiefe meines Herzens hervorströmt. 4. Heute feiern wir die demütige und weise Gestalt des hl. Josef, des bescheidenen Zimmermanns, Ehemanns der Jungfrau Maria und Adoptivvaters Jesu; jenes Jesus, der selbst die längste Zeit seines Erdenlebens in der Zurückgezogenheit des Hauses in Nazaret gearbeitet hat. Wie ich in der Enzyklika Laborem exercens geschrieben habe, beziehen die Lehre und das Verhalten der Kirche gegenüber der Welt der Arbeit ihre entscheidende Inspiration aus dem, was ich das „Evangelium der Arbeit“ genannt habe. Es enthält eine Botschaft von tiefreichender und weitreichender Auswirkung: der Primat des Menschen über die Arbeit. 830 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zuerst der Mensch Mein Vorgänger Paul VI. hat während seiner apostolischen Reise nach Genf am 10. Juni 1969 in der Ansprache vor der Vollversammlung der Internationalen Arbeitsorganisation feierlich verkündet: „Bei der Arbeit kommt zuerst der Mensch. Ob als Künstler oder Handwerker, Unternehmer, Arbeiter oder Bauer, Handarbeiter oder Akademiker, es ist der Mensch, der arbeitet, und der Mensch, für den er arbeitet. Beendet ist daher der Vorrang der Arbeit vor den Arbeitern, der Primat der technischen und wirtschaftlichen Erfordernisse über die Bedürfnisse des Menschen. Niemals mehr soll die Arbeit über dem Arbeiter, niemals mehr die Arbeit gegen den Arbeiter stehen, sondern immer die Arbeit für den Arbeiter, die Arbeit im Dienst des Menschen, jedes Menschen und des ganzen Menschen“ (Insegnamenti di Paolo VI; VII, 1969, S. 369-370). Das ist nicht bloß eine Grundsatzerklärung, sondern eine Stellungnahme, ein entschiedener praktischer Grundsatz, der ganz klar das Denken und Handeln der Kirche widerspiegelt. Die Kirche hat keine Interessen und noch weniger Privilegien zu verteidigen. Da sie sich ihrer Berufung voll bewußt ist, wird sie nicht müde, an jedem Ort und in jedem Kulturbereich die Wege zum ewigen Heil aufzuzeigen. Aber sie ist zugleich besorgt um die Würde und auch um das materielle Wohl des Menschen, weil sie in jedem Menschen, ganz besonders im Bedürftigen und Leidenden, das Bild Christi eingeprägt sieht. Während sie den Blick auf die himmlische Wirklichkeit gerichtet hat, auf die wir alle zugehen, vergißt die Kirche doch nicht die irdischen Notwendigkeiten, die den zwangsläufigen Übergang zu jener himmlischen Wirklichkeit bilden. Die religiöse und übernatürliche Sicht der Arbeit steht in vollkommener Übereinstimmung mit dem menschlichen Fortschritt. Sie ist ein Licht, ein Ideal, eine Kraft, die vor egoistischen Parteiinteressen schützt und den Menschen treu dienen läßt und dazu anhält, sich in den Dienst am Menschen zu stellen. Sie ermöglicht es, die Gefühle des Arbeiters zu teilen, die Bedingungen, unter denen er seine Arbeit verrichtet, seine Probleme, seine Nöte, seine Schwierigkeiten und seine Erwartungen. Deshalb habe ich in der Enzyklika Laborem exercens wieder betont, daß „die menschliche Arbeit ein Schlüssel ist und wohl der wesentliche Schlüssel in der gesamten sozialen Frage, wenn wir sie wirklich vom Standpunkt des Wohls für den Menschen betrachten wollen“ (Nr. 3). Mit der Darstellung dieser Ziele will ich keine Analyse nach Art der Klassenkämpfer vornehmen, also sozusagen einer Ideologie eine andere 831 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN entgegenstellen, denn wie ich in der an alle Arbeiter Zentralamerikas gerichteten Botschaft sagte, „spricht die Kirche, indem sie von einer christlichen Sicht des Menschen und seiner Würde ausgeht: Sie ist überzeugt, daß man sich nicht an Ideologien halten oder gewaltsame Lösungen suchen muß, sondern daß es darum geht, sich für den Menschen einzusetzen ..., ausgehend vom Evangelium, das die Anerkennung der menschlichen und geistlichen Würde des Menschen als Arbeiter verlangt, der das Recht darauf hat, daß das Produkt seiner Arbeit in gerechter Weise zu seinem eigenen Wohl und zum gemeinsamen der Gesellschaft beiträgt“. 5. Die „Humanisierung“ der Arbeit hat in der modernen Gesellschaft beachtliche Fortschritte gemacht, und die Kirche freut sich darüber. Es bleiben jedoch besorgniserregende Probleme und Spannungen, angesichts derer die christliche Auffassung ihre ganze Gültigkeit und ihre volle Funktion als Antrieb und Ferment beibehält. Auf dem Weg der Solidarität Wenn die Arbeit ein „Gut des Menschen“ ist, ein Gut, das „der Würde des Menschen entspricht, ein Gut, das diese Würde zum Ausdruck bringt und sie vermehrt“ (Laborem exercens, Nr. 9), dann ist sie auch ein Recht der menschlichen Person, das allen zugänglich gemacht werden muß. Die Vollbeschäftigung ist mehr als ein wirtschaftliches vor allem ein in höchstem Maße menschliches Problem. Jede wohlgeordnete Gesellschaft muß sie zu ihren vorrangigsten Sorgen zählen. In diesem Zusammenhang fällt uns gleich das Phänomen der Jugendarbeitslosigkeit ein, welcher Berufsbereich davon auch immer betroffen sein mag. Eine Erscheinung, die in allen ihren Komponenten gesehen werden muß, angefangen von der am Beginn stehenden Chance entsprechender Ausbildung und der geeigneten Möglichkeiten, sie zu vermitteln, bis hin zu den Konsequenzen, zu denen das Fehlen einer Beschäftigung den Jugendlichen führen kann, der sich selbst überlassen bleibt, sich mit der Frische und Lebendigkeit seiner Kräfte gedemütigt und in seinen glühenden Hoffnungen enttäuscht sieht. Eine andere Erscheinung, auf die ich hinweisen möchte, ist die Emigration, die noch immer in viel zu hohem Ausmaß der Preis ist - und was für ein Preis! -, der für den Mangel an Beschäftigung in der Heimat gezahlt werden muß. Sie hinterläßt fast unauslöschliche Spuren im Herzen und wirkt sich in schmerzvoller Weise auf die Kernzellen der Famüie aus. Es stimmt, daß Arbeitslosigkeit und Emigration auch wegen der wachsen- 832 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Interdependenz der wirtschaftlichen Hilfsquellen internationale Dimensionen angenommen haben, aber die Ausweitung des Horizonts enthebt die nationalen Instanzen nicht ihrer Verantwortung. Die Zusammenarbeit, die auf internationaler Ebene mit Recht gefordert wird, muß im lokalen Bereich verankert sein. Dasselbe gilt auch für die übrigen Probleme, die die Welt der Arbeit bedrängen: die Stabilität und Sicherung des Arbeitsplatzes, die Unfallverhütung, der gleiche und gerechte Lohn, die berufliche Fortbildung, der besondere Schutz einzelner Berufsgruppen unter besonderen Bedingungen, wie z. B. Frauenarbeit, Nachtarbeit, Akkordarbeit und dergleichen. Wie ich bereits den Arbeitern Zentralamerikas sagte: „Der gerechte Lohn... hat in erster Linie und vor allem den Arbeiter im Auge. Er erkennt ihn als Partner und Mitarbeiter im Produktionsprozeß an und entlohnt ihn für das, was er in diesem Prozeß ist, und nicht nur für das, was er produziert hat. Er muß natürlich seine Familienmitglieder und ihre Rechte berücksichtigen, damit sie in würdiger Weise in der Gemeinschaft leben können und ihnen so die nötigen Möglichkeiten zur eigenen Entwicklung und gegenseitigen Hilfe zur Verfügung stehen... Sein Lohn muß so sein, daß der Arbeiter und seine Familie sich der Kulturgüter erfreuen können, wobei ihnen auch die Möglichkeit gegeben werden muß, ihrerseits zur Hebung der Kultur der Nation und des Volkes beizutragen.“ Je mehr die Technik fortschreitet und neue Instrumente zur Verfügung stellt, desto mehr wirft sie neue Probeleme auf. Materialistische Ideologien und Bewegungen finden da leicht einen Vorwand, Konflikte zu schüren, die gewiß nicht dazu beitragen, das Gefühl der Achtung für die Würde des Menschen und die notwendige Verständigung zu fördern, die sich auf einen offenen und konstruktiven, von allen interessierten Parteien mit gleicher Entschlossenheit geführten Dialog gründet. Die christlichen Arbeiter verfolgen mit Überzeugung den Weg des Dialogs und der Solidarität mit allen Mitgliedern der Werksgemeinschaft und der gesamten Welt der Arbeit; das ist eine Solidarität, die den so wertvollen und verpflichtenden Namen einer weltweiten Brüderlichkeit verdient. Die Kirche lehnt bekanntlich das Spiel eines engstirnigen Konservativismus entschieden ab. Die Kirche ist für die volle und wirksame Anerkennung der Rechte des Arbeiters und will, daß dieses Ziel mit ehrlichen und klaren Mitteln erreicht wird, die auf gegenseitigem Verständnis und Zusammenarbeit basieren, so daß sie die Erreichnung eines echten Fortschritts sicherstellen, der dem Arbeiter nicht nur die Möglichkeit gibt, mehr zu haben, sondern vor allem mehr zu sein: menschlicher, freier und dadurch besser imstande, seine menschlichen und beruflichen Qualitäten 833 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu nutzen. Auf diese Weise werden die christlichen Ideale zu einem starken Antrieb für ein ernsthaftes und hochherziges Bemühen um die Förderung der sozialen Gerechtigkeit. 6. Darum, liebe Brüder und Schwestern, richte ich die eindringliche Aufforderung an euch, eure katholischen Traditionen immer mehr zu beleben. Der Glaube ist kein untätig zu verwaltendes Gut in Aufbewahrung, sondern will in ständiger Erneuerung gelebt werden: und immer im Einklang mit den Forderungen der Arbeit, die, wenn sie mit dem Geist des Glaubens als Ausdruck der auf Gott hin ausgerichteten menschlichen Situation angenommen wird, eine verdienstvolle Tätigkeit ist. Christliche Präsenz am Arbeitsplatz Aber diese Erhöhung der Arbeit entbindet nicht von Augenblicken des Nachdenkens und des Gebets, von Augenblicken echten und passenden Innehaltens des Geistes, die einen Dialog mit Gott und mit dem eigenen Gewissen ermöglichen sollen. Das ist die Bedeutung des Sonntags, des „Tages des Herrn“, der sowohl der körperlichen Erholung wie dem gemeinsamen Gottesdienst und den Werken der Nächstenliebe gewidmet ist. Das ist die Notwendigkeit des häufigen Sakramentsempfangs, um - durch die Beichte - die von der Sünde zerbrochenen Verbindung mit Gott wiederherzustellen und - vom Tisch des eucharistischen Brotes - die eigene Seele zu nähren. Das ist das Verlangen, die Erkenntnis der Glaubenswahrheiten durch entsprechende katechetische Unterweisung zu vertiefen, dazu bestimmt, den Geist in dem Augenblick zu erleuchten, wo entgegenstehende Ideologien Zweifel und Ungewißheit säen. Das ist die dringende Forderung, den Arbeitsplatz durch eine echte christliche Präsenz zu einem angenehmen, konstruktiven Ort zu machen, an dem durch konsequente und vorbildliche Lebensführung Zeugnis für Christus und seine Botschaft des Friedens und der Freiheit abgelegt wird. Wir stehen wenige Tage vor dem Beginn des Heiligen Jahres der Erlösung. Am 25. März, dem Fest der Verkündigung des Herrn, werde ich die Freude haben, die Heiüge Pforte zu öffnen, das Symbol für einen neuen Zugang zu Christus, dem Erlöser des Menschen, der alle zur Teilhabe an der Gnade der Erlösung beruft. Ich wünsche euch, meine Lieben, daß diese einzigartige geistüche Zeit für euch und eure Familien, für eure Kinder, eure Kranken, für die mir so 834 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN teure Jugend, für alle Menschen guten Willens besonders fruchtbar sein möge. Ich vertraue euch und eure Lieben dem Schutz der seligsten Jungfrau und des hl. Josef, ihres Bräutigams, an und segne euch alle im Namen Christi, der unser Glück und unsere Hoffnung ist. ,,Bewahrt ungebrochen eure Begeisterung!“ Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses „Für eine neue Menschheit“ der Fokolar-Bewegung im römischen Sportpalast am 20. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich drücke euch meine ganze Freude darüber aus, daß ich heute hier unter euch weilen kann, die ihr das Bild der Kirche in ihrem pulsierenden Leben und in jener echten, persönlichen, zwischenmenschlichen Gemeinschaft so überzeugend darstellt, daß darin die Kirche selbst in der Vielfalt der Herkunft und der sozialen Verhältnisse ihrer Mitglieder erfahrbar wird. „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 113, 1), denn die Verheißung Jesu ist ja gewiß: „Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18, 20). Und ich weiß, daß ihr alle, wir alle hier in seinem Namen versammelt sind. Geben wir ihm also Raum, ihm, seiner geheimnisvollen und trostreichen Gegenwart, seinem Geist der Wahrheit und der Stärke, der uns alle in einem einzigen Band des Glaubens und der Liebe verbindet. Ich möchte vor allem Frau Chiara Lubich für die Worte danken, die sie in euer aller Namen an mich gerichtet hat, und ihr meine lebhafte Genugtuung darüber bekunden, daß die Vorsehung die Fokolar-Bewegung wachsen ließ, nicht nur hinsichtlich ihrer Verbreitung, sondern vor allem an Intensität. Zugleich begrüße ich euch alle von Herzen, die ihr euch in so großer Zahl in Rom, dem Sitz Petri, eingefunden habt. In der Vielfalt eurer geographischen Herkunft spiegelt sich die Universalität der Kirche wider, die zunehmend in allen Breiten der Erde in Erscheinung tritt und mit unwiderstehlicher Gewalt dahin drängt, alle natürlichen und historischen Schranken zu überwinden. Und bei der außerordentlich großen Verschie- 835 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denartigkeit eurer Berufe - ihr vertretet ja die unterschiedlichsten Gruppen der Gesellschaft - wird die echte Brüderlichkeit der Kirche sichtbar, in der, wie der Apostel Paulus es kraft seiner Autorität zum Ausdruck bringt, es „nicht mehr Juden und Christen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau gibt; denn ihr alle seid ,einer in Christus Jesus“ {Gal 3, 28). Eine lebendigmachende Liebe Ich freue mich besonders, mit der von euch vertretenen „Bewegung für eine neue Menschheit“ Kontakt aufzunehmen. Das Ziel dieser Bewegung, allen Bereichen der modernen Gesellschaft dadurch eine christliche Seele zu geben, daß man zur Erneuerung der Menschen und der Strukturen beiträgt, kann nur meine Zustimmung und Ermunterung finden. Es ist in der Tat nötig, daß die Initiative der lebendigmachenden Liebe, die vom Vater im Himmel ihren Ausgang nahm und in Jesus Christus ihren Höhepunkt erreicht hat, sich ausweitet und gleichsam universale Dimensionen annimmt, um die ganze Menschheit in eine neue Schöpfung, in eine echte „Wiedergeburt“ (Tit3, 5; Mt 19, 28) hineinzunehmen. Gibt es etwa ein größeres, mitreißenderes Ideal, das göttlicher und zugleich menschlicher wäre? Über diesen Plan, den man als utopisch bezeichnen würde, wäre er nicht vom Heilswillen Gottes selbst gefaßt worden, möchte ich denn einige Überlegungen anstellen. 2. Der Epheserbrief beginnt feierlich im Ton jubelnder Freude: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel..., bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus“ {Eph 1, 3.5). Gott, der Liebe ist, hat zum Menschen eine Vater-Sohn-Beziehung her-stellen wollen. Deshalb greift er auf verschiedene Weise in seine Geschichte als einzelner und als Gemeinschaft ein. Eine besondere Art der Präsenz ist der Bund, den er mit Israel geschlossen hat, als er es von der Unterdrückung befreite und als Volk einsetzte. Diese Väterlichkeit gegenüber Israel ist wie ein Zeichen der umfassenderen und wirklichen Vaterschaft, die er der gesamten Menschheit zu bezeigen trachtet und die er voll und ganz offenbar werden läßt in der Hingabe seines Sohnes: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ {Joh 3, 16). 836 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es offenbart sich uns ein zuvorkommender, sorgender Vater; ein Vater, der sich nicht nur um unser geistliches Heil kümmert: Er, der die Lilien auf dem Feld kleidet und über das Los des kleinsten Vogels wacht (vgl. Mt 6, 26-29), trägt auch Sorge für die materiellen Alltagsprobleme des Menschen (vgl. Mt 6, 31-34). Diese universale Vaterschaft Gottes zeigt sich im besonderen in bezug auf die Getauften, da sie durch ihre Teilnahme an der einen und unvergleichlichen Sohnschaft Jesu (vgl. Gal 4, 1-7; Kol 1, 13) tatsächlich zu Kindern Gottes werden (vgl. 1 Joh 3, 1). Wenn Christus nämlich „der Erstgeborene von vielen Brüdern“ ist (Röm 8, 29), sind folglich alle, die in ihm angegliedert sind, auch untereinander Brüder (vgl. Mt 23, 8) und stehen überdies unter einer neuen Anforderung der Liebe gegenüber allen Menschen (vgl. Mt 5, 43-48). Wie es das Evangelium verkündet Das Evangelium ist also nicht nur eine Botschaft über die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen, sondern es betrifft auch die Beziehungen der Menschen untereinander. Dem Gebot, Gott zu lieben mit ganzem Herzen, wird das Gebot, den Nächsten zu lieben wie sich selbst, an die Seite gestellt und für gleich wichtig erklärt (vgl. Mt 22, 39). Eine Liebe, die sich in der Gegenseitigkeit erfüllt und die über jedes menschliche Maß hinausgeht. Jesus fordert uns auf, dem Feind zu vergeben und ihn zu lieben, und stellt uns die Vollkommenheit des Vaters als Vorbild hin (vgl. Mt 5, 48). Jesus gibt uns für die gegenseitige Liebe unter Brüdern seine eigene Liebe, die ihn zur Hingabe des Lebens führt, als Maßstab: „Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe. Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ {Joh 15, 12-13). Das Evangelium verkündet also nicht eine Wirklichkeit, die nur tief im Herzen der Gläubigen gehütet und verschlossen bleiben soll, sondern die sich unmittelbar in eine radikale Umwandlung der zwischenmenschlichen Beziehungen und eine Erneuerung des Geflechts der sozialen Beziehungen überträgt. Das Evangelium wird nur dann wirklich gelebt, wenn es in denen, die Christus folgen, eine Umkehr ihrer Lebensweise im konkreten Bereich der Gesellschaft hervorruft. 3. Mit der Offenbarung seiner Gotteskindschaft läßt das Evangelium den Menschen auch die Antwort erkennen, die er auf die Liebe des Vaters 837 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geben muß, um als Sohn zu leben. Diese Antwort ist zweifacher Art, es ist eine Antwort an Gott und eine Antwort an den Mitmenschen. Die erste Antwort an den Vater besagt, was es bedeutet, als Sohn zu leben, wie man sich verhalten muß, damit sich die Güte des Vaters im Leben der Kinder kundtut. „Euch aber muß es zuerst um sein Reich und um seine Gerechtigkeit gehen“ {Mt 6, 33): dann wird die Liebe des Vaters seinen Kindern das Hundertfache und das ewige Leben geben (vgl. Mt 10, 29-30). Die zweite Antwort geht an den Bruder, mit dem Jesus selbst sich identifiziert (vgl. Mt 25, 31-46). Es ist eine Antwort, für die Christus uns vielfältige Wege zeigt, wie sie in die Tat umgesetzt werden kann; alle seine Worte führen aber zu jenem einen zentralen Weg, dem neuen Gebot, der Vorbedingung, um die Einheit, die das Wesen des Evangeliums bildet (vgl. Paul VI., Insegnamenti, XI, 1973, S. 56), unter den Menschen zu leben. „Wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ,daß alle eins seien, wie auch wir eins sind“ {Joh 17, 21-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe“ {Gaudium et spes, Nr. 24). Gottes Vaterschaft, die uns von Christus offenbart und im Geist mitgeteilt wird, ist die Beziehung zwischen dem Vater und dem Sohn. Das Geschenk, das der Vater uns in Christus gemacht hat, verlangt also, daß das ganze menschliche Leben, einschließlich des tiefen Gefüges der sozialen Beziehungen, auf seine Quelle und den Ursprung seines Daseins ausgerichtet sei, nämlich auf das Leben der Dreifaltigkeit selbst. Christus hat das Menschsein so, wie es wirklich ist, angenommen, mit Ausnahme der Sünde. Damit hat er selbst die immanente und die transzendente Berufung aller Menschen vereint. Die Kirchenväter sagten immer wieder: „Was nicht (von Christus) angenommen wird, wird nicht erlöst“ (hl. Gregor von Nazianz, Ep. 3 an Cledonius); die soziale Beziehung wurde von Christus in seinem mystischen Leib angenommen - und erlöst. Die Herausforderung für den Christen besteht also darin, diese „erlöste Gemeinschaftlichkeit“ auf alle Dimensionen des menschlichen Lebens zu übertragen, so wie es die ersten Christen getan haben, die innerhalb der Gesellschaft, in der sie lebten, einen neuen Lebensstil einführten und an den Tag legten, eine echte brüderliche Solidarität, eine neue Gesellschaftsform, eine Gemeinschaft, in der die trinitarischen Wurzeln des menschlichen Zusammenlebens zur Auswirkung kamen. 838 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Anhänger Christi müssen, wenn sie ihrer Berufung treu sein wollen, einen konkreten Beweis dafür liefern, daß das Evangelium Leben ist, sowohl für die Seele wie für die ganze Gesellschaft. Die Verbundenheit der Gläubigen im Geist muß in einer Gemeinschaft so Gestalt annehmen, daß sie, wenn sie das eine Brot des Lebens bricht, auch das Brot der Erde miteinander teilt. So wirkt sie, je nach den sozialen und kulturellen Verhältnissen, in denen die Christen leben, konkret an der Menschwerdung mit. Wenn also die Einheit als mystischer Leib Christi gelebt wird, macht sie dann nicht aus den Christen diejenigen, an denen jene Art von Solidarität deutlich wird, durch die allein es einen echten Sozialkörper gibt? Die freie Gliederung der vielen in dem weiten Bereich der menschlichen Ausdrucksformen, aber im Rahmen des einen Leibes Christi, beweist beispielhaft die Möglichkeit eines tieferen Friedens im zivilen und internationalen Zusammenleben. Die Liebe, die die Glieder des Leibes Christi untereinander zusammenhält, ist nach dem Maße der erbarmenden Liebe Gottes gestaltet. An ihr müssen sich die gerechtesten und fruchtbarsten Mechanismen für den Friedensdialog ablesen lassen. Im Licht der Universalität der christlichen Berufung (vgl. Gal 3, 28) erstreckt sich somit das Gebot der Liebe auf die Völkergemeinschaft und ermöglicht es, daß wir nicht nur unser Vaterland, sondern die gleiche Identität der andern wie die eigene lieben. Die freie Güterteilung unter den Mitgliedern der christlichen Gemeinschaft wird dort, wo sie in evangelischer Weise geübt wird, die Möglichkeit der Teilhabe an den Gütern der Erde von seiten aller Mitglieder der politischen Gemeinschaft auf nationaler und internationaler Ebene wirksam sichtbar machen. So wird man dazu beitragen, „die Mechanismen und Instrumente der echten Teilhabe im ökonomischen und sozialen Bereich“ zu finden, „weiterhin den Zugang aller zu den Gütern der Erde sowie die Möglichkeit der Entfaltung durch die Arbeit; mit einem Wort, die Anwendung der Soziallehre der Kirche“, wie ich auf meiner kürzlichen Mittelamerikareise sagte (Predigt bei der Messe in San Salvador am 6. März, O.R.dt., 18. 3. 83, S. 9). Die volle Verwirklichung des Menschen, der Glied des Leibes Christi geworden ist, wird also zum Modell für die Anerkennung der Würde des Menschen mit seinen Rechten und seinen Pflichten innerhalb des Sozialkörpers. Aber dieser Entwurf hat bereits in Maria konkrete Gestalt angenommen. Sie selbst gibt uns im Heiligen Geist gleichsam die Magna Charta dafür. 839 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Insbesondere „ist das Magnifikat der Seelenspiegel Mariens. In diesem Gedicht findet die Spiritualität der Armen Jahwes und das Prophetentum des Alten Bundes seinen Höhepunkt. Dieser Hymnus kündigt das neue Evangelium Christi an, er ist das Vorspiel zur Bergpredigt. Maria erscheint hier vor uns in ihrer Selbstentäußerung, während sie ihr ganzes Vertrauen auf das Erbarmen des Vaters legt. Im Magnifikat ist Maria auch für jene Vorbild, die die widrigen Umstände des eigenen und sozialen Lebens nicht passiv hinnehmen, die auch nicht der „Selbstentfremdung1 unterliegen, wie man heute zu sagen pflegt, die vielmehr mit ihr verkünden, daß Gott ,der Anwalt der Kleinen und Unterdrückten“ ist, daß er gelegentlich auch ,die Mächtigen vom Thron stürzt“...“ (Johannes Paul II., Homilie im Heiligtum Zapopän, Mexiko, am 30. 1. 1979, O.R.dt, 16. 2. 1979, S. 6). 5. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr und eure Bewegung seid in besonderer Weise aufgerufen, dieses eindringliche Zeugnis zu erbringen. In Gemeinschaft mit der ganzen Kirche und mit euren zuständigen Bischöfen müßt ihr das Licht des Evangeliums hochhalten, wie die Stadt auf dem Berge, wie das Licht auf dem Scheffel (vgl. Mt 5, 14-15). Bewahrt weiterhin ungebrochen die Begeisterung für eure Aufgabe und verbindet sie stets mit der Demut dessen, der weiß, daß, wer sät, nicht immer erntet, ja, daß der, dem das Glück der Ernte beschieden ist, häufig von der Saat anderer abhängig ist, wie uns der Herr mit Recht erinnert (vgl. Joh 4, 36-38). Gebt also der Kirche ein heilsames Beispiel unablässigen Hörens auf das Wort Gottes, des Gebets, gegenseitiger Verbundenheit, geistlicher Freude, tiefer Achtung vor den Charismen anderer, harmonischer und fruchtbarer Eingliederung in das große Gefüge des Leibes Christi, mit einem Wort, das Beispiel echter christlicher Reife. Ich habe aus dem Programm eurer Arbeiten gesehen, daß ihr einen anstrengenden Tag hinter euch habt. Vor allem die Vielzahl der aufeinanderfolgenden Stimmen haben einen weiten Kreis von Problemen, Bereichen und Situationen berührt, in die der umgestaltende Samen des Evangeliums eingesenkt werden soll. Wer weiß, wie viele Anregungen ihr empfangen, wie viele Vorschläge ihr formuliert, was für eine hochherzige Bereitschaft ihr erneuert habt! Der Herr erleuchte, stärke, reinige und festige euren Sinn und euer Herz. Ich meinerseits versichere euch eines besonderen Gedenkens im Gebet. Seid gewiß, daß ich eure Tätigkeit verfolge und mir von euch viel erwarte 840 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf dem Gebiet eines fruchtbaren evangelischen Zeugnisses „für eine neue Menschheit“, wie das Thema eures Kongresses lautet. Und zusammen mit meiner Liebe begleite euch immer der Apostolische Segen, den ich euch voll Freude aus ganzem Herzen erteile und in den ich auch eure Lieben, eure Freunde und alle, denen ihr auf eurem Weg durch die Straßen der Welt begegnet, einschließen möchte. Die „christlichen Fasern“ Frankreichs Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des französischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Xavier Daufresne de La Chevalerie, am 21. März Herr Botschafter! Ich bin tief bewegt von Ihren Worten und weiß die hohe Meinung, die Sie vom Wirken des Hl. Stuhles, von der Berufung Ihres edlen Landes und von den humanitären Zielen haben, die Frankreich zu verfolgen bestrebt ist, hoch zu schätzen. Ihr Zeugnis ist fast ein Programm, dessen volle Verwirklichung wir, die einen wie die anderen, uns verständlicherweise wünschen. Sie Ihrerseits werden dazu beitragen in diesem Amt des Botschafters Frankreichs beim Hl. Stuhl, das Sie in der Nachfolge Ihrer berühmten Vorgänger an treten. 1. Frankreich! Eure Exellenz haben an die christliche Vergangenheit Frankreichs, man könnte sagen, an die christlichen Fasern des Gewebes seiner Geschichte, erinnert, und dafür danke ich Ihnen. Ich selbst bin sehr aufgeschlossen für die Ursprünge Ihrer Nation - die erste, die in der Welt, die dem Römischen Reich folgte, offiziell den Glauben und die Taufe angenommen hat -, und noch mehr beziehe ich mich auf diese nahezu ununterbrochene Tradition der Anhänglichkeit an die Kirche, der oft intensiven und immer wieder erneuerten geistlichen Vitalität durch die Entfaltung neuer Initiativen, das Entstehen neuer Einflußbereiche und Universitätszentren, das Auftreten von Theologen, Ordensfamilien, Aposteln der Nächstenliebe, unerschrockenen Missionaren, heiligen Männern und Frauen zum Vorbild der ganzen Kirche. Dieser Glaube, der bisweilen erschüttert wurde oder die Richtung verlor, aber immer wieder auflebte, hat nicht nur auf den großartigen Denkmä- 841 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lern und Kunstwerken der Vergangenheit seine prägende Spur hinterlassen, sondern auch - und tut das noch jetzt - im Denken, in den Gewohnheiten und in den Idealen der Menschen, selbst wenn sie sich vom Glauben entfernt zu haben scheinen. Meine kurze Reise in Ihr Land hat mich mit dem Finger an diese Tiefe Frankreichs rühren lassen, wie übrigens auch die Pilgerreisen, die hierherführten. Dabei vergesse ich keineswegs das, was Ihrem Volk Anlaß zu Ansehen und Stolz gibt auf bürgerlicher Ebene, in den Bereichen der Literatur, der Wissenschaften, des Sozialen, eine Blüte, deren Einfluß die Welt gleichermaßen empfängt. Und für die Ausstrahlung dessen, was das Beste ganz Frankreichs darstellt, spreche ich meine herzlichsten Glückwünsche aus, Wünsche, die zugleich Hoffnung ausdrücken und einen Appell an die Verantwortlichkeit Ihres Landes zum Dienst an anderen Völkern. Aber Sie verstehen, daß ich besonders und vor allem den Aufschwung der lebendigen geistlichen Kräfte der Kirche in Frankreich wünsche, die dazu beitragen, Ihrem Land eine Seele zu geben: Ich wünsche mir, daß sie sich erneuern und mit den Mitteln und Möglichkeiten, deren sie bedürfen, Fortschritt machen, um Ihrer ganzen Nation unter Achtung der Gewissen ihren wertvollen Beitrag zu leisten sowie ihren Sendungsauftrag zum Wohl der Gesamtkirche und der anderen Länder, die auf ihre Unterstützung zählen, zu erfüllen. Von diesem Frankreich, von diesem ewigen Frankreich, werden Sie, Herr Botschafter, hier als Vertreter der Regierung Zeugnis geben, die heute die Aufgabe hat, die Geschicke der Nation zu führen und das gemeinsame Wohl aller sicherzustellen. 2. Auf der anderen Seite werden Sie hier der bevorzugte Zeuge des Wirkens des Hl. Stuhles, seines Einschreitens, seiner Vorschläge, seiner Wünsche sein. Ich brauche seine Rolle nicht eigens zu betonen, die wohlbekannt ist und die Sie so gut herausgestellt haben. Sie haben an die Anstrengungen des Hl. Stuhls in den verschiedenen Bereichen erinnert, die das Schicksal von Personen und Völkern betreffen, zum Beispiel für den Dialog, den Frieden, die Freiheit, die Achtung des Menschen, die Ermutigung jener, die Prüfung erdulden. Sie haben auf seinen Einsatz auf diesem Gebiet hingewiesen und auf die Universalität seiner Berufung, die seine Uneigennützigkeit und Unparteilichkeit gewährleistet. Ich danke Ihnen für dieses Zeugnis. Wir sind uns nur zu gut der Grenzen eines solchen Engagements bewußt. Das Wirken des Hl. Stuhls hat in der Tat mindestens zwei Merkmale. Es trachtet, die Hoffnung zu wecken; es appelliert an die freie Gewissensbildung. Ja, dort wo die Menschen in unentwirrbare Situationen verstrickt 842 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und es müde sind, auf kostspieligen, geduldigen und friedlichen Wegen nach vollgültigen menschlichen Lösungen zu suchen, versucht der Hl. Stuhl zu erreichen, daß sie wieder Hoffnung schöpfen, indem er sie davon überzeugt, daß der Dialog, der Friede und die Gerechtigkeit noch immer möglich sind, und sie von bescheidenen Anfängen an ermutigt. Im übrigen wendet er sich mit seinem Vorgehen an die Überzeugung der Gewissen, da er voraussetzt, daß sie zu Wahrheit und zum Guten fähig sind. Aber da würde es nicht genügen, wenn der Papst und die Organe des Hl. Stuhls reden, schreiben, auf die Wege zur Neuerstarkung hinweisen; die Gewissen der Menschen vernehmen sie ja vor allem durch das Zeugnis der Ortskirchen, die sie an Ort und Stelle mahnen und mit ihnen arbeiten. Das ist die Bedeutung, die der Nachfolger Petri der Hilfe der Bischöfe, der Hirten dieser Kirchen, beimißt. Und Sie wissen, daß diese Bischöfe in Ihrem Land wie anderswo, während sie sich um die religiöse Vertiefung ihrer Gläubigen bemühen, sich der von einer echten Nächstenliebe nicht zu trennenden menschlichen Probleme annehmen: der Probleme der Welt der Arbeit, des Gesundheitswesens, der Randgruppen; der Probleme der Kultur; und auch der familiären Werte der Liebe, der Treue, der Achtung vor dem Leben, ohne die eine Gesellschaft zerfällt; die Sorge um die Freiheiten und die Achtung der anderen; das Streben nach Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit; der Wille, der Dritten Welt beizustehen und mit ihr zu teilen; und darüber hinaus der eigentliche Sinn des Lebens, der den jungen Generationen vor Augen gestellt werden muß. 3. Und wenn man nun im Bereich des internationalen Lebens die Ziele des Hl. Stuhls und jene betrachtet, die Ihr Land verfolgt, so zweifle ich nicht, daß es Übereinstimmungen zwischen ihnen gibt und Möglichkeiten zur Zusammenarbeit auf den Wegen der Freiheit, der Rechtsgleichheit und der Solidarität der Völker, die der französischen Überlieferung teuer sind. Was die Freiheit betrifft, haben Sie an den Satz des Herrn Präsidenten Frangois Mitterand erinnert; ich schätze ihn um so mehr, als er in einem Zusammenhang gesprochen wurde, der mich unmittelbar berührt. Man denkt grundlegend an die Freiheit eines Volkes, sein Schicksal zu wählen und zu führen. Aber die Freiheit ist unteilbar: Es gibt auch die Freiheit als Recht auf freie Meinungsäußerung von Personen und Gruppen; es gibt die Gewissensfreiheit, die Sie in glücklicher Weise betont haben, nicht nur Gelegenheit für die Kirchen, ihr Leben und ihren Kult unabhängig zu gestalten — das ist in den französischen Lebensgewohnheiten wohl unbestritten -, sondern zudem die in der Öffentlichkeit bis hinein in die Massenmedien bezeugte Achtung für die inneren Überzeugungen; und 843 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ebenso die Freiheit der Familien, ihre Kinder ihren Überzeugungen entsprechend zu erziehen. Was die grundlegende Gleichheit zwischen den Menschen betrifft, so findet sie vor allem in der Art und Weise Ausdruck, wie die Grundrechte der menschlichen Person unter allen Umständen respektiert werden. Ich weiß, daß die Franzosen sehr bemüht um die Verteidigung dieser Rechte sind, auch für diejenigen, die in die Zuständigkeit anderer Länder fallen, indem sie sich, wie der Hl. Stuhl, häufig einschalten und um Schutz für diese Menschen ersuchen. Die echte Brüderlichkeit schließlich muß das Aussehen der Solidarität annehmen: Solidarität der Staatsbürger zum gemeinsamen Wohl der Nation, Solidarität der europäischen Völker, Solidarität der Völker der Weltgemeinschaft. Sie haben an die Einheit Europas erinnert. Diese Einheit erweist sich trotz der gemeinsamen christlichen Wurzeln als schwierig! Und doch, wer sieht nicht den großen Fortschritt, der damit erzielt wurde, daß man in 30 Jahren von einem übertriebenen Nationalismus zu einer Zusammenarbeit in vielen Bereichen gelangt ist? Der Hl. Stuhl achtet sorgfältig auf die wichtige Rolle, die Frankreich dabei spielt, und er ermuntert seinerseits lebhaft zu diesem Projekt, zu einem noch stärker solidarischen Europa. Aber er wünscht auch, daß diese Einheit, die darin dem christlichen Ideal folgt, das Europa genährt hat, diesen Kontinent nicht in seinen eigenen Problemen noch in der privilegierten Situation, die er noch immer in vieler Hinsicht genießt, verschließt, sondern daß sie ihm ermöglicht, in uneigennütziger Weise zum Fortschritt anderer Länder und ihrer Beziehungen, insbesondere weniger begünstigter Länder, auf dem Gebiet der Wirtschaft, des Gesundheitsund des Schulwesens, gerechter Handelsbeziehungen, des gegenseitigen Kulturaustausches, der Verminderung von Spannungen zwischen ethnischen Gruppen oder Ländern, der Regelung von Konflikten, der Abrüstung, kurz des Friedens im vornehmsten und tiefsten Sinne des Wortes beizutragen. Dies ist die erhebende Rolle, die die Nationen ihren Bürgern und die Kirche ihren Gläubigen anzubieten haben! Möchten doch auf diesem Wege die Schritte Frankreichs und des Hl. Stuhls in gleicher Weise voranschreiten! Ich bin Ihnen verbunden, Herr Botschafter, wenn Sie Seiner Exzellenz dem Herrn Präsidenten der Republik meinen Dank aussprechen für das Gedenken, das mir auszudrücken er Sie beauftragt hat, und für die Wünsche, die er für die Harmonie der diplomatischen Beziehungen zwischen Frankreich und dem Hl. Stuhl ausspricht, Empfindungen, die ich 844 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinerseits teile! Die Sendung, die Ihnen zufällt, wird zur Verwirklichung dieser gemeinsamen Sorge beitragen können. Ich wünsche Ihnen, daß Sie diese Sendung glücklich und fruchtbringend erfüllen mögen, und versichere Ihnen, daß Sie hier stets die Sympathie, das Verständnis und die Hilfe finden werden, die Sie wünschen. Das Geschenk der Versöhnung Ansprache bei der Audienz für die deutschsprachigen Pilger in St. Peter am 23. März Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine besondere Freude, euch heute in so großer Zahl hier am Petrusgrab in Audienz zu empfangen. Ich heiße euch alle herzlich willkommen und wünsche euch schöne und gnadenreiche Tage in der Ewigen Stadt in dieser vorösterlichen Zeit. Unsere heutige Begegnung steht schon ganz im Licht des bevorstehenden großen kirchlichen Ereignisses, der Eröffnung des Jubiläumsjahres der Erlösung am Fest der Verkündigung des Herrn, dem kommenden 25. März. Gewiß werden auch viele von euch an der liturgischen Feier der Öffnung der Heiligen Pforte teilnehmen. Es ist von tiefer Bedeutung, daß das Heilige Jahr an diesem Herrenfest beginnt, an dem wir das Geheimnis der Menschwerdung des Sohnes Gottes im Schoße der Jungfrau Maria verehren. Die Menschwerdung bildet den Beginn unserer Erlösung. So spricht Christus bei seinem Eintritt in die Welt: „An Schlacht-und Speiseopfern hast du kein Gefallen, doch einen Leib hast du mir bereitet... Siehe, ich komme, ... deinen Willen, Gott, zu erfüllen“ (Hebr 10, 5-7). Der Gottmensch Jesus Christus, der in Betlehem geboren wird, wird durch seinen Opfertod auf Golgota die Menschlichkeit erlösen. Auf das innigste verbunden mit dem Erlösungswerk Christi ist Maria, seine Mutter. Sie empfängt die Botschaft des Engels; sie empfängt durch ihr Fiat den Sohn Gottes selber, der in ihrem Schoß Menschengestalt annimmt. Ebenso finden wir sie dann unter dem Kreuz, an der Seite ihres sterbenden Sohnes. Maria ist in einer einzigartigen Weise die „Gefährtin“ des Erlösers, die persönlich auf das engste bei seinem Heilswerk mitwirkt. Das Fest der Verkündigung des Herrn ist zugleich zutiefst ihr Fest, das 845 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fest der Mutter des Erlösers. Deshalb empfehlen wir auch das Jubiläumsjahr der Erlösung, das an diesem Festtag beginnen wird, besonders ihrer mütterlichen Fürsprache und ihrem Schutz. Lassen wir uns an ihrer Hand von der Verkündigung in Nazareth zum Kreuzesopfer ihres Sohnes auf Golgota führen! Lassen wir uns von ihr die Tiefen und die Schätze des Geheimnisses der Erlösung erschließen und für unser Leben fruchtbar machen. Christus hat uns durch das Geheimnis seiner Menschwerdung und insbesondere durch das Geheimnis seines Leidens und Sterbens erlöst. Das Jubiläumsjahr der Erlösung lädt uns ein, Christus, unserem Erlöser, wieder neu und weit die Pforten unseres Herzens zu öffnen, uns mit seiner Gnade reich beschenken zu lassen und das Geschenk der Versöhnung auch an unsere Brüder und Schwestern weiterzuvermitteln. Ich wünsche und erbitte euch, euren Angehörigen und Heimatgemeinden eine lebendige und fruchtbare Mitfeier dieses Jahres der Gnade. Möge es für euch zu einem wirklichen Jahr des Heils werden! Dazu erteile ich euch allen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Für die Werte der Gerechtigkeit Gedenken an Erzbischof Romero am 3. Jahrestag seines Todes Morgen jährt sich zum dritten Mal der Todestag des Erzbischofs von San Salvador, Msgr. Oscar Arnulfo Romero. Ich bitte alle, seinerim Gebet zu gedenken. Dies ist für uns Christen die Art, das Andenken dieses hervorragenden Hirten seiner Kirche zu ehren, da er sich bis zur Hingabe seines Lebens für seine Herde geopfert hat. Während ich mit innerer Bewegung an seinen mutigen Einsatz für die Verkündigung des Evangeliums und die Werte der Gerechtigkeit und des Friedens denke, mit dem er in seinem Volk gewirkt hat, erneuere ich den Wunsch, daß dieses Opfer nicht mißbraucht werde für einseitige Interessen und daß die Erinnerung an sein Opfer dazu beitrage, bessere Tage für jenes leidende Land herbeizuführen. 846 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um gerechte Weltordnung bemüht Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des ersten schwedischen Botschafters beim Hl. Stuhl, Gunnar Johan Ljungdahl, am 24. März Herr Botschafter! Es ist mit eine große Freude, das Schreiben entgegenzunehmen, das Sie als außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter von Schweden akkreditiert. Ich bin aufrichtig dankbar für die guten Wünsche, die Sie mir im Namen Seiner Majestät König Carl Gustaf XVI. aussprechen, und möchte Sie bitten, ihn meiner herzlichen Gefühle der Hochachtung und Wertschätzung zu versichern. Der historische Charakter unserer heutigen Begegnung muß in seiner ganzen Tragweite anerkannt und vermerkt werden. Die ersten Bande zwischen dem HI. Stuhl und Schweden liegen Jahrhunderte zurück. Allein schon diese Tatsache verleiht Ihrer Anwesenheit hier im Vatikan besondere Bedeutung. Noch größere Bedeutung kommt jedoch der hoffnungsvollen Erwartung zu, daß unsere Begegnung den Beginn eines neuen Kapitels in der Geschichte der Beziehungen zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl kennzeichnen wird. Wie Sie bereits bemerkt haben, haben der Hl. Stuhl und Schweden nicht auf lockere Kontakte im Hinblick auf verschiedene Angelegenheiten von gemeinsamem Interesse verzichten müssen. Unsere gemeinsame Teilnahme an internationalen Organisationen hat den Boden für die gegenseitige Einflußnahme und Zusammenarbeit bereitet. Aber jetzt, da bilaterale Beziehungen aufgenommen wurden, sind wir in der Lage, uns noch enger und fester in freundschaftlichem Austausch und fruchtbarer Zusammenarbeit einzusetzen. Sie haben mit Recht festgestellt, daß der Eifer katholischer Missionare für das Evangelium vor tausend Jahren in der Geschichte und den Überlieferungen Schwedens eine unauslöschliche Prägung hinterlassen hat. Das kulturelle und religiöse Erbe Ihres Landes war durch die Mühen dieser frühen Vorkämpfer des christlichen Glaubens stark bereichert worden. Rom seinerseits wurde von dem Wirken und dem Einfluß der hl. Birgitta und ihrer Tochter Katharina und später durch die Anwesenheit der Königin Christine bereichert. Dank des Klimas der Religionsfreiheit und des ökumenischen Geistes der Brüderlichkeit, der unter den Christen in Ihrem Land heute herrscht, sind 847 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Katholiken Schwedens in der glücklichen Lage, mit den Mitgliedern anderer Kirchen und kirchlicher Gemeinschaften zur Förderung jener geistlichen und sittlichen Werte des Evangeliums zusammenzuarbeiten, die dem Gemeinwohl dienen. Eines der kostbarsten Vermächtnisse Ihrer christlichen Überlieferung war der Wunsch des schwedischen Volkes, in Frieden zu leben und zu arbeiten. In der Tat, dieser unerschütterliche Wunsch ist ein lobenswertes charakteristisches Zeichen Ihres Landes in der heutigen Zeit. Schweden steht stets in der ersten Reihe derer, die sich um die Erreichung einer gerechten und friedlichen internationalen Ordnung bemühen. Diese Lage hat es Schweden ermöglicht, eine bevorzugte Stellung innerhalb der Völkerfamilie einzunehmen, die es zu einem fruchtbaren Boden macht, in dem die Wurzeln der Eintracht und gegenseitigen Verständigung zwischen den Nationen wachsen und gedeihen können. In diesem Zusammenhang drängt es mich in der Tat, erneut die Stellung zu bekräftigen, die der Hl. Stuhl bei der Ermutigung zu allen legitimen Initiativen einnimmt, die den Frieden in unserer Welt fördern und unterstützen. Wie Sie mit großer Weisheit bemerkten, kann die Bemühung, eine friedliche Welt aufzubauen, nicht ausschließlich auf die Frage der Abrüstung beschränkt bleiben; sie muß einhergehen mit Bemühungen, den Unterdrückten die Freiheit zu bringen und den Völkern, die unter Hunger, Krankheiten und Unwissenheit leiden, im Verlauf ihrer Gesamtentwicklung zu helfen. Herr Botschafter, ich freue mich, Ihnen meinen Willkommensgruß zu wiederholen und Sie der Unterstützung des Hl. Stuhls für die Ziele zu versichern, die Sie sich in dieser Mission gesteckt haben. Es ist mein ernsthafter Wunsch, daß durch den Ausdruck des guten Willens, den die Aufnahme diplomatischer Beziehungen einschließt, der Hl. Stuhl und Schweden durch die Bande der Freundschaft und gegenseitigen Zusammenarbeit noch enger miteinander verbunden sein mögen. Für den Erfolg dieses gemeinsamen Einsatzes erbitte ich Gottes reichen Segen. 848 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir treten ein in den Raum der Gnade und des Heils Predigt bei der feierlichen Messe zur Eröffnung des Heiligen Jahres der Erlösung am 25. März „Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären. Sein Name ist: Immanuel - Gott mit uns“ (Jes 7, 14). 1. Diese Worte des Propheten beschreiben das Zeichen, das der Herr dem Hause Davids geben wird: „Von sich aus wird der Herr euch ein Zeichen geben.“ Es ist das Zeichen, um das König Ahas Gott nicht bitten wollte; denn seine Gedanken und sein Herz nahmen die Zusicherungen des Herrn nicht ernst, die dieser in seiner Verheißung an David deutlich gegeben hatte (vgl. 2 Sam 7, 16). Es ist das Zeichen, das - dem König zum Trotz - der Prophet Jesaja dem Hause Davids verkündet hat, der Evangelist des Alten Testamentes. Es ist das Zeichen, in dem sich die Verheißung verwirklicht und „die Fülle der Zeit“ (Gal 4, 4) kommt. Der Gott unendlicher Herrlichkeit wird „Immanuel — Gott mit uns“. Es ist das Zeichen, in dem die Erlösung der Welt beginnt (exordia salutis nostrae); denn schon im heiligen Schoß der Jungfrau Maria ist dieser Immanuel unser Erlöser. In diesem Zeichen beginnt heute das Heilige Jahr der Erlösung. 2. Seht, die Heilige Pforte des außerordentlichen Jubiläumsjahres wird geöffnet, und durch sie treten wir in die Petersbasilika ein. Das ist ein Symbol. Wir gehen nicht nur in diese altehrwürdige Basilika. Wir treten auch ein in den heüigsten Bereich der Kirche: in den Raum der Gnade und des Heils, die sie fortwährend vom Geheimnis der Erlösung her empfängt. Sie empfängt diese immer und ohne Unterlaß. In diesem Jubeljahr jedoch, das heute beginnt, möchten wir, daß die ganze Kirche sich in besonderer Weise der Tatsache bewußt wird, daß die Erlösung als Geschenk ihres göttlichen Bräutigams in ihr fortwirkt; sie soll besonders empfänglich sein für dieses Geschenk, sie soll in noch tieferem Maß als gewöhnlich offen und bereit sein zur Annahme dieser Gabe. Wir wünschen uns, daß die Kirche, unsere Kirche, Pilgerin auf dieser Erde, in dieser heilbringenden Offenheit in besonderer Weise eintauche in das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen in Christus. 849 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daß sie noch mehr als gewöhnlich ihr Leben aus der Vergebung und Barmherzigkeit Gottes schöpfe. Daß sie sich mit einer größeren Freude als gewöhnlich zur Frohen Botschaft bekehre und an sie glaube. Daß alle ihre Söhne und Töchter sich stärker an den göttlichen Erlöser halten, an ihn, der die Tür ist, durch die man gehen muß, um das Heil zu finden (vgl. Joh 10, 9). 3. Mit diesen Gedanken und Wünschen wird die Heilige Pforte des außerordentlichen Jubiläumsjahres geöffnet, und durch sie treten wir ein in diese Peterskirche. Zugleich aber treten wir damit ein in alle Bischofskirchen, in alle Pfarrkirchen, in alle Kapellen auch der entferntesten Länder und vor allem in jene der Missionsgebiete. Wir treten ein bei allen christlichen Gemeinden, wer immer sie seien und wo auch immer auf dieser Erde sie leben, besonders in den Katakomben der heutigen Welt. Das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung ist ein Heiliges Jahr für die ganze Kirche. Von dieser Schwelle aus sehen wir heute, wie sich vor uns eine lange Zeit der Gnade eröffnet, die bis zum Osterfest des nächsten Jahres dauert: von der Menschwerdung bis zur Auferstehung. 4. An der Schwelle zum Jubiläumsjahr der Erlösung verkündet uns die Liturgie des heutigen Festes, daß sich jenes Zeichen erfüllt hat, das nach den Worten des Propheten Jesaja dem Hause Davids zuteil werden sollte: „Seht, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären. Sein Name ist Immanuel.“ Und so geschieht es. Das Zeichen wird Wirklichkeit und nimmt Gestalt an im Geheimnis der Verkündigung des Herrn. Diese Gestalt kennen wir gut. Wir lieben die Verkündigung durch den Engel innig. Dreimal am Tag begegnet sie uns im Gebet des „Angelus“. Sie ist das Gebet auf unseren Lippen; sie ist das Lied in unseren Herzen. Sie führt uns stets zu jener Verkündigung an Maria, deren Fest uns als der geeignetste Tag erschien, das Heilige Jahr der Erlösung zu eröffnen, verbindet sie doch den Sohn mit der Mutter im Geheimnis der Menschwerdung. Für die ganze Kirche In der Verkündigung des Herrn begann ja die Erlösung der Welt: der Immanuel, Gott-mit-uns, ist ja jener Christus, der im Hebräerbrief zum Vater spricht: „An Schlacht- und Speiseopfern hast du kein Gefallen, 850 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN doch einen Leib hast du mir bereitet; Brand- und Sündopfer forderst du nicht. So sprach ich: Siehe, ich komme . . deinen Willen, Gott, zu erfüllen“ (Hebr 10, 5-7). So spricht Christus, das Ewige Wort des Vaters, sein geliebter Sohn. In diesen Worten liegt der Beginn der Erlösung der Welt und ihr ganzer Plan bis zum Ende. Die Erlösung der Welt ist an jenen Leib gebunden, den er aus Maria empfangen und im Kreuzesopfer dahingegeben hat und der dann Leib der Auferstehung wurde: „der Erstgeborene der Toten“ (Offb 1, 5). So ist die Erlösung der Welt an ihrem allerersten Anfang mit einem Wort verbunden, das den wunderbaren Gehorsam Christi im heiligen Gehorsam der Jungfrau von Nazaret widerhallen läßt. An sie richtet sich ja die Verkündigung durch den Engel. Sie vernimmt auf ihre grundsätzliche Frage die entscheidende Antwort des Engels: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1, 35). Gerade sie, Maria von Nazaret, empfängt diese Antwort - und empfängt in ihrem Schoß und in ihrem Herzen den Sohn Gottes als den Sohn des Menschen. In ihr nahm das Ewige Wort Fleisch an nach dem Bekenntnis ihres Gehorsams, der ganz im Einklang steht mit dem Gehorsam Christi selbst: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38). Sie, die Ersterlöste, machte Gott für den Erlöser zum Eingangstor in diese Welt. 5. Wir alle, die wir hier in dieser Peterskirche zu Rom versammelt sind oder in den Gemeinden des Volkes Gottes über die ganze Welt hin leben, nehmen heute diese Verkündigung entgegen als die Verwirklichung jenes Zeichens, das Jesaja prophetisch verheißen hat. Unter diesem Zeichen empfangen wir den Immanuel. Wir bekennen unseren Glauben an diesen Anfang der Welterlösung. Von diesem Beginn an schreiten wir weiter über alle Stufen dieses außerordentlichen Jubiläumsjahres. Möge es uns geschenkt sein, daß dieses Jahr, das sich innerhalb der Geschichte der Menschheit durch das Jubiläum der Erlösung heraushebt, für uns von Tag zu Tag mehr ein „Gnadenjahr des Herrn“ werde (vgl. Lk 4, 19). 6. Ein solches Gnadenjahr erflehe ich, Nachfolger des Petrus, von Dir, dem Herrn jeder Epoche und der ganzen Geschichte, der Du uns bis zum Tode geliebt hast, um uns das Leben in Fülle zu schenken: BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, der Du von der Jungfrau Maria einen Leib empfangen hast und Mensch geworden bist durch den Heiligen Geist! Jesus Christus, Erlöser des Menschen! Du bist derselbe gestern und heute und allezeit! Nimm an dieses außerordentliche Jubiläumsjahr, das Dir die Kirche darbietet, um die 1950. Jahrfeier Deines Todes und Deiner Auferstehung für die Erlösung der Welt zu begehen. Du hast das Erlösungswerk zur Quelle eines immer neuen Geschenkes an Deine Braut auf Erden gemacht: so laß seine erlösende Kraft alle Tage, alle Wochen und Monate dieses Jahres durchdringen, damit es für uns wahrhaft ein „Gnadenjahr des Herrn“ werde. 2. Gib, daß wir alle in dieser auserwählten Zeit Dich noch mehr lieben, indem wir uns die Geheimnisse Deines Lebens vergegenwärtigen, von der Empfängnis und der Geburt bis zum Kreuz und zur Auferstehung. Sei mit uns in der Kraft dieser Geheimnisse, sei mit uns im Heiligen Geist, laß uns nicht allein! Kehre immer wieder zu uns zurück (vgl. Joh 14, 18)! 3. Gib, daß alle sich zur Liebe bekehren, indem sie in Dir, dem Sohn der Ewigen Liebe, den Vater erkennen, der „voll Erbarmen“ ist (Eph 2, 4). Möge die gesamte Kirche im Verlauf dieses Jahres den Reichtum Deiner Erlösung wieder neu empfinden, wie er sich zeigt in der Vergebung der Sünden und in der Reinigung von ihren Folgen, die auf den Seelen lasten, die doch zu unsterblichem Leben berufen sind. Hilf uns, Gleichgültigkeit und Trägheit zu überwinden! Gib uns das Bewußtsein für Sünde und Schuld! Erschaffe uns, Herr, ein neues Herz und gib uns einen neuen, beständigen Geist (vgl. Ps 51, 12)! 4. Gib, Herr, daß dieses Heilige Jahr der Erlösung auch ein Aufruf an die heutige Welt werde, die an der Spitze ihrer Wünsche Gerechtigkeit und Frieden sieht und doch Tag für Tag inmitten wachsender Spannungen und Bedrohungen lebt, weil sie der Sünde mehr und mehr Raum gibt. So scheint sie sich in eine Richtung zu bewegen, die gefährlich ist für alle. Hilf Du uns, die wachsenden Bedrohungen und Gefahren der heutigen Welt abzuwenden! Richte den Menschen wieder auf! Beschütze die Nationen und Völker! Laß das Werk der Zerstörung nicht zu, das die heutige Menschheit bedroht! 5. Herr Jesus Christus, das Werk Deiner Erlösung erweise sich als stärker! Darum bittet Dich die Kirche in diesem Jahr durch die Fürsprache Deiner Mutter, die Du selbst uns als Mutter aller Menschen gegeben hast. Darum 852 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bittet Dich die Kirche im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen. Darum bittet Dich inständig Deine Kirche, Christus! Stärker als alles erweise sich im Menschen und in der Welt das Werk Deiner Erlösung! Amen. Engagierter Einsatz in der Nächstenliebe Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des Botschafters des Souveränen Malteserordens, Christophe de Källay, am 26. März Herr Botschafter! Ich freue mich, Sie jetzt als Botschafter zu empfangen. Ich weiß Ihre Worte, die an den Geist, die Traditionen und das heutige Engagement des Souveränen Malteserordens erinnern, sehr zu schätzen. Ihr Bemühen, Brücken zwischen den vom Leid heimgesuchten Menschen zu schlagen, ihre barmherzigen Samariter zu sein, ist ein Ideal, das in reichem Maße die Hochachtung und Bewunderung unserer Zeitgenossen verdient und Ihnen jedenfalls von seiten des Hl. Stuhls eine ganz besondere Sympathie einbringt. Das Klima, das Sie hier vorfinden, und die Aufgabe, die Sie übernehmen, sind Tatsachen, die Ihnen schon völlig vertraut sind, weil Sie seit über vier Jahren der außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister an der Spitze der Gesandtschaft Ihres Ordens waren. Aber die Erhebung dieser Gesandtschaft in den Rang einer Botschaft gibt Ihrer Funktion neue Qualität und den diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und dem Orden eine verstärkte Bedeutung. Tatsächlich unterscheidet sich der Malteserorden offenkundig und in mehrfacher Hinsicht von den Staaten, die hier in dem beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps vertreten sind. Weil er souverän ist und als solcher vom internationalen Recht anerkannt wird, besitzt er eine gewisse Universalität, ist er doch von seinen Prioraten und seinen Vereinigungen in vielen sehr verschiedenen Ländern eingepflanzt. Er kennt eine Ordens- oder Laienverpflichtung, besitzt eine ritterliche und soldatische Tradition und ist heute ganz auf den Dienst an den Kranken und Armen gerichtet. Und schöpfen die Mitglieder dieses unabhängigen Ordens die Inspiration für 853 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihren Dienst nicht aus der katholischen Kirche selbst? Darum werden Sie in diesem Haus mit ganz besonderem Wohlwollen empfangen. Die ursprüngliche Intuition eures Gründers, des seligen Gerhard, der vor nunmehr fast 900 Jahren im Hospiz des hl. Johannes in Jerusalem den armen Pilgern beistehen und die Kranken pflegen wollte, findet heute in allen Kontinenten ihre volle Bestätigung. Gemäß den Erfordernissen der Christenheit der Kreuzzugszeit verband sich mit dem Hospitaldienst schon sehr bald die Rolle des ritterlichen Verteidigers, der in der Geschichte in starker Erinnerung blieb, und sein späterer Sitz auf den Inseln Rhodos und Malta gab dem Orden seinen bestimmten Charakter. Aber die Entwicklung, die Sie selber dargestellt haben, hat euch bereits seit langem speziell auf karitative Werke hingelenkt. Man könnte übrigens sagen, daß es sich auch hier um einen großen Kampf, um eine edle Schlacht handelt, wo es darum geht, Kranke, Aussätzige, Verwundete aus Kriegen oder Naturkatastrophen, Flüchtlinge, Waisen und Arme aller Art aus ihrem Elend zu befreien. Nicht nur eure Häuser leisten solche Dienste - Hospitäler, Kliniken, Ambulatorien, Ambulanzen, Kinderheime -, sondern ihr wollt in der Welt einen Antrieb zur Wohltätigkeit und Nächstenliebe geben, wofür viele Menschen guten Willens, vor allem junge, empfänglich sind. Ich weiß, daß ihr diese Sendung mit modernsten Mitteln erfüllt, wie ich es selbst feststellen konnte; ihr legt Wert auf einen qualifizierten Dienst auf dem höchsten Stand des Fortschritts, den die Vorsehung uns erlaubt, insbesondere in euren Schulen für Medizin und Chirurgie oder euren Forschungszentren. Ich beglückwünsche euch dazu, aber ich will vor allem den Geist hervorheben, in dem ihr dieses humanitäre Werk vollbringt. Es ist ein ritterlicher Geist auf der Linie eurer großen Tradition, der seinen Adel in die tapfere Begegnung mit Unglück und Not und die Haltung des Dienstes legt, was schon an sich Schlichtheit und Demut erfordert. Es ist ein christlicher Geist, der sich am Evangelium und den Lehren der Kirche inspirieren will und dessen Wahrzeichen das charakteristische Malteserkreuz ist. Es ist, könnte man sagen, auch ein Ordensgeist, denn eine gewisse Zahl von Rittern legt Gelübde oder Versprechungen ab, die den Mönchsgelübden entsprechen, und bei allen müssen Gebet, Glaubensleben und Geist der Seligpreisungen Hand in Hand gehen mit dem engagierten Einsatz in der Nächstenliebe. Angesichts des gewaltigen Ausmaßes heutigen Elends - ich denke zum Beispiel an die Hungernden und die Flüchtlinge - haben eure Aktionen sicherlich nur eine begrenzte Wirkung. Ihr müßt für neue Notsituationen, neue Hilferufe offen bleiben, um euch den dringendsten Notfällen zuwen- 854 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den zu können. Worauf es aber vor allem ankommt ist das Beispiel, der Elan, den ihr dieser in ihren Egoismus oder in zweitrangige Sorgen nur allzu verwickelten Welt gebt: und das ist die Qualität der Pfleger, die ihr ausbildet. Die humanitären Wege, die ihr zurücklegt, kreuzen natürlich das Wirken zahlreicher katholischer Institutionen und den Einsatz des Hl. Stuhls selbst, mag es sich nun um die diplomatische Tätigkeit, um das Werk von „Cor Unum“ im karitativen und sanitären Bereich handeln oder um die Teilnahme des Hl. Stuhls an den Arbeiten internationaler Organisationen zur Verbesserung der Lebensbedingungen und Verteidigung der Menschenrechte. Die Beziehungen, die heute ihren Ausdruck im Rahmen einer Botschaft finden, werden die gegenseitigen Bande stärken, die das Wesen humanitärer Zusammenarbeit und der gleiche aus dem Herzen der Kirche geschöpfte Geist enger zu knüpfen anregen. Ich spreche den glühenden Wunsch aus, daß solche Beziehungen ihre Früchte tragen. Meine Wünsche gelten auch Ihrer Exzellenz persönlich und Ihrer Familie, Seiner Hoheit dem Fürsten und Großmeister Frä Angelo de Mojana di Cologna, der Sie hier als Botschafter akkreditiert, allen Rittern und Damen des Souveränen Ritter- und Hospitaliterordens vom hl. Johannes in Jerusalem, ihren Familien und allen, die mit ihnen Zusammenarbeiten, wobei ich besonders an ihre Kapläne denke. Auf alle und jeden einzelnen, auf eure Werke und auf den Orden selbst, auf daß er immer mehr als ein erhabener Ort des Friedens, des Dialogs und der Liebe im Zeugnis für das Evangelium glänze, erflehe ich die reichen Segnungen unseres Herrn und den Schutz der Muttergottes. Die Kirche bricht von hier in die Karwoche auf Predigt bei der Palmsonntagsliturgie auf dem Petersplatz am 27. März 1. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels!“ (Einzugsantiphon). Am Abhang des Ölbergs erschallen ähnliche Stimmen wie jene, die einst auf den Feldern in der Umgebung von Betlehem zu hören gewesen waren: „Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!“ (Lk 19, 38). Dieselben Worte klingen in der heutigen Liturgie wider: Es ist der Palmsonntag. Wir folgen im Geiste der Menge, die Jesus bei seinem 855 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einzug in Jerusalem begrüßte. Sie erahnte in ihm den Messias: den, der aus dem königlichen Stamm Davids kommen sollte, um Israel zu retten. Das Empfinden des Volkes des Alten Bundes ist an diesem Tag ausgesprochen zutreffend. Und darum folgen wir ihm in der Liturgie. Und auch wir rufen: „Hosanna dem Sohne Davids! Gepriesen sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ 2. Nach dem ersten Teil der Liturgie in Form der Prozession folgt ein zweiter Teil. Dieser spricht heute vor allem mit der Sprache des Lukasevangeliums. Er erzählt die Ereignisse der folgenden Tage der heute beginnenden Woche. Vor allem die Geschehnisse des Donnerstags und Freitags. In wenigen Tagen wird sich das jubelnde „Hosanna“ in einen unheilvollen Schrei verwandeln: „Kreuzige ihn!“ Und dieser Schrei wird sich verwirklichen, wird zu einer konkreten Tatsache werden. Auf der Anhöhe des Kalvarienberges vor den Mauern Jerusalems wird sich das Kreuz erheben, an dem Jesus von Nazaret sein Leben hingeben wird. 3. Wurde das messianische Empfinden jenes Volkes, das beim Einzug Jesu in Jerusalem „Hosanna“ rief und den König begrüßte, der im Namen des Herrn kommt (vgl. Lk 19, 38) damals etwa enttäuscht? Wurde es in die Irre geführt? War es vielleicht substantiell falsch? Nein. Das messianische Empfinden hatte nur an der Schwelle des Geheimnisses des Menschensohnes haltgemacht. Dieser Mann tat Dinge, die keiner vor ihm vollbracht hatte, und er sprach wie einer, der Vollmacht hat, so wie keiner vor ihm gesprochen hatte (vgl. Mt 7, 29). Dieser Mann stammte auch aus dem Geschlecht Davids. Aber das ist nicht alles. Wer war dieser Mann? 4. Der Apostel Paulus antwortet mit den Worten des Philipperbriefes: Jesus Christus „war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2, 6—7). Das ist volle Wahrheit über den Messias. Jesus war also nicht nur ein Mensch, aus dem Geschlechte Davids stammend, sondern derjenige, der in der göttlichen Natur lebt, der Sohn Gottes, der wie ein Knecht wurde und den Menschen gleich. Das ist die volle messianische Wahrheit über Jesus Christus. Die Wahrheit, die einst Simon Petrus in der Nähe von Cäsarea Philippi bekannte: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ {Mt 16, 16). 856 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Waren die Bewohner Jerusalems an dem Tag, da Jesus zum Paschafest eintraf, dazu imstande, diese Wahrheit zu verkünden? Hat sie das messia-nische Empfinden an jenem Tag dazu gebracht? 5. Nein. Und darum war es notwendig, daß er, der in Menschengestalt auftrat, sich erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2, 7—8). Erst da hat Gott, Gott selbst, ihn erhöht (vgl. Phil 2, 9): im Tod hat er seine Auferstehung und damit das Leben geoffenbart. 6. Das ist durch das Ostermysterium geschehen. In diesem Geheimnis hat die messianische Ahnung des Gottesvolkes seine Erfüllung gefunden. Heute befinden wir uns erst an der Schwelle dieses Geheimnisses. Die Kirche kehrt jedes Jahr an diese Schwelle zurück und bricht von hier in die Karwoche auf, die Woche vom Tod und von der Auferstehung Christi. Kraft des Ostergeheimnisses kann sie nicht nur wiederholen: „Hosanna dem Sohn Davids“, sondern sie kann verkünden, „Jesus Christus ist der Herr - zur Ehre Gottes, des Vaters“ (Phil 2, 11). Und mit dieser Verkündigung steht die Kirche nicht allein. Denn vor dem Namen Jesu beugen alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie (vgl. Phil 2, 10). So wiederholt also die Kirche am Palmsonntag „Hosanna“ und sieht durch das Kreuz die Erhöhung Christi in der Macht Gottes selbst. 857 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag 1983 Liebe Brüder im Priestertum Christi! 1. Am Beginn des außerordentlichen Jubiläums, des Heiligen Jahres der Erlösung, das am 25. März sowohl in Rom als auch in der ganzen Kirche eröffnet worden ist, möchte ich mich an Euch wenden. Die Wahl dieses Tages, des Festes der Verkündigung des Herrn und seiner Menschwerdung, enthält eine besondere Botschaft. Das Geheimnis der Erlösung begann, als das ewige Wort im Schoß der Jungfrau von Nazaret durch den Heiligen Geist Fleisch annahm, und erreichte seinen Höhepunkt im Osterereignis, in Tod und Auferstehung des Erlösers. Nach jenen Tagen bestimmen wir unser Jubiläumsjahr und wünschen uns, daß gerade in diesem Jahr das Geheimnis der Erlösung auf besondere Weise im Leben der Kirche gegenwärtig und fruchtbar werde. Wir wissen wohl, daß es zu allen Zeiten gegenwärtig ist und Frucht bringt; ständig begleitet es die irdische Pilgerschaft des Volkes Gottes und durchdringt und formt es von innen her. Gleichwohl entspricht der Brauch, bei dieser Pilgerschaft Zeitabschnitte von fünfzig Jahren besonders zu beachten, einer alten Tradition. Dieser Tradition möchten wir treu sein, im Vertrauen darauf, daß sie etwas vom Geheimnis der von Gott auserwählten Zeit in sich birgt, vom Kairos, in dem sich der Heilsplan verwirklicht. So steht also am Beginn dieses neuen Jahres der Erlösung, des außerordentlichen Jubiläumsjahres, und nur wenige Tage nach seiner Eröffnung der Gründonnerstag 1983. Er erinnert uns, wie wir wissen, an den Tag, an dem zusammen mit der Eucharistie das Priesteramt von Christus eingesetzt worden ist. Es ist eingesetzt für die Eucharistie und darum für die Kirche, die als Gemeinschaft des Volkes Gottes aus der Eucharistie sich aufbaut. An diesem hierarchischen Priesteramt haben wir teil. Wir haben es an unserem Weihetag durch den Dienst des Bischofs empfangen, der einem jeden von uns 858 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Sakrament gespendet hat, das mit den Aposteln begann, beim Letzten Abendmahl, in jenem Saal, am Gründonnerstag. Wenn auch das Datum unserer Priesterweihe jeweil verschieden ist, so bleibt doch der Gründonnerstag eines jeden Jahres der Geburtstag unseres Priesteramtes. An diesem heiligen Tag ist jeder von uns als Priester des Neuen Bundes geboren aus dem Priestertum der Apostel. Ein jeder von uns ist geboren aus dem Offenbarwerden des einen und ewigen Priestertums Jesu Christi selbst. Diese Offenbarung geschah ja im Abendmahlssaal des Gründonnerstags, am Vorabend von Golgota. Gerade dort setzte Christus den Anfang seines Ostergeheimnisses, dort „schloß er es auf“. Er schloß es auf mit dem Schlüssel der Eucharistie und des Priestertums. Darum kommen wir „Diener des Neuen Bundes“1 am Gründonnerstag mit den Bischöfen in den Kathedralen unserer Ortskirchen zusammen; gemeinsam stehen wir vor Christus, der einzigen und ewigen Quelle unseres Priestertums. In dieser Einheit des Gründonnerstags finden wir Ihn, und zugleich - durch Ihn, mit Ihm und in Ihm - finden wir uns selbst. Gepriesen sei Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist für die Gnade dieser Einheit. 2. In diesem bedeutsamen Augenblick möchte ich noch einmal das Gedenkjahr der Erlösung und das außerordentliche Jubiläum verkünden. Ich möchte es in besonderer Weise Euch und vor Euch verkünden, verehrte und geliebte Mitbrüder im Priestertum Christi; mit Euch zusammen möchte ich wenigstens kurz seine Bedeutung erwägen. Denn dieses Jubiläum bezieht sich in einer besonderen Weise auf uns, die Priester des Neuen Bundes. Wenn es schon für alle Gläubigen, für die Söhne und Töchter der Kirche, eine Einladung darstellt, das eigene Leben und die eigene Berufung im Licht des Erlösungsgeheimnisses neu zu sehen, so richtet sich diese Einladung mit fast noch größerer Eindringlichkeit an uns. Das Heilige Jahr der Erlösung und das außerordentliche Jubiläum bedeuten für uns also, daß wir unser Priestertum von neuem so sehen sollen, wie Christus selbst es im Geheimnis der Erlösung grundgelegt hat. 859 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ich nenne euch nicht mehr Knechte . . . ; vielmehr habe ich euch Freunde genannt.“2 Gerade im Abendmahlssaal sind diese Worte gesprochen worden, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einsetzung der Eucharistie und des Priesteramtes. So hat Christus den Aposteln und allen, die von ihnen das Priesteramt übernehmen, kundgetan, daß sie in dieser Berufung und in diesem Amt seine Freunde werden sollen, Freunde also auch jenes Geheimnisses, das zu vollbringen Er gekommen ist. Priester sein bedeutet, in besonderer Weise in Freundschaft zu leben mit dem Geheimnis Christi, mit dem Geheimnis der Erlösung, in dem Er „sein Fleisch (gibt) für das Leben der Welt“.3 Wir, die wir jeden Tag die Messe feiern, das heilige Sakrament des Leibes und Blutes Christi, müssen besonders innig mit jenem Geheimnis verbunden sein, aus dem dieses Sakrament entspringt. Das Priesteramt findet seine Deutung einzig und allein aus dem Zusammenhang mit diesem göttlichen Geheimnis, und nur in ihm kann es sich verwirklichen. In der Tiefe unseres Priesterseins, dank dessen, was jeder von uns in der Stunde der Weihe geworden ist, sind wir „Freunde“: wir bezeugen aus einer besonders innigen Nähe jene göttliche Liebe, die sich in der Erlösung offenbart. „Im Anfang“ ist sie schon bei der Erschaffung der Welt sichtbar geworden, und nun zeigt sie sich fortwährend zusammen mit der Sünde des Menschen in der Erlösung. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“4 Das ist die Definition der Liebe in ihrer erlösenden Bedeutung. Das ist das Geheimnis der Erlösung, definiert durch die Liebe. Der eingeborene Sohn ist es, der diese Liebe vom Vater empfängt und sie dem Vater darbringt, indem er sie in die Welt bringt. Der eingeborene Sohn ist es, der sich in dieser Liebe dahingibt für das Heil der Welt: für das ewige Leben jedes Menschen, für seine Brüder und Schwestern. Auch als Diener der Eucharistie sind wir Priester „Freunde“: wir leben in einer besonders innigen Nähe zu dieser erlösenden göttlichen Liebe, die der eingeborene Sohn in die Welt gebracht hat und 860 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer wieder neu bringt. Wenn uns dabei auch ein heiliges Erschrecken durchfährt, so bleibt es doch wahr, daß mit der Eucharistie das Geheimnis dieser erlösenden Liebe gewissermaßen in unseren Händen liegt, daß unsere Lippen es jeden Tag wieder neu aussprechen, daß es für immer unserer Berufung und unserem Dienst eingeschrieben ist. Wie tief gründet doch bei jedem von uns das Priestersein im Geheimnis der Erlösung! Gerade das wird uns durch die Gründonnerstagsliturgie bewußt. Und gerade das sollen wir zum Gegenstand unserer Betrachtungen im Jubiläumsjahr machen. Darauf muß unsere persönliche innere Erneuerung abzielen. Das Jubiläumsjahr ist ja von der Kirche als eine Zeit geistlicher Erneuerung aller gedacht. Wenn wir Diener dieser Erneuerung für die anderen sein sollen, für unsere Brüder und Schwestern in der gemeinsamen christlichen Berufung, dann müssen wir sie auch uns selber bezeugen und verkünden. Das Heilige Jahr der Erlösung als Jahr der Erneuerung in der priester-lichen Berufung! Wenn wir uns so in unserer Berufung innerlich erneuern, dann können wir mit mehr Kraft und Wirkung „ein Gnadenjahr des Herrn ausrufen“. Das Geheimnis der Erlösung ist ja nicht eine theologische Abstraktion, sondern eine immer gegenwärtige Wirklichkeit: Gott umarmt in Christus den Menschen mit seiner ewigen Liebe - und der Mensch erkennt diese Liebe, läßt sich von ihr führen, durchdringen und innerlich umgestalten und wird so „eine neue Schöpfung“. Derart von der Liebe neugeschaffen, die ihm in Christus offenbar wird, erhebt der Mensch seinen Blick zu Gott und bekennt mit dem Psalmisten: „Copiosa apud eum redemptio - bei ihm ist Erlösung in Fülle“! Im Jubiläumsjahr soll dieses Bekenntnis besonders machtvoll aus dem Herzen der Kirche hervorbrechen - und dies, liebe Brüder, dank Eures Zeugnisses und Dienstes als Priester. 3. Erlösung ist aufs engste mit Vergebung verbunden. Gott hat uns in Jesus Christus erlöst, weil er uns in Jesus Christus vergeben hat; 861 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott hat uns in Christus „eine neue Schöpfung“ werden lassen, weil er uns in ihm Vergebung geschenkt hat. Gott hat in Christus die Welt mit sich versöhnt. Und weil er sie in Jesus Christus, dem Erstgeborenen der ganzen Schöpfung, versöhnt hat, ist die Verbindung des Menschen mit Gott unwiderruflich besiegelt. Einst Heß der „erste Adam“ zu, daß in ihm die ganze Menschheitsfamilie diese Verbindung verlor; nun ist sie in Christus, dem „zweiten Adam“, fest begründet, und niemand kann sie der Menschheit mehr rauben. So wird die Menschheit in Christus unaufhörlich zu einer „neuen Kreatur“. In ihm und durch ihn ist die Gnade der Sündenvergebung unerschöpflich für jeden Menschen: Copiosa apud eum redemptio! Das Jubiläumsjahr will es uns, liebe Brüder, in besonderer Weise bewußt machen, daß wir im Dienst dieser Versöhnung mit Gott stehen, die in Christus ein für allemal gewirkt ist. Wir sind Diener und Verwalter dieses Sakramentes, in welchem sich die Erlösung als Vergebung erweist und verwirklicht, als Nachlaß der Sünden. Wie sprechend ist doch der Umstand, daß Christus nach seiner Auferstehung in jenen Abendmahlssaal kam, in dem er am Gründonnerstag den Aposteln zusammen mit der heiligen Eucharistie das Priestersakrament hinterlassen hatte, und daß er dort die Worte an sie richtete: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“ Wie er zuerst die Vollmacht zur Eucharistiefeier, zur sakramentalen Erneuerung seines Paschaopfers gegeben hat, so gibt er ihnen jetzt die Vollmacht, Sünden nachzulassen. Habt diesen Zusammenhang immer vor Augen, wenn ihr im Jubiläumsjahr darüber nachdenkt, wie euer Priesteramt im Geheimnis der Erlösung durch Christus verwurzelt ist! Ein Jubiläum ist ja ein Zeitabschnitt, in welchem die Kirche nach alter Tradition in der ganzen Gemeinschaft des Gottesvolkes das Bewußtsein der Erlösung durch eine besonders intensive Praxis von Nachlaß und Vergebung der Sünden erneuert. Und wir, die Priester des Neuen Bundes, sind 862 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach den Aposteln die beauftragten Diener dieser Nachlassung und Vergebung. Alle, die unseren priesterlichen Dienst in Anspruch nehmen und das Bußsakrament empfangen, können im Anschluß an die hierbei geschenkte Sündenvergebung noch reichlicher aus der sich verströmenden Fülle der Erlösung durch Christus schöpfen, indem sie den Nachlaß der zeitlichen Strafen erlangen, die nach der Sündenvergebung noch zu tilgen bleiben - im gegenwärtigen oder im zukünftigen Leben. Es ist Glaube der Kirche, daß jedweder Nachlaß aus der Erlösungstat Christi kommt. Zugleich glaubt und hofft sie, daß Christus die Vermittlung seines Mystischen Leibes beim Nachlaß der Sünden und der zeitlichen Strafen annimmt. Aus dem Geheimnis des Mystischen Leibes Christi, der Kirche, erwächst in der Dimension der Ewigkeit das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen, und so schaut die Kirche im Jubiläumsjahr mit besonderem Vertrauen auf dieses Geheimnis. Die Kirche will sich noch mehr als sonst die Verdienste und die Fürsprache Marias, der Märtyrer, der Heiligen zunutze machen, um die Erlösungstat Christi in all ihren Heilsschätzen noch wirksamer werden zu lassen. So wird der tiefe biblische Sinn der Ablaßpraxis deutlich, die mit dem Jubiläumsjahr verbunden ist: alles, was aus dem Erlösungsopfer Christi in den Generationen der Märtyrer und Heiligen der Kirche von den Anfängen bis in unsere Gegenwart an Gutem geschah, bringt in den Menschen unserer Zeit noch einmal Frucht im Gnadengeschenk des Nachlasses der Sünden und ihrer Folgen. Meine lieben Brüder im Priestertum Christi! Verkündet während des Jubiläumsjahres in besonderer Weise diese göttliche Wahrheit von Vergebung und Nachlaß der Sünden, so wie sie die Kirche beständig lehrt. Entfaltet diese Wahrheit in ihrem ganzen geistigen Reichtum. Sucht für sie die Wege zu den Herzen und Gewissen der Menschen unserer Zeit. Zusammen mit der Verkündigung bemüht Euch in diesem Heiligen Jahr besonders bereitwillig und hochherzig um die Spendung des Bußsakramentes, durch das die Söhne und Töchter der 863 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche die Verzeihung der Sünden erlangen. Im Dienst der Lossprechung findet Ihr jenen unersetzlichen Ausdruck und Vollzug des Priesteramtes, für den uns so viele heilige Priester und Seelsorger in der Geschichte der Kirche bis in unsere Zeit ein Beispiel hinterlassen haben. Die Mühen dieses heiligen Dienstes mögen Euch noch tiefer verstehen helfen, wie eng das Priesteramt eines jeden von uns mit dem Geheimnis der Erlösung Christi durch Kreuz und Auferstehung verbunden ist. 4. Mit den Worten, die ich Euch hier schreibe, möchte ich Euch in einer besonderen Weise das Jubiläum des Heiligen Jahres der Erlösung verkünden. Wie aus den schon veröffentlichten Dokumenten bekannt ist, soll das Jubiläum vom 25. März 1983 bis zum Osterfest des kommenden Jahres gleichzeitig in Rom und in der ganzen Kirche gefeiert werden. Auf diese Weise wird die besondere Gnade des Jahres der Erlösung allen meinen Brüdern im Bischofsamt als den Hirten der Ortskirchen in der weltweiten Gemeinschaft der katholischen Kirche anvertraut. Gleichzeitig wird dieselbe Gnade des außerordentlichen Jubiläums auch Euch, liebe Brüder im Priestertum Christi, anvertraut. Ihr seid ja in Gemeinschaft mit Euren Bischöfen Hirten der Pfarreien und der anderen Gemeinschaften des Volkes Gottes, die es in allen Teilen der Welt gibt. In der Tat, das Jahr der Erlösung soll in der Kirche gelebt werden, 'indem man gerade bei diesen grundlegenden Gemeinschaften des Volkes Gottes beginnt. Im Hinblick darauf möchte ich hier einige Stellen von der Ankündigungsbulle des Jubiläumsjahres anführen, die auf diese Forderung ausdrücklich hinweisen: „Das Heilige Jahr“, so habe ich dort geschrieben, „muß allem Leben der Kirche einen besonderen Charakter verleihen, damit die Christen durch persönliche Erfahrung alle Reichtümer neu entdecken, die das seit der Taufe empfangene Heil ständig in sich birgt.“11 Denn „in der Neuentdeckung und im lebendigen Vollzug der sakramentalen Heilsordnung, durch welche die Gnade Gottes in Christus zu den einzelnen und in die Gemeinden kommt, kann man die tiefe Bedeu- 864 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung und erhabene Schönheit dieses Festjahres erblicken, dessen Feier uns der Herr schenkt“.12 Das Jubiläumsjahr will somit „ein Aufruf zu Reue und Umkehr“ sein, um so „in den einzelnen Gläubigen, den Familien, Pfarrge-meinden, Diözesen, den religiösen Gemeinschaften und in den anderen Zentren des christlichen und apostolischen Lebens zu einer geistigen Erneuerung zu gelangen“.13 Wenn dieser Aufruf bereitwillig Annahme findet, so wird sich daraus eine Art Bewegung „von unten“ ergeben, die von den Pfarreien und den verschiedenen Gemeinschaften ausgeht - wie ich kürzlich den geliebten Priestern meiner Diözese Rom gesagt habe - und die Diözesen lebendiger macht; dadurch wird dann sicher auch die ganze Kirche fruchtbar beeinflußt werden. Um gerade diese aufsteigende Dynamik zu fördern, habe ich mich in der Bulle darauf beschränkt, einige allgemeine Richtlinien zu geben, und „den Bischofskonferenzen und den Bischöfen in den einzelnen Diözesen die Aufgabe überlassen, unter besonderer Berücksichtigung der Mentalität und der Gewohnheiten der jeweiligen Gegenden wie der geistigen Zielsetzungen der Feiern zur 1950. Wiederkehr des Todes und der Auferstehung Christi konkrete Richtlinien undpastorale Empfehlungen zu erlassen“}4 5. Deshalb bitte ich Euch, liebe Brüder, von ganzem Herzen, über die Art und Weise nachzudenken, wie das Jubiläum des Heiligen Jahres der Erlösung in jeder Pfarrgemeinde und auch in den anderen Gemeinschaften des Volkes Gottes, in denen Ihr den priesterlichen und seelsorglichen Dienst ausübt, gefeiert werden kann und soll. Ich bitte Euch zu überlegen, in welcher Form es im Rahmen dieser Gemeinschaften und zugleich in Verbundenheit mit der Ortskirche und der Weltkirche gefeiert werden kann und soll. Ich bitte Euch, jenen Zielgruppen eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, auf die die Bulle ausdrücklich hinweist, wie den klausurierten Ordensleuten, den Kranken, den Strafgefangenen, den alten Leuten oder anderen, leidenden Menschen.15 Wir wissen ja, daß sich ständig und auf verschiedene Weise die Worte des Apostels bewahrheiten: „Für 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Leib Christi, die Kirche, erfülle ich in meinem irdischen Leben das Maß seiner Leiden.“16 Möge so das außerordentliche Jubiläum dank dieses pastoralen Einsatzes und Eifers nach den Worten des Propheten für jeden von Euch, liebe Brüder, wie auch für alle jene, die Christus, der Priester und Hirt, Eurem priesterlichen und seelsorglichen Dienst anvertraut hat, wirklich „ein Gnadenjahr des Herrn“ werden.17 Nehmt zum heiligen Gründonnerstag 1983 diese meine Worte als Ausdruck herzlicher Liebe entgegen. Und betet auch für den, der sie Euch schreibt, damit ihm niemals jene Liebe fehle, nach welcher Christus den Simon Petrus dreimal gefragt hat.18 Im Geist dieser Bitten segne ich euch alle. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 27. März, dem Palmsonntag des Jahres 1983, dem fünften meines Pontifikates. Anmerkungen 1 Vgl. 2 Kor 3, 6. 2 Joh 15, 15. 3 Joh 6, 51. 4 Joh 3, 16. 10 Job 20, 22 f. 11 Bulle Aperite portas redemptori, Nr. 3. 5 Lk 4, 19; vgl. Jes 61, 2. 6 2 Kor 5, 17. 7 Ps 130, 7. 8 Vgl. 2 Kor 5, 19. 9 Vgl. Kol 1, 15. 12 Ebenda. 13 A.a.O., N. 11. 14 Ebenda. 15 A.a.O., Nr. 11 A und B. 16 Kol 1, 24. 17 7or 7- -mjl J h i 10 17 Jes 61, 2; vgl. Lk 4, 19. 18 Vgl. Joh 21, 15 ff. 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ich habe ihn mit dem öl gesalbt“ Predigt bei der Messe und Ölweihe in St. Peter am Gründonnerstag, 31. März 1. Heute abend werden wir mit Christus in den Abendmahlssaal gehen -bei der Messe in Cena Domini. Heute früh hingegen führt uns das Lukasevangelium nach Nazaret, wo Jesus „aufgewachsen war“ (Lk 4, 16). Es erinnert uns an den Tag, als Jesus zum ersten Mal vor seinen in der Synagoge versammelten Landsleuten auftrat und aus dem Buch des Propheten Jesaja die Schriftstelle über den Messias las. Wir kennen diese Stelle gut. Als Jesus sie vorgelesen hatte, setzte er sich und begann zu den Anwesenden zu sprechen, die ihre Blicke auf ihn richteten. Er sagte: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (Lk4, 21). 2. Vielleicht sollte heute jeder von uns, liebe und ehrwürdige Brüder, in Gedanken an den Ort zurückkehren, wo sich, vor kürzerer oder längerer Zeit, das Wort der Berufung Gottes an uns erfüllt hat. Und vielleicht sollten wir auch in unsere Heimatpfarrei zurückkehren, wo wir zum ersten Mal nach der Priesterweihe feierlich das heilige Meßopfer dargebracht haben. Diese Pfarrei war unser „Nazaret“, wo sich ein neuer Priester, aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt (vgl. Hebr 5, 1), den Menschen - seinen Nachbarn und Landsleuten - vorstellte. Und jeder von uns begann vor jenen Menschen - Nachbarn und Landsleuten - in einer Sprache zu sprechen, über die er zuvor nicht verfügte: in der Sprache des Dieners und Verwalters der Eucharistie. 3. Liebe und ehrwürdige Brüder, wir müssen mit unseren Gedanken und mit dem Herzen an jene Stätte und zu jenen Tagen zurückkehren. Sie werden eins in diesem einen liturgischen Heute: Der Gründonnerstag ist der Tag unserer neuen Geburt in Christus durch das Sakrament der Priesterweihe. „Ich habe David, meinen Knecht, gefunden und ihn mit meinem heiligen öl gesalbt. Beständig wird meine Hand ihn halten und mein Arm ihn stärken“ (Ps 89, 21-22). Wir müssen alle Tage, Monate und Jahre unseres Priesterlebens an diesem einen liturgischen Heute des Gründonnerstags messen! 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zusammen mit dem Psalmisten sollen wir rufen: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89, 2 a). Ja, mit dem Sakrament des Priestertums wird unserem ganzen Dasein ein eigenes Maß verliehen, das Maß der Ewigkeit! 4. Und darum wollen wir gerade heute, an diesem liturgischen Heute des Gründonnerstags, in uns die Gnade des Sakraments der Priesterweihe erneuern. Wir wollen auch jene Versprechen erneuern, mit denen wir uns durch dieses Sakrament am Tag unserer Weihe an Christus gebunden haben. Wir wollen sie vor ihm allein wiederholen: Christus - dem Priester des Neuen und Ewigen Bundes: „Ihm, der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut; der uns zu Königen gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater, ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen“ (Offb 1, 5-6). „Laß mich dir jetzt dienen!“ Predigt bei der Abendmahlsmesse in der Lateranbasilika am Gründonnerstag, 31. März 1. Als Simon Petrus zu Christus sagte: „Niemals sollst du mir die Füße waschen!“ (Joh 13, 8) — leitete ihn die Überlegung: Wer einem anderen die Füße wäscht, der ist Sklave; wem die Füße gewaschen werden, der ist Herr. Ich, Simon Petrus, kann nicht den Sklavendienst dessen annehmen, der mein Meister und Herr ist. Das würde einen Verstoß gegen die grundlegende Ordnung bedeuten, die auch die Ordnung der Gerechtigkeit ist. Diese Ordnung darf nicht verletzt werden. So verlangen es Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit. Wegen dieser Rechtschaffenheit wollte Simon Petrus nicht zulassen, daß ihm Christus vor dem Paschamahl die Füße wäscht. 2. Doch der Meister und Herr gibt nicht nach. Er steht vor seinem Jünger und Knecht, in den Händen eine Schüssel mit Wasser und ein Leinentuch und scheint zu sagen: 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beuge dich! Laß mich dienen! Laß mich den großen Dienst einleiten! In diesem Dienst ist die neue Ordnung enthalten. Das Neue Testament. Der Neue Bund. Laß mich mit dieser Fußwaschung den Dienst des Neuen Bundes beginnen. Darauf wird das sakramentale Opfer meines Leibes und meines Blutes folgen. Das Opfer des Kreuzes und des Todes. Der große, unaufhörliche Dienst des Neuen Bundes. Durch diesen Dienst wirst du „Anteil an mir“ haben (Joh 13, 8). Du und alle anderen. Ihr werdet „Anteil an mir“ haben. Ihr werdet in Gemeinschaft mit mir sein. Durch mich werdet ihr in Gemeinschaft mit dem Vater und mit dem Geist sein. Laß mich dir jetzt dienen. „Dazu bin ich geboren und dazu in die Welt gekommen“ (Joh 18, 37): um diesen Dienst zu vollbringen. Von diesem Dienst, von dieser Sendung hängt die Erlösung der Welt ab. 3. Als Simon Petrus nachgibt, weiß er, daß jene Ordnung, der er treu sein wollte, von der neuen Ordnung ersetzt wird. Er selbst verteidigte noch die alte Ordnung, aber zugleich spürte er bereits, wie die neue schon in ihm war; wie er, obgleich noch Mensch des Alten Bundes, doch bereits offen war für die Gemeinschaft mit seinem Meister und Herrn. Er sagte daher: „Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt!“ (Joh 13, 9). So sehr wünschte er diesen „Anteil“ an seinem Meister. So sehr sehnt er sich nach jener Reinheit, die aus dem Dienst der Erlösung hervorgeht. Und Christus fügt hinzu, sich nicht nur an Petrus, sondern an alle wendend: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13, 14). Aus dem Dienst der Erlösung kommt die Liebe, welche die Menschen bereitmacht, einander zu dienen; sie macht aus ihnen Brüder, die spüren, was dem anderen not tut. 4. Wir haben das Heilige Jahr der Erlösung, das außerordentliche Jubiläumsjahr, begonnen. Die Liturgie vom Abendmahl des Herrn stellt uns die Erlösung als Heilsdienst Christi vor Augen, als Dienst, der in der Kirche unablässig fortdauert — durch das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn, 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - durch das Sakrament der Buße und der Versöhnung: „Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir“ (Joh 13, 8). Das Jubiläum dieses Jahres gebe jedem von uns ein wacheres Empfinden für den Heilsdienst Christi, der sich durch die Kirche erfüllt. Möge es uns gegeben sein - wie Simon Petrus -, noch vollständiger diesen Anteil an Christus zu ersehnen: die heilbringende Gemeinschaft aus der Fülle seiner Erlösung. „Sprich zu uns in der Sprache deines Kreuzes!“ Ansprache beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 1. April 1. „Schlacht- und Speiseopfer hast du nicht gefordert, doch einen Leib hast du mir geschaffen; an Brand- und Sündopfern hast du keinen Gefallen. Da sagte ich: Ja, ich komme . . ., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10, 5-7; vgl. Ps 40, 7-9). Vor einer Woche, am Fest der Verkündigung des Herrn, wurde die Heilige Pforte für das Jahr der Erlösung geöffnet. Die Erlösung nimmt ja schon in der Menschwerdung ihren Anfang: „. . . einen Leib hast du mir geschaffen.“ Heute öffnen wir die Heilige Pforte für das Jahr der Erlösung im Zeichen des Kreuzes Christi. Gruß dir, Holz des Kreuzes, an dem die Erlösung der Welt ihr Gewicht des Heils gefunden hat („an dem Christus hing“). Am Kreuz erfüllte der Sohn den Willen des Vaters und beschloß mit den Worten „Es ist vollbracht“ (Joh 19, 30) sein Opferleben. 2. Wir alle, die wir durch die Pforte des außerordentlichen Jubiläumsjahres eintreten, rufen: Christus, sprich zu uns in der Sprache deines Kreuzes! Sprich zu uns, besonders in diesem Jahr! Sag uns durch deinen gekreuzigten Leib, wie unendlich groß der Preis für unsere Seelen ist! Denn „was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber seine Seele einbüßt? Um welchen Preis kann ein Mensch seine Seele zurückkaufen“, wenn das Lösegeld durch dein Leiden und deinen Tod schon bezahlt ist? (vgl. Mt 16, 26 f.) 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lassen wir uns durch die Welt nicht blenden! Kehren wir um und tun wir Buße! Das ist der Ruf, der auf den ersten Seiten des Evangeliums widerhallt. Machtvoll wiederhole ihn dein Kreuz an die ganze Menschheit! Heiliges Jahr, laß die Botschaft des Kreuzes Christi in den Herzen unserer Mitmenschen ihre heilbringende Macht wiedererlangen! 3. Himmlischer Vater! Du hast im Kreuz Christi die Welt und den Menschen mit dir versöhnt. Wir stehen vor dir ohne Verdienst, ohne das Gute, das du mit Recht von denen erwarten könntest, die du als Söhne und Töchter angenommen hast. Aber wir bringen dir noch einmal das Kreuz deines Sohnes. Wir wünschen, daß die Kraft der Erlösung vom Kreuz ausstrahle auf dieses außerordentliche Jubiläumsjahr. Mit seiner Hilfe möge das Gute noch einmal über das Böse in der Welt und im Menschen siegen. Das Gute möge sich noch einmal stärker erweisen als das Böse. Laß den Menschen nicht zugrunde gehen unter der Last seiner wachsenden Sünden! „Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23, 34). Laß das Kreuz den Ausschlag geben! 4. Mutter, du standest beim Kreuz auf Golgota. Ihr alle, die ihr einst in eurem irdischen Leben dazu beigetragen habt zu ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1, 24), und ihr, die ihr es heute tut: Seid bei uns! Bittet für uns! Verbündet euch in diesem Jahr der Erlösung in besonderer Weise mit der Kirche! Erfaßt auch uns im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen, damit wir nicht allein sind im Kreuz Christi, sondern Kraft schöpfen können aus jener heiligen Gemeinschaft, die in Gott ihren Ursprung und ihre Vollendung hat. 5. Wir beschließen diesen heiligen Karfreitag 1983. Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die Welt erlöst! Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarme dich unser! Amen. 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir sind „auf seinen Tod“ getauft Predigt bei der Feier der Osternacht in St. Peter am 2. April 1. Wer bin ich? Die Stunden dieser Osternachtsliturgie gehen vorbei. Die Lesungen und Antwortpsalmen sprechen zu uns. Die Gebetsworte der Kirche erklingen. Damit steigt die Frage auf: Wer bin ich? Wer bin ich als Christ geworden? Die Frage erhebt sich besonders lebhaft in euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute nacht das Sakrament der Taufe empfangen habt. Aber sie ist auch für uns alle, die wir schon seit längerer Zeit das unauslöschliche Merkmal der Taufe in uns tragen, wesentlich und grundlegend. Schon für die ersten Generationen derer, die sich zu Christus bekannten, war die wichtigste Frage: Wer bin ich? 2. Seht, die Stunden der Nacht rücken vor. Und das Lukasevangelium kündigt bereits an, was der Morgen des anbrechenden Tages bringen wird. Drei Frauen, Maria aus Magdala, Johanna und Maria, die Mutter des Jakobus, werden zum Grab kommen und den Leichnam Christi dort nicht finden. Dasselbe wird dann Simon Petrus feststellen. Aus dem Innern des Grabes, in das am Freitagabend der Leichnam Christi gelegt worden war, wird eine Stimme zu vernehmen sein: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24, 5-6). Wir wissen, daß das alles bei Tagesanbruch geschehen wird. Schon jetzt berichtet uns das Evangelium nach Lukas davon. So entfaltet sich die Osternachtsliturgie im Ausblick auf die Auferstehung. Wer bin ich - ich Mensch? Wer bin ich dadurch geworden, daß er, Christus, auferstanden ist? Für uns Menschen und um unseres Heiles willen ist er Mensch geworden. Und für uns — ist er auferstanden. 3. Wer bin ich also, ich Mensch, ich Christ? Darauf antwortet der hl. Paulus mit den Worten des Römerbriefes. Besonders bedeutsam sind diese Worte für jene, die heute nacht die Taufe empfangen; zugleich aber wesentlich für alle Getauften: „ . . . Wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, sind auf seinen Tod getauft worden. Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auf erweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6, 3-4). Alle Generationen der Jünger und Bekenner Christi haben im Verlauf der Osternachtsliturgie die Antwort erhalten. Heute erhalten auch wir sie. Wer bin ich? Ich bin einer, der „auf seinen Tod“ getauft worden ist. Ich bin jener „alte Mensch“, der mit Christus gekreuzigt wurde, damit er nicht mehr Sklave der Sünde sei {Röm 6, 6). Ich bin einer, der mit Christus begraben wurde, um mit ihm in ein neues Leben gehen zu können. 4. Das ist also die Antwort, die uns vom Ostergeheimnis gegeben wird. Es ist die Antwort des Todes und der Auferstehung Christi. Es ist die Antwort des Glaubens, der nicht nur in die Begriffswelt, sondern in das Dasein, in die Wirklichkeit eindringt. Eine solche Antwort habt ihr, liebe Brüder und Schwestern - Neugetaufte dieser Osternacht -, durch eure Taufe erhalten. Und eine solche Antwort erhalten wir alle, die wir hier versammelt sind, auf der gemeinsamen Grundlage der Taufe, die wir empfangen haben, um Christen zu werden. Im außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung der Welt wollen wir diese Antwort der Osternacht in ihrer ganzen belebenden Fülle wieder lesen. Wir wollen sie Wiederaufleben lassen mit der ganzen Tiefe des Glaubens und mit der Macht der Bekehrung: „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden“ {Röm 6, 8). Frieden gründet auf Gerechtigkeit Brief an den Bischof von Piacenza, Enrico Manfredini, anläßlich der Studientagung der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ vom 2. April Dem ehrwürdigen Bruder Enrico Manfredini, Bischof von Piacenza! Ich wurde davon unterrichtet, daß vom 7. bis 9. April in Piacenza von der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ in Zusammenarbeit mit dem Institut für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung ein Studienkongreß zum Thema „Entwicklung der Völker ist der neue Name für den Frieden“ veranstaltet wird. 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Perspektive möchte der Kongreß des 20. Jahrestages der Enzyklika Pacem in terris Johannes’ XXIII. vom 11. April 1963 gedenken und die Feierlichkeiten zum 15jährigen Jubiläum der Enzyklika Populorum progressio Pauls VI. vom 26. März 1967 abschließen. Das sind zwei Dokumente des Lehramtes, die nicht nur mit großer Bewunderung und Achtung von der öffentlichen Weltmeinung auf genommen wurden, sondern auch heute noch ihre prophetische Bedeutung und ihre evangelische Kraft des Ansporns, der Ermutigung und Erleuchtung besitzen, damit alle Menschen auf allen Ebenen - Katholiken, Christen, Gläubige, Menschen guten Willens, Staatsmänner, Denker, alle, die in den Medien arbeiten - zu Aposteln echter Entwicklung der Völker werden, insbesondere jener Völker, die für den Frieden und für die Befreiung vom Joch des Hungers, des Elends, der endemischen Krankheiten, der Unwissenheit kämpfen, die sich um eine breitere Teilhabe an den Früchten der modernen Zivilisation bemühen. Johannes XXIII. erinnerte in seiner Enzyklika daran, daß ein gemeinsamer Ursprung die gemeinsame Erlösung und letzte Bestimmung alle Menschen miteinander verbindet und dazu beruft, eine einzige christliche Familie zu bilden. Daher forderte er im weitesten Rahmen der mit dem Völkerfrieden verbundenen Probleme die wirtschaftlich weiter entwickelten politischen Gemeinschaften auf, mannigfaltige Beziehungen der Zusammenarbeit mit den in Entwicklung befindlichen politischen Gemeinschaften herzustellen, und sprach die Hoffnung aus, daß die mit Gütern weniger begünstigten Länder in möglichst kurzer Zeit eine wirtschaftliche Entwicklungsstufe erreichen können, die es jedem Bürger erlaubt, in Verhältnissen zu leben, die seiner Würde als Person entsprechen (vgl. Pacem in terris, III: AAS 55 [1963], 289). Und während Paul VI. die Sicherstellung des friedlichen internationalen Zusammenlebens durch die solidarische Entwicklung der ganzen Menschheit voraussah, die im Kampf gegen den Hunger, in der Fürsorge für die Schwachen, in gerechten Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Völkern, in der Überwindung übertriebener Nationalismen und Rassendiskriminierungen ihren Ausdruck finden muß, verkündete er, daß „die immer wirksamere weltweite Solidarität allen Völker zugestehen muß, selbst zu Baumeistern ihres Schicksals zu werden“ (Populorum progressio, 65: AAS 59, 1967, 289). Die Lehre meiner beiden großen Vorgänger ist gerade in diesen Zeiten der Krise in den Beziehungen zwischen Ländern und Kontinenten lebendig und aktuell. Ich selbst habe auf meinen apostolischen Reisen und besonders auf meiner jüngsten Reise in die mittelamerikanischen Länder 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN betont, daß sich der Friede unter den Völkern und innerhalb der Nationen vor allem auf die Gerechtigkeit gründet, das heißt auf die tatsächliche Anerkennung der Grundrechte aller Länder und aller Bürger. Ich gebe daher meiner aufrichtigen Freude über die Initiative des bevorstehenden Studienkongresses Ausdruck und spreche den Wunsch aus, daß er auch wesentlich dazu beitrage, die Industrieländer noch stärker für einen entscheidenden Einsatz zugunsten der Länder der Dritten Welt anzuregen. Mit diesen Wünschen rufe ich auf Sie, die Veranstalter, Referenten und Teilnehmer, ein reiches Ausgießen himmlischer Gnaden herab, und als Unterpfand dafür erteile ich von Herzen den vermittelnden Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 2. April 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. Die Kraft der Liebe ist stärker als der Tod Osterbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 3. April 1. „Was sucht ihr den Lebenden unter den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24, 5-6). Die Frauen, die gekommen waren, um den gekreuzigten Herrn zu suchen — den Toten unter den Toten -, vernehmen diese Worte, aber sie verstehen sie nicht. Doch das Grab ist leer! Von den frühen Morgenstunden des auf den Sabbat folgenden Tages an verbreitet sich die Kunde vom leeren Grab. Aus dieser Nachricht entwickelt sich die erste Osterbotschaft. „Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier“ (Mk 16, 6). „Die Rechte des Herrn hat Wunder vollbracht“ (vgl. Ps 118, 16). 2. Zu jenem Ort, „wo man ihn hingelegt hatte“ (Mk 16, 6), pilgern die Jahrhunderte. Die Generationen stehen vor dem leeren Grab, so wie die ersten Zeugen einmal dort gestanden haben. In diesem Jahr vor allem pilgern wir zum Grab Christi. Dort treffen wir wieder auf die allerersten 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte, die den frommen Frauen verkündet worden sind, die zum Kern der Osterbotschaft wurden. In diesem Jahr will die Kirche mehr denn je Zeugin der Auferstehung sein: Es ist ja das Heilige Jahr der Erlösung, das außerordentliche Jubiläumsjahr. Die Erlösung kommt vom Kreuz her und vollendet sich in der Auferstehung. „Das Lamm erlöste die Schafe. Christus, der ohne Schuld war, versöhnte die Sünder mit dem Vater.“ 3. Ja, der Mensch wurde dem Tod entzogen und dem Leben wiedergeschenkt. Der Mensch wurde der Sünde entzogen und der Liebe zurückgegeben. Ihr alle, die ihr - wo auch immer - im Schatten des Todes lebt, hört die Botschaft: Christus ist auferstanden! Ihr alle, die ihr unter der Last der Sünde lebt, hört die Botschaft; Christus hat die Sünde an seinem Kreuz und in seiner Auferstehung besiegt: Unterwerft euch seiner Macht! 4. Welt von heute! Unterwirf dich seiner Macht! Je mehr du in dir die alten Strukturen der Sünde entdeckst, je mehr du am Horizont deiner Geschichte den Schrecken des Todes erblickst, um so mehr unterwirf dich seiner Macht! 5. Christus, der du an deinem Kreuz unsere Menschenwelt angenommen hast, die Welt von gestern, von heute und von morgen, die alte Welt der Sünde, gib, daß sie in deiner Auferstehung neu beginnt; gib, daß sie neu wird durch jedes Menschenherz, das von der Macht der Erlösung getroffen wird. 6. Christus, unser auferstandener Herr, schließ in deine verklärten Wunden die schmerzenden Wunden des heutigen Menschen ein: jene, von denen man so sehr in den Medien spricht, aber auch jene, die in der verborgenen Stille des Herzens wehtun. Sie sollen Heilung finden im Geheimnis deiner Erlösung. Sie sollen heilen und vernarben durch die Liebe, die stärker ist als der Tod. 7. In diesem Geheimnis: - sind wir mit euch, die ihr Elend und Hunger leidet und mitunter die Agonie eurer Kinder mitansehen müßt, die euch um Brot bitten; 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - wir sind mit euch, Millionen von Flüchtlingen, die ihr aus euren Häusern und aus eurem Vaterland vertrieben wurdet; - wir sind mit euch, den Opfern des Terrors, die ihr in Kerkern oder Konzentrationslagern eingeschlossen seid, aufgezehrt von den Mißhandlungen oder Torturen; wir sind mit euch, den Opfern von Menschenraub; - wir sind mit euch, die ihr tagtäglich unter der Angst und Bedrohung durch Gewalt oder Bürgerkrieg lebt; - wir sind mit euch, die ihr plötzlich hereinbrechende Katastrophen erleidet wie in diesen Tagen die Bevölkerung der altehrwürdigen Stadt Popayan, die von einem schweren Erdbeben heimgesucht wurde; - wir sind mit euch, den Familien, die ihr den Glauben an Christus mit Diskriminierungen oder Verzicht auf das Studium und die berufliche Karriere eurer Kinder bezahlen müßt; - wir sind mit euch, Eltern, die ihr voller Sorge seid wegen der inneren Kämpfe oder gewisser Verirrungen eurer Kinder; - wir sind mit euch, Jugendliche, die ihr entmutigt seid, weil ihr keine Arbeit, keine Wohnung und auch nicht die soziale Stellung findet, die ihr anstrebt; - wir sind mit euch, die ihr unter Krankheit, Alter oder Vereinsamung leidet; - wir sind mit euch, die ihr, durch Angst und Zweifel verwirrt, um Licht für euren Verstand und Frieden für euer Herz bittet; - wir sind mit euch, die ihr die Last der Sünde spürt und Christus, den Erlöser, um Gnade anfleht. In diesem Geheimnis der Auferstehung: - sind wir aber auch mit euch, die ihr in diesen Tagen neue Vorsätze für ein christliches Leben gefaßt habt, indem ihr in den erbarmenden Armen Christi eure Zuflucht gefunden habt; - wir sind mit euch, den Bekehrten und Neugetauften, die ihr die Einladung des Evangeliums angenommen habt; - wir sind mit euch, die ihr in den Familien und Gemeinschaften die Barrieren des Mißtrauens durch Gesten der Güte und der Versöhnung zu überwinden sucht; - wir sind mit euch, Menschen der Welt der Arbeit und Kultur, die ihr euch darum bemüht, in eurem Wirkungsbereich Sauerteig des Evangeliums zu sein; - wir sind mit euch, die ihr euch Christus geweiht habt; in einer besonderen Weise mit euch, die ihr euch, vor allem in Missionsländern, dafür einsetzt, den Brüdern und Schwestern die Frohe Botschaft von der in Christus erlösten Menschheit zu verkünden; 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN — wir sind mit euch, die ihr euren Glauben an Christus durch Leid und Verfolgung bezeugt und inmitten oft verborgener oder unbekannter Prüfungen die Kirche bereichert, indem ihr im verborgenen betet, geduldig ausharrt, Vergebung und Bekehrung für eure Verfolger erbittet; - wir sind mit euch, Menschen guten Willens in allen Völkern und Kontinenten, die ihr euch in irgendeiner Weise von Christus und seiner Lehre angezogen fühlt. Wir sind mit allen schmerzenden Wunden der heutigen Menschheit, wir sind mit allen Erwartungen, Hoffnungen und Freuden unserer Brüder und Schwestern, denen Christus, der Auferstandene, Sinn und Wert gibt. 8. Die Kirche teilt heute die Botschaft von Ostern mit allen Brüdern und Schwestern in Christus und mit allen Menschen in der Welt. Wir sind mit euch insbesondere dort, wo es die den Gewissen auferlegte Gewalt nicht erlaubt, gemeinsam zu beten und Ostern zu feiern. Nehmt alle die Worte dieser Botschaft an! Es mögen die verschiedenen Sprachen sie verkünden. Und dort, wo diese es nicht vermögen, rede die Sprache des Geistes, der die Herzen unmittelbar heimsucht und in deren innersten Tiefe redet. Die Lehre der Kirche über das Ordensleben neu verkünden Schreiben an die Bischöfe der Vereinigten Staaten von Amerika vom 3. April An meine lieben Brüder im Bischofsamt in den Vereinigten Staaten von Amerika! 1. In dem soeben begonnenen außerordentlichen Heiligen Jahr ist die ganze Kirche bestrebt, das Mysterium der Erlösung intensiver zu erleben und zu leben. Sie trachtet, die unermeßliche Liebe Jesu Christi, des Erlösers der Welt, immer getreuer zu erwidern. In der Verkündigungsbulle des Jubiläumsjahres wies ich darauf hin, daß man „in der Neuentdeckung und im lebendigen Vollzug der sakramentalen Heilsordnung der Kirche, durch welche die Gnade Gottes in Christus zu den einzelnen und zu den Gemeinden kommt, die tiefe Bedeutung und 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erhabene Schönheit dieses Festjahres erblicken kann“ (Aperite portas redemptori, Nr. 3). Während diese Worte für jeden eine persönliche Bedeutung besitzen, sind sie für die einzelnen Ordensmänner und Ordensfrauen und für jede Ordensgemeinschaft von besonderem Belang. Es ist meine tiefe Hoffnung, und ich bete inständig darum, daß die Gnade der Erlösung die Ordensleute in großem Umfang erreichen, von ihren Herzen Besitz ergreifen und für sie zu einer Quelle österlicher Freude und Hoffnung werden möge - daß das Heilige Jahr für sie Neubeginn werde, um „als neue Menschen zu leben“ {Rom 6, 4). Ordensleute sind durch ihre Berufung eng mit der Erlösung verbunden. In ihrer Weihe an Jesus Christus sind sie ein Zeichen der Erlösung, die er vollbracht hat. Im sakramentalen Heilsplan der Kirche sind sie Werkzeuge, die die Erlösung zum Volk Gottes bringen sollen. Sie tun das mit der lebendigen Kraft, die von dem Leben ausstrahlt, das sie in der Verbundenheit mit Jesus erfahren, der immer wieder zu seinen Jüngern sagt: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ {Joh 15, 5). Ordensleute bringen durch das evangelische und kirchliche Zeugnis, das sie in Wort und Beispiel von der Botschaft Jesu geben, dem Volk Gottes die Erlösung nahe. Ihre Gemeinschaft mit ihren Ortskirchen und mit der Universalkirche hat durch die Erlösung übernatürliche Wirksamkeit. Die wichtige Mitarbeit, die sie in der kirchlichen Gemeinschaft leisten, hilft dieser, das Erlösungsgeheimnis zu leben und immerzu fortzusetzen, insbesondere durch das eurcharistische Opfer, in dem das Werk der Erlösung immer wieder vollzogen wird. Für die Kirche in eurem Land Die Kirche empfiehlt das Jahr der Erlösung dem ganzen Gottesvolk als einen Appell zur Heiligkeit, einen Appell zur Erneuerung und einen Appell zu Buße und Umkehr, denn „es kann keine geistige Erneuerung geben, die sich nicht in Buße und Umkehr vollzieht“ {Aperite portas redemptori, Nr. 4). Aber dieser Appell ist in besonderer Weise mit Leben und Sendung der Ordensleute verbunden. Darum hat das Jubiläumsjahr für die Ordensleute einen besonderen Wert; es betrifft sie in besonderer Weise; es stellt besondere Forderungen an ihre Liebe, indem es sie daran erinnert, wie sehr sie vom Erlöser und seiner Kirche geliebt werden. Von besonderer Bedeutung für Ordensleute sind die folgenden Worte der Apostolischen Bulle: „Die besondere Gnade des Jahres der Erlösung ist also eine Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes“ {ebd., Nr. 8). In dieser Hinsicht müssen wir als Hirten der Kirche immer wieder 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verkündigen, daß die Berufung zum Ordensleben, die ein Geschenk Gottes ist, verbunden ist mit seiner persönlichen Liebe zu jedem Ordensmann und jeder Ordensfrau. Es ist meine echte Hoffnung, daß das Heilige Jahr der Erlösung für das Ordensleben wahrhaftig ein Jahr fruchtbarer Erneuerung in der Liebe Christi sein wird. Wenn alle Gläubigen - wie es der Fall ist - ein Recht auf die Schätze der Gnade haben, die ein Appell zur Erneuerung in der Liebe bietet, dann haben die Ordensleute besonderen Anspruch auf dieses Recht. 2. Ihr werdet im Verlauf des Jubiläumsjahres der Erlösung zu eurem Ad-limina-Besuch nach Rom kommen, und ich werde Gelegenheit haben, mit euch einige der Aspekte des Ordenslebens, wie ihr sie seht, zu besprechen. Darum wenden sich diesmal meine Gedanken in besonderer Weise den Ordensleuten der Vereinigten Staaten zu. Wenn ich an ihre Geschichte denke, an ihren großartigen Beitrag für die Kirche in eurem Land, an das große missionarische Wirken, das sie im Laufe der Jahre entfaltet haben, an den Einfluß, den sie auf das Ordensleben in der ganzen Welt ausgeübt haben, sowie an die besonderen Bedürfnisse, die sie gegenwärtig haben, so bin ich überzeugt, daß wir als Bischöfe ihnen Ermutigung und Beistand unserer Hirtenliebe anbieten müssen. Ordensleute gehörten zu euren Pionieren Das Ordensleben in den Vereinigten Staaten war in der Tat ein großes Geschenk Gottes an die Kirche und an euer Land. Seit den frühesten Tagen der Kolonialzeit hat durch Gottes Gnade der Evangelisierungseifer hervorragender Ordensmänner und Ordensfrauen, die von den beharrlichen Bemühungen der Bischöfe ermutigt und unterstützt wurden, der Kirche geholfen, eurem Land die Früchte der Erlösung zu bringen. Ordensleute gehörten zu euren Pionieren. Sie waren bahnbrechend in der katholischen Erziehung auf allen Ebenen, sie trugen entscheidend zum Entstehen eines großartigen Erziehungssystems, von der Elementarschule bis zur Universität, bei. Sie riefen Einrichtungen der Gesundheitsfürsorge ins Leben, die sowohl wegen ihrer Anzahl als auch wegen ihrer Qualität bemerkenswert waren. Sie leisteten einen wertvollen Beitrag zur Bereitstellung sozialer Dienste. Indem sie auf die Verwirklichung von Gerechtigkeit, Liebe und Frieden hinarbeiteten, trugen sie zum Aufbau einer Sozialordnung bei, die im Evangelium wurzelt, und bemühten sich, Generation um Generation zu reifen Christen zu machen. Ihr Zeugnis für den 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorrang der Liebe Christi kam in ihrem Gebetsleben und dem hingebungsvollen Dienst an den anderen zum Ausdruck. Angehörige beschaulicher Orden haben unermeßlich zur Lebenskraft der kirchlichen Gemeinschaft beigetragen. Die Kirche in eurer Nation, die eine bemerkenswerte Treue zum Stuhl Petri kennzeichnet, war in jeder Phase ihrer Entwicklung ihren Ordensleuten zu tiefem Dank verpflichtet: Priestern, Schwestern, Brüdern. Die Ordensleute Amerikas sind auch ein Geschenk an die Universalkirche gewesen, denn sie waren äußerst hochherzig gegenüber der Kirche in anderen Ländern; sie haben überall in der Welt mitgeholfen, den Armen das Evangeüum zu verkünden und die Botschaft Christi vom Frieden zu verbreiten. Diese Hochherzigkeit zeugte von einem starken, lebendigen Ordensleben, das durch einen ständigen Zustrom von Berufen gesichert war. 3. Und da ich den pastoralen Charakter und die volle Beteiligung der Ortskirchen an der Feier des Heiligen Jahres betont habe, wende ich mich nun an euch, Bischöfe der Vereinigten Staaten, und bitte euch, während dieses Heiligen Jahres einen besonderen Hirtendienst für die Ordensleute eurer Diözesen und eures Landes zu leisten. Ich bitte euch, ihnen in jeder nur möglichen Weise beizustehen, damit sie die Türen ihrer Herzen dem Erlöser öffnen. Ich bitte euch, daß ihr durch die Ausübung eures pastoralen Dienstamtes als Bischöfe und gemeinsam als Bischofskonferenz die Ordensleute, ihre Institute und Genossenschaften ermutigt, das Geheimnis der Erlösung voll zu leben, in Verbundenheit mit der ganzen Kirche und entsprechend dem besonderen Charisma ihres Ordens. Dieser pasto-rale Dienst kann auf verschiedene Weise erwiesen werden, aber er schließt gewiß die persönliche Verkündigung der evangelischen Botschaft an sie und die Feier des eucharistischen Opfers mit ihnen ein. Das will auch bedeuten, daß dem gesamten Volk Gottes die Lehre der Kirche über das Ordensleben auf neue Weise verkündet werden muß. Diese Lehre ist in den großen Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils, besonders in Lumen gentium und Perfectae caritatis, dargelegt worden. Sie wurde weiterentwickelt in Evangelica testificatio, in den Ansprachen meines Vorgängers Paul VI. und in den Ansprachen, die ich selbst bei zahlreichen Anlässen gehalten habe. Erst kürzlich ist vieles von diesem Lehrreichtum nach gründlicher Überlegung in das revidierte Kirchliche Gesetzbuch aufgenommen worden, dessen Promulgierung zu Beginn dieses Jahres erfolgte. Die wesentlichen Elemente werden in den einzelnen Instituten auf verschiedene Weise gelebt. Ihr selbst nehmt an dieser reichen Vielfalt im 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kontext der amerikanischen Wirklichkeit teil. Dennoch gibt es Elemente, die allen Formen religiösen Ordenslebens gemeinsam sind und die die Kirche als wesentlich betrachtet. Zu ihnen gehören: die von Gott geschenkte Berufung, die kirchliche Weihe an Jesus Christus durch das Gelöbnis der evangelischen Räte in Form öffentlich abgelegter Gelübde, eine von der Kirche gebillgte feste Form des Gemeinschaftslebens, Treue zum besonderen Gründungscharisma und zu gesunden Traditionen, Teilnahme an der Sendung Christi durch gemeinsames Apostolat, persönliches und liturgisches Gebet, besonders die eucharistische Anbetung, öffentliches Zeugnis, eine lebenslange Fortbildung, eine Form der Ordensleitung, die auf den Glauben gegründet ist, eine besondere Beziehung zur Kirche. Die Treue zu diesen grundlegenden Elementen, die in den von der Kirche approbierten Konstitutionen niedergelegt sind, gewährleistet den Bestand des Ordenslebens und begründet unsere Hoffnung auf sein künftiges Wachstum. Außerdem bitte ich euch, meine Brüder im Bischofsamt, die tiefe Liebe und Wertschätzung der Kirche für das Ordensleben erkennen zu lassen, das ja auf die getreue und hochherzige Nachfolge Christi und die Gemeinschaft mit Gott ausgerichtet ist. Ich bitte euch, ladet alle Ordensleute in eurem Land in meinem Namen und in eurem Namen als Bischöfe, im Namen der Kirche und im Namen Jesu ein, diese Gelegenheit des Heiligen Jahres zu ergreifen, um als neue Menschen zu leben, in Solidarität mit allen Hirten und Gläubigen, auf dem für uns alle unerläßlichen Weg - dem Weg der Buße und Umkehr. In ihrem Leben der Armut werden Ordensleute entdecken, daß sie für die Armen sehr wichtig sind. Durch Keuschheit sind sie in der Lage, mit der Liebe Christi zu lieben und seine Liebe für sie zu erfahren. Und durch Gehorsam finden sie ihre tiefste Gleichförmigkeit mit Christus in dem grundlegendsten Ausdruck seiner Einheit mit dem Vater - nämlich in der Erfüllung seines Willens: „. . . weil ich immer das tue, was ihm gefällt“ (Joh 8, 29). Ganz besonders durch den Gehorsam bietet Christus selbst den Ordensleuten die Erfahrung voller christlicher Freiheit an. Wenn sie Frieden in ihren Herzen und die Gerechtigkeit Gottes, aus der dieser Friede fließt, besitzen, können sie für eine Welt in Not zuverlässige Verwalter des Friedens und der Gerechtigkeit Christi sein. Den Aufruf zur Umkehr verkünden Auch in jenen Fällen, wo einzelne oder Gruppen aus welchen Gründen auch immer von den unerläßlichen Regeln des Ordenslebens abgewichen 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind oder gar, zum Ärgernis der Gläubigen, Standpunkte angenommen haben, die mit der Lehre der Kirche unvereinbar sind, bitte ich euch, meine Brüder im Bischofsamt, in dem festen Vertrauen auf die Kraft der Gnade Christi und die Erfüllung eines echten Hirtendienstes, noch einmal den universalen Aufruf der Kirche zur Umkehr, zu geistlicher Erneuerung und Heiligkeit zu verkünden. Und seid gewiß, daß derselbe Heilige Geist, der euch als Bischöfe bestellt hat, damit ihr als Hirten für die Kirche sorgt (vgl. Apg 20, 28), bereit ist, sich euer Dienstamt zunutze zu machen, um jenen zu helfen, die von ihm zu einem Leben der vollkomenenen Liebe berufen wurden, die wiederholt die Hilfe seiner Gnade erfahren haben und offen ein Verlangen - das wieder neu belebt werden muß - an den Tag gelegt haben, in Übereinstimmung mit ihrem eigenen kirchlichen Charisma ganz für Christus und seine Kirche zu leben. In den Ortskirchen ist die Unterscheidung der Übung dieser Charismen von den Bischöfen in Einheit mit dem Nachfolger Petri verbürgt. Diese Arbeit ist ein wahrhaft bedeutender Aspekt eures bischöflichen Dienstamtes, ein Aspekt, dem ihr - darum bitte ich euch, die Gesamtkirche durch mich - in diesem Jubiläumsjahr besonderen Vorrang einräumen müßt. 4. Als Ausdruck meiner Solidarität mit euch in diesem Bereich eures Hirtendienstes und unter Anerkennung der besonderen Bande zwischen dem Ordensleben und dem Hl. Stuhl ernenne ich hiermit Erzbischof John R. Quinn von San Franciisco zum Päpstlichen Delegaten, der einer aus drei Bischöfen bestehenden Sonderkommission vorsteht, deren Aufgabe es sein wird, die Pastoralarbeit ihrer bischöflichen Brüder in den Vereinigten Staaten dadurch zu erleichtern, daß sie den Ordensleuten eures Landes, deren Institute apostolischen Werken dienen, helfen, ihre kirchliche Berufung voll zu leben. Mit ihm gehören zu dieser Kommission Erzbischof Thomas C. Kelly von Louisville und Bischof Raymond W. Lessard von Savannah. Die Kommission, die in enger Verbindung mit der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute arbeitet nach den Richtlinien eines Dokuments, das die Kongregation ihnen und euch bereitstellt, ist befugt, ein geeignetes Arbeitsprogramm zu erstellen, das, so hoffen wir, eine nützliche Hilfe für die einzelnen Bischöfe und die Bischofskonferenz sein wird. Ich möchte die Kommission außerdem ersuchen, sich mit einer Reihe von Ordensleuten zu beraten, um aus den Einsichten Nutzen zu ziehen, die aus der Erfahrung eines in Einheit mit der Kirche gelebten Ordenslebens kommen. Ich vertraue darauf, daß die Ordensleute, die sich dem kontem- 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN plativen Leben geweiht haben, diese Arbeit mit ihren Gebeten begleiten werden. Wenn ich die Kommission ersuche, euch in eurem pastoralen Dienstamt und eurer Verantwortung beizustehen, so weiß ich, daß sie sehr betroffen sein wird über den deutlichen Rückgang der Zahl junger Menschen, die in den letzten Jahren in das Ordensleben eintreten wollen, besonders im Fall der Institute des apostolischen Lebens. Dieser zahlenmäßige Rückgang ist für mich ein Anlaß zu ernster Sorge - einer Sorge, die, wie ich weiß, auch ihr und die Ordensleute teilt. Als Folge dieses Rückgangs steigt das Durchschnittsalter der Ordensleute, und ihre Fähigkeit, den Bedürfnissen der Kirche zu dienen, wird zunehmend begrenzter. Ich bin in Sorge, daß viele Ordensleute in dem hochherzigen Bemühen, vielfältige Dienste ohne entsprechendes Personal weiterzuführen, überlastet werden, was in der Folge ihre Gesundheit und ihre geistliche Lebenskraft gefährdet. Angesichts dieser gemeinsamen Sorge möchte ich die Kommission ersuchen, in Zusammenarbeit mit den Ordensleuten und unter Auswertung der im Gebet gewonnenen Einsichten einzelner Ordensleute und höherer Oberer die Ursachen für diesen Rückgang an Berufen zu analysieren. Ich bitte sie, das in der Absicht zu tun, zu einem erneuten Anwachsen und zu einem Neuaufbruch in diesem höchst wichtigen Bereich des kirchlichen Lebens anzuregen und zu ermutigen. Und wenn sich diese Bischöfe den vielen Fragen und Problemen zuwenden, die das Ordensleben und die kirchliche Sendung der Ordensleute betreffen, werden sie eng mit euch, ihren Brüdern im Bischofsamt, Zusammenarbeiten. Außer der Hilfe, die euch durch das von der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute erarbeitete Dokument über die wichtigsten Punkte der Lehre der Kirche über das Ordensleben zuteil wird, werdet ihr und sie meine volle brüderliche und vom Gebet getragene Unterstützung haben. Die Ad-limina-Besuche der amerikanischen Bischöfe werden in der Tat euch und mir eine hervorragende Gelegenheit bieten, persönlich über den pastoralen Dienst zu sprechen, den wir miteinander im Namen Jesu, des obersten Hirten der Kirche und Erlösers der Welt, leisten wollen. Während ich darum bitte, daß dieser Appell zur Heiligkeit, zur geistlichen Erneuerung und zu Umkehr und Buße im Jubiläumsjahr der Erlösung aufgegriffen wird, vertraue ich darauf, daß der Herr Jesus, der stets Arbeiter in seinen Weinberg sendet, dieses Vorhaben mit seiner erlösenden Liebe segnen wird. Die Kraft des Heiligen Geistes kann diesen Appell für alle, die ihm folgen, zu einer lebendigen Erfahrung und zu einem Zeichen der Hoffnung für die Zukunft des Ordenslebens in eurem Lande 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN machen. Möge Maria, die Patronin der Vereinigten Staaten, die Erste der Erlösten und das Vorbild aller Ordensleute, euer bischöfliches Dienstamt mit ihrem mütterlichen Gebet unterstützen, damit es seine Fülle erreicht und allen Ordensleuten in Amerka neue Freude und Frieden bringt und der Heiligsten Dreifaltigkeit immer größere Ehre erweist. Aus dem Vatikan, am Hochfest der Auferstehung des Herrn, 3. April 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. Hingabe und Opferbereitschaft Predigt beim Gottesdienst in der Kaserne der Carabinieri in Rom am 9. April 1. „O Gott, wir haben die Wunder deiner Liebe geschaut“ (Antwortpsalm). Diese Worte, die der Liturgie der Vorabendmesse des Weißen Sonntags entnommen sind, versetzen uns in die richtige innere Haltung gegenüber dem Ostergeheimnis, das wir heute hier gemeinsam feiern, und wecken im Herzen auch ein Gefühl der Freude. Und ich will vor allen Dingen allen meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß ich heute bei euch sein kann. Ich danke euch für die Einladung und begrüße euch von Herzen. Mein Gruß gilt den hier anwesenden Autoritäten: dem Kommandanten der Carabinieri, General Valditara, den Kommandanten der Offiziers-, Unteroffiziers- und Kadettenschulen, den Kadetten jeden Ranges und Grades sowie den Vertretungen der in Rom und Italien stationierten Einheiten, ferner den Vertretungen des Nationalen Werkes der Carabinieri für die Waisen, der Nationalvereinigung ehemaliger Carabinieri und den Witwen und Waisen der gefallenen Carabinieri. Eine besondere Erwähnung möchte ich dem Militärbischof und den Kaplänen Vorbehalten, die sich eurem religiösen Beistand widmen. Euch allen gelten meine ehrerbietigen und noch vielmehr hebevollen Gedanken. Ich möchte euch ebenfalls sagen, wie sehr ich eure Tätigkeit schätze. Die Eigenschaften, die euch kennzeichnen, sind allgemein bekannt: Treue zum Staat, Pflichtbewußtsein, Dienstbereitschaft. Das sind Tugenden, die 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eure Truppe mit Recht beliebt machen und als deren würdige Zeugen ihr euch immer erweisen müßt. Ich weiß freilich, daß ihr im Laufe der langen und ruhmreichen Geschichte dieser Truppe bereits Gelegenheit gehabt hattet, sie reichlich unter Beweis zu stellen. Die Carabinieri haben mehrmals, gerade auch in den letzten Jahren, persönlich und mit ihrem Leben die Hingabe an ihr Ideal bezahlt und damit eine Selbstlosigkeit, eine Hochherzigkeit, einen Opfergeist bekundet, wie sie in unseren Tagen recht selten geworden zu sein scheinen. In diesem Zusammenhang möchte ich das heldenhafte Verhalten des Vizebrigadiers Salvo D’Acquisto während des Zweiten Weltkrieges als ein leuchtendes Beispiel von Entsagung und Opferbereitschaft anführen. Aber ich weiß, daß viele andere nicht weniger opferbereit waren oder sind. Das sind Beispiele, die über jedes Parteiinteresse hinaus leuchten und nicht nur die Achtung, sondern auch die Bewunderung und die Anerkennung aller auf sich ziehen. Und ich will mich heute auch zum Interpreten eines weitverbreiteten Gefühls machen, indem ich euch und allen euren Kameraden für alles danke, was ihr tut, wenn ihr euch unermüdlich für ein in steigendem Maß sicheres und menschliches Leben der geliebten italienischen Nation einsetzt. 2. Meine Lieben, wir sind heute abend hier zusammengekommen, um einen Sonntagsgottesdienst zu feiern, der unmittelbar an das Osterfest anschließt, aus dem er seine ganze Bedeutungsdichte schöpft. So bietet sich euch allen heute Gelegenheit zu eurer österlichen Begegnung mit Christus in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich habe gerade vorhin von Hingabe und Opferbereitschaft als euren Merkmalen gesprochen. Aber ihr wißt nur zu gut, daß im Brennpunkt der christlichen Botschaft das Opfer eines Menschen, ja des „Menschensohnes“, wie ihn die zweite biblische Lesung nennt (Offb 1, 13), nämlich Jesu Christi, steht, der als wahrer Gott und wahrer Mensch uns geliebt und sich für uns hingegeben hat (vgl. Eph 5, 2; Gal 2, 20). Sein Blut war das von der Vorsehung bestimmte Mittel unserer Erlösung, unserer Aussöhnung mit Gott, der Wiederentdeckung unserer radikalen inneren Freiheit. Denn er hat sein Los nicht nur aus Pflichtbewußtsein auf sich genommen, auch wenn er „gehorsam war bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ {Phil 2, 8), sondern noch mehr aus freier Annahme und aus Liebe: „Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung“ {Joh 13, 1). Ein solches Opfer, eine solche Liebe konnte vom Tod nicht ausgelöscht werden. Von ihm ist das Leben auf uns gekommen, weil das Leben über 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Tod triumphieren mußte. Das Opfer Jesu verlangte seine Auferstehung. Darum stellt er sich uns, wie es die Geheime Offenbarung des Johannes ausdrückt, mit den feierlichen Worten vor: „Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, doch nun lebe ich in alle Ewigkeit“ (Offb 1, 17-18). Das sind die Wunder der Liebe Gottes, die zu betrachten wir aufgerufen sind, wie es im Antwortpsalm heißt. Das alles steht vor uns nicht nur als Beispiel, das wir nachahmen, als Vorbild, das wir in unserem Leben wiedergeben sollen, auch wenn das schon viel wäre. Noch mehr und vor allem ist das Opfer Jesu Ursprung und Grund unserer Wiedergeburt, die im Nachlaß aller unserer Sünden (vgl. Kol 2, 13-14) und in der Schenkung einer neuen Identität besteht, als wären wir wieder „neugeborene Kinder“ geworden (1 Petr 2, 2). Die Osterfeierlichkeiten führen uns also wieder an den entscheidenden Augenblick unserer Taufe zurück, wo wir, um die Sprache des Apostels Paulus zu gebrauchen, den alten Menschen abgelegt und den neuen Menschen angezogen haben (vgl. Kol 3, 9-10; Eph 4, 22-24), um in Christus eine neue Schöpfung zu werden (vgl. 2 Kor 5, 17). 3. Hier erhebt sich allerdings die Frage: Sind wir immer in dieser „neuen Wirklichkeit“ gewandelt (Rom 6, 4)? Haben wir uns also im konkreten Alltagsleben immer auf der Höhe jener grundlegenden neuen Wirklichkeit befunden, die sich in uns aus Gnade herausgebildet hat? Die Antwort darauf steht in Jesu eigenen Worten, wenn er uns ermahnt, daß keiner auf irgendeinen Sünder den ersten Stein in absoluter Unschuld werfen könne (vgl. Joh 8, 7). Aber „Ostern feiern“ bedeutet, immer aufs neue aus dem unerschöpflichen Schatz jenes Gottes zu schöpfen, der „voll Erbarmen ist“ (Eph 2, 4) und der sich in der Selbsthingabe Jesu unzweideutig als ein „Gott für uns“ erwiesen hat (Röm 8, 31). Allein er „ist größer als unser Herz und weiß alles“ (1 Joh 3, 20). Doch „Ostern feiern“ bedeutet für jeden von uns, wie wir im Hebräerbrief lesen, hinzutreten „voll Zuversicht zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit“ (Hebr 4, 16). Das alles setzt in uns Glauben voraus, einen lebendigen und zugleich demütigen und freudigen Glauben. Das Evangelium, das wir vorhin gelesen haben, hat uns an die Episode vom ungläubigen Thomas erinnert. Gewiß kommt die zögernde Haltung jenes Apostels gewissermaßen unserer eigenen Unentschlossenheit zu Hilfe, da sie Anlaß zu einer neuen und überzeugenden Offenbarung Jesu war. Vor ihm ist er schließlich in die Knie gesunken, um offen zu bekennen: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20, 28). Doch Jesus billigt das erste Verhalten von Thomas nicht, er 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN spricht vielmehr eine Seligpreisung aus, die an alle gerichtet ist, die später kommen würden, also an jeden von uns: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“ (Joh 20, 29). Diese Art des Glaubens müssen wir erneuern in Nachahmung der unzähligen Generationen von Christen, die sich seit zweitausend Jahren selbst bis zum Martyrium zu Christus, dem unsichtbaren Herrn, bekannt haben. Die alten Worte aus dem ersten Brief des Petrus müssen für uns gelten, wie sie schon für unzählige andere gegolten haben: „Ihn habt ihr nicht gesehen und dennoch liebt ihr ihn; ihr seht ihn auch jetzt nicht, aber ihr glaubt an ihn“ (i Petr 1, 8). Das ist echter Glaube: absolute Hingabe an Dinge, die man nicht sieht (vgl. Hebr 11, 1), die aber ein ganzes Leben zu erfüllen und zu adeln vermögen. Auch die Ideale, zu denen ihr euch bekennt und denen ihr dient, sind unsichtbar. Wenn ihr aber statt der abstrakten Begriffe Pflicht, Gesetz, Dienst Jesus Christus setzt, dann erhalten diese Ideale einen Namen, und ihr habt einen Grund mehr, euch hochherzig für das Wohl der Menschen, eurer Brüder, zu opfern. 4. Meine Lieben, möge eure heutige österliche Begegnung mit Christus für euch alle Ansporn und Stärkung auf eurem Wege, unablässige Quelle der Kraft und des Mutes bei dem Bemühen sein, die mit eurem Stand verbundenen Aufgaben zu erfüllen und ein entschiedenes christliches Zeugnis zu geben. Möge dieses Heilige Jahr, das vor kurzem begonnen hat, auch eine günstige Gelegenheit sein - die nicht versäumt werden sollte -, jeden von euch erneut in seinen christlichen Verpflichtungen zu bestärken, die sich niemals von einem ganzheitlichen menschlichen Wachstum trennen lassen. Ich weiß von eurer kindlichen Verehrung der Muttergottes „Virgo Fidelis“: ihrem mütterlichen Schutz empfehle ich euch alle, eure Freunde und eure Angehörigen. Und mein Segen, den ich euch zum Abschluß dieser hl. Messe voll Freude erteilen werden, möge euch stets begleiten. 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unsere Generation hat das prophetische Wort von Anklage und Verheißung nötig Predigt bei der Eucharistiefeier mit den italienischen Bischöfen in St. Peter am 14. April 1. „Der Geist des Herrn ruht auf mir . . .“ (Lk 4, 18). Die Worte des Propheten Jesaja, die Jesus in der Synagoge von Nazaret las, um zu verkünden, daß sie sich in seiner Person erfüllt haben, bieten uns, ehrwürdige Brüder, die beste Perspektive, in der wir wieder einmal die Bedeutung und den Wert unserer Begegnung voll und ganz erfassen können. Wir sind hier versammelt, um mit erneuertem Glauben im Namen der ganzen Kirche in Italien zu bekennen, daß Christus der von den Propheten angekündigte, vom Geist Gottes geheiligte und gesalbte Messias ist, der vom Vater in die Welt gesandt wurde, um das neue und endgültige Zeitalter des Heiles einzuleiten. Wir erkennen also in unserem und im Namen der unserer pastoralen Sorge anvertrauten Gläubigen an, daß jeder Mensch gerettet werden muß. Ob er es zugibt oder nicht, jeder Mensch gehört zur Gruppe der Armen, der Bünden und der Unterdrückten, von denen der Text der Propheten spricht. Denn er muß mit der radikalen Armut seines Zustandes als Geschöpf rechnen, das von Schranken aller Art eingeengt ist; er muß herumtappen in den dichten Schatten, die den Weg behindern, auf dem sich sein nach Wahrheit dürstender Verstand abmüht, er erfährt vor allem die schweren Fesseln sittlicher Anfälligkeit, die ihn den demütigendsten Kompromissen aussetzt. Der Mensch ist ein Gefangener des Bösen: Das geben wir zu, ohne nach heuchlerischen Ausflüchten zu suchen. Zugleich aber bezeugen wir vor der heutigen Welt das glorreiche Ereignis, das die entscheidendste Wende, in der Geschichte der Menschheit war: Christus „wurde wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurdfe er auferweckt“ (vgl. Röm 4, 25). Im Herrn Christus ist der Mensch aus seiner vielfältigen Knechtschaft befreit und zur Freude der vollen Versöhnung mit Gott zugelassen worden. 2. Das ist der tiefe Sinn dieses Jubiläumsjahres: 1950 Jahre nach der Erfüllung jenes Ereignisses, das der Welt die Hoffnung zurückgegeben hat, war es nur recht, daß die Kirche sich mit besonders eindringlicher Verehrung und Dankbarkeit zu den Füßen ihres Herrn stellt, um die 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Male der Nägel“ und die Wunde an seiner Seite zu betrachten (vgl. Joh 20, 20.25.27) und in dem Blut, das aus diesen göttlichen Quellen floß, das „Bad“ zu erkennen, das sie - die Kirche - „gereinigt“ hat, indem sie alle „Flecken, Falten oder anderen Fehler“ von ihr beseitigte und sie „heilig und makellos“ machte (vgl. Eph 5, 26 f.). Im Grunde bringt jedes Heilige Jahr dieses neubelebte Bewußtsein der von Christus vollbrachten Erlösung und das nachfolgende starke Verlangen mit sich, reichlicher aus der reinigenden Wunde des von ihm am Kreuz vergossenen Blutes schöpfen zu können. Durch die Geschichte hindurch hatte - vom ersten Heiligen Jahr 1300 an - die Feier dieser heiligen Anlässe, auch wenn sie sich in ihren Formen nicht wenig unterschieden, doch eine feststehende Dimension: nämlich die Sehnsucht nach der Gnade der vollkommenen Vergebung kraft einer reicheren Ausspendung der Verdienste des Erlösers. Wurzel dieser Sehnsucht ist ein starker Glaube an das grenzenlose Erbarmen, das Gott auf Golgota durch das Opfer seines einzigen Sohnes kundgetan hat. Und außerdem ist da das Vertrauen in den „Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5, 18), der von Christus seiner Kirche zur geistlichen Wiedergeburt der Menschheit anvertraut wurde. Das innerste Wesen jedes Heiligen Jahres besteht gerade in dieser geistlichen Bewegung von Glaube und Hoffnung, die die Gläubigen mit neuem Eifer Christus, dem Erlöser, zuführt, der fortfährt, durch seine Kirche alle von den Fesseln der Sünde zu befreien, die sich in ihr verfangen haben. Anthropozentrische Ansichten führen zu sittlicher Versklavung 3. Das, ehrwürdige Brüder, muß also eure erste Sorge in den kommenden Monaten sein: den euch anvertrauten Gemeinden voll Freude dieses „Gnadenjahr des Herrn“ (Lk 4, 19) zu verkünden. Möge auf euren Lippen wieder das Wort erklingen, das Christus in der Synagoge von Nazaret verkündet hat. Unsere Generation hat es so nötig, das prophetische Wort von Anklage und Verheißung, das Wort von Drohung und Hoffnung wieder mit der Kraft, die aus dem Geist kommt, gesprochen zu hören. Sie muß vor allem mit neuer Kraft verkündigen hören, daß sich in Christus „die Schrift erfüllt hat“ (vgl. Lk 4, 21), weil er der in den alten Weissagungen angekündigte Retter ist, der von jedem von der Sünde bedrängten Menschenherzen, auch wenn es nichts von ihm wußte, sehnsüchtig erwartet wurde. Fürchtet euch nicht, die heutigen Menschen auf ihre moralischen Verantwortlichkeiten hinzuweisen. Unter den vielen Übeln, die die moderne 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt heimsuchen, besteht das besorgniserregende in einem erschreckenden Schwund des Sinns für das Böse. Für manche ist das Wort „Sünde“ zu einem leeren Ausdruck geworden, hinter dem nichts weiter als abweichende psychologische Vorgänge zu sehen sind, die durch entsprechende therapeutische Behandlung wieder normalisiert werden. Für andere beschränkt sich die Sünde auf die soziale Ungerechtigkeit, Ergebnis der bedrückenden Entartungen des „Systems“, und ist daher denen zuzuschreiben, die zu seiner Erhaltung beitragen. Wieder für andere ist die Sünde eine unvermeidliche Wirklichkeit, bedingt durch die unüberwindlichen Neigungen der menschlichen Natur und daher nicht dem einzelnen als persönliche Verantwortung zuzuschreiben. Schließlich gibt es noch diejenigen, die zwar einen echten Sündenbegriff zugeben, jedoch das Sittengesetz willkürlich auslegen und dadurch, daß sie sich von den Weisungen des kirchlichen Lehramtes entfernen, genau in den heute üblichen Permissivismus verfallen. Die Betrachtung dieser verschiedenen Haltungen läßt erkennen, wie schwierig es ist, einen authentischen Sinn für die Sünde zu entwickeln, wenn man sich dem Licht, das aus dem Wort Gottes kommt, verschließt. Wenn man sich einzig und allein auf den Menschen und seine begrenzten und einseitigen Ansichten stützt, gelangt man zu Formen der. „Befreiung“, die schließlich nur neue und häufig noch ernstere Zustände sittlicher Versklavung vorbereiten. Man muß sich wieder darauf einlassen, das Wort zu hören, mit dem Gott „Leben und Glück, Tod und Unglück“ vor uns stellt und uns einlädt, „auf seinen Wegen zu gehen, seine Gebote, Gesetze und Rechtsnormen zu achten“, so daß wir und alle, die nach uns kommen, das Leben erlangen können (vgl. Dtn 30, 15 ff.). 4. Wenn wir im Gewissen der Gläubigen den Sinn für die Sünden schärfen wollen, müssen wir ihnen darüber hinaus das Erbarmen verkünden, das Gott uns durch das Opfer seines Sohnes bewiesen hat. Muß man in diesem Zusammenhang nicht das Beispiel hervorheben, das uns die Katechese des Petrus in seinen Reden an das Volk von Jerusalem und selbst an die Mitglieder des Hohen Rates bietet? Der eben gehörte Abschnitt aus der Apostelgeschichte stellt uns das Haupt des Apostelkollegiums vor, wie er die maßgebenden Persönlichkeiten an ihre Verantwortung für den Tod Jesu erinnert: „Ihr habt ihn ans Kreuz gehängt und ermordet“ (vgl. Apg 5, 30). Die Anklage der Sünde geschieht nicht mit halben Worten; ebenso klar und unmittelbar ist die Ankündigung der Vergebung: „Gott hat ihn als Herrscher und Retter an seine rechte Seite 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken“ (ebd., 5, 31). In diesem Jubiläumsjahr müssen wir uns zu besonders eifrigen Boten der Ungeduld Gottes machen, mit der er in seinem einzigen Sohn die Söhne und Töchter, die sich von ihm entfernt haben, wieder in die Arme zu schließen wünscht. Dazu spornt uns die bevorstehende Bischofssynode an, während der die Kirche sich mit dem Thema Versöhnung und Buße befassen wird in der Absicht, die besten Wege zu erkunden, auf denen man der heutigen Menschheit begegnen kann, um ihr das unschätzbare Geschenk der göttlichen Vergebung zu gewähren, zu deren Dienerin ihr auferstandener Herr sie gemacht hat (vgl. Joh 20, 23). Diener des göttlichen Erbarmens - was für eine hohe Sendung! Und welch unaufschiebbarer Dienst für ein echtes Wachstum unserer Gemeinden! Diejenigen, die in sich zu gehen vermögen, spüren in der Tat „die Notwendigkeit - wie euer Vorsitzender sehr richtig gesagt hat -, daß ihnen vergeben werden muß, damit sie lernen zu vergeben, die Notwendigkeit, das göttliche Leben wiederzugewinnen, damit sie Verteidiger und Förderer des Lebens in allen seinen Äußerungen sein können, und schließlich die Notwendigkeit, in die Gemeinschaft mit dem Vater zurückgeführt zu werden, damit sie Baumeister einer echten Gemeinschaft ohne Ausnahme und ohne Beschränkung sein können“. 5. Baumeister der Gemeinschaft. Der Ausdruck erinnert an das Thema, mit dem sich eure Versammlung in diesen Tagen intensiv beschäftigt hat: „Eucharistie, Gemeinschaft, Gemeinde.“ Ich bin gewiß, daß der von euch ausgearbeitete Text eine große Fülle an Lehre und Erfahrung enthält, und ich vertraue darauf, daß die verschiedenen Glieder der Kirche darin anregende Hinweise finden werden, um das eucharistische Geheimnis auf immer würdigere Weise feiern und leben zu können; durch die Teilnahme an diesem Geheimnis entsteht ja jene Gemeinschaft in der Liebe, die die Seele der kirchlichen Gemeinde ist. Muß man nicht in Gedanken zu der innigen, bis zur Identifizierung getriebenen Verbindung zurückgehen, die die Kirchenväter zwischen dem eucharistischen Leib und dem mystischen Leib Christi gesehen haben? Uns kommen die kühnen, mit dem ganzen Gewicht theologischer Vorstellungen beladenen Worte in Erinnerung, mit denen sich der hl. Augustinus an seine Christen wandte: „Wenn also ihr der Leib und die Glieder Christi seid, dann liegt euer Geheimnis auf dem Tisch des Herrn: Ihr empfangt eurer Geheimnis . . . Seid, was ihr seht, und empfangt, was ihr seid“ (Sermo 227). 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dem Tisch des Herrn erneuert sich die opferbereite Hingabe, mit der Christus uns erlöst hat. Wenn sie daran teilnehmen, wissen die Christen aller Zeiten und aller Orte, daß sie sich verpflichten, ein makelloses Leben zu führen, dank dessen sie, in der letzten Erfüllung, zum Ostermorgen der Auferstehung finden können. Den Vorsitz bei der Eucharistiefeier nimmt der Priester „in der Person Christi“ wahr in Erfüllung der den Aposteln beim letzten Abendmahl anvertrauten Aufgabe: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (Lk 22, 19; vgl. 1 Kor 11, 26). Erkennen wir darin nicht den Widerschein der hierarchischen Struktur der Kirche, die von Christus auf dem Fundament der Apostel aufgebaut (vgl. Eph 2, 20) und organisch in verschiedene Dienstämter gegliedert wurde, aber bei voller Einheit ein und desselben Leibes (vgl. 1 Kor 12)? Im wechselvollen Geschehen dieser Welt, die vergeht Beim eucharistischen Mahl wird das Brot in Stücke gebrochen und ausgeteilt, damit sich alle von dem Ertrag der Gnade nähren. Dem hl. Paulus folgend (1 Kor 10, 6f.) hat die Kirche in diesem Geheimnis der Gemeinschaft stets die dynamische Quelle auch ihrer äußeren Einheit gesehen, woraus sie dann die Unmöglichkeit ableitete, auf dem gemeinschaftlichen Teilen der eucharistischen Speise mit jenen zu beharren, die die volle Geschlossenheit des gemeinschaftlichen Gefüges zerbrochen haben. Und wenn Jesus schließlich beim Abendmahl verkündet, daß „er nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken werde bis zu dem Tag, an dem er von neuem davon trinken werde im Reiche Gottes (vgl. Mk 14, 25 und Parallelstellen), unterstreicht er damit die eschatologische Dimension des eucharistischen Geheimnisses, eine Dimension, von der die Kirche sehr wohl weiß, daß sie einen wesentlichen Bestandteil ihres Lebens in diesem gegenwärtigen Zeitalter darstellt, das zwischen dem „Schon“ der erfüllten Verheißungen und dem „Noch nicht“ der endgültigen Wirklichkeit liegt. Die Kirche feiert daher die Eucharistie im wechselvollen Geschehen dieser Welt, die vergeht (vgl. 1 Kor 7, 31), als „Verkündigung des Todes des Herrn, bis er kommt“ (vgl. 1 Kor 11, 26), und stärkt alle, die auf dem Weg „sich plagen und schwere Lasten zu tragen haben“ {Mt 11, 28), indem sie ihnen das „Unterpfand der künftigen Herrlichkeit“ gibt. 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Auch wir, die wir heute abend in der Basilika versammelt sind, die die Reliquien des Apostels Petrus aufbewahrt, „brechen das Brot“ in der brüderlichen Gemeinschaft des Geistes, wobei wir den Blick des Herzens auf das Ziel gerichtet haben, an das schon so viele unserer Brüder gelangt sind, und beten zum Erlöser der Welt, daß er „seiner Kirche“ gedenken, sie von allem Bösen befreien, sie vollkommen in der Liebe machen und sie von den vier Windrichtungen in das Reich aufnehmen möge, das er ihnen bereitet hat“ (vgl. Didache, 10, 5). Wir wissen um unsere Schwachheit, aber wir bekennen mit den Worten der Liturgie: „Du, Herr, bist die Kraft der Schwachen“ (Antwortpsalm), und wir verzagen nicht wegen der Schwierigkeiten, die unseren Weg behindern, sondern wir verkünden mit unbesiegbarer Beharrlichkeit: „Schmeckt und seht, wie gütig der Herr ist; selig der Mensch, der zu ihm Zuflucht nimmt“ (ebd.). Ehrwürdige Brüder der geliebten Kirche Italiens, ich fordere euch auf, dieses Zeugnis euren Gläubigen mitzuteilen. Das Volk der Christen kann niemals so wie im Heiligen Jahr die Erfahrung machen, „wie gütig der Herr ist“! Wenn ihr in den euch anvertrauten Gemeinden die Eucharistie feiert, erinnert alle an die Erkenntnis der eigenen Schuld, um jedem die Freude der Vergebung Gottes mitteilen und ihn einladen zu können, sich mit den anderen Brüdern um den „Tisch des Herrn“ zu vereinen, wo in der Teilhabe am „gebrochenen Brot“ die Kirche Christi entsteht. Verkündet allen dieses „Gnadenjahr des Herrn“, indem ihr jedem Mann und jeder Frau guten Willens die Möglichkeit schenkt, Christus zu begegnen und im Heute der eigenen Existenz die heilbringende Gegenwart dessen zu entdecken, in dem sich die ganze Schrift erfüllt hat. Amen. 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Katechese ist ein „Akt der Kirche“ Ansprache an den Internationalen Rat für Katechese am 15. April Herr Kardinal, ehrwürdige Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke vor allem Herrn Kardinal Oddi für die liebenswürdigen und passenden Worte, die er an mich gerichtet hat. Ihm und allen, die ihr hier versammelt seid, entbiete ich mein Willkommen und meine herzlichen Grüße. Neben ihm erwähne ich gern die Leiter und Offiziale der Kongregation für den Klerus, die Mitglieder des ihr angeschlossenen pastoral-katechetischen Amts und alle Angehörigen des Internationalen Rates für Katechese, die aus fernen Ländern und verschiedenem Umfeld nach Rom gekommen sind. Hier fällt mir gleich ein schönes Wort des hl. Bischofs Ambrosius ein, der jene als Engel bezeichnete, die sich der Verbreitung des Wortes Gottes und der Evangelisierung der Menschen widmen: „Man darf es nicht verschweigen, und man kann es auch nicht leugnen, daß der ein Engel ist, der das Reich Gottes und das ewige Leben verkündet“ {De mysteriis, I, 6). Tatsächlich seid ihr nach hier, zum Zentrum der sichtbaren Kirche gekommen, um euren qualifizierten Beitrag zur Lösung wichtiger und schwerer Probleme zu leisten, die die Evangelisierung und die Katechese betreffen, was ja nach den Statuten die besondere Aufgabe des Rates ist. Meinerseits bin ich über eure Anwesenheit recht froh und danke herzlich dem Herrn, daß er mir Gelegenheit schenkt, euch einige Gedanken zu Natur, Verantwortung und Zielsetzung der Katechese vorzutragen. 2. Die Arbeiten dieser Sitzung des Internationalen Rates für die Katechese haben mit ihren verschiedenen Themen, nämlich „Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche“ und „Schema der christlichen Lehre“ zweifellos deutlich gemacht, daß man von den Gläubigen ohne sorgfältige und tiefe religiöse Unterweisung und Anleitung keine echte und hochherzige Praxis des christlichen Lebens erwarten darf. Dies gilt vor allem für einen vertrauten und heilsamen Umgang mit dem Sakrament der Versöhnung. Wenn die Sakramente schon allgemein Katechese brauchen, so erst recht das Sakrament der Versöhnung, dessen sichtbares Element, d. h. Materie des Sakraments, gerade in den Handlungen des Pönitenten besteht. 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mehr als die Überprüfung wird die Diskussion des zweiten Themas „Schema der christlichen Lehre“ auf eurem Kongreß wenn nicht die Notwendigkeit, so doch wenigstens die hohe Angemessenheit einer klaren und zuverlässigen Zusammenstellung der fundamentalen Glaubenswahrheiten deutlich gemacht haben. Sie müssen allen Gläubigen ausdrücklich und zuverlässig übermittelt und eingeprägt werden, gerade im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils. Zu betonen bleibt, daß nicht die Erfahrung des Menschen, auch wenn sie allgemein wäre, die Katechese ausmacht, sondern das Wort Gottes, das die göttlichen Geheimnisse und das übernatürliche Schicksal des Menschen offenbart. Der Apostel Johannes verkündet mit Nachdruck: „Niemand hat Gott je gesehen. Der einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18). Der Hebräerbrief aber betont eingangs: „Viele Male und auf vielerlei Weise hat Gott einst zu den Vätern gesprochen durch die Propheten; in dieser Endzeit aber hat er zu uns gesprochen durch den Sohn“ (Hebr 1,1-2). Der Apostel Paulus fragt sich: „Wie sollen sie nun den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie hören, wenn niemand verkündigt?“ (Röm 10,14). Daraus folgt: Das Hören des Wortes Gottes genügt nicht; notwendig ist, Gott selber zu hören, wie er redet, wenn auch durch das menschliche Werkzeug der Kommunikation. „Jeder Mensch ist Verkündiger des Wortes, Stimme des Wortes“, predigt der hl. Augustinus (Sermo 288,4). Der Verkünder des Wortes, der Prediger und der Katechet, muß daher nicht nur das Wort Gottes unverkürzt und lebendig vermitteln, sondern dazu auch die göttliche Kraft des Wortes selbst, insofern er nicht aus sich selber spricht, sondern als von Gott bewegt: „Wir sind jedenfalls nicht wie die vielen anderen, die mit dem Wort Gottes ein Geschäft machen. Wir verkünden es aufrichtig und in Christus, von Gott her und vor Gott“ (2 Kor 2,17). 3. Es ist bekannt, daß Jesus, unser Herr, nichts Schriftliches hinterlassen hat und auch keinen Befehl zum Schreiben gab. Er hat sein Wort vielmehr als göttlichen Schatz lebendigen Menschen, der lebendigen Kirche anvertraut, damit sie es bewahre und verkünde (vgl. Erstes Vatik. Konzil, Constitutio de Fiele Catholica, c.4. Zweites Vatik. Konzil, Dogm. Konstitution Dei verbum, 1). Die Kirche ist daher die geborene Hüterin und verantwortliche Auslegerin der göttlichen Offenbarung und muß diese bewahren, auslegen und nach ausdrücklichem göttlichen Gebot (vgl. Mt 28, 19) allen Menschen verkünden. Wer mit der Evangelisierung betraut ist und die Schlüssel zur Auslegung 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besitzt, ist auch für die richtige und fruchtbare Übermittlung der Lehre verantwortlich, deren Kenntnis, Wissen und Weisheit ständig wachsen und voranschreiten muß, aber immer, wie der hl. Vinzenz von Lerin sagt, „nach ihrer jeweiligen Art, in der gleichen Meinung, im gleichen Sinn und in der gleichen Aussage“ (Commonitorium, Nr. 28). Konkret ist den Bischöfen als Nachfolgern der Apostel und dem Papst als Nachfolger des Apostels Petrus die große Aufgabe anvertraut, die Glaubenslehre zu hüten und die göttliche Heilsbotschaft zu verkünden. Aufgaben und Zuständigkeit im einzelnen sind für die einzelnen Ordinarien, die Bischofskonferenzen und den Heiligen Stuhl klar im dritten Buch des neuen Kodex des kanonischen Rechtes festgelegt, ferner die Vorbereitung und Veröffentlichung von Katechismen. Es handelt sich um die Canones 775 und 827. Zweifellos ist die Katechese die erste und anspruchsvollste Aufgabe der Priester, die die ersten unmittelbaren und hochherzigen Träger der Evangelisierung sein müssen. Ich möchte hier jedoch auch an die eigene und unübertragbare Verantwortung der Eltern für die religiöse Unterweisung und Bildung ihrer Kinder erinnern, wie ich bereits an anderer Stelle erwähnt habe: „Die Familienkatechese geht jeder anderen Form der Katechese voraus, begleitet und bereichert sie“ (Catechesi tradendae, 68). 4. Eure Überlegungen galten einem weiteren Aspekt, der für die Katechese grundlegende Bedeutung hat, nämlich ihren Inhalten, was manchmal angesichts der zahlreichen Seiten des Problems zu Schwierigkeiten und Spannungen führen kann. Die Katechese ist ein Akt der Kirche, die aus dem Glauben entsteht und dem Glauben dient. Die Kirche führt und stützt den Menschen in seiner neuen Existenz im auf erstandenen Christus. Doch gründet der Glaube auf Wirklichkeiten, er lebt von lebenswichtigen Inhalten, wie sie in den verschiedenen Glaubensbekenntnissen formuliert sind. Die Katechese muß daher eine lebendige Verbindung zu diesen Inhalten haben. Aufgabe der Katechese ist es, die im Glaubensbekenntnis ausgesprochenen Wirklichkeiten zu vermitteln, zu erklären und vollständig ins Leben zu überführen. Sie darf als echt und christlich gelten, wenn sie den gelebten Glauben der Kirche kontinuierlich und treu vermittelt, wenn sie lebendiges Wort, nicht dagegen eine abstrakte Idee anbietet und sich Mühe gibt, den Gläubigen einfache und solide Sicherheiten zu bieten, die das persönliche und gemeinschaftliche Leben erhellen und umgestalten können. Gerade diese Eigenart christlicher Katechese als lebendiges Wort führt uns zur Lösung des Problems des Verhältnisses zwischen Inhalt und 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leben. Oft gelingt es den modernen Ideologien und großen Mythen, gewaltige Massen zu mobilisieren und zu begeistern, doch ihr Ende ist unvermeidlich die Manipulierung, wenn nicht geradezu die Zerstörung von Würde, Freiheit und selbst Leben, weil es hier um Lehren und Formulierungen im Dienst der Herrschaftsausübung geht, während das Wort Gottes Leben vermittelt und ein persönliches Verhältnis zu Gott bedeutet, um so die Würde des Menschen zu begründen. Die wunderbare und einzigartige Würde des Menschen wird in einer vom Anonymen beherrschten Welt zu persönlicher und einzigartiger Berufung, in der der Mensch sich in seiner vollen schöpferischen Kraft und Verantwortung in den Plan Gottes einführen läßt. Die Katechese verhilft zur Entdeckung und Förderung dieser Berufung eines jeden Menschen und begründet damit die Identität des Glaubenden in seinem Dienst an der Gesellschaft, was für Leben und Wahrheit bezeugt und den Weg zeigt. Der Glaube ist nämlich ein Akt höchster Freiheit des Menschen, der sich so der umsonst angebotenen Initiative des offenbarenden Gottes öffnet, sich Christus, dem Erlöser, in bewußter Liebe endgültig schenkt und damit die wahre christliche Identität findet. 5. Wißt also, meine Lieben, daß eure Arbeit mir sehr am Herzen liegt, hängt doch zu einem großen Teil die Wirksamkeit der christlichen Verkündigung von euch ab, die im täglichen Leben der Getauften Frucht bringen soll. Es ist daher meine Pflicht, euch alle im Gebet dem Herrn zu empfehlen, daß er eure Herzen erleuchte, euren Willen stärke und eurem Mühen Frucht gebe. Die Erneuerung der Katechese muß wirklich als Geschenk des Heiligen Geistes für die Kirche gelten (Catechesi tradendae, 3). Und wenn ich mein ermutigendes Wort an euch richte, möchte ich zugleich alle jene ansprechen, die mit euch die Verantwortung für das Forschen und Erproben teilen, ferner alle Eltern, Katecheten und Lehrkräfte, die in Demut und Freude das Apostolat der Katechese in Häusern, Pfarreien und Gruppen ausüben. Möge der Herr euch überreich segnen, während ich gern meinen Apostolischen Segen euch allen erteile, aber auch euren Mitarbeitern und allen, die auf welche Weise auch immer von eurer wertvollen Arbeit Gewinn haben. 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Katholikos Karekin II. Sarkissian zu Besuch im Vatikan Ansprache an den armenischen Katholikos von Kilikien, Karekin II. Sarkissian, bei der Audienz am 16. April In dieser Feier des Kirchenjahres, die durch die Feier des Pascha Christi ausgezeichnet ist und in der unsere Herzen voll sind vom Gefühl seiner erneuerten Gegenwart, ebenda begegnen sich im Namen des Herrn der Katholikos von Kilikien und der Bischof von Rom in dieser Stadt, wo Petrus und Paulus zu Beginn der christlichen Geschichte den Sieg Jesu Christi über den Tod verkündet und ihr Zeugnis mit dem geheimnisvollen, aber so bezeichnenden Siegel vergossenen Blutes bekräftigt haben. Die heutige Begegnung ist ein neuer Schritt in dem brüderlichen Dialog zwischen unseren Kirchen. Der zwischen Ihrem Vorgänger und meinem Vorgänger 1967 ausgetauschte Bruderkuß ist ein unvergeßlicher Augenblick ihrer Annäherung. Den Eingebungen des Heiligen Geistes folgend, der uns treibt, die volle Einheit wiederzuentdecken und die „ganz engen Bande“ (Unitatis redintegratio, Nr. 15) zu erkennen, die uns schon in tiefer Gemeinschaft verbinden, sind wir, Sie und ich, uns heute bewußt, dem kostbaren Erbe des hohen Beispiels und der Hoffnung unserer Vorgänger zu folgen. Und das in einem Augenblick, in dem die Erschütterung über das kürzliche Hinscheiden Seiner Heiligkeit Khoren I. noch in unseren Herzen lebendig ist. Seit dem Ostermorgen hat das Licht der Auferstehung nie aufgehört, die innere Erfahrung so vieler Männer und Frauen und - durch sie - ganzer Völker zu erleuchten. Bei diesem Empfang, ehrwürdiger Bruder, möchte ich dem Abschnitt christlicher Geschichte Verehrung zollen, der begonnen hat, als der hl. Gregor der Erleuchter dieses geistige Licht in das Herz des armenischen Volkes getragen hat. In Ihrer Person möchte ich auch die große christliche Familie ehren, die euch in Gemeinschaft mit Seiner Heiligkeit Vasken I., dem Katholikos und obersten Patriarchen aller Armenier, auf den gewundenen Wegen der Geschichte führt, einer Geschichte, die sich wie immer aus den unaussprechlichen Anrufen des Geistes und der freien Antwort des Menschen ergibt. Die Erfahrung des armenischen Volkes gibt ein beredtes Zeugnis für das „organische Band“ zwischen dem christlichen Glauben und der Kultur, wovon ich in meiner Rede an die UNESCO gesprochen habe. 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ein Volk das Licht Christi empfängt, sind seine tiefsten Überzeugungen davon geläutert und gestärkt; auf dem Boden der alten Kultur blüht eine neue auf, in der der Mensch ein tieferes Gleichgewicht und eine freiere und befreiende Art findet, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Er findet hier auch die Kraft, den Umwälzungen der Geschichte zu widerstehen. Eine solche Kultur stellt sich in schwierigen Situationen als eine Kraft heraus, die stärker als die anderen Mächte ist (vgl. meine Rede an die UNESCO). Ihre Geschichte ist ein großartiger Beweis für die Tatsache, daß das Evangelium jedem Volk und jedem einzelnen Menschen seine wahre Gestalt verleiht. Die Unterschiede, die sich aus diesem Umstand ergeben, der Unterschied der Temperamente, der in der Folge zu einem Unterschied der Bräuche und Sitten führt, widerspricht in nichts der Einheit der Kirche, sondern „vermehrt ihre Schönheit und trägt zur Erfüllung ihrer Sendung nicht wenig bei“ (Unitatis redintegratio, Nr. 16). Der besondere Reichtum, der jedem gegeben ist, bleibt voll gewahrt und kann sich nur insofern entwik-keln, als er das Wohl aller will. Dieses klare Bewußtsein nährt die Leidenschaft für die Einheit der Kirche: wenn jedem Mann und jeder Frau wie jeder Familie des Gottesvolkes eine besondere Geistesgabe gegeben ist, dann zu dem Zweck, daß jedes Glied seine Aufgabe in dem einen Leib Christi erfüllen kann. Ehrwürdiger Bruder, Ihre Gegenwart unter uns macht meinem Geist das Drama des Landes, aus dem Sie kommen, noch schärfer bewußt, eines Landes, in dem schon seit längerer Zeit ein Teil ihres Volkes Aufnahme gefunden hat und das sein neues Vaterland wurde. Die libanesische Erde, die meinem Herzen so nahesteht, hat lange Zeit der ganzen Welt gezeigt, daß Menschen verschiedener Kulturen und verschiedener Religionen in derselben Nation in Arbeit und Frieden Zusammenleben können. Diese libanesische Erde ist immer noch einer harten Prüfung unterworfen. Jedes Ereignis der Geschichte ist Ausdruck eines entscheidenden Kampfes: nämlich der Hoffnung gegen die Verzweiflung. In diesem Kampf können die Christen aus der unversiegbaren Quelle des Kreuzes Christi schöpfen, ihre Ideale der Versöhnung, des Friedens und der Brüderlichkeit zu leben und dazu beizutragen, sie in diesem Land in Gerechtigkeit und Freiheit für alle wieder zu verwirklichen. Im gegenwärtigen Augenblick besteht für alle, die den Sieg Christi bekennen, die Pflicht, in Einheit ihre Hoffnung im Angesicht der Welt zu bezeugen. Es ist ihre Pflicht, alle, die an Gott glauben und alle Menschen guten Willens zur Hoffnung und zum Wiederaufbau aufzufordern. Das Pascha-Geheimnis fordert die Christen und durch die Christen alle 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen auf, eine grundlegende Entscheidung zu fällen: Lebt man auf einen Tag hin, der zu Ende geht, oder im Blick auf die Morgenröte, die schon das Dunkel vertreibt? Lebt man fixiert auf das, was gewesen ist, oder offen für das absolut Neue, das der auferstandene Christus, der Erlöser des Menschen, in der Geschichte bewirkt hat? Die heutige Begegnung setzt unter uns das fort, was am Ostermorgen durch Christus begonnen hat: im Heiligen Geist die Jünger erneut um seine leibliche Gegenwart zu versammeln, nachdem sie sich in der Stunde der Dunkelheit zerstreut hatten. Ihre Gegenwart hier ist heute Zeugnis der ständigen Verbesserung der Beziehungen zwischen unseren beiden Kirchen. Das ist ein Anlaß zur Freude und tiefen Genugtuung. Die Meinungsverschiedenheiten und Schwierigkeiten der Vergangenheit sind auf dem besten Weg, fortschreitend überwunden zu werden. Von ganzem Herzen wünsche ich, daß diese Begegnung den Anfang einer neuen Etappe dieses gemeinsamen Weges markieren möge. Der Herr schenke uns die nötige Kraft, um allen uns anvertrauten Gläubigen und vor allem denen, die auf der geliebten libanesischen Erde leben, unsere Freude heute mitteilen zu können. Könnte diese Freude nicht nur zur Freude der Christen, sondern des ganzen so teuren und so arbeitsamen Volkes werden, das in diesem Land lebt. Und möge dieses Volk wieder ein Zeichen der Hoffnung für alle Menschen werden! Die Grundlage echten Friedens Ansprache an die Mitglieder der Trilateralen Kommission am 18. April Liebe Freunde! Es ist mir eine Freude, die Mitglieder der Trilateralen Kommission empfangen zu können, und zugleich ein vielleicht außergewöhnlicher Anlaß zum Nachdenken. Ich bin mir nämlich bewußt, daß Sie eine seltene Konzentration an Fähigkeiten, Fachkenntnissen und Erfahrung darstellen, und diese große Ansammlung von Wissen auf politischem, wirtschaftlichem, finanziellem und politischem Gebiet gibt Ihnen eine erhebliche Macht. Wie aber kann Macht moralisch ausgeübt werden, wenn sie nicht begleitet ist von einem geschärften Sinn für Verantwortung? 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es ist nicht meine Sache, in Ihre technologischen Forschungen einzugreifen. Doch ist der Gegenstand Ihrer Arbeit so eng mit menschlichen Dingen verknüpft, daß Sie sich ständig auf der Grenze zwischen Technik und Ethik befinden. Von daher gesehen, bin ich sehr an Ihrem Wirken für die Ost-West-Beziehungen, die internationale Zusammenarbeit, den Frieden im Nahen Osten, die Rüstungsbegrenzung und andere Aufgaben interessiert. Die ethische Dimension Ihrer Tätigkeit wird noch durch Ihre geographische Herkunft unterstrichen. Sie stammen alle aus den mächtigen Ländern der Welt und tragen daher die Verantwortung für die Ermutigung der Menschen, ihrer Pflicht zur internationalen menschlichen Solidarität nachzukommen, denn wie mein Vorgänger Paul VI. in seiner Enzyklika Populorum progressio gesagt hat, betrifft „diese Pflicht an erster Stelle die Begüterten“ (Nr. 44). Wenn man ferner von menschlicher Solidarität und Politik, von internationaler Solidarität und Politik im besonderen spricht, darf man nicht die Worte Johannes’ XXIII. vergessen: „Das gleiche natürliche Sittengesetz, das die Lebensordnung unter den einzelnen Bürgern regelt, soll auch die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Staaten lenken“ (Pacem in terris, Teil III). Internationale Solidarität gilt nicht nur für die Beziehungen zwischen den Nationen, sondern auch für alle Instrumente, die man bei den Beziehungen zwischen den Nationen, eingeschlossen jene auf der Ebene der Regierungen und der multinationalen Gesellschaften, einsetzt. In jedem Bereich sind ethische und moralische Forderungen anzumelden. Diese ethischen und moralischen Forderungen betreffen die vielen Fakten der Technologie und wirken sich direkt auf Produktivität und Gewinn der Unternehmen aus, wie ich in Laborem exercens (vgl. Nr. 17) angedeutet habe. Mit einem Wort, jede Tätigkeit muß im Dienst des Lebens stehen, des Lebens der einzelnen und der Gemeinschaften, wo auch immer, und sie darf nicht die Gesetze des Lebens verletzen, die Zeugung von Leben, die Würde des Lebens und besonders das Leben der Armen. 2. Mit Befriedigung habe ich erfahren, daß Sie in diesen Tagen eine Studie über Entwicklungsstrategien diskutieren - eine Studie, die das doppelte Bemühen betonen muß: einmal, daß die ärmeren Länder ihre Entwicklung selbst in die Hand nehmen, andererseits, daß die reicheren Länder wirtschaftliche und kommerzielle Bedingungen schaffen, die dazu beitragen, die wesentlichen Bedürfnisse der Menschen in den Entwicklungsregionen zu sichern und zugleich einen gerechteren Austausch der Güter zu fördern. 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber hier stelle ich mir selbst die Frage, die sich auch Ihnen stellt: Warum ist am Ende des ersten Drittels des dritten Entwicklungsjahrzehnts die Lage der Nord-Süd-Beziehungen alarmierender als zu Beginn der sechziger Jahre? Warum wird der Abstand zwischen reich und arm ständig noch größer? Man mag darauf mit dem Hinweis auf die Energiekrise der siebziger Jahre antworten, die selbst die Industrieländer vor eine bemerkenswerte Anzahl von sozialen Herausforderungen gestellt hat. Gestatten Sie mir, in Ergänzung dazu die ungenügende Aufmerksamkeit zu nennen, die einem der Hauptthemen von Populorum progressio geschenkt wurde, nämlich der „ganzheitlichen Entwicklung des Menschen“. Es ist eine Illusion, nur die materielle Entwicklung ins Auge zu fassen. Alles, auch die Dynamik von Produktion und Gewinn selber, ist an das Bewußtsein von der Würde des Menschen geknüpft. Wenn man dagegen soziale, kulturelle und geistige Voraussetzungen schafft, die die Menschen vor jeder Art von Unterdrückung, Ausbeutung und erniedrigender Abhängigkeit schützen, garantiert man den Erfolg der Entwicklungsprojekte: „mehr arbeiten, mehr lernen, mehr besitzen, um mehr zu gelten“ {Populorum progressio, Nr. 6). 3. Zu Ihren Angelegenheiten gehören ferner friedliche Beziehungen zwischen den Völkern. Diese Sache ist weit enger mit der Entwicklung verbunden, als es auf den ersten Blick scheint, denn die ethische Wahrheit, die ich eben erwähnte, ist die Grundlage echten Friedens. Gewiß darf man nicht das geduldige Bemühen von Unterhändlern oder Studien mit vielen technischen Lösungen, die ein Kräftegleichgewicht auf möglichst niedriger Ebene möglich machen, mißachten. Bei zahlreichen Gelegenheiten habe ich dazu ermutigt. Zu Beginn dieses Jahres erließ ich eine Botschaft über die Bedeutung des Dialogs als Weg, die Sicherheit zu garantieren. Das setzt freilich voraus, daß ein solcher Dialog aufrichtig ist, keine Täuschung versucht und frei ist von jeder Absicht, die andere Seite zu überlisten. Hier möchte ich in Ihrer Gegenwart wiederholen, was ich schon in meiner Botschaft an die Vereinten Nationen deutlich formuliert habe: „Die Herstellung und der Besitz von Waffen sind die Folge einer ethischen Krise, die an der Gesellschaft in all ihren Dimensionen — der politischen, der sozialen und der wirtschaftlichen - nagt. Friede - das habe ich mehrmals wiederholt — ist das Ergebnis der Achtung ethischer Grundsätze. Die echte Abrüstung, also die, die den Frieden zwischen den Völkern garantiert, wird nur durch Lösung dieser ethischen Krise zustande kommen. Das heißt, wenn die Bemühungen um den Waffenab- 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bau und dann um die vollständige Abrüstung nicht gleichzeitig von einem ethischen Aufstieg begleitet werden, sind sie im voraus zum Scheitern verurteilt. „Der Versuch, unsere Welt durch Beseitigung der von bloßem Streben nach Interessen und Privilegien oder der Verfechtung ideologischer Ansprüche verursachten Verwirrung der Geister wieder zurechtzurücken, ist die absolut vorrangige Aufgabe, wenn man in der Sache der Abrüstung Fortschritte erzielen will. Andernfalls wird es beim falschen Schein bleiben“ (Botschaft an die 2. außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen, Nr. 12; in O.R.dt. 82/31-32, S. 11). Wie Sie sehen, ist in den Bereichen, die in Ihre Zuständigkeit fallen, eine Trennung von Technologie und Ethik nicht möglich. Ohne die Hilfe der Ethik kann politisches Wirken nicht das Gemeinwohl sichern, sondern wird zu einer unerträglichen und verabscheuungswürdigen Ausbeutung des Menschen durch den Menschen. Daher möchte ich Sie dringend auffordern, mit allem guten Willen Ihre Bemühungen und Untersuchungen fortzusetzen, ohne je die moralische Dimension der internationalen Beziehungen zu vernachlässigen oder zu verletzen, und alles für den Dienst am Menschen zu tun. Und möge Gott, der Schöpfer des Menschen und Herr des Lebens, Ihren Beitrag für die Menschheit wirksam werden lassen und in Ihre Herzen den Frieden einpflanzen. Durch das Wort unserer Väter Ansprache an die Mitglieder des Leitungsausschusses des Katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat am 22. April In Christus geliebte Brüder und Schwestern! Ich freue mich sehr, euch hier in Rom zu empfangen, an den Gräbern der Apostel, die als erste durch ihre Verkündigung und ihr Leben Zeugnis für Christus abgelegt haben. In der Tat hat Gott selbst durch das Wort unserer Väter im Glauben, der großen Gesetzgeber, der Propheten und Weisen des Alten Testaments, der Apostel, Evangelisten und anderer „apostolischer Männer“ (vgl. Dei verbum, Nr. 7) des Neuen Testaments, zu den Menschen gesprochen. So 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat er mit Hilfe eines menschlichen Wortes, das zunächst mündlich weitergegeben und später aufgeschrieben wurde, den Menschen seine Liebe, seinen Willen, seinen Heilsplan geoffenbart, in dessen Mittelpunkt Christus steht, Gott und Mensch, selbst das letzte Wort des Vaters (vgl. Hebr 1, 2). Das nennen wir die Bibel, die der Kirche als „höchste Richtschnur ihres Glaubens“, „zusammen mit der Heiligen Überlieferung“ anvertraut ist (vgl. Dei verbum, Nr. 21). Zum Dienst an diesem Wort Gottes, das in der Kirche gelesen und kommentiert wird, wurde der Katholische Weltverband für das Bibelapostolat gegründet. Ihr gehört dem Leitungsausschuß an und seid somit für dieses so bedeutsame Werk der Evangelisation verantwortlich. Ihr kennt sehr wohl die Prinzipien, die es inspirieren, und die Methodik. Es geht besonders darum, den Bischöfen und den Bischofskonferenzen bei der Ausführung ihres Dienstes an diesem Wort behilflich zu sein, das ihnen in erster Linie anvertraut worden ist, so wie es in ganz besonderer Weise dem Stuhl Petri anvertraut wurde. Vor allem aber geht es darum, es bekanntzumachen und die Menschen dazu zu bringen, daß sie es lieben, damit es immer mehr zur reinen Quelle des christlichen Lebens und Zeugnisses im Alltag der von Christus ergriffenen Männer und Frauen werde. Es wird jeden Tag bei der Feier der Eucharistie verkündet, vor allem aber wird es jeden Sonntag in der Predigt gelesen und kommentiert. Wie wünschenswert wäre es, daß alle Glieder des Volkes Gottes „sich in beständiger gewissenhafter Lesung und gründlichem Studium mit der Schrift befassen“ (Dei verbum, Nr. 25)! Zu diesem Zweck braucht man Übersetzungen in den verschiedenen Sprachen, aber auch Hilfen für die Lektüre, eine wirklich gute Einführung, kurze, das Wesentliche herausstellende Kommentare und Richtlinien, damit das inspirierende Wort nicht willkürlich in die Praxis umgesetzt oder gar seines wahren Sinnes entleert werde. Gerade darum bemüht ihr euch mit eurer heiklen und ernsthaften Arbeit auf internationaler Ebene, häufig auch in fruchtbarer Zusammenarbeit mit anderen nichtkatholischen Organisationen, die ein ähnliches Ziel haben und unter denen ich die Weltbibelgesellschaft anführen möchte. Ja, liebe Brüder und Schwestern, eure Arbeit und Hingabe sind bereits sehr fruchtbar und nützlich für die Kirche geworden. Sie werden das in immer höherem Maße sein, wenn ihr dem treu bleibt, was eure Statuten vorschreiben, das heißt, wenn euer Dienst am Wort Gottes stets in enger Verbundenheit mit den Bischöfen und den Bischofskonferenzen und vor allem mit dem Apostolischen Stuhl erfolgt, von dem eure Vereinigung vor nunmehr vierzehn Jahren ins Leben gerufen wurde. Dieser Dienst fügt 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich in der Tat in den Rahmen der großen Sendung der gesamten Kirche ein: Verkündigung und Aktualisierung des Wortes Gottes, ein Sendungsauftrag, für den die Päpste und die Bischöfe als erste verantwortlich sind. Während ich auf euch und auf euer Werk den Segen des Herrn herabrufe, möchte ich ihm auch den Dienst anvertrauen, dem ihr eure Kräfte widmet, damit der Katholische Weltverband für das Bibelapostolat immer zur Kenntnis und Vorbereitung des Gotteswortes beitrage. „Daß die Menschen die Kirche kennenlernen“ Ansprache an die Teilnehmer der 11. Vollversammlung der Kongregation für die Glaubensverbreitung am 22. April Ehrwürdige Mitbrüder und geliebte Söhne! 1. Ich bin dankbar für diese Begegnung mit euch allen, die ihr an der elften Vollversammlung der Kongregation für die Glaubensverbreitung teilnehmt. Ich begrüße euch von Herzen und bringe euch meine lebhafte Anerkennung für die Arbeit zum Ausdruck, die ihr zum Wohl der Kirche leistet. Gleichsam innehaltend auf dem Weg eurer regelmäßig stattfindenden Versammlungen, habt ihr in diesem Jahr einen prüfenden Rückblick auf die ersten zehn Vollversammlungen gehalten, auf ihren Verlauf und ihre Ergebnisse. Ich weiß, daß die ersten Versammlungen sich mit den dringendsten Problemen, die nach dem Konzil auf missonarischem Gebiet aufgetaucht waren, auseinandersetzten und nach den für unsere Zeit geeignetsten Lösungen suchten. In den letzten Jahren hat eine Reihe eurer Vollversammlungen die Gelegenheit der Bischofssynode genutzt, um Material aus den Missionen anzubieten oder auch das Ergebnis der Bischofssynoden selbst auf die konkreten Situationen der Missionen anzuwenden. Die Arbeiten und Weisungen eurer Vollversammlungen hatten in jedem Fall eine verstärkte missionarische Zusammenarbeit der Kirchen untereinander, die Förderung der Ausbildung der Missionare, vor allem der Laienkatecheten, und die Suche nach neuen Impulsen für die Mission zur Folge. Ein wertvolles Ergebnis dieser Vollversammlungen war auch der Kontakt und der Dialog innerhalb des Dikasteriums zwischen allen seinen Mitglie- 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dern, die die Hierarchie der verschiedenen Kontinente vertreten, insbesondere jener, in denen die Kirche noch im Anfangs- und Wachstumsstadium und oft voller Lebenskraft ist. Dieser Kontakt und dieser Dialog sollen zu einer Bereicherung für euch alle werden. 2. Ich weiß, daß ihr in diesen Tagen zusammen mit den Überlegungen über die vergangenen Vollversammlungen auch über manche im Leben der Kirche heute stark ausgeprägte kirchliche Bewegungen und über ihren Beitrag zum Anliegen der Mission beraten habt. Eine ganze Reihe dieser B ewegungen sind als Zeichen der Anwesenheit des Geistes Gottes, der seine Kirche nicht verläßt, und als Antwort auf die Forderungen der modernen Welt entstanden; sie können einen apostolischen und geistlichen Reichtum darstellen, den die Kirche nicht unbeachtet lassen darf. Zugleich 'wird - wie mein Vorgänger Paul VI. in dem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi insbesondere im Zusammenhang mit den kirchlichen Basisgemeinschaften ausführte - die missionarische Einsatzbereitschaft immer eines der Kriterien für die Glaubwürdigkeit dieser neuen Bewegung sein. Sie sind nicht bloß zum Wohl der Ortskirche entstanden, sondern sie sind auch eine Hoffnung für die universale Kirche in dem Maße, als sie „fest verbunden bleiben mit der Ortskirche, in die sie sich eingliedem, und mit der universalen Kirche, damit sie nicht der allzu bedrohlichen Gefahr erliegen, sich in sich selbst abzukapseln. (...); den Hirten, die der Herr seiner Kirche gibt, und dem Lehramt, das der Geist Christi diesen verliehen hat, aufrichtig verbunden bleiben (...); täglich im missionarischen Geist und Eifer, in missionarischer Einsatzbereitschaft und Ausstrahlungskraft wachsen; sich in allem dem Ganzen verpflichtet fühlen und niemals sektiererisch werden“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 58, in: Wort und Weisung, 1975, S. 579). 3. Diese eure jüngste Vollversammlung findet während der Feier des außerordentlichen Jubiläumsjahres der Erlösung statt. Sie wird somit zu einer Gelegenheit, die missionarische Identität der Kirche wiederzuentdecken, die ihren Grund in der universalen Erlösung Christi hat. „Die besondere Gnade des Jahres der Erlösung“, sagte ich in der Ankündigungsbulle, „ist also eine Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes und eine Vertiefung der unerforschlichen Reichtümer des Paschageheimnisses Christi, die wir uns im Alltag des christlichen Lebens in all seinen Formen aneignen“ (Aperite portas redemptori, Nr. 8). Die Menschen aber werden zu diesen unerforschlichen Reichtümern der Erlösung Christi durch den Dienst der Kirche gelangen, die aus diesem 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grund missionarisch wird. „Christus, der Erlöser, hat ja die Kirche gegründet und zum universalen Heilssakrament gemacht - sagte ich in derselben Bulle - und dadurch grundgelegt, daß das Heil des einzelnen im Schoß der Kirche und durch den Dienst der Kirche geschehe, dessen Gott sich auch bedient, um den Anfang des Heils, den Glauben, zu schenken“ (ebd., Nr. 5). Hier, liebe Mitbrüder, zeigt sich ein Aspekt unserer missionarischen Verantwortung. Gewiß bleibt das Geheimnis der Gottesbegegnung im Gewissen unerforschlich; „aber der Weg, den uns Christus gezeigt hat, geht über die Kirche“ {ebd., Nr. 5; vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 80). Darum sollen wir uns alle in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung dafür einsetzen, daß die Menschen die Kirche kennenlernen und die Früchte der von Christus vollbrachten Erlösung empfangen. 4. Eure Vollversammlung, ehrwürdige Mitbrüder, werde zu einem Ausgangspunkt weiterer Vertiefungen sowohl hinsichtlich der Erforschung allgemeiner Prinzipien wie konkreter Normen, die auf die dringendsten Erfordernisse der Belebung des Missionsgedankens und der Missionstätigkeit Antwort geben. Solche Prinzipien und Normen erhoffen die Dika-sterien von ihren Vollversammlungen (vgl. Regolamento della Curia Romana, Nr. 111: AAS, 60, 1968, S. 163) in der Absicht, den Lehren und Weisungen des Konzils stets treu zu bleiben wie auch unserer sich so rasch verändernden Welt wache Aufmerksamkeit zu schenken. Unter diesem praktischen Gesichtspunkt wird die Arbeit der Vollversammlungen zu einer Frage der Treue: Treue hinsichtlich der besonderen Eigenart des betreffenden Dikasteriums, Treue im Hinblick auf die tatsächlichen Bedürfnisse in euren Zuständigkeitsbereichen, wie denen der missionarischen Anregung, der Zusammenarbeit und der missionarischen Tätigkeit. Wenn bei euch dieser Geist der Treue vorhanden ist, wird Gott eure Arbeit stets segnen: und das wünsche ich allen von ganzem Herzen. Mit eurem Erscheinen bei dieser heutigen Begegnung bereitet ihr mir eine sehr große Freude, was ich euch aus ganzem Herzen bestätigen möchte. Ihr wißt sicher, wieviel Liebe und wieviel Beachtung ich eurem Dikaste-rium und seinen Werken zuwende. Auf meinen Pastoraireisen konnte ich die Frucht eurer Arbeit und die Kraft und Lebendigkeit einer Kirche feststellen, die trotz vieler Schwierigkeiten wächst und sich entfaltet. Die Hilfe Gottes stehe euch bei, besonders wenn eure Arbeit unter den Zeichen des Opfers steht, wie es sooft mit euren Aufgaben verbunden ist. Ihr sollt wissen, daß ich euch immer mit meinem Gebet begleite. Von Herzen empfehle ich euch dem Herrn und der seligsten Jungfrau, der 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mutter der Kirche, und erteile euch mit Freude den Apostolischen Segen, in den ich alle eure Gemeinden und die Mitarbeiter des Dikasteriums einschließe. Christliche Überzeugung und echte Kunst Ansprache an die Redaktionsmitglieder und die Leser der katholischen Tageszeitung „La Croix“ am 23. April Meine Damen und Herren! 1. Es ist mir eine Freude, Sie zu empfangen, und ich danke Herrn Gelamur für seine Art und Weise, Ihre Gruppe und das Vorhaben von „La Croix“ vorzustellen. Mit Ihnen grüße ich alle Leser, die zugleich treue Wohltäter und Stütze dieser katholischen Tageszeitung sind, und das ganze Redaktionsteam, um dessen harte Arbeit ich weiß. Sie sind selbst Pilger dieses Jubiläumsjahres und - ich wage es auszusprechen - eifern andere Pilger an, denn Sie haben Möglichkeiten und eine Verantwortung besonderer Art, der öffentlichen Meinung den Auftrag zur Umkehr, zu der alle Christen eingeladen sind, und die Notwendigkeit der Erlösung begreiflich zu machen. 2. Sie feiern das hundertjährige Bestehen von „La Croix“, wobei Sie ihrer Gründung im Juni 1883 durch die Patres Picard und Bailly gedenken, würdige Söhne des Gründers der Assumptionisten, Pater Emmanuel d’Alzon. Sie haben eine bemerkenswerte Epoche voller Lebenskraft hinter sich, von der die Archive Dokumente enthalten, die für die gesamte Geschichte der Kirche in Frankreich während der letzten hundert Jahre wertvoll sind. Es ist angebracht, sich der mutigen Initiative zu erinnern, die sie geprägt haben, entscheidender Abschnitte, bemerkenswerter Persönlichkeiten, wie z. B. Pater Gabel, und vor allem des Geistes, der den Redakteuren im allgemeinen Kraft und Halt gab und der vom ersten Tag an die Ausrichtung von „La Croix“ erkennen ließ: nämlich die Absicht, auf anspruchsvolle Weise und mit aller Deutlichkeit durch die Ereignisse für den katholischen Glauben, die Treue zur Kirche, die Verbundenheit mit dem Papst, den missionarischen Geist und die Verteidigung der 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen und christlichen Werte Zeugnis abzulegen, und das alles auf eine Art, die weite Kreise des Volkes erreicht. 3. Sie haben mehrmals - und erst vor kurzem - die Gestaltung Ihres Blattes erneuert. Mit Eifer haben Sie technische Fragen studiert, weil sie gleichzeitig den Forderungen der modernen Journalistik und den religiösen Bedürfnissen unserer Tage Rechnung tragen wollen, um vor allem die jungen Generationen anzusprechen. Die Wahl der besten Formulierung hängt ganz offenkundig von Ihrer Verantwortung ab, wobei nicht vergessen werden darf, daß die äußere Form im Dienst des Wesensgrundes steht, der ja nicht bloß das Ergebnis des Denkens heutiger oder möglicher späterer Leser und moderner Denkweisen sein kann, wenn die Zeitung einen christlichen Bezug haben und die Botschaft des Evangeliums weitergeben will. Es ist auch Sache der Bischöfe des Landes, ihr anerkennendes Urteil über diesen Dienst der Kirche abzugeben und ihn zu unterstützen. 4. Die Tatsache, daß Sie eine katholische Tageszeitung mit überregionaler Verbreitung vertreten, die für die Sorgen anderer Christen offen ist, verleiht Ihnen eine Stellung, die ihresgleichen sucht, und man kann verstehen, warum man es für die Kirche in Frankreich - aber auch über seine Grenzen hinaus, besonders in den französischsprechenden Ländern und in Rom selbst - als wichtig, ja sogar unentbehrlich erachtet, zu sehen, daß eine Zeitung wie „La Croix“ trotz der materiellen Schwierigkeiten und Prüfungen jeglicher Art aufrechterhalten und vervollkommnet wird. Das bringt Ihnen weitreichende Anerkennung ein und erlegt Ihnen zugleich eine große Verantwortung auf. Distanz zur Hierarchie käme einer selbstmörderischen Haltung gleich Dabei vergesse ich nicht die übrigen Bemühungen, die ebenfalls zur religiösen Information beitragen: die der christlich ausgerichteten Presse in den verschiedenen Provinzen, der katholischen Wochenzeitschriften und auch die Bemühungen der religiösen Berichterstatter der freien Presse. Die hohe Zahl dieser Berufsvertreter beweist das Interesse, das das Leben der Kirche im allgemeinen und vor allem seit dem Konzil weckt. An diese Gruppe denke ich, wenn ich jetzt kurz bei zwei Forderungen der katholischen Nachrichtenpresse verweile. Sie betreffen die Wahrheit: die 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit in der Darstellung des Tagesgeschehens und die Wahrheit des für den Glauben abgelegten Zeugnisses. 5. Die Wahrheit bei der Darstellung und Kommentierung der Tagesereignisse: Der Untertitel von „La Croix“ - „Das Geschehen“ - hält Sie dazu an, die wichtigsten Ereignisse Ihres Landes, des Lebens der Welt und der Kirche darzubieten. Sie müssen das Wesentliche festhalten und die Authentizität des Geschehens und seine verschiedenen Aspekte wahren: „alles über das Wesentliche“, wie Sie sagen. Das verpflichtet natürlich dazu, daß man sich nicht auf gewisse unsichere, aus fragwürdigen Quellen übernommene Information stützt, daß man nicht Begebenheiten von geringerer Bedeutung aufbauscht, daß man nicht dem Trend der allgemein verbreiteten oder mutmaßlichen Meinung, dem gefährlichen Verlangen und Interesse nach dem Sensationellen nachgibt und daß man nicht von einer parteiischen Optik abhängig wird, vor allem, wenn es sich um den Bereich der Politik handelt. Der Aufrichtigkeit wegen müssen Sie geradezu eifersüchtig auf Ihre Freiheit, auf Ihre Unabhängigkeit und auf den Dienst an der Wahrheit bedacht sein. Und das ist bereits ein beachtliches Zeugnis. Wenn man von bedeutsamen Ereignissen spricht, so meint man damit jene, die für eine objektive Beurteilung der Lebenswirklichkeit der Menschen unter dem kulturellen, wirtschaftlichen, politischen, erzieherischen und religiösen Aspekt wichtig sind. Eine solche Darstellung wird einer Reflexion über die Grundwerte des Menschen förderlich sein und es möglich machen, den daraus hervorgehenden evangelischen Anruf wahrzunehmen. Was religiöse Ereignisse betrifft, wird der gläubige Berichterstatter wahrheitsgetreue Arbeit leisten, wenn er sich bemüht, sie in ihrem Gehalt in bezug auf die Intention des Glaubens und des ihm innewohnenden Geheimnis darzustellen und nicht bloß äußerlich oder gar als eine rein kulturelle Angelegenheit. Wie das Publikum geben Sie gern dem Erlebten, den Zeugnissen den Vorzug; das Problem dabei ist, mit Ausgewogenheit das auszuwählen, was am besten, am vollständigsten und objektivsten die Gesamtwirklichkeit wiedergibt; es gilt auch, im Auge zu behalten, daß das Erlebte nicht notwendigerweise mit der Botschaft verschmilzt. Und damit komme ich zum zweiten Punkt. 6. Die Wahrheit des für den Glauben abgelegten Zeugnisses. Sie wollen, daß die Zeitung für die öffentliche Meinung das Denken der Christen möglichst gut darstellt. BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier erhebt sich zunächst die Frage nach der Wichtigkeit und Bedeutung der religiösen Information an sich. Es hat den Anschein, daß der ihr vorbehaltene Anteil in den großen Informationsorganen (Presse, Rundfunk, Fernsehen) eher im Abnehmen begriffen ist, und es kommt leider oft vor, daß sie unsachgemäß behandelt und unter einem sehr nebensächlichen oder verzerrenden Blickwinkel gesehen wird. Dieser Tatbestand ruft bei einem großen Teil der öffentlichen Meinung des Landes, das hauptsächlich aus Katholiken besteht, und besonders bei den überzeugten Christen eine gewisse Frustration und das berechtigte Verlangen hervor, besser über das informiert zu werden, was ihnen am Herzen liegt: zum Beispiel darüber, wie die Kirche ihren vielfältigen Sendungsauftrag erfüllt. Wo könnten sie diese religiöse Information besser finden als in einer Zeitung, die ihre christliche Identität unter Beweis stellt? Und wer könnte mehr zu dieser Information beitragen als der katholische Journalist, der die Möglichkeit und sogar die Pflicht hat, allen die Elemente für ein besseres Verständnis, für einen tiefgehenden Dialog zu liefern, wo die Wirklichkeit des Lebens im Lichte des Glaubens betrachtet wird? Es gilt daher, dafür zu sorgen, daß die Nachrichten und Artikel, die die Fragen des Glaubens zur Sprache bringen, nicht reduziert werden. Im übrigen werden Sie wohl verstehen, daß es einer zwielichtigen, gefährlichen und letzten Endes selbstmörderischen Haltung gleichkäme, sich von der Institution Kirche, von der hierarchischen Kirche zu distanzieren, selbst wenn Leser, die den kirchlichen Sinn etwas verloren haben, dazu auffordern. Das heißt natürlich nicht, sich auf die offiziellen Äußerungen der Kirche zu beschränken: Kirche, das ist auch das tägliche Leben der Christen und ihrer Vereinigungen. Aber die Einrichtungen der Kirche sind ihrerseits Schöpfer von Ereignissen mit sehr weitreichenden Auswirkungen, und die Ausrichtungen des Lehramtes, der verantwortlichen Bischöfe erlauben uns, die Treue des Erlebten zum katholischen Glauben zu überprüfen. Das Leben der Christen kann in manchen Bereichen mit verschiedenen Initiativen oder Meinungen in Zusammenhang stehen. Es ist vernünftig, gerade in einer Zeit, in der die Gruppen in Gesellschaft und Kirche sich mit allzuviel Unverständnis, Härte und Unduldsamkeit gegenüberstehen, in einem Geist des Dialogs über diesen Pluralismus zu berichten. Doch die Beschreibung dieses christlichen Pluralismus setzt - wenn sie sich auf christliche Werte beziehen soll — voraus, daß mit aller Klarheit vermerkt wird, welche Optionen auf doktrinärem, ethischem, liturgischem und sozialem Gebiet berechtigt sind und daß die moralischen Werte, wie 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Achtung des Lebens, der menschlichen Würde, der fundamentalen Freiheiten, einschließlich der Information und des Unterrichts, der Schutz der Armen und Schwachen, geschützt und verteidigt werden. Wenn es sich um andere Optionen handelt, die aus Sorge um die Wirklichkeitstreue vorgebracht werden, um das Ganze - immer mit der Achtung der Personen - in ein anderes Licht zu rücken, müssen die Leser über ausreichende Möglichkeiten verfügen, die Haltung zu erkennen, die dem Glauben und dem Kirchenbewußtsein entspricht. Für den Glauben der Kirche Zeugnis ablegen 7. Kurz, die katholische Zeitung selbst als ganze und die Redakteure, die in ihrem Namen sprechen, müssen wahrhaftig für den christlichen Glauben, den Glauben der Kirche, Zeugnis ablegen, damit die Leser, welche immer es sein mögen, sicher sein können, hier das Wort des Glaubenden, des treuen Glaubenden zu finden, der glücklich ist zu glauben und der Kirche, seiner Mutter, anzugehören, die er von innen heraus betrachten und lieben lernt. Das gehört zu der Treue, ohne die Sie, wie Sie sagten, Ihre Daseinsberechtigung verlieren würden, und das entspricht Ihrem heutigen Weg, der Verbundenheit mit der Kirche, zu der Sie sich bekennen und die Sie beim Nachfolger Petri stärken wollen. Und zugleich werden die Leser hier die verschiedenen Ereignisse im wahren Licht sehen, das es ihnen ermöglichen wird, sich ein menschliches und christliches Urteil zu bilden, das geeignet ist, dem ganzen Menschen zu dienen und ihn zu fördern und die Wege zur Hoffnung und zur Liebe zu erschließen. Liegt nicht in diesen beiden Punkten die charakteristische Prägung der katholischen Journalistik? Es ist ein ganzes Programm, das von dem bezeichnenden Titel „Das Kreuz, das Geschehen“ auf erlegt wird. Das verlangt Aufrichtigkeit, feste christliche Überzeugung und echte Kunst. Ich glaube, Pater Gabel war es, der sagte: „Der katholische Journalist ist bezüglich des Geschehens ein Vermittler zwischen der Lehre, den Weisungen der Kirche und seinem Publikum.“ Ja, eine schwierige, aber begeisternde und so notwendige Kunst! Ich bin gewiß, daß es Ihnen mit dem gewaltigen und wenig harmonischen Konzert der Massenmedien darum gehen wird, weiterhin Ihre Sendung gut zu erfüllen und die Herausforderung in demselben Geist aufzunehmen wie Ihre berühmten Vorgänger. Dazu ermutige ich Sie, indem ich das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes auf Sie herabflehe. Ihnen, den Assumptionspatres, den Redakteuren und dem gesamten 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Personal von „La Croix“, den Lesern und Ihren Familien erteile ich meinen Apostolischen Segen. „Gott ruft, wen er will“ Botschaft zum 20. Weltgebetstag für die geistlichen Berufe am Sonntag, 24. April, veröffentlicht am 12. April Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Liebe Söhne und Töchter in der ganzen Welt! „Ich habe dich zum Licht für die Völker gemacht, bis an das Ende der Erde sollst du das Heil sein“ (Apg 13, 47). „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir!“ (Joh 10, 27). 1. So hören wir in den liturgischen Lesungen des vierten Ostersonntags, an dem wir den Weltgebetstag für geistliche Berufe begehen. Diese Sätze sind Gottes Wort an uns und wollen zu hochherzigen Gedanken anregen, zu Gedanken im Licht des Osterglaubens. Das Wort Gottes offenbart uns ein Geheimnis, das sich im Leben der Menschheit kundgetan hat. Ja, ein entscheidendes Ereignis hat sich zugetragen: Jesus Christus, das Lamm Gottes, hat sich für das Heil der Welt dargebracht. Das ist der Anfang einer neuen Geschichte, und die Kirche Jesu ist gerufen, diese Heilsbotschaft in der Kraft des Heiligen Geistes allen Völkern zu bringen, bis an die Enden der Erde. Eine anspruchsvolle Sendung, einfachen Menschen anvertraut: den Aposteln, ihren Nachfolgern und deren Mitarbeitern. Aus allen Ländern sind sie genommen, Jahrhundert über Jahrhundert, und keine irdische Macht kann diese Sendung unterbrechen. Das Geheimnis dieser unbesiegbaren Kette der Zeugen ist durchstrahlt von der Gegenwart Jesu, der zwar in seiner unsterblichen Herrlichkeit lebt, uns aber immer nahe ist: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28, 20). Er ist bei uns, er kennt uns, er läßt uns seine Stimme hören; er ruft und führt uns, und zwar nicht nur, um jedem von uns sein Heil anzubieten, sondern auch, um die anderen durch uns zum Heil zu führen. 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sein Rufen ist vielfältig; es kennt auch die Berufung zu einer engeren Mitarbeit an seinem Auftrag: das Leben im geistlichen Amt, das Leben in der geweihten Hingabe, das Leben in der Mission; eine Auszeichnung, der in Wahrheit ein unbegrenztes Maß von Liebe und Opfer in der vollen Hingabe an Gott und an die Kirche entspricht. Wie können wir dem Herrn für das große Vertrauen, das er in uns gesetzt hat, würdig danken? 2. Der Weltgebetstag für die geistlichen Berufe war mir immer eine große Freude. In diesem Jahr wird er zum 20. Mal begangen, und so möchte ich ihn in besonderer Weise mitfeiern. Zwanzig Jahre sind verflossen, seit der von mir geliebte und verehrte Papst Paul VI. die Eingebung hatte, die besonderen Berufungen für die Sache des Evangeliums in einem eigenen Welttag der ganzen Kirche als Gegenstand der Betrachtung und des Gebetes ans Herz zu legen. Viel Erfreuliches und weniger Erfreuliches hat sich in diesen 20 Jahren zugetragen. Anfänge einer neuen Entwicklung Da war der glückliche Abschluß des Zweiten Vatikanischen Konzils, das die Berufung und Sendung der Priester, der Ordensleute und der Missionare im Licht des Wortes Gottes und der christlichen Tradition eingehend dargestellt hat. Diesen reichen Schatz an Lehre genau zu kennen, ist Recht und Pflicht eines jeden Gläubigen, auch im Hinblick auf eine bewußtere Lebenswahl. Diese Jahre brachten für einige Kirchen Bedrängnisse, und zwar nicht nur durch äußere Verfolgungen, sondern auch durch innere Schwierigkeiten, wobei die Kirche gerade wegen jener zu leiden hatte, die ihr eigentlich die größte Stütze hätten sein müssen. Aber der Herr hat auch den Trost gegeben, daß in vielen Teilen der Kirche die Anfänge einer neuen Entwicklung zu sehen sind, insofern immer mehr seinem Ruf folgen. Für diesen ermutigenden Neubeginn und diese wiederauflebende Hochherzigkeit danken wir dem Herrn, der die Gebete seiner Kirche erhört hat. 3. Diese 20 Jahre brachten reiche geistliche und pastorale Erfahrung auf dem Gebiet der kirchlichen Berufe. Mein Vorgänger Papst Paul VI. und ich selbst haben bei jeder Gelegenheit und besonders im Rahmen dieser jährlichen Botschaften auf einige Hauptpunkte hingewiesen, die ich hier zusammenfassen möchte, auch wenn sie euch allen bestens gegenwärtig sind: 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Wort Gottes und Berufung. Die Berufung zu Priestertum und Ordensleben gibt es in der Kirche und für die Kirche nach dem Plan Gottes, den er uns in seiner Liebe geoffenbart hat. Es gibt sie also durch eine ihnen eigene Sendung, die sich von jedem anderen noch so edlen menschlichen Ideal unterscheidet. Möge Jesus es schenken, daß diese Berufungen, die zum Geheimnis seiner erbarmenden Liebe gehören, kraft seines Wortes erkannt, geglaubt und angenommen werden! - Gebet und Berufung. Die Kirche ist ein Geschenk Gottes und zum Heil der Menschheit. Folglich ist auch die Berufung, der Kirche ganz zu dienen, ein besonderes Geschenk Gottes. Nur er kann dieses Geschenk geben, nur von ihm erbitten wir es. Wir erbitten es mit einem Herzen, das sich der Welt öffnet, mit dem Blick auf das Wohl aller Menschen. Jesus hat uns ja eingeladen, um geistliche Berufe zu beten, gerade weil er mit erbarmendem Herzen auf die Not der Welt blickte: „Als er die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen; denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er zu seinen Jüngern: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9, 36-38). - Zeugnis und Berufung. Wir kennen das Wort des Konzils: „Priesterberufe zu fördern - und das gilt auch für die Berufe zum gottgeweihten Leben - ist Aufgabe der gesamten christlichen Gemeinde. Sie erfüllt sie vor allem durch ein wirklich christliches Leben“ {Optatam totius, Nr. 2). Jesus sprach vom „guten Boden“, wo die Aussaat „Frucht brachte, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach“ (Mt 13, 8). Wo Glaube, Geist und Liebe, Apostolat und christliches Leben herrschen, da verfiel-fältigen sich die Gaben Gottes. Bedenken wir, liebe Brüder und Söhne, unsere große Verantwortung! - Persönlicher Anruf und Berufung. Gott ruft, wen er will, in freier Tat seiner Liebe. Aber er will auch durch uns rufen. So tat es Jesus. Petrus wurde durch seinen Bruder Andreas zu Jesus geführt. Jesus berief Philippus; aber Natanael wurde von Philippus berufen (vgl. Joh 1, 35 ff.). Es darf keinerlei Furcht geben, einem jungen oder auch schon älteren Menschen die Anrufe des Herrn unmittelbar vorzulegen. Das ist eine Tat der Wertschätzung und des Vertrauens. Es kann eine Stunde des Lichtes und der Gnade sein. 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Du hast sie in deinen Dienst gerufen“ 4. So lade ich euch ein, mit mir zu beten: Herr Jesus, in diesem Heiligen Jahr, welches uns die Tatsache und das Geheimnis deines Erlösungsopfers zum Heil der Menschheit lebendig begehen läßt, höre auf unser Flehen: - erneuere durch deinen Geist deine Kirche, damit sie in wachsender Fruchtbarkeit der Welt die Gaben deiner Erlösung anbieten kann; - stärke durch deinen Geist in ihren heiligen Vorsätzen jene, die ihr Leben deiner Kirche geweiht haben: im Priestertum, im Diakonat, im Ordensleben, in den Missionsinstituten, in den andere Formen geweihten Lebens; du hast sie in deinen Dienst gerufen, mache sie zu vollkommenen Mitarbeitern bei deinem Heilswerk; - vermehre durch deinen Geist die Berufungen zu deinem Dienst: Du liest in den Herzen der Menschen und weißt, daß viele bereit sind, dir zu folgen und für dich zu arbeiten; gib vielen Jugendlichen und Erwachsenen die Hochherzigkeit, deinen Ruf anzunehmen, die Kraft, den dafür nötigen Verzicht zu leisten, die frohe Bereitschaft, das mit ihrer Entscheidung verbundene Kreuz zu tragen, wie du es als erster getragen hast - in der Sicherheit der Auferstehung. Wir bitten dich, Herr Jesus, zusammen mit Maria, deiner heiligen Mutter, die in der Stunde deines Erlösungsopfers an deiner Seite stand, wir bitten dich mit ihrer Fürsprache, daß viele unter uns auch heute den Mut und die Demut, die Treue und die Liebe aufbringen, mit Ja zu antworten, wie sie geantwortet hat, als sie gerufen wurde, mit dir in deiner universalen Heilssendung mitzuwirken. Amen. 5. Dieses Gebet empfehle ich dem Erbarmen Gottes, daß er es annehme und erhöre. Unser Vertrauen wächst im Hinblick auf das Heilige Jahr, das wir als Gedächtnis an die von Jesus Christus vollbrachte Erlösung begehen. Von ihm erbitte ich die Fülle der Gnade, während ich euch von Herzen den Apostolischen Segen erteile, euch, verehrte Brüder im Episkopat, den Priestern, den Gottgeweihten und dem ganzen Gottesvolk, wobei ich besonders an jene denke, die sich als Seminaristen oder Novizen ihrer geistlichen Formung widmen. Aus dem Vatikan, am 2. Februar 1983, dem Fest der Darstellung des Herrn im Tempel von Jerusalem, im fünften Jahr meines Pontifikates. PAPST JOHANNES PAUL II. 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Bande der Freundschaft vertiefen An eine Delegation des „Simon-Wiesenthal-Center“ am 25. April Liebe Freunde! Einen herzlichen Gruß allen Mitgliedern der vom „Simon-Wiesenthal-Center“ Los Angeles organisierten Abordnung. Ich freue mich sehr, Sie heute im Vatikan willkommen zu heißen und auf diese Weise den religiösen Dialog zwischen Judentum und katholischer Kirche weiterzuführen. Solche Treffen sind unsere besten Freundschaftsbande und helfen, den Reichtum unseres gemeinsamen Erbes als Volk, das an einen Herrn und Gott glaubt, der sich den Menschen offenbart hat, voller zu würdigen. Als Christen und Juden, als Kinder Abrahams, sind wir berufen, ein Segen für die Welt zu sein. (vgl. Gen 12, 2 ff.), vor allem durch unser Bekenntnis zum Glauben an Gott, die Quelle allen Lebens, und durch unseren gemeinsamen Einsatz beim Aufbau von Frieden und Gerechtigkeit unter allen Völkern und Nationen. Auf dem Weg des Dialogs und der gegenseitigen Zusammenarbeit vertiefen wir die Bande der Freundschaft und des Vertrauens untereinander und bieten den anderen ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft. Es macht mich glücklich zu wissen, daß Sie in Ihre Reise einen Polenbesuch eingeschlossen haben, um des 40. Jahrestags des Warschauer Getto-Aufstandes zu gedenken. Kürzlich erst habe ich von diesem schrecklichen und tragischen Ereignis der Geschichte gesprochen und gesagt: „Es war ein verzweifelter Schrei nach dem Recht auf Leben, nach der Freiheit und nach der Rettung der Würde des Lebens . . . Indem wir das Andenken der unschuldigen Opfer ehren, beten wir: Der ewige Gott möge dieses Opfer zum Wohl und zum Heil der Menschen annehmen.“ Möge Gott Sie und Ihre Familien mit Harmonie und Frieden segnen. Möge er Sie mit der Fülle des Schalom segnen! 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit und Liebe sind keine Gegensätze Ansprache an die Internationale Generalkonferenz der Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul am 28. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Seid willkommen in diesem Haus! Ich schließe mich aus ganzem Herzen dem Jubiläum der Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul an, deren Wirken mir vertraut ist. Und voll Freude empfange ich die Verantwortlichen, die Delegierten, die eine eindrucksvolle Zahl von „Vinzentinern“ repräsentieren, als Gruppe aktive Zeugen der Nächstenliebe in vielen Ländern der Welt. Eure Treue zur Kirche ist tief, und ich weiß um eure Anhänglichkeit an den Nachfolger Petri, Bischof der Kirche, deren Berufung es ist, der Liebe vorzustehen. Euer internationaler Präsident legt übrigens immer Wert darauf, zu Beginn seines Auftrags dem Papst einen Besuch abzustatten. 2. Es ist also genau 150 Jahre her, seit sich in Paris die erste „Konferenz der Nächstenliebe“ bildete: eine Initiative junger Laienchristen, die sich um Frederic Ozanam zu einer Gruppe zusammenschlossen. Wir müssen zunächst Gott danken für das Geschenk, das er in der Person Ozanams der Kirche gemacht hat. Man kann nur staunen über all das, was dieser Student, dieser Professor, dieser Familienvater aus glühendem Glauben und einfallsreicher Nächstenliebe im Laufe seines allzurasch verzehrten Lebens für die Kirche, für die Gesellschaft, für die Armen zu unternehmen vermochte! Sein Name bleibt mit dem des hl. Vinzenz von Paul verknüpft, der zwei Jahrhunderte früher die Vereinigung der „Dames de la Charite“ gegründet hatte, ohne daß damals noch eine entsprechende Einrichtung für die Männer geschaffen werden konnte. Und wie sollte man nicht wünschen, daß die Kirche auch Ozanam in den Rang der Sehgen und Heiligen erhebt? Vinzenz von Paul und Ozanam waren nur die Pioniere eines Netzes der Nächstenliebe, das sich über die ganze Welt ausbreitete. Wir müssen auch für all das danken, was der Heilige Geist im Herzen ihrer Schüler ausgelöst hat, für das, was er durch sie, durch das Werk eurer Gesellschaft in den fünf Kontinenten vollbracht hat. 3. Der engagierte Einsatz für die Nächstenliebe ist der Kern des Evangeliums, und er ist aktueller denn je. 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Natürlich geht es der Kirche darum, den Glauben zu verbreiten, zu nähren und zu wecken durch die Predigt. Gerade Ozanam hat es sich auch und vor allem angelegen sein lassen, der religiösen Gleichgültigkeit und der Glaubenslosigkeit seiner Zeit entgegenzutreten. Aber er wußte sehr wohl, daß die Arbeit zur Linderung des Elends der Armen die Art war, das Evangelium in die Tat umzusetzen und auch den Glauben wieder zu erwecken, zu stärken und glaubwürdig zu machen. Man kann Gerechtigkeit und Nächstenliebe nicht in Gegensatz stellen. Ozanam selbst hat kühne Maßnahmen empfohlen, um zu Recht die Lebensbedingungen des entstehenden Arbeitermilieus zu verbessern. Er war einer der Wegbereiter der Sozialbewegung, die durch die Enzyklika Rerum novarum ihre Krönung erfuhr. Aber er wußte auch, daß die Nächstenliebe nicht wartet: Sie hilft dem konkreten, heute leidenden Menschen. Es gibt zweifellos noch immer Leute, die meinen, die von euch geübte Nächstenliebe berge die Gefahr in sich, den notwendigen Prozeß der Erneuerung und Befreiung der menschlichen Gesellschaft von der Ungerechtigkeit durch geringe Erleichterungen zu hemmen. Das darf euch nicht beunruhigen. Selbstverständlich gilt es, immer gegen die Ungerechtigkeit Stellung zu beziehen, gerade um die Kleinen und Mittellosen, deren ihr euch so sehr annehmt, auf lange Sicht zu schützen. Aber es ist ein und dieselbe Nächstenliebe, die den einen und den anderen Einsatz fordert. Und es genügt auch nicht, hochherzige Betrachtungen über die Liebe zur ganzen Menschheit anzustellen: Es kommt darauf an, den konkret zu lieben, den das Evangelium den Nächsten nennt, also der uns nahe steht oder unser Nächster wird. Kein Sozialsystem, auch wenn es auf der Gerechtigkeit gründen mag, und auch keine organisierte Hilfe, so notwendig sie natürlich ist, wird den Menschen davon entbinden, sich mit ganzem Herzen seinem Mitmenschen zuzuwenden. Genau das ist seine Art, Gott zu lieben, den er nicht sieht (vgl. 1 Joh 4, 20). 4. Diese konkrete Nächstenliebe ist also eure erste Berufung, eure besondere Eigenart. Sie findet in der vielfältigen Verwirklichung im sozialen Bereich ihren Ausdruck, denn ihr wißt, euch den Nöten zu stellen, die sowohl bei verlassenen Kindern wie bei alten, einsamen Menschen entstehen, bei den Gastarbeitern, den Flüchtlingen, den Menschen in Elendsquartieren, den Kranken und Behinderten, den Häftlingen, den Randgruppen aller Art, den Opfern von Katastrophen. Ihr schließt euch so mit euren Bemühungen denen vieler anderer Organisationen, Bewegungen, Initiativen christlicher Gemeinschaften oder der zivilen Gesellschaft an. 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es will mir aber scheinen, daß man dennoch das besondere Charisma erkennen kann, das ihr für den persönlichen Kontakt besitzt, dafür, den, der eine geistliche oder materielle Hilfe, eine teilnehmende Freundschaft braucht, persönlich zu besuchen. Und ihr trachtet, das unauffällig, diskret, unter voller Achtung der Personen zu tun. Das ist ein wertvolles Merkmal in der Anonymität und der Härte unserer Zivilisation. Würde man nur auf die Massen schauen, würde man nie beginnen, denn jeder Mensch ist einmalig. 5. Im Rahmen eurer institutionellen Möglichkeiten versucht ihr, vor allem eine Gruppe von Freunden zu bilden. Wie Ozanam es haben wollte, schöpft ihr aus den häufigen Tagungen eurer Konferenzen nicht nur praktische Mittel der Erfahrung und des organischen Dienstes für die Armen, die euch umgeben, sondern auch eine geistliche Vertiefung, eine christliche Reflexion, die zwischen Gebet und Arbeit ausgewogen ist. Denn es gilt, sich von den Worten Christi umwandeln zu lassen, um ihn in unserer Welt gegenwärtig zu machen. Ich freue mich, daß immer mehr Jugendliche ihrerseits Vinzentinergrup-pen bilden oder in die Gruppe der Erwachsenen eintreten: Es ist mein Wunsch, daß sie neuen Schwung, neue Ideen, vielleicht auch einen neuen Stil einbringen, aber immer im selben Geist; so wird dank gegenseitiger Aufgeschlossenheit eure ganze Gesellschaft daraus Nutzen ziehen und der Zukunft ruhig entgegensehen können. Während ihr an dem festhaltet, was eure Initiative als christliche Laien kennzeichnet, muß euch doch auch die Zusammenarbeit mit der ganzen Kirche am Herzen liegen: zum Beispiel mit den Bischöfen eurer Diözesen, mit anderen Diözesaneinrichtungen, vor allem mit denen, die wie ihr ein karitatives Ziel verfolgen, damit ihr euren Platz in einer Gesamtpastoral findet, die nicht auf konzertiertes Vorgehen verzichten und zugleich von eurem Zeugnis profitieren kann, wo sich eure Sorgen den verschiedenen! Dimensionen der Kirche öffnen. Auf diese Verständigung und konzertierte Aktion hat das Zweite Vatikanische Konzil großen Nachdruck, gelegt. Auf internationaler Ebene sind die beiden hier vertretenen Einrichtungen des Hl. Stuhles befugt, einen fruchtbaren Dialog mit euch zu führen: der Päpstliche Rat für die Laien, der an eurem Einsatz als Laien interessiert ist, und der Päpstliche Rat „Cor Unum“, dem eure Gesellschaft als Mitglied angehört und der unter anderem dazu berufen ist, den Geist der Nächstenliebe in der Kirche zu stimulieren und zu harmonisieren. 921t BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Liebe Freunde, fahrt so fort und erneuert unaufhörlich in demselben Geist ein so gut begonnenes und bereits in verschiedenen Ländern so gut eingewurzeltes Werk, das soviel Gutes leistet und wo so viele Christen das ihnen entsprechende Engagement finden. Bezeugt konkret, daß das gelebte Evangelium eine humanisierende Kraft ist und zugleich eine Offenbarung der Liebe Gottes. Und trotz der Schwächen und Armseligkeiten, die wir alle mit uns tragen, nähert sich durch euch Christus all den Gesichtern, die konkrete Hilfe, Zuwendung, menschliche Präsenz, Hoffnung brauchen. Und die Menschen, denen ihr geholfen habt, machen euer Herz weit und sind für euch eine Gnade. Möge Gott euch in diesem Einsatz der Nächstenliebe erleuchten und stärken! Ich erteile euch aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen, den ich auch an alle Mitglieder der Gruppen der Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul richte. Der gespaltenen Welt Christus bringen Ansprache an Repräsentanten verschiedener Kirchen in Großbritannien am 29. April Liebe Freunde in unserem Herrn Jesus Christus! Schon fast ein Jahr ist vergangen, seit ich die Freude hatte, mit einigen von Ihnen zu einer allzu kurzen Aussprache in Canterbury zusammenzutreffen, aber die Erinnerung an jenen Tag - ja, an alle jene Tage in Großbritannien - ist in meinem Herzen noch immer lebendig. Überall, wohin ich kam, war die ökumenische Dimension nicht eine Art Zugabe; sie war ein wesentlicher Bestandteil der Ereignisse jener Tage und zeigte klar, daß - wie ich bald nach meiner Rückkehr nach Rom sagte - „das Christentum in Großbritannien ein wichtiger Boden für den Ökumenis-mus ist“ (Ansprache bei der Generalaudienz am 9. Juni 1982; in: O.R.dt. vom 18. 6. 1982, S. 2). In Erwiderung auf die Einladung, die ich bei jener Begegnung in Canterbury aussprach, sind Sie jetzt nach Rom gekommen, um „auf dem so glücklich gelegten Fundament weiterzubauen“ (Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des Britischen Rates der Kirchen in Canterbury am 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 29. Mai 1982; in: O.R.dt. vom 11. 6. 1982, S. 7). Dafür danke ich Ihnen ganz aufrichtig. Ich weiß, daß Sie alle fordernde Verpflichtungen haben und daß es für Sie alle nicht leicht gewesen sein kann, beiderseits passende Termine zu finden, gemeinsam hierher zu kommen zu einer Reihe von Begegnungen mit dem Einheitssekretariat und anderen Ämtern der Römischen Kurie. Sie haben diese Begegnungen sorgfältig vorbereitet in mehreren Beratungen zwischen den Leitern der im Britischen Rat der Kirchen zusammengefaßten Britischen Kirchen und den Vertretern, die von den beiden Bischofskonferenzen Großbritanniens benannt wurden, Sie zu begleiten. Ich wage zu hoffen, daß diese vorbereitende Zusammenarbeit sich als Beitrag zur Entwicklung enger Beziehungen zwischen den von Ihnen vertretenen Kirchen und der katholischen Kirche in Ihren Ländern erweisen wird. Die Themen, die Sie aufgrund unserer Aussprachen für die Begegnungen dieser Woche vorschlugen, spiegeln sehr genau den Stand wider, den wir auf unserem gemeinsamen Pilgerweg zu der Wiederherstellung der von Gott gewollten Einheit zwischen uns jetzt erreicht haben. Bereits durch unsere eine Taufe befinden wir uns in einer wirklichen Gemeinschaft, doch diese Gemeinschaft zwischen uns ist nicht voll und vollkommen. Dadurch, daß wir versuchen, miteinander Zeugnis zu geben, bringen wir jenen Grad der Einheit durch die Taufe zum Ausdruck - und stärken sie zugleich -, über die uns zu freuen Gottes Gnade uns bereits ermöglicht. Und wenn wir die anderen Fragen und Probleme prüfen, die auftauchen, wenn wir zusammenwachsen wollen - und die wir um so schärfer spüren, je enger wir zusammenwachsen -, erkennen wir voll Demut, daß unser Weg noch nicht zu Ende ist und daß wir auf unserem Weg ganz auf Gottes Gnade angewiesen sind, eine Gnade, auf die wir uns gewiß verlassen dürfen, haben wir doch „durch Christus so großes Vertrauen zu Gott“ (2 Kor 3, 4). Es ist bezeichnend, daß die Frage des christlichen Zeugnisses für den Frieden in Ihrem Programm an erster Stelle steht, denn das ist gewiß ein äußerst dringendes Problem, dem die Kirche heute wie die Welt gegenübersteht. Aber die Zeit erlaubt mir nicht, auf die einzelnen Themen, die Sie erörtert haben, einzugehen. Ich möchte Ihnen einen Gedanken vortragen, der vielleicht mehr allgemeiner Natur ist, aber, dessen bin ich sicher, sehr praxisnahe. Die Arbeit für die christliche Einheit hat eine unleugbare und unersetzliche örtliche Qualität, ihre eigenen Wege und ihre eigenen Initiativen als Antwort auf die örtlichen Umstände. Sie muß aber gleichzeitig die ganze Ökumene im Auge haben; sonst wird sie ihr wahres Ziel nicht erreichen. 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aus diesem Grund haben die katholischen Bischofskonferenzen in Ihren Ländern die Aufgabe, die wichtigen Entscheidungen in vielen Dingen von gemeinsamem christlichem Interesse zu treffen und in Dingen von größerer Bedeutung dies in Beratung mit dem Hl. Stuhl zu tun, um die Bande der Gemeinschaft mit ihren bischöflichen Brüdern und mit dem Bischof von Rom zu sichern und zu festigen, der dazu berufen ist, der Einheit aller zu dienen. Aber in Dingen von gemeinsamem Interesse handeln Sie auch in Beratung mit den Leitern anderer Gemeinschaften, und ich freue mich zu wissen, daß es in den Ländern, aus denen Sie kommen, Pläne für engere Beratungen über manche grundlegende Fragen gibt, denen heute alle Christen gegenüberstehen, und darüber, wie der Fortschritt der ökumenischen Bewegung auf örtlicher Ebene sichergestellt werden kann. Alle christlichen Weltgemeinschaften, die Sie vertreten, stehen auf internationaler Ebene bereits im Dialog mit der katholischen Kirche. Diese Gespräche befinden sich vielleicht in verschiedenen Entwicklungsstadien, aber alle haben dasselbe Ziel und alle legen uns jetzt die Verpflichtung zur Zusammenarbeit auf, soweit wir das dadurch tun können, daß wir unserer gespaltenen Welt Christus und seinen Frieden bringen und zu dem Zweck uns ganz der Wahrheit des Evangeliums überlassen (vgl. Gemeinsame Erklärung in Canterbury, 29. Mai 1982; in: O.R.dt. vom 11. 6. 1982, S. 2). Bei diesen internationalen Gesprächen haben mehrere wichtige Studien ihr Hauptaugenmerk auf die Prinzipien des gemeinsamen Zeugnisses gerichtet, und diesen muß den Bedürfnissen jedes Landes und jedes Ortes entsprechend eine konkrete Form gegeben werden. In den Ländern, aus denen Sie kommen, bieten die Punkte, die Sie für die Diskussion hier gewählt haben - Friede, die grundlegenden Ideale der christlichen Ehe, die Aufgabe des Christen im Dialog mit Andersgläubigen -, Hoffnungen für einen echten Fortschritt bei der gemeinsamen Arbeit; und Fortschritt wird hier durch Gottes Gnade sicherlich erneut unseren Wunsch nach wahrer Einheit stärken und uns befähigen, in aller Treue zu ihm zu einer Lösung jener grundlegenden ökumenischen Fragen zu gelangen, von denen Sie gesprochen haben. In diesem Licht sehe ich Ihren jetzigen Besuch in Rom. Wenn ich auf meinen Besuch in England im vergangenen Jahr zurückblicke, bin ich mir bewußt, wieviel ich durch die persönliche Erfahrung des christlichen Lebens dort gewonnen habe, nicht zuletzt durch die Art der Beziehungen zwischen Christen aller Konfessionen. Ganz in derselben Weise hoffe ich, daß Ihre Erfahrung dieser wenigen Tage in Rom zu einem größeren Verständnis beitragen wird, das zu einer engeren Zusammenarbeit in 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihren Ländern führen soll, einer Zusammenarbeit, die ihre Auswirkungen auch anderswo haben wird, „damit der Name Jesu, unseres Herrn, in euch verherrlicht werden und ihr in ihm“ (2 Thess 1, 12). Sie wissen, daß die katholische Kirche ein besonderes Jubiläumsjahr der Erlösung feiert, der Erlösung, die ein für alle Mal von Jesus Christus in seinem Tod und seiner Auferstehung vollbracht wurde. Sie Ihrerseits sind mit den Schlußvorbereitungen für die Vollversammlung in Vancouver beschäftigt, die unter dem Thema steht „Jesus Christus, Leben der Welt“. Möge unser Erlöser, Jesus Christus, das Leben der Welt, uns alle segnen und uns befähigen, seine würdigen Werkzeuge zu sein, wenn wir trachten, der Einheit seiner Kirche und der wahren Einheit der ganzen Menschheit zu dienen, für die er sein kostbares Blut am Kreuz vergossen hat, „um alles zu versöhnen im Himmel und auf Erden“ (vgl. Kol 1, 20). „Ihm sei Ehre in alle Ewigkeit. Amen“ (Hebr 13, 21). Die Bischöfe versammeln sich gemeinsam „mit Petrus“ Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 30. April Liebe Brüder! 1. Bei der letzten Zusammenkunft des Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode, wo ihr die Grundzüge des „Instrumentum laboris“ entworfen habt, habt ihr die Abhaltung einer eigenen Sitzung vorgeschlagen, die in besonderer Weise der Erwägung der internen Fragen und Probleme dieser eurer kirchlichen Einrichtung gewidmet sein sollte, die freilich noch jung ist, aber bereits praktische Erfahrung und Übung besitzt. Ihr habt damit zusätzlich zu eurer normalen Arbeit noch eine Mühe auf euch genommen. Ich danke euch allen von Herzen, und mit euch danke ich den Beamten des Sekretariats und den Experten, die durch ihre sorgfältige Untersuchung eine breite Basis geschaffen haben, auf die sich eure Entscheidungen hinsichtlich der Aufgabe der Bischofssynode und ihrer Ausführung stützen können. Diese eure Versammlung ist gleichsam wie die vom Arbeiter eingelegte Ruhepause, der, nachdem er einen Teil der Arbeit vollendet hat, kurz innehält, um nochmals die Gründe zu bedenken, von denen er motiviert 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wird, und Mut zu sammeln für die Fortführung der Arbeit. Die Bischofssynode ist aus dem fruchtbaren Boden des Zweiten Vatikanischen Konzils erwachsen; von meinem Vorgänger Paul VI., dem Weisheit und Einfallsreichtum eigen waren, empfing sie neues Licht und begann bereits ihre ersten Früchte zu tragen, als im Jahr 1967 die erste ordentliche Vollversammlung hier in diesem Raum, wo wir uns jetzt befinden, abgehalten wurde. Seitdem hat die Bischofssynode, die zu festen Terminen zusammentrat, manchmal aber auch eine andere Art der Versammlung versuchte, ganz beachtlich zur Verwirklichung der Lehren und richtungweisenden Normen des Zweiten Vatikanischen Konzils im Leben der gesamten Kirche beigetragen. Die grundsätzliche Überlegung, nach welcher die Synode das Konzil versteht und auslegt, ist so etwas wie der Weg und die Methode geworden, es zu interpretieren, zur Anwendung und Wirkung zu bringen und einen Fortschritt zu erreichen. Angesichts dieser reichen Früchte, die bereits erzielt wurden, und der bisher noch nicht voll entfalteten Möglichkeiten der noch jungen Einrichtung der Synode ist es daher angebracht, Gott dafür zu danken, daß er die Anregung zur Gründung der Synode gegeben und ihre Arbeiten bisher geleitet hat. Aber es ist ebenso angezeigt, jetzt, einige Jahre später, die ganze Sache aufgrund der gemachten Erfahrungen eingehend zu erwägen. 2. Die Bischofssynode hat also dem Zweiten Vatikanischen Konzil sehr große Dienste erwiesen, die sie auch weiterhin leisten kann, wenn die richtungweisenden Bestimmungen des Konzils zur Anwendung gebracht und in größerem Umfang durchgeführt werden sollen. Die Erfahrungen dieser nachkonziliaren Zeit zeigen mit aller Klarheit, wie eindrucksvoll die Tätigkeit der Synode die Bewegung des pastoralen Lebens in der gesamten Kirche zum Ausdruck bringt. Bei den Versammlungen der Synode werden doch die einzelnen Teilkirchen aus allen Kontinenten von den von ihnen delegierten Bischöfen vertreten. Ja, bereits während der Vorbereitung der Synode werden diese Kirchen konsultiert, und ihre Erfahrungen im Glaubensleben werden dann von den Bischöfen der Synodalversammlung dargelegt. Bei der Versammlung selbst kommt es gleichfalls zum Austausch von Hinweisen und Nachrichten sowie von Ratschlägen und Vorschlägen, und den Weisungen des Evangeliums und der Lehre der Kirche entsprechend werden allgemeine Richtlinien entworfen, die, sobald sie vom Nachfolger Petri gebilligt worden sind, wiederum zum Wohl und Nutzen der Ortskirchen selbst zur Anwendung gelangen, so daß die ganze Kirche bei der großen 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zahl und Vielfalt von Kulturen und Lebensbedingungen ihre Einheit bewahren kann. Auf diese Weise ist auch die Bischofssynode eine großartige Bestätigung für das Wesen und die Wirklichkeit der Kirche, in welcher das Bischofskollegium, „insofern es aus vielen zusammengesetzt ist, die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi darstellt“ (Lumen gentium, Nr. 22). Die Synode ist zweifellos ein Instrument der Kollegialität und ein starkes Element der Gemeinschaft, wenn auch in anderer Weise als ein ökumenisches Konzil. Es handelt sich jedoch immer um ein wirksames und flexibles Instrument, das im Dienst aller Ortskirchen und ihrer gegenseitigen Verbundenheit steht. Ein „ständiger Rat geweihter Bischöfe“ Diese Zielsetzung und dieser Vorsatz, der für die Synode als „ständigem besonderem Rat der geweihten Bischöfe“ immer von Bedeutung ist, galt bereits seit ihrer Einrichtung, „damit — wie auch Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Apostolica sollicitudo sagte - auch nach dem Konzil dem christlichen Volk weiterhin jene reiche Fülle von Wohltaten zufließen kann, die während des Konzils aus unserer engen Verbundenheit mit den Bischöfen erfolgreich gewonnen wurden“. Ob aber die Synode diese Wohltaten in immer reicherem Maße vollbringen kann, hängt davon ab, inwieweit die Beschlüsse der Synode bei jeder einzelnen Ortskirche unter der Führung der Bischöfe und der Bischofskonferenzen konkret zur Anwendung gelangen. Diese Arbeit im Anschluß an die Synode erfordert daher größte Aufmerksamkeit und besondere Sorgfalt. 3. Sodann geht die dynamische Kraft der Bischofssynode - wie ihr vortrefflich ausgeführt habt - auf das richtige Verständnis und die gelebte Kollegialität der Bischöfe zurück, die gleichsam ihr Fundament bildet. Denn die Synode ist ja ein besonders fruchtbares Zeichen und ein äußerst wichtiges Instrument der bischöflichen Kollegialität, das heißt des einzigartigen Amtes bzw. der Verantwortung der Bischöfe mit dem Bischof von Rom. Die Synode ist eine Form des Bekenntnisses der bischöflichen Kollegialität. Denn alle Bischöfe der Kirche, mit ihrem Haupt, dem römischen Bischof — dem Nachfolger Petri, der „das immerwährende und sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit des Episkopats ist“ (Lumen gentium, Nr. 23) -, bilden das Kollegium, welches die Nachfolge jenes 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostelkollegiums antrat, dem Petrus Vorstand. Die enge Verbundenheit der Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom und ihre Sorge um die gesamte Kirche werden am deutlichsten offenbar, wenn sich alle Bischöfe „mit Petrus und unter dem Vorsitz Petri“ zu einem ökumenischen Konzil versammeln. Sicherlich besteht - das liegt klar auf der Hand — zwischen Konzil und Synode ein notwendiger und wesentlicher Unterschied; trotzdem bringt die Synode die Kollegialität in sehr bedeutsamer Weise zum Ausdruck, wenn auch mit Mitteln und auf Wegen, die sich von denen des ökumenischen Konzils unterscheiden. Am stärksten äußert sich diese Kollegialität in der kollegialen Art und Weise, wie die Bischöfe der Ortskirchen ihre Meinungen Vorbringen. Wenn sie — besonders nach einer entsprechenden gemeinschaftlichen Vorbereitung in ihren Kirchen und einer kollegialen Vorbereitung in ihren Bischofskonferenzen (wobei sie sich ihrer Pflichten gegenüber ihren Gemeinden bewußt sind und zugleich die Sorge für die Gesamtkirche im Auge haben) - gemeinsam Zeugnis ablegen für den Glauben und das Glaubensleben; dann kommt ihrem Urteil - wenn es gewissenhaft und einstimmig abgegeben wird - eine besondere ekklesiale Bedeutung zu, die über den bloß formalen Aspekt einer beratenden Stimme hinausgeht. Die Lebenskraft der Synode hängt tatsächlich von der großen Sorgfalt ab, mit der sie im Rahmen der kirchlichen Gemeinden und der Bischofskonferenzen vorbereitet wurde; je besser sich die Kollegialität unter den Bischöfen ganz konkret erweist - wodurch die Gemeinschaft der einzelnen Kirchen untereinander zum Ausdruck kommt -, desto größer kann der Nutzen sein, den sie für die Synodenversammlung mit sich bringt. Die Ausübung der Kollegialität der Bischöfe bei der Synode wird zu einem gegenseitigen Austausch, der auch der Gemeinschaft sowohl der Bischöfe wie der Gläubigen nützt und schließlich zu immer tieferer und organischerer Einheit der Kirche beiträgt. Die Synode dient also der kirchlichen Gemeinschaft, die nichts anderes ist als die Einheit der Kirche selbst in ihrer dynamischen Dimension. Im Geheimnis der Kirche haben sämtliche Elemente ihren Platz und ihre Funktion. So ordnet das Amt des Bischofs von Rom diesen tief in das Kollegium der Bischöfe als Herz und Mittelpunkt der bischöflichen Gemeinschaft ein, sein Primat aber, der zugleich Dienst zum Wohl der ganzen Kirche ist, verpflichtet ihn durch die Bande der Gemeinschaft und der noch intensiveren Zusammenarbeit. Die Synode selbst läßt die enge Verbundenheit von Kollegialität und Primat sichtbar werden, denn das Wirken des Nachfolgers Petri dient zugleich der Kollegialität der 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bischöfe, und umgekehrt stellt diese wirksame und eindrucksvolle Kollegialität der Bischöfe eine wichtige Hilfe für das vorrangige Petrusamt dar. 4. Wie jede menschliche Einrichtung ist auch die Bischofssynode noch im Wachstum begriffen und wird in noch größerem Maß ihre Möglichkeiten weiter entfalten können, wie es mein Vorgänger in dem Schreiben Apostolica sollicitudo im übrigen vorausgesehen hat: Denn manche Formen der Synode sind — obwohl bereits früher festgelegt und gebilligt — noch nicht entsprechend und hinreichend verwirklicht worden. Ja, ihr selbst habt eine Reihe verschiedener Möglichkeiten des Vorgehens und der Methode sowie verschiedene Vorschläge geprüft, die im Leben dieser Einrichtung bisher aufgetaucht sind. Was mich betrifft, so könnt ihr meiner größten Wertschätzung für das Wirken der Bischofssynode in der Kirche und des vollen Vertrauens gewiß sein, das ich bezüglich ihres eifrigen Einsatzes zum Wohl der gesamten Kirche in sie lege. In diesem Sinne spreche ich meine Anerkennung und meinen Dank für eure Arbeit und Mühe aus, auf die ich den Segen des allmächtigen Gottes und den Schutz Mariens, der Mutter der Kirche, herabrufe. „Eure Arbeit ist noch lange nicht zu Ende“ Ansprache an das Generalkapitel der Gesellschaft für die Afrikamission am 5. Mai Lieber Pater General! Liebe Brüder im Priester amt! Die Gesellschaft für die Afrikamission - einst in Lyon entstanden - hat eine lange und reiche Geschichte: über 120 Jahre. Wenn euer Gründer, Pater Marion de Bresillac, an meiner Stelle zu euch spräche, würde er, so meine ich, zuerst einmal Pater Joseph Hardy dafür danken, daß er die Last des Generalats zehn Jahre lang so bereitwillig getragen hat, und seinen Nachfolger, Pater Patrick Harrington, einen Sohn Irlands, herzlich ermutigen, das 1856 begonnene Missionswerk fortzusetzen. Ich glaube, er würde durch euch alle als Delegierte dieser Generalversammlung den von euch vertretenen 1350 Mitgliedern einen Hauch von Pfingsten mitteilen. Ich habe mit großem Interesse gelesen, daß Msgr. Marion de Bresillac sich zum Ziel gesetzt hatte, in der von der Vorsehung bestimmten Zeit in 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Afrika Kirchengemeinden entstehen zu lassen, die imstande sein würden, ihre Zukunft unter der Leitung einheimischer Hirten selbst in die Hand zu nehmen; Gemeinden, die im Kontakt mit dem Evangelium Christi, des einzigen Erlösers, ihre eigenen Kulturen zur Entfaltung bringen sollten; Gemeinden, die von den Gründerkirchen und -nationen als achtungs- und bewunderungswürdig anerkannt werden sollten, fähig zur Kreativität und Mitteilung ihrer eigenen Schätze. Im ganzen ist der Traum eures Gründers Wirklichkeit geworden. Ich kann mir freilich unschwer denken, daß diese Feststellung für euch auch ein Problem aufwirft, für euch, die ihr weder Ordensmänner noch Weltpriester seid, sondern einzig und allein Missionare, die in einer Gesellschaft apostolischen Lebens leben. Eure Frage scheint mir folgende zu sein: Habt ihr in diesen Ortskirchen, die mit ihren Führungskräften, ihrem Personal, ihrem berechtigten Bemühen um theologischen und liturgischen Ausdruck, ihren Pastoralversuchen und ihrer Gründung einheimischer Ordensinstitute zunehmend afrikanisch werden, noch euren Platz? Im Verlauf eurer Versammlung habt ihr euch in einer Atmosphäre der Brüderlichkeit und Loyalität, des Gebets und der Hoffnung diese Frage gründlich gestellt. Ich meinerseits will euch im Namen des Herrn und der Kirche - wobei ich mir der Veränderungen, die im Gang sind und sich nahezu überall sogar noch komplizieren, voll bewußt bin — eine wichtige Ermutigung geben: Findet miteinander so gründlich wie möglich zur Inspiration eures Gründervaters zurück! Wendet euch alle gemeinsam voll Wirklichkeitssinn und Optimismus, voll Glauben und Frieden der Zukunft zu! Erneuert also auf die eine oder andere Weise in allen euren Provinzen eure Weihe zum Missionar, die wesentlich darin besteht, Zeugen des Evangeliums Jesu Christi, des einzigen wahren Befreiers und Einigers der Menschen, zu sein, und das vorwiegend in Afrika. Der afrikanische Kontinent spielt gegenwärtig eine äußerst wichtige Rolle für die Zukunft der Welt und der Kirche. Erfüllt euer missionarisches Zeugnis weiterhin mit immer größerer Achtung vor dem, was die Afrikaner sind, ohne deswegen je eure eigene Identität aufzugeben. In einem dauernden Dialog mit den Männern, Frauen und Jugendlichen der verschiedenen afrikanischen Länder müßt ihr als Missionare arbeiten. Ich möchte präzisieren, daß es darauf ankommt, alles zu tun, damit ihr eindeutig anerkannt und brüderlich angenommen werdet als Männer, die sich der Verkündigung des Evangeliums unter denjenigen widmen, die noch nie etwas davon gehört haben — das sind Legionen! -, und vor allem unter den Ärmsten. 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das ist wohl der Weg, der euch sowohl in den Diözesen, die euch aufnehmen, wie in euren Heimatdiözesen zu Zeugen der Katholizität der Kirche macht und machen wird. In den einen wie in den anderen werdet ihr Fortschritte bewirken im Hinblick auf die Öffnung für die Mission, auf die Weckung neuer Missionsberufe, auf die Herstellung konkreter Verbindungen zwischen den älteren und den jüngeren Kirchen. Ihr werdet dazu beitragen, daß die reichen Völker die Stimme dieser Dritten Welt vernehmen, die man allzulange links liegengelassen und zugleich erbärmlich ausgebeutet hat. Liebe Patres und Brüder der Afrikamission, eure Missionswerk ist noch lange nicht zu Ende! Msgr. de Bresillac wie eure glühendsten Vorgänger bitten euch inständig, ganz neue Diener des Evangeliums zu sein, sichtbare Zeichen der Gemeinschaft und Teilhabe unter den Kirchen, Apostel, die ständig und voll demütiger Bescheidenheit auf die kulturellen Werte der Völker, auf den Reichtum anderer Kirchen, anderer Religionen bedacht sind, während ihr eurer Identität ehrlich ergeben und klar verantwortlich bleibt für das vollkommene Zeugnis, das für das Evangelium des Herrn Jesus abgelegt wird. Laßt mich euch zum Abschluß noch eine Überzeugung aussprechen. Ihr seid und ihr werdet gute Arbeiter der Mission, ihrer Zukunft sein, wenn ihr zutiefst und konkret die täglichen Erfordernisse der persönlichen und gemeinschaftlichen Umkehr annehmt. Muß euer Lebensstil nicht immer wieder evangelisiert werden? Muß nicht eure missionarische Ausbildung immer wieder überprüft und vervollkommnet werden? Erwartet nicht Christus selbst eine vollständige Öffnung der Tore unseres Herzens? Söhne von Msgr. de Bresillac, geht euren Weg entschlossen weiter! Afrika braucht euch dringend, „damit es zunimmt und wächst, weil ihr euch ganz klein macht“, um in etwa die Worte Johannes’ des Täufers zu wiederholen. Ich sage euch gern das Vertrauen der Kirche, ihre Unterstützung zu. Ihr werdet ja auch euren Dialog mit der Kongregation für die Evangelisierung der Völker fortsetzen. Wie im Fall aller römischen Dikasterien ist es auch die Aufgabe dieser Kongregation, euch zu dienen. Ich glaube, eine Überarbeitung eurer Konstitutionen wird gerade in Angriff genommen. Hoffentlich kommt ihr ohne allzulange Verzögerung zu einem möglichst guten Ergebnis! Voll Inbrunst erbitte ich für euren neuen Generalobern und seinen Rat, für die Delegierten des Generalkapitels und für alle Mitglieder der Afrikamission die reichen Gnaden evangelischen Friedens und evangelischer Freude, kluger und ausdauernder apostolischer Anpassung und glühender Liebe zu Jesus Christus und seiner Kirche. 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die oberste „Dienstanweisung“ Christi Predigt beim Gottesdienst für die Päpstliche Schweizergarde in der Sala Regia am 6. Mai Liebe Brüder und Schwestern im Herrn! Die Worte des heutigen Evangeliums (Joh 15, 12-17) sind für uns nicht ferne Vergangenheit, sondern sprechen uns in ihrer lebendigen Kraft ganz unmittelbar hier und jetzt an: uns, den Papst inmitten seiner Schweizergarde, darunter vor allem die Neueingetretenen, umgeben von den Angehörigen, Seelsorgern und Freunden. Auch ich nenne euch nicht Knechte, sondern Freunde: Denn wir alle leben aus demselben Glauben, den Gott uns in Christus geschenkt hat; wir alle versuchen, die Liebe zu leben, die der Herr uns vorgelebt hat, eine Liebe, die sogar bereit ist, das Leben für die Freunde zu geben. „Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“ Das ist die oberste „Dienstanweisung“ Christi für mich, den Papst, wie für euch, die Gardisten. Ich freue mich, heute einen so zahlreichen neuen Jahrgang der Garde begrüßen zu können. Euch gilt meine Anerkennung und mein aufrichtiger Dank, daß ihr euch für diesen außerordentlichen Dienst entschieden habt. Den Eltern und Geschwistern aus der Schweiz möchte ich wünschen, daß die Dienstjahre ihres Sohnes und Bruders hier im Vatikan in der ganzen Familie das frohe Bewußtsein vertiefen, zur weltweiten katholischen Kirche in ihrer kraftvollen Einheit und eindrucksvollen Vielfalt zu gehören. Vom Beginn der Kirche an durch die Jahrhunderte hin bis in unsere Tage geschieht es immer wieder, daß Christen ihr Heimatland verlassen und sich mit ihren Begabungen und Kräften ihren Mitmenschen und Glaubensbrüdern in der weiten Welt zur Verfügung stellen, um ihnen als Missionare oder Entwicklungshelfer beim Aufbau der christlichen Gemeinschaft zu helfen. Ihr Gardisten seid bereit, dem obersten Hirten der Kirche, dem Bischof von Rom, zu helfen, in geordneter und sinnvoller Weise die großen Besucherscharen zu empfangen, die hierherkommen, und zugleich seinen apostolischen Dienst im Vatikan zu schützen. Ich vertraue euch, daß ihr diese Bereitschaft unter der bewährten Leitung eurer Vorgesetzten mit Klugheit und Maß, mit Kraft und Entschlossenheit in die Tat umsetzt. Zugleich wünsche ich euch, daß euer Dienst euch noch genügend freie Zeit läßt, um auch Rom und seine Umgebung kennenzulernen, Sport und Musik zu betreiben und dabei zu einer Gemeinschaft zu werden, in der ihr euch wohl fühlt. 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nun laßt uns in Gebet und Opfer den Segen Gottes erbitten für diesen Festtag eurer Vereidigung, für jeden guten Vorsatz, für all eure hochgemute Entschiedenheit. Der Herr führe alles zu einem guten Gelingen! Der Papst sagte abschließend in Französisch: Aus ganzem Herzen grüße ich die neuen Schweizer Gardisten, die aus den französischsprechenden Kantonen ihres Landes stammen, ihre Angehörigen und Freunde. In dieser Eucharistiefeier bitten wir gemeinsam Gott, diesen jungen Menschen beizustehen und sie zu segnen, damit sie auf das beste den Dienst erfüllen, den zu leisten sie sich hochherzig anschicken. „Ganzhingabe an Gott und die Seelen“ Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute am 6. Mai Ehrwürdige Brüder und liebe Söhne! 1. Ich danke euch für eure Anwesenheit und bringe euch meine Freude über diese Begegnung und meine Dankbarkeit für die Arbeit zum Ausdruck, die ihr für die Beseelung und Förderung des Ordenslebens leistet. Die evangelischen Räte sind in der Tat „eine göttliche Gabe, welche die Kirche von ihrem Herrn empfangen hat und in seiner Gnade immer bewahrt“ (Lumen gentium, Nr. 43), und darum ist alles, was im Dikaste-rium für ihr Gelöbnis unternommen wird, äußerst wirksam und wertvoll. Auf diese Linie der Beseelung und Förderung stellte sich auch die Vollversammlung, die ihr heute abschließt und bei der eure besonderen Überlegungen der Indentität und Sendung jener Institute gegolten haben, die wegen ihres besonderen Sendungsauftrages „in saeculo et ex saeculo“ (can. 713, Par. 2) des neuen Kodex „Säkularinstitute“ genannt werden. Es ist das erste Mal, daß eine eurer Vollversammlungen direkt diese Institute behandelt: es war also eine sehr passende Themenwahl, die von der Promulgierung des neuen Kodex begünstigt wurde. In ihm finden die Säkularinstitute — die 1947 mit der Apostolischen Konstitution Provida mater meines Vorgängers Pius XII. die kirchliche Anerkennung erhalten haben — jetzt ihre richtige Einordnung auf Grund der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Denn diese Institute wollen ja getreuer Ausdruck der Ekklesiologie sein, die das Konzil bestätigt, wenn es die allgemeine 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufung zur Heiligkeit (vgl. Lumen gentium, Kap. V), die allen Getauften eigenen Aufgaben (vgl. ebd. Kap. IV; Apostolicam actuositatem), die Anwesenheit der Kirche in der Welt, in der sie als Sauerteig wirken und „allumfassendes Heilssakrament“ sein soll (Lumen gentium, Nr. 48; vgl. Gaudium et spes), die die Vielfalt und Würde der verschiedenen Berufungen und die Tatsache hervorhebt, daß die „vollkommene Enthaltsamkeit um des Himmelsreiches willen“ und die Bezeugung der Armut und des Gehorsams im Sinn des Evangeliums von der Kirche „immer besonders in Ehren gehalten wurde“ (Lumen gentium, Nr. 42). 2. Ganz mit Recht galten eure Überlegungen vor allem den theologischen und juridischen konstitutiven Elementen der Säkularinstitute, und zwar unter Berücksichtigung der Formulierung der ihnen gewidmeten Kanones im kürzüch erlassenen Kodex und ihrer Überprüfung im Lichte der Lehre, die Papst Paul VI. und ich selbst mit der Ansprache vom 28. August 1980 in den ihnen gewährten Audienzen bestätigt haben. Wir müssen dem Vater des grenzenlosen Erbarmens, der sich die Not der Menschheit zu Herzen genommen hat und durch die belebende Kraft des Geistes in diesem Jahrhundert neue Initiativen zu ihrer Erlösung eingeleitet hat, unsere tiefe Dankbarkeit zum Ausdruck bringen. Der dreieinige Gott sei gepriesen und gelobt für diesen Einbruch der Gnade, wie ihn die Säkularinstitute darstellen, durch welche er das unerschöpfliche Wohlwollen kundtut, mit dem die Kirche selbst im Namen ihres Herrn und Gottes die Welt liebt. Totale Verfügbarkeit für den Willen des Vaters Die Neuheit des Geschenkes, das der Geist in Erwiderung auf die Bedürfnisse unserer Zeit der ewigen Fruchtbarkeit der Kirche dargebracht hat, erfaßt man nur, wenn man seine wesentlichen Elemente in ihrer Untrennbarkeit richtig begreift: die Weihe und die Säkularität, das konsequente Apostolat des Zeugnisses, des christlichen Engagements im sozialen Leben und der Glaubensverkündigung; die Brüderlichkeit, die echte Gemeinschaft ist, auch wenn sie nicht von einer Lebensgemeinschaft bestimmt wird; dieselbe äußere Lebensform, die sich nicht von der Umwelt, in der sie gelebt wird, unterscheidet. 3. Nun ist es eine Pflicht, diese so aktuelle, ja, ich würde sagen, so dringende Berufung von Personen kennenzulernen und bekanntzumachen, die sich Gott hingeben, indem sie die evangelischen Räte in die Tat 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN umsetzen, und sich bemühen, in diese besondere Hingabe ihr ganzes Leben und ihr gesamtes Wirken einzubringen, indem sie in sich eine totale Verfügbarkeit für den Willen des Vaters ausbilden und für die Veränderung der Welt von innen her arbeiten (vgl. Ansprache vom 28. August 1980). Die Promulgierung des neuen Kodex wird sicher dieses bessere Kennenlernen ermöglichen, sie soll aber auch die Bischöfe dazu anspornen, unter den Gläubigen ein nicht bloß annäherendes oder wohlwollendes, sondern ein exaktes und respektvolles Verständnis der kennzeichnenden Wesensmerkmale zu fördern. Auf diese Weise wird man hochherzige Antworten auf diese schwierige, aber schöne Berufung der Ganzhingabe an Gott und die Seelen wecken: eine anspruchsvolle Berufung, weil ihr dadurch entsprochen wird, daß die aus der Taufe erwachsenen Verpflichtungen zur vollkommenen Konsequenz evangelischer Radikalität geführt werden, und auch deshalb, weil dieses evangelische Leben in den unterschiedlichsten äußeren Situationen verwirklicht werden muß. Die Vielfalt der den Säkularinstituten anvertrauten Gaben ist in der Tat Ausdruck der verschiedenen apostolischen Zielsetzungen, die sämtliche Bereiche des menschlichen und christlichen Lebens umfassen. Diese pluralistische Fülle äußert sich auch in den zahlreichen Spiritualitätsformen, die die Säkularinstitute beseelen, mit der Verschiedenheit sakraler Bindungen, die die verschiedenen Möglichkeiten bei der Verwirklichung der evangelischen Räte und bei den großartigen Gelegenheiten der Eingliederung in alle Bereiche des sozialen Lebens charakterisieren. Mit Recht sagte mein Vorgänger Papst Paul VI., der so große Zuneigung für die Säkularinstitute zeigte, daß sie, „wenn sie ihrer Berufung treu bleiben, gleichsam zu ,Versuchslaboratorien1 werden, in denen die Kirche die konkreten Möglichkeiten ihrer Beziehungen zur Welt einer Probe unterzieht“ (Paul VI., Ansprache an die Teilnehmer der Weltkonferenz der Säkularinstitute, 25. 8. 1976, in: Wort und Weisung, 1976, S. 307). Gewährt also diesen Instituten eure Unterstützung, damit sie ihren ursprünglichen, bei ihrer Gründung von der Hierarchie anerkannten Charismen treu bleiben, und achtet darauf, in ihren Früchten die Lehre zu entdecken, die Gott uns für das Leben und Wirken der ganzen Kirche geben will. 4. Eine Entfaltung und Stärkung der Säkularinstitute wird auch Vorteile für die Ortskirchen nach sich ziehen. Dieser Aspekt wurde bei eurer Vollversammlung auch deshalb im Auge 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN behalten, weil verschiedene Episkopate in ihren Anregungen zu dieser Tagung darauf hingewiesen haben, daß die Beziehung zwischen Säkularinstituten und Ortskirchen der Vertiefung wert waren. Bei aller Respektierung ihrer Wesensmerkmale müssen die Säkularinstitute die pastoralen Dringlichkeiten der Ortskirchen begreifen und annehmen und ihre Mitglieder darin bestärken, mit aufmerksamer Anteilnahme die Hoffnungen und Mühen, Pläne und Sorgen, den geistlichen Reichtum und die Grenzen, mit einem Wort, die Gemeinschaft ihrer konkreten Kirche, zu leben. Das muß ein Punkt umfassender Überlegung für die Säkularinstitute sein, so wie es eine Sorge der Bischöfe sein muß, den Beitrag dieser Institute der ihnen eigenen Natur entsprechend anzuerkennen und zu fordern. Im besonderen obliegt den Bischöfen noch eine weitere Verantwortung: nämlich den Säkularinstituten den ganzen Lehrreichtum, den sie brauchen, anzubieten. Sie wollen zur Welt gehören und die irdische Wirklichkeit dadurch veredeln, daß sie sie ordnen und erheben, damit alles auf Christus wie auf ein Haupt zustrebt (vgl. Eph 1, 10). Darum soll diesen Instituten der ganze Reichtum katholischer Lehre über die Schöpfung, die Menschwerdung und die Erlösung geboten werden, damit sie sich die weisen und geheimnisvollen Pläne Gottes im Hinblick auf den Menschen, die Geschichte und die Welt zu eigen machen können. 5. Liebe Brüder und Söhne! Mit einem Gefühl wirklicher Hochachtung und auch herzlicher Ermutigung für die Säkularinstitute habe ich heute die mir bei dieser Begegnung gebotene Gelegenheit wahrgenommen, um einige der von euch während der letzten Tage behandelten Aspekte zu unterstreichen. Die Berufung bewußt leben Ich wünsche euch, daß eure Vollversammlung voll und ganz das Ziel erreicht, der Kirche eine bessere Information über die Säkularinstitute zu bieten und diesen dabei behilflich zu sein, ihre Berufung bewußt und getreu zu leben. Dieses Jubiläumsjahr der Erlösung, das alle zu „einer Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes“ (Aperiteportas redemptori, Nr. 8), zu einer Neubegegnung mit der barmherzigen Güte Gottes aufruft, soll insbesondere an die geweihten Personen auch eine erneuerte, dringende Aufforderung sein, dem Meister, der sie auf die Wege des Evangeliums 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ruft, „in größerer Freiheit“ und „ausdrücklicher“ (Perfectae caritatis, Nr. 1) zu folgen. Die Jungfrau Maria möge für sie ständiges und hohes Vorbild sein und sie immer mit ihrem mütterlichen Schutz führen. Mit diesen Gedanken erteile ich euch, die ihr hier anwesend seid, und den Mitgliedern der Säkularinstitute der ganzen Welt von Herzen den Apostolischen Segen. Mit Mut und Weitblick Weiterarbeiten Ansprache an die Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 7. Mai Liebe Freunde im Herrn! 1. Zum Abschluß der Jahresvollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke habt ihr, wie schon in den früheren Jahren, diese Audienz gewünscht, und es ist mir eine große Freude, euch herzlich zu begrüßen und euch meinen Dank für eure Ehrfurchtsbezeigung und vor allem für die unermüdliche, intensive Tätigkeit auszusprechen, die ihr im Dienst der missionarischen Kirche vollbringt. Ich begrüße vor allem Herrn Kardinal Angelo Rossi, Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker; Msgr. Simon Lourdusamy, Sekretär der Kongregation und Präsident der Päpstlichen Missionswerke, die Generalsekretäre, die Berater, die nationalen Leiter aus allen Ländern und das Personal der Generalsekretariate. Bei dieser Gelegenheit gilt mein herzlicher Gruß, der Ausdruck tiefer Dankbarkeit, auch allen euren Mitarbeitern in den Diözesen und Pfarreien, den Missionaren der verschiedenen Ordensgemeinschaften und den Weltpriestern, die, dem „Fidei Donum“, der „Gabe des Glaubens“, gehorchend, ihre Länder verließen und unter Freuden und Nöten, Tröstungen und Entbehrungen mit Liebe und Beharrlichkeit die Aufgabe der Evangelisierung erfüllen. Die Belebung des Missionsgedankens Mit tiefer Freude wiederhole ich euch die Worte des hl. Paulus an die Römer: „Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heiligen Geistes“ (Röm 15, 13). 2. Während eurer Vollversammlung habt ihr eine Vielfalt von Berichten gehört und auch wenn ihr die ungeheure Arbeit, die geleistet wurde, nur in knapper Zusammenfassung sehen konntet, habt ihr bemerkt, wie unerläßlich es ist, stets mit Mut und Weitblick in den verschiedenen Abteilungen der Päpstlichen Missionswerke weiterzuarbeiten für die Belebung des Missionsgedankens unter Priestern und Ordensleuten, in den Seminaren und unter den Laien, für eine echte Sensibilisierung und apostolische Gesinnung und für die konkrete Unterstützung bedürftiger und notleidender Gemeinden. Das missionarische Bewußtsein zu wecken, zu entwickeln und lebendig zu halten, ist eine notwendige und großartige Aufgabe, für die es sich in der Tat lohnt, selbst sein Leben hinzugeben! Ich freue mich zu erfahren, daß sich in diesem Jahr bei der Pastoraltagung euer Bemühen um Beseelung im besonderen an die Welt der Kinder richten wird, weil das Thema lautet: „Das Päpstliche Werk der heiligen Kindheit.“ Themenwahl und Programm haben providentiellen Charakter, weil auch durch dieses Werk jene Zielsetzung verwirklicht wird, die das Konzil den Päpstlichen Missionswerken zugedacht hat, nämlich daß ihnen, wie es im Dekret Ad gentes heißt, „der erste Platz gebührt, da sie Mittel darstellen, die Katholiken von Kindheit an mit einer wahrhaft universalen und missionarischen Gesinnung zu erfüllen“ (Nr. 38). Ich weiß, daß das Internationale Sekretariat des „Päpstlichen Werkes der heiligen Kindheit“ demnächst von Paris nach Rom verlegt werden wird: Das wird dazu beitragen, ihm noch stärkeren Schwung und Enthusiasmus zu verleihen. Dem Herrn sei Dank, daß er trotz der zahllosen zeitlichen Schwierigkeiten der Kirche immer wieder die Freude seiner Gnaden und seines Trostes für das Ausharren im missionarischen Ideal und Einsatz gewährt. 3. In dieser Stunde erinnere ich euch an die Worte Christi: „Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich . . . Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen . . . Glaubt mir doch, daß ich im Vater bin und daß der Vater in mir ist; wenn nicht, glaubt wenigstens aufgrund der Werke“ (Joh 13, 1.6.9.11). Jesus machte mit höchster Autorität geltend, daß er selbst göttliche Person und der „Weg“ zum Vater sei, der durch das menschgewordene Wort, Jesus Christus, erkannt und geliebt werden und Gehorsam erfahren 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN will. Er sagte: „Das ist das ewige Leben: dich, den einzigen wahren Gott, zu erkennen und Jesus Christus, den du gesandt hast“ (Joh 17, 3). Angefangen von den Aposteln und dem hl. Paulus, hat die Kirche ihre radikale und absolut verpflichtende Aufgabe der Glaubensverkündigung, um zu Christus, das heißt also zu der einen Wahrheit und dem einen Heil in dem ordentlichen Heilsplan Gottes, zu bekehren, niemals in Zweifel gezogen. Von dem ausdrücklichen Auftrag Christi: „Geht, verkündet, lehrt, tauft“ (vgl. Mt 28, 19-20; Mk 16, 15 ff.), hat die Kirche die Verpflichtung abgeleitet, den Glauben und das Heil des Erlösers auszubreiten, indem sie seine göttliche Sendung durch die Geschichte hindurch fortsetzt und entfaltet (vgl. Ad gentes, Nr. 5). Christus ist also der Weg zum Vater! So war es für die jüdischen Zeitgenossen der Apostel und für die heidnischen Völker, die der hl. Paulus aufsuchte; so war es für den hl. Augustinus und den hl. Ambrosius, für den hl. Benedikt und die hll. Cyrillus und Methodius; so war es für jedes Jahrhundert, für jede Epoche, bei aller Veränderung in der Entfaltung der Geschichte und bei der Reifung der Menschheit; und so ist es auch heute. Wie das Zweite Vatikanische Konzil es ausgedrückt hat: „Die Kirche glaubt, daß in ihrem Herrn und Meister der Schlüssel, der Mittelpunkt und das Ziel der ganzen Menschheitsgeschichte gegeben ist“ (Gaudium et spes, Nr. 10). Natürlich darf die Evangelisierung, wie Paul VI. in Evangelii nuntiandi feststellte, nicht die heute so stark erörterten Probleme vernachlässigen, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung, den Frieden, die Achtung des menschlichen Gewissens und der Person betreffen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 29 und 31, in: Wort und Weisung, 1975, S. 558-559). Die Evangelisierung kann und darf sich jedoch nicht von dem sie eigentlich bestimmenden religiösen Mittelpunkt entfernen: „das Reich Gottes vor allen anderen Dingen in seinem vollen theologischen Sinn“ (ebd., Nr. 32). Euer Herz lasse sich also nicht verwirren! Habt Vertrauen! Haltet den leidenschaftlichen missionarischen Geist lebendig, damit alle Menschen, soweit es den menschlichen Mitteln möglich ist, Christus, der für unser Heil am Kreuz gestorben und auferstanden ist, kennenlernen. Denn notwendig, wesentlich und vorrangig bleibt die klare und bestimmte Verkündigung des von Christus jedem Menschen angebotenen Heils, und man kann nicht objektiv von der Kirche als sichtbarem Zeichen der Begegnung des Menschen mit Gott absehen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 27-28, in: a.a.O., S. 556-557). Die Formung des „Missionsbewußtseins“ ist daher heute von grundlegen- 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Bedeutung, weil zum Kennenlernen und Sich-Aneignen des gesamten Lehrgutes ein überzeugter, in absoluter Übereinstimmung gelebter Glaube und eine tiefe geistliche und religiöse Sensibilität notwendig sind, die zum konstruktiven Dialog befähigen in der respektvollen, aber mutigen Absicht, die Menschen auf dem Weg, der Christus ist, zum Vater zu führen. 4. Im Marienmonat lade ich euch zum ständigen und glühenden Gebet an die Königin der Missionen ein. Erflehen wir von ihr die Gnade, daß jeder Christ immer mutig in bewußt missionarischem Geist leben möge! Mit diesen Wünschen erteile ich euch von Herzen als Unterpfand den Apostlischen Segen, in den ich gern die Mitarbeiter, die Wohltäter und alle eure Lieben einschließe. „Ihr hütet ein wertvolles Erbe“ Ansprache an die Teilnehmer der Pilgerfahrt des Schweizer Trachtenvereins am 7. Mai Meine Damen und Herren! Seid willkommen in diesem päpstlichen Haus, das euren Landsleuten vertraut ist; denn Schweizer stellen die Bewachung dieses Hauses sicher -mit der Sorge, der Wachsamkeit, Korrektheit, Würde und Höflichkeit, die zu ihren angeborenen Eigenschaften gehören. Gestern konntet ihr ihrer Vereidigung beiwohnen, und heute stattet ihr mir einen Besuch ab, wofür ich euch danke. Ihr kommt aus mehreren Schweizer Kantonen und erinnert mich an dieses schöne Land, dem ich einen Pastoralbesuch zu machen geplant hatte, der dann verschoben werden mußte, den ich aber, wie ich fest hoffe, schon bald durchführen kann. Die prächtigen Trachten, die ihr tragt, die schönen alpenländischen Lieder mit den musikalischen und sportlichen Ausdrucksformen, die sie begleiten, bringen die Schönheit und Vielfalt eurer Traditionen, der berechtigten Anhänglichkeit an eure Region und euer Land, an seine geschichtsträchtige, von Patriotismus und christlichem Glauben erfüllte Vergangenheit zum Ausdruck. Das alles stellt ein menschliches Erbe dar, auf das ihr stolz sein könnt, und ich lade euch ein, 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN darin ein Geschenk Gottes zu sehen, der euch gestattet hat zu sein, was ihr seid, und das Beste von euch in euch und euren Familien zu verankern. Der Papst hatte seine Ansprache in Französisch begonnen und fuhr dann auf deutsch fort: Voller Freundschaft nehmen in eurem Nationalverband die einzelnen Gruppen in ihren verschiedenen Ausdrucksformen einander an und formen so Gemeinschaft, wie Gott es sich vom Menschen wünscht: Gemeinschaft, in welcher die Unterschiede nicht getilgt, sondern bejaht werden und zur Schönheit, zum Reichtum und zur Lebendigkeit des Ganzen beitragen. So ist es auch in der Kirche: All die verschiedenen Glieder sind berufen, einen Leib zu bilden. Und das ist mein Wunsch für euch: Strahlt Freude aus, verbreitet um euch den Sinn für das Schöne und die Gesinnung der Freundschaft! Helft den einzelnen, den Familien, den Gemeinden und den verschiedenen Institutionen eures Landes, die Mitte ihrer Kultur neu zu entdecken und zu entfalten: Achtung des Menschen, Liebe zum Vaterland, Glaube an Gott, Verbindung mit Christus, Fühlen mit der Kirche, ehrliche und für alle offene Güte! Von ganzem Herzen erbitte ich euch und allen, die euch nahestehen, den Segen unseres Herrn. Der Fall Galilei: „ Wir geben zu, daß er seitens der Kirche zu leiden hatte“ Ansprache an eine Gruppe internationaler Wissenschaftler am 9. Mai 1. Wenn ich mich heute an Sie wende, die Sie ehrenvoll die weiten Gebiete der modernen Wissenschaft vertreten, so möchte ich Ihnen zuerst herzlich für Ihren Besuch danken und Ihnen versichern, daß Ihrer Anwesenheit an diesem Tag in meinen Augen ein hoher Symbolwert zukommt: Sie bezeugen doch, daß sich zwischen Kirche und Wissenschaft ein fruchtbarer Dialog vertieft. Und ich empfange Sie nicht allein. Meine Mitbrüder, die in Rom anwesenden Kardinale der Römischen Kirche, und andere Persönlichkeiten des Hl. Stuhls, die ich mit Freude begrüße und denen ich ebenfalls für ihr 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kommen danke, legen Zeugnis für die Bedeutung ab, die die Kirche diesem Dialog beimißt. Wir erinnern uns alle einer Zeit, in der sich zwischen Wissen und Glauben großes Unverständnis entwickelt hatte - das Ergebnis von Mißverständnissen oder Irrtümern, die nur durch demütiges und geduldiges Forschen nach und nach ausgeräumt werden konnten. Wir dürfen uns also miteinander darüber freuen, daß die Welt der Wissenschaft und die katholische Kirche gelernt haben, diese sicher verständlichen, aber dennoch bedauerlichen Konflikte zu überwinden. Es ist das Resultat einer genaueren Würdigung der Methoden, die den verschiedenen Erkenntnisordnungen eigen sind, und die Frucht einer strengeren Haltung des wissenschaftlichen Forschungsgeistes. Die Kirche und auch die Wissenschaft haben daraus großen Nutzen gezogen, entdeckten sie doch durch die Reflexion und eine manchmal schmerzliche Erfahrung, welche Wege zur Wahrheit und zur objektiven Kenntnis führen. Auch die Kirche lernt im Lauf der Jahrhunderte 2. Ihnen, die Sie dabei sind, den 350. Jahrestag der Veröffentlichung von Galileo Galileis großem Werk „Dialoghi sui massimi sistemi del mondo“ („Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme“) zu begehen, möchte ich sagen, daß die Erfahrung, die die Kirche anläßlich und nach der Affäre Galilei gemacht hat, eine Reifung und ein tieferes Verständnis der ihr eigenen Autorität mit sich gebracht hat. Ich wiederhole hier vor Ihnen, was ich am 10. November 1979 vor der Akademie der Wissenschaften sagte: „Ich wünsche, daß Theologen, Gelehrte und Historiker, vom Geist ehrlicher Zusammenarbeit beseelt, die Überprüfung des Falles Galilei vertiefen und in aufrichtiger Anerkennung des Unrechts, von welcher Seite es auch immer gekommen sein mag, das Mißtrauen beseitigen, das dieses Ereignis noch immer in vielen Geistern gegen eine fruchtbare Zusammenarbeit von Glaube und Wissenschaft, von Kirche und Welt hervorruft. Ich werde diese Aufgabe, die der Wahrheit des Glaubens und der Wissenschaft zur Ehre gereichen und die Tür für eine künftige Zusammenarbeit öffnen kann, mit allen Kräften unterstützen“ (Wort und Weisung 1979, S. 263). Wie Sie wissen, habe ich veranlaßt, daß eine interdisziplinäre Forschungsgruppe sich der genauen Untersuchung der ganzen Frage widmet. Ihre Arbeit geht gut voran, und es besteht gute Hoffnung, daß sie zur Prüfung der ganzen Problematik einen wichtigen Beitrag leisten kann. 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Auch die Kirche lernt im Lauf der Jahrhunderte durch Erfahrung und Nachdenken, und sie versteht jetzt besser den Sinn, den man der Freiheit der Forschung zuerkennen muß, wie ich am 3. November 1982 zu den Vertretern der spanischen Universitäten sagte: „Die Kirche unterstützt die Freiheit der Forschung, die eine der ehrenwertesten Eigenschaften des Menschen ist. Durch die Suche gelangt der Mensch zur Wahrheit: Das ist eins der schönsten Worte, die Gott sich selbst gegeben hat. Denn die Kirche ist überzeugt davon, daß es zwischen Wissenschaft und Glaube keinen wirklichen Widerspruch geben kann, da jede Wirklichkeit letztendlich von Gott, dem Schöpfer, herkommt. So hat das II. Vatikanische Konzil bekräftigt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 36). Auch ich habe es bei verschiedenen Gelegenheiten den Männern und Frauen der Wissenschaft in Erinnerung gerufen. Es ist zwar richtig, daß Wissenschaft und Glaube zwei unterschiedliche Erkenntnismethoden darstellen, die in ihren Vorgehensweisen unabhängig voneinander sind, die aber letztlich beim Erkennen der ganzen Wirklichkeit, die ihren Ursprung in Gott hat, zusammenfinden (vgl. Ansprache im Kölner Dom vom 15. 11.1980)“ (O.R. dt. vom 19. 11. 1982, S. 12). Man sieht so klarer, daß die göttliche Offenbarung, deren Garant und Zeuge die Kirche ist, an und für sich keine wissenschaftliche Theorie über das Universum enthält, und der Beistand des Heiligen Geistes stützt keineswegs Erklärungen, die wir über die physische Beschaffenheit der Wirklichkeit abgeben möchten. Wir dürfen uns nicht wundern oder Anstoß nehmen, wenn die Kirche auf einem so vielschichtigen Gebiet nicht ohne Schwierigkeiten weiterkommen konnte. Die Kirche ist von Christus gegründet, der sich als Weg, Wahrheit und Leben bezeichnet hat; ihre Glieder sind jedoch begrenzte, von ihrer kulturellen Epoche bedingte Menschen. Trotzdem bekennt sie, was die Kenntnis des physischen, biologischen oder psychischen Universums betrifft, stets interessiert gewesen zu sein. Nur durch ein demütiges und eifriges Studium lernt sie, das Wesentliche des Glaubens von den wissenschaftlichen Systemen einer bestimmten Zeit zu trennen, vor allem dann, wenn ein gewohntes Bibelverständnis mit einer verpflichtenden Kosmogonie verbunden scheint. 4. Um auf den Fall Galilei zurückzukommen: Wir geben zweifellos zu, daß er seitens der Organe der Kirche zu leiden hatte. Zu seiner Zeit fehlte es jedoch nicht an katholischen Zentren, die neben der Theologie und der Philosophie bereits mit großer Kompetenz Wissenszweige wie Geschichte, Geographie, Archäologie, Physik, Mathematik, Astronomie und Astro- 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN physik pflegten, und diese wurden als notwendig für eine bessere Kenntnis der historischen Entwicklung des Menschen und der Geheimnisse des Universums betrachtet. Geniale Vorläufer hatten die Katholiken auch gewarnt und aufgefordert, Wissenschaft und Glauben nicht einander entgegenzustellen. Das wollte ich am 15. Dezember 1979 in der Gregorianischen Universität, deren Forschungen und deren Professoren seinerzeit Galilei bekannt waren, bestätigen: „Muß man auch zugeben, daß die Gelehrten dieser Zeit nicht von den kulturellen Voraussetzungen ihrer Welt ausgenommen waren, so können wir doch feststellen, daß es auch vorausschauende Genies und unbefangenere Geister gab, die wie der hl. Robert Bellarmin im Fall Galilei unnötige Spannungen und schädliche Verhärtungen in den Beziehungen zwischen Glaube und Wissenschaft zu vermeiden wünschten“ (O.R.dt. vom 25. 1. 80, S. 6). Diese Tatsachen bestätigen die unbedingte Notwendigkeit eines freien und offenen Dialogs zwischen den Theologen, den Spezialwissenschaftlern und den Verantwortlichen der Kirche. 5. Wir sehen somit, daß die jahrhundertealten Beziehungen zwischen Kirche und Wissenschaft die Katholiken zu einem besseren Verständnis des Glaubensbereiches geführt haben, zu einer Art intellektueller Läuterung und zur Überzeugung, daß das wissenschaftliche Studium ein Engagement und eine objektive Forschung verdient, die letzten Endes Dienst an der Wahrheit und am Menschen selbst ist. Fügen wir noch hinzu, daß die Kirche dankbar anerkennt, was sie alles der Forschung und der Wissenschaft verdankt. Ich hatte die Gelegenheit, das am 18. Januar 1983 vor dem Päpstlichen Rat für die Kultur zu bestätigen: „Denken wir nur an die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen für eine bessere Kenntnis des Universums, für eine Ergründung des Geheimnisses um den Menschen, denken wir an die Segnungen, zu denen die neuen Mittel der Kommunikation und der Begegnung zwischen den Menschen der Gesellschaft und der Kirche verhelfen können; denken wir an die Fähigkeit, unzählige Wirtschaftsund Kulturgüter herzustellen, vor allem die Erziehung der Massen zu fördern und Krankheiten zu heilen, die früher als unheilbar galten. Was für großartige Errungenschaften! Das alles gereicht dem Menschen zur Ehre. Und das alles ist in hohem Maße der Kirche selbst in ihrem Leben, ihrer Organisation, ihrer Arbeit und ihrem eigentlichen Werk zugute gekommen“ (O.R.dt. vom 4. 3. 1983, S. 4). 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Macht und Verantwortung der Wissenschaft 6. Wenn wir uns jetzt der Welt der Wissenschaft direkt zuwenden, kann man heute nicht von einer größeren Empfänglichkeit der Gelehrten und der Forscher für die Werte des Geistes und der Moral sprechen, die Ihre Wissenschaftszweige mit einer neuen Dimension und einer größeren Offenheit für das Universale bereichern? Diese Haltung hat den Dialog zwischen Wissenschaft und Kirche ganz wesentlich erleichtert und bereichert. Freilich wird von Ihnen die Anwendung einer Methode weitreichender Spezialisierung gefordert, damit Sie Ihre Entdeckungen und Erfahrungen immer weiter ausbauen können, und man kann nur den Ernst und die intellektuelle Redlichkeit bewundern, die Selbstlosigkeit und Selbstverleugnung, die so viele Forscher bezeigen, die sich in echtem Sendungsgeist ihren Studien widmen. 7. Andererseits entdeckt die Welt der Wissenschaft, die heute zu einem der wichtigsten Sektoren der modernen Gesellschaft geworden ist, im Licht der Reflexion und der Erfahrung die Breite und gleichzeitig die Schwere ihrer Verantwortung. Die moderne Wissenschaft und die Technik, die ihr entspringt, sind eine echte Macht geworden und Gegenstand politischer oder sozio-ökonomischer Strategien, die der Zukunft des Menschen nicht neutral gegenüberstehen. Meine Damen und Herren, Sie pflegen die Wissenschaft und haben somit eine beträchtliche Macht und Verantwortung, die für die Orientierung der Welt von morgen entscheidend sein können. Bei zahlreichen Gelegenheiten habe ich die Achtung der Kirche für den gemeinsamen Einsatz der Wissenschaftler zum Ausdruck gebracht, damit die dringend verlangten Zielsetzungen der menschlichen Entwicklung und des Friedens den Vorrang erhalten. Sie wissen, daß eine moralische Anstrengung erforderlich ist, wenn die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften, über die die Welt heute verfügt, wirklich im Dienst des Menschen stehen sollen. In Hiroshima, vor der Universität der Vereinten Nationen erinnerte ich am 25. Februar 1981 daran, daß „den Menschen unserer Zeit unermeßliche wissenschaftliche und technische Möglichkeiten zu Diensten stehen. Wir sind überzeugt, daß diese Möglichkeiten in viel weitgehenderem Maß für die Entwicklung und das Wachstum der Völker verwendet werden könnten . . ., das setzt selbstverständlich politische und, tiefer betrachtet, ethische Entscheidungen voraus. Bald wird der Augenblick kommen, in 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem es darum geht, eine neue Bestimmung der Prioritäten vorzunehmen. So wurde zum Beispiel geschätzt, daß etwa die Hälfte aller Forscher gegenwärtig für militärische Zwecke eingesetzt wird. Kann es die Menschheitsfamilie verantworten, länger in dieser Richtung weiterzugehen?“ (O.R.dt. vom 13. 3. 1981, S. 7). Meine Damen und Herren, Sie verfügen über einen ungeheuren Vertrauensvorschuß, um die eigentlich humanistischen und kulturellen Zielsetzungen der Wissenschaft zur Geltung zu bringen. Setzen Sie sich dort, wo Entscheidungen getroffen werden, die die Wissenschaftspolitik und die soziale Planung bestimmen, für die Verteidigung des Menschen und seiner Würde ein. Sie werden immer, wenn Sie sich für die Förderung des Menschen und seine echte Entwicklung verwenden, in der Kirche eine Verbündete finden. Forschung von höchstem ethischen und spirituellen Wert 8. Die Kirche interessiert sich durchaus auch von innen her für Ihre Arbeit, denn nichts, was unsere Kenntnis des Menschen, der Natur und des Universums vertiefen kann, darf uns gleichgültig lassen. Jeder redlich erzielte wissenschaftliche Fortschritt ehrt die Menschheit und ist ein Tribut, der dem Schöpfer aller Dinge gezollt wird. Ihre Forschungen stellen die Weiterführung der bewundernswerten Ordnung dar, die Gott uns in seinem Schöpfungswerk mitteilt. Die Kirche wendet sich Ihren Entdeckungen nicht in erster Linie in der Absicht zu, daraus bequeme Argumente zur Unterstützung ihres Glaubens zu schöpfen. Sie sucht vielmehr, dank Ihrer Arbeit den Horizont ihrer Betrachtung und ihrer Bewunderung für die Transparenz des unendlich mächtigen Gottes, die in seiner Schöpfung ihren Widerschein findet, zu erweitern. Für den Glaubenden kann so die spezialisierte Forschung zu einem Werk von höchstem ethischen und spirituellen Wert werden. Für die Heiligen war das Studium Gebet und Betrachtung. 9. Ja, die Kirche appelliert an Ihr Können als Forscher, damit unserem gemeinsamen Suchen nach Wissen keine Grenze gesetzt sei. Ihre Spezialisierung bringt selbstverständlich unerläßliche Regeln und Begrenzungen der Forschung mit sich; lassen Sie sich aber dennoch, über alle erkenntniskritischen Grenzen hinaus, von Ihrem Geist zum Universalen und Absoluten hinführen. Mehr denn je braucht unsere Welt eine Intelligenz, die imstande ist, das Ganze zu erfassen und im Wissen auf eine vermenschlichte Kenntnis und Weisheit hin fortzuschreiten. Mit einem Wort, Ihre 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wissenschaft muß sich zur Weisheit entfalten, d. h. sie muß Wachstum des Menschen, des ganzen Menschen, werden. Öffnen Sie Ihren Verstand und Ihr Herz den Forderungen der Welt von heute; sie dürstet nach Gerechtigkeit und einer Würde, deren Grundlage die Wahrheit ist. Seien Sie bereit, nach all dem zu forschen, was wahr ist, in der Überzeugung, daß die Dinge des Geistes ein Teil der Wirklichkeit und der ganzen Wahrheit sind. Meine Damen und Herren, Ihre Aufgabe ist edel und gigantisch. Die Welt blickt auf Sie und erwartet von Ihnen einen Dienst, der Ihren geistigen Fähigkeiten und Ihrer ethischen Verantwortung entspricht. Möge Gott, der Schöpfer aller Dinge, der in der Unermeßlichkeit des Universums ebenso wie in unserem Herzen gegenwärtig ist, Sie bei Ihren Arbeiten begleiten und Ihre bewundernswerte Aufgabe beseelen! Ein „Hoffnungsanker“ für die Seele Predigt bei der feierlichen Messe in St. Peter am Fest Christi Himmelfahrt, 12. Mai „Auf stieg der Herr im Freudenschall!“ 1. Die liturgische Feier des Geheimnisses der Himmelfahrt unseres Herrn Jesus Christus, der von Gott feierlich gepriesen und verherrlicht wurde, ist für die ganze Kirche und auch für die Menschheit ein Anlaß zu tiefer Freude. Die Liturgie wendet heute auf Christus, der zum Vater zurückkehrt, die jubelnden Worte an, die der Psalmist dem ewigen Gott widmet: „Gott stieg empor unter Jubel, der Herr beim Schall der Hörner. Singt unserem Gott, ja singt ihm! Spielt unserem König, spielt ihm! Denn Gott ist König der ganzen Erde. Spielt ihm ein Psalmenlied! Gott wurde König über alle Völker, Gott sitzt bei seinem heiligen Thron“ (Ps 47, 6-9). In diesem „Geheimnis des Lebens Christi“ betrachten wir einerseits die Verherrlichung des gestorbenen und auferstandenen Jesus von Nazaret und andererseits seinen Abschied von dieser Erde und seine Rückkehr zum Vater. Diese Verherrlichung wird auch in ihrem kosmischen Aspekt vom hl. 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paulus hervorgehoben, der zu uns von der außergewöhnlichen Größe der Macht Gottes uns gegenüber spricht, die in Christus offenbar wurde, als er ihn „von den Toten auferweckt und im Himmel auf den Platz zu seiner Rechten erhoben hat, hoch über alle Fürsten und Gewalten, Mächte und Herrschaften und über jeden Namen, der nicht nur in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen genannt wird“ (Eph 1, 20 f.). Die Himmelfahrt Christi stellt eine der grundlegenden Etappen der Heilsgeschichte dar, das heißt des Plans der erbarmenden und heilbringenden Liebe Gottes gegenüber der Menschheit. Mit seiner klaren und tiefen Einsicht unterstreicht der hl. Thomas von Aquin in seinen Meditationen über die „Geheimnisse des Lebens Christi“ auf bewundernswerte Weise, daß die Aufnahme Christi in den Himmel unter einem zweifachen Aspekt Ursache unseres Heils ist: von unserer Seite, weil sich unser Geist mit dem Glauben, der Hoffnung und der Liebe auf Christus hinbewegt; von seiner Seite, da er durch sein Emporsteigen auch für uns den Weg in den Himmel bereitet hat; denn da er unser Haupt ist, müssen ihm die Glieder dorthin folgen, wohin er ihnen vorangegangen ist: „Die Aufnahme Christi in den Himmel ist unmittelbare Ursache für unsere Aufnahme in den Himmel, beginnt sie doch gleichsam in unserem Haupt, dem sich die Glieder verbinden müssen“ (Summa Theol. III, 57, 6, ad 2). 2. Die Aufnahme Christi in den Himmel ist nicht nur die endgültige und feierliche Verherrlichung des Jesus von Nazaret, sondern sie ist auch sozusagen das Angeld und die Garantie für die Verherrlichung, die Erhöhung der menschlichen Natur. Unser Glaube und unsere Hoffnung als Christen werden heute gestärkt und bestätigt, weil wir aufgefordert sind, nicht nur über unsere Kleinheit, unsere Hinfälligkeit, unsere Not nachzudenken, sondern auch über jene Umwandlung — die noch wunderbarer ist als selbst die Schöpfung —, die Christus in uns vollbringt, wenn wir durch die Sakramente und die Gnade mit ihm vereint sind. „Wir gedenken und feiern in der Liturgie den Tag, an dem die Niedrigkeit unserer Natur in Christus über alle himmlischen Scharen erhoben wurde -sagt uns der hl. Leo der Große -, über alle Hierarchien der Engel, höher als die Mächte, bis zum Thron Gottes, des Vaters. In diesem Plan göttlichen Handelns sind wir also gefestigt und auferbaut: So wird sich die Gnade Gottes noch wunderbarer erweisen, wenn . . . der Glaube nicht zweifelt, die Hoffnung nicht schwankt, die Liebe nicht ermattet. Das ist wahrhaftig die Kraft der großen Geister, das ist das Licht der wirklich gläubigen Seelen: ohne zu zögern, an das zu glauben, was nicht vor den Augen des Leibes erscheint, und das Verlangen dorthin zu 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenden, wo man den Blick nicht hinwenden kann“ (Sermo LXXIV, 1: PL 54, 597). 3. In dem Augenblick, in dem Jesus die Apostel verläßt, gibt er ihnen den Auftrag, seine Zeugen zu sein in Jerusalem, in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde (vgl. Apg 1, 8) und allen Völkern zu verkünden, „umzukehren, damit ihre Sünden vergeben werden“ (Lk 24, 47). Das Fest Christi Himmelfahrt ist in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung daher für uns alle eine dringende Aufforderung zu besonderer Bemühung um Buße und innere Erneuerung, ein allgemeiner Aufruf zur Umkehr. Denn da wir - wie ich in der Verkündigungsbulle des Heiligen Jahres geschrieben habe - alle Sünder sind, haben wir alle „jene tiefe Änderung in Geist, Verstand und Leben nötig, die in der Heiligen Schrift gerade metänoia, Bekehrung, genannt wird. Diese Haltung wird geweckt und gefördert vom Wort Gottes, der Offenbarung der Barmherzigkeit des Herrn (vgl. Mk 1, 15), sie verwirklicht sich vor allem im Empfang der Sakramente und zeigt sich in vielfältigen Formen der Nächstenliebe und des Dienstes an den Brüdern“ (Aperite portas redemptori, Nr. 5). Das ist die reiche liturgische, theologische und spirituelle Bedeutung des heutigen Festes. Ich möchte darum die Worte, die ein anderer großer Vorgänger von mir, der hl. Gregor der Große, bei diesem Anlaß an die in Sankt Peter versammelten Gläubigen Roms richtete, zu meinen eigenen machen: „Wir müssen mit ganzem Herzen Jesus dorthin folgen, wohin er, wie wir durch den Glauben wissen, mit seinem Leib aufgestiegen ist. Meiden wir die irdische Begierde: Keine von den Bindungen hier unten soll uns, die wir einen Vater im Himmel haben, zufriedenstellen . . . Auch wenn ihr im Strom der Sorgen hin- und hergeworfen werdet, werft heute in der ewigen Heimat den Hoffnungsanker aus. Eure Seele suche nur das wahre Licht. Wir haben gehört, daß der Herr zum Himmel aufgefahren ist: Laßt uns ernsthaft über das nachdenken, woran wir glauben. Trotz der Schwäche der menschlichen Natur, die uns noch hier unten festhält, soll uns die Liebe zu seiner Nachfolge hinziehen, weil wir sehr wohl wissen, daß er, der uns dieses Verlangen eingegeben hat, Jesus Christus, uns in unserer Hoffnung nicht enttäuschen wird“ {In Evangelium, Homilia XXIX, 11: PL 76, 1219). Zum Abschluß meiner Betrachtungen über das Geheimnis, das wir heute feiern, richte ich meinen ergebenen und herzlichen Gruß an Seine Seligkeit Ignatius IV. Hazim, den griechischen Patriarchen von Antiochien, der 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hier zugegen ist und in diesen Tagen zu einer Reihe ökumenischer Begegnungen und Gespräche mit dem Hl. Stuhl in Rom weilt. Während ich den hohen Gast auch im Namen der ganzen Kirche von Rom aufrichtig und brüderlich willkommen heiße, spreche ich den Wunsch aus, daß dieses Jubiläumsjahr dazu beitrage, den Zeitpunkt der ersehnten vollen Einheit zu beschleunigen, der Einheit aller, die an Jesus Christus, Gottes Sohn, glauben, der Mensch geworden, gestorben, auferstanden und zum Himmel aufgestiegen ist. Amen. „Ihr alle sollt zu einem Chor werden“ Ansprache bei der Audienz für den griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochia, Ignatius IV. Hazim, am 13. Mai Eure Seligkeit und sehr geliebter Bruder in Christus! Mit tiefer Ergriffenheit empfange ich Sie und die Brüder im Bischofsamt, die Sie auf Ihrem Besuch bei der Kirche von Rom, der Kirche des Petrus und des Paulus, begleiten. Diese „Lehrer der Ökumene“, wie sie die Liturgie nennt, sind, nachdem sie längere Zeit in Antiochia das Wort Gottes verkündet hatten (vgl. Apg 11, 26; Gal 2, 11), in diese Stadt gekommen, wo sie durch ihr vergossenes Blut das letzte Zeugnis für den Herrn ablegten. In der Tat, der Gedanke an diese Ereignisse der Urkirche und die Tatsache, daß Sie aus Antiochia kommen - jener Stadt, wo die Christengemeinde ihren Namen erhielt, den Namen, der bis heute ihr Stolz ist: „In Antiochia nannte man die Jünger zum erstenmal Christen“ (Apg 11, 26) -, rufen in uns tiefe Bewegung hervor. Universale Gemeinschaft Während seit diesen Geschehnissen fast 2000 Jahre vergangen sind, empfange ich heute Sie, ehrwürdiger Bruder, der Sie im Namen unseres einen Herrn Jesus Christus zu uns kommen, in demselben Glauben und derselben Liebe, die schon die erste Kirche von Antiochia beseelte. Die Kirche von Rom, die sich durch die Verkündigung der gleichen Apostel entwickelt hat, empfängt.Sie im Geist des Gebets und ganz herzlicher 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kirchlicher Brüderlichkeit: „Sei gepriesen, Vater, sei gepriesen, denn Du allein vollbringst Wunder!“ Ihr Zugegensein unter uns, Seligkeit, erinnert uns an die weiteren Entwicklungen christlichen Lebens in der Region von Antiochia und den Beitrag dieser Kirche für die Gesamtkirche. Muß man in diesem Augenblick nicht den hl. Ignatius von Antiochia erwähnen, diesen Lehrer des Glaubens und Lebens, der, als er sich auf sein letztes Zeugnis, sein Martyrium vorbereitete, noch „im Namen Jesu Christi“ an die Kirche von Rom einen Brief der Gemeinschaft sandte, einen Brief, der von ihr voll Verehrung aufbewahrt wird? Wie sollte man nicht an die exegetische Schule von Antiochia und ihre besondere Ausprägung denken? Und muß man nicht an den hl. Johannes von Damaskus, den Vorkämpfer des orthodoxen Glaubens, erinnern? Während sich darin die theologische Reflexion über Themen, die für das Leben der Kirche von grundlegender Bedeutung sind, wie die Eucharistie, die Rolle des Bischofs in der Ortskirche, die Gemeinschaft in der Ortskirche und zwischen den Ortskirchen, entfaltet, bleibt die Lehre des hl. Ignatius ein entscheidender Beitrag nicht nur für die Lösung von Problemen und Spannungen seiner Zeit und dieser Räume, sondern vor allem für das christliche Denken aller Zeiten. „Nur die Eucharistiefeier ist als legitim anzusehen, die unter dem Vorsitz des Bischofs oder dessen, den er damit beauftragt hat, stattfindet. Wo der Bischof auftritt, dort ist die Gemeinde, so wie dort, wo Jesus Christus ist, die katholische Kirche ist“ {Brief an die Gemeinde von Smyrna, VIII, 2). Wie sollte man von solchen Aussagen nicht berührt sein, die heute, nach fast 2000 Jahren, als Grundlage für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche wieder aufgegriffen werden, einen Dialog, der die Wiederherstellung der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen zum Ziel hat? Und wird man nicht von Bewunderung ergriffen, wenn man feststellt, daß in diesem Text des hl. Ignatius von Antiochia als erster in der Geschichte dem profanen Begriff „katho-like“ in Verbindung mit „ekklesia“ eine völlig neue Bedeutung gegeben hat, die die universale Gemeinschaft der Christgläubigen ausdrückt? Diese universale Gemeinschaft, Gemeinschaft der Teilkirchen, Gemeinschaft der Bischöfe, die „bis an die Grenzen der Erde ihren Sitz einnehmen“ {Brief an die Christen von Ephesus, III, 2) und dasselbe von Christus denken (vgl. Eph 1, 15) - diese universale Gemeinschaft in der Liebe, in der die Kirche von Rom den Vorsitz hat {Brief an die Kirche von Rom, Vorwort), ist der Leib Christi, der alle Völker in sich vereint. In diesem Zusammenhang ist der Rat, den er den Christen von Ephesus gibt, für die 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christen aller Zeiten gültig: „Jeder von euch, ihr alle sollt zu einem Chor werden, damit in der Harmonie eures Zusammenklanges Gottes Ton in der Einheit dominiere und ihr durch Jesus Christus mit einer einzigen Stimme dem Vater einen Hymnus singt“ (An die Christen von Ephesus V, 1). Konstruktiver Dialog Unsere heutige Begegnung will konkret zur Schaffung einer solchen Harmonie zwischen den Kirchen des Westens und des Ostens beitragen. Zum ersten Mal in der Geschichte besucht ein orthodoxer Patriarch des alten Sitzes von Antiochia Rom. Ich danke euch von ganzem Herzen für dieses Zeichen der Gemeinschaft und bitte den Herrn zu bewirken, daß sich unsere Beziehungen weiterentwickeln, damit wir zusammen die gemeinsamen Wege finden können, die zur vollen Einheit führen. Die Einheit ist eine Forderung des Evangeliums und für die Christen unserer Zeit eine historische Dringlichkeit. Wir haben zahlreiche Gründe, dem Herrn für all das zu danken, was er uns zu sehen und aus unserer Kraft zu tun gewährt hat, damit wir auch in diesem Punkt seinem Willen treu sind. Der theologische Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche entwickelt sich in einer organischen und konstruktiven Weise, und seine ersten Ergebnisse geben unserer gemeinsamen Hoffnung Gewißheit, daß die zwischen uns noch bestehenden Divergenzen ausgeräumt werden und wir zu voller Übereinstimmung im Glauben kommen können mit Blick auf ein gemeinsames, organisch neu gegliedertes Leben. Solange der theologische Dialog, begleitet vom Gebet und der größten Aufmerksamkeit aller, im Gange ist, ist die Verdichtung der brüderlichen Beziehungen besonders wichtig. Der tiefe gemeinsame Glaube erlaubt den Katholiken und Orthodoxen die Zusammenarbeit auf verschiedenen Gebieten, wie dem Bereich der Kultur, der sozialen Tätigkeit, noch mehr und vor allem aber im pastoralen Bereich. In unserer Zeit sind die Christen aufgerufen, gemeinsam und in immer stärker verbundener Weise Zeugnis von den christlichen Werten in einer Gesellschaft zu geben, der immer dringender der Vorrang der Liebe und des geistlichen Lebens, die Würde des Menschen und der Sinn des Lebens ins Bewußtsein gebracht werden müssen. Werte, die sich ihr in der Auferstehung Christi offenbart haben. Außer dieser überall gültigen Forderung gibt es jene Forderungen, die sich aus den örtlichen Gegebenheiten und konkreten Möglichkeiten, die sie bieten, dort ergeben, wo Christen verschiedener Traditionen Seite an 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seite und neben anderen Menschen leben, die anderen Religionen angehören oder sich als Nichtglaubende bezeichnen. Der Ökumenismus auf örtlicher Ebene faßt besondere Bedürfnisse und Situationen ins Auge und verfügt über seine eigenen Mittel. Er hat einen bestimmten Anteil an der ihm eigenen Initiative, und seine Rolle ist weitaus origineller als die einer einfachen begrenzten Anwendung ökumenischer Weisungen, die für die ganze Welt gegeben werden (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 12). Vorurteile ablegen Die Initiativen auf Ortsebene, in die Perspektive der universalen Gemeinschaft hineingestellt, sind nicht nur am Ort erforderlich, sondern können auch für ein allgemeineres Wachsen der Gemeinschaft sehr fruchtbar sein. Doch wird es notwendig sein, auf Ortsebene alle Spuren vorgefaßter Ablehnung und jede ungerechte oder von schlichtem Proselytentum inspirierte Tätigkeit zu beseitigen. Zudem ergeben sich vor allem im örtlichen Bereich Gelegenheiten zur Zusammenarbeit im Dienst Gottes und der Menschen und die zur Verwirklichung dieser Zusammenarbeit geeigneten Mittel. Eure Seligkeit, Sie kommen aus einer Region, die vom Krieg und seinen Folgen, Unsicherheit und Ungewißheit, heimgesucht wird. Diese Situation hat auch auf das Leben der Kirche negative Auswirkungen. Und das nicht nur wegen der materiellen Verluste, sondern auch wegen der geistigen Erschütterungen, die sie verursacht. Jedesmal wenn es möglich war, hat der Apostolische Stuhl bei allen verantwortlichen Stellen, mit denen er in Kontakt steht, auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Libanonkrise zu lösen, die Forderungen der Gerechtigkeit voll zu respektieren und die Unabhängigkeit und Integrität dieses Landes konkret zu wahren. Nur so werden sämtliche sozialen und religiösen Komponenten dieser. Nation wieder friedlich, frei und in gemeinsamer Bemühung um Wiederaufbau und Erneuerung Zusammenleben können. In diese Richtung gehen unsere Bemühungen. Ich appelliere bei jeder Gelegenheit an den guten Willen der Menschen, und vor allem bete ich inständig zu unserem einen Herrn, dem Lenker der Geschichte, daß so schnell wie möglich eine gerechte Lösung gefunden und verwirklicht werde. Auch in diesem Zusammenhang ist eine harmonische Übereinstimmung zwischen den Christen dringender denn je, nicht um sich irgend jemandem zu widersetzen, sondern um eine treibende Kraft der Öffnung und Brüderlichkeit mit allen Menschen guten Willens zu sein, die bereit 953. BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind, zusammen eine bessere Welt aufzubauen. Der Libanon, der unserem Herzen so teuer ist, könnte bei voller brüderlicher Integrierung in seine kulturelle Welt auf diese Weise wieder eine weit über seine Grenzen hinausgehende Ausstrahlung gewinnen, während er unter den Bruderländern sein Eigengesicht behält. Die Liebe muß erfinderisch werden Eure Seligkeit, die Suche nach der vollen Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen erfolgt im konkreten Kontext der heutigen Weltlage. Ihr Besuch erfüllt mich mit einer echten und tiefen Freude, denn er ist ein offenkundiges Zeichen des Willens zur vollen Aussöhnung in einem Augenblick, wo die Kräfte der Verwirrung und Zersetzung erneut an Heftigkeit zu gewinnen scheinen. Diese Begegnung bietet mir Gelegenheit, nochmals und mit noch größerem Nachdruck zu sagen, daß die katholische Kirche bereit ist, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit die Suche nach der vollen Einheit Fortschritte mache und zum Ziel führe, und dies sowohl durch das Mittel des theologischen Dialogs wie die praktische und pasto-rale Zusammenarbeit. Wir müssen miteinander den Weg gehen, der zur wiederentdeckten Einheit, zu dem so sehr ersehnten Augenblick führt, wo wir die Eucharistie des Herrn gemeinsam feiern können. Wir haben mit Entschlossenheit diesen Weg eingeschlagen. Es kann noch ein weiter Weg sein, aber die Liebe muß erfinderisch werden beim Hören auf den, der in uns sein Versöhnungswerk begonnen hat und es zur Vollendung führen wird. Aus gleichem Herzen, sehr geliebter Bruder, können wir heute den Segen des Herrn auf die Kirchen herabflehen, zu deren Dienst er uns bestellt hat. „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3, 20-21). 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter den Armen präsent sein Ansprache an die internationale Versammlung der Generaloberinnen am 13. Mai Liebe Schwestern in Christus! 1. Seid aufrichtig von mir begrüßt. Mit den Ordensfrauen zusammenzutreffen und ihnen offen die tiefe Hochachtung der Kirche für ihr Leben völliger Hingabe an den Herrn, das lebhafte Interesse und das Vertrauen, das der Hl. Stuhl für sie und für ihre Sendung hegt, zum Ausdruck zu bringen, ist für mich immer eine Freude. Doch die heutige Begegnung nimmt wegen ihres so universalen Charakters eine ganz besondere Bedeutung an: denn in der Person der Generaloberinnen der verschiedenen über die ganze Welt verstreuten Ordensinstitute findet gewissermaßen die Präsenz aller Ordensfrauen in Rom und ihr Wunsch Ausdruck, ihre Ergebenheit gegenüber der Kirche und dem Papst zu bezeugen und persönlich ihre Lehren und Weisungen anzunehmen. Aus ganzem Herzen übermittle ich daher durch euch allen Ordensfrauen der Welt einen besonderen Segen: den Schwestern der beschaulichen Orden; allen, die sich in Demut und Selbstlosigkeit dem Dienst an den Brüdern widmen; jenen, die unter Alter, körperlichen und geistigen Gebrechen leiden: ihrer aller Opfer haben in den Augen des Herrn einen unvergleichlichen Wert. Wort der Ermutigung und des Trostes Euch, die ihr in Rom zusammengekommen seid, um die Apostolische Spiritualität der Ordensfrauen zu vertiefen, möchte ich vor allem ein Wort der Ermutigung und des Trostes bieten, wie es eine so wichtige, so schwierige, aber zugleich so pastorale Sendung verlangt, die euch mit eurer Wahl übertragen wurde: nämlich der Auftrag, in Christus eine brüderliche Gemeinschaft aufzubauen, in der Gott über alles gesucht und geliebt wird (vgl. Kanon 619). 2. Das seit Jahren vorbereitete Thema eurer Arbeiten ist sehr lehrreich und bietet euch nicht nur Gelegenheit, eure apostolischen Tätigkeiten zu behandeln, sondern mehr noch aus den Quellen, die diese Tätigkeiten nähren sollen, zu schöpfen. 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich rate euch nachdrücklich, darüber hinaus die Lehren des neuen Kirchengesetzbuches zu diesem Thema eingehend zu überlegen: Das wird euch wertvolle Aufhellungen über eine Grundkomponente eures Lebens bieten. Der Kodex erinnert nämlich zunächst (vgl. Kanon 673) daran, daß das Apostolat der Ordensleute vor allem darin besteht, daß sie für ihr von Gebet und Buße genährtes Ordensleben Zeugnis geben. Dieser fundamentalen Aussage kommt besondere Bedeutung zu, weil sie der apostolischen Funktion der Ordensleute ihren eigentlichen Platz zuweist. Durch ihr innerstes Sein verschreiben sie sich ja der Dynamik der Kirche, die nach dem Absolutum Gottes dürstet und zur Heiligkeit berufen ist. Von dieser Heiligkeit Zeugnis zu geben, sind sie vor allem berufen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 69). Bevor es in Verkündigung oder Aktion umgesetzt wird, ist das Apostolat Offenbarung Gottes, der im Apostel gegenwärtig ist. Und diese Offenbarung erfordert, daß die Ordensfrau in innigem und ständigem Kontakt mit dem Herrn steht. Dabei hat es wenig Bedeutung, ob sie im Vollbesitz ihrer Kräfte oder schwächlich ist, ob sie jung oder bereits fortgeschrittenen Alters ist, ob sie aktiv oder nicht aktiv ist: Die Evangelisierung ist in dem Maße wirklich und tief, in dem sich das Leben Christi im persönlichen Leben widerspiegelt. Die großen Glaubensverkünder waren vorwiegend Menschen des Gebets, verinnerlichte Menschen: Sie haben immer Zeit gefunden für eine längere Betrachtung. In diesem historischen Moment, wo ihr alle unter dem Mangel an apostolischen Arbeiterinnen zu leiden habt, ist es mehr denn je angebracht, innezuhalten und diese Wahrheit zu bedenken im Vertrauen darauf, daß das „Sein“ wichtiger ist als das „Tun“, das doch immer begrenzt und unvollkommen bleibt. Seid darüber hinaus gewiß, daß eure mutige und frohe Treue zu den grundlegenden Forderungen des Ordenslebens eine nachdrückliche Einladung an die Jugend ist, die immer zu der Selbstlosigkeit bereit ist, auf dem von euch vorgezeichneten Weg dem Herrn zu folgen. 3. Aus dieser Sichtweise liegt mir daran, von neuem mit Nachdruck die eminent apostolische Rolle der Klausurschwestern — auch wenn diese nicht unter euch zugegen sind - zu unterstreichen. Die Welt zu verlassen, um sich in der Einsamkeit ständigem, tiefem Gebet zu widmen, ist nichts anderes als eine besondere Weise, das Ostergeheimnis Christi zu leben und zum Ausdruck zu bringen, es der Welt zu enthüllen und somit Apostel zu sein. 956 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es wäre ein Irrtum, die Klausurschwestern für Geschöpfe zu halten, die ihren Zeitgenossen fernstehen, isoliert und gleichsam abgeschnitten von der Welt und der Kirche sind; im Gegenteil, sie sind ihnen auf tiefere Weise in der Liebe Christi gegenwärtig, wie Lumen gentium ausführt (Nr. 46). Es überrascht daher nicht, daß Bischöfe der jungen Kirchen es als eine vorzügliche Gnade empfinden, ein Kloster für beschauliche Ordensfrauen zu erhalten, auch wenn die Zahl der Arbeiterinnen im tätigen Apostolat noch keineswegs ausreicht. Schwestern des beschaulichen Lebens! Eure Berufung sei euch teuer; sie ist in der heutigen Welt, die den Frieden nicht zu finden scheint, kostbarer denn je. Der Papst und die Kirche brauchen euch; die Christen zählen auf eure Treue. 4. Ihr, die ihr euch den Werken des tätigen Apostolats widmet, mögt immer stärker von den Lehren des Konzils überzeugt sein, an die im neuen Kodex in so zweckmäßiger Weise erinnert wird. Lebt sie! Das heißt, euer Leben sei durchdrungen vom apostolischen Geist, und all euer apostolisches Wirken sei vom Geist des Evangeliums beseelt. So wird euer Tun und Handeln einen echten „Dienst“ darstellen, in demütiger Achtung vor den Menschen und sorgsam darauf bedacht, ungerechtfertigten Druck und jede unzulässige Form der Herrschaft zu vermeiden. Ich ermahne euch zudem daran, nicht zu vergessen, daß das Ordensapostolat seinem Wesen nach Gemeinschaftscharakter hat: Das Zeugnis, das eine Ordensfrau gibt, kann nicht rein individuell sein; es ist Gemeinschaftszeugnis, und alle Ordensfrauen sind aufgerufen, das Apostolat auf der Linie des von der Kirche anerkannten Charismas und im Auftrag ihrer legitimen Obern auszuführen. Dabei handelt es sich nicht um eine einfache disziplinäre Abhängigkeit, sondern um eine Glaubenswirklichkeit. Wir müssen uns unaufhörlich daran erinnern, daß wir in der Kirche sind, aufs innigste in sie einverleibt, zu ihrer Sendung bestellt und von ihrem Leben und ihrer Heiligkeit nicht zu trennen, wie Lumen gentium lehrt. Diese Auffassung soll in den Ordensfrauen den Willen anspornen, in enger und tiefer Verbundenheit mit dem Lehramt und der Hierarchie der Kirche zu arbeiten. Natürlich werdet ihr bei der Erfüllung der vielfältigen, traditionellen Formen eures Apostolats auch auf eure Zeitgenossen hören müssen, um ihre Probleme und ihre Schwierigkeiten richtig zu verstehen und besser imstande zu sein, ihnen zu helfen. Vergeßt jedoch niemals, daß die Schulen, die Krankenhäuser, die Fürsor- 957 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gezentren, die Initiativen, die dem Dienst an den Armen gelten, die kulturelle und geistige Entwicklung der Völker nicht nur ihre Aktualität bewahren, sondern, wenn sie in entsprechender Weise auf den heutigen Stand gebracht wurden, sich oft als bevorzugte Stätten der Glaubensverkündigung, des Zeugnisses und echter Förderung des Menschen erweisen. 5. Es kann mitunter notwendig sein, Werke oder Tätigkeiten aufzugeben, um sich anderen widmen zu können, wenn kleinere Kommunitäten errichtet werden, um den dringendsten Bedürfnissen der Armen bestimmter Gegenden zu entsprechen. Ich weiß um eure Sorge, unter den Armen präsent zu sein, und ich erkenne eure diesbezüglichen Bemühungen an. Es scheint mir daher wichtig, wie ich einst zu den Ordensfrauen von Sao Paulo gesagt habe (am 3. Juli 1980), hier an gewisse Forderungen neuer Formen der Präsenz zu erinnern. Vor allem müssen diese immer in eine Atmosphäre des Gebets eingebettet sein. Die Seele, die in der Gegenwart Gottes lebt und sich von der Glut seiner Liebe durchdringen läßt, wird leicht der Versuchung zu Partikularismen und Widerstand entgehen, die die Gefahr der Spaltung mit sich bringen; sie wird imstande sein, die Option für die Armen und die Opfer des Egoismus der Menschen im Licht des Evangeliums zu interpretieren, ohne dem sozial-politischen Radikalismus nachzugeben, der früher oder später Wirkungen hervorbringt, die den gewünschten zuwiderlaufen, und neue Formen der Unterdrückung zeitigt; schließlich wird die Seele im Kontakt mit Gott den Weg finden, um an die Menschen heranzukommen und sich in das jeweilige gesellschaftliche Milieu einzufügen, ohne deshalb die eigene religiöse Identität in Frage zu stellen oder die Originalität und Besonderheit ihrer Berufung, dem armen, keuschen und gehorsamen Christus zu folgen, zu verbergen oder zu verschleiern. Diese Erfahrungen müssen im übrigen auch durch ein ernsthaftes Studium, in einem dauernden Dialog innerhalb des Instituts, mit den verantwortlichen Obern und in Zusammenarbeit mit den betreffenden Bischöfen vorbereitet werden. So sollen die Programme ausgearbeitet werden, nachdem zuvor die Erfolgsaussichten geprüft worden sind (vgl. Lk 14, 28 ff.), ohne daß man sich deshalb vor Risiken fürchtet, aber doch immer in Übereinstimmung mit den dringendsten Forderungen und entsprechend dem Charakter des Instituts. Schließlich wird es darauf ankommen, solche Experimente immer in Absprache mit der Hierarchie zu verfolgen und demütig und mutig bemüht zu sein, sie gegebenenfalls zu korrigieren, zu beenden oder auf passendere Weise zu realisieren. 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor allem aber seid immer und überall liebende Töchter der Kirche, die hochherzig und treu ihrem authentischen Lehramt als Garanten der Fruchtbarkeit anhängen. Die Christus gelobte Treue kann niemals von der Treue zur Kirche getrennt werden: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10, 16). 6. Das Heilige Jahr, das wir seit dem 25. März feiern, und die Vorbereitung auf die Bischofssynode im kommenden September stellen eine unschätzbare Hilfe für euch bei der Erfüllung eures Sendungsauftrages der Evangelisierung dar. Das Heilige Jahr fordert uns auf, die Schätze der Erlösung neu zu entdecken, und ruft uns so zur persönlichen Pflicht der Erneuerung durch Buße und Umkehr auf. Im Geist der Gemeinschaft und der Freude Die Feier dieses Ereignisses ist für alle Christen und somit für Ordensleute ein ernster Aufruf zu Buße und Bekehrung. Es läßt uns die Bedeutung der Sünde wiederentdecken und uns der Tatsache bewußt werden, daß wir Sünder sind. Es läßt uns den Sinn, die Bedeutung Gottes aufs neue entdecken. Diese Haltung der Umkehr wird insbesondere im aufrichtigen Empfang der Sakramente sichtbar, und sie wird uns dazu anhal-ten, eine Liebe zu praktizieren, die sich auf die Wahrheit gründet und die Gerechtigkeit fördert. Ich möchte an dieser Stelle die tatsächliche und tiefe Verbundenheit hervorheben, die zwischen dem brüderlichen Leben der Ordensleute und dem eigentlichen Thema des Heiligen Jahres besteht. Das wird auch vom neuen Kirchengesetzbuch ganz klar herausgestrichen: „Durch ihre brüderliche Gemeinschaft, die in der Liebe gründet und wurzelt, werden die Ordensleute ein Beispiel universaler Versöhnung in Christus geben“ (Kanon 602). In diesem Geist der Gemeinschaft und der Freude will ich meinen herzlichen Willkommensgruß an euch alle wiederholen, die ihr zu diesem Treffen nach Rom gekommen seid. Mein Kontakt mit den Mitgliedern der beiden internationalen Vereinigungen der Generalobern und Generaloberinnen ist ein wertvoller Weg, die Ordensleute der Welt zu erreichen und in ständigem Kontakt mit der Entwicklung des Ordenslebens zu bleiben. Am Dienstag dieser Woche hatte ich die Freude, mit dem Exekutivkomitee der Vereinigung der Generalobern zusammenzutreffen. Heute findet die Begegnung mit euch statt, und ich hoffe, daß es in der Zukunft zu weiteren Kontakten mit beiden Vereinigungen kommen wird. 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Überbringt, wenn ihr nach Hause fahrt, den Schwestern eurer Kongregationen meinen besonderen Segen. Die heilige Jungfrau Maria, die erste der Erlösten, die erste, die aufs engste mit dem Erlösungswerk verbunden war, wird euch immer Führerin und Vorbild sein. Wie Maria, die Mutter Jesu, die sich völlig der Person ihres Sohnes und dem Dienst der Erlösung widmete, so sollt ihr und eure Schwestern nichts keimen außer dem gekreuzigten Jesus, der für uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung geworden ist (vgl. 1 Kor 1, 30; 2, 2). Kein Klima des Klassenkampfes Ansprache an den Christlichen Gewerkschaftsverband „Federation Valaisanne des Syndicats Chretiens“ des Schweizer Wallis am 14. Mai Meine Damen und Herren! 1. Seien Sie willkommen in diesem Haus, wo Ihre Landsleute die Ehre haben, für die Bewachung und den Empfang zu sorgen und wohin viele andere Schweizer vor einer Woche zu Besuch gekommen sind. Doch eure Gruppe hat ein besonderes Gesicht: Sie vertritt Tausende von Arbeitern des Wallis, zu einem Verband zusammengeschlossene christliche Gewerkschafter. Die Gewerkschaftsbewegung trägt je nach der Geschichte und den Traditionen des jeweiligen Landes und vor allem entsprechend den herrschenden Lebensbedingungen und gesellschaftlichen Systemen besondere Züge. Sie verstehen, daß ich nicht im einzelnen auf Ihre engagierte Gewerkschaftsarbeit im Kanton Wallis eingehen kann. Aber es gibt Elemente, die allen Gewerkschaften gemeinsam sind, Normen und Bedingungen, die man gern überall fände. Ich habe mich darüber in meiner Enzyklika Läborem exercens (Nr. 20) und vor der gesamten Internationalen Arbeitsorganisation in Genf am 15. Juni des vergangenen Jahres (Nr. 13) geäußert. In den Industriestädten oder den Ländern, die ich besuche, legte ich stets Wert auf ein Zusammentreffen mit den Arbeitern und ihren gewerkschaftlichen Vertretern. Hier beschränke ich mich darauf, einige Aspekte in Erinnerung zu rufen. 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Zunächst zolle ich den Arbeitern, die Sie vertreten und die zweifellos verschiedenen Berufsgruppen und Gesellschaftsbereichen angehören, meine Anerkennung. Ohne den mitunter recht beschwerlichen Charakter der Arbeit - den der Christ im Rahmen des Arbeitslebens Jesu und der Erlösung sieht - ignorieren zu wollen, ist es der Wunsch der Kirche, daß die Menschen stolz und glücklich über ihre Arbeit sind. Hat sie nicht das Ziel, die Menschen als Subjekt der Arbeit zu fördern, sie zu verbinden, ihrer Familie, der Gesellschaft und der Menschheit Unterhalt und Fortschritt unter jedem Aspekt zu beschaffen durch Beherrschung, Umgestaltung und Bereicherung der Erde? 3. Ich schätze auch Ihr gewerkschaftliches Engagement, denn es bekundet Ihren Willen zur Solidarität, um gerechte und würdige Bedingung für alle Ihre Arbeitskameraden nicht nur im gleichen Unternehmen oder in derselben Berufsgruppe, sondern für die gesamte Arbeiterschaft in Ihrer Region, zumindest auf Verbandsebene, sicherzustellen. In der Tat, es gilt, die existentiellen Interessen der Arbeiter in allen Bereichen zu verteidigen, wo ihre Rechte auf dem Spiel stehen. Das setzt freie, nicht an die politische Macht gebundene Gewerkschaften voraus, in denen die Arbeiter sich frei zusammenschließen, gewaltlos, in festem gegenseitigem Dialog nach annehmbaren Lösungen suchen, und das mit ausgeprägtem Verantwortungsgefühl für die Wirtschaftslage ihres Landes und die Forderungen des Gemeinwohls. 4. Aber in Ihrem Engagement gibt es eine Besonderheit, die ich natürlich mit Freude hervorhebe: Sie bilden christliche Gewerkschaften. Das bedeutet doch, daß Ihr Kampf zwar ein Kampf für die soziale Gerechtigkeit, für die Würde und das unverkürzte Wohl der Arbeiter ist, aber kein Kampf gegen andere sein (vgl. Laborem exercens, Nr. 20), kein Klima des Klassenkampfes schüren, keinen Gruppenegoismus begünstigen, sich an keinem politischen Untergrundkampf beteiligen und sich keiner gewalttätiger Mittel bedienen will. Ihre Tätigkeit muß - wie ich am 15. Januar 1981 zu den Delegierten von „Solidarnosc“ sagte - vielmehr dazu beitragen, „die Moral der Gesellschaft zu heben“, was die Beziehungen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern betrifft, aber auch andere Aspekte, insbesondere das Berufsethos, die Aufmerksamkeit für die weniger Begünstigten und die Bedingungen des Familienlebens. 5. Schließlich kann ich nicht vergessen, daß Sie im Rahmen einer Pilgerfahrt nach Rom gekommen sind, und ich beglückwünsche Sie zu Ihrer 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemeinsamen Teilnahme an einem Programm, das in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung allen Söhnen und Töchtern der katholischen Kirche und ihren christlichen Brüdern und Schwestern, die sich anschließen wollen, nahegelegt wird. Es gilt, eine Umkehr zu vollziehen, damit das Leben des einzelnen, der Familie und der Gesellschaft geläutert und erneuert werde, sich von tiefem Glauben und echter Liebe durchdringen lasse und in Taten der Versöhnung und des Friedens fruchtbar zum Tragen komme. Aber Sie wissen, daß das eine Utopie ist, wenn wir uns allein auf unsere menschlichen Kräfte verlassen. Die Erneuerung muß sich in den Gewissen vollziehen, in denen die Versöhnung mit Gott gelebt und sein Heiliger Geist empfangen wird, wozu uns diese Zeit des Kirchenjahres besonders einlädt. Die Wallfahrt zum Grab der Apostel und der Märtyrer, das gemeinsame Gebet in Verbundenheit mit dem Nachfolger des Petrus und nach seinen Intentionen helfen Ihnen, damit Sie in Ihrem Land, geschart um Ihren Bischof, unter Mitarbeit aller Glieder Ihrer christlichen Gemeinden die Kirche aufbauen können. Ich wünsche jedem von Ihnen und Ihren Familien viel Glück und Gesundheit, Ihren Gewerkschaftsverbänden, Ihren Arbeitskameraden, die unter Schwierigkeiten und besonders unter Arbeitslosigkeit zu leiden haben -seien es Schweizer oder Gastarbeiter -, und Ihrem ganzen Land, das ich ja hoffentlich bald besuchen werde, von Herzen alles Gute. Ich bitte den Heiligen Geist, Ihnen sein Licht und seine Kraft zu gewähren, und erteile Ihnen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen. „Neuer Elan“ für Katechese Brief an Erzbischof Oskar Saier anläßlich des katechetischen Kongresses in Freiburg vom 14. Mai Meinem ehrwürdigen Bruder Oskar Saier, Erzbischof von Freiburg! Von Herzen grüße ich im Herrn die Teilnehmer des diesjährigen katechetischen Kongresses in Freiburg: Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien sowie alle diejenigen, die sich um eine lebendige Weitergabe des Glaubens in Eurem Land mühen. Ebenso gilt mein aufrichtiger Gruß auch den zahlreichen Gästen aus anderen Ländern. 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Motto Eures Kongresses unterstreicht genau das, worum es heute bei der Weitergabe des Glaubens geht. Den Glauben so lernen, daß er das Leben durchdringt und trägt, ist nur möglich, im lebendigen Kontakt mit einer Gemeinschaft von Glaubenden. Nur durch das konkrete Mitleben können die neu Hinzukommenden in den Glauben der Kirche hineinwachsen. Gottlob arbeiten in Eurem Land viele an der wichtigen Aufgabe mit, den Glauben an die nachfolgende Generation und an suchende Menschen überhaupt weiterzugeben: Religionslehrer in den verschiedenen Schularten, viele vor allem ehrenamtliche Mitarbeiter in der Gemeindekatechese, Erzieherinnen in den Kindergärten, Verantwortliche der kirchlichen Jugendarbeit, vor allem aber viele Eltern. Ich begrüße Euer Bemühen darum, daß sich ein brüderliches Verstehen und echte Zusammenarbeit unter denen bildet, die in den verschiedenen Bereichen tätig sind. Es wäre eine Beeinträchtigung Eurer Aufgabe, wenn Ihr auch nur einen geringen Teil Eurer Kraft in einem wenig solidarischen oder gar mißtrauischen Gegeneinander verzehren würdet. Die Welt braucht Euer gemeinsames helfendes Zeugnis des Glaubens, die Menschen brauchen es. Bemüht Euch um gegenseitigen Respekt, um inneres Einvernehmen und ein wirksames Miteinander. Dann wird es zu einer guten gemeinsamen Bereicherung kommen und zu einer fruchtbaren Erneuerung der kateche-tischen Arbeit in Eurem Land, in Einheit mit Euren Bischöfen und mit der ganzen Kirche. Vergeßt bei Eurer solidarischen Zusammenarbeit und katechetischen Unterweisung nicht die Bedeutung der Kinder und der Jugendlichen für Euch selbst. Von der Ursprünglichkeit, mit der manche von ihnen Jesus und seine Botschaft neu entdecken, könnt Ihr selbst viel lernen. Mit ihnen kann auch Euer Herz neu zu brennen beginnen. Der Auf erstandene selbst ist es, der in den Kindern und Jugendlichen mit Euch unterwegs ist, auch dann, wenn Ihr manchmal durch die Schwierigkeiten Eurer Arbeit und durch scheinbare Mißerfolge tief bekümmert seid. Ich wünsche und erbitte der Kirche in Eurem Land, was ich in meinem Schreiben über die Katechese der ganzen Kirche gewünscht habe: „Möge die Gegenwart des Heiligen Geistes auf die Fürsprache Mariens der Kirche einen neuen, nie dagewesenen Elan für die katechetische Arbeit schenken, die ihr so wesentlich ist“ (Nr. 73). Auf daß auch die Arbeiten des gegenwärtigen katechetischen Kongresses dazu einen fruchtbaren Beitrag leisten mögen, erteile ich allen Teilnehmern für Gottes erleuch- 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tenden und stärkenden Beistand von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 14. Mai 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. Die Medien müssen der Sache des Friedens wirksam dienen Botschaft zum 17. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am Sonntag, 15. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Einsatz für den Frieden: So lautet das Thema, welches der diesjährige Welttag der sozialen Kommunikationsmittel eurer Überlegung unterbreitet. Ein Thema, das von allergrößter Bedeutung und brennender Aktualität ist. In einer Welt, in der die gegenseitige Abhängigkeit aller dank der erstaunlichen Entwicklung und raschen Ausweitung der Massenmedien ständig wächst, stellen Kommunikation und Information eine Macht dar, die der großen, edlen Sache des Friedens wirksam zu dienen vermag, die aber auch Spannungen verschärfen und neue Formen von Ungerechtigkeit und Verletzung der Menschenrechte hervorrufen kann. Ich bin mir der wichtigen Rolle der Kommunikatoren voll bewußt und hielt es daher in meiner jüngsten Botschaft zum Weltfriedenstag (1. Januar 1983) zum Thema „Der Dialog für den Frieden: eine Forderung an unsere Zeit“ für notwendig, einen besonderen Aufruf an alle zu richten, die im Bereich der Massenmedien tätig sind. Sie sollten sich ermutigt fühlen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und mit größter Objektivität die Rechte, die Probleme und die Meinungen aller Beteiligten klar darzulegen, um so das Verständnis und den Dialog zwischen den verschiedenen Gruppen, Nationen und Gesellschaftsordnungen zu fördern (vgl. Friedensbotschaft, Nr. 2, in: O.R.dt., 31. 12. 1982, S. 1). 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In welcher Weise kann die soziale Kommunikation dem Frieden dienen? 2. Vor allem durch die Verwirklichung einer Kommunikationsordnung -auf institutioneller Ebene die einen korrekten, gerechten und konstruktiven Gebrauch der Information sicherstellt, indem sie Übergriffe, Mißbräuche und Diskriminierungen ausschaltet, die auf politischer, wirtschaftlicher und ideologischer Macht gründen. Es geht hier nicht in erster Linie darum, sich Gedanken über neuartige technische Verfahren zu machen, sondern vielmehr um eine Rückbesinnung auf die Grundprinzipien und Zielsetzungen der sozialen Kommunikation in einer Welt, die gleichsam zu einer großen Familie geworden ist und wo ein berechtigter Pluralismus gewährleistet sein muß auf der gemeinsamen Grundlage einer Verständigung über die wesentlichen Werte des menschlichen Zusammenlebens. Für die einzelnen Kommunikatoren wie auch für die Rezipienten ist daher eine umsichtige Bewußtseinsbildung erforderlich. Von seiten der öffentlichen Stellen, der Gesellschaft und der internationalen Institutionen werden angemessene, richtige und mutige Entscheidungen verlangt. Nur eine rechte Ordnung der sozialen Kommunikationsmittel und eine ausgewogene Beteiligung an ihrem allgemeinen Nutzen bei voller Achtung der Rechte aller erzeugen ein günstiges Klima für den Dialog, in dem sich die Bürger, Nationen und die verschiedenen Kulturen gegenseitig bereichern, wogegen Ungerechtigkeiten und Unordnung in diesem Bereich Konfliktsituationen heraufbeschwören. So stellen einseitige Informationen, die von oben oder von den Markt- und Werbegesetzen willkürlich aufgenötigt werden, Konzentrationen, die zum Monopol führen, und jede Art von Manipulation, nicht bloß einen Anschlag auf die rechte Ordnung der sozialen Kommunikation dar, sondern verletzen schließlich auch die Rechte auf verantwortungsbewußte Information und gefährden den Frieden. '3. Kommunikation dient, zum zweiten, dem Frieden, wenn sie durch ihre Inhalte konstruktiv zum Geist des Friedens erzieht. Information ist ja, wenn man es recht überlegt, niemals neutral, sondern korrespondiert immer, zumindest implizit und in ihren Absichten, mit grundsätzlichen Zielvorstellungen. Ein tiefer Zusammenhang verbindet Kommunikation und Werterziehung. Geschicktes Hervorheben oder Verzerren wie auch gezieltes Verschweigen sind in der Kommunikation von tiefer Wirkung. Die Formen und Weisen, in denen Situationen und Problemfelder wie Entwicklung, Menschenrechte, Beziehungen zwischen den Völkern, ideologische, soziale und politische Konflikte, nationale Ansprüche oder der 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rüstungswettlauf - um nur einige Beispiele zu nennen - dargeboten werden, beeinflussen daher direkt oder indirekt die Bildung der öffentlichen Meinung und das Entstehen von Gesinnungen, die entweder auf den Frieden zielen oder aber auf gewaltsame Lösungen ausgerichtet sind. Wenn die soziale Kommunikation ein Werkzeug des Friedens sein soll, muß sie die einseitigen und parteiischen Erwägungen überwinden, indem sie Vorurteile beseitigt und statt dessen einen Geist der Verständigung und gegenseitiger Solidarität schafft. Die echte Annahme der Logik des friedlichen Zusammenlebens in der Verschiedenheit erfordert die ständige Anwendung der Methode des Dialogs, die das Recht aller Parteien auf Existenz und freie Meinungsäußerung anerkennt, gleichzeitig aber deren Pflicht deutlich macht, sich gemeinsam um jenes höchste Gut zu bemühen, welches der Friede ist, dem heute als dramatische Alternative die Drohung der atomaren Zerstörung der menschlichen Zivilisation gegenübersteht. Infolgedessen ist es heute um so notwendiger und dringender, für die Werte eines umfassenden Humanismus einzutreten, der auf der Anerkennung der wahren Würde und der Rechte des Menschen gründet und offen ist für die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Solidarität zwischen Personen, Gruppen und Nationen in dem Bewußtsein, daß ein und dieselbe Berufung die gesamte Menschheit vereint. 4. Schließlich dient die soziale Kommunikation dem Frieden, wenn vor allem die Journalisten und Medienschaffenden aktive Mitgestalter des Friedens sind. Die besondere Verantwortung und die unersetzbaren Aufgaben, die die Kommunikatoren in bezug auf den Frieden haben, leiten sich aus der Betrachtung über die Mittel und die Macht her, die in ihren Händen liegt, um - mitunter entscheidend - die öffentliche Meinung und nicht zuletzt die Regierenden selbst zu beeinflussen. Gewiß müssen den Kommunikatoren für die Ausübung ihrer wichtigen Aufgaben grundlegende Rechte, wie der Zugang zu den Informationsquellen und die Möglichkeit zur objektiven Darstellung der Tatsachen, eingeräumt werden. Andererseits aber ist es auch notwendig, daß die Journalisten und Medienschaffenden über die Forderungen einer rein individualistisch verstandenen Ethik hinausgehen und sich vor allem nicht von offenen oder verborgenen Machtgruppen manipulieren lassen. Sie müssen vielmehr bedenken, daß sie über die vertragsmäßigen Verantwortlichkeiten gegenüber Informationsorganen und geltenden Gesetzen in der jeweiligen 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesellschaft hinaus auch klare Verpflichtungen gegenüber der Wahrheit, der Öffentlichkeit und dem Gemeinwohl haben. Wenn es den Kommunikatoren gelingt, bei der Erfüllung ihrer Aufgabe, die eine echte Sendung darstellt, sachlich und unparteiisch zu informieren, das gegenseitige Einvernehmen und den Dialog zu fördern und das Verständnis und die Solidarität zu stärken, dann haben sie einen großartigen Beitrag zur Sache des Friedens geleistet. Euch, liebe Brüder und Schwestern, vertraue ich diese meine Überlegungen unmittelbar zu Beginn des außerordentlichen Heiligen Jahres an, mit dem wir das 1950. Jubiläum der Erlösung des Menschen feierlich begehen wollen, die von Jesus Christus, dem „Friedensfürsten“ (vgl. Jes 9, 6), vollbracht wurde, von ihm, der „unser Friede ist“ und der kam, um „den Frieden zu verkünden“ (vgl. Eph 2, 14, 17). Während ich auf euch und auf alle, die in der sozialen Kommunikation tätig sind, das göttliche Geschenk des Friedens herabrufe, der „die Frucht des Geistes“ ist (vgl. Gal 5, 22), erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 25. März 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. Mutig für die Wahrheit gekämpft Predigt bei der feierlichen Seligsprechung der Salesianermärtyrer Luigi Versiglia und Callisto Caravario auf dem Petersplatz am 15. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das Evangelium dieses Sonntags zwischen der Himmelfahrt Christi und der Erwartung des Heiligen Geistes paßt in seinem tiefsten Gehalt gut zu der feierlichen Seligsprechung der beiden neuen Märtyrer, die die Kirche heute der Verehrung der Gläubigen vorstellt. Und auch die erste Lesung der Messe, die an das Opfer des ersten christlichen Märtyrers, Stefanus, erinnert, stimmt damit überein. Bischof Luigi Versiglia und der junge Priester Don Callisto Caravario sind in der Tat die „Erzmärtyrer“ der Salesianer-Kongregation, die sich aus diesem freudigen Anlaß hier um den Altar des Herrn versammelt hat. Ihre Freude ist die Freude der 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen Kirche: aber man wird verstehen, daß sie für das Institut der Salesianer einen ganz besonderen Charakter hat, denn diese feierliche Zeremonie besiegelt gewissermaßen in bedeutsamem Rahmen über ein Jahrhundert Missionsarbeit in allen Kontinenten, angefangen von Patagonien und dem Feuerland. So wird eine prophetische Schau des Ordensgründers, des hl. Johannes Bosco, Wirklichkeit, der, wenn er für seine Söhne mit Vorliebe vom Fernen Osten träumte, wunderbare Früchte voraussagte und von „Kelchen voll Blut“ sprach. Wer das Wort Gottes empfängt und es in seinem Herzen bewahrt, wird unweigerlich zum Objekt des Hasses der Welt (vgl. Joh 17, 14). Märtyrer sind jene Menschen, die es um der Treue zu diesem Wort vom ewigen Leben willen auf sich nehmen, daß der Haß der Welt soweit geht, sie des irdischen Lebens zu berauben. Sie geben ein besonders lebendiges Zeugnis von dem Wort des Herrn, wonach der, der sein Leben für ihn „verliert“, es gewinnen wird (vgl. Mt 10, 39). 2. Das Martyrium setzt bei den Mördern - wie es traditionsgemäß heißt -den „Haß gegen den Glauben“ voraus: um seines Glaubens willen wird der Märtyrer getötet. Und so ist es. Dieser Haß gegen den Glauben äußert sich im allgemeinen auf zwei verschiedene Weisen: entweder richtet er sich direkt gegen die Verkündigung des Gotteswortes oder gegen eine bestimmte sittliche Handlung, die ihren Ursprung und ihre Begründung im Glauben findet. Immer wird der Märtyrer wegen seines Glaubenszeugnisses getötet: im ersten Fall wegen eines ausdrücklichen und direkten Zeugnisses; im zweiten Fall wegen eines implizit gegebenen und indirekten Zeugnisses, das aber darum nicht weniger echt, ja gewissermaßen sogar verständiger ist, da es ja in den Früchten des Glaubens, d. h. in den Werken der Nächstenliebe, Gestalt annahm. In diesem Sinne kann der Apostel Jakobus mit vollem Recht sagen, „Ich zeige dir meinen Glauben aufgrund der Werke“ (Jak 2, 18). So kommt es also, daß die Mörder nicht nur dann ihren Haß gegen den Glauben kundtun, wenn sie gegen die ausdrückliche Glaubensverkündigung Gewalt anwenden, wie im Fall des Stefanus, der rief, er „sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen“ (Apg 7, 56), sondern auch, wenn sich diese Gewalt gegen die Werke der Nächstenliebe entlädt, Werke, die objektiv und tatsächlich im Glauben ihre Rechtfertigung und ihren Beweggrund haben. Sie hassen, was dem Glauben entspringt, und sie geben ihren Haß gegen den Glauben zu erkennen, der die Quelle ist. So auch im Fall der beiden Salesianermärty- 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rer. Zu dieser Schlußfolgerung sind die Akten des Seligsprechungsprozesses gelangt. 3. Nach der Lehre und dem Vorbild des göttlichen Meisters ist das Martyrium, mit dem einer sein Leben für die Freunde hingibt, das Zeichen der größten Liebe (vgl. Joh 15, 13). Dem stimmen die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu, wenn es ausführt: „Das Martyrium, das den Jünger dem Meister in der freien Annahme des Todes für das Heil der Welt ähnlich macht und im Vergießen des Blutes gleichgestaltet, wertet die Kirche als hervorragendes Geschenk und als höchsten Erweis der Liebe“ (Lumen gentium, Nr. 42). Der Grund dafür ist, wie der hl. Thomas erläutert (Summa Theol., II—II, q. 124, a 3), daß mit dem Martyrium der Erweis erbracht wird für den Verzicht auf das Kostbarste, was wir haben, nämlich das Leben, und für die Annahme des Schlimmsten, nämlich des Todes, besonders wenn ihm noch Folterqualen vorausgehen. Die beiden Salesianermärtyrer haben ihr Leben für die Rettung und moralische Unversehrtheit des Nächsten hingegeben. Sie stellten sich nämlich persönlich zum Schutz und zur Verteidigung vor drei junge Missionsschülerinnen, die sie zu ihren Familien oder zur Katechese begleiteten. Sie verteidigten um den Preis ihres Blutes die von jenen jungen Frauen verantwortlich getroffene Entscheidung zur Keuschheit, als sie in Gefahr waren, in die Hände von Männern zu fallen, die diese Entscheidung nicht respektiert hätten. Also ein heroisches Zeugnis der Keuschheit, das auch der heutigen Gesellschaft den hohen Wert und Preis dieser Tugend in Erinnerung ruft, deren Schutz, verbunden mit der Achtung und Förderung des menschlichen Lebens, wohl verdient, daß man das eigene Leben aufs Spiel setzt, wie wir es auch an anderen leuchtenden Beispielen der christlichen Geschichte, von der hl. Agnes bis zur hl. Maria Goretti, sehen und bewundern können. 4. Die großartige Liebestat der beiden Märtyrer findet ihre umfangreiche Bedeutung im Rahmen jenes evangelischen Dienstes, den die Kirche seit den Tagen von P. Matteo Ricci für das große und edle chinesische Volk entfaltet. Denn zu allen Zeiten und an allen Orten ist das Martyrium auch eine Liebesgabe an die Brüder und insbesondere an das Volk, für das sich der Märtyrer hingibt. Das Blut der beiden Seligen liegt der chinesischen Kirche zugrunde, so wie das Blut des Petrus der Kirche von Rom zugrunde liegt. Wir müssen also das Zeugnis ihrer Liebe und ihres 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dienstes als ein Zeichen tiefer Übereinstimmung zwischen dem Evangelium und den höchsten Werten der Kultur und der Spiritualität Chinas betrachten. In diesem Zeugnis läßt sich das Opfer, das Gott dargebracht wurde, nicht vom persönlichen Einsatz für das Volk und die Kirche Chinas trennen. Das Christentum fühlt sich, wie seine zweitausendjährige Geschichte bis in unsere Tage beweist, bei allen Kulturen und allen Zivilisationen zu Hause, ohne sich mit irgendeiner zu identifizieren. Es findet eine unmittelbare Übereinstimmung mit allem, was in ihnen Wert und Gültigkeit besitzt, denn beide - Christentum und Kultur - haben ein und denselben göttlichen Ursprung, ohne daß aber die Gefahr der Verwirrung oder der Konkurrenz bestünde, denn sie stützen sich ja auf zwei verschiedene Wirklichkeiten: auf die Ordnung der Gnade bzw. die der Natur. Der freudige Anlaß dieser feierlichen Seligsprechung weckt und bestärkt in uns die Hoffnung auf einen Fortschritt bei der Entwicklung der Strukturen und des Dialogs, die darauf abzielen, in der christlichen Bevölkerung Chinas das Bedürfnis zu fördern, die Dimension des gesellschaftlichen Einsatzes und Nationalbewußtseins auf jene der Gemeinschaft mit der Universalkirche abzustimmen: ein Bedürfnis, das der Botschaft Christi innewohnt und den tiefsten Erfordernissen der Nationen und der Kulturen entspricht. Die Kultur, jede Kultur, steigt auf zu Christus, und Christus steigt in jede Kultur herab. Möge auch China, wie jede andere Nation der Erde, diesen Punkt der Begegnung immer besser begreifen. 5. Aber da ist noch ein anderer Gedanke, der unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht. Hinter dieser tragischen und zugleich großartigen Episode stehen ganz offensichtlich zwei miteinander unvereinbare Vorstellungen von der Frau: einmal die Vorstellung von der Frau als Person, der es verantwortlich um die Verwirklichung ihrer moralischen Würde geht, wobei sie von der menschlichen und gesellschaftlichen Umwelt entsprechende Förderung und Schutz erfährt: und eben das ist die Entscheidung der beiden Märtyrer und der drei ihnen anvertrauten jungen Frauen; und andererseits die Vorstellung von der Frau als Lustobjekt und Mittel für ähnliche Zwecke. Dafür haben sich die Mörder entschieden. Diese beiden gegensätzlichen Vorstellungen von der Frau haben in der -Heiligen Schrift und in der christlichen Tradition eine enge Beziehung zur Gestalt Mariens, deren getreue Verkörperung bzw. totale Leugnung sie darstellen. In den beiden Märtyrern war schon seit langem die Vorstellung von der Frau und ihrer Würde im Licht des Vorbildes Mariens gereift. Sie 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren also auf die Auseinandersetzung mit den Räubern, so unvermutet und unvorhergesehen dieser Überfall auch war, vorbereitet. Sie starben im Lichte Mariens, die sie ihr ganzes Leben lang kindlich verehrt und verkündet hatten. Der Weg, der sie zum äußersten Opfer führte, begann mit dem Segen und unter dem Schutz der Muttergottes, Maria Ausiliatrice, der Patronin der Salesianer-Gemeinschaft. Der verhängnisvolle Überfall ereignete sich zu Mittag, unmittelbar nachdem die Gruppe die Gottesmutter mit dem Angelusgebet gegrüßt hatte. Dieses wunderbare Gebet bereitete auf den siegreichen Kampf gegen die hinterhältigen Gefahren des Bösen vor. Die Namen Jesus, Maria und Josef erklangen laut aus dem Mund der „Hirten und der Schäfchen der Herde“ nach den ersten Anzeichen einer harten Auseinandersetzung mit den Feinden des Glaubens und der Keuschheit, die nicht gewillt waren, sich die Beute entgehen zu lassen, auch nicht um den Preis des Verbrechens. 6. Msgr. Versiglia und Don Caravario haben nach dem Vorbild Christi in vollkommener Weise das Ideal des evangelischen Hirten verkörpert: des Hirten, der zugleich „Lamm“ ist (vgl. Offb 7, 17), der sein Leben hingibt für die Schafe (vgl. Joh 10, 11), Ausdruck des Erbarmens und der Güte des Vaters; aber zugleich das Lamm „in der Mitte vor dem Thron“ (Offb ebd.); der siegreiche „Löwe“ (vgl. Offb 5, 5), der mutig für die Sache der Wahrheit und der Gerechtigkeit kämpft, der Verteidiger der Schwachen und Armen, Sieger über das Übel der Sünde und des Todes. Darum ist heute, mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrem blutigen Opfer, die Botschaft der neuen Seligen eindeutig und aktuell. Wenn die Kirche den Gläubigen Lebensmodelle vor Augen stellt, so tut sie das auch in Anbetracht der besonderen pastoralen Bedürfnisse der Zeit, in der eine solche Proklamation stattfindet. Wir haben also die Aufgabe, vor allem dem Herrn zu danken, daß er uns durch die Fürbitte der neuen Seligen neues Licht und neue Kraft auf unserem Weg zur Heiligkeit schenkt, aber zugleich auch den Vorsatz, über ihr Beispiel nachzudenken und es entsprechend unseren Kräften und in Verbindung mit den verschiedenen Verantwortlichkeiten und Umständen nachzuahmen. Ich denke dabei vor allem an die Salesianer-Mitbrü-der, doch das Vorbild eines Heiligen gilt ja immer für die ganze Kirche. Christus schenke uns seinen Geist, damit uns das gelingen kann. Die seligste Jungfrau, Maria Ausiliatrice, stehe uns in diesen heiligen Vorsätzen mütterlich bei. 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Regel des „poverello“ Ansprache an das Generalkapitel des Dritten Regular-Ordens des hl. Franz von Assisi am 19. Mai Liebe Patres des Dritten Regular-Ordens des hl. Franz! 1. Es ist eine große Freude für mich, euch anläßlich des 106. Generalkapitels des Ordens zu empfangen, das zusammengetreten ist, um den neuen Generalminister zu wählen und die Lage des Ordens in den verschiedenen Teilen der Welt, in denen zu wirken der Herr euch beruft, zu überprüfen, euren apostolischen Arbeiten einen Auftrieb an Lebenskraft für die nächste Zukunft zu verleihen und euer Ordensleben im Lichte des Gründungscharismas einer Prüfung zu unterziehen. Ich danke euch für euren Besuch und begrüße euch alle und jeden einzelnen von Herzen. Während ich euch ermutige, immer schnelleren Schrittes voranzugehen, fordere ich euch auf, die Grundlagen des franziskanischen Ideals euren Kommunitäten und in der heiligen Kirche Gottes lebendig zu halten. 2. Eure Anwesenheit hier, im Hause des gemeinsamen Vaters, erinnert mich an die Ankunft des hl. Franz vor 773 Jahren: Nachdem er die ersten Jünger - 12 wie die Zahl der Apostel - um sich gesammelt und die erste Regel für ihr Leben abgefaßt hatte, die die absolute Armut und die unerschöpfliche Liebe zur Grundlage hatte, wollte er persönlich nach Rom kommen, um sie Papst Innozenz III. zur Approbation zu unterbreiten. Die Regel des hl. Franz von Assisi, des „poverello“, ist vom Geist des Evangeliums durchdrungen. Und das ist der Grund für die unwiderstehliche Anziehungskraft, die Jahrhunderte hindurch vom Heiligen von Assisi ausging. Das ist die Erklärung für jenes Geheimnis, das von der ersten Gruppe der zwölf „Büßermönche“ an das blühende Wachstum der großen und mannigfachen franziskanischen Ordensfamilie ermöglicht hat, die sich in der Geschichte der Kirche im Dienste des Gottesvolkes so wohlverdient gemacht hat. Euer Dritter Orden, der der charismatischen Inspiration des hl. Franz entspringt, verbindet sich wieder direkt mit ihm, vor allem, weil der Heilige aus Assisi selber ihn förderte, um die zur Beobachtung der Dritten Regel nötige Kraft zu gewährleisten. Glühende Liebe, Tiefe in der schwierigen Tugend der Demut, Freude an 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Armut. Mit anderen Worten: Nachfolge Jesu, Liebe zu den Brüdern, Selbstentäußerung, Tätigkeit und Beschaulichkeit. Das sind die echten Prinzipien der franziskanischen Spiritualität, die die Frucht vollkommener Freude schenken. 3. Wiederholt wurde vom Apostolischen Stuhl daran erinnert, daß Direktiven bezüglich der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten Erneuerung des Ordenslebens in erster Linie auf eine innere Reform abzielen. Das Bemühen der Ordnungsinstitute um ein Aggiornamento der Zielsetzungen und Methoden wäre vergeblich, wenn es nicht von Vertiefung und Wiederbelebung der Spiritualität inspiriert und begleitet würde. Liebe Patres, die moderne Welt dürstet nach der Frohbotschaft. Wenn die Verkündigung des außerordentlichen Jubiläumsjahres, das angesagt wurde, um die 1950 Jahre seiner Erlösung zu feiern, die Hochherzigkeit des ganzen Gottesvolkes durch eine persönlichere und lebendigere Begegnung mit seinem Erlöser anspornen will, so erwartet man dieses Ziel um so mehr von den geweihten Seelen. Es ist die unerläßliche Voraussetzung für das göttliche Werk der Evangelisierung der Welt. So werden die unablässige Erforschung der glaubwürdigsten Quellen eurer Geschichte, der Eifer, sie wieder lebendig zu machen und im Geist des Evangeliums nach dem Vorbild des großen Heiligen von Assisi zu leben, eine Stütze für die ständige Entwicklung der Kirche Gottes. Mit diesem Wunsch erteile ich euch und eurem Orden den gnadenreichen Apostolischen Segen. „Es geht um die Konkretisierung der Soziallehre“ Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Fachkonferenz der Konrad-Adenauer-Stiftung über die Enzyklika „Laborem exercens“ am 27. Mai Sehr verehrte Damen und Herren! Herzlich heiße ich Sie heute im Vatikan willkommen. Mit lebhaftem Interesse habe ich von Ihrer Fachkonferenz über die Enzyklika „Laborem exercens“ in der Trägerschaft der Konrad-Adenauer-Stiftung erfahren. Sie haben sich dafür neben einigen grundsätzlichen Überlegungen zu 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Recht auch die Frage gestellt, welche konkreten Möglichkeiten es gebe, nach dem Maßstab dieses sozialen Rundschreibens Menschenwürde, Solidarität, Gerechtigkeit und Freiheit immer umfassender zu verwirklichen. Oder anders gesagt: Wie können die realen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Bedingungen in verschiedenen Ländern und Kontinenten aus der Sicht von Laborem exercens sowie der früheren großen Dokumente der Päpste zur sozialen Frage verbessert werden? Um Konkretisierung also geht es Ihnen. Das entspricht genau den Intentionen dieser Sozialenzyklika des päpstlichen Lehramtes. Sie legt Grundprinzipien vor, dem Menschenbild des katholischen Glaubens entnommen. Notwendigerweise bleibt sie dabei auf der Ebene des mehr Allgemeinen. Das Lehramt der Kirche muß diese Zurückhaltung üben und kann zu sozialen und wirtschaftlichen Themen nur prinzipielle Aussagen machen. Ebenso wahr und zwingend ist es aber, daß dann die Konkretisierung folgen muß, und zwar in Verantwortung der jeweiligen Ortskirchen und mit Hilfe von zuständigen Wissenschaftlern und Fachleuten auf dem Gebiet der Soziologie, der Sozialpolitik und der Wirtschaft. Die Prinzipien der Enzyklika drängen zur Konkretisierung. Das Fehlen ausgeführter konkreter Modelle in der Enzyklika darf keineswegs zu einem bequemen Ausweichen vor der konkreten Anwendung führen, etwa mit dem Argument, daß sie ja selbst kaum praktische Wege aufzeige. Gewiß, die Vorlage und Erprobung solcher Handlungsmodelle geschieht auch in Auseinandersetzung mit Ansprüchen aus dem materiell-sachhaften Bereich, wie zum Beispiel der wirtschaftlichen Effizienz. Diese an sich normale Auseinandersetzung darf jedoch nicht prinzipiell und von vornherein zugunsten der sogenannten Sachzwänge entschieden werden. Denn gerade das will die Enzyklika Laborem exercens aufzeigen: Der Mensch darf nicht in erster Linie und erst recht nicht ausschließlich als Sache, als Objekt definiert und wie ein rein quantitativer Faktor in wirtschaftliche Berechnungen eingesetzt werden, sondern muß zuallererst als Subjekt mit einer unverfügbaren Würde anerkannt werden. Die Suche nach einem möglichst menschenwürdigen und sinnvollen Zusammenspiel der verschiedenen Wertbereiche führt natürlich im allgemeinen zu einer Mehrzahl von möglichen Modellen, aus denen das eine oder andere in Bereitschaft zu Kompromiß und Korrektur ausgewählt und erprobt werden muß. Dabei werden wir oft schmerzhaft erfahren, daß hier und heute immer nur begrenzte Möglichkeiten gegeben sind, das volle Ideal zu verwirklichen. Bei diesem mühevollen Suchen stellen die einzelnen Kulturkreise der Erde keine Inseln dar, sondern müßten sich vielmehr gegenseitig die Augen öffnen für bisher ungesehene Möglichkeiten der 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gestaltung des sozialen Zusammenlebens und sich zu deren geduldiger Erprobung ermutigen. Unter dieser Rücksicht halte ich es für besonders sinnvoll, wenn Sie bei Ihrer Fachkonferenz jeweils die europäische mit der entsprechenden lateinamerikanischen Erfahrung konfrontieren. Zum Schluß darf ich Ihnen versichern, daß ich mit reger geistiger Anteilnahme Ihre Beratungen verfolge und das gute Gelingen dieser Tagung in mein Gebet einschließe. Gott segne Ihr Wirken und lasse es den Menschen zugute kommen! Bevor ich diese Audienz beende, möchte ich meine allerherzlichsten Grüße an die spanischsprechenden Teilnehmer dieser von der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten Konferenz richten. Geliebte Brüder und Schwestern, ich möchte Ihnen für die Freundlichkeit und Liebe danken, die Sie dem Stellvertreter Christi mit diesem Besuch erwiesen haben. Ich danke Ihnen sehr für diese Begegnung. Als Erinnerung an diese Tage, in denen Sie sich mit der Enzyklika Laborem exercens befaßt haben, möchte ich Sie, Ihre Familien und alle Menschen der unvergeßlichen lateinamerikanischen Länder ermutigen, sich weiterhin für den Aufbau einer Gesellschaft einzusetzen, die wirklich die uneigennützige und großzügige Liebe Christi, des Erlösers, widerspiegelt. Auf diese Weise wird es auch möglich sein, eine immer gerechtere, freiere und verantwortungsbewußtere Gesellschaft zu erreichten, in der der Mensch danach bewertet wird, was er ist, nämlich ein Geschöpf Gottes, und nicht danach, was er besitzt. Der Herr möge alle lateinamerikanischen Familien beschützen und ihnen immer die Fülle seiner Gaben gewähren. Von Herzen erteile ich Ihnen meinen Segen. Vorbeugung schafft wertvolle Voraussetzung für wirksame Hilfe Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses für Katastrophenmedizin am 28. Mai 1. Ich freue mich über diese Begegnung, die mir die Gelegenheit bietet, Sie, sehr geehrte Herren, zu begrüßen, die Sie in Rom zum Dritten Weltkongreß für Notstandmaßnahmen und Katastrophenmedizin zusammengekommen sind. Insbesondere begrüße ich, zusammen mit Msgr. 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fiorenzo Angelini, den Präsidenten des Kongresses und der Internationalen Gesellschaft für Katastrophenmedizin, Prof. Corrado Manni, dem ich für die Worte danke, die er im Namen aller an mich gerichtet hat und in denen er das Wesen des Kongresses und dessen Zielsetzungen erläuterte. Die internationale Gesellschaft für Katastrophenmedizin setzt sich zum Ziel, auf internationaler Ebene gemeinsam mit anderen wohlverdienten Organisationen ein gemeinsames Arbeitsprogramm für den optimalen Einsatz der medizinischen Rettungsmaßnahmen und -methoden zu fördern und zu koordinieren. Darüber hinaus nimmt sie sich vor, die entsprechenden Forschungen zur Behandlung von Massenverletzungen zu ermutigen. Denn die Katastrophenmedizin ist eine Medizin für eine Masse von Betroffenen und verlangt als solche ganz besondere Kriterien, Mittel und Methoden sowohl der Verhütung wie des Eingriffes. Es ist sehr wohl begreiflich, daß die Kirche voll Interesse auf einen so umfassenden und wichtigen Sektor der Hilfe blickt. Sie, die in der Sorge Christi für die Kranken (vgl. Mt 9, 35) das maßgebliche Beispiel für ihr eigenes Verhalten sieht, hat den leidgeprüften Menschen stets besondere Aufmerksamkeit erwiesen. Solte man sich dann wundern, wenn diese Aufmerksamkeit womöglich noch intensiver und teilnahmsvoller wird, wenn die Heimsuchung über ganze Massen hereinbricht, wie kürzlich auch in Italien und in anderen Weltgegenden geschehen ist? In diesem Sinne also anerkennt und würdigt die Kirche in der Katastrophenmedizin die Ausweitung und immer intensivere Bewußtwerdung der primären und zwingenden Verpflichtung, dem zu helfen, der leidet. 2. Die technologische Entwicklung unserer Zeit hat nicht nur positive Aspekte mit sich gebracht: Nicht selten sind wir Zeugen und Opfer von Katastrophen, die von Eingriffen des Menschen selbst ausgelöst oder verschlimmert wurden, der heute über Mittel von unerhörter Zerstörungskraft verfügt. Zu den sogenannten Naturkatastrophen gesellen sich deshalb vom Menschen ausgelöste Verheerungen. Die moderne Technologie bietet aber auch außerordentliche Hilfsmöglichkeiten. Diesen Möglichkeiten widmet sich die Katastrophenmedizin, deren Aufgabe es ist, Ursachen und Wirkungen der Katastrophen zu studieren, gesammelte Erfahrungen zu koordinieren und zu verwerten und die laufende Entwicklung der Techniken vorauszuplanen. Eine harte Grenze wird dem Eingreifen der Katastrophenmedizin zweifellos durch Ausmaß und Art der Katastrophe gesetzt: insofern diese nämlich einen Katastrophen-Randbereich unversehrt und zugänglich lassen, wird das Eingreifen einer geeigneten Medizin leichter und wirksamer sein. 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Da jedoch der Notfall das Zeichen und Vorrecht der Katastrophenmedizin ist, wird diese niemals kapitulieren dürfen, was immer auch ihre Grenzen an Raum, Personal und verfügbaren Mitteln sein mögen. Das Leid schafft neue Solidaritäten Elementare, auch alte Techniken können entscheidend sein, wenn sie rechtzeitig vorbereitet und vernünftig angewendet werden und vor allem, wenn sie imstande sind, den größtmöglichen Teil der geeigneten Kräfte ordnungsgemäß zu koordinieren, obgleich die außergewöhnlichen Umstände gerade die Organismen, die bestimmt wären, ihnen zu begegnen, meistenteils unvorbereitet finden; und man klug, rasch und mit geeigneten Mitteln die Not und die Bedürfnisse bewältigen muß. Die Naturkatastrophen der jüngsten Zeit haben außerdem die Dringlichkeit einer Territorialpolitik an den Tag gelegt, die die Katastrophenmedizin fördern muß, eben weil eine solche Politik zu der Vorbeugung gehört, die eine der Aufgaben der Katastrophenmedizin ist. Die Vorbeugung erlaubt in der Tat auf diesem Gebiet eine größere Beteiligung und entfaltet zugleich ein Werk allgemeinerer Sensibilisierung, die eine wertvolle Voraussetzung für die Verteidigung der einzelnen Menschen und ihrer Gesundheit ist. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, dessen sich die Katastrophenmedizin annehmen muß. Die Katastrophe schafft oft eine unerfreuliche Spannung zwischen der Hochherzigkeit des Eingreifens und ihrer vernünftigen Anwendung, unerläßliche Elemente, die sich jedoch wegen der von der Katastrophe ausgelösten Verwirrung wechselseitig schaden können. Deshalb verlangt die Katastrophenmedizin eine wachsame Koordinierung der Kräfte, kluge und pragmatische Verwendung der Hilfsmittel und eine klare Sicht der Prioritäten. Immer wenn ein Mißverhältnis besteht zwischen dem Übel, das zu beheben ist, und den für seine Beseitigung verfügbaren Mitteln, muß klar bewußt werden, was unerläßlich ist. 3. Die Internationale Gesellschaft für Katastrophenmedizin ist eine Weltorganisation. Jeder sieht, welche Vorteile auf der Ebene der Arbeit eine immer hochherzigere Zusammenarbeit aller bestehenden Kräfte bietet. Deshalb die dringende Notwendigkeit des Ausbaus der nationalen und internationalen Organisationen, die für die gegenseitige Hilfe tätig sind. Unter diesem Blickpunkt muß viel getan werden, um ideologische Schranken, politische Vorurteile, geheime oder offene kommerzielle Interessen zu überwinden. Wo das Leid uns an die wesenhafte Gleichheit 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der menschlichen Situation erinnert, muß das Erfordernis der gegenseitigen Hilfe überwiegen, indem sich diese in ein aggregierendes Element verwandelt, das neue Solidaritäten reifen läßt. Im besonderen wird es notwendig sein, sich auf dem Gebiet der Vorbeugung einzusetzen. Es gibt in der Tat zyklisch eintretende Katastrophen, die mit pünktlicher und dramatischer Regelmäßigkeit bestimmte geographische Bezirke der Erde heimzusuchen scheinen, und es ist zudem geschichtlich erwiesen, daß die schwächsten Völker derartigen Katastrophen am meisten ausgesetzt sind, so daß ihre Bitte um Hilfe eine ständige Gegebenheit ist, die nicht schuldlos unbeachtet bleiben kann. Der Appell ergeht also an die reicheren Länder, die internationalen Organisationen, die Großindustrien, an alle, die über größere Mittel verfügen. Die wirtschaftlichen Ziele dürften dabei nicht ausgeschlossen werden. Die Katastrophenmedizin antwortet auf ein Bedürfnis, das von der Menschheit in immer höherem Maße empfunden wird. Der Fortschritt unserer Zeit gestattet es, dem in immer passenderen und wirksameren Formen nachzukommen. Die Menschen oder Gesellschaften, die es versäumen, die entsprechenden Schutzmaßnahmen vor den Heimsuchungen vorzubereiten, die unvermeidbar oder aber auch durch ihr Verschulden über sie hereinbrechen, werden sich nicht als eines echten Fortschritts fähig bezeichnen können. 4. Da der Mensch Leib und Geist zugleich ist, ergibt sich schließlich sehr klar, welch bedeutenden Beitrag auch in Ihrem Bereich der Glaube auf der Ebene der Sensibilisierung wie auf der der eigentlichen Eingriffe leisten kann. Die Katastrophen verursachen immer heilbare und unheilbare Wunden. Die einen wie die anderen gelten nicht allein dem direkt Betroffenen, sondern seiner Familie, der Umwelt, den Mitteln, allem. Das Unglück trifft seine Opfer bis in die tiefsten Wurzeln der Seele, und es ist nicht erstaunlich, wenn sich unter denen, die es erleiden, lebhafter das Bedürfnis kundtut, sich an Gott zu wenden als die letzte Zuflucht in Situationen von äußerster Schwierigkeit. Die Katastrophenmedizin, der es obliegt, am dringendsten und stärksten einzugreifen, kann diesen Aspekt nicht außer acht lassen, sondern muß auch mit denen Zusammenarbeiten, die, im Bewußtsein, nicht alle durch die Katastrophe hervorgerufenen Verletzungen vollständig heilen zu können, sie zu lindern versuchen durch den Trost des Glaubens, durch den Hinweis auf das ewige Leben und auf die über den Tod hinausgehende Hoffnung. Diese Zusammenarbeit kann sich - wie die Tatsachen bewei- 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sen - als wertvoll herausstellen. Wissenschaft und Gewissen, materielle Mittel und Reichtum des Geistes sind unerläßliche Voraussetzungen einer wirksamen Katastrophenmedizin, die der ganzen Wahrheit des menschlichen Seins Rechnung tragen will. Sehr verehrte Herren, mit dem Wunsch, daß dieser moderne Zweig der Medizin wachsende Bestätigung als eine der edelsten Ausdrucksweisen des heutigen menschlichen und zivilen Fortschritts erfahren möge, erflehe ich für Sie und Ihre Arbeit die ständige göttliche Hilfe und segne Sie von Herzen. Diplomatie kann auch Apostolat sein Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Diplomantenakademie am 28. Mai Herr Präsident! Liebe Priester der kirchlichen Akademie! 1. Die Freude über diese Begegnung, die sich jedes Jahr treulich wiederholt, hat diesmal eine besondere Prägung und Intensität. Denn sie findet in eurem Haus statt, am Sitz dieses vortrefflichen Instituts, das in den vielen Jahren seit seiner Gründung geeignete Priester für den Dienst des Hl. Stuhls im Staatssekretariat wie an den päpstlichen Vertretungen, die über die verschiedenen Nationen der Welt verstreut sind, vorbereitet hat. Eurem Wunsch, am Ende des Studienjahres vom Papst ein Wort der Ermutigung und Weisung zu erhalten, wollte ich auch deshalb durch meinen Besuch nachkommen, um die Herzlichkeit der Begegnung zu unterstreichen und hinter euren frohen, jungen Gesichtern besser euren entschlossenen Vorsatz wahrnehmen zu können, euer Leben voll Ernst und Eifer der Sache Christi und der Kirche zu widmen. Das Reich Christi ausbreiten Ich möchte zunächst dem Präsidenten, Msgr. Cesare Zacchi, einen besonderen Gruß und Dank bezeigen. Außerdem freue ich mich, euch so zahlreich zu sehen, und ich weiß, daß einige von euch im Begriff sind, Rom - die Ewige Stadt, das Zentrum der Katholizität, auf das ihr in 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurem Dienst ständig werdet Bezug nehmen müssen - zu verlassen, um an die Vertretungen zu gehen, wo ihr die neue Arbeit beginnt. Diesen lieben Priestern, die vor der Abreise stehen, gilt mein aufrichtiger Wunsch für ein fruchtbares und gesegnetes Apostolat. 2. Ich habe bei dieser familiären Begegnung nicht die Absicht, die berühmte Vergangenheit dieser Akademie in Erinnerung zu rufen, noch ihre besondere Wesensart im Rahmen der vielen höheren kirchlichen Schulen zu beschreiben. Doch kann ich es nicht versäumen, auf die Ziele und die Bedeutung der Institution, der ihr angehört, hinzuweisen. Sie will ein Abendmahlssaal des Gebets, des Studiums, der Reflexion sein und ist das auch, wo es euch leicht fallen soll, den Wert eurer priester-lichen Berufung und den Sinn jenes pastoralen und diplomatischen Dienstes, für den ihr bestimmt seid, zu ergründen. Die kirchliche Diplomatie hat wie jedes andere priesterliche Dienstamt den Zweck, das Reich Christi auszubreiten, die Kirche und damit dem wahren übernatürlichen und irdischen Wohl des Menschen zu dienen. Wenn ich jetzt an das Wesen eures Dienstes denke, ersteht vor mir die gewaltige Gestalt Papst Gregors VII., dessen liturgisches Fest wir vor einigen Tagen gefeiert haben. Vor seiner Wahl auf den Stuhl Petri hat er seinen päpstlichen Vorgängern ganz außerordentliche Dienste geleistet als Botschafter bei Völkern und Herrschern, um das Werk der Reform der Kirche und ihrer Unabhängigkeit von äußeren Mächten zu unterstützen, ein Werk, das er selbst dann als Papst zwölf Jahre lang unermüdlich weiterführte. Im Zusammenhang mit den Absichten, die den apostolischen Plan jenes großen Papstes leiteten, ist bezeichnend, was er von seinem Exil in Salerno aus an die Christenheit geschrieben hat: „Ich habe vor allem dafür gesorgt, daß die Heilige Kirche, die Braut Gottes, unsere Herrin und Mutter, während sie sich auf ihre Schönheit und Ehre besinnt, frei, keusch und katholisch bleibt“ (PI 148, 709). Das sind wohlbekannte . Worte, die ganz die Kraft einer testamentarischen Botschaft besitzen. Mit -diesen Worten bezeugt Gregor VII., daß er bei der Ausübung seines Amtes keinen anderen Zweck verfolgte, als die Kirche zu verteidigen, sie in ihren Menschen und Strukturen immer vollkommener zu machen und ihre Sendung in der ganzen Welt zu verbreiten. 3. Liebe Priester, ich habe mich von einem so hohen Ideal, das in diesen Tagen die Liturgie vorstellt, inspirieren lassen, um all eure Kraft in Bewegung zu setzen bei der Aufgabe, die Heilssendung der Kirche zu 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fördern, indem ihr vor allem in euch selber als bevorzugten Gliedern der Kirche eine immer größere innere Freiheit verwirklicht und gleichzeitig nach persönlicher Vollkommenheit strebt, verbunden mit einem lebhaften missionarischen Eifer. Es geht darum, immer tiefer einzudringen in das Geheimnis der Kirche, in den Reichtum des übernatürlichen Lebens, das sie spendet, in ihr Dienstamt, das für das allseitige Heil des Menschen bestimmt ist. Jeder Mensch stellt den Weg der Kirche dar, und mit jedem Menschen guten Willens will sie einen offenen und aufrichtigen Dialog aufnehmen, um ihm seine Würde als von Christus erlöstes Kind Gottes, als Bruder unter Brüdern in seinem mystischen Leib bewußtzumachen. 4. Ihr konntet Spezialkurse in theologischer Kultur, Kirchenrecht und Soziologie besuchen; ihr habt in den Pfarreien eurer Diözesen und in Rom das Amt tätig und verantwortungsvoll ausgeübt; ihr hattet Umgang mit verschiedenen Personengruppen; ihr kennt schließlich weitgehend die Erwartung der modernen Gesellschaft und die Ansprüche der heutigen Welt an die Kirche und den christlichen Glauben. Zweifellos verspürt der heutige Mensch eine religiöse Sehnsucht und braucht Klarheit über die transzendenten und ewigen Wahrheiten; außerdem wird er immer mehr gewahr, daß weder die Wissenschaft mit ihren Errungenschaften noch der soziale Fortschritt mit seinem Wohlstand die Sehnsucht nach Glück und Frieden, die ihn treibt, befriedigen können. So läßt sich also die Sendung des katholischen Priesters einleuchtend umreißen: Er muß mit seinem Wort, seinem Beispiel und seinem Dienst Antwort auf die den Menschen quälenden Fragen geben; die religiöse Neigung in persönlicher Begegnung mit Gott, mit Christus und der Kirche entwickeln; fühlbar und begreiflich machen, daß es für den Durst nach Wahrheit, nach Unschuld, nach Heil und nach Frieden „das lebendige Wasser“ der Offenbarung, der Gnade, der Vergebung, der göttlichen Liebe gibt. In dieser höheren Sicht ist auch die Diplomatie Apostolat! Denn eure Berufung kommt von ihm 5. Bei der Erfüllung einer so wichtigen Arbeit steht ihr nicht allein, sondern seid mit Jesus verbunden wie der Weinstock mit der Rebe (vgl. Joh 15, 2). Ihr nehmt an seiner Sendung teil, die in euch die Fülle der Früchte erwirken wird, wenn ihr in seiner Liebe bleibt (vgl. Joh 15, 9), das heißt seinem Anruf treu. Denn eure Berufung kommt von ihm: Er hat 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch erwählt, damit ihr Frucht bringt und damit eure Frucht bleibt (ebd 15, 16). Zu diesem Zweck hat Jesus euch wie wahren Freunden sein Herz aufgeschlossen und erwartet von euch eine demütige, gehorsame, treue Antwort. Ich begleite euch alle mit besonderer Sorge sowohl in dieser wertvollen Zeit eurer Ausbildung als auch bei euren ersten Schritten im Dienst des Apostolischen Stuhls und bitte an diesem Vorabend des Festes der Heiligsten Dreifaltigkeit den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist um die trostreiche Fülle der himmlischen Gaben. Maria, die Mutter der Kirche und Mutter der Priester, die von den Alumnen der Akademie unter dem Titel „Mutter des guten Rates“ verehrt und daher besonders als „kluge Jungfrau“, „Spiegel der Gerechtigkeit“, „Sitz der Weisheit“ angerufen wird, vertraue ich das Terrain eurer Seelen an. Sie möge aus ihm durch eure Bereitschaft überreiche Früchte an Heiligkeit und Gerechtigkeit, leuchtender Weisheit und kluger Arbeit wachsen lassen zur Ehre des Apostolischen Stuhls und zum Wohi der Seelen. Ich segne euch alle aus ganzem Herzen. „Nunmehr Erwachsene im Glauben“ Predigt bei der feierlichen Messe und Firmung im Petersdom am Dreifaltigkeitssonntag, 29. Mai „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde“ (Ps 8, 2). 1. Liebe Brüder und Schwestern, und ihr, liebe Jungen und Mädchen, die ihr unmittelbar vor dem Empfang des Sakraments der Firmung steht, diese Worte des Antwortpsalms der heutigen Liturgie versetzen uns in tiefe und anbetende Verehrung vor dem großen Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit, deren Fest wir heute feierlich begehen. „Wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“ Doch die Ausdehnung der Welt und des Universums, mag sie noch so grenzenlos sein, kommt der unermeßlichen Wirklichkeit des Lebens Gottes nicht gleich. Ihm gegenüber müssen wir mehr denn je voll Demut die Aufforderung des biblischen Weisen annehmen, wenn er mahnt: „Fiebere nicht dem Augenblick entgegen, wo du vor 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott das Wort ergreifen kannst. Gott ist im Himmel, du bist auf der Erde“ (.Koh 5, 1). Gott ist in der Tat die einzige Wirklichkeit, die sich unseren Fähigkeiten des Messens, des Prüfens, des Beherrschens, des ausreichenden Verstehens entzieht. Darum ist er Gott: denn er beurteilt uns, lenkt uns, führt uns und versteht uns, auch wenn wir uns dessen nicht bewußt sein sollten. Aber wenn das für die Gottheit im allgemeinen zutrifft, so gilt es um so mehr für das Geheimnis der Dreifaltigkeit, also das typisch christliche Geheimnis Gottes selbst. Er ist zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Aber es handelt sich weder um drei getrennte Götter, das wäre eine Gotteslästerung; und auch nicht einfach um verschiedene und unpersönliche Weisen einer einzigen göttlichen Person, sich darzustellen, das würde bedeuten, den Reichtum ihrer interpersonalen Gemeinschaft radikal verkleinern zu wollen. Von dem einen und Dreifältigen Gott können wir leichter sagen, was er nicht ist als was er ist. Wenn wir ihn übrigens mit unserem Verstand angemessen erklären könnten, würde das heißen, daß wir ihn auf das Maß unseres Verstandes herabgesetzt und verkürzt hätten, daß wir ihn sozusagen in die Maschen unseres Denkens eingefangen hätten; aber dann hätten wir ihn zu den armseligen Dimensionen eines Götzen verkleinert! 2. Und statt dessen: „Wie gewaltig ist dein Name auf der ganzen Erde!“ Das heißt: Wie groß bist du vor unseren Augen, wie frei bist du, wie anders bist du! Doch da ist die christliche Neuheit: Der Vater hat uns so sehr geliebt, daß er uns seinen eingeborenen Sohn schenkte; der Sohn hat aus Liebe sein Blut für uns vergossen; und der Heilige Geist ist uns, wie es in der heutigen zweiten Lesung aus der Bibel heißt, direkt „gegeben worden“, um eben die Liebe in uns einzugießen, mit der Gott uns liebt (vgl. Röm 5, 5). Der eine und dreifältige Gott ist also nicht bloß etwas anderes, Höheres, Unerreichbares. Im Gegenteil, der Sohn Gottes „scheut sich nicht, uns Brüder zu nennen“ {Hebr 2, 11), während er mit jedem von uns „Fleisch und Blut“ teilt (ebd., 2, 14); und nach der Auferstehung von Ostern verwirklicht sich für jeden Christen die Verheißung des Herrn selbst, als er beim Letzten Abendmahl sagte: „Wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14, 23). Es ist also offenkundig, daß die Dreifaltigkeit nicht so sehr ein Geheimnis für unseren Verstand ist, so als handle es sich lediglich um eine komplizierte Theorie. Es ist viel mehr ein Geheimnis für unser Herz (vgl. 1 Joh 3, 20), weil es ein Geheimnis der Liebe ist. Und wir werden niemals — ich meine nicht so sehr das ontologische Wesen Gottes 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als vielmehr den Grund - begreifen, warum er uns so sehr geliebt hat, daß er sich vor unseren Augen mit der Liebe selbst identifizierte (vgl. 1 Joh 4, 16). 3. Liebe Firmlinge, das Sakrament, das ihr jetzt empfangen werdet, bestätigt und besiegelt das, was in geheimnisvoller Weise bereits in euch durch die Taufe geschehen ist, als ihr im Vollsinn von Gott als Kinder angenommen wurdet, daß heißt wohlwollend in den Wirkungskreis seiner Liebe einbezogen wurdet: nicht nur die Liebe, die er zu jedem Wesen als Schöpfer hat, sondern vor allem der besonderen Liebe, die er den Menschen in Jesus Christus als Erlöser bewiesen hat. Mit der Firmung gewinnt ihr eine ganz besondere, eigene Beziehung zum Herrn Jesus. Ihr werdet offiziell vor der Kirche und vor der Welt zu seinen Zeugen geweiht. Er braucht euch und will über euch als tapfere, frohe, hochherzige Jungen und Mädchen verfügen. In gewisser Weise schenkt ihr ihm euer Gesicht, euer Herz, eure ganze Person, so daß er sich vor den anderen so verhalten wird, wie ihr euch verhalten werdet: Wenn ihr gut, überzeugt, um das Wohl des anderen besorgt, treue Diener des Evangeliums seid, dann wird Jesus selbst eine gute Figur machen; wenn ihr aber schwach und feige seid, dann werdet ihr seine wahre Identität verdunkeln und ihm keine Ehre machen. Ihr seht also, daß ihr zu einer sehr hohen Aufgabe berufen seid, die euch zu wahren, vollkommenen Christen macht. Die Firmung führt euch in der Tat in das Erwachsenenalter des Christen ein; das heißt, sie verleiht euch und gesteht euch so ein großes Verantwortungsgefühl zu, wie es Kindern noch nicht eigen ist. Das Kind ist noch nicht Herr seiner selbst, seiner Handlungen, seines Lebens. Der Erwachsene hingegen hat den Mut zur eigenen Entscheidung, er versteht die Folgen zu tragen, er ist fähig, für seine Person einzustehen, weil er eine solche innere Fülle erlangt hat, daß er selbst entscheiden, sein Dasein nach eigenem Gutdünken gestalten und vor allem Liebe geben kann, statt sie nur zu empfangen. 4. Liebe Jungen und Mädchen, das alles werdet ihr nicht allein tun können. Wehe, wenn ihr allein auf eure Kräfte vertrautet. Niemandem gelingt es, aus sich allein, aus eigener Initative und aus eigenen Kräften ein echter Jünger Christi zu sein. Das ist unmöglich. Das würde nur eine Karikatur des wahren Christen ergeben. Wie man kein erwachsener Mensch sein kann, wenn die Natur nicht einen neuen und entscheidenden Beitrag dazu gibt, so ist es beim Christen auf anderer Ebene. Aber mit der Firmung werdet ihr eine Ausgießung und besondere Gabe des Heiligen 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geistes empfangen, der eben als Windhauch, aus dem Wort strömt, belebt, anspornt, erfrischt. Es ist unsere geheime Stärke, ja, ich würde sagen, gleichsam die unerschöpfliche Reserve und treibende Kraft unseres gesamten Denkens und Handelns als Christen. Er gibt euch Mut wie den Aposteln im Abendmahlssaal zu Pfingsten. Er läßt euch die Wahrheit und Schönheit der Worte Jesu begreifen, wie wir sie im heutigen Johannesevangelium gelesen haben. Er schenkt euch das Leben, wie sich der Apostel Paulus ausdrückt (vgl. 2 Kor 3, 6). Denn er ist der Geist Gottes und der Geist Christi. Und das bedeutet, daß er bei seinem Kommen nicht allein kommt, sondern das Siegel des Vaters und des Sohnes Jesus mitbringt. Zugleich führt er euch in das Geheimnis der Dreifaltigkeit ein, über das zu sprechen schwierig ist, das darum nicht aufhört, das Fundament und das unverwechselbare Zeichen unserer christlichen Identität zu sein. Wenn das große Dinge sind, dann bedenkt, daß ihr von nun an und später, als Erwachsene im Glauben, nicht mehr ohne sie auskommen könnt und dürft. 5. Meine Lieben, ich wünsche von ganzem Herzen, daß eure Lungen stets gefüllt sein mögen vom Wind dieses Geistes, den ihr heute im Überfluß empfangt und der euch und die ganze Kirche im Rhythmus Christi selbst atmen läßt. Ich werde in besonderer Weise für euch alle beten und freue mich, euch und euren Lieben am Ende der Messe meinen Apostolischen Segen zu erteilen. Der Herr sei immer mit euch und helfe euch, mutige Zeugen des Glaubens zu sein. Die Familie — eine Schule der Menschlichkeit Ansprache an die Teilnehmer der 1. Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 30. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich danke Herrn Kardinal Opilio Rossi für die freundlichen Worte, die er auch in eurem Namen bei dieser Begegnung an mich richtete, die anläßlich der ersten Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Familie, der von mir am 9. Mai 1981 anstelle des Komitees für die Familie errichtet wurde, stattfindet. Aber vor allem möchte ich in diesem Augenblick ganz besonders herzlich euren Präsidenten Kardinal James Robert Knox erwähnen, den ich vor einigen Tagen in der Gemelli-Klinik besucht habe, wo er sich leider noch immer in sehr ernstem Zustand befindet. Beten wir für ihn zum Herrn! Ich freue mich sehr über diese erste offizielle Begegnung mit euch, die ich von Herzen begrüße. In meinem Leben als Priester und Bischof war immer die Familienpastoral eine meiner brennendsten Sorgen, da ich von der Richtigkeit der markanten Feststellung des hl. Augustinus überzeugt bin, wonach die Verbindung von Mann und Frau, „quantum attinet ad genus mortalium, quoddam seminarium est civitatis“ - „was das Menschengeschlecht betrifft, gleichsam die Pflanzstätte des Staates ist“ {De Civit. Dei XV, 16, 3: PL 41,459). Und zu den schönsten und tröstlichsten Erinnerungen meines priesterlichen und bischöflichen Dienstes kann ich die unzähligen Begegnungen mit den Familien zählen, um mit ihnen zu beten und mit ihnen den Sinn und die Würde der christlichen Ehe zu ergründen. 2. Die Tätigkeit des Päpstlichen Rates für die Familie, der gerade seine ersten Schritte tut, liegt mir darum sehr am Herzen. Ich bin der festen Überzeugung - und das ist die Überzeugung von uns allen -, daß die Zukunft der Welt über die Familie führt. Gewiß war man sich immer, auch in der Vergangenheit, der Bedeutung bewußt, die die Familie für die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft hat. Aber heute sieht man sie klarer und schärfer, nicht so sehr wegen der Gefahren, die auf der Institution der Familie lasten und mit dem gesellschaftlichen und kulturellen Umwandlungsprozeß in Zusammenhang stehen, sondern weil neue Möglichkeiten der Familie dazu einladen, ihre Werte, ihre Notwendigkeiten, ihre Verantwortlichkeiten wiederzuentdecken. Zudem hat die Familie einen zentralen Platz bei der Evangelisierung der Menschheit: „Die christliche Familie ist ja die erste Gemeinschaft, der es obliegt, dem heranwachsenden Menschen das Evangelium zu verkünden und ihn durch eine fortschreitende Erziehung und Glaubensunterweisung zur vollen menschlichen und christlichen Reife zu führen“ (Familiaris consortio, Nr. 2). 3. Im Rahmen der Sendung der Kirche nimmt der Päpstliche Rat für die Familie einen entscheidenden Platz ein aufgrund der ihm übertragenen Aufgabe, daß er nämlich „unter Anwendung der Lehre und der Absicht 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des kirchlichen Lehramtes die Familienpastoral und das spezifische Apostolat im Familienbereich fördert, indem er die Lehre und die Weisungen der zuständigen Instanzen des kirchlichen Lehramtes zur Anwendung bringt, damit die christlichen Familien die erzieherische, missionarische und apostolische Sendung erfüllen können, zu der sie berufen sind“ {Motu proprio „Familia a Deo instituta“ zur Errichtung des Päpstlichen Rates für die Familie, 9. 5. 81, AAS 73, 1981, S. 443; Wort und Weisung, 1981, S. 450). Die Familie ist - wie ich mehrmals auszuführen Gelegenheit hatte - die erste und grundlegende Schule der Menschlichkeit und des Glaubens für den Menschen und in diesem Sinne die Zelle der Gesellschaft wie der Kirche. Das ist der Grund, warum sie Recht auf Hilfe hat, damit sie ihre wichtigen Aufgaben erfüllen kann. Der Päpstliche Rat für die Familie ist das zentrale Organ der Kirche, dem dieser charakteristische Dienst an den Familien anvertraut ist. Ihr habt sehr passend als Thema eurer ersten Vollversammlung „Die Aufgaben der christlichen Familie“ gewählt, wobei ihr das Apostolische Schreiben Familiaris consortio (3. Teil) als Grundlage und Richtlinie für eure Arbeiten nahmt. Im Lichte des Glaubens und unter Berücksichtigung der Umstände, unter denen die Familie heute lebt, muß sich eure Aufmerksamkeit vor allem auf einige Punkte konzentrieren. Eheliche Liebe und Dienst am Leben Das obengenannte Apostolische Schreiben hat unterstrichen, daß „die von der Liebe begründete und beseelte Familie eine Gemeinschaft von Personen ist: des Ehemanns und der Ehefrau, der Eltern und der Kinder, der Verwandten. Ihre erste Aufgabe ist es, die Wirklichkeit ihrer Einheit treu zu leben in dem ständigen Bemühen, eine echte Gemeinschaft von Personen zu bilden“ (Nr. 18). Jedem pastoralen Wirken für die Familie muß daher die Wahrheit und das Ethos der Gemeinschaft der Personen, der ehelichen und familiären Liebe zugrunde gelegt werden. Deshalb ist es die erste Pflicht des Päpstlichen Rates für die Familie, darauf hinzuwirken, daß diese Wahrheit und dieses Ethos immer tiefer und breiter in der Kirche bekanntgemacht und in der Familie gelebt werden, indem ihr sie gegen die unaufhörlichen Versuche, ihre Bedeutung herabzusetzen, verteidigt. Es gibt heute in dieser Hinsicht manche Dringlichkeiten, denen der Päpstliche Rat für die Familie seine besondere Aufmerksamkeit schenken sollte. 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die erste dieser Dringlichkeiten betrifft die unauflösbare Beziehung zwischen ehelicher Liebe und Dienst am Leben. Es ist absolut notwendig, daß sich die Seelsorge der christlichen Gemeinden völlig an die Lehre der Enzyklika Humanae vitae und des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio hält. Es wäre ein schwerwiegender Irrtum, einen Gegensatz herstellen zu wollen zwischen den pastoralen Erfordernissen und der kirchlichen Lehre, denn der erste Dienst, den die Kirche in bezug auf den Menschen zu erfüllen hat, ist, ihm die Wahrheit zu sagen, bei der sie weder Urheberin noch Schiedsrichterin ist. Es gibt also da ein weites Feld für die pastoralen Bemühungen, vor allem, was die Vorbereitung junger Menschen auf die Ehe betrifft. Die zweite Dringlichkeit betrifft die unauflösliche Beziehung zwischen dem Dienst am Leben und dem erzieherischen Auftrag. Es ist vor allem Pflicht der Familie, den Menschen zu erziehen. In Ausübung dieser Pflicht kann sie von niemandem ersetzt werden, aber sie hat das Recht auf Hilfe von seiten aller öffentlichen und privaten Institutionen, wobei die Freiheit der Eltern, ihre Kinder nach ihrer Überzeugung zu erziehen, respektiert werden muß. Was die dritte Dringlichkeit betrifft, so bezieht sie sich auf die Aufgabe der Familie gegenüber der bürgerlichen Gesellschaft und gegenüber der Kirche. Hinsichtlich des ersten Punktes muß die Familie vor jedem Versuch geschützt werden, ihren Raum im menschlichen Leben willkürlich einzuschränken. Wie ich bereits gesagt habe, ist sie die erste Schule der Formung des Menschen. Die bürgerliche Gesellschaft findet darum in der Familie - wenn sie deren ganze Wahrheit erkennt - eine der wichtigsten Instanzen für den Aufbau der Zivilisation. Was sodann die Beziehungen zur Kirche, anders gesagt, die kirchliche Sendung der Familie betrifft, gilt es, die Eheleute immer stärker zu der Verantwortung zu erziehen, die sie kraft des Ehesakramentes haben, nämlich in der ihnen eigenen Weise den Leib Christi aufzubauen. 5. Dieser Aufbau des Leibes Christi - also das Apostolat der christlichen Eheleute - muß vor allem und vorzugsweise in der eigenen und anderen Familie geschehen. Im Schoße der Kirche ist die Familie die natürliche Umgebung, in der neue Leben zur Wiedergeburt durch die Taufe bestimmt sind. Die christlichen Eheleute haben die Aufgabe und Pflicht, Menschen vorzubereiten, die durch das Tauf Sakrament gereinigt und wiedergeboren werden sollen, um Glieder des mystischen Leibes zu werden. So gesehen, erhalten die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine sehr reiche Bedeutung: „Ohne Hintansetzung der übrigen Eheziele sind deshalb die echte Gestaltung der ehelichen Liebe und die ganze sich daraus ergebende Natur des Familienlebens dahin ausgerichtet, daß die Gatten von sich aus entschlossen und bereit sind zur Mitwirkung mit der Liebe des Schöpfers und Erlösers, der durch sie eine eigene Familie immer mehr vergrößert und bereichert. In ihrer Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben und zu erziehen, die als die nur ihnen zukommende Sendung zu betrachen ist, wissen sich die Eheleute als mitwirkend mit der Liebe Gottes, des Schöpfers, und gleichsam als Interpreten dieser Liebe“ (Gaudium et spes, Nr. 50). Die christlichen Eheleute müssen durch ihr beispielhaftes Leben den Plan Gottes bezüglich der Familie verkünden; sie müssen jeder Familie dabei helfen, sich des vielfältigen und außerordentlichen Reichtums von Werten und Aufgaben bewußt zu werden, die sie in sich trägt, damit sie sich selbst fortwährend aufbaut und zum Aufbau der menschlichen Gesellschaft und der Kirche beiträgt. Jedem Christen obliegt die Aufgabe, Zeugnis zu geben von der Botschaft des Evangeliums. Das Zweite Vatikanische Konzil hat betont, daß diese Aufgabe „den hohen Wert“ des Ehe- und Familienstandes erkennen läßt: „Dort haben die Eheleute ihre eigene Berufung, sich gegenseitig und den Kindern den Glauben und die Liebe Christi zu bezeugen. Die christliche Familie verkündet mit lauter Stimme die gegenwärtige Wirkkraft des Gottesreiches, besonders aber auch die Hoffnung auf das selige Leben. So überführt sie durch Beispiele und Zeugnis die Welt der Sünde und erleuchtet jene, die die Wahrheit suchen“ (Lumen gentium, Nr. 35). Die Hoffnung, die der Mensch berechtigterweise in die Ehe und Familie setzt, findet ihre volle Verwirklichung nur durch die Annahme des Evangeliums. Das müssen die christlichen Eheleute in ihrem Leben bezeugen. 6. Liebe Brüder und Schwestern! Es ist das erste Mal, daß ihr zur Vollversammlung zusammengekommen seid, und für viele von euch ist es vielleicht das erste Mal, daß ihr einander begegnet. Die Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Familie sind - ein einzig dastehender Fall in der Römischen Kurie - alle verheiratete Laien: Ihr praktiziert bereits konkret diesen kirchlichen Dienst, von dem ich eben gesprochen habe, indem ihr euch direkt dem Nachfolger Petri zur Verfügung stellt. Eure Mitarbeit darf sich jedoch nicht auf diese Tage der Vollversammlung beschränken: sie muß eine dauernde Mitarbeit sein. Eure Beziehungen zu 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Verantwortlichen des Päpstlichen Rates dürfen nie abreißen: Ihr müßt sie informieren, ihnen Initiativen vorschlagen, ihre Aufmerksamkeit auf die Probleme lenken, die ihr für die wichtigsten und dringendsten haltet. Ich ermutige euch zu unermüdlichem Einsatz, damit die Ziele erreicht werden, für die der Rat errichtet wurde. Bietet in euren jeweiligen Diözesen euren Bischöfen und den verschiedenen kirchlichen Bewegungen für die Familienpastoral eure hochherzige Mitarbeit an, indem ihr euch durch Dynamik und Eifer auszeichnet und eine echte Verbindung von Zielen und Programmen zu fördern versucht. Möge die Gottesmutter, die wir in diesem Monat Mai ganz besonders verehrt haben, euch in diesem für die Kirche so wertvollen Dienst beistehen, den ihr auch als Ehepaare erfüllt und der im Sakrament der Ehe verwurzelt ist! Mein Apostolischer Segen begleite euch, den ich von Herzen auch euren Familien und ganz besonders euren Kindern und allen, die in eurem Apostolat mitarbeiten, erteile. Nächstenliebe, christlich motiviert Ansprache an die Teilnehmer der 12. Vollversammlung der Caritas Internationalis am 30. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zum zweiten Mal ist mir die Möglichkeit gegeben, die Verantwortlichen und zahlreichen Beauftragten der Vollversammlung der Caritas Internationalis zu empfangen, und ich gestehe, daß ich mich darüber sehr freue. Denn ihr vertretet eine bevorzugte Instanz der barmherzigen Liebe in der Kirche, und gerade die Nächstenliebe soll ja das Kennzeichen der Jünger Christi sein. Diese Einrichtung ist organisch mit jeder Ortskirche auf Diözesanebene verbunden, im Einsatz auf nationaler Ebene koordiniert und bildet eine internationale Vereinigung. Eure Verzweigung entspricht beinahe der universalen Ausbreitung der katholischen Kirche, und die ganze Welt kennt und schätzt die Wirksamkeit und Schnelligkeit, mit der ihr den dauernden oder unvorhergesehenen menschlichen Notsitua-tionen oder den Bedürfnissen der Entwicklung, kurz, der Förderung des Menschen begegnet. Ja, diese beachtliche Arbeit macht der Kirche Ehre; 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihren Dank bringe ich euch zum Ausdruck, wobei ich euch vor allem die Anerkennung all derer ausspreche, die in den Genuß eures sozialen Wirkens kommen, bei dem ihr auch um die erzieherischen Belange besorgt seid. Ich glaube, im Namen aller zu sprechen, wenn ich Msgr. Georg Hüssler ganz besondere Anerkennung ausspreche, der viele Jahre lang sachkundig, voll Eifer und Initiative das Amt des Vorsitzenden der Caritas Internationalis innehatte, und ebenso Herrn Emilio Fracchia, der in gleicher Weise die Bürde des Generalsekretärs trug. Meine herzlichen Wünsche richten sich an ihre Nachfolger und vor allem an den neuen Präsidenten, den lieben Kardinal Alexandre do Nascimento, Erzbischof von Lubango, der in einem so wichtigen Organ der Kirche die Dritte Welt direkt vertritt, sodann an den Generalsekretär, den ihr gleich wählen werdet, und schließlich an alle anderen Verantwortlichen des Verbandes, die dazu bestimmt wurden, die vorhergehende Besetzung abzulösen. Im Verlauf der Arbeiten der augenblicklichen Versammlung ging es euch darum, eingehend und ohne Beschönigung den seit ungefähr 15 Jahren zurückgelegten Weg zu überprüfen, das Ergebnis zu bewerten, die Ausrichtungen und die Arbeit für die nächste Zeit zu planen und die Mittel für das Funktionieren der Einrichtung zu gewährleisten. Ohne auf diese technischen Überlegungen einzugehen, die in euer Ressort fallen, möchte ich an die grundlegende Berufung eurer Organisation und ihrer diözesa-nen Vertretungen erinnern. 2. Euer soziales Wirken lenkt vor allem auf internationaler Ebene eure Aufmerksamkeit besonders auf eine ganze Reihe zentraler menschlicher Probleme, zu deren Erforschung ihr euren Beitrag erbringen wollt, indem ihr Tagungen veranstaltet oder eurerseits an solchen teilnehmt, ohne im übrigen zu übersehen, daß auch andere Einrichtungen in diesem Bereich unmittelbare Kompetenz und Verantwortung besitzen. Ich verstehe eure Sorge, da es ja darum geht, die besten Bedingungen für die Entwicklung von Menschen, Altersgruppen, sozialen Klassen oder benachteiligten Völkern herauszufinden. Ihr wart euch jedoch darüber einig, daß euer besonderes Charisma darin besteht, an Ort und Stelle nahezusein, euch auf punktuelle Hilfs- und Entwicklungsaktionen auszurichten oder auch auf Erziehungsaktionen in diesen Bereichen, daß es eure erste Sendung ist, die Nächstenliebe auf Diözesanebene zu wecken und zu fördern. Ja, euch ist die Liebe aufgetragen, wie ich vor vier Jahren sagte. Wir dürfen nicht zulassen, daß das Wort oder die Wirklichkeit „Caritas“ abgewertet wird. Sie muß nur in ihrem 991 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Umfang und ihrer Tiefe wiederhergestellt werden. Mehr denn je ist sie aktuell, um dazu beizutragen, eine Gesellschaft im Zeichen der Liebe zu bauen, über die ihr nachgedacht habt, und um das grundlegende Zeugnis von der Kirche zu geben. Wie Paul VI. euch sagte, seid ihr „die Akteure und Erzieher dieser demütigen und warmherzigen, geduldigen und selbstlosen, dauernden und umfassenden . . ., raschen und wirksamen Liebe“ (15. Mai 1975). Ihr erinnert euch sicherlich auch an das Konzilsdekret über das Laienapostolat, das (in Nr. 8) beschreibt, worin dieses karitative Wirken, das Siegel des christlichen Apostolats, besteht, und vor allem den Geist, in dem es durchgeführt werden soll. „ Wirklichkeit und Zukunft in der sozialen Pastoral“ 3. Die Bemühungen der Caritas sind in den Rahmen der Sozialpastoral der Kirche einzuordnen, und die Wahl des Themas eurer Versammlung: „Wirklichkeit und Zukunft in der sozialen Pastoral“, hat euch, so meine ich, die Vertiefung dieses Aspektes ermöglicht. Diese Sozialpastoral umfaßt viele Bereiche, Werke und Dienste; sie ruft zu sehr verschiedenartigem Einsatz auf: Laien - solche, die in Bewegungen organisiert sind, oder solche, die das nicht sind -, aber auch Ordensmänner und Ordensfrauen, die vielfach soziale Werke betreuen; ferner sind Priester und Diakone ganz besonders daran interessiert. Auf Diözesanebene schließlich ist es vor allem der Bischof, der diese Sozialpastoral, wie alles, was das Dekret Christus Dominus als Apostolat bezeichnet, koordiniert. Die vielfältigen Initiativen an der Basis könnten ohne seine Zustimmung nicht unternommen werden. Die Caritas ist also mit ihm und unter anderen, aber mit einem eigenen Charisma daran beteiligt, den vorrangigen Platz der Nächstenliebe in Erinnerung zu bringen. Sie will das Gewissen von Christen und Nichtchristen wecken und sie auf das hin erziehen, was die Liebe angesichts der vielfältigen Nöte des Nächsten fordert; sie will zur Wahrnehmung sozialer Verantwortung heranbilden, eine wirksame Hilfsbereitschaft wachrufen und diese Bemühungen koordinieren. Eine solche Pastoral muß ständig erneuert werden, denn die mitunter sehr rasche Entwicklung der Gesellschaften und die Schwierigkeiten, die oft unvorhergesehen auftauchen, haben Entwurzelung zur Folge, neue Formen der Armut, die es aufzudek-ken gilt, verschärfte Probleme arbeitsloser Menschen, Jugendliche, die von Drogen oder anderen Geißeln abhängig geworden sind, zerrissene Familien, Flüchtlinge oder Zwangsimmigranten. 992 . BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ihr nehmt also einen hervorragenden Platz ein, um mit eurem Bischof oder auf nationaler Ebene mit der Bischofskonferenz und auf internationaler Ebene mit dem Hl. Stuhl - insbesondere mit „Cor Unum“ - die Sozialpastoral zu fördern. 4. In allen Fällen gilt es, die Dinge unter dem Gesichtspunkt der ganzheitlichen Förderung ins Auge zu fassen. Soforthilfe, Antwort auf dringende Notfälle, Unterstützung für Menschen in Not bzw. für Völker, die Opfer von Naturkatastrophen geworden sind, behalten ihren Stellenwert: sie bleiben die immer notwendigen Ausdrucksformen einer Nächstenliebe, die nichts erwartet und die, gleich dem barmherzigen Samariter, jeder Person, jedem Menschenleben ihren Wert beimißt. Man darf diese Formen der Nächstenliebe nicht dadurch vernachlässigen, daß man ihnen Hilfeleistungen auf lange Sicht, vorbeugende Maßnahmen, Beseitigung der Ursachen von Übeln und Krankheiten, Verbesserung der Sozialstrukturen und Einsatz für die Gerechtigkeit als das einzig Wichtige gegenüberstellt; Maßnahmen, die natürlich ihrerseits notwendig sind, wie es euch ja schon des öfteren gesagt wurde. Doch auch auf der Ebene der Nothilfe darf der Gesichtspunkt der Entwicklung nie fehlen. Ihr seid wohl überzeugt, daß es vermieden werden sollte, aus Einzelpersonen oder sozialen Gruppen einfach „Fürsorgeempfänger“ zu machen. Es geht vielmehr darum, ihnen dabei zu helfen, daß sie ihr Schicksal, ihr Leben, ihre Familie selber in die Hand nehmen, und möglicherweise auch die Umgebung, die entsprechenden Einrichtungen, die Verbindungsstellen oder die Instanzen des Staats aufzurütteln, damit sie ihre sozialen Verantwortlichkeiten wahrnehmen. Im übrigen betrifft ja die Förderung nicht nur Ernährung, Wohnung oder Gesundheit: sie betrifft den ganzen Menschen. Dieser Gesichtspunkt leuchtet um so mehr ein, wenn es darum geht, zur Entwicklung von Dörfern und Regionen beizutragen, um eine bessere und sichere Zukunft vorzubereiten. Die Caritas als solche ist zweifellos nicht in der Lage, sich der großen Projekte anzunehmen, für die sie sich anderen christlichen oder neutralen Institutionen anschließt: Aber jeder weiß, daß sie vielfältige kleine und mittlere nützliche Projekte erfolgreich durchführt, und das auf eine Art, die sich sowohl für die Spender wie für die Empfänger erzieherisch gut auswirkt. Das veranlaßt mich, an die Dritte Welt zu erinnern. Sicher gibt es in jeder Diözese bzw. in jedem Land, wo die Caritasverbände tätig sind, bereits eine große Reihe von Situationen, die Hilfe erfordern. Man spricht oft von diesen Inseln der „vierten Welt“ in den reichen Ländern. Aber in katholi- 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN scher Sicht ist es wesentlich, Menschen und Institutionen seines eigenen Landes dahin zu bringen, daß sie sich mit anderen Ländern solidarisch fühlen, mit Ländern, die hinsichtlich der materiellen Mittel, der sozialen Organisation, der Hygiene, Krankenfürsorge und Alphabetisierung viel ärmer sind, aber an menschüchen, sittlichen oder geistlichen Qualitäten reich sein können. Euch kommt es daher zu, in diesem Sinne den Blick zu schärfen und die Freigebigkeit heranzubilden. Die Strukturen der Caritas bieten unter diesem Gesichtspunkt große Vorteile: Sie ermöglichen den Austausch zwischen den diözesanen Caritasverbänden, vor allem mit Hilfe der nationalen Caritasverbände und der Informationsdienste der Caritas Internationalis. Ist eure Versammlung nicht ein großartiger Ausdruck dieser wahrhaft weltweiten Verzweigung der Nächstenhebe? Ich würde hinzufügen, daß die Dritte Welt bereits in den Industrieländern präsent ist durch die große Zahl von Gastarbeitern, denen euer Augenmerk vorrangig gelten muß. 6. Worte wie Solidarität, Entwicklungshilfe, Würde und Rechte der Personen und der Völker, Gerechtigkeit sind unseren Zeitgenossen vertraut, und darüber muß man sich freuen. Aber worauf es ankommt, ist die tatsächlich vollzogene Achtung und Hilfe, die Art und Weise, wie man sie in die Tat umsetzt und was diese Haltungen inspiriert. Für euch als Mitglieder der Caritas kommt es also darauf an, nicht nur die Hilfe gut zu organisieren, sondern auf die christlichen Motivierungen der Nächstenliebe hinzuweisen, wenn nötig, ihre Wiederentdeckung zu veranlassen, dazu zu erziehen. Kurz, die Tugend der Nächstenliebe soll wieder zu Ehren gebracht werden. Sie orientiert sich an der Gotteshebe und läßt uns im Nächsten das Bild Gottes und Christus selbst sehen und verpflichtet uns dazu, ihn mit großer Rücksichtsnahme zu behandeln, unter Respektierung seiner Freiheit, seiner Verantwortung, seiner Würde, seiner geistlichen Bestimmung (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 8). Die Nächstenliebe wieder an die ihr gebührende Stelle setzen! Das vor allem ist die Sendung, die dem Päpstlichen Rat „Cor Unum“, dessen Mitglieder ihr seid, übertragen wurde. Mögt ihr also mit ihm und mit allen Organen, die in der Kirche an der Sozialpastoral mitarbeiten, reichlich dazu beitragen! Morgen wird uns die Liturgie dazu einladen, das Geheimnis des Besuches Mariens bei Elisabeth zu betrachten: Maria war zu ihrer Verwandten Elisabeth gekommen, um die Freude über die Frohbotschaft des Erlösers mit ihr zu teilen und ihr ihre Dienste anzubieten. Möge sie euch helfen, 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurer großartigen Sendung in der Kirche zu entsprechen, die ja gerade im Teilen besteht! Und ich segne von ganzem Herzen die alten und die neuen Verantwortlichen der Caritas Internationalis, alle hier anwesenden Delegierten, die Mitglieder des Hl. Stuhls, die während dieser Versammlung mit euch gearbeitet haben, und alle, die in selbstloser und aktiver Weise in den diözesanen und nationalen Caritasverbänden tätig sind. Antwort auf die brennendsten Fragen Predigt beim feierlichen Gottesdienst vor der Lateranbasilika am Fronleichnamsfest, 2. Juni 1. „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe“ (.1 Kor 11, 23). Das Zeugnis des Paulus, das wir eben vernommen haben, ist auch das Zeugnis der übrigen Apostel: Sie haben überliefert, was sie empfangen haben. Und wie sie haben auch ihre Nachfolger weiter getreu das überliefert, was sie empfangen hatten. Von Generation zu Generation, von Jahrhundert zu Jahrhundert, ohne Unterbrechung, bis heute. Und so macht sich heute abend, in der ergreifenden Atmosphäre dieser Feier, die die verschiedenen Gruppen der Kirche Roms im Gebet versammelt sieht, der Nachfolger Petri, der zu euch spricht, zum getreuen Echo dieses Zeugnisses: „Ich habe vom Herrn empfangen, was ich euch dann überliefert habe.“ Und was die Apostel uns überliefert haben, ist Christus selbst und sein Gebot, allen Völkern zu wiederholen und weiterzugeben, was er, der göttliche Meister, beim Letzten Abendmahl gesagt und getan hat: „Das ist mein Leib für euch“ (1 Kor 11, 24). „Das ist mein Leib für euch“ 2. Indem wir uns in eine fast zweitausendjährige Tradition einfügen, wiederholen auch wir heute die Geste des „Brotbrechens“. Wir wiederholen sie im 1950. Jahr nach jenem unaussprechlichen Augenblick, in dem Gott dem Menschen am nächsten kam, als er in totaler Selbsthingabe Zeugnis von dem „unglaublichen“ Ausmaß einer grenzenlosen Liebe gab. „Das ist mein Leib für euch.“ Sollte man keine tiefe Erregung im Herzen 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPFLACHEN verspüren bei dem Gedanken, daß Christus, als er jenes „euch“ sprach, auch an uns dachte und sich für uns alle dem Tod hingab? Und müssen wir uns nicht tief bewegt fühlen bei dem Gedanken, daß diese „Hingabe seines Leibes“ für uns nicht ein weit zurückliegendes, auf die leblosen Seiten der Geschichtschronik niedergeschriebenes Ereignis ist, sondern ein Geschehen, das auch jetzt, wenn auch auf unblutige Weise, im Sakrament des Leibes und Blutes auf dem Altartisch wieder lebendig wird? Christus kehrt wieder, um jetzt für uns seinen Leib und sein Blut zu opfern, damit über das Elend unseres Daseins als Sünder sich noch einmal die reinigende Flut des göttlichen Erbarmens ergieße und in die Hinfälligkeit unseres sterblichen Fleisches der Keim des unsterblichen Lebens eingepflanzt werde. 3. „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, spricht der Herr; wer von diesem Brot ißt, wird leben in Ewigkeit“ (Zwischengesang). Wer möchte nicht ewig leben? Ist das nicht die tiefste Sehnsucht, die im Herzen jedes Menschenwesens schlägt? Aber eine Sehnsucht, die die Alltagserfahrung auf brutale und endgültige Weise in Zweifel zieht. Warum? Die Antwort wird uns im Wort der Schrift gegeben: „Die Sünde kam in die Welt und durch die Sünde der Tod“ {Röm 5, 12). Also gibt es keine Hoffnung mehr für uns? Solange die Sünde herrscht, gibt es keine Hoffnung; aber die Hoffnung kann von neuem erstehen, sobald die Sünde besiegt ist. Und genau das ist in der Erlösung Christi geschehen. In der Tat steht geschrieben: „Ist durch die Übertretung des einen (Menschen) der Tod zur Herrschaft gekommen, durch diesen einen, so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurden, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus“ {Röm 5, 17). Darum sagt Jesus: „Wer von diesem Brot ißt, wird leben in Ewigkeit.“ Unter der Gestalt jenes Brotes ist er in Person gegenwärtig, der Sieger über die Sünde und den Tod, der Auf erstandene! Wer sich von dieser göttlichen Speise nährt, wird nicht nur die Kraft finden, auf seinem Lebensweg die Einflüsse des Bösen in sich zu überwinden, er wird mit ihr auch das Unterpfand für den endgültigen Sieg über den Tod - „den letzten Feind, der entmachtet wird“, wie der Apostel Paulus sagt (1 Kor 15, 26) - empfangen, auf daß Gott herrschen kann „über alles und in allem“ {ebd. V. 28). 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Wie sehr begreift man, wenn man über das Mysterium nachdenkt, die eifersüchtige Liebe, mit der die Kirche diesen Schatz von unschätzbarem Wert hütet! Und wie logisch und natürlich erscheint es, daß die Christen im Laufe ihrer Geschichte das Bedürfnis verspürten, die Freude und Dankbarkeit über die Wirklichkeit eines so großen Geschenkes auch äußerlich zum Ausdruck zu bringen. Sie wurden sich dessen bewußt, daß die Feier dieses göttlichen Geheimnisses sich nicht in die Mauern einer Kirche einschließen läßt, mochte diese noch so groß und kunstvoll gestaltet sein, sondern daß es auf die Straßen der Welt getragen werden mußte, weil er, den die zerbrechliche Gestalt der Hostie verbarg, auf die Erde gekommen war, um „das Leben der Welt“ zu sein (Joh 6, 51). So entstand die Fronleichnamsprozession, die die Kirche seit vielen Jahrhunderten mit ganz besonderer Feierlichkeit und Freude veranstaltet. Auch wir werden gleich zur Prozession durch die Straßen unserer Stadt aufbrechen. Wir werden unter Gesängen und Gebeten ziehen und das Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn mit uns tragen. Wir werden an Häusern, Schulen, Büros, Geschäften vorbeikommen; wir werden vorüberziehen, wo das Leben der Menschen pulsiert, wo ihre Leidenschaften aufbrechen, wo sich ihre Konflikte entzünden, wo sie sich in ihren Leiden verzehren und wo ihre Hoffnungen blühen. Wir werden gehen, um in demütiger Freude davon Zeugnis zu geben, daß sich in dieser kleinen weißen Hostie die Antwort auf die brennendsten Fragen befindet, der Trost für jeden noch so quälenden Schmerz, daß hier als Unterpfand die Befriedigung jenes brennenden Durstes nach Glück und Liebe gegeben ist, den jeder in sich, in der Tiefe seines Herzens trägt. Der dreimal Heilige ist zu uns gekommen Wir werden hinausgehen, durch die Stadt, wir werden an den Leuten vorübergehen, die von den tausenderlei Problemen des Alltags geplagt sind, wir werden diesen unseren Brüdern und Schwestern entgegengehen und werden allen das Sakrament der Gegenwart Christi zeigen: „Seht das Brot, die Engelspreise! Auf des Lebens Pilgerreise nehmt es nach der Kinder Weise.“ Seht, das Brot, das der Mensch durch seine Arbeit verdient, das Brot, ohne das der Mensch weder leben noch sich bei Kräften halten kann, dieses Brot ist zum lebendigen und wirklichen Zeugnis für die liebende Gegenwart Gottes, der uns erlöst, geworden. In diesem Brot ist der Allmächtige, der Ewige, der dreimal Heilige zu uns gekommen, ist er zum 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Gott mit uns“, zum Immanuel, geworden. Jeder, der von diesem Brot ißt, kann das Unterpfand des unsterblichen Lebens erhalten. Unser Wunsch, ja leidenschaftliches Gebet, ist, daß in den Herzen aller, denen wir begegnen, das Gefühl aufbrechen möge, das in der Sequenz der heutigen Liturgie so wunderbar ausgedrückt ist: Guter Hirt, du Brot des Lebens, wer dir traut, hofft nicht vergebens, geht getrost durch diese Zeit. Die du hier zu Tisch geladen, ruf auch dort zum Mahl der Gnaden in des Vaters Herrlichkeit. Amen. Halleluja!“ Ökumene auf örtlicher Ebene Ansprache an den Katholikos der Syrisch-Orthodoxen Kirche Indiens, Moran Mar Baselius Marthoma Mathews I., bei der Audienz am 3. Juni Heiligkeit! Mit großer Herzlichkeit und Freude heiße ich Sie und Ihre verehrte Delegation in dieser Stadt willkommen, in der die Apostel Petrus und Paulus ihr Zeugnis krönten. In Ihrer Person grüße ich eine Kirche, die ihre Ursprünge auf die Verkündigung des Apostels Thomas und auf sein Zeugnis von Jesus Christus zurückführt. Die apostolische Brüderlichkeit verbindet uns mit demselben Geheimnis von Jesus Christus, dem die Apostel folgten und dem sie zuhörten. Nach seiner Auferstehung von den Toten überwanden sie Furcht und Zweifel und bekannten sich vor der Welt zu ihm. „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20, 28), rief der Apostel Thomas aus und gab damit für alle Zeiten ein Bekenntnis des Glaubens an Christus, indem er seine Gottheit, seine heilbringende Herrschaft, seine leibliche Auferstehung - die so wirklich erfolgt war, daß sie gesehen und berührt werden konnte (vgl. Joh 20, 27) - verkündete. In diesem Glauben, der durch die Apostel selbst bis in unsere Zeit gekommen ist, treffen wir uns heute hier. Unsere beiden Kirchen verkünden gemeinsam diesen Glauben durch das nizänokonstantinopolitanische Glaubensbekenntnis: „Credo in unum dominum Iesum Christum, filium dei unigenitum“ (Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn). 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Entwicklung der Geschichte mit ihren Schwierigkeiten hat unsere Kirchen dazu geführt, lange Zeit getrennt zu leben, ohne gegenseitige Kenntnis voneinander und manchmal sogar im Gegensatz zueinander. Ein Mangel an Kenntnis der gegenseitigen kulturellen und religiösen Sprache sowie der geschichtlichen, geographischen und politischen Umstände hat unglücklicherweise zu einer schmerzlichen gegenseitigen Entfremdung geführt, die nicht nur die Unterschiede, sondern auch die Divergenzen zunehmend vertieft hat, was mitunter Verwirrung zwischen den beiden hervorrief und so die Lasten und ihre Folgen noch schwerer machte. Die Vertiefung theologischer Studien und vor allem unsere direkten Kontakte dienen dazu, den Horizont zu klären, und lassen uns jetzt mit größerer Klarheit die tiefe Gemeinschaft erkennen, die zwischen den beiden Kirchen bereits besteht. Ich sehe vor meinem geistigen Auge die Tribüne mit den delegierten Beobachtern der verschiedenen Kirchen beim Zweiten Vatikanischen Konzil. Unter ihnen befanden sich die Vertreter der orthodoxen syrisch-malankarischen Kirche, denen die katholische Kirche noch einmal ihre tiefe und bleibende Dankbarkeit zum Ausdruck bringt. Ihre schwerwiegende, aber aufmerksame Anwesenheit zu einer Zeit, wo die katholische Kirche sich anschickte, ihre Politik in bezug auf andere Christen zu umreißen, war eine lebendige Aufforderung zu brüderlicher Achtung, zu objektiver Forschung in der bereits bestehenden Gemeinschaft des Glaubens, zur ausgewogenen Identifizierung der tatsächlichen Divergenzen und der Mittel, um sich ihnen zu stellen und sie zu lösen. Ich glaube, die Konzilsberatungen haben dieser physischen und geistigen Präsenz viel zu verdanken. Das Konzil forderte nicht nur eine brüderliche Haltung gegenüber anderen Christen, sondern es legte auch das Fundament des gemeinsamen Glaubens und der gemeinsamen Lehre dar. In bezug auf die Ostkirchen erklärte das Konzil, daß sie „wahre Sakramente besitzen, vor allem aber in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie, wodurch sie in ganz enger Verwandtschaft bis heute mit uns verbunden sind“, und fügte daher hinzu, daß „so durch die Feier der Eucharistie des Herrn in diesen Einzelkirchen die Kirche Gottes sich aufbaut und wächst“ (Unitatis redintegratio, Nr. 15). In dieser wiederentdeckten Gemeinsamkeit des Glaubens und der Sakramente, die über jede zufällige Interpretation oder Nichtduldung hinausgeht, hat das Zweite Vatikanische Konzil weitere Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und den orientalischen Kirchen nachgewiesen. 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Studien und direkte Kontakte haben eine Wirklichkeit von neuem sichtbar werden lassen, die der Staub der Zeit beinahe begraben hatte und die getrübte Augen nicht mehr wahrnehmen konnten. Gesegnet sei der Herr, der das Herz des Menschen erwärmt und seinen Verstand erleuchtet, damit er zur rechten Zeit seinen Willen begreift und sich auch Mühe gibt, ihn zü erfüllen. Unsere heutige Begegnung ist gewiß vom Herrn gesegnet, weil wir seinen Willen beachten wollen, der dahin geht, daß seine Jünger eins sein sollen, damit die Welt glaubt (vgl. Joh 17, 21). Jesus Christus starb am Kreuz, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11, 52). Seinem Gebet und seinem Heilswerk wollen wir treu bleiben. Und meine Hoffnung ist, daß der Geist dieser unserer brüderlichen und ständigen Begegnung sich unter den Gläubigen der katholischen Kirche und der orthodoxen syrisch-malankarischen Kirche ausbreiten möge, besonders dort, wo sie Seite an Seite leben. Möge dort das gegenseitige Verständnis wachsen. Mögen gegenseitige Achtung und Liebe wachsen und in brüderlicher und konstruktiver Zusammenarbeit ihren Ausdruck finden je nach den konkreten örtlichen Möglichkeiten, sei es auf sozialem Gebiet, im kulturellen Klima oder vor allem im Bereich der Seelsorge, damit vor unseren Nachbarn bezeugt werde, daß Jesus Christus unser Gott und unser einziger Herr ist. Spaltung ist ein Schaden für die Verkündigung Ökumenismus auf örtlicher Ebene ist von entscheidender Bedeutung für die allgemeine Förderung der Einheit aller Christen. Einheit ist ein charakteristisches Merkmal der christlichen Gemeinschaft. Spaltung in ihren verschiedenen Formen trübt, ja gefährdet sie manchmal. Das Zweite Vatikanische Konzil zeigte auf, daß diese Spaltung ein Schaden ist für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). Ebenso vor all jenen, die den Namen Jesu Christi noch nicht kennen, wie unter den traditionell christlichen Nationen, die aber in einer Identitätskrise stehen und in Gefahr sind, den christlichen Glauben zu verlieren oder zumindest geringzuschätzen, erhebt sich die Dringlichkeit einer wachsenden Verpflichtung zur Suche nach Einheit. Ich möchte Eurer Heiligkeit von seiten der katholischen Kirche versichern, daß keine Mühe gescheut werden wird, um allem, was getan werden muß, gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Wir werden von 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der theologischen Forschung Gebrauch machen, die pastoral bedeutsamen Bereiche prüfen und uns in theologischen Gesprächen und Dialogen engagieren. Vor allem werden wir zum Gebet Zuflucht nehmen, denn wir sind sicher, daß die Einheit ebenso wie das Heil selbst ein Geschenk Gottes ist und es darum „nicht auf das Wollen und Streben des Menschen, sondern auf das Erbarmen Gottes ankommt“ (Röm 9, 16). Die katholische Kirche ist also bereit zur intensiven ökumenischen Zusammenarbeit bei der Suche nach der vollkommenen Einheit, um ein gemeinsames Zeugnis zu geben von unserem einen Herrn und um miteinander den Menschen unserer Zeit zu dienen, indem wir ihnen verkündigen, daß Jesus Christus, unser Erlöser, das Leben für die Welt ist. Eure Heiligkeit, mit diesen Gedanken grüße ich Sie voll Ehrerbietung und brüderlicher Liebe. Gesegnet sei Gott, der diese Begegnung ermöglicht hat. Er gebe es, daß wir nach Überwindung aller noch verbliebenen Schwierigkeiten uns eines Tages in voller Einheit bei der gemeinsamen Feier der Eucharistie zusammenfinden. „Er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3, 21). In seinem ,, Tagebuch der Seele“ lesen Ansprache zum Abschluß der Gebetsstunde auf dem Petersplatz am 20. Todestag Papst Johannes’ XXIII., 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Am Ende dieser bewegten und ergreifenden Gebetsstunde zum 20. Jahrestag des Hinscheidens Papst Johannes’ XXIII. unauslöschlichen, seligen Angedenkens kann ich nicht umhin, eurer Stimme, die ich als Gebet zum Himmel aufsteigen hörte, meine anzuschließen. Ich danke euch für diese fromme Kundgebung, die uns in Gedanken zurückführt zu jenem Abend des 3. Juni 1963, als am Ende einer Messe, die unter großer Beteiligung auf dem gleichen Platz gefeiert wurde, Papst Johannes mit der Majestät und dem Frieden eines biblischen Patriarchen im Herrn entschlief. Ich bin euch, den Vertretern der Katholischen Aktion Italiens, und allen, die sich im herzlichen Gedenken an jenen bewundernswürdigen, so 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geliebten und verehrten Diener der Kirche zu diesem Gebetstreffen hier eingefunden haben, dankbar. 2. Ich fühle, daß eine Atmosphäre entstanden ist, die uns zu einer Geste gegenseitiger Liebe, in uns für ihn und von ihm für uns, zu einem Austausch geistlicher Gaben in der Gemeinschaft der Heiligen veranlaßt. Ich empfinde dies als einen glücklichen Augenblick, in dem wir eingeladen sind, in ein vertrauensvolles Gespräch mit ihm zu treten, auf seine väterliche und weise Stimme zu hören, seinem Zauber als Meister des inneren Lebens zu folgen und uns in die Schule eines Menschen zu begeben, der an Geist und Herz reicher als andere war; ein von apostolischem Eifer glühender Priester, ein treuer und kluger Repräsentant des Hl. Stuhls in verschiedenen Ländern in Ost- und West, ein unermüdlicher Seelenhirt in Venedig und schließlich der universale Hirte auf dem Stuhl Petri, den wir alle wegen seiner Fähigkeit, den Inspirationen des Heiligen Geistes zu folgen, und wegen des festen Willens, der Diener der Diener Gottes zu sein, bewundert haben. Die universalen Dimensionen, die sein Lehramt in der zeitgenössischen Geschichte angenommen hat, fordern uns auf, die Erinnerung an ihn in unseren Herzen und unserem Geist wachzuhalten, um immer mehr und immer besser das echte Charisma zu verstehen, das er besaß und das er mit vollen Händen in der Kirche verbreitete, zur Erbauung der Gläubigen und aller Menschen gutens Willens. 3. Allen sind die außergewöhnlichen Äußerungen seines kurzen, aber reichgefüllten Pontifikats bekannt. Insbesondere die prophetische Initiative des Zweiten Vatikanischen Konzils machte diesen Papst zu einem scharfsinnigen Interpreten der Zeichen der Familie der Kinder Gottes, der fähig war, wie der weise Schriftgelehrte des evangelischen Gleichnisses aus seinem reichen Vorrat „Neues und Altes“ hervorzuholen {Mt 13, 52). Und wie sollte man nicht neben der unerwarteten Einberufung des Konzils an den Einfluß erinnern, den er durch die mit Recht berühmten Enzykliken Mater et magistra und Pacem in terris ausübte? Gewiß verdanken wir ihm einen neuen gelösteren und rascheren Gang, der aber immer geradlinig war und zugleich von der einzigen Kraft getragen, die die Kirche im Innern auf ihre Ziele hinbewegt. Und das war sein klarer und bewußter Wille, wie wir in seinem kostbaren „Tagebuch der Seele“ lesen, das die transparente Chronik seines Innenlebens ist: „Man kann wohl sagen“ - schrieb er -, „daß wir uns alle in einem neuen 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeitalter angekommen fühlen, das auf der Treue zum überkommenen Erbe gründet, das die Wunder eines wahren geistlichen Fortschritts erschließt: und dieser kann nur von Christus, dem glorreichen und unsterblichen König der Zeiten und Völker, Würde, Gedeihen und Segen erwarten“ (Nr. 481). 4. Möge die Erinnerung an diesen Papst in euch lebendig bleiben, der es verstanden hat, die Kirche dadurch zu verjüngen, daß er sie mit den ewigen Wassern der Wahrheiten des Evangeliums benetzte; der es vermocht hat, den durch alte und schmerzliche Brüche getrennten Brüdern das Herz zu öffnen und mit betont herzlicher Vertraulichkeit den Dialog mit der modernen Welt anzuknüpfen, wobei er sie wieder für die Probleme Gottes und der Kirche begeisterte. Ja, sein Gedächtnis sei gesegnet! Seine Fürsprache bei Gott für das Leben der Kirche und den guten Ausgang ihrer apostolischen Unternehmungen stehe uns bei. Er sei für alle Ansporn und Stütze im mutig engagierten Zeugnis für Christus vor der Welt. Mit diesen Gedanken und Gefühlen erteile ich jedem von euch und euren Lieben von Herzen meinen besonderen Segen. ,,Ihr seid Christus am nächsten!“ Predigt bei der Messe für die Kranken auf dem Petersplatz am Sonntag, 5. Juni Der Herr ist mein Licht und mein Heil, wen sollte ich fürchten? 1. Mit diesen Worten des Antwortverses, die die Gefühle des Vertrauens in den Herrn widerspiegeln, von denen die Teilnehmer an diesem Jubiläumsgottesdienst beseelt sind, richte ich an euch alle, liebe kranke Brüder und Schwestern, und an euch, die ihr ihnen liebevoll beisteht, meinen herzlichen Gruß. Es ist ein Gruß, in dem tiefe Ergriffenheit und aufrichtige Dankbarkeit für euch mitschwingen, die ihr in so großer Zahl hier seid, um durch eure Präsenz, durch die Festigkeit eures Glaubens, mit dem kostbaren Opfer eurer Gebete und vor allem eurer Leiden an der unblutigen, jedoch wahren und wirklichen Opferung Jesu Christi auf dem Altar aktiv teilzunehmem. 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als ich durch eure Reihen ging, habe ich in besonderer Weise die Nähe Christi gespürt, jenes Christus, der gelitten und uns durch sein Kreuz erlöst hat. Ja, diese unsere Begegnung ist in der Tat erfüllt vom Geheimnis der Erlösung, jenes außerordentlichen Ereignisses, das sich vor nunmehr 1950 Jahren zugetragen hat und von dem das Schicksal der Welt abhing und abhängt. Euer Leiden stellt euch in die Herzmitte dieses Geheimnisses: Es stellt euch also in die Herzmitte der Welt, weil ihr dem gekreuzigten Christus am nächsten seid. Während ich hier auf euch, liebe Kranke, blicke, gehen meine Gedanken zu allen, die in diesem Augenblick wie ihr vom Leiden heimgesucht werden. Auch an sie will ich mich wenden, um ihnen meine Liebe und die Dankbarkeit der Kirche zum Ausdruck zu bringen, die in ihnen einen auserwählten Teil des Gottesvolkes sieht, das auf den Straßen der Geschichte unterwegs ist zur Wohnstatt der himmlischen Seligkeit. Das Leiden ist in der Tat eine Berufung: es ist ein Appell, die Last des Schmerzes anzunehmen, um sie in ein Opfer der Reinigung und Versöhnung umzuwandeln, das für das eigene Heil und das anderer in Christus und mit Christus dem Vater dargebracht wird. 2. Wir haben gemeinsam das Wort des Propheten Jesaja gehört: „Der Geist Gottes hat mich gesandt, damit ich alle Trauernden tröste“ (Jes 61, 2); Wie ihr wißt, hat Christus in der Synagoge von Nazaret diese Weissagung auf sich selbst angewandt: Er, vom Geist gesandt, ist der wahre Tröster. Er, das menschgewordene Wort, der am Kreuz gelitten hat und gestorben ist, der geschlagen wurde, Durst litt und verblutete. Er vermag euren Seelenzustand zu begreifen, Er kann euch in den dunklen Stunden nahe sein und eurem Herzen das erleuchtende und tröstliche Wort sagen. Gemeinsam mit Christus wird auch der Christ dem Leidenden Trost spenden können, wenn er sich vom Geist bewegen läßt. Kann wohl ein einfaches menschliches Wort genügen, um in einem Herzen, das die Finsternis der Verzweiflung zu verschlingen droht, das Licht der Hoffnung neu zu entzünden? Nein, Brüder und Schwestern! Es ist einzig und allein der Geist des Herrn, der - wie der Prophet in Erinnerung gerufen hat — uns alle sendet, damit wir die Trauernden trösten. Unser armes Menschenwort wäre sicherlich ganz ungenügend und ungeeignet, wenn es nicht inner lieh vom Wehen des Geistes gestärkt würde. Vor kurzem haben wir das Pfingstfest gefeiert und tragen in unserem Herzen noch den Nachklang der schönen Anrufung - einer unter vielen eindrucksvollen -, mit der wir uns an ihn als den „besten Tröster“ 1004 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenden. Der Geist also, allein der Geist des Vaters, verleiht dem Wenigen, daß wir Menschen zum Trost und zur Ermutigung der kranken und leidenden Brüder tun können, Bestand. Das freilich wissen wir mit Gewißheit, und wir glauben fest an das Wort des Herrn Jesus, mit dem er beim Abschied von den Seinen nach dem Letzten Abendmahl das Kommen eines „anderen Trösters“ versprach (vgl. Joh 14, 16.26; 16, 7). Und ihn rufen wir heute für euch, liebe Kranke, an! 3. Dieser Trost, ein Geschenk des Geistes, entfaltet und verwandelt sich, bis er zur Freude des Herzens wird. Es mag vielleicht paradox erscheinen: denn wie kann aus dem Schmerz oder der Qual eines gepeinigten Leibes das Lächeln oder die Freude erblühen? Darauf gibt allein der Glaube Antwort, wie uns der hl. Apostel Petrus in der zweiten Lesung gesagt hat: Durch seine Auferstehung hat uns Jesus Christus wieder zu lebendiger Hoffnung erweckt und uns ein unvergängliches Erbe zugesichert. Deshalb sind wir „voll Freude, obwohl wir jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müssen“. Die Betrübnis wird so zu einer von Gott im Ausblick auf ein größeres Gut zugelassenen Prüfung, sie ist eine Quelle der Verdienste und ein kurzes Intervall, das den Blick freigibt auf das endgültige Heil, das uns „in unsagbarer, von himmlischer Herrlichkeit verklärter Freude jubeln läßt“ (vgl. 1 Petr 1, 3-9). Die Krankheit verbindet den, der sie mit dem Glauben anzunehmen und mit Liebe zu ertragen vermag, auf mystische Weise mit Christus, dem „Schmerzensmann“, und wird so zum kostbaren Werkzeug der Erlösung für die Brüder. Welch unermeßlicher Horizont tut sich vor den Augen dessen auf, der im Glauben und in der Liebe zu verstehen, anzunehmen, aufzuopfern weiß! Welche Rolle von ganz entscheidender Bedeutung kommt in der Geschichte der Menschheit dem Leidenden zu! In dieser Sicht versteht man nun, wie der Glaube die Last des mannigfaltigen Schmerzes mit dem Trost der inneren Freude vereinbaren und tragen kann. 4. Im Text des Evangeliums, den wir gehört haben, wird die wunderbare Heilung des Aussätzigen erzählt (Mt 8, 1—4): „Herr, wenn du willst, kannst du machen, daß ich rein werde.“ Jeder von uns muß diesen Anruf zu dem seinen machen: Wie jener arme Unglückliche, der, aus der Gesellschaft ausgestoßen, sich vor dem Herrn niederwarf, so muß sich jeder von uns voll Glauben an ihn, den himmlischen Arzt, wenden, der auch der „Erlöser des Menschen“ ist und die 1005 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kraft hat, unsere verschiedenen aber immer wirklichen und dringenden Leiden und Gebrechen zu heilen: von den physischen Krankheiten bis zu den moralischen Übeln, den Sünden. Indem wir also den Anruf des Aussätzigen aus dem Evangelium aufgreifen, richten wir alle an ihn unsere inständigen Fürbitten: - vor allem für euch, liebe kranke Brüder und Schwestern, die ihr hier zugegen seid oder die ihr wegen eurer Krankheit euer Schmerzenslager nicht habt verlassen können; daß er euch mit dem Geschenk seines Geistes tröste und euch mit seiner Freude erfülle; - sodann besonders für euch, Brüder und Schwestern, die ihr bei dieser Heilig-Jahr-Messe das Sakrament der Krankensalbung empfangen werdet; die Gnade, die dieses Sakrament verleiht, schenke euch viel Licht, Kraft und Trost; - außerdem wollen wir für jene beten, die durch Berufung und Beruf sich der Krankenpflege widmen: daß ihnen jeden Tag aufs neue die Kraft zu einem Dienst, der ein Opfer ist, geschenkt werde; - und schließlich rufen wir ihn an für alle Söhne und Töchter der Kirche, damit sie, wenn sie von dieser Heilig-Jahr-Messe erfahren, ihren beispielgebenden Wert erfassen und sich immer ihrer Pflicht erinnern, in Erfüllung des obersten Gebotes der Nächstenliebe für alle Leidenden und Trauernden Sorge zu tragen. Herr Jesus, himmlischer Arzt für Seele und Leib, universaler Erlöser des Menschen und der Menschheit, nimm unsere Fürbitten an und erhöre sie! Amen. „Den Nord-Süd-Dialog wieder aufnehmen!“ Botschaft an den Generalsekretär der Konferenz für Handel und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCTAD) anläßlich der Eröffnung der VI. Welthandelskonferenz in Belgrad am 6. Juni Herrn Gamani Corea, Generalsekretär der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) Die VI. Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung tritt zu einem Zeitpunkt zusammen, wo viele ernste und gewichtige Fragen die Aufmerksamkeit von Führern und Fachleuten auf dem Gebiet 1006 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Politik, der sozialen Probleme, der Wirtschaft und Entwicklung beanspruchen. In einer solchen Atmosphäre, wo es viele Probleme gibt und wo Lösungen nicht leicht sind, ist es oft schwierig, ausreichende Mittel und Kräfte — verbunden mit der erforderlichen politischen Verpflichtung - aufzubringen, um den zahlreichen besonderen Herausforderungen auf den Gebieten, die von Ihrer Konferenz untersucht werden, entsprechend gerecht zu werden. Während ich vor allem den eigentlich menschlichen Faktor im Auge habe und mich über die Geschichte der vorangegangenen Konferenzen unterrichten ließ, schreibe ich Ihnen, Herr Generalsekretär, um dieser wichtigen Tagung Worte der Unterstützung und Ermutigung zukommen zu lassen, die meinem tiefen Wunsch entspringen, diese Konferenz möge zur Verbesserung der Lebensbedingungen und damit zum jetzigen und künftigen Wohlergehen der Entwicklungsländer beitragen, und zwar insbesondere jener Länder, die konkrete Hilfe am dringendsten nötig haben. Wie Sie wissen, ist die Aufgabe der Kirche geistlicher und religiöser Natur. Beseelt von der Botschaft des Evangeliums Jesu Christi und im Einklang mit ihrem geistlichen Sendungsauftrag, zögert die Kirche niemals, ein Wort zu sprechen und zu helfen, um die Verantwortungen mitzutragen, denen wir uns alle stellen müssen, um für alle Völker, besonders für die bedürftigsten, den Lebensstandard zu heben und eine bessere Zukunft zu sichern. In meiner Enzyklika Laborem exercens sprach ich von der Bedeutung der internationalen Organisationen im Bereich internationaler Zusammenarbeit, wobei ich betonte, daß „sie sich von einer genauen Diagnose der vielschichtigen Situationen und ihrer naturgegebenen, geschichtlichen, politischen und sonstigen Bedingungen leiten lassen müssen; darüber hinaus müßten sie in der Verwirklichung der gemeinsam festgelegten Aktionspläne eine größere Leistungsfähigkeit und Effizienz erlangen“ (Nr. 18). Zahlreich und vielfältig sind die Studien und Analysen, die von verschiedenen Behörden und Regierungen im Lauf der letzten zwanzig Jahre zum Thema Entwicklung und Handel in der Welt und in einzelnen Nationen durchgeführt wurden. Die Verantwortlichen haben von diesen Studien mit unterschiedlichem Erfolg Gebrauch gemacht. Was ich jedoch heute betonen möchte, ist die Notwendigkeit, von den Studien, die bereits verfügbar sind oder die dort, wo sie gebraucht werden, zur Verfügung stehen sollten, zum nächsten Punkt überzugehen. Die internationalen Organisationen und Nationen sollten im Bewußtsein ihrer gegenseitigen Abhängigkeit und im Geist der Solidarität ihre Anstrengungen auf dieser 1007 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN VI. UNCTAD-Konferenz darauf verwenden, ein gemeinsames Vorgehen zu planen, das für die Förderung des Wohlergehens der Nationen und Völker, die sich hilfesuchend an dieses Forum wenden, erfolgreicher sein könnte. Zu diesem Zweck ist es - so meine ich - unerläßlich, daß der Nord-Süd-Dialog mit neuen Sichtweisen und mit erneutem politischen Willen zur Durchführung gegenseitig hilfreicher Programme wieder in Gang gesetzt wird. Jedermann ist sich der internen Probleme bewußt, die eine Zeitlang alle Nationen der Welt ohne Ausnahme bedrängten. So groß sie auch sein mögen, es wäre doch bedauerlich, wenn die internen Schwierigkeiten eines entwickelten Landes als Entschuldigung dafür benützt würden, um den Verantwortungen und Verpflichtungen auf internationaler Ebene aus dem Weg zu gehen. Man kann also sehen, daß auf dem Gebiet der Entwicklung der grundlegende Schritt die Aufnahme eines Dialogs sein muß, der den anderen als gleichwertigen Partner akzeptiert und durch aufrichtige und offene Verhandlungen die Wege zur tatsächlichen und konkreten Lösung der Probleme zu finden sucht. Für diesen Dialog kann es keinen Ersatz geben. Keine Nation hat das Recht, sich von den Anforderungen, die ein solcher Dialog darstellt, auszuschließen. Wenn der Nord-Süd-Dialog wieder aufgenommen und ihm ein neuer Antrieb und eine neue Richtung gegeben werden kann - und bei einer derartigen Bemühung kann diese Konferenz eine bedeutende Rolle spielen -, dann wird ein erstes Ergebnis dieses Prozesses die Entdeckung einer neuen Art der gegenseitigen Abhängigkeit sein. Diese findet in einer ganzen Reihe von Maßnahmen und Formen ihren Ausdruck, vom einfachen Tauschhandel bis zu den kompliziertesten internationalen Wirtschafts- und Handelsabkommen. Das ist jedoch der offenkundige Tatbestand gegenseitiger Abhängigkeit, der uns darauf hinweist, daß keine Nation ausschließlich aus eigener Kraft und unter alleiniger Beachtung ihrer eigenen Interessen zu leben vermag. Doch in diesem Tatbestand kann man eine noch wichtigere Gegebenheit entdecken, nämlich die Beschaffenheit jener gegenseitigen Abhängigkeit, jenes Austausches, der über die bloßen Tatsachen hinweg zum Ausdruck gebracht und entwickelt werden muß. Das ist es, was in der Erneuerung des Nord-Süd-Dialogs gefördert werden muß: seine Qualität muß verbessert werden. Das Bild einer Welt, die in Eintracht lebt, muß hervorgehoben werden. Die Achtung für diese Werte der gegenseitigen Kulturen muß vertieft werden. Vor allem aber gilt es, die volle Würde und den Wert der menschlichen Person in der Gesellschaft zu schützen und zu fördern. 1008 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Dialog, den Sie auf dieser Konferenz über Wirtschaft und Handel, über Entwicklung und passende Technologie führen müssen, wird von dem Wert geleitet und zugleich Ausdruck jenes Wertes sein, den Sie den Völkern und Nationen zuerkennen, mit denen Sie verhandeln. Das, so muß ich hinzufügen, ist eine gegenseitige Entdeckung und eine gegenseitige Verpflichtung: einen Nord-Süd-Dialog zu entwickeln, der eine Qualität der gegenseitigen Abhängigkeit verkörpert und zum Ausdruck bringt, welche den wahren Wert aller Partner anerkennt; somit werden konkrete Schritte eingeleitet, um die Bedeutung des Wertes der menschlichen Person und des gemeinsamen Wohles aller klarzustellen. Es ist meine ernsthafte Hoffnung, daß die VI. UNCTAD-Konferenz einen wirklichen und dauerhaften Beitrag zu diesem Dialog leisten wird; einen Beitrag, der zu Programmen für die Überwindung der gegenwärtigen Unterschiede führt und neue Hoffnung für das Leben der bedürftigsten Völker und Nationen gibt; einen Beitrag, der auf eine Welt ausgerichtet ist, in welcher der Wert jedes Menschen und jeder Nation voll geachtet und geehrt wird. Ich bete, daß Gott, unser gemeinsamer Vater, diese Konferenz, Ihre Beratungen und das Ergebnis Ihrer Arbeit segnen möge. Aus dem Vatikan, am 25. Mai 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. Weiheakt an das Herz Jesu erneuert Gebet für Polen am 8. Juni 1. Am kommenden Freitag feiert die Kirche das Hochfest des Heiligsten Herzens Jesu. Im Hinblick darauf möchte ich den Weiheakt an das göttliche Herz in Erinnerung rufen, der von den polnischen Bischöfen am Christkönigsfest, dem 28. Oktober 1951, kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges, vollzogen wurde. Hier die Worte dieses Weiheaktes: Wir danken Dir für alle Wohltaten, die Du unserer Nation erwiesen hast, besonders dafür, daß Du uns zum heiligen katholischen Glauben berufen hast, und für den Schutz über uns auch in schwierigen Augenblicken der Geschichte! 1009 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN . . . Wirvertrauen uns gänzlich Deinem Göttlichen Herzen an und weihen uns ihm, um immer Dein Volk zu sein! Zugleich geloben wir feierlich, treu im heiligen katholischen Glauben auszuharren. Deine heilige Kirche zu verteidigen und unser persönliches, familiäres und nationales Leben nach Deinem Evangelium auszurichten. 2. Herrin von Jasna Gora! Du bist für uns stets der Weg zum Herzen Deines Sohnes gewesen. Dieses am Kreuz „von der Lanze durchbohrte“ Herz ist für alle zur „Quelle des Lebens und der Heiligkeit“ geworden. Verbinde dem Göttlichen Herzen die Personen, Familien und gesellschaftlichen Gruppen, denn dieses Herz - „das gehorsam war bis zum Tod“ - ist die „Sühne für unsere Sünden“. Möge es auch „Quelle allen Trostes“ für alle Unterdrückten, Benachteiligten und Leidenden sein. O Mutter, möge durch Deine Fürsprache das Herz des Erlösers nicht aufhören, im polnischen Land „König und Mitte aller Herzen zu sein“ ..., „damit alle aus seinem Reichtum schöpfen“ — besonders in diesem Heiligen Jahr der Erlösung. Die Hilfe aller Menschen guten Willens sammeln Botschaft zum Weltmissionssonntag, 23. Oktober, vom 10. Juni Ehrwürdige Brüder, liebe Söhne und Töchter der Kirche! 1. In diesem Jahr gibt die Feier des außerordentlichen Jubiläumsjahres der Erlösung dem Weltmissionssonntag besondere Bedeutung. Bei seiner Ankündigung habe ich an den Aufruf erinnert, den ich zu Beginn meines Pontifikats an die Welt gerichtet habe: „Öffnet Christus die Tore!“ Denn das Jubiläum ist in der Tat eine eindringliche Aufforderung zur Umkehr und zur Versöhnung, ein Aufruf, uns die Gnade der Taufe immer mehr zu Bewußtsein zu bringen und hochherzig dem Evangelium zu folgen, das Verkündigung der Erlösung und des Heils für alle Menschen ist. Schon dadurch, daß das Evangelium jedem Christen die Reichtümer, die die Erlösung der Welt gebracht hat, ins Bewußtsein ruft, erhält das Jubiläum eine erhebliche missionarische Bedeutung, wird zu einem erneu- 1010 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Appell für die Evangelisierung jener Millionen Menschen, die 1950 Jahre seit dem Erlösungsopfer auf Kalvaria noch nicht Christen sind und in Leid oder Freude nicht den Namen des Heilands anrufen können, weil sie ihn noch nicht kennen. Wenn wir also echte Christen sein wollen, können wir nicht ohne den Wunsch bleiben, gemeinsam mit diesen Brüdern in vollem Maß an dem wunderbaren Geschenk der Erlösung teilzuhaben. Mit anderen Worten, die Beziehung zu Gott Vater und zu Christus Jesus, weit entfernt davon, nur eine individuelle Beziehung zu sein, ist eine Beziehung, die die ganze Menschheit mit einschließt, und zeigt sich daher in unmißverständlich missionarischer Dimension. Christus ist der Erlöser aller Menschen, für alle ist er gestorben, für alle hat er sich selbst als Lösegeld hingegeben (vgl. 2 Kor 5, 15; 1 Tim 2, 6; 1 Joh 2, 2) und ruft einen jeden von uns nicht nur zur persönlichen Umkehr, sondern auch dazu, Werkzeug der Erlösung für die zu sein, die noch nicht erlöst sind: „Geht hin und macht alle Völker zu meinen Jüngern“ (vgl. Mt 28, 19-20). Eine hohe Ehre, aber auch ein feierlicher Imperativ, der unser Gewissen auf das Grundgebot der Botschaft Christi hinweist: „Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe“ {Joh 15, 12; vgl. 15, 17). Ist die Erlösung nicht die praktische Ausführung jenes Planes der Liebe, den wir nach Christi Willen fortsetzen sollen? Wir können daher um so mehr sagen, daß wir die Brüder lieben, je mehr wir gearbeitet und gewirkt haben, um ihnen das Heilswort Christi selbst und die Früchte der Erlösung mitzuteilen. Jeder muß sich die Worte des Apostels zu eigen machen: „Die Liebe Christi drängt uns“ (2 Kor 5, 14). Wie ich in der Verkündigungsbulle des Jubiläumsjahres geschrieben habe, kann man „in der Neuentdeckung und im lebendigen Vollzug der sakramentalen Heilsordnung der Kirche, durch welche die Gnade Gottes in Christus zu den einzelnen und zu den Gemeinden kommt, . . . die tiefe Bedeutung und erhabene Schönheit dieses Festjahres erblicken, dessen Feier uns der Herr geschenkt hat. Es muß anderseits klar sein, daß diese besonders dichte Zeit, in der jeder Christ dazu auf gef ordert ist, seine Berufung zur Versöhnung mit Gott, dem Vater, im Sohn, Jesus Christus, tiefer zu verwirklichen, ihr Ziel nur dann voll erreicht, wenn sie in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen allen Menschen sowie für den Dienst am Frieden zwischen allen Völkern einmündet“ (Aperite portas redemptori, Nr. 3). In den Geist des Jubiläumsjahres eintauchen kommt daher einem Ein- 1011 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tauchen in missionarischen Geist gleich, bedeutet, sein Herz nicht nur in die Tiefe des eigenen Bewußtseins zu versenken, sondern auch all jenen zu öffnen, die unsere Brüder sind und das Recht haben, Christus kennenzulernen und sich der Reichtümer seines Herzens zu erfreuen, das „dives in misericordia“ ist. 2. Es gibt keinen größeren Dienst am Menschen als den missionarischen. Der Weltmissionssonntag dieses Jahres befindet sich also in vollem Einklang mit dem theologischen und seelsorglichen Gehalt des außerordentlichen Jubiläumsjahres. Ich wiederhole daher von Herzen und erfüllt von Sorge: „Öffnet, ja, reißt die Tore weit auf für Christus!“ Laßt uns zum Heiland gehen und ihn allen Menschen bringen! Bringen wir ihn mit der mitreißenden und überzeugenden Kraft des Heiligen Geistes, den wir in missionarischem Gebet erbitten und erhalten! Ich wende mich an die Jugendlichen Bringen wir ihn, indem wir unsere täglichen Leiden, auch die unscheinbarsten und verborgensten, mit dem großen Opfer des Kreuzes vereinen, um sie kostbar zu machen und ihnen einen erlösenden Wert für unsere Brüder zu geben. Bringen wir ihn, indem wir mit unserer Solidarität, mit unserer Anerkennung, mit unserer vielfältigen Hilfe jene Hochherzigen unterstützen, die in der vollkommensten Loslösung an der vordersten Front des Reiches Gottes für die Verkündigung des Evangeliums arbeiten. Ich wende mich in besonderer Weise an die Jugendlichen, die die Hoffnung der Kirche, meine Hoffnung, sind. Sie sollten ihre Begeisterungsfähigkeit, ihren Überschwang an Energien und Gefühlen, ihr Feuer und ihren Wagemut der heiligen Sache der Mission widmen. Dachte der hl. Franz Xaver vom fernen Indien aus, wo er die Heilsbotschaft verkündete, nicht an seine zahlreichen Altersgenossen an der Universität von Paris, als er behauptete, daß sie in Kenntnis der enormen Bedürfnisse der Missionswelt nicht gezögert hätten, sich ihm bei der geistlichen Eroberung der Welt für Christus anzuschließen? Den Jugendlichen sage ich daher: Habt keine Angst! Fürchtet nicht, euch Christus hinzugeben, ihm euer Leben zu widmen im hochherzigen Dienst am höchsten der Ideale, dem missionarischen. Ein begeisternder Einsatz, voll Aktivität erwartet euch. 1012 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pflicht aller Gläubigen 3. Die Zusammenarbeit, Pflicht aller Christen. In gleicher Weise wünsche ich mir, daß alle Gläubigen mit ihrem persönlichen Beitrag an der großen Bewegung der „missionarischen Zusammenarbeit“ teilhaben, die in den Päpstlichen Missionswerken die berufensten Instrumente findet, die geeignetsten und wirksamsten, um geistlich und materiell das Wirken der Pioniere des Evangeliums zu fördern (vgl. Ad gentes, Nr. 38). Doch damit die Gläubigen sich voll und ganz der unausweichlichen Notwendigkeit ihrer Mitarbeit bewußt werden können, ist es unumgänglich, daß sie von jenen für das Problem empfänglich gemacht werden, denen die äußerst wichtige Aufgabe der missionarischen Animation zukommt, nämlich den Priestern und Ordensleuten. Die Animation durch die Führer des Volkes Gottes ist unumgänglich, weil von ihr das konkrete Bewußtsein der Gläubigen für das Problem der Evangelisierung abhängt und damit auch ihr Einsatz und ihre Mitarbeit. Ein Einsatz, der um so notwendiger und dringender scheint, wenn man bedenkt, daß die Missionstätigkeit, die ja auch den Bau von Kirchen, Schulen, Seminaren, Universitäten, Fürsorgeeinrichtungen usw. umfaßt, die für die religiöse und menschliche Förderung so vieler Brüder unbedingt erforderlich sind, sehr stark von den vielen Schwierigkeiten wirtschaftlicher Natur abhängig ist. Und welch besserer Strukturen als der Päpstlichen Missionswerke, die ich oben erwähnt habe, kann man sich bedienen, um dieses Programm feinmaschiger Sensibilisierung durchzuführen und das Netz der weltumspannenden tätigen Liebe zu organisieren? Mir ist bekannt, daß in letzter Zeit in vielen Ländern „Zentren für missionarische Animation“ im Entstehen sind. Diese Initiativen empfehle ich von ganzem Herzen, sind sie doch sehr nützlich für die theologische, seelsorgliche und geistliche Vertiefung der Missionslehre. Ich selbst werde die Freude haben, den neuen Sitz eines dieser Zentren, des Internationalen Zentrums für missionarische Animation (CIAM), einzuweihen, der sich bei der von mir geschätzten Urbaniana-Universität befindet. An diesem Weltmissionssonntag also streckt die Kirche, Mutter und Lehrerin, auf das Wohl aller bedacht, eben durch die erwähnten Päpstlichen Werke ihre Hand aus, um die Hilfe aller Menschen guten Willens zu sammeln. Diese hochherzige Hilfe anzubieten ist eine Pflicht, eine Ehre, eine Freude, denn es bedeutet, beizutragen, daß die unschätzbaren Wohltaten 1013 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Erlösung denen gebracht werden, die noch nicht den „unergründlichen Reichtum Christi“ (vgl. Eph 3, 8) kennen. Auch der neue Kodex des kanonischen Rechtes, der der Missionstätigkeit einen ganzen Teil des Buches II (can. 781-792) widmet, bestätigt ausdrücklich die Pflicht aller Gläubigen - jeder nach seinen Möglichkeiten -am Werk der Evangelisierung mitzuarbeiten im Bewußtsein der eigenen Verantwortung, die aus der Kirche eigenen missionarischen Natur herrührt (vgl. can. 781). Rechtliche Anerkennung erhält so auch die ganze missionarische Zusammenarbeit, die, wie in Kanon 791 erklärt wird, in allen Diözesen nach vier Grundprivilegien angeregt werden soll, nämlich: Förderung von Missionsberufen; erforderlicher priesterlicher Beistand für missionarische Initiativen, vor allem für die Entwicklung der Päpstlichen Missionswerke; Feier des Weltmissionssonntages; jährliche Sammlung finanzieller Hilfen für die Missionen, die dem Hl. Stuhl zu übermitteln sind. Geistlicher Impuls durch das Heilige Jahr 4. Vom Heiligen Jahr ein Aufruf der Hoffnung. Ich wünsche aufrichtig, daß alle Kräfte der Kirche, des Volkes Gottes, in dieser schwierigen Stunde - voll drohender Gefahren, aber auch Zeichen der Hoffnung - die die Menschheit durchlebt, sich, gestärkt mit dem geistlichen Impuls, den dieses Jahr der Erlösung gibt, aufmachen, damit die Verkündigung des Evangeliums die Völker und Nationen der Erde immer weiter verbreitet und vertieft werde. Schließlich möchte ich all meinen Dank den Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien zum Ausdruck bringen, die sowohl an vorderster Front als, auch in den verschiedensten Bereichen der Kirche und durch ganz verschiedene Tätigkeiten wirksam zur Ausbreitung des Reiches Gottes beitragen. Gleichzeitig erteile ich ihnen und ihren Lieben aus vollem Herzen den Apostolischen Segen zur Vermittlung himmlischen Beistandes. Aus dem Vatikan, am 10. Juni, dem Hochfest des Heiligsten Herzen Jesu, im Jahre 1983, dem fünften meines Pontifikates. PAPST JOHANNES PAUL II. 1014 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brauchbare Initiativen vorschlagen Ansprache an die Gründungsgruppe der Internationalen Stiftung „Nova Spes“ am 10. Juni Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Ich freue mich, nach dem Arbeitsgespräch im September vergangenen Jahres erneut mit Ihnen zusammenzutreffen und Sie zur Weiterführung Ihrer Arbeiten zu ermutigen. Ich danke Kardinal König für die liebenswürdigen Worte, die er an mich richtete und in denen er die gemeinsamen Gedanken und Gefühle zum Ausdruck brachte; ich begrüße Sie alle ganz herzlich. Im besonderen heiße ich alle willkommen, die zum ersten Mal an den Treffen von „Nova Spes“ teilnehmen. Ich brauche heute vor Ihnen nicht erneut die Überlegungen, Orientierungen oder Ratschläge aufzugreifen, die ich Ihnen bei der Audienz am 26. April 1982 vorlegen konnte. Es geht jetzt darum - so sagte ich Ihnen -, durch konkrete Mittel, wirksame Änderungen und eine entsprechende Planung das hochherzige Vorhaben in Gang zu bringen, dem modernen Menschen zu helfen, die Störungen und vielfältigen Spaltungen, die ihn bisweilen fast zum Bruch mit Gott und seinesgleichen veranlassen, zu überwinden und gemäß einer gesunden Anthropologie, die der Subjektivität des Menschen und dem Geheimnis seiner Person gebührende Rechnung trägt, für die Reintegration seines Seins in all seinen Dimensionen zu arbeiten. „Nova Spes“ inspiriert sich also an einem Prinzip der Einheit, an dem sich ihre Themenauswahl und die Förderung der Kultur der Reintegration orientieren. 2. Zur Zeit nehmen Sie sich vor — und darüber freue ich mich —, in Ihrer Weise zur Neubekräftigung der menschlichen Grundwerte beizutragen und ein geeignetes Instrument zu ihrer Förderung und Verteidigung zu schaffen. Dabei geht es Ihnen darum, vor allem in den Krisengebieten eine neue Ordnung menschlicher Beziehungen und neue, auf die tiefe Solidarität der Menschen gegründete Lebensmodelle anzuregen. Mit einem Wort, Sie suchen durch geeignete Mittel der Reflexion neue „Zeichen der Hoffnung“ oder, um Ihre Ausdrucksweise zu gebrauchen, eine „neue Hoffnung“ oder Impulse für sie zu setzen, um auf kultureller Ebene die dringende Notwendigkeit einer menschlicheren Gesellschaft, eines Humanismus zu fördern, der sich für uns Christen nicht von der Annahme Gottes trennen läßt. 1015 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Ich wünsche daher, daß Ihr Appell von denen gehört wird, die sich zusammenschließen wollen und können, um den Menschen zu retten und seinen qualitativen Fortschritt auf Seinsebene dadurch sicherzustellen, daß sie zusammen mit den Kräften des religiösen Glaubens die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Forschung, der künstlerischen Ausdrucksform und der Massenmedien, der Erfahrung und Zuständigkeit einsetzen. Ein komplexes und schwieriges, weil sehr weitgefaßtes Werk mit vielfältigen Aspekten, die nur fragmentarisch und schwer zu anderen in Beziehung zu bringen sind; jedoch ein Werk, das notwendig ist und jedes hochherzige Engagement verdient. Setzen Sie vor allem Ihr Vorhaben fort, erläuternde Analysen und brauchbare, realistische und wohlabgewogene Initiativen vorzuschlagen. Ich bin sicher, daß es Ihnen gelingt, für die Arbeiten aller derer offenzubleiben, die in Gesellschaft und Kirche mit ihren Methoden, ihren Mitteln und ihren Institutionen im gleichen Sinn tätig sind; ich denke insbesondere an den Päpstlichen Rat für die Kultur, der im vergangenen Jahr gegründet wurde und der auf der Ebene der Forschung die verschiedenen kulturellen Ausdrucksformen und Quellen umfaßt. Und ich danke heute allen denen herzlich, die Ihnen in irgendeiner Weise Unterstützung, Hilfe und Arbeitsmittel gewähren. Ich ermutige Sie in Ihrem Bemühen, Zeichen der Hoffnung zu schaffen und die Hoffnung zu leben. Ich bitte Gott, Ihre Personen und Ihre Arbeiten zu segnen und Ihnen die Mühe zu vergelten, mit der Sie dazu beitragen, dem Menschen wieder neue Hoffnung zu schenken, indem Sie ihn auf den Weg führen, wo er sein wahres Gesicht wiederfinden kann: das Gesicht, das dem Plan des Schöpfers und der Heilsrettung durch den Erlöser entspricht - nach seinem göttlichen Herzen, dessen Fest wir heute feiern. 1016 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ihr sollt Christi Freunde werden“ Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe im Petersdom am Sonntag, 12. Juni „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89, 2). 1. Ich wende mich ganz besonders an euch, liebe Brüder, die in wenigen Augenblicken Christus, der oberste und ewige Priester, durch die Handauflegung zu Teilhabern an seinem Priesteramt auf Ewigkeit machen wird! Möge darum spontan aus meinem und eurem Herzen der freudige Ruf des Psalmisten kommen: „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen!“ Ich, Bischof von Rom, Nachfolger Petri und Hirte der Gesamtkirche, erhebe meinen Jubelgesang, weil ich die Gnade habe, Vermittler einer wunderbaren Gabe zu sein, die Gott seiner Kirche zuteil werden läßt; ihr freut euch, weil ihr die Gnadengabe des Priesteramtes empfangen sollt, auf das ihr euch seit langem vorbereitet, nachdem ihr den Ruf Jesu, ihm zu folgen, von euren Bischöfen bestärkt, hochherzig angenommen habt! Der heutige Tag ist ein Tag der Gnade und der Freude für mich; für euch; für die Ortskirchen in der ganzen Welt, aus denen ihr kommt; für die gesamte Kirche, die in euch in der Heilsgeschichte das geheimnisvolle und fruchtbare Werk ihres Hauptes und Bräutigams gesichert sieht. „Durch die Weihe und die vom Bischof empfangene Sendung werden die Priester zum Dienst für Christus, den Lehrer, Priester und König, bestellt. Sie nehmen teil an dessen Amt, durch das die Kirche hier auf Erden ununterbrochen zum Volk Gottes, zum Leib Christi und zum Tempel des Heiligen Geistes auferbaut wird“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 1) - so hat das Zweite Vatikanische Konzil die geistliche Identität der Priester zusammengefaßt. 2. Analog dem Charisma, das Gott seinen Propheten verliehen hat, ist das Priesteramt eine Sendung. Es ist eine unverdiente Erwählung durch’ Gott, der der Mensch niemals hinreichend würdig sein kann. Der Prophet Jeremias beteuert, als er vom Herrn berufen wird, seine Unfähigkeit, seine Unreife - „Ich kann doch nicht reden, ich bin noch zu jung“ -, doch der Herr antwortet ihm: „Sag nicht: Ich bin noch zu jung! Wohin ich dich sende, sollst du gehen, und was ich dir auftrage, sollst du verkünden“ (Jer 1, 6f.). Gott sendet euch, die Kirche sendet euch! Darum sollt ihr an dem Ort,.in 1017 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Amt, in der Funktion, die euch von der göttlichen Vorsehung durch die rechtmäßigen Oberen aufgetragen werden, Verkünder sein, Verkünder des Evangeliums, „das eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1, 16). Es wird also eine schwere Verantwortung sein, durch Worte und durch das Leben nicht euch selbst, sondern Christus, und zwar den gekreuzigten und auf erstandenen Christus (vgl. 1 Kor 1, 23; 2, 2; 2 Tim 2, 8), zu verkündigen. Der moderne Mensch bewahrt trotz der philosophischen und idelogischen Verwirrungen unserer Zeit ein quälendes Bedürfnis nach Wahrheit, Gerechtigkeit, Güte und Frieden. Von euch wird erwartet, daß ihr Christus, den „Weg, die Wahrheit und das Leben“ (vgl. Joh 14, 6). verkündet. Und das verlangt dauernden Einsatz, ständige Wachsamkeit, ein feines Pflichtbewußtsein, freudige Treue zur Zölibatspflicht „um des Himmelreiches willen“, frohe Bereitschaft, durch Opfer, Leiden, Selbstverleugnung und Kreuz „bei Christus“ zu sein. 3. In diesem Zusammenhang gewinnen die Aussagen des Hebräerbriefes, die wir gehört haben, ihre volle Bedeutung. Der Priester „wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott. . .“ (Hebr 5, 1). Vom Geist inspiriert hebt der Verfasser dieses Briefes die natürliche Gemeinschaft des Priesters mit den anderen Menschen hervor; er betont die gemeinschaftsbildende Zielsetzung seines Amtes und seiner Sendung: er ist ein „Mensch für die anderen“; er muß sich daher ganz für die Brüder einsetzen, all das aber in einer wesentlich und grundlegend geistlichen und übernatürlichen Sicht: Es muß im Bereich des Religiösen geschehen. Euer Leben wird also nicht ein Leben der Verweigerung oder der Flucht aus der Welt der Menschen sein, sondern ein Leben aufrichtiger und freudiger Eingliederung in ihre Geschichte, um sie in der und aus der religiösen Dimension leben zu lassen, die sich aus dem menschlichen Dasein nicht ausmerzen läßt. Das Priesteramt macht euch Christus gleichförmig, dem „Hohenpriester nach der Ordnung Melchisedeks“; er hat, „obwohl er der Sohn war, durch Leiden den Gehorsam gelernt; zur Vollendung gelangt, ist er für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heiles geworden“ {Hebr 5, 8f.). Indem er euch an seinem ewigen Priestertum teilhaben läßt, wird Christus euch zu Spendern der Sakramente, insbesondere der Eucharistie und der Versöhnung, einsetzen: Er wird euch seinen Leib und sein Blut in den sakramentalen Zeichen ganz anvertrauen, damit durch euer Amt sein Leib für das Leben der Welt dargebracht werde (vgl. Joh 6, 52); darüber hinaus wird er euch seine göttliche Macht der Vergebung anvertrauen, 1018 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN damit ihr den Brüdern und Schwestern, die Barmherzigkeit und inneren Frieden brauchen, das Wort der Versöhnung zu Gehör bringt. „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen!“ Ja, meine Brüder, möge euer priesterliches Leben - das sich jeden Tag im Gebet, im Eifer, in der Hingabe an die Seelen, an die Armen, die Kleinen, die Kranken, die Sünder verwirklicht - immer ein Dankeshymnus an Gott sein für seine unendliche Güte! Die Gnade des Priestertums wird euch in „Freunde“ Jesu verwandeln: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe. Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch auf macht und Frucht bringt“ (Joh 15, 15 f.). Gerade im Abendmahlssaal — so schrieb ich in meinem Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag des Jubiläumsjahres der Erlösung - „sind diese Worte gesprochen worden, im unmittelbaren Zusammenhang mit der Einsetzung der Eucharistie und des Priesteramtes. So hat Christus den Aposteln und allen, die von ihnen das Priesteramt übernehmen, kundgetan, daß sie in dieser Berufung und in diesem Amt seine Freunde werden sollen, Freunde also auch jenes Geheimnisses, das zu vollbringen er gekommen ist“ (Nr. 2). Meine Lieben! Während der Jahre meines Dienstes als Bischof war einer der Augenblicke größter Freude und nicht geringer Furcht der der Weihe neuer Priester für die kirchliche Gemeinschaft durch das Auflegen der Hände! Gleiche Freude und gleiches Bangen erlebe ich heute, bei dieser feierlichen Priesterweihe, die über dem Grab des Petrus im Heiligen Jahr der Erlösung vorgenommen wird. Ihr werdet die Priester des 1950. Jahres der Erlösung sein! Wenn dieses Ereignis für alle Gläubigen eine nachdrückliche Einladung darstellt, über ihr Leben und ihre christliche Berufung im Licht des Erlösungsgeheimnisses nachzudenken, so ist diese Einladung in ganz besonderer Weise an alle gerichtet, die „Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (vgl. 1 Kor 4, 1) sind oder - wie ihr in wenigen Minuten - sein werden. Zu Beginn meines Amtes als oberster Hirte der Universalkirche habe ich alle Priester der Mutter Christi anvertraut, die in besonderer Weise unsere Mutter ist: die Mutter der Priester. Ihr vertraue ich heute, am feierlichen Tag eurer Priesterweihe, euer Priestertum, einen jeden von euch, eure Jugend, eure Begeisterung, eure Hochherzigkeit, eure Vorsätze an! Die allerseligste Jungfrau Maria sei der leuchtende Stern eures Priesterweges! Amen. 1019 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tun, was der Herr von uns verlangt Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Römische Kurie und die Angestellten des Vatikans in St. Peter am 28. Juni Ehrwürdige Kardinäle! Liebe Brüder und Schwestern der Römischen Kurie! 1. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch, spricht der Herr. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht“ (vgl. Joh 15, 4-5). Mit dieser Eucharistiefeier, an der mit mir die Mitglieder aller Ränge und Grade der Römischen Kurie und die Angestellten der verschiedenen Dikasterien des Hl. Stuhles teilnehmen, feiern wir das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich begrüße euch herzlich, liebe Mitarbeiter, bei der Ausübung des universalen Dienstes, den die Kirche Roms der Gesamtkirche leistet; und innerlich bewegt, sehe ich euch heute bei diesem Gottesdienst der Versöhnung und des Lobes eng mit mir vereint. Wir feiern das Jubiläumsjahr am Vortag des Festes der hl. Petrus und Paulus, der unerschütterlichen Säulen, auf die sich die ganze Kirche und besonders die Kirche von Rom stützt. Wir feiern es in dem heiligen und herrlichen Rahmen dieser Basilika, die in ihrem großartigen, von der Kuppel Michelangelos überwölbten Bau die glorreiche „Trophäe“ des Petrusgrabes umschließt. Außerdem feiern wir das Jubiläumsjahr am Gedenktag des hl. Bischofs Irenäus von Lyon, des unvergleichlichen, scharfen Verteidigers des Primates des Stuhles Petri (vgl. Adv. Haer. 3, 3, 1-2), den er „die größte, die älteste Kirche“ nennt, „allen bekannt und ^gegründet von den glorreichen Aposteln Petrus und Paulus, die Kirche Roms“ (ebd.). Wir feiern dieses Jubiläumsjahr in der innigen, großen Freude, mit der uns alle das Bewußtsein erfüllt, daß wir dazu berufen sind, auf engere und besondere Weise, ich würde sagen, gleichsam in familiärer Form, zu den Leitungsorganen der Kirche zu gehören. Meine Freude wird dadurch vermehrt, daß an diesem Gottesdienst auch eure lieben Familien teilnehmen, die ich gleichfalls ganz herzlich begrüße. 2. Es ist ein begnadeter Augenblick. Wir sind alle gemeinsam durch die Heilige Pforte eingezogen, womit wir auch greifbar das Bild von jener Einheit der Herzen im Glauben und in der Liebe Christi boten, in der die gemeinsame Arbeit zum Dienst der Universalkirche durchgeführt werden soll. Durch das Sakrament der Buße oder Versöhnung und beim Empfang 1020 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der heiligen Eucharistie wollen wir alle gemeinsam in jenen großen Gnadenstrom eintreten, den das Jubiläumsjahr für die gesamte Kirche darstellt. Wir wollen in innigste Gemeinschaft mit Chrisuts treten, während wir durch ihn zur Vertiefung des Lebens und der Gnade mit dem Vater gelangen: denn Jesus Christus ist „die Tür zu den Schafen . . . Ich bin die Tür - hat er gesagt; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden; er wird ein- und ausgehen und Weide finden . . . Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 7.9 f.). Das bedeutet das Jubiläumsjahr. Das bedeutet die Erlangung des Ablasses. Es ist unsere — in außergewöhnlicher Weise vollzogene — Aneignung jener gewöhnlichen Fülle der Erlösung, aus der die Kirche lebt: Es ist gewiß für jeden von uns eine Verpflichtung, daß die Erlösung in unserem Inneren ihre Spur hinterläßt, damit wir - wie ich in der Verkündigungsbulle schrieb - in (unserer) persönlichen Erfahrung alle Reichtümer neu zu entdecken vermögen, die das seit der Taufe empfangene Heil ständig in sich birgt“ (Aperite portas redemptori, Nr. 3). Ein begnadeter Augenblick also, der uns darüber die tiefere Notwendigkeit nachdenken läßt, mit Christus vereint zu sein und zu bleiben, damit wir unserem Leben und unserer täglichen Arbeit im Herzen der Kirche übernatürliche Fruchtbarkeit verleihen. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch, spricht der Herr. Wer in mir bleibt, der bringt reiche Frucht.“ 3. Aber es ist auch ein Augenblick der Besinnung, der Gewissenserforschung. Ein Augenblick der Wahrheit. Mein geliebter Vorgänger Paul VI. wies bei der Messe, die aus dem gleichen Anlaß des Heiligen Jahres für die Kurie am 22. Februar 1975 gefeiert wurde, die Mitarbeiter auf die Pflicht hin, sich im tiefsten Herzen zu fragen: „Wir sind die Römische Kurie - sagte er -, das umfassende Zentralorgan der Dikasterien, Gerichtshöfe und Ämter, die der seelsorglichen Gesamtleitung der katholischen Kirche beistehen. Diese Tatsache darf in uns keineswegs ein Gefühl hochmütiger Überlegenheit. . . nähren; wir müssen uns vielmehr des Ernstes eines so hohen Amtes bewußt sein, das um so mehr Verantwortung und um so größere Mühen mit sich bringt, je enger es an die Grundforderungen des apostolischen Auftrags gebunden ist“ (Wort und Weisung, 1975, S. 215). Das ist so, Brüder und Schwestern. Wir sind dazu da, „der seelsorglichen Gesamtleitung der katholischen Kirche beizustehen“. Doch was strebt diese Leistung an, wem gelten, mit Gottes Gnade, meine täglichen Sorgen, die unbedingt auf eure Mitarbeit angewiesen sind, ohne die sie nicht 1021 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN konkrete Gestaltung annehmen und wirksam werden könnten? Was sonst sollte sie sich zum Ziel setzen, wenn nicht die Errichtung des Reiches Gottes in der Welt? Das Evangelium zum Ausdruck zu bringen? Christus den Weg zu bereiten? Dem Erlöser die Türen zu öffnen? Was will meine und eure Arbeit anders als die Ausweitung der Erlösung in der Welt? Das ist unser Einsatz, das ist unser Stolz, das ist unsere Verantwortung, für die wir uns ganz ungeeignet und unwürdig fühlen. Die Kurie verdient sich ihren ersten Ehrentitel bei der Mitarbeit, die sie in einzigartiger Weise dem Wirken des Papstes gewährt. Und dieses Wirken ist - bei gebührender Achtung der Hilfeleistung aller Mitglieder der Kirche - darum aufs engste mit der Erlösung verbunden. „Das universale Dienstamt - so schrieb ich zu Beginn der bereits erwähnten Bulle -, das dem Bischof von Rom zu eigen ist, hat ja seinen Ursprung im Ereignis der Erlösung, die Christus durch seinen Tod und seine Auferstehung erwirkt hat; und vom Erlöser selbst ist jenes Amt in den Dienst eben dieses Ereignisses gestellt worden, das im Mittelpunkt der gesamten Heilsgeschichte steht“ (Aperite portas redemptori, Nr. 1). Das also ist es, was alle Mitglieder der Kurie, welches Amt sie auch ausüben, kennzeichnen muß: die Gewißheit, die Überzeugung, die Verantwortung, im Dienst jenes Heilswerkes zugunsten der Menschheit zu stehen, das Christus mit dem Ostergeheimnis zu Ende geführt und das er ganz besonders seinem Stellvertreter auf Erden anvertraut hat: „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe!“ (vgl. Joh 21, 15 ff.). 4. Euer Dienst ist darum ein Dienst der Liebe. Denn die Erlösung ist vor allem Geheimnis der Liebe, Werk der Liebe. „Die Liebe muß man lieben“, schrieb der hl. Augustinus. „Er hat uns geliebt, damit auch wir ihn lieben; und damit wir ihn wiederlieben können, hat er uns mit seinem Geist aufgesucht“ (Enarr. in Ps. 127, 8; CCL XL. S. 1827). Auf dieser Pflicht zur Liebe im Dienst hat wiederum Paul VI. von der ganzen Römischen Kurie bei dem bereits erwähnten Anlaß bestanden, als er sagte: „Wir haben die Liebe erkannt und an die Liebe geglaubt, die Gott zu uns hat. Das ist immer wieder eine überraschende Entdeckung für unseren Geist auf der Suche nach der Wahrheit: Gott hat uns geliebt! . . . Das drängt uns am stärksten und eindringlichsten dazu, das höchste Gebot des Evangeliums zu erfüllen: das Gebot der Liebe zu Gott, der uns so sehr geliebt hat, daß er uns seinen Sohn hingab als Opfer und Erlöser, als Meister und Bruder“ ( Wort und Weisung, 1975, S. 217). Wenn der Dienst des Petrus und seiner Nachfolger eine „Liebespflicht“, ein amoris officium, ist, wie der hl. Augustinus sagt {In Ioann. Ev. 125, 5), so läßt sich für die Zusammenarbeit, die die Kurie aufgrund ihrer Bestimmung und 1022 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Struktur, dem Papst leistet, keine geeignetere Bezeichnung finden: amoris officium. Euer Dienst ist also ein Liebesdienst. 5. Aber er ist auch ein Dienst der Einheit. Er soll erfüllt werden im Geist der Weisungen des Paulus an Timotheus in der Lesung, die wir gehört haben: „Strebe unermüdlich nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe und Frieden, zusammen mit all denen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen“ (2 Tim 2, 22). Er muß erfüllt werden im Geist glühender Eintracht der Herzen, um die Jesus beim Letzten Abendmahl gebeten hat, wie uns das Evangelium, das verkündet wurde, in Erinnerung gebracht hat: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast“ (Joh 17, 21). Die Einheit, die das Wirken der Kirche zum Ziel hat, ist ein Gut, das vor allem in der Erfahrung und im täglichen Vorhaben all derer gelebt werden muß, die, wie wir alle, sich zu diesem Werk verpflichtet haben. Ein Werk der Einheit, weil es, wie ich oben sagte, ein Werk der Liebe ist: „Ich habe ihnen deinen Namen bekannt gemacht und werde ihn bekannt machen, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin“ (Joh 17, 26). So haben wir heute früh um die Fürsprache des Irenaus von Lyon gebetet: „Bewirke, daß wir uns erneuern im Glauben und in der Liebe und stets das suchen, was die Einheit und die Eintracht fördert“ (Tagesgebet). 6. Euer Dienst ist darum auch ein Dienst des Glaubens. Aus dem gelebten Glauben erwächst das Bewußtsein der Zugehörigkeit zur Kirche - und zu einem erstrangigen Dienst der Kirche. Aus dem Glauben erwächst das Bedürfnis nach ständiger Reinigung, um das Geschenk der Erlösung, das Geschenk der Gnade zu verdienen und seine demütigen Vermittler in der Welt zu sein. Noch in dieser Messe werden wir den Herrn um die erforderliche Hilfe bitten, „damit wir unseren Glauben unversehrt bewahren“ (Gabengebet); damit durch den lebendigen Glauben auch wir zu wahren Jüngern Christi werden“ (Schlußgebet). Wir müssen dieses Geschenk des lebendigen Glaubens erflehen, damit unsere Arbeit nicht zu bloßer Gewohnheit wird, sich nicht müde dahin-schleppt, nicht existentiell ihres wesentlich kirchlichen Wertes beraubt wird. Der Glaube muß unseren Willen hochherzig, unseren Geist klar machen, unser inneres Auge erhellen, damit wir - auch in bescheidensten und verborgendsten Arbeiten, die Gott freilich sieht und beurteilt und belohnt - den Beitrag sehen, um den Christus uns bittet, um ihm bei der Rettung der Welt zu helfen. Der Glaube muß unseren Eifer beflügeln, im 1023 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vollen Bewußtsein, daß - wie ich bei unserer Begegnung im Juni vergangenen Jahres sagte - „dieser Dienst für den Apostolischen Stuhl durch eine besondere Eigenschaft gekennzeichnet ist, die ihren Wert, ihre Bedeutung darin hat, daß eben alle zur Teilhabe an derselben Sendung aufgerufen sind, die der Papst zugunsten der Kirche entfaltet“ (Ansprache am 28. Juni 1982, in: O.R.dt, Nr. 28 vom 9. 7. 82). 7. Ehrwürdige Kardinäle! Brüder und Schwestern, meine Mitarbeiter! Diese Intensität der Absicht und des Einsatzes ließe sich ohne die Hilfe Christi, ohne die innere Harmonie der Gnade mit ihm und für ihn nicht realisieren. „Bleibt in mir, dann bleibe ich in euch, spricht der Herr. Wer in mir bleibt, der bringt reiche Frucht.“ Wir müssen Frucht bringen. Die Versöhnung mit Gott, zu der uns das Jubiläumsjahr aufruft, ist dafür die Voraussetzung. Die eucharistische Begegnung mit Christus gibt uns dadurch, daß sie uns aufs engste mit ihm verbindet, dazu die Möglichkeit und Kraft. Wir wollen reiche Frucht bringen. Werden wir nicht müde, immer nach dem Besten zu streben. Auch in der Unauffälligkeit des aufreibenden Alltags gibt uns Christus den Lebenssaft, durch den wir in der Kirche fruchtbar werden. Der Herr braucht uns. Die Kirche blickt und wartet auf uns. Auch die nach Einheit und Ordnung dürstende Welt erwartet von uns einen konkreten Beitrag auf ihrem Weg zu mehr Gerechtigkeit und Wahrheit. Möge der hl. Irenäus weiterhin „die Kirche in der Wahrheit und im Frieden bestärken“ (Tagesgebet). Die hl. Petrus und Paulus mögen uns helfen, unseren Glauben, für den sie ihr Leben hingegeben haben, unversehrt zu erhalten. Und die heiligste Jungfrau Maria sei uns bei diesem Adventgang, bei der Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend - dessen Zeichen und Vorbereitung das Jubiläumsjahr der Erlösung ist - nahe, sie stehe uns bei, weise uns auf Christus, den Sohn des Vaters und ihren Sohn, hin, damit auch wir, indem wir ihr folgen, sie nachahmen durch unser tägliches Ja, unsere Treue zum Wort Gottes, unsere Bereitschaft als Mitarbeiter an der Erlösung. Maria sagt auch zu uns heute: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2, 5). Brüder! Hier liegt das Geheimnis der Wirksamkeit unserer Arbeit. Wir legen sie in die Hände der Mutter, weil wir stets die edlen, hochherzigen 1024 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diener des Sohnes und der Kirche sein wollen. Weil wir tun wollen, was der Herr von uns verlangt. Was er von uns allen, Mitgliedern der Römischen Kurie, verlangt: von euch, meine Mitarbeiter; von mir, dem Stellvertreter des Sohnes. Immer mit Gottes Hilfe durch die Fürsprache der Mutter. Amen. „Sorgfalt auf eine große Sachkompetenz verwenden“ Botschaft an die Vollversammlung der Konferenz der Internationalen Katholischen Organisationen vom 28. Juni Die Vollversammlung der Konferenz der Internationalen Katholischen Organisationen, die vom 25. bis 30. Juni in Wien abgehalten wurde, stand unter dem Thema: „Auf dem Weg zu einer neuen Solidarität. “ An der Tagung nahmen Vertreter des Päpstlichen Rates für die Laien sowie Msgr. Ernesto Gallina als Vertreter des Staatssekretariats teil, der am 28. Juni die folgende, vom Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli Unterzeichnete Botschaft Johannes Pauls II. verlas: Lieber Herr Präsident! Liebe Delegierte und Mitglieder der Internationalen Katholischen Organisationen! Es wird Ihr lebhafter Wunsch gewesen sein, daß Seine Heiligkeit an Ihre Vollversammlung in Wien das wertvolle Zeugnis seines Vertrauens und den Zuspruch seiner Ermutigung richtet, auf den Wegen der Evangelisierung der modernen Welt weiterzuschreiten. Der Heilige Vater, der Ihre Erwartung mit Freude erwidert, hat mich beauftragt, Ihnen zunächst seine ganz herzlichen Grüße und innigen Wünsche für den erfolgreichen Verlauf Ihrer Konferenz auszusprechen. Sein Wunsch, der, dessen bin ich sicher, den Gefühlen aller Teilnehmer entspricht, ist, daß ich auch Herrn Andre Schafter für seinen langjährigen, hochherzigen, sachkundigen und uneigennützigen Dienst in der O.I.C. seinen herzlichen Dank und den der Kirche zum Ausdruck bringe. Ich erfülle diesen Auftrag von Herzen gern. Und jetzt will ich mich bemühen - wobei ich mich von den Gedanken des Heiligen Vaters inspirieren lasse -, Ihnen einige konkrete Richtlinien darzulegen, die Ihren persönlichen 1025 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und gemeinsamen Einsatz in den verschiedenen Internationalen Katholischen Organisationen anregen und befruchten sollen. Jeder muß zugeben, daß das internationale Leben in unserer Zeit immer bedeutsamere Dimensionen angenommen hat. Die vermehrte Interdependenz von Völkern und Ereignisse, die mitunter sehr ernsten Spannungen und selbst die Brüche, zu denen es gekommen ist, erfordern mit aller Dringlichkeit ein ständiges beharrliches Bemühen um Verständigung und Solidarität in der ganzen Welt. Dieser Tatbestand drängt auch die Kirche, die sich ja in dauerndem Missionszustand befindet, dazu, „das Sakrament, das heißt, Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ zu sein. In der Tat müssen „alle Menschen, die heute durch vielfältige soziale, technische und kulturelle Bande enger miteinander verbunden sind, auch die volle Einheit in Christus erlangen“ (Lumen gentium, Nr. 1). Dieses internationale Leben beweist sich vor allem bei Gelegenheit der häufigen zwischenstaatlichen Tagungen und Symposien. Ihre sehr abwechslungsreichen Programme greifen so entscheidende Themen auf wie den Frieden, die Abrüstung, die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte, den Nord-Süd-Dialog, die Entwicklung, den Kampf gegen Hunger und Krankheit, die Beachtung der kulturellen Ausdrucksformen und die verantwortliche Kommunikation zwischen ihnen. Aber eines muß gleich deutlich gemacht werden: Dieses Phänomen der Entfaltung des internationalen Lebens würde Gefahr laufen, zu verarmen und in Stagnation zu geraten, wenn es sich auf Beziehungen auf Regierungsebene beschränkte. Diese Beziehungen sind notwendig, aber sie sind nicht ausreichend. Ein internationales Leben, das diesen Namen wirklich verdient, muß die möglichst weitreichende demokratische Beteiligung der einzelnen und der Völker widerspiegeln und zum Ausdruck bringen. Es handelt sich also um ein Zusammenspiel nicht nur der „politischen Kräfte“ im strengen Sinne des Wortes, sondern auch der intellektuellen und volkstümlichen, der kulturellen und religiösen Kräfte usw., die miteinander das Alltagsleben weben und deren wir alle bedürfen. Angesichts der schweren Probleme, die die Zukunft der Menschheit belasten, würde jede Annäherung, die sich auf die bloßen „technokratischen“ Mittel oder auf eine restriktive Ideologie beschränkt, die Suche nach konkreten Lösungen, die „die menschliche Person“ als grundlegenden Bezug haben müssen, beenden. Darum ist es ganz dringend, daß den kulturellen, sittlichen und religiösen Kräften, die wesentliche menschliche Werte darstellen und imstande sind, eine echte und solidarische Annäherung der den Menschen und die Nationen in der heutigen Zeit betreffen- 1026 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Probleme zu ermöglichen, ein neuer Impuls gegeben und somit auf dem Weg des wahren menschlichen Fortschritts weitergegangen wird. Von den neuen Verhältnissen herausgefordert Was die Kirche betrifft, so fühlt sie sich von den neuen Verhältnissen und den ständigen Veränderungen des internationalen Lebens stark herausgefordert. Sie möchte mehr denn je ihren eigenständigen und unerläßlichen Beitrag als „Expertin in Menschlichkeit“ leisten, als die sie dank ihrer glaubensverkündenden Präsenz im Herzen aller Nationen und aller Kulturen gelten darf. Ihre Berufung ist sicher nicht, die Macht anzustreben, noch politische, wirtschaftliche und militärische Interessen zu verteidigen. Ihre Berufung ist, dem Menschen zu dienen durch Verkündigung der heilbringenden und befreienden Botschaft des Evangeliums und der Anthropologie, die sich daraus jenseits allen Materialismus ergibt. Die Würde jeder menschlichen Person und aller Menschen ohne Ausnahme rührt aus der Tatsache, daß sie „als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen“ und zu einer Fülle der Wahrheit und des Lebens berufen sind, die ihnen in und durch Christus geschenkt wird. Diese fundamentale Wirklichkeit erlaubt uns, von einer gesicherten Gotteskindschaft im Hinblick auf alle Menschen und folglich von einer universalen Brüderlichkeit zwischen allen Menschen zu sprechen. Das Bestehen und die Tätigkeit der Internationalen Katholischen Organisationen sind eben eine Form der Präsenz der Kirche im internationalen Leben. Obwohl die Internationalen Katholischen Organisationen definitionsgemäß nicht von den Regierungen abhängig sind, nehmen sie an den internationalen Tagungen und Symposien in so verschiedenen Bereichen wie z. B. der Kultur, der Massenmedien, der Erziehung, Jugend, Familie, der Frau, dem dritten Lebensalter teil. Und diese Präsenz der Kirche stellt einen wesentlichen Bereich des Einsatzes der Laien dar, der in der Tradition der Kirche bereits seinen Platz hatte, aber vom Zweiten Vatikanischen Konzil eine bemerkenswerte Erhellung und Ermutigung erfuhr (vgl. das Dekret über das Laienapostolat Apostolicam actuosi-taterri). Einige konkrete Richtlinien werden, so hoffe ich, geeignet sein, das so bedeutsame Wirken der Internationalen Katholischen Organisationen aufzuwerten. Die Internationalen Katholischen Organisationen müssen die Isolierung vermeiden. Sicher sind sie autonom. Doch trotz ihrer edlen Bemühungen 1027 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN werden sie nur einem Bruchteil der immensen Bedürfnisse genügen können, die zu bewältigen sind. Die Harmonisierung der Programme, Richtlinien und Realisierungen der Internationalen Katholischen Organisationen kann dank der Mitarbeit von Beratern und des wertvollen Beitrags der Zentren von Paris, Genf und New York gesteigert werden. Es wird für die Internationalen Katholischen Organisationen gewiß günstig sein, wenn jede von ihnen entsprechend dem Ziel, das sie verfolgt, Sorgfalt auf eine große Sachkompetenz ihrer Mitglieder verwendet durch den Einsatz wirksamer Mittel zur Ausbildung für das internationale Leben und die Suche nach wirklich operativen Präsenzweisen, die dem Sendungsauftrag der Kirche angesichts der Weltprobleme Rechnung tragen. Ebenso müssen die Internationalen Katholischen Organisationen Beziehungen zu anderen Instituten gewinnen, die fähig sind, ihre Erfahrung und ihre Kompetenz zur Verfügung zu stellen. Wünschenswert wäre gleichfalls eine Berücksichtigung der katholischen Bewegungen oder neuen Vereinsformen, die zwar nicht den O.I.C. angehören, aber Aktivitäten entfalten, die den Bereich der einen oder anderen dieser Organisationen berühren. Erwähnt muß noch werden, daß die Präsenz und das Wirken der Internationalen Katholischen Organisationen die Kirche und ihre Sendung in der Welt um so mehr bereichern werden, je aktiver sie am Leben der kirchlichen Gemeinschaften der Nationen teilnehmen, in denen sie verwurzelt sind, und je mehr sie imstande sind, diesen ihre „katholische“ Erfahrung im Bereich ihrer je besonderen Zuständigkeit mitzuteilen. Schließlich bittet der Papst die Internationalen Katholischen Organisationen, die im Sinne einer ganzheitlichen Vorstellung vom Menschen und der Gesellschaft an der Evangelisierung der Welt arbeiten, ihre Überzeugung neu zu beseelen, daß Christus wirklich und wahrhaftig der Erlöser des Menschen und die immer lebendige Quelle des Heils der Völker ist. Die Internationalen Katholischen Organisationen müssen, wenn das nötig ist, über jedes Gefühl von Ohnmacht oder jede Versuchung zur Anpassung an die ideologischen Strömungen, die im internationalen Milieu herrschen, hinauskommen, um die geeigneten Mittel zu suchen und in gewünschter Zeit auch zu finden, die die Verkündigung des Glaubens an Christus, den Herrn der Geschichte, ermöglichen. Warum sollte der Name Gottes nicht bei den internationalen Symposien in geeigneter Weise verkündet werden? Das sind die Überlegungen und Wünsche, die Seine Heiligkeit Ihnen zu 1028 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN übermitteln mich beauftragt hat, während er sein Vertrauen zu Ihnen erneuert und auf ihre Versammlung den Segen des Herrn herabruft. Wollen Sie, Herr Präsident, liebe Delegierte und Mitglieder der Internationalen Katholischen Organisationen, mit meinen persönlichen Wünschen für den erfolgreichen Verlauf Ihres Kongresses die Versicherung meiner herzlichen Verbundenheit entgegennehmen. An den Gräbern der Apostelfürsten Predigt bei der Messe mit Segnung und Auflegung der Pallien auf dem Petersplatz am Fest Peter und Paul, 29. Juni „Simon Petrus antwortete: Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ {Mt 16, 16). 1. Liebe Brüder und Schwestern! Dieses offene Bekenntnis des Glaubens, das vom Apostel Simon Petrus im Namen der Zwölf abgelegt wurde, prägt in besonderer Weise das heutige Fest, an dem wir das selige Andenken der hll. Petrus und Paulus feiern. Ja, auch Paulus von Tarsus ist mit dem Fischer von Betsaida im selben Christusglauben vereint; denn er schreibt: „Als aber Gott, der mich . . . durch seine Gnade berufen hat, mir in seiner Güte seinen Sohn offenbarte, damit ich ihn unter den Heiden verkündige . . .“ {Gal 2, 15-16). So wollen auch wir heute dieses Bekenntnis, das seit jenem fernen Tag in der Gegend von Cäsarea Philippi nunmehr zwei Jahrtausende lang an unser Ohr dringt, zu dem unsrigen machen und es wiederholen: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!“ Das sagen wir zu jenem Jesus von Nazaret, dem menschgewordenen Wort des Vaters, der gelebt hat und gestorben ist aus Liebe zum Menschen, im unbedingten Gehorsam zu Gott. Wir sagen es zu ihm aus ganzem Herzen, denn er, unser Erlöser, ist der einzige, der einer solchen Aussage würdig ist: Er ist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Wir alle, die wir hier anwesend sind, sagen es gemeinsam, die Brüder im Bischofsamt, Gläubige aus Rom und aus verschiedenen Teilen der Welt, die sich zum Heiligen Jahr in der Ewigen Stadt eingefunden haben. Indem wir das tun, vereinen wir uns im Glauben mit den ehrwürdigen Ostkirchen, deren Ökumenisches Patriarchat von Konstantinopel hier vom 1029 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Metropoliten von Chalkedon und Dekan des Heiligen Synods, Meliton, und vom Erzbischof von Australien, Stylianos, Kopräsident der Gemischten Kommission des Dialogs zwischen der katholischen Kirche und allen orthodoxen Kirchen vertreten wird, die ich mit brüderlicher Herzlichkeit begrüße. Alle Christen finden sich in diesen Worten des Simon Petrus wieder, die ihren gemeinsamen Herrn kennzeichnen und verherrlichen. Jesus Christus steht also über uns allen, und auf irgendeine Weise finden wir alle jenseits der unerfreulichen historischen Spaltungen nur in ihm unsere letzte Einheit. 2. Jesus als „Christus“ bekennen bedeutet seine Messias-Funktion anerkennen und annehmen. Dieser Titel setzt ihn in besondere Beziehung zur Geschichte Israels und der ganzen Menschheit, weil er deren Erwartungen erfüllt, ihre Spannungen beseitigt, mit einem Wort, ihr Ziel darstellt. Er ist der, der kommen sollte (vgl. Mt 11, 3); als solcher wird er „wiederkommen“ (Apg 1, 11). Denn nach dem Seher der Geheimen Offenbarung ist er „Der Erste und der Letzte und der Lebendige“ (Offb 1, 17 f.). Darum stellen wir Jesus, wenn wir sagen „Du bist Christus“, nicht nur über das menschliche Geschehen, sondern wir verkünden vor allem seine unvergleichliche Beziehung und Verbundenheit mit dem täglichen und zugleich jahrhundertealten Werden eben dieses menschlichen Geschehens auf dieser Erde; er nimmt nicht nur daran Anteil, sondern er stellt die geheime Dynamik dieses Geschehens dar und die Lösung der vielfältigen Sorgen der Menschheit, den sicheren Hafen in all ihrem unsicheren Umherirren. Wie schon der greise Simeon, der auf die Tröstung Israels wartete, bitten wir darum im Gebet, daß wir den Tod nicht schauen, ehe wir „den Messias des Herrn“ gesehen haben (vgl. Lkl, 26), und daß jeder voll inneren Jubels wie Andreas sprechen könne: „Wir haben den Messias gefunden“ (Joh 1, 41). Zugleich bekennen wir ihn gemeinsam mit Petrus als „Sohn des lebendigen Gottes“. Diese Bezeichnung bringt ihn in eine ganz besondere Beziehung zu Gott selbst, den er wiederholt „Vater“, ja „meinen Vater“ nannte (vgl. z. B. Mt 11, 27-28). Denn Gott hat ihn gesandt als Zeichen seiner Liebe für die Welt (vgl. Joh 3,16). Er hatte keine andere Speise, als seinen Willen zu tun (vgl. Joh 4, 31), indem er sich mit ihm „eins“ erklärte (ebd10, 30). Wahrhaftig in Jesus „ist Gott mit uns“ {Mt 1, 23), da er selbst Gott ist. Wenn wir sagen „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes“, erkennen wir also in ihm nicht nur den an, der der Geschichte Sinn verleiht, sondern auch den, der sie wesentlich überwindet, da sein tiefstes Sein nicht auf sie zurückzuführen ist. Er hat in der Tat teil an der Gottheit 1030 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und eröffnet uns eben dadurch einen Blick auf das unerschöpfliche Geheimnis der Gemeinschaft, welches das göttliche Leben kennzeichnet und das von uns aus nur Gegenstand unserer Betrachtung und Anbetung sein kann. 3. Zu all dem hat sich Petrus, wenn ihm das auch nicht im einzelnen bewußt war, in Cäsarea Philippi bekannt, als Jesus die Zwölf fragte: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Und nachdem er die Antwort erhalten hatte, nannte Jesus ihn „selig“ wegen des übernatürlichen Ursprungs seines Bekenntnisses. Insbesondere Matthäus gibt einige feierliche Einsetzungsworte wieder, mit denen der Herr, als er dem Simon den einzigartigen Beinamen „Petrus - Fels“ verlieh, dessen Amt und Bestimmung untrennbar mit der Gestalt der Kirche und ihrem übernatürlichen und zugleich historischen Geschick verband. Durch sein Glaubensbekenntnis ist Simon zum Felsenfundament geworden, auf dem Christus fortwährend seine Kirche erbaut, wodurch er zum einigenden Stützpunkt sämtlicher Kraftlinien wird, die die christliche Gemeinschaft durchziehen; zugleich empfing er die Verantwortung, „zu binden und zu lösen“, das heißt, mit reifem Urteil zu bestimmen, was zur Identität der Kirche gehört oder nicht gehört, damit sie immer Kirche Christi bleibt (Röm 16, 16; vgl. Gal 1, 22; Eph 1, 22-23; 5, 25). Es handelt sich um einen Dienst, den der Herr, wie der Apostel Paulus sich ausdrückt, Petrus „zum Aufbauen, nicht zum Niederreißen“ anvertraut hat (2 Kor 13, 10; vgl. 10, 8), was mit den anderen Worten übereinstimmt, die er beim Letzten Abendmahl gesprochen hat: „Simon, Simon . . ., ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und du . . . stärke deine Brüder“ (Lk 22, 31—32). Dieses Petrusamt dauert heute fort in besonderer Verbindung mit dem Bischofssitz von Rom, wo Petrus sein höchstes Zeugnis ablegte (vgl. I. Brief des hl. Clemens von Rom an die Korinther, 5, 4). Die Verbindung von Glauben und Leiden ist für ihn typisch. Nach dem, was wir in der ersten Schriftlesung gehört haben, mußte Petrus bereits in Jerusalem die harte Kerkerhaft erdulden, während die Kirche inständig für ihn betete (vgl. Apg 12, 5). Am Ende seines Lebens hätte er trotz seiner früheren aber bereits geläuterten Verleugnungen gemeinsam mit Paulus sagen können, wie uns die zweite heutige Lesung bezeugt: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treu gehalten“ (2 Tim 4, 7). So sind die beiden glorreichen Apostel in demselben klaren und kraftvollen Bekenntnis ihres Glaubens vereint und ebenso im Schicksal eines unerschütterlichen Zeugnisses bis hin zum Martyrium, das sie mit unbedingter Bereitwilligkeit für 1031 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den auf sich nehmen, der allein den Menschen unter dem Himmel gegeben ist, auf daß sie in ihm gerettet werden (vgl. Apg 4, 12). 4. Während dieser Feier erfolgt in diesem Jahr die Segnung und Auflegung der Pallien einiger Erzbischöfe, die vor kurzem ernannt wurden. In der Verleihung des Palliums beim Grab des Petrus und durch die Hand seines Nachfolgers hat man in der Geschichte dieser liturgischen Handlung stets eine Teilnahme an dem „Pasee oves meas“ (Weide meine schafe!) gesehen, wie es dem Petrus von Jesus aufgetragen worden war (vgl. Duchesne, Origines du Culte Chretien, S. 386). Die Tatsache, daß diese Handlung dem Bischof von Rom seit Jahrhunderten obliegt und daß er sie heute im Rahmen eines feierlichen Gottesdienstes ausführt, bedeutet, daß das euch, liebe Brüder im Bischofsamt, aufgelegte Pallium Symbol für die bevorzugte Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri ist, dem Prinzip und sichtbaren Fundament der Einheit im Bereich der Lehre, der Disziplin, der Pastoral. Das Pallium bedeutet eine größere Verpflichtung zur Liebe zu Christus und den Seelen. Diese Liebe zur Herde Christi, des Hirten und Bischofs unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2, 25), stehe euch in der Ausübung eures Dienstamtes bei. Die von euch vorgelegte Lehre wird fruchtbar sein, wenn sie von Liebe genährt ist. Und das ist denn auch mein Wunsch für euch, liebe Mitbrüder, der dem Wunsch in den alten Formulierungen entspricht! „Sit vobis honor pallii ornamentum animae, et unde advenit fastigium visibile, inde florescat amor invisibilis“ (Die Ehre des Pallium sei euch eine Zierde der Seele, und das, woraus sichtbare Ehre erwächst, möge die unsichtbare Liebe erblühen lassen), (Römisch-Germanisches Pontifikate aus dem 10. Jahrhundert.). Es unterstütze euch die Fürsprache der hll. Petrus und Paulus, deren Gedenken wir in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung besonders feierlich begehen, in dessen Verlauf die Pilger, die zur Erlangung des Jubiläumsablasses nach Rom kommen, vorzugsweise an den Gräbern der beiden Apostelfürsten beten. Es sind die Apostel, die wir wie die ersten Pilger Selige nennen, einmal wegen ihrer unmittelbaren Berufung durch den Herrn Jesus; dann wegen ihres Lebens eines hochherzigen und fruchtbaren apostolischen Dienstes, ferner wegen ihrer lichtvollen Verkündigung, die uns noch immer nährt; und endlich wegen ihres letzten Opfers, das in bewunderswerter Weise ein Dasein besiegelte, das ganz dem Herrn, dem Evangelium und den von ihnen ins Leben gerufenen christlichen Gemeinden gewidmet war. Und wir, die wir „auf das Fundament der Apostel gebaut sind“ (Eph 2, 20), ja auf das Fundament dieser Apostel, wir 1032 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN danken dem Herrn, weil er sich in seinen Heiligen als groß erweist, und nehmen mit Freude und Demut die Aufforderung des biblischen Schriftstellers an: „Quorum intuentes exitum conversationis imitamini fidem (Schaut auf das Ende ihres Lebens und ahmt ihren Glauben nach!) (Hebr 13, 7) Amen. Anschließend richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die Pilger. In Deutsch sagte er: Sehr herzlich grüße ich auch die deutschsprachigen Pilger am heutigen Fest der hl. Apostel Petrus und Paulus. „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Durch dieses Christusbekenntnis ist Petrus zum Fels der Kirche und auch unseres Glaubens geworden. Bekennen auch wir Christus mit dem Mut des Völkerapostels Paulus vor den Menschen unserer Zeit! In einer Berufung vereint Ansprache bei der Audienz für den Metropoliten von Chalkedon, Meliton, am 30. Juni Eminenz! Liebe Brüder in Christus! Die Anwesenheit einer Delegation der Schwesterkirche von Konstantinopel in Rom vermehrt noch unsere Freude an dem Tag, an dem wir das Fest der hll. Petrus und Paulus feiern. Ich möchte Ihnen dafür ganz herzlich danken. Der neue Brauch, gemeinsam hier in Rom die hll. Petrus und Paulus und beim Ökumenischen Patriarchat den hl. Andreas, den Bruder des Petrus, zu feiern, füllt in gewisser Weise die Leere auf, die die unvollkommene Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen hat entstehen lassen. Er wird gepflegt in dem Wunsch, der sich darin ausdrückt, und der Hoffnung, die er gibt, den Tag zu erreichen, wo wir endlich als treue Jünger um den gemeinsamen Herrn die Eucharistie zusammen feiern können. Diese wechselseitige Teilnahme am Fest der Apostel ist Ausdruck unserer gemeinsamen Verpflichtung, in der Einheit und in der Liebe das gemeinsame Abendmahl vorzubereiten, das wir nach dem Willen des Herrn als Gedächtnis seines Todes und seiner Auferstehung als Unterpfand des ewigen Lebens feiern sollen. 1033 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Feier dieses Tages erinnert uns an die Berufung der ersten Jünger. „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie waren Fischer. Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm“ {Mt 4, 18-20). Seitdem sind Petrus und Andreas tiefer als durch die Bande des Blutes in einer Berufung vereint, die über die zufälligen, aber auch zwingenden Notwendigkeiten ihrer täglichen Arbeit hinausgeht. Der Herr hat sie aufgefordert, ihm zu folgen, um ihnen eine Sendung unter den Menschen anzuvertrauen; es geht darum, alle Völker zu Jüngern des Herrn zu machen (vgl. Mt 28, 19). Das ist auch in unserer Zeit die Berufung und ständige Sendung all derer, die sich auf die Apostel berufen und sich als ihre Nachfolger betrachten - in einer ununterbrochenen Linie durch die Jahrhunderte hin. Unsere Zeit, die reich ist an vielfältiger Dynamik, an neuen und unvorhersehbaren Errungenschaften des menschlichen Geistes, aber auch belastet von tiefer innerer Unruhe und verwirrt durch tragische Versuchungen des Todes, braucht mehr denn je ein lebendiges Zeugnis des Glaubens, der Einheit und der Liebe; dieses Zeugnis erwartet man von uns, die wir an den glauben, der sein Leben für das Heil der Welt hingegeben hat. Die Einheit, die wir im Gehorsam gegenüber dem Herrn zwischen unseren Kirchen wiederherzustellen versuchen, ist in der Tat der Verkündigung dieser Frohbotschaft an die ganze Menschheit aufgetragen, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17, 21), damit sie Frieden hat und damit sie ihre Freude erfüllt. Diese Einheit der Gläubigen in Christus ist eine Vorbedingung für die Glaubwürdigkeit unserer Verkündigung des Evangeliums in unserer Zeit. Jedes Jahr ermöglicht uns unsere gemeinsame Feier der Apostel, die Kenntnis, die wir voneinander haben, und die brüderliche Liebe, die uns beseelt, zu vertiefen, aber sie bietet uns außerdem die Gelegenheit, miteinander dem Herrn zu danken, der uns langsam, aber sicher auf die volle kirchliche Gemeinschaft zugehen läßt. Zwischen unseren Kirchen entwickelt sich auch eine aufmerksame Solidarität, Frucht eines Gefühls der Gemeinschaft, das sich zwischen Katholiken und Orthodoxen auf allen Ebenen ausweitet. Dieses Gefühl muß immer stärker Gestalt annehmen in der aktiven Zusammenarbeit im Bereich der Studien wie auch von bestimmten Gebieten der Seelsorgsarbeit, vor allem dort, wo Katholiken und Orthodoxe am selben Ort Zusammenleben. 1034 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In dieser Gesamtheit von Initiativen, die zwischen uns den Geist wiederherzustellen versuchen, der zwischen Brüdern herrschen soll, geht der theologische Dialog weiter. Mit Freude höre ich, daß nach der zweiten Plenarsitzung der gemischten Dialogkommission, die genau vor einem Jahr abgehalten wurde, die Studien-Unterkommissionen ihre Arbeit bereits abgeschlossen haben und das gemischte Koordinationskomitee schon zusammegetreten ist, um die Einberufung der dritten Sitzungsperiode vorzubereiten. Mit Hingabe und Kompetenz haben katholische und orthodoxe Bischöfe und Experten, vom selben Eifer beseelt, sich auf diesen Dialog eingelassen, wobei sie sich aller Fähigkeiten ihres Verstandes und ihres Herzens bedienen. Mehrmals habe ich dazu aufgefordert, daß alle für diesen Dialog beten, damit der Herr ihn fruchtbar macht, denn „nur Gott ist es, der wachsen läßt“ (1 Kor 3, 7). Es bedarf des Gebetes aller, um die da und dort noch bestehenden Vorbehalte zu beseitigen und besonders um alle Lehrschwierigkeiten zu überwinden, denen der Dialog unvermeidlich gegenübergestellt ist. Mit diesen Gefühlen der Freude und der Gemeinschaft, des Engagements und der Hoffnung empfangen wir Sie, Eminenz, und die Delegation, die Patriarch Dimitros auch dieses Jahr wieder nach Rom entsandt hat. Ich bitte Sie, seiner Heiligkeit den Ausdruck meiner brüderlichen Dankbarkeit zu überbringen und ihm zu sagen, welch lebendige Erinnerung ich an den Besuch habe, den ich ihm zum Fest des hl. Andreas abgestattet habe. Gebe Gott, daß wir uns noch einmal zu gemeinsamem Gebet vereinen können! Ich selbst und die Kirche von Rom wären tief beglückt, wenn das in Rom über den Gräbern der hl. Apostel Petrus und Paulus stattfinden könnte. Grußwort nach Kevelaer Nach dem Rosenkranzgebet im Damasushof des Apostolischen Palastes am Samstag, dem 2. Juli, das wie üblich von Radio Vatikan übertragen wurde, richtete Johannes Paul II. Grußworte in verschiedenen Sprachen an die anwesenden Gläubigen. In deutscher Sprache wandte sich der Papst in Direktübertragung an die Pilger im niederrheinischen Wallfahrtsort Kevelaer: 1035 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einen herzlichen Segensgruß richte ich an die Teilnehmer am Gebets- und Sühnetag des Fatima-Apostolats der norddeutschen Diözesen, die heute abend im Marienwallfahrtsort Kevelaer in Anwesenheit des Kardinalpatriarchen von Lissabon mit uns den Rosenkranz gebetet haben. Das Gebet um Frieden und Versöhnung unter den Völkern empfiehlt der Gottesmutter ein sehr dringliches Anliegen der heutigen Menschheit und eine zentrale Bitte des Jubiläumsjahres der Erlösung. Möge Maria, die unter dem Kreuz unser aller Mutter geworden ist, in diesem Heiligen Jahr die Gnade der Versöhnung allen Menschen in reicher Fülle erflehen und vermitteln. „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2, 5). Das ist ihre mütterliche Einladung an uns zu Umkehr und Versöhnung mit Gott und mit unseren Mitmenschen. Von Herzen erteile ich allen Mitgliedern und Teilnehmern des Fatima-Apostolats Unserer Lieben Frau meinen besonderen Apostolischen Segen. In glühender Liebe zur Mutter Kirche Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Franziskanerkonventualen am 9. Juli 1. Mit aufrichtiger Liebe begrüße ich alle Mitglieder des Generalkapitels der Franziskanerkonventualen, nachdem ihr euch in Assisi am verehrten Grab eures Ordensvaters versammelt und in der Person von Pater Lan-franco Serrini eurer großen franziskanischen Familie den 116. Generalminister des Ordens gegeben habt. Ihn beglückwünsche ich zu dieser Wahl und drücke ihm vor allem meinen herzlichen Wunsch dafür aus, daß er in den Spuren des hl. Franziskus den Auftrag, zu dem er berufen worden ist, in der besten Weise erfüllen und jeden guten Erfolg erzielen möge bei der Leitung oder, besser, beim Dienst an den mehr als 5000 über die ganze Welt verstreuten Konventualen. Darüber hinaus meine Anerkennung und meinen Dank an euch Kapitelsväter für den wertvollen Beitrag an Anregungen und Vorschlägen, die ihr bei dieser wichtigen Versammlung anbietet, sowohl in bezug auf die Revision der Konstitutionen und der Generalstatuten entsprechend des neuen Kirchengesetzbuches wie auch im Hinblick auf die übernommene Verpflichtung, das „Ausbildungsdirektorium“ zu approbieren, an dem der gesamte Orden auf verschiedenen Ebenen in den beiden letzten Jahren gearbeitet hat. Mit Freude habe ich auch erfahren, daß sich unter 1036 BOTSCHAFTEN UND ANSPFLACHEN den zahlreichen anderen Zielen, deretwegen ihr zusammengekommen seid, auch die Vorbereitung des Textes eines „Kurses ständiger franziskanischer Weiterbildung“ für die Angehörigen des Ordens, unter besonderer Berücksichtigung der Erzieher, befindet. 2. Die tiefe Liebe, die ich für eure franziskanische Familie hege - ein Beweis dafür sind auch meine beiden Pilgerfahrten zum Grab des hl. Franziskus kurz nach meiner Wahl auf den Stuhl Petri und anläßlich der 800-Jahr-Feier der Geburt des Heiligen -, drängt mich, euch einige Gedanken mitzuteilen, die eure Anwesenheit in meinem Herzen geweckt hat. Ihr seid Franziskanerkonventualen und wollt das euch von dem erleuchteten Ordensstifter hinterlassene Charisma authentisch bewahren und leben. Zu diesem Zweck ist es — weil ihr in einer ständig sich ändernden Gesellschaft lebt - wichtig, die Frage zu stellen, was denn nun das Wesentliche und Unersetzliche an der Lebensform ist, die ihr auf euch genommen habt, als ihr der franziskanischen Berufung nachkamt. Mir scheint, etwas, das nicht geändert oder ersetzt werden kann, ist vor allem der Geist des Verzichts, wie er für den Poverello aus Assisi typisch war. Euer Charisma läßt sich nicht in seiner ganzen Fülle leben, ohne mit vollkommener Freude die Disziplin anzunehmen, ohne die Regel zu lieben, die stark und frei macht, ohne euch die Entsagung, die Wachsamkeit im eigenen Denken und Verhalten anzueignen und vor allem, ohne euch die Worte des Herrn tief einzuprägen: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet“ (Lk 14, 33). Der Franziskanerkonventuale ist ein Mann ohne jede Besitzgier; und er teilt darum auch nicht die allgemeine Lebensform, die auf der Suche nach irdischem Wohlstand gründet: Nach dem Vorbild des „Padre serafico“ flieht er das, was die Welt sucht, und sucht statt dessen das, was die Welt verachtet, nämlich: die fröhliche Armut, die innere Sammlung, das durchsichtige, keusche Leben, die freiwillige Buße und die ruhige Unterwerfung unter die Obern, die die sichtbaren Zeichen des Willens Gottes sind. Um ein glaubwürdiger Zeuge der ewigen Wahrheiten in dieser Welt zu sein, muß der Franziskanerkonventuale die Erfahrung des hl. Paulus, wie übrigens die Erfahrung aller Heiligen, zu seiner eigenen machen und mit ihnen erneuern: „Wir starren nicht auf das Sichtbare, sondern blicken aus nach dem Unsichtbaren; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ist ewig“ (2 Kor 4, 18). Die Achse also, um die sich sein ganzes Leben drehen muß, ist die Gottsuche und das Gebet; sie befreit den 1037 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen von sämtlichen irdischen Bedingungen und schenkt ihm seine wahre Identität wieder. Zu diesem Zweck „verbrachte der hl. Franziskus seine ganze Zeit in heiliger Sammlung, um sich die Weisheit ins Herz einzuprägen; er fürchtete, zurückzugehen, wenn er nicht stetig vorankam. Und wenn von Zeit zu Zeit Besuche von Weltleuten oder andere Angelegenheiten dringend notwendig waren, brach er sie eher ab, als daß er sie wirklich zu Ende führte, um sich wieder in die Kontemplation zurückzuziehen. Denn ihm, der sich von der himmlischen Süße näherte, schien die Welt nichtssagend, und die göttlichen Freuden hatten ihm den Genuß an den rohen Speisen der Menschen erschwert“ (2 Celano LXI, 94: FFl, S. 629). Dieses wunderbare Vorbild möge euch ständiger Ansporn dazu sein, gegen gewisse moderne Tendenzen anzukämpfen, die im Ordensleben das persönliche wie das gemeinschaftliche Gespräch mit Gott und auch die liturgischen und sakramentalen Riten in den Hintergrund drängen wollen, um anderen horizontalen Zielen einen gewissen Vorzug einzuräumen, die an sich gut und durchführenswert sind, jedoch stets von dem wesentlichen, nämlich dem geistlichen Ziel abhängen, das das ganze Leben und Wirken des Christen und ganz besonders des Ordensangehörigen inspirieren muß. 3. Ein weiterer Aspekt, der, wie mir scheint, ein wesentliches Element des franziskanischen Charismas darstellt, ist die totale und hochherzige Treue zur Kirche. Es handelt sich dabei um die liebevolle und fest verankerte Anhänglichkeit nicht an eine imaginäre Kirche, die sich jeder auf seine Weise vorstellen und zurechtzimmern kann, sondern an die katholische Kirche, wie sie ist, nämlich wie sie Christus gewollt und eingesetzt hat mit ihren Zielsetzungen, ihren Gesetzen, ihren Heilsmitteln und ihren unabdingbaren Strukturen. Was heute von den geistlichen Söhnen des hl. Franziskus erwartet wird, ist, daß sie diese eine und wahre Kirche Christi von innen her neu zu beleben vermögen, sie stärken und bereichern durch ihre volle Treue, durch ihren absoluten Gehorsam: mit einem Wort, durch alle jene asketischen Tugenden, die zur franziskanischen Tradition gehören. Haltet euch stets die großen Probleme vor Augen, die heute die Kirche beschäftigen und mit Sorge erfüllen: die Priester- und Ordensberufe, die Missionen, die Förderung der Kleinen, der Armen und der Schwachen, die Verteidigung der Gerechtigkeit und des Friedens; mit anderen Worten: die Verkündigung der Frohbotschaft an jeden Menschen guten Willens. Leistet euren besonderen Beitrag zur Erreichung dieser großen Ziele. Wie euer Vater Franziskus sollt auch ihr stets leuchten von glühen- 1038 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Liebe zur „heiligen Mutter Kirche“ (XII, FF I, S. 134). So werdet ihr in euch seine „teure Vatergestalt“ Wiedererstehen lassen, werdet euer Leben nach dem seinen gestalten und wahre Diener des Volkes Gottes sein, fähig, überall das Licht der Hoffnung, des Vertrauens und des Optimismus zu entzünden, das seine Quelle im Herrn hat. Das Jubiläumsjahr der Erlösung, das wir feiern, verweist den Geist auf die besondere Botschaft der Vergebung und Versöhnung, die den Söhnen des hl. Franziskus mit dem Portiuncula-Ablaß anvertraut ist. Es ist eine Botschaft der Gnade und Barmherzigkeit, deren erste Empfänger ihr selber seid. Macht euch darum vor allem in diesem Jubiläumsjahr die große Vergebung zunutze, die Franziskus durch die Fürsprache der „Königin der Engel“ von Christus erlangte. Erneuert im Geiste des Heiligen Jahres in euch die demütige und freudige Anrufung der versöhnenden Gnade Gottes und werdet euch immer deutlicher eurer Schuld ihm gegenüber bewußt, der euch „ein für allemal“ (Hebr 9, 12) eine Vergebung angeboten hat und mit unveränderter Güte immer wieder anbietet, auf die niemand einen Anspruch hat, und der euch mit Freude erfüllt, um euer geweihtes Leben in seiner ganzen Tiefe zu leben. Auch dieser Ablaß möge eine der geistlichen Früchte eures Generalkapitels sein. 4. Wenn ihr eure Arbeiten abschließt, mögen euch die Vorbilder des großen Mannes aus Assisi und aller Heiligen franziskanischer Tradition beistehen, die der Kirche zur Ehre gereichten. Ein besonderer Trost möge euch die leuchtende und mutige Gestalt des hl. Maximilian Maria Kolbe sein, des Märtyrers der Liebe und beispielhaften Vorbildes franziskanischen Lebens für unsere Zeit, den ich zu meiner Freude in die himmlische Schar der Heiligen einreihen und dessen „Stadt der Unbefleckten“ ich auf meiner jüngsten apostolischen Pilgerreise in Polen Wiedersehen konnte. Auf seinen Spuren erstrahle vor euren Augen stets die allerselige unbefleckte Jungfrau, die Königin des Franziskanerordens, und mache euch bereit zu immer größerer Hingabe an die neuen, vielfältigen apostolischen Aufgaben, die auf euch warten. Mein ständiges Gebetsgedenken möge euch auch Hilfe sein für den Erfolg eurer religiösen Werke, vor allem jener besonders anstrengenden, die ihr im Libanon, in der Türkei, in China und in den Missionsländern vollbringt. Auf euch alle, die ihr hier anwesend seid, und auf alle Mitglieder eures Ordens steige jetzt als Unterpfand reicher himmlischer Gnaden der Apostolische Segen herab. 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vorbild und Ansporn für die anderen Ansprache an die Mitglieder des Generalkapitels der Vokationisten am 9. Juli Liebe Brüder! 1. Ich möchte zunächst meiner Freude über diese Begegnung mit euch anläßlich der zweiten Beratungsperiode eures Generalkapitels, das kürzlich hier in Rom abgehalten wurde, Ausdruck geben. Hauptgrund meiner Freude ist die Erwägung der Aktualität und großen Nützlichkeit eures Charismas in der Kirche: Suche und Pflege der Priesterberufe im besonderen und der Berufe zum geistlichen Stand im allgemeinen, vorwiegend in den niedrigeren Bevölkerungsschichten, und zwar nicht nur und nicht so sehr für euer eigenes Ordensinstitut als für die Diözesen und für jedes andere Ordensinstitut, auch in der hochherzigen Absicht, von Gott im Geist der Liebe und Wiedergutmachung die Rehabilitierung und Rückkehr derer zu erwirken, die zu pflügen begonnen, dann aber sich abgewandt hatten. Ich brauche wohl nicht viele Worte zu verlieren, um zu betonen, wieviel Trost und wieviel Hoffnung dieses euer heiliges Vorhaben meinem Herzen als universaler Hirte der Kirche bereitet. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als euch zu ermutigen, weiterzumachen mit dem Einsatz aller eurer Kräfte und in der Gewißheit der vollen Unterstützung seitens der Kirche und des machtvollen Beistandes des Heiligen Geistes, der im Laufe der Geschichte bei dem, der ihn hören will, stets die Initiativen auszulösen weiß, die nötig sind, um den geistlichen Bedürfnissen des Augenblicks zu begegnen. 2. Wie bei jeder anderen Ordensfamilie muß auch bei euch die ursprüngliche Inspiration eures Stifters Zentrum der geistlichen Kraft sein: die Seele, das Herz, die Absichten von Don Giustino Russolillo: seine große, glühende Liebe zum wichtigsten Geheimnis des Christentums, dem trini-tarischen Geheimnis, zu dessen Betrachtung ihn eine mystische Erfahrung führte, die in ihm durch ihre Echtheit und Intensität zur Quelle leidenschaftlichen und fruchtbaren karitativen Wirkens wurde; sie ließ ihn völlig aufgehen in dem heiligen Ideal der Förderung und Erziehung der geistlichen Berufe. Don Giustino Russolillo hatte gewissermaßen den großartigen göttlichen Plan der Genesis: „Laßt uns den Menschen machen als unser Abbild nach unserer Gestalt“ (Gen 1, 26), zu seinem eigenen gemacht und sich als 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebensideal vorgenommen, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die Würde des Menschen, vor allem der Armen, Gedemütigten und Unterdrückten, zu jener wunderbaren und schier unermeßlichen Größe zu erheben, die den Plänen der Barmherzigkeit Gottes des Vaters entspricht. Und welche erhabenere Größe könnte es für den Menschen geben, als im aufrichtig gelebten Priester- und Ordensberuf für die Welt zum Zeichen und Träger des unendlichen Stromes göttlicher Gnaden und Segnungen zu werden? Don Giustino hatte freilich sehr wohl erkannt, daß man, um auf diese Weise Werkzeug der Pläne des Vaters hinsichtlich des Menschen zu sein, zuallererst ihm möglichst ähnlich werden muß durch leidenschaftliches Bemühen um Heiligkeit und in der - ausschließlichen - Suche nach allem, was von Gott spricht, was uns in Beziehung zu ihm bringt oder Beziehung zu ihm hat. 3. Wir erleben in diesen Monaten ein Gnadenjahr, das ein Jahr der Versöhnung, der Rehabilitierung, der Vergebung sein soll: das Jubiläumsjahr der Erlösung. Gebe der Himmel, daß die Gnade dieses Heiligen Jahres viele Herzen berühren möge: Möge es vielen Söhnen der Kirche genug Großherzigkeit und Liebe schenken, um die Irrenden und alle, die sich von ihr entfernt haben, zurückzurufen; und diesen letzteren die Reue und das Verlangen, in die Arme jener Mutter Kirche zurückzukehren, die zuweilen streng erscheinen mag, aber die liebevollste Wirklichkeit und der Weg zum wahren Heil ist. Möge euch der Geist des Herrn in besonderer Weise bei diesem edlen Vorhaben beistehen; ihr seid in der Tat in hervorragender Weise zu dieser Verwirklichung berufen, ohne daß dadurch die anderen weniger ernsthaft verpflichtet wären. Aber ihr sollt darin Vorbild und Ansporn für die anderen sein. 4. Mit diesen Gedanken geht mein Wunsch einher, daß sich euer Institut immer mehr ausweite und festige und vor allem an den Orten und in jenen Räumen wirksam werde, wo die Kirche am meisten unter der Krise an Berufen gelitten hat: Dorthin könnt und sollt ihr, gestärkt durch den Schutz eures Gründers und der heiligen Jungfrau, der Mutter der Priester und Ordensleute, Licht, Trost und Hoffnung bringen. Bei der Suche und der gewissenhaften Anwendung aller noch so fortschrittlichen Pastoral-methoden vergeßt niemals, vor allem auf die Kraft zu vertrauen, die euch von oben geschenkt worden ist. Dazu erteile ich euch von Herzen meinen Segen. 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von der Gegenwart des Herrn ergriffen Predigt bei der Messe für die Angestellten der Päpstlichen Sommervilla in Castel Gandolfo am 17. Juli Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich über eure Anwesenheit heute bei der Eucharistiefeier, die uns alle in einem einzigen Band des Glaubens vereint. Es war recht, daß wir zusammengekommen sind, um gemeinsam eine heilige Messe zu feiern und dadurch einer Gemeinschaft Ausdruck zu geben und sie zu bestätigen, die von eurer Seite gewiß von Gefühlen der Hingabe und Anhänglichkeit an die Kirche und den Papst begleitet ist, die eure Arbeit beseelen, und die meinerseits ein Zeichen der Liebe und Anerkennung für euch alle ist, hebe Angestellte der Päpstlichen Villa. Ich begrüße euch und eure Familien und spreche euch meine herzliche Anerkennung aus für alles, was ihr Tag für Tag im Rahmen eurer jeweiligen Tätigkeit während des Sommeraufenthaltes des Bischofs von Rom tut. Ich möchte jedoch gleich hinzufügen, daß die Erfüllung eurer Aufgabe keine bloß irdische Angelegenheit ist. Der hl. Paulus mahnt die Christen, „alles zur Verherrlichung Gottes“ zu tun (1 Kor 10, 31), das gilt auch für euch. Der Christ muß immer Christ sein, bei jeder Gelegenheit, bei jeder Arbeit, welche Tätigkeit er auch ausführt. Überall muß er die Triebkraft und den Ansporn seines Glaubens einbringen. Aus diesem Grund steht auch euer Leben unter der Führung des Wortes Gottes und muß sich immer in seinem Licht entfalten, wachsen und reifen. Im übrigen lädt uns gerade die heutige Sonntagsliturgie ein, diesem wesentlichen Element unserer christlichen Identität besondere Aufmerksamkeit zu schenken. 2. Im Lukasevangelium wird uns über die bekannte und lehrreiche Begebenheit der beiden Schwestern Marta und Maria berichtet, die eines Tages Jesu in ihrem Haus empfangen haben. Marta „war ganz davon in Anspruch genommen, für ihn zu sorgen“ (Lk 10, 40), so daß sie beinahe die unmittelbare Anwesenheit des Meisters versäumte: ein Beispiel übertriebener Freigebigkeit, die sich allzusehr um äußerliche Betriebsamkeit kümmert, statt sich die umwandelnde Bedeutung dessen bewußt zu machen, der anwesend ist, um gehört zu werden und jeden von uns in Frage zu stellen. 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria hingegen „setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seinen Worten zu“ (ebd., 10, 39). Und dieses Verhalten, das dem anderen geradezu entgegengesetzt ist, findet denn auch das Lob Jesu. Maria verkörpert nämlich den aufmerksamen und wachsamen Jünger: und zwar nicht so sehr den, der über sich wacht, was noch eine Form des Sichzu-rückziehens auf die eigene Persönlichkeit sein könnte, als der, der ganz von der Gegenwart und vom Wort des Herrn ergriffen wird, so daß er sich selbst vergißt. Der wahre Jünger denkt in der Tat nicht an sich, sondern wendet sich sofort und vor allem seinem Meister zu, er wird gleichsam zu ihm hingetrieben durch eine Bewegung, die ihn sozusagen aus sich selbst heraustreten läßt; überwältigt von seinem Wort, gehört er zu denen, die Jesus „selig“ nennt, weil „sie das Wort Gottes hören und es befolgen“ (ebd. 11, 28). Darum mahnt Jesu Marta liebevoll: „Aber nur eines ist notwendig. Maria hat das Bessere gewählt, das soll ihr nicht genommen werden“ (ebd. 10, 42). Dieser Satz ist in zweifacher Weise zu verstehen: zum einen deutet er auf die Forderung nach einem einfachen Mahl hin; Jesus wollte nicht, daß bei jenem Anlaß übermäßig aufgetischt würde; zum anderen bewirkt er den Übergang zu einer tieferen Bedeutung, das geistliche Leben betreffend: Auch in diesem Bereich ist es durchaus nicht notwendig, ja kann es sogar gefährlich sein, sich in verschiedene Versuche zu verlieren und auf zu vielen Seiten eine einheitliche Inspiration für das eigene Innenleben zu suchen. „Nur eines ist notwendig“, und das ist die Haltung Marias: hören auf das Wort Jesu, indem wir Augen und Herz auf ihn richten, nicht nur aufmerksam, sondern auch bereit, alles, was er sagt, zu tun. Wie es im Gebet des Psalmisten heißt: „Mein Herr und Gott, meine Augen richten sich auf dich; bei dir berge ich mich. Gieß mein Leben nicht aus!“ (Ps 141, 8). 3. Liebe Brüder und Schwestern! Versuchen wir, die Lehre aus dem Lukasevangelium zu ziehen für unseren Alltag. Kein anderes Wort, von wo immer es kommen mag, soll uns von unserer von Glauben und Liebe erfüllten Anhänglichkeit zum Herrn Jesus abbringen. Schöpfen wir aus seinem Wort die notwendige Kraft, um allen Schwierigkeiten, die sich uns in den Weg stellen, zu begegnen und sie zu überwinden. Dazu wollen wir ihn in unserem Haus aufnehmen, wie es Marta und Maria getan haben, und ihm den Ehrenplatz zuerkennen, der ihm gebührt. Aus seiner Gegenwart und unserer Bereitschaft entspringt und erwächst der Sinn unseres Daseins und die Freude, die immer notwendig ist, damit der Lebensweg leichter wird. Und ich freue mich, euch meines besonderes Gebetes für eure Anliegen 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und vor allem für eure Familien zu versichern, während ich euch und allen euren Lieben am Ende dieser Messe als Unterpfand reicher himmlischer Gnaden von Herzen den Segen erteile. Im Namen Gottes und der Menschlichkeit Appell für die Freilassung von Emanuela Orlandi vom 21. Juli Noch lebt in uns allen die Hoffnung, daß trotz des Termins vom 20. Juli, der von denen gesetzt wurde, die Emanuela Orlandi in ihrer Hand haben, die Stimme des Gewissens und die Appelle, die von der verängstigten Familie und vom Papst an sie gerichtet wurden, diese gehindert haben, den von ihnen bekundeten Mordvorsatz auszuführen. Der Papst, der mit tiefer Anteilnahme die unsagbaren Ängste ihrer Eltern und Familienangehörigen teilt, richtet einen schmerzerfüllten, dringenden Appell an die für das Schicksal des Mädchens Verantwortlichen, damit sie sich endlich bewegen lassen, es unversehrt der Liebe ihrer Angehörigen zurückzugeben, ohne Bedingungen zu stellen, die sie selbst als unerfüllbar erkennen. Der Heilige Vater bittet im Namen Gottes und der Menschlichkeit die Verantwortlichen, Erbarmen mit einem jungen Leben zu haben, das völlig außerhalb der Sache steht, für die sie sich einzusetzen behaupten, und mit einer Familie, die von dem Schmerz dieser furchtbaren Tage schon schwer genug getroffen ist. Das erbittet der Papst inständig, vor allem mit den Eltern und zusammen mit so vielen Menschen, die der Grausamkeit dieses Ereignisses fassungslos gegenüberstehen. Das erhofft er zuversichtlich, dafür betet er und fordert alle auf, sich seinem Gebet anzuschließen. 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Paul VI. „hat für die Wahrheit gelebt“ Ansprache nach dem Rosenkranzgebet am Abend des 6. August Meine Lieben! Heute, am Fest der Verklärung des Herrn, jährt sich zum fünften Mal der Todestag Pauls VI. ehrwürdigen Andenkens. Mit bewegtem Herzen denken wir in dieser Stunde ganz spontan an das gottergebene Hinscheiden des unvergeßlichen Papstes. Hier in Castel Gandolfo verließ er an jenem Sonntag die Erde, um zum Himmel heimzugehen. Als er am späten Nachmittag dieses Tages die hl. Kommunion als Wegzehrung und die Krankensalbung empfangen hatte, verweilte er im Gebet bis zu dem großen und feierlichen Augenblick seiner Begegnung mit Christus, dem er stets in hingebender Liebe und mit Entschiedenheit gedient hatte. Paul VI. ging in das jenseitige Licht des Höchsten ein, nachdem er ganz und gar für die Wahrheit gelebt und gelitten hatte. Sein Geist aber ist unter uns lebendig geblieben. Durch seine sowohl gelehrten wie klaren und überzeugenden Schriften, durch seine ganze Existenz, die dem Zeugnis für den christlichen Glauben und die Liebe zum Nächsten geweiht war, möge er den Christen helfen, die Kirche erleuchten, die moderne Gesellschaft, die er so gut verstand und so sehr liebte, inspirieren! Vor allem festigte Paul VI. uns im katholischen Glauben! Als er vor vielen Jahren in einer seiner Schriften über die Lehre und die Erfahrung des hl. Paulus, seines großen Ideals, meditierte, beteuerte er mit leidenschaftlicher Unerschrockenheit: „Die Rechtgläubigkeit ist eine erstrangige Forderung des Christentums ... Wo in unserer Welt Christus nicht anwesend ist, müssen wir all unsere Kraft des Herzens und der Überzeugung einsetzen, um ihn gegenwärtig zu machen. Wo in unserer Welt Christus entstellt ist und wo man ihn für andere Ziele als die des ewigen Heils mißbraucht, müssen wir ihn in kühnem und hartem Einsatz verteidigen“ (Studium, N. 10, Oktober 1931. Vgl. Giovanni Battista Montini, Colloqui Religiosi, Instituto Paolo VI, Brescia, 1981, S. 64-65). In einer Nachschrift zu seinem Testament schrieb Paul VI. am 16. September 1972 abschließend: „Meine Seele preist die Größe des Herrn! Maria. Ich glaube. Ich hoffe. Ich liebe. In Christus.“ Auch wir wollen unser Gebet für Paul VI. an Maria richten, auf daß sie ihm den ewigen Frieden und uns die Kraft erbitte, auf seine Botschaft zu hören und seinem Beispiel zu folgen. 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ Wenn Gott Vater ist, sind die Menschen Brüder“ Intervention der Delegation des Hl. Stuhls bei der 2. Weltkonferenz für den Kampf gegen Rassismus und Rassendiskriminierung in Genf am 8. August Herr Präsident! Gestatten Sie mir, Sie zunächst zu Ihrer Wahl zum Präsidenten dieser Konferenz zu beglückwünschen. Wir möchten darin ein Zeugnis für Ihre hervorragenden Qualitäten sowie eine Ehrung Ihres Landes sehen. Die zweite Weltkonferenz für die Bekämpfung des Rassismus und der rassischen Diskriminierung bietet dem Hl. Stuhl nochmals eine willkommene Gelegenheit, um der internationalen Gemeinschaft seine Überlegungen zu einer dramatischen Situation mitteilen zu können, die alle Menschen guten Willens unbedingt mit Sorge erfüllen und sie anspornen muß, mit vereinten Kräften diese Geißel aus dem Leben der Menschen auszumerzen. Sie werden sicher das Interesse meiner Delegation für diese große Auseinandersetzung begreifen, die eindrucksvoll und klar die Reaktion des Weltgewissens auf das Problem widerspiegelt, mit dem wir uns befassen. Angesichts des Rassismus sowie anderer sozialer Übel haben die katholische Kirche und der Hl. Stuhl auf der Grundlage des christlichen Universalismus ihre Ansichten ausgearbeitet und ihr Handeln entsprechend den wechselnden geschichtlichen Gegebenheiten ausgerichtet, bei gleichzeitiger Konfrontation mit den Erfahrungen der Völker, und ihre Aufmerksamkeit in erster Linie den Ärmsten zugewandt. Es würde genügen, an die Interventionen der Päpste im Augenblick der Begegnung Europas mit den neuen Völkern Amerikas zu erinnern, oder, fast hundert Jahre später, zu Beginn des 17. Jahrhunderts, an die Gründung der Kongregation für die Glaubensverbreitung, die u. a. die Kirche von der Einmischung der Kolonialmächte bewahren sollte, oder auch an die Initiativen zur Befreiung der Sklaven und schließlich an die großen päpstlichen Dokumente unserer Zeit, die die Werte der einheimischen Kulturen hervorheben und das Streben der Menschen und Völker nach gleicher Menschenwürde und dessen praktische Auswirkungen auf alle Lebensbereiche unterstreichen. Wie Papst Johannes Paul II. in seiner Botschaft an den Präsidenten der 11. außerordentlichen Sitzung der Vollversammlung der Vereinten Nationen hervorhob, ist die katholische Kirche der Meinung, bei dieser Art von 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diskussionen eine besondere Aufgabe zu haben. Sie gibt nicht vor, konkrete Lösungen für diese vielschichtigen Wirklichkeiten bereitzuhalten, für die sie keine Verantwortung trägt; wenn es angebracht erscheint, ergreift sie jedoch das Wort, um ihre Stimme in den Diskussionen zu Gehör zu bringen und um so ihre Sorge um alles, was die Existenzbedingungen des Menschen betrifft, zu bezeugen und ihre Anschauung über Menschen und Gesellschaft vorzulegen. Sie bietet auch entsprechende Kriterien an, damit die menschlichen Werte, die Werte der Völker und Kulturen, nicht durch Nachlässigkeit Zwecken nutzbar gemacht werden, die der Person und der Gesellschaft, die es zu fördern gilt, unwürdig sind. Heute sorgen wir uns mehr als in der Vergangenheit um den Anteil am Haben, um die Gleichheit des Wissens und die Demokratisierung der Macht, und so empfinden wir besonders die Unterdrückung, Unterwerfung und Ausbeutung des Menschen oder auch die Manipulationen, bei denen der Mensch zugleich Objekt und Preis ist. Wir haben mehrere Formen der Diskriminierung vor Augen, die sowohl die Rechte der Personen und Gemeinschaften als auch den sozialen Frieden verletzen. Eine Diskriminierung liegt vor, wenn Einzelpersonen und ganze Völker kein Recht auf Religionsfreiheit haben; wenn man im gesellschaftlichen und beruflichen Leben für seine Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft bestraft wird; wenn die Rechte der Minderheiten mißachtet werden; wenn der eingewanderte Arbeitnehmer als Staatsbürger zweiter Klasse betrachtet und der Arme zu einem menschenunwürdigen Leben verdammt wird. Unter all diesen ungerechten Situationen kommt jedoch der rassischen Diskriminierung in diesem Augenblick wegen der Spannungen, die sie innerhalb einzelner Länder wie auf internationaler Ebene hervorruft, besondere Aktualität zu. Mit Recht betrachten die Menschen eine Tendenz als unvertretbar und verwerflich, für die die Aufrechterhaltung oder die Einführung einer Gesetzgebung oder Verhaltensweise eintritt, die sich systematisch nach rassischen Vorurteilen richtet. Die Verurteilung des Rassismus ist nicht nur das Ergebnis der Schlußfolgerungen der exakten Wissenschaften, denen dank einer Hebung des Bildungsniveaus, der Verbesserung der Informationsmöglichkeiten und eines größeren Verantwortungsbewußtseins gegenüber den Übeln der heutigen Zeit weite Verbreitung zuteil geworden ist; vielmehr schöpft sie ihre tiefste Berechtigung aus einer Ethik, einem Ideal, einer Auffassung von der Menschheit, welche die wesentliche Einheit des Menschengeschlechts und die Gleichheit aller Menschen und Völker hervorhebt. 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dieser Ebene der Reflexion hat der Beitrag der katholischen Kirche in erster Linie seinen Platz, indem er die Aufmerksamkeit nicht so sehr auf den rechtlichen und politischen Aspekt der Frage, sondern vielmehr auf den religiösen und ethischen Sinn der gleichen Würde aller Menschen lenkt. In seiner Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps zu Beginn des Jahres 1978 faßte Papst Paul VI. die Lehre der Kirche folgendermaßen zusammen: „Für den, der an Gott glaubt, sind alle menschlichen Wesen, auch die weniger begünstigten, Kinder des gemeinsamen Vaters . . . Die Vaterschaft Gottes bedeutet die Bruderschaft unter den Menschen, das ist nicht nur ein wesentlicher Gesichtspunkt des christlichen Universalismus, sondern auch die gemeinsame Basis, auf der sich die großen Religionen treffen, und ein Grundsatz höchster menschlicher Weisheit seit allen Zeiten; nämlich die Achtung der Würde des Menschen . . . Für alle, die die Botschaft des Evangeliums annehmen, ist es deshalb unmöglich, die fundamentale Gleichheit der Menschen aufgrund physischer, intellektueller oder moralischer Unterschiede im Namen der Überlegenheit einer einzelnen Rasse oder Bevölkerungsgruppe zu leugnen“ (Wort und Weisung 1978, S. 105-106). Nachdem er an die Lage bestimmter Völker Afrikas erinnert hatte, fuhr der Papst fort: „Die Kirche kann nicht ihre eigene Lehre verschweigen, aus der klar hervorgeht, daß jede Rassentheorie dem Glauben und der christlichen Lehre widerspricht“ (ebd.). Diese Worte des Papstes - eine feierliche Erklärung, die die in der kirchlichen Lehre verankerten Grundlagen der Menschenrechte in die moderne Sprache übersetzt - stellen auch den Ausgangspunkt für Initiativen auf diesem weitgespannten Gebiet dar. Mit der Ratifizierung des internationalen Abkommens über die Ausmerzung aller Formen rassischer Diskriminierung und der Teilnahme am gemeinsamen Bemühen des Zehnjahresplanes für die Bekämpfung des Rassismus und der rassischen Diskriminierung beabsichtigte der Hl. Stuhl, einen seiner Natur und seiner Mission entsprechenden loyalen Beitrag zum Aufbau einer Lebensgemeinschaft zu leisten, die überall dem Einzelmenschen und den Gruppen das Recht auf Leben, auf persönliche und gesellschaftliche Würde, auf Entwicklung und gerechte Verteilung der natürlichen Reichtümer und der Früchte der Zivilisation gewährleistet, und das in der Überzeugung, daß es sich hier um ethische und religiöse Fragen handelt, die nicht von den zeitgenössischen wirtschaftlichen, politischen und sozialen Gegebenheiten losgelöst werden können. Meine Delegation erachtet es nicht für notwendig, hier auf die zahlreichen 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Initiativen hinzuweisen, die in den letzten Jahren vom Hl. Stuhl und den Bischöfen zur Bekämpfung jeder Art von rassischer Diskriminierung unternommen wurden. So haben z. B. die Massenmedien mehrmals" die Erklärungen und Entscheidungen des südafrikanischen Episkopats sowie die Stellungnahmen zugunsten der Ein- und Auswanderer und der Minderheiten veröffentlicht. Sie möchte jedoch an das Werk der Kirche für die Erziehung zur Brüderlichkeit, zur Gerechtigkeit und zum Frieden unter voller Achtung der verschiedenen Kulturen und Zivilisationen erinnern. Wie sein. Name besagt, tritt der christliche Universalismus für die Abschaffung der Distanzen und Diskriminierungen und den Sieg über den Individualismus der einzelnen und der Gruppen ein, um zu voller sozialer Solidarität zu gelangen und das Wohl der ganzen Menschheit zu sucherr. Das Thema eines Weltfriedenstages, „Jeder Mensch ist mein Bruder“, sollte nicht nur ein wohlklingendes Schlagwort bleiben. Dieser tiefe Geist der Solidarität, der sich an das Gewissen wendet, ist das Ergebnis einer ständigen inneren Erneuerung und macht den Menschen äußerst empfänglich für alles, was seine Würde verletzt, und für jede Ungerechtigkeit. Er verpflichtet ihn, Verhaltensweisen aufzugeben, die Ursache so vieler Leiden sind, und die Strukturen so zu ändern, daß sie den berechtigten Bestrebungen der unterdrückten Völker entsprechen können. Auf der Suche nach mehr Gerechtigkeit und bei der Koordinierung einander entgegengesetzter Interessen darf sich der Mensch nicht von Haß und brutaler Gewalt hinreißen lassen in der Meinung, das wirksamste Mittel zur Lösung von Konflikten sei bewaffneter Kampf. Die Erfahrung lehrt uns, daß dieser Weg die Kluft zwischen einzelnen Gesellschaftsgruppen verbreitet, Spannungen und Konflikte verschärft und so die Verwirklichung der Bestrebungen unmöglich macht, die eben diesen Forderungen zugrunde liegen. Der echte Einsatz für die Gerechtigkeit und für eine wahre Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben erfordert die Herstellung von Beziehungen, die auf gegenseitige Zusammenarbeit, und konstruktive Ehrenhaftigkeit gegründet sind und auf Weltebene in loyale Verhandlungen mit Unterstützung der internationalen Institutionen einmünden, also mit der Unterstützung jener Institutionen, denen die Völkergemeinschaft Autorität und Wirksamkeit verleihen, also Vertrauen beweisen muß. In ihrer Erziehungsarbeit verkennt die Kirche schließlich nicht die Verdienste und charakterlichen Aspekte der Völker. Ganz im Gegenteü, sie achtet, schützt und ehrt den Reichtum der Werte, die sie besitzen, und: 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte zu ihrer Entfaltung in stets tief menschlichen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Formen beitragen. Es sei mir gestattet, hier einen Absatz aus der Ansprache Papst Johannes Pauls II. an die Indianer im Verlauf seiner Lateinamerikareise zu zitieren: „Eure eingeborenen Kulturen sind der Reichtum der Völker ... Sie verdienen daher höchste Achtung und Unterstützung von seiten der gesamten Menschheit“ 0O.R.dt., Nr. 11 vom 18. 3. 83, S. 11). Herr Präsident, der Zehnjahresplan der Bekämpfung von Rassismus und rassischer Diskriminierung findet den Hl. Stuhl und die Vereinten Nationen erneut Seite an Seite im gemeinsamen Bemühen um die Verteidigung und den Schutz der Freiheit und Würde jedes Menschen und jeder Menschengruppe, ohne jeden Unterschied. Meine Delegation hofft sehr, daß diese Erwägungen der Versammlung helfen können, das Wesentlicher dieser Rassendiskriminierungen - vor allem dort, wo sie institutionell festgeschrieben werden und sich zur „Apartheid“ verschärfen - besser zu unterscheiden und daß sie auch helfen, das Handeln der Menschen und der Regierungen zu erleuchten, damit sie einen wirksameren und konstruktiveren Druck ausüben als die Gewalt. Der Atheismus überfällt einen Teil der Menschheit Ansprache an das Generalkapitel des Augustinerordens in Castel Gandolfo am 25. August 1. Ich bin sehr erfreut, euch in dieser Sonderaudienz empfangen zu können, die den Teilnehmern des Generalkapitels des Augustinerordens reserviert ist. Es ist in der langen Reihe seit dem ersten Generalkapitel im Jahr 1256 das 174. Ich begrüße den Generalprior P. Theodore V. Tack, der den Orden in den letzten Jahren geleitet hat, seine Mitarbeiter, euch Kapitulare, und ich möchte durch euch meine Worte auch an all eure Mitbrüder richten, die heute über gut vierzig Nationen verstreut sind, die ihr würdig vertretet. Das erste Gefühl, das in diesem wichtigen Augenblick in mir aufsteigt, ist der Dank an den Herrn, den Spender aller Gnaden, der euren Orden durch so viele Jahrhunderte und so viele historische Stürme lebendig und dynamisch erhalten wollte, einen Orden, der eine lange Reihe von Heiligen und Mystikern zählt, der Gelehrte und Seelenhirten von großer 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedeutung und weltweitem Ruf inspiriert hat und der heute 14000 Mitbrüder zählt, davon 2570 Priester. Ihr wißt um die grundlegende Bedeutung des Gebetes überhaupt und des Dankgebetes im besonderen im Leben und in der Lehre des hl. Augustinus. Er, der sich bei der Betrachtung der göttlichen Wahrheit in die höchsten Höhen erhob und sich so tief in die Abgründe der Geheimnisse Gottes und des Menschen versenkte, hatte die absolute Notwendigkeit des demütigen und vertrauensvollen Gebetes erkannt: so scharf auch der Verstand des Menschen sein kann, das Geheimnis übersteigt ihn immer unendlich, und das Gebet wird zum Bedürfnis der Seele. „Im Gebet geschieht die Umkehr des Herzens“ - sagte der hl. Bischof - „und eben in der Umkehr die Reinigung des inneren Auges . . .“ (De sermone Domini in monte, II, 3, 14). Das zweite Gefühl ist eine Anrufung: Ihr braucht übernatürliches Licht für die Beratungen, die ihr zum Wohl eures Ordens, was die kommenden Jahre betrifft, und auch den der ganzen Kirche durchführen sollt. Das Kapitel wählt den Generalprior und seine unmittelbaren Mitarbeiter für die nächsten sechs Jahre, aber vor allem entscheidet es, welche Aktivitäten und Initiativen die spirituelle und apostolische Lebendigkeit aller Angehörigen des Ordens fördern sollen. Das sind Ereignisse von grundlegender Bedeutung, die einen hohen Verantwortungssinn und eine besondere Weitsichtigkeit verlangen. Drei besondere Momente geben eurer Versammlung stärkeren Nachdruck: das Heilige Jahr der Erlösung, in dem die ganze Kirche engagiert ist; die 450-Jahr-Feier der Ankunft der ersten Augustinermissionare in Amerika, genauer gesagt in Mediko; und schließlich die Vorbereitung der 1600-Jahr-Feier der Bekehrung des hl. Augustinus (386—387). Um die Förderung der „spirituellen und apostolischen Lebendigkeit“ des Ordens wirksamer in die Tat umzusetzen, hat sich das Kapitel ein aufmerksames Studium der Aktualisierung der „ständigen Fortbildung“ zum Ziel gesetzt, das den individuellen und kommunitären Bereich mit methodischer Arbeit in Sonderkursen über Theologie, Pastoral und Spiritualität umfaßt, und in augustinischen Begegnungen und Gemeinschaftstreffen, wie es ausdrücklich in den Konstitutionen heißt (Nr. 110). Und das ist eine Sache, die gerade in der Welt von heute von besonderer Wichtigkeit ist, die mit Recht Ordensleute verlangt, die in der Lehre gefestigt und spirituell gut gebildet sind. Und eine Notwendigkeit nicht nur für euch Augustiner, sondern für den ganzen Klerus, für die Mitglieder aller Ordenskongregationen, für die Laien, die im Apostolat arbeiten. Es geht nicht nur um eine „ständige Fortbildung“ im intellektuellen Sinn, 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auch wenn diese absolut notwendig ist, sondern um eine ganzheitliche Bildung, die den ganzen Menschen, Verstand, Willen und Gefühle, einbezieht. Eine Bildung, die man in Wahrheit „augustinisch“ nennen könnte, die -zu ständiger Erneuerung sowohl im Stil des Gemeinschaftslebens im Orden wie im Aggiornamento der religiösen Wissenschaften führt. Aus all diesen Gründen braucht ihr viel Gebet: „Bete in Hoffnung, bete in Glaube und Liebe - schrieb unser Heiliger -, bete in Beständigkeit und Geduld“ (Ep. 130, 19). Das Gebet ist so notwendig wie die Gnade, die uns .erreicht. Euer Orden hat als Hauptaufgabe, die Anziehungskraft des hl. Augustinus auch in den modernen Gesellschaft lebendig und wirksam zu erhalten. Ein erstaunliches und begeisterndes Ideal, denn die gründliche und liebende Kenntnis seines Denkens und seines Lebens weckt den Durst nach Gott, die Begeisterung für Jesus Christus, die Liebe zur Weisheit und Wahrheit, das Verlangen nach der Gnade, dem Gebet, der Tugend, der brüderlichen Liebe, der Sehnsucht nach der ewigen Seligkeit. 2. Auch ich begleite euch mit meinem Gebet, denn ich bin überzeugt, daß ihr eine große Aufgabe in der modernen Welt habt, die Sendung, die Liebe und das Erbarmen Christi mit den gleichen leidenschaftlichen und glühenden Worten zu verkünden wie euer Vater und Lehrer. „Spät habe ich dich geliebt, oh Schönheit, so alt und so neu, zu spät habe ich dich geliebt!“ So rief der hl. Augustinus mit Bedauern aus. Aber nachdem er schließlich die Wahrheit gefunden hatte, gab er sich ihr völlig hin und lebte nur noch in ihr, bezeugte sie, predigte sie, verteidigte sie, widmete sich ihr ganz: „Oh ewige Wahrheit und wahre Liebe und geliebte Ewigkeit! Du bist mein Gott, nach dir sehne ich mich bei Tag und bei Nacht!“, so drückte er sich in den Bekenntnissen aus (Confess., VII, 10, 16). Und in den Selbstgesprächen heißt es: „Jetzt liebe ich nur dich, dir allein folge ich, dich allein suche ich. Nur dir bin ich bereit zu folgen, denn du allein regierst gerecht, und deshalb will ich dein Eigentum sein .. . Sag mir, was ich tun muß, um dich zu schauen, in der Hoffnung, all deine Befehle auszuführen“ (Sol. 1, 5). So sollten auch eure Gefühle sein, damit ihr die Aufgabe erfüllen könnt, für die ihr euch entschieden habt und die euch anvertraut wurde. 3. Zu Beginn eures Kapitels sage ich euch und allen Mitgliedern des Ordens mit der gleichen Leidenschaft wie der hl. Augustinus: „Liebt die Wahrheit ganz und von Herzen!“ - Liebt die Wahrheit über alles, indem ihr lebhaftes Verständnis für die moderne Gesellschaft empfindet, in der wir leben. Die Menschheit von 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heute ist voll von Personen, die, wie der hl. Augustinus, die Wahrheit suchen, das heißt den Sinn des eigenen Lebens, die Bedeutung der immer stürmischen und unvorhersehbaren Geschichte und jetzt auch den Grund des Universums selbst, der sich der endgültigen Erkenntnis der Wissenschaft entzieht. Erinnert euch, daß der Heilige in seinen Bekenntnissen schrieb: „Ich war mir selbst ein großes Rätsel geworden; ich habe meine Seele befragt, warum sie so traurig war und mich so quälte, aber sie wußte mir keine Antwort“ (IV, 4). Wie aktuell klingen diese Worte! Vor 20 Jahren, bei der Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils, hat Paul VI. gesagt: „Ich blicke auf die Welt, die so voll Traurigkeit über so viele Übel ist: Der Atheismus überfällt einen Teil der Menschheit und zieht hinter sich die Störung der intellektuellen, moralischen und sozialen Ordnung, deren wahre Kenntnis die Welt verliert. Während das Licht der Naturwissenschaft wächst, verdunkelt sich die Wissenschaft von Gott und infolgedessen auch die wahre Wissenschaft vom Menschen. Während der Fortschritt die Werkzeuge aller Art wunderbar vervollkommnet, über die der Mensch verfügt, fällt sein Herz in die Leere, die Traurigkeit, die Verzweiflung hinab“ (Insegnamenti di Paolo VI, I, 1963, P. 182). Das sind dramatische, immer betrüblich wahre Sätze! Und dennoch bleibt auch der Aufschrei des hl. Augustinus wahr und wird immer quälender: „Du hast uns zu dir hin erschaffen, Herr, und unruhig bleibt unser Herz, bis es ruht in dir!“ (Confess., 1,1). Aus dem bedrängenden Phänomen der „Säkularisierung“ muß das Phänomen der „Reifung“ des Glaubens entstehen, das heißt seiner „Personalisierung“ durch Forschung und persönliche Überzeugung. Der problematische Mensch und der Christ von heute, der Klarheit und Gewißheit sucht, braucht Verständnis, Liebe und Hilfe. - Und liebt die Wahrheit über alles mit der Gewissenhaftigkeit der Orthodoxie, indem ihr begierig auf den Lehrer hört, der in eurem Innern spricht und bleibt eng verbunden mit der Kirche, der Mutter des Heils. „Christus soll in deinem Herzen sein, niemand anders — mahnt der Bischof von Hippo -, seine Salbung sei in deinem Herzen, damit das Herz sich nicht allein finde und verdurstet, weil es keine Quellen hat, aus denen es seinen Durst stillen kann. Und schließlich: Der Meister, der uns lehrt, ist drinnen, es ist Christus! Wenn seine Inspiration und seine Salbung fehlen, ertönen die Worte von draußen vergebens! (In Ep. Joann., 3,13). Aber es ist die Kirche, die auf dem Weg der Wahrheit führen muß; hier ist der hl. Augustinus klar und kategorisch: „Soviel ein jeder die Kirche liebt, soviel besitzt er den Heiligen Geist“ (In Joann. tr., 32, 8). „Die haben 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht die Liebe zu Gott, die nicht die Einheit der Kirche lieben“ (De Baptismo, III, 16, 21). Seid und sät immer „gutes Korn“, so daß jeder, der euer Wort und euren Rat hört, sich in der Wahrheit gefestigt fühlen kann, in der Liebe zu Christus und seiner Kirche gestärkt, um froh der himmlischen Stadt entgegenzugehen. - Liebt schließlich die Wahrheit, indem ihr euch sorgfältig den Werken eurer Vervollkommnung widmet. Die Beschaulichkeit ist die wichtigste Dimension eures Ordens, auch in bezug auf das tätige Leben, die Unterweisung und die Nächstenliebe. Der hl. Augustinus wollte eine sorgfältige Ausbildung in den heiligen Wissenschaften, speziell in der Heiligen Schrift, um den priesterlichen Dienst in geeigneter Weise ausüben zu können. Und er legte großen Wert auf das Gemeinschaftsleben zur größeren Vollkommenheit durch gegenseitige Hilfe (vgl. Reg. Cap. VIII, N. 48). Der hl. Augustinus lehrt, der Apostel müsse zuerst Beter sein, dann Prediger {De doctrina cristiana, lib. 4, cap. 15, 32). Unter diesem Gesichtspunkt muß die Notwendigkeit der Strenge des Lebens unterstrichen werden, der Ernsthaftigkeit, des Sinns für Disziplin, der heiligen Entschlossenheit, im Namen Christi und der Kirche zu fordern und zu gehorchen. Besonders ein Augustiner muß sich daran erinnern, daß wir Werkzeuge und Mitarbeiter der Gnade Gottes sind. Es scheint, daß der hl. Augustinus in all seinen Schriften, die unerschöpfliche Fundgruben für die Betrachtung und geistliche Erhebung sind, uns ständig sagen will, daß wenn man versuchen muß, immer besser zu verstehen, es doch viel wichtiger ist, immer mehr zu lieben. „Liebe mehr, und du wirst dich mehr erheben“ {En. in Ps. 21, 5). Wahrheit bedeutet konkret die Heiligkeit lieben. „Wenn du anfängst, dich verwirrt zu fühlen - so mahnt er -, wecke den schlafenden Christus: er gibt dir den Glauben zurück, und du weißt, daß er dich nicht verläßt“ {En. in Ps. 90, 11). 4. Meine Lieben! Ich schließe unsere herzliche Begegnung, indem ich mich noch einmal an die Theologie des heiligen Kirchenlehrers halte, der eine innige und tiefe Liebe zur heiligen Jungfrau Maria besaß. „Maria hat mit Liebe daran mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren werden, die Glieder ihres Hauptes sind: als leibliche Mutter dieses Hauptes“ {De sancta virginitate, 6). Maria hat durch ihre Liebe mitbewirkt, daß uns das übernatürliche Leben geschenkt wurde. Sie möge euch erleuchten und inspirieren in diesen Tagen intensiver Arbeit. Sie möge den ganzen Augustinerorden schützen und stärken auf dem glühenden Weg zu ihm, der „das Ziel unserer Sehnsüchte“ ist, damit wir ihn am „Sabbat ohne 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abend“ schauen ohne Ende, lieben ohne Verdruß, loben, ohne müde zu werden. „Schau auf das, was am Ende ohne Ende sein wird. Und welches andere Ende ist unser Ende, wenn nicht das, zum Reich zu gelangen, das kein Ende hat (vgl. De civitate Dei, L. XXII, cap. 30). Möge euch der apostolische Segen begleiten, den ich jetzt frohen Herzens euch und allen Mitbrüdern des Ordens erteile. Maria, Zeichen der Hoffnung Schreiben an die Bischöfe von Malta zum Internationalen Marianischen Kongreß vom 26. August „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Eph 1, 2). Mit großer Freude bin ich mit euch, liebe Brüder, und mit eurem Volk verbunden, wenn ihr euch in diesen Tagen um Unsere Liebe Frau von Ta’ Pinu versammelt, um mit dem IX. Internationalen Mariologischen Kongreß und dem XVI. Internationalen Marianischen Kongreß - beide von der Päpstlichen Internationalen Marianischen Akademie in Rom veranstaltet — die Hundertjahrfeier ihres Heiligtums zu begehen. In euch, ehrwürdige Brüder, grüße ich alle Teilnehmer, Gelehrte und Pilger, aus den verschiedenen Teilen der Welt, ganz besonders aber möchte ich alle Söhne und Töchter des maltesischen Volkes grüßen, einer der ältesten christlichen Nationen, die ihre Annahme des Evangeliums Christi und ihre Marienverehrung immer bezeugt hat. Mit Hilfe eines Programmes geistlicher Erneuerung, das im vergangenen Oktober begonnen hat, ist eure Bevölkerung auf diese internationalen Ereignisse vorbereitet worden. Damals forderte ich euch zu einer größeren Treue zu Christus und zu jener brüderlichen Versöhnung auf, die zum Wohlergehen der ganzen Gesellschaft beiträgt; ich tat dies in der Hoffnung, daß die Feierlichkeiten zu Ehren Mariens zu immer größerer Einheit im Glauben und in der Liebe unter den Söhnen und Töchtern Maltas anregen würden, die sich selbst voll Stolz die Insel des hl. Paulus nennt. Ich stellte diese Hoffnung unter den liebenden mütterlichen Schutz Mariens, der Mutter Gottes und Mutter der Kirche. Zusammen mit euch grüße ich auch die Päpstliche Internationale Marianische Akademie, besonders ihren eifrigen Präsidenten, Pater Paolo Melada 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN OFM, die Mitglieder der Akademie und des Sekretariats, die mit der Organisation beider Kongresse betraut worden waren. Ich bringe meine große Anerkennung und meinen herzlichen Dank für den wirksamen Beitrag zum Gelingen so bedeutender kirchlicher Ereignisse zum Ausdruck, die Maria ehren und die Verherrlichung der Heiligsten Dreifaltigkeit und dem Heil der Seelen gelten. 1. Von Anbeginn des Christentums, seit der Völkerapostel euren Vorfahren verkündigte, wie „Gott seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau“ (Gal 4, 4), hatte die Gestalt der Mutter des Gottessohnes im Bewußtsein des christlichen Volkes immer deutlichere Züge einer Mutter und Beschützerin für sie, eines Beispieles und Vorbildes für jeden Jünger Christi angenommen. Auch in Malta ist wie in anderen Teilen der Welt die Jungfrau Maria dauernd als die höchste Verwirklichkung des Evangeliums verkündet worden. Die Marienverehrung verbreitete sich in eurem Volk, das beweisen die zahlreichen liturgischen Marienfeste, die mit so großer Begeisterung gefeiert werden, die majestätischen Kirchen, die der Gottesmutter geweiht sind, Heiligtümer und Kapellen, wo ihre geweihten Bilder verehrt werden und zu denen noch heute die Gläubigen kommen, um davor zu beten und sie als Zeichen der Dankbarkeit mit Votivgaben zu schmücken. So wurde die Marienverehrung auch bei euch zu einem „wesentlichen Bestandteil des christlichen Kultes“ (Marialis cultus, Nr. 56; in: Wort und Weisung, 1974, S. 478), besonders in eurem berühmtesten Heiligtum in Ta’ Pinu, wo der Überlieferung nach die Gottesmutter vor hundert Jahren einem jungen Mädchen, Carmela Grima, erschienen ist. Die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschte Erneuerung hat auch auf dem Gebiet der Marienverehrung reiche Frucht gebracht, indem sie ihre biblische, christologische, kirchliche und anthropologische Richtung hervorhob, damit sie immer mehr zu einer Verehrung wird, die zu unserem Herrn Jesus Christus hinführt, dem „Ursprung aller Wahrheit, Heiligkeit und Frömmigkeit“ (Lumen gentium, Nr. 67). Heute wird die Marienverehrung oft mehr in Gemeinschaftsform gepflegt und hilft so den Gläubigen, ihre Treue zu Christus, der der einzige Weg zum Vater ist (vgl. Joh 14, 6), miteinander zu erneuern. 2. Indem sie die Gottesmutter mit kindlicher Liebe ehrte, wollte die Kirche in Malta den Mariologischen und den Marianischen Kongreß beherbergen. Der Mariologische Kongreß, der an frühere Tagungen anschließt, ist diesmal dem Studium der Marienverehrung im 17. und 18. 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahrhundert gewidmet. Mit dem Eingehen auf die historische, kulturelle und theologische Situation jener Zeit versucht er, die Mariologie und Marienverehrung in jenen Jahrhunderten darzustellen, die sich durch große Theologen, Mystiker und Heilige auszeichneten. Wie könnte man hier die Abhandlung „Wahre Verehrung der seligen Jungfrau Maria“ des hl. Louis Marie Grignion de Montfort oder die Initiativen des hl. Leonardo von Porto Maurizio zugunsten der Definition der Unbefleckten Empfängnis Mariens unerwähnt lassen? Die Arbeit der Gelehrten hier wird darin bestehen, die Marienverehrung in der Kirche in jenen Jahrhunderten zu untersuchen, wie sie sich aus verschiedenen religiösen Bräuchen und in ihrem Bezug zur gesamten katholischen Lehre und zum Glauben des Gottesvolkes ermitteln läßt. Der der Andacht gewidmete Teil des Treffens, der Marianische Kongreß, möchte unter dem Thema „Maria, Mutter der Versöhnung“ die Rolle Mariens bei der Versöhnung der Kinder Gottes herausstellen. Neben ihrem Sohn, dem Erlöser des Menschen, der starb, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11, 52), „trägt Maria in ihrer mütterlichen Liebe Sorge für die Brüder ihres Sohnes, die noch auf der Pilgerschaft sind und in Gefahren und Bedrängnissen weilen, bis sie zur seligen Heimat gelangen“ (Lumen gentium, Nr. 62). So erscheint die Jungfrau von Nazaret als großer Schatz im Besitz des ganzen Gottesvolkes und als Band, das diejenigen, die noch immer getrennt sind, verbindet. In diesem Sinne bietet die ökumenische Begegnung eine Gelegenheit, miteinander über die Stellung Mariens in Beziehung zur Kirche als einer Gemeinschaft nachzudenken. Blühender Aufschwung mariologischer Studien Weitere bedeutsame Ergebnisse dieser internationalen Tagungen werden in der Kirche von Malta durch verschiedene religiöse und kulturelle Ereignisse und die Förderung einer theologischen Reflexion über die Gestalt Mariens in der Heilsgeschichte und ihrer Sendung in der Kirche erzielt. Auf diese Weise werden sich die Marienfeiern in Malta einreihen in die wachsende Sensibilität der Kirche für menschliche und christliche Probleme. 3. Heute ist sich die Kirche der tiefen Bedeutung bewußt, die Maria in dem dynamischen Wachstum kirchlichen Lebens und kirchlicher Aktivität zukommt. Das alles läßt sich auch aus dem blühenden Aufschwung mariologischer Studien und marianischer Kongresse ableiten und wird 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der Glaubenserfahrung der christlichen Gemeinschaft betont, der das Zweite Vatikanische Konzil Maria als Beispiel, als Weg der Hoffnung und des Trostes für die Menschheit vor Augen stellt (vgl. Lumen gentium, Nr. 68). Maria, die in sich selbst schon eine Vorbereitung auf das endgültige Kommen des Herrn ist, ist das Zeichen des Anbruchs der Heilszeit für die ganze Welt. Sie wurde vom Heiligen Geist geformt und geheilt (vgl. Lk 1, 35) und bleibt das Symbol der ganzen Kirche in Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie ist besonders ein Zeichen der Hoffnung für das pilgernde Gottesvolk, ein Zeichen, das die tiefen Sehnsüchte des Menschenherzen nicht enttäuscht, weil sie durch ihr Beispiel den Triumph der Hoffnung über die Angst sichtbar macht (vgl. Marialis cultus, Nr. 57). In ihr, der Mutter der Hoffnung, wird die Berufung zur Hoffnung universal, weil sie die Berufung zur eschatologischen Hoffnung und zur endgültigen Erlösung enthält. In unserer Zeit der Spannungen, auf das Jahr 2000 zu, ruft das pilgernde Gottesvolk zu Maria, einem Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes, einem personifizierten Unterpfand der Hoffnung der Kirche, die in der Herrlichkeit der Auferstehung volle Gemeinschaft mit Christus erlangen wird. In ihrer geschichtlichen und eschatologischen Dimension sieht die christliche Gemeinschaft in Maria Vorbild und Beginn dessen, was sie in ihren Gliedern sein wird. Dieser Gedanke spornt sie an und bestärkt sie in der gegenwärtigen Phase der Erlösung. Auf diese Weise wird alle Zukunftsangst durch die von der Person Mariens inspirierte frohe Hoffnung ersetzt. Von Maria geleitet, erbaut die Kirche die irdische Stadt, während sie sich auf ihrem Pilgerweg zur ewigen Stadt befindet. Sie fördert Gerechtigkeit, Frieden, weltweite Versöhnung und Treue zur Liebe Christi, der der Anfang und das Ende, der Weg, die Wahrheit und das Leben ist (Joh 14, 6). Mit Maria, Zeichen der Hoffnung, lebt das Gottesvolk sein Ja zur hochherzigen Annahme des Willens des Herrn und ruft voller Hoffnung mit dem Apostel aus: „Amen. Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22, 20). Mit tiefer Liebe zum Herrn Jesus sende ich meinen Apostolischen Segen allen, die sich zu diesen kirchlichen Veranstaltungen einfinden, und erflehe Gnade und Frieden für alle, besonders für jene, die in irgendeiner Weise um die Herrlichkeit Gottes und des Gedeihens der Kirche Jesu Christi willen leiden. Aus dem Vatikan, am 26. August 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Lebt im Geist der Demut die christlichen Wahrheiten!“ Predigt bei der Messe mit Studenten des „Opus Dei“ in Castel Gandolfo am Sonntag, 28. August „Du, Herr, bist der Vater der Demütigen!“ 1. Diese Worte, die der Antiphon des Antwortpsalms der heutigen Liturgie entnommen sind, bringen den Hauptgedanken der Schriftlesungen des XXII. Sonntags im Jahreskreis zum Ausdruck. Aus dem Buch Jesus Sirach haben wir gehört, daß, wer sich bescheidet, Gnade vor dem Herrn finden wird (vgl. Sir 3, 18). Im Evangelium weist uns sodann Jesus auf die Haltung der Demut hin, die wir auch gegenüber dem Nächsten annehmen sollen. Das ist eine wirklich fundamentale Lehre für den Christen: Gegegnüber der von Gott durch Christus geoffenbarten und von der Kirche gelehrten Wahrheit muß der menschliche Verstand, der freilich, um ihre Echtheit zu beweisen, notwendig ist, in Demut dem Glauben und dem Vertrauen Platz machen; ja, er muß die Freude und den Frieden des vollständigen Vertrauens in den finden, der sich geoffenbart und dem Menschen das Heil gegeben hat. Der Christ weiß, daß er sich dem Nächsten gegenüber so verhalten muß wie der Meister, der seinen Jüngern die Füße wusch, das heißt, er muß eine ständige Haltung des Verständnisses, der brüderlichen Hilfe, des Dienens, der Liebe einnehmen, der Liebe zu allen, besonders zu den Ärmsten und Leidenden, wobei er auch zur heroischen Nächstenliebe gelangen kann! „Weite deine Liebe auf die ganze Welt aus - schrieb der hl. Augustinus, dessen Fest auf den heutigen Tag fällt —, wenn du Christus lieben willst, denn die Glieder Christi sind über die ganze Erde verstreut!“ {In Ep. Ioann, tr, 10, 3). 2. Meine Lieben, ihr seid Universitätsstudenten, Fachkräfte, und gehört dem „Opus Dei“ an, das in einem aufbauenden Dienst an der Kirche und an der heutigen Gesellschaft, auch im Kontakt zu Bereichen, die dem Glauben fernstehen, das Evangelium vollgültig leben will. Nehmt diese Lehren auf, die vom Wort Gottes heute an uns ergehen! Lebt auch ihr im Geist der Demut die christliche Wahrheit, die ihr glücklicherweise kennt! Ihr wollt und sollt Zeugen der „Liebe Gottes unter den Menschen“ sein, und die heutige Welt hat überzeugte und konsequente Zeugen dringend 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nötig. Eure erste Verpflichtung und eure erste Sorge muß die innere Bildung sein: durch systematische Meditation, geistliche Führung, tiefe, leidenschaftliche Liebe zur Eucharistie, asketischen Gebrauch des Bußsakraments, den ihr bereits eifrig praktiziert und verkündet, und die Marienverehrung. Gleichzeitig müßt ihr euch immer im Dienst der Brüder fühlen, die mit uns die staubige und beschwerliche Straße des Lebens gehen. Wieviel gäbe es heute zu lieben! Was für ein Verlangen nach Liebe spürt man bei allen Personengruppen! Ihr habt eine wunderbare Aufgabe zu erfüllen: Ihr könnt lieben, helfen, aufrichten, trösten, erleuchten mit der göttlichen Gnade, die euch stets begleitet. 3. Ich möchte euch dazu ermutigen, zügig weiterzugehen auf eurem christlichen Lebensweg und dabei in eurer Umgebung das große Geschenk der Liebe und des Erbarmens Gottes durch das Jubiläumsjahr der Erlösung zu verkündigen. Ich wünsche euch darum eine immer glühendere Liebe zu Christus, während ich euch als Andenken und als Vorschlag die Worte hinterlasse, die der hl. Augustinus in den „Bekenntnissen“ geschrieben hat: „O Herr, ich Hebe dich! Ich hege keinen Zweifel, ich bin gewiß, daß ich dich liebe: Du hast mein Herz mit deinem Wort durchbohrt, und ich habe dich geHebt - Der Himmel und die Erde und alles, was in ihnen ist, überaH, heißen mich dich zu Heben! . . .“ (Confessiones, X. 6, 8). Bei der heiligen Messe wendet sich mein Gebet in besonderer Weise für euch zum Herrn. Ihm empfehle ich euch; von ihm erbitte ich die Fülle seiner Gnaden. 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Stimme des Geistes folgen Homilie beim Gottesdienst zum Beginn der 33. Generalkongregation der Gesellschaft Jesu am 2. September „Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging . . ., bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1-3). 1. Liebe Mitbrüder! Ich bin froh, heute unter euch zu sein, wie ihr es gewünscht habt, um das Eucharistische Opfer zu konzelebrieren und für die Generalkongregation, die ihr heute beginnt, den Reichtum der Gaben des Heiligen Geistes zu erbitten. Bei dieser Gelegenheit erhalten die Worte des Apostels Paulus an die Epheser, die wir in der ersten Lesung gehört haben, eine prophetische Bedeutung. Und mit diesen selben Worten wende ich mich von ganzem Herzen an euch. Wie der Apostel, so „ermahne auch ich euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging . . ., bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1-3). An allen Fronten des Lebens In euch grüße ich alle Jesuiten der Welt, die an allen Fronten des Lebens der Kirche eingesetzt sind: eine große Familie, die durch eine besondere Berufung dazu angehalten ist, dem Namen Christi in voller Verfügbarkeit für die Anliegen seines Reiches zu dienen. Diese ganze große Familie ist in dieser Stunde für mich hier anwesend, miteinander verbunden durch dieselben Ideale, durch denselben Anruf des Geistes, den Christus aus seinem Inneren auf euch wie auf die ganze Kirche ergießt: „Aus seinem Inneren werden Ströme von lebendigem Wasser fließen“ (Joh 7, 38). In diesem Geist des Einklanges der Herzen in der Fügsamkeit gegenüber dem göttlichen Wirken beginnt heute die Generalkongregation. Sie ist ein offizielles Ereignis im Leben eurer Ordensfamilie, eine besondere Gelegenheit, diese Einheit des Geistes zu leben. Die Einheit des kirchlichen Geistes, weil ihr mit eurem Leben eingepflanzt seid in die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Ihr habt euch verpflichtet, ihr mit ganzer Treue zu dienen; ihr wißt, daß sie durch den Reichtum der Wahrheit und des göttlichen Lebens, das sie den Menschen mitteilt, das 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allgemeine Sakrament des Heiles ist. Die Einheit des ignatianischen Geistes, weil dieses besondere Charisma, welches aus der Gesellschaft Jesu ein herausragendes Instrument der Aktivität der Kirche auf allen Ebenen macht, das alles ergreifende und unterscheidende Merkmal eures Tuns und eurer Sendung ist, wie es dem Willen eures Gründers entspricht. Diese Einheit erwächst aus dem einen Glauben, aus der einen Taufe, aus der einen christlichen und Ordens-Berufung, die die folgerichtige und würdige Blüte der ersten darstellt. Diese Einheit wird genährt durch die trinitarische Wirklichkeit, also durch das Leben des einen Vaters, der einen Herrn, des einen Geistes. Und heute erleben wir diese Einheit in besonderer Weise: „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4, 4). Das sind die theologischen und geistlichen Wurzeln des heutigen Ereignisses. Daß ihr mir die trostvolle Freude gewährt habt, es mit euch gemeinsam zu erleben, dafür bin ich euch, meine geliebten Brüder, von Herzen dankbar. 2. Diese Generalkongregation erhält ihre besondere Bedeutung durch ihr doppeltes Ziel. Zuerst soll sie dem verehrten Pater Arrupe einen Nachfolger geben. Ich freue mich, ihn hier begrüßen und der allgemeinen Dankbarkeit Ausdruck geben zu können, daß er nicht nachgelassen hat, die Gesellschaft Jesu durch sein Beispiel, durch sein Gebet, durch seine Leiden zu unterstützen. Eure Generalkongregation hat darüber hinaus die Aufgabe, Orientierungen festzulegen, Normen vorzuzeichnen, denen der Orden in den kommenden Jahren folgen soll, damit das Ideal der Gesellschaft Jesu unter den besonderen Umständen von heute immer besser verwirklicht wird, das Ideal, das in der Formel eures Instituts beschrieben ist: „Unter dem Banner des Kreuzes für Gott Kriegsdienst leisten und allein dem Herrn und der Kirche seiner Braut, unter dem Römischen Papst, dem Stellvertreter Christi auf Erden, zu dienen“ (Exposcit debitum, 21. Juli 1550). Diese doppelte Aufgabe ist ohne Zweifel groß und schwer. Es ist wichtig, daß ihr die Orientierungen und die Empfehlungen bedenkt, die meine verehrten Vorgänger, Paul VI. und Johannes Paul I., bei euren letzten Zusammenkünften gegeben haben und die ich selbst euch gegenüber zum Ausdruck brachte bei dem Treffen eurer Provinziäle im Februar vergangenen Jahres. Das sind Orientierungen und Empfehlungen, welche ihren ganzen Wert behalten haben und welche ihr bei den Arbeiten der Generalkongregation gegenwärtig haben müßt, um den guten Ausgang dieser Arbeiten zu garantieren, von dem die Vitalität und die Entwicklung eures 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Institutes abhängt. Daher das Verlangen, den Hl. Geist anzurufen: „Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen!“ Der Papst hatte seine Predigt in italienisch begonnen und fuhr in französisch fort: 3. Eure Generalkongregation ist darüber hinaus ein Ereignis, das wichtige Auswirkungen auf das Leben der Kirche haben wird. Das ist auch der Grund, warum mein Interesse daran so groß ist. Die Gesellschaft Jesu ist noch immer der zahlenmäßig stärkste Orden; sie ist in allen Ländern der Welt verbreitet; sie setzt sich zur Ehre Gottes und zur Heilung der Menschen ein, bis zu den schwierigsten Aufgaben und Ämtern, die von großem Nutzen sind für den Dienst der Kirche. Daum schauen viele auf euch, seien sie nun Priester oder Laien, Ordensmänner oder Ordensfrauen; darum achtet man oft mehr auf euch, als ihr vermutet. Ganz besondere Solidarität So haben meine Vorgänger öfter den großen Einfluß unterstrichen, den die Aktivität der Gesellschaft Jesu in der Kirche ausübt. Besonders Paul VI. hat nicht gezögert zu erklären, daß eure Gesellschaft mit der katholischen Kirche „ eine ganz besondere Solidarität verbindet; euer Schicksal berührt in gewissem Ausmaß das Schicksal der ganzen katholischen Familie“ (21. April 1969; AAS, 61 [1969], S. 317). Wenn diese Verantwortung auf allen Mitgliedern der Gesellschaft Jesu liegt, so liegt sie heute in ganz besonderer Weise auf euch, die ihr als Mitglieder dieser Generalkongregation gewählt seid. Darum ist der Papst euch in diesem Augenblick in ganz besonderer Weise nahe durch das Gebet, mit seinen guten Wünschen, mit seiner väterlichen Ermutigung. Und er tut es wiederum mit den Worten des Epheserbriefes: „Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig und friedfertig... und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1-3). 4. Ich bin gewiß, daß ihr bei der Verwirklichung dieses Zieles den von der Vorsehung bestimmten Charakter und den besonderen Zweck der Gesellschaft Jesu stets geistig gegenwärtig haben und bewahren werdet. Sie ist, wie ich schon sagte, in vielfältigen und schwierigen Aufgaben engagiert. Beim Treffen mit den Provinziälen im Februar des vergangenen Jahres habe ich kurz ein Bild der Arbeiten gezeichnet, die ihr auszuüben berufen 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seid: den Einsatz für die Erneuerung des christlichen Lebens, für die Ausbreitung der authentischen katholischen Lehre, die Erziehung der Jugend, für die Ausbildung des Klerus, für die Vertiefung der heiligen Wissenschaften und generell der Kultur, auch der profanen, speziell auf literarischem und wissenschaftlichem Gebiet, für die missionarische Verkündigung des Evangeliums (vgl. AAS, 74 [1982], SS. 551-565). Der Papst zählt auf euch Für diese Fülle so verschiedenartiger apostolischer Aufgaben, die in ihren traditionellen wie neuen Formen den vom Zweiten Vatikanischen Konzil betonten Forderungen unserer Zeit entsprechen, richte ich neuerlich meine Ermutigung an euch im vollen Vertrauen, daß „euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“. Der Papst zählt auf euch, er erwartet viel von euch. 5. Um dies zu erreichen, gibt das ganz besondere Band, welches die Gesellschaft Jesu mit dem Papst unterhält, der für die Einheit der ganzen Kirche verantwortlich ist, dem Orden selbst Fruchtbarkeit und Sicherheit, wenn er sich mit ganzer Verfügbarkeit und Treue einsetzt, um auf allen Fronten der kirchlichen Aktivität zu kämpfen. Das gilt heute wie in den Anfangszeiten des Ordens. Damals kam euer Gründer, der wie auch seine ersten Gefährten beseelt war von dem Wunsch, sich ganz in den Dienst für den Herrn Christus zu stellen, unter der geheimnisvollen Führung der Vorsehung nach Rom. Hier stellte er sich Papst Paul III. ganz zur Verfügung, um die Aufträge, die der Papst ihm erteilen würde, wo immer er es wünschte, zu erfüllen; ihr wißt, daß Paul III. dieses Angebot nur zu gerne annahm, sah er doch darin ein besonderes Zeichen des göttlichen Wirkens. In diesem Zusammenhang erhält das „Vierte Gelübde“ eine besondere Bedeutung. Es will sicher nicht den hochherzigen Einsatz bremsen, sondern will ihm einen tieferen und breiteren Raum sichern in der Gewißheit, daß das innerste Motiv dieses Ordensgehorsams, dieser Verbindung mit dem Papst, ist, mit um so größerer Hingabe auf alten und neuen Feldern des Apostolates und die Nöte der Kirche antworten zu können, „sofort, ohne Ausflüchte und ohne irgendwelche Entschuldigungen“. Ich drücke euch meine Anerkennung aus für alles das, was die Gesellschaft Jesu während der vier Jahrhunderte ihres fruchtbaren Apostolats geleistet hat. Ich bin sicher, daß ich mich auch in Zukunft auf den Orden stützen kann, um meinen apostolischen Dienst auszuüben, und daß ich 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer auf eure treue Mitarbeit für das Wohl des ganzen Volkes Gottes rechnen kann. Ihr sollt wissen, daß der Papst euch begleitet und für euch betet, damit die Gesellschaft Jesu in ständiger Treue zur Führung des Geistes weiterhin aus der Gnade Gottes die Kraft und den Elan schöpfen kann für ihr weites und vielfältiges Apostolat. Auf englisch sagte der Papst: 6. Die Kirche hat eure Gesellschaft stets als eine Gruppe von Ordensmännern angesehen, die geistlich und theologisch gut gerüstet und bereit sind zu tun, was von ihnen im Zusammenhang mit dem universalen Evangelisierungsauftrag der Kirche verlangt wird. Durch die Jahrhunderte haben die Päpste euch Aufträge erteilt. Sie haben dabei auf die größte Not in der Kirche geschaut und auf eure hochherzige Verfügbarkeit vertraut. Ich will mich auf die jüngste Zeit beschränken und an den Auftrag erinnern, den mein Vorgänger Paul VI. euch am 7. Mai 1965 gegeben hat, „dem Atheismus kraftvoll und mit vereinten Kräften zu widerstehen“. Ich erneuere diesen Auftrag an euch mit Dringlichkeit, solange diese „schreckliche Gefahr, die über der Menschheit droht“, andauert (AAS, 57 [1965], S. 514). Im November 1966, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, hat der gleiche Papst euch gebeten, bei der tiefen Erneuerung mitzuarbeiten, deren die Kirche in der säkularisierten Welt bedarf. Ich selbst habe in der schon erwähnten Ansprache an eure Provinziäle bestätigt, „daß die Kirche heute von der Gesellschaft Jesu erwartet, daß sie so wirksam zur Verwirklichung des Zweiten Vatikanischen Konzils beiträgt, wie sie zur Zeit des hl. Ignatius und später sich mit allen Mitteln dafür eingesetzt hat, das Konzil von Trient bekanntzumachen und durchzuführen und in ganz besonderer Weise den Römischen Päpsten bei der Ausübung ihres höchsten Lehramtes zu helfen“ (AAS, 74 [1982], S. 557. Um dies zu erreichen, habe ich euch aufgefordert und fordere ich euch heute erneut auf, „die verschiedenen Formen des traditionellen Apostolates, das auch heute all seinen Wert behält“, an die unterschiedlichen spirituellen Notwendigkeiten von heute anzupassen und immer größere Aufmerksamkeit „den Initiativen zuzuwenden, welche das Zweite Vatikanische Konzil besonders ermutigt hat“, wie dem Ökumenismus, dem tieferen Studium des Verhältnisses zu den nichtchristlichen Religionen und dem Dialog der Kirchen mit den Kulturen. In dieser Hinsicht kenne ich sehr wohl und billige euren Einsatz für die Inkulturation, die für die Evangelisierung von so großer Bedeutung ist, vorausgesetzt, daß er mit 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem gleichen ernsthaften Einsatz verbunden ist, die katholische Lehre rein und unversehrt zu bewahren. 7. Als ich damals über euer Apostolat sprach, habe ich eure Aufmerksamkeit auch darauf gelenkt, daß die Evangelisierung notwendig die Förderung der Gerechtigkeit einschließt, die mit dem Weltfrieden verbunden ist, den alle Völker ersehnen. Doch muß diese Tätigkeit in Übereinstimmung mit eurer Berufung als Ordensmänner und Priester ausgeübt werden, ohne die den Priestern eigenen Aufgaben mit denen zu vertauschen, die Aufgaben der Laien sind, und ohne „der Versuchung nachzugeben, die Sendung der Kirche auf die Dimensionen eines rein diesseitigen Programmes zu beschränken und das Heil, dessen Bote sie ist, auf ein weltliches Wohlergehen zu verkürzen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 32). Hier liegt ein großartiges Feld des Apostolates offen vor euch, auf dem ihr mit erneuertem Eifer arbeiten könnt in Treue zu dem Auftrag, den ihr vom Papst erhalten habt, unter der Führung des neuen Generalobern und in enger Zusammenarbeit untereinander. Apostolischen Impuls verstärken Die hochherzige Verwirklichung dieses Ideals wird euren apostolischen Impuls noch verstärken; sie wird euch bei der Überwindung der Schwierigkeiten helfen, die im geheimnisvollen Plan der Vorsehung mit den Werken des Herrn gewöhnlich verbunden sind; und sie wird zahlreiche Berufe hochherziger junger Männer wecken, die auf die Stimme des Heiligen Geistes hören und auch in der heutigen Zeit das Verlangen haben, ihr Leben einem Ideal zu widmen, das würdig ist, gelebt zu werden, und somit aktiv am göttlichen Werk der Erlösung der Welt mitzuwirken. Abschließend sagte er auf spanisch: 8. Die Erlösung der Welt! Ja, die Durchführung euerer Generalkongregation fällt zusammen mit dem außerordentlichen Heiligen Jahr, in dem die Kirche das Geheimnis der Erlösung mit besonderer Intensität zu leben versucht; gerade eure Berufung besteht ja in eurer engen Nachfolge Christi, des Erlösers der Welt, indem ihr als seine Mitarbeiter für die Erlösung der ganzen Welt tätig seid; infolgedessen müßt ihr euch im Dienst des göttlichen Königs auszeichnen, wie es in dem Gebet heißt, mit 1066 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem die Betrachtung über das Reich Christi in den Geistlichen Übungen (Exerzitien) des hl. Ignatius schließt. Liebe Brüder, möge dies die besondere Frucht des Heiligen Jahres für euch selbst sein, ein neuer Impuls für eure Berufung, die euch über alles andere hinaus zur persönlichen Umkehr einlädt: „Öffnet dem Erlöser die Türen!“ Laßt euch von der Liebe zu Christus und seinem Geist durchdringen, indem ihr das Gebet verwirklicht, das Ignatius in der zweiten Woche der Exerzitien empfiehlt: „Den Herrn innerlich erkennen, damit wir ihn mehr lieben und ihm enger nachfolgen.“ Die tiefinnere Erkenntnis, die kraftvolle Liebe und die enge Nachfolge des Herrn sind die Seele eurer Berufung. Mit anderen Worten, ihr müßt eine Gesellschaft von Kontemplativen in Aktion sein, die sich darum bemühen, in allem Christus zu sehen, zu erkennen und zu erfahren, um ihn zu lieben und zu bewirken, daß er geliebt wird, um ihm zu dienen in allem und in allen und ihm nachzufolgen bis zum Kreuz. Anderseits erkennt man den Herrn nicht - und gerade ihr als Meister des geistlichen Lebens lehrt das ja die anderen —, ohne sich zugleich mit ganzer Fügsamkeit und völligem Verzicht unter die Eingebung des Heiligen Geistes zu stellen, den Christus wie einen großartigen, ewigen Strom über die Menschheit ausgegossen hat. Durch ihn lädt uns - wie wir im Evangelium des hl. Johannes gehört haben - Christus ein, zu ihm zu kommen und zu trinken: „Wer Durst hat, komme zu mir und trinke“ (Joh 7,37). Dieser Durst soll euch dazu anspornen, einzutreten in die innige Vertrautheit mit Christus, damit ihr mit ihm den himmlischen Vater schaut und daraus Kraft, Licht, Beharrlichkeit und Zuverlässigkeit für eure äußere Tätigkeit gewinnt. Um zu dieser Kontemplation zu gelangen, erwartet der hl. Ignatius von euch, daß ihr Männer des Gebetes seid, ja, Meister des Gebetes, genauso wie ihr Männer der Abtötung sein müßt, um sichtbare Zeichen der evangelischen Werte zu sein. Die Armut und Einfachheit eurer Lebensführung sollen Zeichen dafür sein, daß euer einziger Schatz Christus ist; der mit ganzer Treue geleistete Verzicht auf die Liebe in Ehe und Familie soll fruchtbares Zeichen der allumfassenden Liebe sein, die eure Herzen für Christus und die Brüder öffnet; der Gehorsam aus Glaubensgründen soll Zeichen sein für eure innige Nachfolge Christi, der gehorsam war bis zum Tod am Kreuz: die Verbundenheit der Seelen in einem brüderlichen Gemeinschaftsleben, in dem jede eventuell auftauchende Opposition und Gegensätze überwunden werden, soll in diesem Jahr, in dem wir nicht nur das Jubiläum der Erlösung, sondern auch die Synode der Versöhnung feiern, in der Kirche als Vorbild dienen. 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein beispielhaftes Ordensleben Ebenso bitte ich euch, daß die jungen Männer, die sich eurer Gesellschaft anschließen, vom Noviziat an in dieser erneuerten Hingabe an ein beispielhaftes Ordensleben geformt werden. 9. Liebe Brüder, wie sehr regt uns der besondere Umstand dieses Tages zu gemeinsamer Betrachtung an. Ich gebe mich der Hoffnung hin, daß ihr bei dieser Generalkongregation, die im Jubiläumsjahr der Erlösung abgehalten wird, wahrhaftig der Stimme des Geistes zu folgen vermögt, der euch dazu aufruft, „die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“. In dieser Treue möge die Hochherzigkeit im Dienst Christi, unseres Herrn, und der Kirche, seiner Braut, in der Einheit mit seinem Stellvertreter auf Erden das Charakteristikum des wahren Jesuiten sein; möge sie Impuls für die Arbeiten der Generalkongregation sein, die ihr heute beginnt; möge sie die Verpflichtung der Regierung des neuen Generals sein, den ihr jetzt wählt. All dies erhofft die Kirche von euch; das erhofft auch der Papst, der an diesem feierlichen Gottesdienst teilnimmt, der sich mit euren inständigen Gebeten vereinigt und der euch segnet, indem er mit euch betet: Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe! „ Überall Spuren Deines Wirkens“ Brief an Kardinal Franz König zu dessen 50. Priesterjubiläum vom 3. September Unserem ehrwürdigen Bruder Franz Kardinal König, Erzbischof von Wien Der bevorstehende 29. Oktober ist für Dich, verehrter Mitbruder, besonderer Anlaß zur Freude, weil Du vor fünfzig Jahren an diesem Tag das Priestertum zum Opfer des Leibes und Blutes Christi begonnen hast. Während Du Dich in Dankbarkeit an diesen Tag großer Gnade erinnern wirst, gibt dieser Tag Deinem Volk, das einen so treuen Hirten bekom- 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN men hat, und auch mir Anlaß zur Freude. Mir bietet sich darüber hinaus die günstige Gelegenheit, Dir meine Wertschätzung auszudrücken. Was mich bewegt, verehrter Mitbruder, ist leicht zu sagen: Es sind nämlich Empfindungen alter Freundschaft, die aus gemeinsamer Arbeit, Mühe und Sorge erwuchs; außerdem die schöne Brüderlichkeit, die auf demselben bischöflichen Dienst beruht - kein Band ist enger als dieses; darüber hinaus die Vaterschaft, die sicherlich der himmlische Vater durch den göttlichen Geist eingibt und im Herzen nährt; schließlich in der wirklich großen Bewunderung für das, was Du als Priester und besonders als Bischof geleistet hast. Denn wohin wir auch in Deiner Erzdiözese blicken, überall sehen wir die Spuren Deines Wirkens und die Früchte Deiner Arbeit. Und dies ist nicht verwunderlich: Wenn einer ein Herz voller Liebe hat, dann hat er immer etwas, woraus er gibt - so, wie Gegenstände, die von der Sonne berührt sind, immer glänzen. In der gebotenen Kürze dieses Schreibens will ich, verehrter Mitbruder, einiges von dem vielen, was Du getan hast, aufzählen - zu Deinem Lob und zur Ehre des höchsten Gottes. Zunächst will ich darauf hinweisen, daß Du am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen hast, dem Du Dich mit großer Frömmigkeit, Gelehrsamkeit und Liebe zur heiligen Wissenschaft gewidmet hast. Außerdem hast Du in der Leitung Deiner Erzdiözese Wien von 1956 an mit Weitblick dafür Sorge getragen, daß neue Vikarien und Pfarreien errichtet sowie Kirchen, Gotteshäuser und Pfarrheime erbaut wurden zum Wohl des Klerus und zum Nutzen der Gläubigen. Daß dies zur Festigung und zum Gedeihen der Kirchen beitrug, fällt jedem ins Auge. Dazu kommt, daß Du Dir als Liebhaber der Wissenschaft und sorgfältiger Hüter der Lehre gleichermaßen Anerkennung bei Katholiken und Nichtkatholiken erworben hast. Als solcher hast Du Dich um Formung und Weiterbildung Deiner Priester soviel wie nur möglich gekümmert. Ja, Du hast die Pädagogische Akademie gegründet zur Ausbildung katholischer Lehrer: Sie trägt reiche Frucht. Auch darf in diesem Überblick die von Dir abgehaltene Diözesansynode nicht übergangen werden: Du hast dabei behutsam gehandelt in bezug auf die rechte Ordnung, eine geeignetere Struktur religiöser Institutionen und die Einrichtung verschiedener Räte und Gremien. Deine kluge Führung der ökumenischen Bewegung sei hervorgehoben, ebenso die Tatsache, daß Du mehrere Jahre dem Sekretariat für die Nichtglaubenden vorgestanden hast. Im übrigen: Was sowohl Deine als auch des Volkes Frömmigkeit, Religiosität, Fleiß und Eifer angeht, das werde ich ausführlich im Verlauf meiner 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reise vom 10. bis 13. September erfahren, die mir lange in Erinnerung bleiben wird. Das also sind die Gründe, verehrter Mitbruder, weshalb Du Dich freuen kannst und ich Dich dankend beglückwünsche. Um aber — wie ich glaube - feiner Freude und der Deiner Weihbischöfe, des Klerus und des Gottesvolkes noch etwas hinzuzufügen, erteile ich allen von Herzen den Apostolischen Segen als Zeichen des Wohlwollens und als Unterpfand himmlischer Gnade. Aus dem Vatikan, 3. September 1983, im fünften Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. Kunst: ein priesterlicher Dienst Ansprache an die Darsteller des „Jedermann“ in Castel Gandolfo am 3. September Hochwürdigster Herr Erzbischof! Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit herzlicher Freude begrüße ich Sie alle, die an den Aufführungen des berühmten Salzburger Mysterienspiels „Jedermann“ in der Bischofsstadt des heiligen Petrus beteiligt sind - sei es auf der Bühne, sei es in den vielfältigen Diensten der Vorbereitung und der Durchführung. Ich danke Ihnen, daß Sie es möglich gemacht haben, das große Salzburger Welttheater auch in den Mauern Roms zu erleben, und daß Sie nun dem Bischof von Rom auf seinem Sommersitz einen Besuch abstatten. Es war eine glückliche Idee, in diesem Heiligen Jahr von der Stadt des heiligen Rupert eine Brücke nach Rom zu schlagen, und zwar gerade mit einer Darbietung, die mit dem Namen Salzburg wie mit dem Thema des Heiligen Jahres in gleicher Weise verbunden ist. Wenn uns das Jubiläumsjahr des Todes Jesu Christi verstärkt daran erinnern möchte, wie sehr wir der Erlösung bedürfen und wie herrlich sie uns angeboten ist, dann ist Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ wie eine Predigt zum Jahr der Erlösung. Wie fern ist der Gedanke an Erlösung dem reichen Mann inmitten seiner Schätze und Geschäfte, inmitten seiner Freunde und Feiern! Obwohl er 1070 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich gerade da in Gedankenlosigkeit und Härte von Tag zu Tag mehr in seinem Menschsein entstellt. Und wenn er dann in der Schule des Sterbens seine ganze Erlösungsbedürftigkeit durchkostet hat, fällt es ihm schwer, daran zu glauben, daß Erlösung möglich ist. Es ist ein Verdienst von Hofmannsthal, uns nicht nur das Versagen allen irdischen Halts und das Sichversagen aller Freunde beeindruckend vor Augen zu stellen; er meistert auch die viel schwierigere Aufgabe, vom unermüdlichen Erbarmen Gottes glaubhaft Zeugnis zu geben, das den sich verloren glaubenden Sohn behutsam aus seiner Verzweiflung abholt und Stufe für Stufe in jenes Licht führt, das ihm seit Ewigkeit bereitet ist. Nach dem Bekenntnis Beethovens ist Kunst ein priesterlicher Dienst. Ich beglückwünsche die „Salzburger Festspiele“, daß sie sich diesem Dienst verpflichtet wissen. Die alljährlichen Aufführungen des „Jedermann“ vor der Domfassade machen dies besonders deutlich. Ich beglückwünsche Sie, meine Damen und Herren, daß Sie Ihr Leben in diesen Dienst gestellt haben. Möge er Segen stiften und Ihnen selber immer zum Segen sein! Rosenkranzgebet - eine ,, Grundmelodie“ Radiobotschaft für die Länder der deutschen Sprache vom 3. September Liebe Brüder und Schwestern in den Ländern deutscher Sprache! Das Rosenkranzgebet, das seine Wurzeln auch im deutschen Sprachraum hat, ist gerade für den Menschen unserer Zeit eine große Hilfe. Es vermittelt Ruhe und Sammlung; es trägt unser Leben hinein in die Geheimnisse Gottes, es trägt hinein in unser Leben. Denken und Fühlen lösen sich allmählich aus der Bedrängnis und Vordergründigkeit unserer Probleme und Interessen und öffnen sich immer mehr dem Wirken Gottes. Die Worte, die wir dabei sprechen, können unsere ganze Aufmerksamkeit ausfüllen; sie treten aber auch gerne zurück und werden zum äußeren Rahmen, der vor Ermüdung und Zerstreuung schützt, zu einer Grundmelodie, welche vieles in uns zum Klingen bringt. Es wäre mir eine große Freude, wenn das Miterleben des Rosenkranzgebetes in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des heiligen Petrus vielen 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Ihnen zum Anlaß würde, diese Form besinnlichen Betens ernsthaft zu versuchen. Sie ist auch eine gute Gelegenheit, Gemeinschaft zu erleben. In Zeiten der Not gibt sie unserem Beten Kraft und Klarheit. Auf die Fürsprache Marias, der „Königin des heiligen Rosenkranzes“, erbitte ich Ihnen allen von Herzen Gottes reichen Segen. Besonderes Siegel der Theologie Ansprache an die Teilnehmer des Generalkapitels des Dominikanerordens in Castel Gandolfo am 5. September Liebe Predigerbrüder, Mitglieder des Generalkapitels! 1. Nach den frühesten Chroniken des Ordens hat Bruder Dominikus zweimal Toulouse verlassen, wo er mit einer Handvoll Brüder der „heiligen Predigt“, mit der er in der Einsamkeit und im Opfer von Prouilhe begonnen hatte, Gewicht verlieh, und unternahm die mühsame und gefährliche Überquerung der Alpen, um sich in die Ewige Stadt zu begeben. 1215 bat er Innozenz II., daß seine kleine Familie „sich Predigerorden nennen und sein dürfe“ (Legenda Petri Ferrandi, c. 27). Im Dezember 1216 kehrte er zurück, um von dem soeben auf den Stuhl Petri gewählten Honorius III. die Anerkennungsbulle für den Orden zu erhalten, die er so sehr ersehnt hatte. Wir wissen, mit welcher Verehrung und mit welch väterlicher Liebe die beiden Päpste ihn beide Male empfangen haben. Ich erinnere an diese beiden Besuche des Domingo Guzmän im Hause des Papstes, weil ich mich gern mit meinen beiden fernen und berühmten Vorgängern vereine in der Freude und Liebe, mit der ich euch heute empfange. - Sie, Pater Damian Aloysius Byrne, 83. Nachfolger des hl. Dominikus, dem ich von ganzem Herzen wünsche, daß Sie unter aktiver und hochherziger Mitarbeit aller Ihrer Ordensbrüder den Orden auf den Wegen des Apostolats leiten können in voller Treue zu der starken, leuchtenden Tradition Ihrer Vorgänger und in der Bereitschaft, auf die aktuellen Bedürfnisse der Kirche und der Welt einzugehen; — Sie, Pater Vincent de Couesnongle, dem ich meinen persönlichen Dank mit dem herzlichen Dank der Kirche für Ihre unermüdliche Arbeit während der neun Jahre Ihrer Amtszeit ausspreche; 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - und euch, liebe Kapitelsväter, die ihr hier den ganzen Orden repräsentiert und denen ich ruhiges und fruchtbares Arbeiten wünsche, jetzt, wo ihr wie der hl. Dominikus den Bischof von Rom an euren Reflexionen über den Wege eures Ordens habt teilnehmen lassen. Es geht mir darum, euch allen noch einmal die Zuneigung zu bekunden, die ich aus so vielen Gründen für euren Orden empfinde. Ich fühle mich bei euch - erlaubt mir, euch das zu sagen - wie im engsten Familienkreis. Ich bin gewiß, daß die Kirche und derjenige, der ihr universaler Hirt ist, bei der schwierigen Aufgabe der Evangelisierung der Welt mit eurer Mitarbeit rechnen können, wie sie es immer getan haben. Das ist genau die Aufgabe, für die euer Orden vom hl. Dominikus gegründet worden ist. Dafür ist er von der Kirche bestätigt und ausgesandt worden. Eure Sendung ist noch immer dieselbe. Als mein Vorgänger Honorius III. am 18. Januar 1221 an den hl. Dominikus schrieb, räumt er ein, daß sie von „dem inspiriert wird, der seiner Kirche die Möglichkeit gibt, immer neue Nachkommen zu haben“. Es ist die Sendung, „sich der Predigt des Wortes Gottes durch die Verkündigung des Namens unseres Herrn Jesus Christus in der ganzen Welt zu widmen“ (vgl. MOPHXXV, S. 144). „Der Predigerorden des hl. Dominikus ist ja bekanntlich ,von Anfang an vor allem für die Predigt und für das Heil der Seelen gegründet worden1. Daher sollen sich unsere Brüder, nach der Weisung des Stifters, ,überall um ihr eigenes Heil und das der anderen bemühen und ein beispielhaftes religiöses Leben führen. Sie sollen sich vom Evangelium prägen lassen und in der Nachfolge des Erlösers mit Gott sprechen oder miteinander und mit anderen über Gott reden“1 (Constitutio fundamentalis, Par. II). „Auf daß aber unsere Liebe zu Gott und zum Nächsten durch diese Nachfolge Christi immer stärker werde, weihen wir uns Gott ganz in der Profeß, durch die wir in den Orden aufgenommen werden, und wir verpflichten uns der Gesamtkirche auf neue Weise als Männer, ,die uneingeschränkt einzig zur Verkündigung des Wortes Gottes bestellt sind“ “ (ebd., Par. III). In dem Maße, in welchem der Orden morgen wie gestern diesen Forderungen treu bleibt, wird er eng am Wirken der Gesamtkirche teilnehmen und dem Bischof von Rom besonders nahestehen. Um seine Sendung zu erfüllen, muß euer Orden an einigen tragenden Gedanken festhalten, die sich aus dem Grundtext ergeben, den ich euch vorgelesen habe. Das sind Glaubensgrundsätze, welche die Theologie mit Hilfe ihrer großen Kirchenlehrer entwickelt hat, unter denen der hl. Thomas als einer der strahlendsten Gestalten hervorragt. Diese Glau- 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bensgrundsätze stellt die Kirche noch immer als Fundamente christlicher Weisheit und als Leitlinie des Apostolats hin. Euch als Delegierten dieses Generalkapitels kommt es zu, die Dynamik dieser Glaubensgrundsätze zu erfassen und sie in Verfügung und Orientierungen für das geistliche Leben und die Arbeit des Ordens umzusetzen. Der Primat Gottes Der Papst hatte seine Ansprache in Französisch begonnen und fuhr in Englisch fort: Der erste dieser Glaubensgrundsätze beteuert den absoluten Primat Gottes im Denken, im Herzen, im Leben des Menschen. Ihr wißt, wie der hl. Dominikus in seinem Ordensleben dieser Glaubensforderung entsprach: „Er sprach nur mit Gott oder von Gott.“ Ebenso wißt ihr, wie - auf der Ebene der Lehre - der hl. Thomas von Aquin, angefangen bei der Heiligen Schrift und den Kirchenvätern, diesen Primat Gottes anvisierte und ihn mit der Kraft und Konsequenz seines metaphysischen und theologischen Denkens stützte, wobei er die Seinsanalogie benützte, die es erlaubt, den Wert der Schöpfung zu erkennen, aber als abhängig von der schöpferischen Liebe Gottes. Und auf der Ebene der Spiritualität ist der hl. Thomas ganz Schüler seines Ordensvaters Dominikus, wenn er die Ordensmänner als diejenigen definiert, „die sich so vollständig in den Dienst Gottes stellen, als würden sie Gott ein Ganzopfer darbringen“ (Summa Theologica q. 186, art. 1 und art. 7). Wenn einer diese Unterordnung nicht annimmt, wenn er die Größe des Menschen auf Kosten des Primats Gottes verherrlicht, dann verfällt er in den Fehler jener Ideologien, die die Autarkie des Menschen fordern und Irrtümer wuchern lassen, deren Last die moderne Welt zu tragen hat, ein kulturelles und psychologisches Joch, das abzuschütteln ihr nicht gelingt. Die Grundlagen des moralischen und sozialen Lebens werden überall erschüttert, wo sich auf religiöser Ebene eine Unempfindlichkeit oder Gleichgültigkeit gegenüber Gott äußert. Ja, man könnte von der Unfähigkeit sprechen, sich dem „Ringen mit Gott“ zu stellen, das, wie die Erzählung von Jakob lehrt, in höchstem Grad die Spannung des Menschen ausdrückt, der berufen ist, auf ein Ziel zuzugehen, das die Geschichte, in der er leben, arbeiten und Prüfungen bestehen muß, übersteigt, und so die Herausforderungen der vergänglichen Zeit und des ihr folgenden Todes zu bewältigen. Man könnte von einer Selbstentfrem- 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN düng des Menschen sprechen: Er verliert seine Würde und seine Fähigkeit zur Hoffnung, selbst wenn die Ideologien ihm Befreiung versprechen. Ihr Dominikaner habt den Auftrag zu verkündigen, daß unser Gott lebt, daß er der Gott des Lebens ist und daß in ihm die Wurzeln der Würde und der Hoffnung des Menschen sich finden, der zum Leben berufen ist. Ihr tut das als Ordensmänner durch das Zeugnis eures Lebens, das ihr „vollständig, gleich einem Ganzopfer Gott weiht“. Ihr tut es als Meister und Prediger, wenn eure Theologie und eure Katechese wie das Kerygma der Apostel einen Schock, einen Bruch in dem geschlossenen System auslöst, in dem der Mensch an der Grenze der Selbstvernichtung dabei ist, sich selbst zu verlieren. Eure Verkündigung muß sich an den Menschen wenden, so wie er durch Kultur, soziales Leben, Persönlichkeit und Gewissen geprägt ist, und muß ihm die befreiende Macht Gottes nahebringen. Jedes andere Studium und jede andere Aufgabe in den verschiedenen Bereichen der Humanwissenschaften, der Wirtschaft, der Sozialarbeit usw. sind gerechtfertigt, wenn sie für euch als Ordensmänner, die berufen sind, Zeugnis zu geben vom Reich Gottes und es zu verkündigen, ihr Ziel und ihr Maß in dem höheren apostolischen Ziel - in seiner Gesamtheit genommen — von Kirche und Orden finden. Eure Konstitutionen geben dem Dienst am Wort in all seinen mündlichen und schriftlichen Formen den Vorrang, und die Verbindung zwischen dem Dienst des Wortes und dem Dienst der Sakramente ist seine Krönung. Aus dieser Priorität rührt auch der missionarische Charakter eures Ordens. Diesbezüglich enthalten eure Konstitutionen strenge Mahnungen: „Nach dem Beispiel des hl. Dominikus, der sich mit ganzer Kraft für das Heil aller Menschen und Völker einsetzte, sollen die Brüder sich bewußt sein, daß sie zu allen Menschen gesandt sind, zu allen Gruppen und Völkern, zu den Gläubigen und Nichtgläubigen, vor allem zu den Armen . . ., um das Evangelium zu verkünden, die Kirche in den Völkern einzupflanzen und dem Glauben im christlichen Volk Strahlkraft und Festigkeit zu geben“ (Const. fand., I, cap. IV, art. 1, Nr. 98). Die Kirche von heute kann dieses euer Gesetz nur bestätigen, derartige Vorhaben segnen und eure weltweite Missionsverpflichtung ermutigen, denn sie weiß nur zu gut, daß überall, an jedem Ort und in jedem Menschenherzen das Bedürfnis nach Gott besteht! 1075 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Geheimnis Christi leben und bezeugen In deutscher Sprache sagte der Papst: Auf diese Sehnsucht hat Gott in der Geschichte geantwortet. Durch den Glauben haben wir das Heilswerk kennengelernt, das seine Mitte, seine Achse, seine Fülle in Jesus Christus hat. Und wir lassen niemals darin nach zu verkünden, daß das Heil uns durch Christus erreicht, entsprechend der feierlichen Aussage des Petrus und der anderen Apostel: „Es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4, 12). Genau das hat der hl. Dominikus auf den Spuren der Apostel getan. Wie die hl. Katharina von Siena sagte, hat Bruder Dominikus die „Sendung des Wortes“ (Dialog, 158) empfangen. Er hat darauf genatwortet, indem er dem Gekreuzigten eine leidenschaftliche Liebe entgegenbrachte. Das berühmte Bild von Fra Angelico stellt dies ja großartig dar: Es zeigt den Heiligen, wie er seine Hände auf das Kreuz drückt und dabei die Gestalt Christi betrachtend mit den Augen umfängt, so daß die Blutstropfen des Erlösers gleichsam über ihn hinfließen. In seiner Predigt hat der hl. Dominikus auf der Grundlage des Evangeliums immer wieder Jesus Christus verkündigt. Ich denke heute an die unzähligen Brüder, bekannte und unbekannte, die gegenwärtig wie in den vergangenen 760 Jahren sich der Arbeit in der Exegese, der Patristik, der Theologie im Ganzen widmen oder als Lehrer und Prediger, als Editoren und Medienfachleute, als Promotoren des hl. Rosenkranzes und als Missionare, in der Pastoral oder in Sonderaufgaben des Hl. Stuhles tätig sind. Sie alle haben nur diese eine Absicht: mit allen Kräften und mit selbstlosem Herzen ihren Dienst zu tun als demütige Diener der Erlösung in der Welt von heute. Der Nachfolger Petri bekundet dem Orden des hl. Dominikus mit Freuden die Dankbarkeit der Kirche für alles, was er bisher vollbracht hat. Dazu ermutigt er euch heute - da euer Generalkapitel gerade mitten im Heiligen Jahre 1983 gefeiert wird -, euren Mitbrüdern auf der Linie eurer Vorfahren neue Arbeitsmöglichkeiten zu eröffnen für das Studium sowie für die Predigt über Christus, den Gekreuzigten {vgl. 1 Kor 1, 23; 2, 2). Was das Zweite Vatikanische Konzil über die kirchlichen Studien gelehrt hat, dazu die Hinweise und Richtlinien meines Vorgängers Paul VI. über die Evangelisation im Apostolischen Rundschreiben Evangelii nuntiandi sowie meine eigenen Hinweise in der Enzyklika Redemptor hominis und im Apostolischen Rundschreiben Catechesi tradendae bilden eine beständige Arbeitsregel, die sich zu eigen zu machen ich euren Orden herzlich 1076 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bitte, damit ihr erstrangige Mitarbeiter des kirchlichen Lehramtes seid, dazu bereit, vor den Augen der Welt den Reichtum Christi zu entfalten, der für uns gestorben und auferstanden ist. Die lebendige Beziehung zur Kirche Der Papst setzte seine Ansprache in Spanisch fort: Wir kommen zum dritten Glaubensgrundsatz, der die Existenz eines Ordens rechtfertigt und der seinem Tun und Wirken Richtung gibt: die lebendige Beziehung zur Kirche. Wie das Kirchliche Gesetzbuch und eure Konstitutionen (P. I, C. I, Nr. 21) sagen, sind Katholizität, Einheit und Apostolizität unerläßlich, wenn man Kirche sein und auf Weltebene arbeiten will; und das vierte Merkmal der Kirche, nämlich ihre Heiligkeit, muß immer realer und sichtbarer werden. Die Verbundenheit mit dem Papst ist die beste Garantie für diesen kirchlichen Charakter; sie legitimiert das Wirken eines über die ganze Welt verbreiteten Ordens, sie garantiert seine Freiheit, wobei sie die Übereinstimmung mit den Normen, die das Wirken der Ordensleute innerhalb der Ortskirchen regeln, stets unangetastet läßt. Ich bin also sicher, daß in eurem Orden niemals der traditionelle und volle Gehorsam gegenüber dem Nachfolger Petri fehlen wird, verbunden mit aufrichtiger Respektierung seines Lehramtes und jener vollkommenen Treue zum Hl. Stuhl, die immer ein charakteristisches Merkmal eurer Ordensfamilie gewesen ist. Ich wünsche eurem Orden - dessen Banner die Wahrheit ist -, daß er viele Söhne heranzieht, die zum Dienst in der Kirche und zur Arbeit in Wahrheit und Gehorsam bereit sind, während ich an den schönen Text aus euren Konstitutionen erinnere: „Von diesem Augenblick an werden wir durch den Gehorsam Christus und der Kirche verbunden. Was wir in seiner Erfüllung an Mühe und Abtötung zu ertragen haben, ist gleichsam eine Fortsetzung der Hingabe Christi und gewinnt den Charakter eines Opfers sowohl für uns als auch für die Kirche, in deren Vollendung das ganze Werk der Schöpfung seinen Abschluß findet“ (Const. fund., L. I, art. II, Nr. 19, Par. 2). Die lebendige Beziehung zwischen dem Orden und der Kirche hat noch eine weitere, wesentlich theologische Dimension, die sich aus seinem vom Apostolischen Stuhl anerkannten Ziel und Wesen ergibt. So liest man in euren Konstitutionen, daß ihr in der Kirche ein „Klerikerorden“ seid, der eine „priesterliche und prophetische Funktion“ hat (ebd. V und VI). 1077 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eure Geschichte ist ein Beweis dafür, daß zwischen der priesterlichen und der prophetischen Berufung kein Widerspruch besteht, sondern daß beide zusammen dem Orden in der Weise seine Identität und seine Integrität verleihen, wie es der hl. Dominikus gewünscht hat. Es stimmt freilich, daß infolge der unterschiedlichen kulturellen und religiösen Situationen der Völker und vielleicht noch mehr aufgrund persönlicher Fähigkeiten und Charismen die eine oder die andere dieser beiden Funktionen besonderes Gewicht annehmen. Auf jeden Fall läßt sich aus eurer Geschichte, aus eurer Ordensregel, aus eurer Lehre ableiten, daß in der Lehrtätigkeit, in der Predigt, in der Ausübung des Seelsorgsdienstes das prophetische Charisma innerhalb eures Ordens das besondere Siegel der Theologie erhalten hat, die ganz im Sinne des hl. Thomas als eine Weisheit verstanden wird, die das Denken und Handeln auf das Fundament der Kontemplation stellt; sie regt das Handeln an, inspiriert es und leitet es (vgl. Summa Theologica, q. I., a. 6; II, q. 45, a. 3). Der hl. Thomas selbst ist, in der Nachfolge des hl. Dominikus, nicht nur Lehrer, sondern auch Vorbild dieses Lebens der Weisheit gewesen, aufgrund dessen er den Orden immer als Antrieb für seine eigene „prophetische Funktion“ betrachten konnte, die darin besteht, „überall das Evangelium von Jesus Christus durch das Wort und das Beispiel zu verkünden“, wie es im Text eurer Konstitutionen heißt. Auf portugiesisch sagte der Papst: Noch einmal möchte ich euch, Vätern des Generalkapitels, und allen euren Ordensbrüdern sagen: Bleibt dieser Sendung der Theologie und der Weisheit eures Ordens treu, was auch immer die Formen sein mögen -gelehrte oder volkstümliche, akademische oder pastorale, wissenschaftliche oder katechetische -, unter denen ihr diese Sendung auszuüben berufen sein mögt. Es ist klar, daß es einen Vorzug, einen Primat eurer wissenschaftlichen und apostolischen Arbeit geben muß, nämlich die Vertiefung des theologischen und philosophischen Werkes des hl. Thomas von Aquin. Für euch selbst wie für andere ist es notwendig, die Vertrautheit mit dem Denken und den Schriften des unvergleichlichen Kirchenlehrers zu pflegen, seine Lehre zu erneuern und zu bereichern. Eure theologische Funktion sichert dem Orden eine lebendige Beziehung zur kirchlichen Gemeinschaft, in der im Hinblick auf den Aufbau des Leibes Christi die Vielfalt und der Reichtum der Charismen von der Einheit durch den Geist bestimmt wird. 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das spirituelle Leben Der Papst schloß seine Ansprache auf italienisch: Schließlich möchte ich euch, hebe Kapitelsväter, immer in der Linie eurer Konstitutionen daran erinnern, daß das Geheimnis einer fruchtbaren Entfaltung eurer Sendung in der Kirche und in der Welt, das Geheimnis eures numerischen und qualitativen Neuaufschwunges nach der Krise, die auch euer Orden in den letzten Jahren zu bestehen hatte, auf der Treue zu „einem im vollen Sinne apostolischen Leben“ beruht, „in dem Predigt und Lehrtätigkeit aus der Fülle der Kontemplation fließen sollen“ (Const. fund., 4). Das ist das vierte - der Bedeutung nach wichtigste - Grundprinzip, auf dem ihr eine Gegenwart und eine Zukunft des Ordens aufbauen könnte, die seiner Vergangenheit würdig sind. Es findet in Dingen Ausdruck, die euch wohlbekannt sind. Hier soll es genügen, kurz auf sie hinzuweisen, um sie euch zur Reflexion ans Herz zu legen und, wenn nötig, eurem Kapitel zur Beschlußfassung in Erinnerung zu rufen: der Geist des Gebets, das geistliche Leben, der Eifer, die Genauigkeit und Treue bei der Feier der Liturgie und ganz allgemein die reguläre Beobachtung des Gemeinschaftslebens, die Übung und der Geist der Gelübde, die Buße. All das faßte Papst Honorius III. zusammen, als er in dem Brief an den hl. Dominikus und seine ersten Gefährten sagte, daß durch die Reform der modernen Welt und die Verkündigung des Glaubens Gott in ihren „Herzen den von Liebe getragenen Wunsch entzündet hatte, die Armut zu umarmen und das Ordensleben in die Tat umzusetzen (Brief vom 18. Januar 1221 in: MOPH SSV, S. 144; vgl. Const. fund., 1). Diese göttliche Inspiration wies den Weg, der auch heute euer Weg bleiben muß. Er hat sich in den wesentüchen Punkten nicht geändert und darf nicht von den Anpassungen und den Neuerungen strukturellen und funktionellen Charakters gefährdet werden, die ihr mit aller Loyalität und im Einklang mit den Weisungen der Kirche in die Organisation des Ordens einbringen zu sollen meintet oder meint. Viele Experimente und Versuche sind möglich, doch unter der Bedingung, daß der rechte Weg nicht verlassen wird. Es kann auch sein, daß aufgrund einer realistischen Bilanz der unternommenen Versuche sich für das Kapitel die Notwendigkeit der Überprüfung zu einigen Punkten ergibt. Insbesondere erlaubt, daß ich euch empfehle, der Qualität des Klosterlebens erneute Aufmerksamkeit zuzuwenden: dem Schweigen, von dem man traditionellerweise bei euch sagte, es sei der „Vater der Predigerbrüder“, dem Ordenshabit als „Kennzeichen eures geweihten Standes“ 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN (Const. fund., L. I, c. I, art. V, Nr. 51), dem rechten Platz der von euren Konstitutionen festgelegten Klausur, „damit ... die Brüder sich besser der Kontemplation und dem Studium hingeben können, damit die Vertraulichkeit der Familie wächst und der Charakter unseres Ordenslebens und die Treue zu ihm Ausdruck finden kann . . .“ (ebd., Nr. 41). Gestärkt durch das Gemeinschaftsleben, werden die Brüder ihre Aufgaben auf den Straßen der Welt erfüllen können, ohne ihre Identität zu verbergen, indem sie Zeugnis geben von den Werten des um des Reiches Gottes willen freiwillig gewählten Ordenslebens. Schlußwort Wie viele andere Dinge würde ich euch gern mit offenem Herzen und dem Ausdruck meiner Liebe und Hochachtung vor eurem Orden noch sagen, liebe Kapitelsväter! Mögen meine Worte für euch eine Ermutigung sein, auf den Spuren eurer Mitbrüder, die mit ihrem Leben die Geschichte des Ordens und, so darf man wohl sagen, die Geschichte der Kirche gekennzeichnet haben, euren Weg fortzusetzen. Da ich aber zum Schluß kommen muß, will ich das tun, indem ich mit euch zusammen einige Abschnitte jenes „Gebetes zum seligen Dominikus“ wiederhole, das von seinem Nachfolger, dem Ordensmeister Jordan von Sachsen, stammt und euch sicher sehr vertraut ist. Ich spreche es hier, als stünden wir am Grab eures Stifters, dem auch ich mehrmals in San Domenico in Bologna meine Verehrung erweisen konnte: „Du hast, nachdem du einmal den Weg der Vollkommenheit eingeschlagen hattest, alles verlassen, um nackt dem nackten Christus zu folgen, und zogst es vor, im Himmel Schätze anzuhäufen. Aber mit noch mehr Willenskraft hast du dir selbst gegenüber Verzicht geleistet, tapfer dein Kreuz tragend warst du bemüht, den Spuren unseres einzigen wahren Führers zu folgen: des Erlösers. Entflammt vom Eifer Gottes und von übernatürlicher Glut, hast du durch den Überfluß deiner Liebe in einem unermeßlichen Aufschwung der Hochherzigkeit dich ganz für die immerwährende Armut, das apostolische Leben und die Predigt des Evangeliums verausgabt. Und für dieses großartige Werk hast du, freilich nicht ohne Inspiration vom Himmel, den Orden der Predigerbrüder gegründet . . . Du, der du mit solchem Eifer dich um das Heil der Menschheit bemüht hast, komme dem Klerus, dem christlichen Volk zu Hilfe . . . Sei für uns wahrhaftig ein „dominicanus“, das heißt ein „emsiger Hüter 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Herde des Herrn . . (vgl. ed. Scheben, ASOP XVIII, 1929, SS. 564-568). Liebe Dominikaner, der Fürsprache eures heiligen Ordensvaters Dominikus vertraue ich euch und euren ganzen Orden sowie die ganze dominikanische Familie an, einschließlich der Brüder, der Klausurnonnen, der Schwestern des tätigen Lebens, der dem Orden assoziierten Säkularinstitute und der zahlreichen Laien und Priester, die den Bruderschaften angehören. Und aus ganzem Herzen erteile ich euch und allen, die euch teuer sind, meinen Segen, als Unterpfand des göttlichen Beistandes für die Arbeiten des Kapitels und immer reicherer Gnaden für das Leben des Ordens. Ein Recht und eine Pflicht Schreiben an den Generaldirektor der UNESCO, Amadou-Mahtar M’Bow, zum Welttag der Alphabetisierung vom 5. September Seit 17 Jahren schon fordern Sie am 8. September zur Durchführung des Welttags der Alphabetisierung auf. Daß Sie sich nicht entmutigen lassen, sondern, im Gegenteil, Jahr für Jahr sich mit unerschütterlicher Beharrlichkeit diesem schwer zu bewältigenden Problem stellen, läßt die Überzeugungsstärke der Leiter und Mitglieder der UNESCO erkennen: Sie sind mit Recht überzeugt, daß die Alphabetisierung einen wesentlichen Einsatz zur Förderung der Menschenwürde darstellt, daß ihre Weiterverbreitung möglich ist und daß ein stärkeres Bewußtsein von ihrer Bedeutung ein neues, hochherziges und kluges Engagement wecken kann. Die verschiedenen Aspekte dieses Problems der Alphabetisierung sind bereits ausgiebig studiert und miteinander konfrontiert worden, und die eingesetzten Mittel haben greifbare Ergebnisse erbracht, die dank staatlicher und privater Initiativen weitere Fortschritte machen werden. Das wird sich um so besser verwirklichen lassen, wenn alle - alle, das heißt die Urheber dieser Bemühungen ebenso wie die Wohltäter - begreifen, daß hier die Würde der Menschheit auf dem Spiel steht, denn es handelt sich um ein Recht und um eine Pflicht. Man denkt natürlich an das Recht des Benachteiligten auf Schule, Erziehung, Kultur, Anpassung an die Welt, an der er aktiv und voll teilnehmen 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN soll; und an die Verpflichtung für den besser Bemittelten, das, was er letzten Endes vor allem den Umständen seiner Geschichte und der Arbeit seiner Vorfahren verdankt, zu teilen. Aber der Analphabet hat auch die Pflicht, zunächst von sich und dann von anderen zu verlangen, daß dieser Anfang gesetzt und dann aktiv weiterentwickelt wird. Sollte der Welttag der Alphabetisierung die Menschen nicht noch stärker von den großen Grundsätzen überzeugen, die ihre Rechte und ihre Pflichten bestimmen? Zunächst: Alle Rechte sind unauflöslich miteinander verbunden, und in dem Maß als das Recht auf Alphabetisierung noch vernachlässigt wird, wird auch der Anspruch auf die anderen Menschenrechte hinausgezogen oder bagatellisiert. Außerdem sind die Menschen solidarisch, und insofern manche in irgendeinem Teil der Welt oder in irgendeinem Bereich ihres Lebens ihre Rechte verhöhnt sehen, fühlt sich die ganze Menschheit in ihrer Würde verletzt. Schließlich sind alle Rechte an Pflichten gebunden, und dort, wo man versäumt, der Pflicht nachzukommen, bleibt das entsprechende Recht wirkungslos: Wenn es das Recht auf Leben gibt, gibt es auch die Pflicht, das Leben zu fördern und zu schützen; wenn es das Recht auf Frieden gibt, gibt es die Pflicht, Frieden zu schaffen; wenn es das Recht auf Freiheit gibt, gibt es die Pflicht, zu befreien; wenn es das Recht auf Alphabetisierung gibt, gibt es die Pflicht, zu alphabetisieren und sich alphabetisieren zu lassen. Herr Generaldirektor, man muß wünschen, daß die Durchführung des XVII. Welttages der Alphabetisierung durch Ihre Organisation, der ich vollen Erfolg wünsche, bei den Nationen auf ein breites Echo stößt. Könnten sie doch die Möglichkeiten finden, die öffentliche Meinung für das große Unglück zu sensibilisieren, das für Erwachsene wie für Kinder die Tatsache, Analphabet bleiben zu müssen, darstellt. Es gleicht in etwa der gleichfalls dramatischen Not der körperlichen Unterernährung: Könnte man sich doch stärker engagieren, um bei sich und in den ärmsten Ländern die entsprechenden nationalen und internationalen Initiativen zu wecken und zu entwickeln! Ich will hoffen, daß dieser Welttag, daß diese Bemühungen dazu beitragen, einer großen Zahl von Menschen die Überwindung des Handicaps, nicht lesen und schreiben zu können, zu ermöglichen und damit eine bessere Teilhabe an der Kultur und am Leben der ganzen Gesellschaft, und sie auch einen besseren Zugang zu den in den Heiligen Büchern zum 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausdruck gebrachten geistlichen Wirklichkeiten finden lassen. Ich weiß, daß ein solcher Fortschritt Gottes Plan entspricht. Aus dem Vatikan, am 5. September 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. Mangelnde Achtung vor dem Gesetz Gottes Ansprache an die Teilnehmer des Studienseminars „Die verantwortliche Elternschaft“ in Castel Gandolfo am 17. September Meine Lieben! 1. Voll Freude empfange ich euch zum Abschluß eurer wichtigen Tagung. Während ich euch herzlich begrüße, möchte ich den Organisatoren des Studienseminars meine lebhafte Genugtuung für die nützliche Initiative aussprechen, die euch zusammengeführt hat, um über einen der wesentlichen Punkte der christlichen Lehre über die Ehe nachzudenken. Ihr habt in diesen Tagen versucht, die Gründe für das zu entdecken, was Paul VI. in der Enzyklika Humanae vitae gelehrt und was ich selbst in dem Apostlischen Schreiben Familiaris consortio wieder aufgegriffen habe. Die Vertiefung der Gründe für diese Lehre ist eine der dringendsten Aufgaben und Pflichten für jeden, der Ethik unterrichtet oder in der Familienpastoral tätig ist. Denn es genügt nicht, daß diese Lehre treu und vollständig vorgelegt wird, sondern man muß sich darüber hinaus bemühen, ihre tiefsten Gründe aufzuzeigen. Diese sind vor allem theologischer Art. Am Anfang jeder menschlichen Person steht ein Schöpfungsakt Gottes: Kein Mensch kommt zufällig zum Leben; er ist immer das Endziel der schöpferischen Liebe Gottes. Aus dieser grundlegenden Glaubens- und Verstandeswahrheit ergibt sich, daß die der menschlichen Sexualität eingeschriebene Zeugungsfähigkeit - in ihrer tiefsten Wahrheit - ein Zusammenwirken mit der Schöpfungskraft Gottes ist. Daraus ist auch abzuleiten, daß der Mann und die Frau nicht allein über diese Fähigkeit disponieren und herrschen können, da sie berufen sind, in ihr und durch sie an der schöpferischen Entscheidung Gottes teilzuhaben. Wenn daher die Ehegatten durch Empfängnisverhütung ihrem ehelichen Geschlechtsleben die Möglichkeit, neues Leben zu zeugen, nehmen, 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN maßen sie sich eine Macht an, die allein Gott zusteht: die Macht, in letzter Instanz über die Geburt eines Menschen zu entscheiden. Sie maßen sich an, nicht mehr Mitwirkende an der Schöpfungskraft Gottes zu sein, sondern selbst in letzter Instanz über menschliches Leben zu entscheiden. So gesehen, muß die Empfängnisverhütung objektiv als zutiefst unerlaubt beurteilt werden, so daß sie niemals und mit keiner Begründung gerechtfertigt werden kann. Wird das Gegenteil gedacht oder ausgesprochen, so heißt das, es könne im menschlichen Leben Situationen geben, in denen es erlaubt sei, Gott nicht als Gott anzuerkennen. 2. Sodann gibt es anthropologische Gründe. Die Lehre von Humanae vitae und Familiaris consortio läßt sich im Rahmen der Wahrheit vom Menschen rechtfertigen: Diese Wahrheit liegt dieser Lehre zugrunde. „Die unlösbare Verknüpfung, von der die Enzyklika spricht - der beiden Sinngehalte, liebende Vereinigung und Fortpflanzung, die beide dem ehelichen Akt innewohnen“ -, läßt uns erkennen, daß der Körper konstitutiver Bestandteil des Menschen ist, daß er zum Sein der Person gehört und nicht zu ihrem Besitz. In dem Akt, in dem die eheliche Liebe ihren Ausdruck findet, sind die Ehegatten aufgerufen, sich selbst gegenseitigzu schenken: nichts von dem, was ihr Personsein ausmacht, darf von dieser schenkenden Hingabe ausgeschlossen werden. Hören wir in diesem Zusammenhang einen Text des Zweiten Vatikanums, der das mit besonderer Tiefe formuliert: „Diese eigentümlich menschliche Liebe geht in frei bejahter Neigung von Person zu Person, umgreift das Wohl der ganzen Person . . . Eine solche Liebe, die Menschliches und Göttliches in sich eint, führt die Gatten zur freien gegenseitigen Übereignung ihrer selbst. . .“ (Gaudium et spes, Nr. 49). „Von Person zu Person“: Diese so schlichten Worte bringen die ganze Wahrheit der ehelichen Liebe zum Ausdruck, die Liebe zwischen zwei Menschen. Eine Liebe, die sich ganz auf die Person, auf das Wohl der Person konzentriert, das heißt auf das Gut, das das Personsein ist. Dieses Gut ist es, das die Gatten sich gegenseitig schenken. Der Akt der Empfängnisverhütung führt zu einer wesentlichen Einschränkung dieses gegenseitigen Schen-kens und ist Ausdruck der objektiven Verweigerung, dem anderen das ganze Gut der eigenen Fraulichkeit bzw. Männlichkeit zu schenken. Mit einem Wort: Die Empfängnisverhütung widerspricht der Wahrheit der ehelichen Liebe. 3. Man darf freilich nicht die Schwierigkeiten übersehen, denen die Eheleute begegnen, wenn sie dem Gesetz Gottes treu sein wollen. Eben 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese Schwierigkeiten waren Gegenstand eurer Überlegungen. Es muß alles nur mögliche getan werden, um den Eheleuten entsprechend zu helfen. Vor allem ist unbedingt zu vermeiden, daß Gottes Gesetz je nach den verschiedenen Situationen, in denen sich die Ehegatten befinden, „abgestuft“ wird. Das Moralgesetz enthüllt uns Gottes Plan bezüglich der Ehe, das ganze Gut der ehelichen Liebe. Einen solchen Plan verkürzen zu wollen, ist ein Mangel an Ehrfurcht vor der Würde des Menschen. Gottes Gesetz ist Ausdruck der Forderungen der Wahrheit über die menschliche Person: jene Ordnung der göttlichen Weisheit, „die uns - wie der hl. Augustinus sagt -, wenn wir in diesem Leben an ihr festhalten, zu Gott führen wird, und wenn wir im Leben nicht an ihr festhalten, werden wir nicht zu Gott gelangen“ {De Ordine 1, 9. 27: CSEL 63, 139). Mag man sich in der Tat fragen, ob die Verwirrung zwischen der „Abstufung des Gesetzes“ und dem „Gesetz der Abstufung“ sich nicht auch aus einer ungenügenden Achtung vor dem Gesetz Gottes erklären läßt. Man ist der Meinung, daß sich dieses Gesetz nicht für jeden Menschen, für jede Situation eigne, und will es darum durch eine Ordnung ersetzen, die sich von der göttlichen unterscheidet. 4. In der christlichen Ethik gibt es eine zentrale Wahrheit, die an dieser Stelle erwähnt werden muß. Vor einigen Tagen lasen wir am Fest Mariae Geburt im Stundengebet: „Das Gesetz wurde von der Gnade zum Leben erweckt und in einem harmonischen und fruchtbaren Werk in ihren Dienst gestellt. Jede der beiden bewahrte ihre Wesensmerkmale unverändert und unverworren. Doch das Gesetz, das zuvor eine drückende Last und Tyrannei darstellte, wurde durch Gott zu einer leichten Last und zur Quelle der Freiheit“ (hl. Andreas von Kreta, Predigten, I: PG 97, 806). Der Geist, der den Glaubenden geschenkt wurde, schreibt das Gesetz Gottes in unser Herz, so daß es nicht nur von außen geboten, sondern auch und vor allem innerlich geschenkt ist. Zu meinen, es gebe Situationen, in denen es den Ehegatten tatsächlich nicht möglich sei, allen Forderungen der Wahrheit von der ehelichen Liebe treu zu sein, heißt, das Gnadengeschehen zu vergessen, das den Neuen Bund kennzeichnet: Die Gnade des Heiligen Geistes ermöglicht, was dem allein seinen Kräften überlassenen Menschen unmöglich ist. Es ist daher notwendig, die Eheleute in ihrem geistlichen Leben zu stärken, sie zum häufigen Empfang der Sakramente der Beichte und der Eucharistie und zu neuer Rückkehr, zu ständiger Umkehr zur Wahrheit der ehelichen Liebe aufzufordern. 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jeder Getaufte, also auch die Ehegatten, ist zur Heiligkeit berufen, wie das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt hat (vgl. Lumen gentium, Nr. 39): „In den verschiedenen Verhältnissen und Aufgaben des Lebens wird die eine Heiligkeit von allen entfaltet, die sich vom Geist Gottes leiten lassen und, der Stimme des Vaters gehorsam, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten und dem armen, demütigen, das Kreuz tragenden Christus folgen und so der Teilnahme an seiner Herrlichkeit würdig werden“ (ebd., Nr. 41). Wir alle, Eheleute eingeschlossen, sind zur Heiligkeit berufen, und diese Berufung kann auch Heroismus verlangen. Das darf man nicht vergessen. Meine Lieben, die Betrachtung, die ihr in diesen Tagen angestellt habt, muß weitergeführt und immer weiter vertieft werden, um zu einer immer besseren Einsicht in jene Wahrheit der ehelichen Liebe zu gelangen, die das kostbarste Gut der Ehe darstellt. Nehmt hochherzig diese Verpflichtung auf euch. Bei eurer Arbeit begleite euch der Apostolische Segen, den ich euch aus ganzem Herzen erteile. Liebe und Achtung für das Gesetz Ansprache an die Vollversammlung der italienischen Bischofskonferenz in der Synodenaula am 21. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wir treffen uns wieder zu der periodischen Zusammenkunft des Bischofs von Rom mit den Mitgliedern der Italienischen Bischofskonferenz, die von allen dem Apostolischen Stuhl in Rom in mehrerer Hinsicht am nächsten steht. Mich erfüllt tiefe Freude darüber, daß ich hier unter euch sein kann, durch dasselbe Band des Glaubens und ähnliche Hirtensorgen mit euch verbunden, und begrüße euch alle von Herzen. Insbesondere danke ich dem Herrn Kardinal-Präsidenten für die freundlichen Worte, mit denen er mich als befugter Sprecher der ganzen Versammlung in dieser Aula willkommen hieß. Ganz besonders danke ich für die Glückwünsche, mit denen Sie, Herr Kardinal, wohlwollenderweise auf mein bevorstehendes 25jähriges Bischofsjubiläum Bezug genommen haben. Ich bin sicher, daß in diesem bedeutsamen Augenblick meines 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebens im Dienst des Evangeliums und der Kirche eure Glückwünsche zu einem noch intensiveren Gebet werden, damit der Herr jeden Tag dem Nachfolger Petri bei der Lösung der schweren Aufgaben, zu denen er ihn berufen hat, beistehe. Mit diesen Wünschen gehen meine herzlichen Gefühle über eure Person und euer Dienstamt hinaus zu den Teilen des Gottesvolkes, denen eure Sorgen als Nachfolger der Apostel gewidmet sind. 2. Diese Begegnung erfolgt in einem für die Kirche einzigartigen Augenblick. Das Jubiläumsjahr der Erlösung ist bereits fast zur Hälfte abgelaufen. Rom ist weiterhin Ziel zahlloser Pilgerfahrten, während die Ortskirchen dabei sind, Sonderinitiativen auf örtlicher Ebene zu fördern, entsprechend den seinerzeit vom Apostolischen Stuhl erlassenen Weisungen, um die Ziele der inneren Erneuerung zu erreichen, die sich die weltweite Feier des Heiligen Jahres gesteckt hat. Ich möchte daher die Gelegenheit dieser feierlichen Zusammenkunft nutzen, um euch, liebe Mitbrüder, für das zu danken, was ihr im Einklang mit den Grundintentionen der großen Ereignisse getan habt und was ihr noch vorhabt. Das Geheimnis der Erlösung begleitet und lenkt durch den Dienst der Kirche die Schritte des Menschen auf seinem Erdenweg. Es ist unser aller sehnlichster Wunsch, daß jener Weg in unseren Tagen einen stärkeren Aufschwung zum Guten im Lichte des Evangeliums erfahren möge, auf dessen Wahrheit wir unermüdlich als auf die Quelle des wahren Fortschritts hinweisen. Eine solche Erneuerung braucht die menschliche Zivilisation und Kultur in diesem stürmischen, ungewissen, doch in vieler Hinsicht verheißungsvollen ausgehenden 20. Jahrhundert. Zugleich möchten wir, daß das eigene Wirken der Kirche dringlicher und entscheidender werde, so daß sie sich auf wirksame Weise als Mutter und Lehrerin, als Zeugin und Gesandte des Transzendenten, als erfahrene Expertin in Menschlichkeit ausweisen kann, die immer stärker von ihrer Berufung durchdrungen und immer glühender auf alle einzelnen Dimensionen ihrer Sendung bedacht ist. Während sich der Lauf des Heiligen Jahres dem Endziel nähert, spüren wir in uns und um uns eine neue Freude und eine neue Hoffnung wachsen. Daher müssen die Kräfte vermehrt, die Bemühungen verstärkt werden, damit in euren Diözesen diese Zeit der Gnade Früchte trage durch den Ansporn und Antrieb eures Hirteneifers, wozu ich euch aufs neue meine herzliche und vertrauensvolle Ermutigung geben möchte. 1087 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die einzigartige Intensität des gegenwärtigen kirchlichen Augenblicks, auf die ich soeben hinwies, geht auch aus eurer XXII. außerordentlichen Generalversammlung hervor, die sich passenderweise Überlegungen, Beschlüsse und Ausblicke über die Rolle vorgenommen hat, die dem neuen Codex für das Kirchenrecht für die vielgestaltige Lebenskraft der heiligen Kirche zukommt. In Anlehnung an die Konzilsrichtlinien, besonders an die Lehrweisungen der dogmatischen Konstitution Lumen gentium und die Direktiven des Dekrets Christus Dominus mit den entsprechenden Anwendungsnormen, legt der neue Codex nicht nur die rechtliche Gestalt der Bischofskonferenzen fest, sondern überträgt ihnen auch zahlreiche Funktionen, von denen manche früher den Zentralorganen Vorbehalten waren, die die verschiedenen Glieder des Gesamtgefüges des Gottesvolkes näher betreffen. So erhalten diese Konferenzen die Möglichkeit, eine praktische Tätigkeit von erstrangiger Bedeutung und besonderer Wirksamkeit zu entfalten, die bestimmt ist, die Lebenskraft des kirchlichen Gefüges zu beeinflussen und seinen Fortschritt in bezug auf die Heilssendung zu gewährleisten. 4. Das bevorstehende Inkrafttreten des neuen Kodex bietet uns in besonderer Weise Gelegenheit, miteinander über die Pflicht der Bischöfe unter seinem Betracht und die eigentümliche Natur des Gesetzes in der Kirche nachzudenken. Vor allem gilt es, den bereits von der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae leges formulierten Wunsch zu wiederholen, daß „die neue Kirchengesetzgebung sich als wirksames Isntrument erweist, mit dessen Hilfe die Kirche sich selbst entsprechend dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils vervollkommnen kann und sich als immer geeigneter für die Erfüllung ihres Heilsauftrages in dieser Welt erweist“ (in: O.R. dt., 4. 2. 83, S. 5). Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es der fleißigen, ausdauernden und beherzten Arbeit der Bischöfe und der Bischofskonferenzen. Sie muß auf zwei einander ergänzende Weisen durchgeführt werden: zunächst geht es darum, die Kenntnis des Codex Iuris Canonici durch seine richtige Darbietung zu verbreiten, wobei es darauf ankommt, die Inhalte und die sich daraus ableitenden Pflichten in Liebe zu erhellen; sodann durch Förderung seiner Annahme und Beachtung. Diese unabdingbaren Pflichten des Bischofs werden von Can. 392, Par. 1 in Erinnerung gebracht: „Während der Bischof die Einheit der Universalkirche schützen muß, ist er angehalten, die gemeinsame Disziplin der ganzen Kirche zu fördern und deshalb auf die Beobachtung aller kirchlichen Gesetze zu dringen.“ Es handelt 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich hierbei um eine Pflicht, die sich in die heiügende Dimension des Hirtendienstes des Bischofs einfügt, der - wie es in Can. 387 heißt - sich durch Liebe, Demut und Einfachheit des Lebens als Beispiel der Heiligkeit darstellen soll. Ein wichtiger Aspekt dieses Dienstamtes liegt ganz allgemein in einer Aufwertung der Liebe und Achtung für das Gesetz, das häufig nicht nur mißachtet und vergessen, sondern auch übertreten und sogar bekämpft wurde. Gewiß ist, wie uns der Apostel Paulus lehrt, Christus „das Ende des Gesetzes, und jeder, der an ihn glaubt, wird gerecht“ (Röm 10, 4). Und wir können nie ausreichend darüber nachdenken, daß aufgrund der Offenbarung der Gnade Gottes am Kreuz Jesu Christi „der Mensch gerecht wird durch Glauben, unabhängig von Werken des Gesetzes“ (Röm 3, 28). Aber wie uns derselbe Apostel mahnt, ist das, worauf es bei Christus Jesus ankommt, „der Glaube, der in der Liebe wirksam ist“ (Gal 6, 2). Daraus läßt sich eine genaue Vorstellung von der Rolle entnehmen, die dem Gesetz im Leben des Gottesvolkes innewohnt: Es ist nicht Aufgabe des Gesetzes, die Dynamik des Geistes einzudämmen, sondern die Kräfte des Christen in eine bestimmte Richtung zu lenken, indem es seine mit der Taufe verliehene Kreativität ordnet, die sich nicht im persönlichen Bereich erschöpft, sondern danach verlangt, sich auch auf kirchlicher, also Gemeindeebene, zu entfalten. An diesem Wesen der Gesetzgebung hat nicht nur der Codex Iuris Canonici Anteil, sondern auch jedes disziplinäre Eingreifen der Bischöfe und der Bischofskonferenzen, deren Gesetze im Rahmen ihrer Zuständigkeit Ausdruck des „munus regendi“ und des „munus sanctificandi“, des Amtes der Leitung und des Amtes der Heiligung, sind. Während die Gesetze also einen Aspekt des Hirtenamtes der Bischöfe darstellen, erweisen sich für die Ergänzung des universalen Kirchengesetzes ebenfalls solche als notwendig, die den örtlichen Verhältnissen und den konkreten pastoralen Bedürfnissen der Ortskirche entsprechen, auch wenn man sie harmonisch in den Gesamtrahmen der allgemeinen Kirchengesetzgebung einfügt. Es muß jedenfalls sowohl im subjektiven Gewissen wie in der konkreten Praxis ein kluges Gleichgewicht zwischen den theologischen Begriffen des Glaubens und des Gesetzes, dem Evangelium der Gnade und der disziplinären Norm erreicht werden. Es handelt sich um ein Gleichgewicht, das der neue Codex natürlich nicht brechen, sondern vielmehr bekräftigen und festigen will, um ein zugleich dynamisches und geordnetes kirchliches Leben zu fördern, offen für das freie Wehen des Geistes Christi (vgl. Joh 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3, 8), aber zugleich aufmerksam bedacht, das Gemeinwohl zu fördern (vgl. 1 Kor 12, 7; 14, 12). 5. Ich bin sicher, daß euch dieses grundlegende Kriterium bei euren Beratungen inspiriert, die ihr, wie vorgenommen, über Gegenstände durchführt, die dringlichen Charakter haben und für die der neue Codex ausdrücklich das Eingreifen der Bischofskonferenzen vorsieht; auch wenn ihr das Studium anderer Probleme - einschließlich der Revision der Satzung und Ordnung der Italienischen Bischofskonferenz - beginnt, um immer geeignetere Lösungen für die gegebene Lage zu finden. Aber die Bedeutung der gegenwärtigen Versammlung erschöpft sich nicht in den Beratungen und Beschlüssen, die am Ende angenommen werden. Sie geht darüber hinaus. Sie hegt, was nur natürlich ist, im Leben der Italienischen Bischofskonferenz selbst und im Geist, der ihr normales Funktionieren zum Wohl der Evangelisierung und der Katechese, zur Vermehrung des Glaubens und zum moralischen und geistlichen Aufbau der Kirche und der italienischen Nation beseelt. Die neue Gesetzgebungsperiode wäre — trotz ihrer historischen Bedeutung - mehr oder weniger eine Kleinigkeit, wenn sie nicht mit einer erneuerten Pastoralperiode zusammenfiele, deren Garant jene „große Disziplin der Kirche im Leben der Priester und der Gläubigen“ sein will, von der mein Vorgänger seligen Andenkens, Johannes Paul I., gesprochen hat (Wort und Weisung, 1978/11, S. 62). Wir müssen deshalb unser Gebet, unsere Bereitschaft, auf das zu hören, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2, 7), und unser Bemühen verstärken, uns ganz der unserer Sorge anvertrauten Herde zu widmen. Mit dem Wunsch, daß die Versammlung dieser Tage einen fruchtbaren Abschnitt in dieser Richtung darstelle, rufe ich auf euch und auf den Abschluß eurer Arbeiten das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes und den Schutz Mariens herab und erteile euch, liebe Mitbrüder, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Austausch von Kräften und Gütern Ansprache an die Mitglieder der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika (COGECAL) am 23. September Herr Kardinal, liebe Mitglieder von COGECAL! Ich danke Gott für diese Begegnung mit Ihnen, nachdem Sie zur zehnten Versammlung des Generalrates der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika nach Rom gekommen sind. Ich kenne und schätze die Arbeit, die Sie durchführen, und ich freue mich festzustellen, daß sie ausharren in dem Bemühen, „die Gemeinschaft der Kirchen und ihrer Institutionen, deren würdige und qualifizierte Vertreter Sie sind, in die Tat umzusetzen“ {Ansprache an COGECAL am 28. 11.1980, in O. R. dt. vom 13. 3. 81, S. 13), zum Wohl der Kirche in Lateinamerika. Dieses Jahr wollten Sie die Aufmerksamkeit auf einige Gedanken und Orientierungen lenken, die in der Enzyklika Fidei donum meines Vorgängers Pius XII. enthalten sind. Anlaß dazu war der 25. Jahrestag der Veröffentlichung dieser Enzyklika. Und wenn auch dieses Dokument nicht im einzelnen den Teil der Kirche im Auge hat, für den COGECAL zuständig ist, hatte ihn bereits Pius XII. im Sinn, als er die Bischöfe aufforderte, den Eifer ihrer Kirchen und insbesondere ihrer Priester „auf die riesigen Gebiete Südamerikas zu richten, deren Nöte und Bedürfnisse, wie wir wissen, groß sind“ (ebd.). Andererseits eröffnete Fidei donum den Weg zu „einem neuen Begriff der Zusammenarbeit“ zwischen den Kirchen; „sie versteht sich nicht mehr als ,Einbahnstraße4, als Hilfe, die die Kirchen alter Überlieferung den jüngeren Kirchen leisten, sondern als fruchtbarer gegenseitiger Austausch von Kräften und Gütern im Geist brüderlicher Gemeinschaft zwischen den Kirchen. Überholt ist die Unterscheidung zwischen ,reichen Kirchen4 und ,armen Kirchen4, als ob es zwei verschiedene Kategorien gäbe, nämlich Kirchen, die ,geben4, und Kirchen, die nur ,empfangen“4 {Botschaft Johannes Pauls II. zum Weltmissionssonntag 1982, in O. R. dt. vom 1.10. 1982, S. 9). Diese Einstellung bildet die Grundlage des Wirkens von COGECAL. In Übereinstimmung mit dieser Vorstellung, die von Fidei donum erneuert wurde und auch die spätere Entwicklung, besonders in den Konzilstexten (vgl. Ad gentes, Nr. 37 u. 38), beachtet, haben Sie aus einem theologischen und geistlichen Blickwinkel wie aus der Erfahrung vielfacher Pastoraltätigkeit Ihre Erwägungen angestellt. 1091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der große Reichtum an Elementen, die in der einen und heiligen Kirche lebendig vorhanden sind, spiegelt sich in der Verbundenheit zwischen den Teilkirchen oder den legitimen kirchlichen Gruppen untereinander wider, das heißt, sie stehen in Gemeinschaft mit der Hierarchie. Es ist deshalb nötig, daß die praktische Entwicklung der Verbundenheit untereinander auf die Gesamtheit der Elemente achtet und sie in einer harmonischen Synthese vereint. Das wird dazu beitragen, daß bei diesen Kontakten und gegenseitigen Hilfen stets die kirchliche Authentizität bewahrt wird. Es ist auch notwendig, daß „alles in Anstand und Ordnung geschehen soll“ (1 Kor 14, 40), so daß ein jeder die ihm zukommende Verantwortung übernimmt, indem er die Handlungen mit praktischer Vernunft und brüderlichem Geist aufeinander abstimmt. Schließlich bitte ich Sie, in der Beziehung der kirchlichen Gemeinschaften untereinander die tiefe Sorge zu empfinden und zum Ausdruck zu bringen für alles, was dem wahren Wohl des Menschen dient, wie es der Glaube zu erkennen gibt. Die Aufmerksamkeit, die Sie den sicheren Daten schenken, die Theologie, Heilige Schrift, Überlieferung und Lehramt - vor allem die Weisungen des letzten Konzils - zu Ihrem Missionseinsatz im allgemeinen, zusammen mit der in den letzten Jahren erreichten realistischen und ruhigen Prüfung der Tatsachen, beisteuern, muß in Form neuer Vorschläge und erneuerter Pläne Früchte tragen, die zu einer tiefer empfundenen Gemeinsamkeit in Ihren Herzen und Gemeinschaften führen, und von Tag zu Tag verwirklicht und wirksam werden. Schon angefangen bei den biblischen Aussagen, in denen wir deutlich diese Motivierung wahrnehmen, erkennt man viele und verschiedene Arten der Verbundenheit zwischen den Kirchen und den Gruppen der Gläubigen als Furcht der „vielfältigen Gnade Gottes“ (2 Petr 4, 10). Das zeigt uns Wege, denen wir folgen sollen, natürlich unter Anpassung an den aktuellen Augenblick, und läßt darauf vertrauen, daß die Liebe, die der Geist „in unsere Herzen ausgegossen hat“ (Röm 5, 5), uns neue Formen kirchlicher Liebe erschließen wird. Die Tatsache, daß Sie im Heiligen Jahr der Erlösung Zusammenkommen, ist ein neuerlicher Ansporn für Ihr Bemühen. Wenn wir auf den Erlöser blicken, werden wir uns bewußt, daß wir immer unermüdlich fortfahren müssen. Dies alles ist nur wenig, um das zu erwidern, was er für uns getan hat. Wir dienen ihm schließlich in unserem kirchlichen Dienstamt und, noch konkreter, im Austausch jeder Art von Gütern zwischen den Gemeinden seiner Jünger. Wir dienen ihm im lateinamerikanischen Menschen, der leidet und auf unsere Hilfe hofft. 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir dürfen jedoch nicht die strahlende kirchliche und menschliche Wirklichkeit Lateinamerikas vergessen. Das habe ich bei meinen apostolischen Besuchen in diesen so sehr geliebten Ländern feststellen können. Es handelt sich um die Kirche des Kontinents der Hoffnung, der von allen eine besondere Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit fordert. Sie nehmen diese Sorge wahr und setzen sie mit Ihrer eigenen Bemühung in die Tat um. Hoffentlich erreichen wir bei allen, daß sie Gottes Pläne bezüglich jener Kirchen durchsetzen. Öffnen wir dort mehr und mehr die Türen für Christus. Mögen diese Kirchen, während ihre Bestrebungen und Bemühungen immer klarer werden, in einer mit jedem Tag lebendigeren Gemeinschaft untereinander und mit der Universalkirche leben und immer stärker an der Evangelisierung der ganzen Welt mitarbeiten können! Die Zusammenarbeit Ihrer aller mit den Diözesen und Instituten, die Sie vertreten, ist sehr wichtig. Zum Abschluß danke ich Ihnen für Ihre Arbeit, bitte den Herrn, daß er Ihnen bei Ihrer Aufgabe helfen möge und erteile jedem einzelnen von Ihnen von Herzen meinen Segen. Im echten Sinne sakral Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die italienischen Kirchenchöre auf dem Petersplatz am 25. September 1. „Ihr grölt zum Klang der Harfe, ihr wollt Lieder erfinden wie David . . .“ (Am 6, 4 f.). Meine Lieben! Diese Worte, die wir in der ersten Lesung der heutigen Liturgie gehört haben, richtet der Prophet Amos an die „Sorglosen auf dem Zion und die Selbstsicheren auf dem Berg von Samaria“, die jedoch bereits am Rande des Zusammenbruchs und unmittelbar vor der drohenden Verschleppung und Verbannung stehen! Im Neuen Bund sind wir Christen, zum neuen Leben wiedergeboren, die wahren Davidsjünger, die Gott mit dem neuen Lobgesang preisen, dem Gesang der Erlösung. Mit dem Psalmisten singen wir zum Vater: „Vernimm, o Herr, mein lautes Rufen; sei mir gnädig und erhöre mich! Mein Herz denkt an dein Wort: ,Sucht mein Angesicht!4 Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir!“ (Ps 27, 7-9). 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese bebenden Anrufungen bringen die Sehnsucht der Seele nach den überirdischen Wirklichkeiten zum Ausdruck, entsprechend der lebhaften Empfehlung des hl. Paulus: „Strebt nach dem, was im Himmel ist . . . Richtet euren Sinn auf das Himmlische . . .!“ (Kol 3, 1—2); eine Sehnsucht, die im Gebet des Herzens ihren Ausdruck findet. In dem Christen, der sich des neuen Lebens erfreut und in dem Christus selbst - das Wort des Vaters - lebt, nimmt dieses Gebet so große Inbrunst an, daß es sich in Form des Gesanges äußert und begeistert. In seiner vollkommensten Gestalt wird dieses Gebet von Christus an den Vater gerichtet. Denn Christus fährt fort wie seit Ewigkeit her, so nach seiner Menschwerdung, Auferstehung und Himmelfahrt, als Mittler und Fürsprecher der ganzen Menschheit den Lobpreis und das Gloria des Vaters und auch das Streben und die Sehnsüchte der Menschen zu singen. Es ist also Christus, der - wie die Konzilskonstitution über die heilige Liturgie betont - „in diese irdische Verbannung jenen Hymnus mitgebracht hat, der in den himmlischen Wohnungen durch alle Ewigkeit erklingt. Die gesamte Menschengemeinschaft schart er um sich, um gemeinsam mit ihr diesen göttlichen Lobgesang zu singen“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 83). An diesem Lobgesang seid ihr alle auf besondere Weise beteiligt, ihr Mitglieder der Kirchenchöre, die zum italienischen Cäcilienverband gehören, die ihr heute euer Gebet und eure Gesänge auf dem Petersplatz widerhallen laßt. Ich spreche euch meine liebevolle und dankbare Genugtuung für die Arbeit aus, die ihr mit so großer Begeisterung leistet, und zudem für eure Anwesenheit in Rom anläßlich des Jubiläumsjahres der Erlösung. Ich begrüße herzlich den Präsidenten des Verbandes und Bischof von Treviso, Antonio Mistrorigo, seine Mitarbeiter, die Diözesan-präses, die Komponisten, die Chorleiter und euch, Sänger des Gotteslobes. Eure Arbeit besteht darin, für den richtigen Vortrag der geistlichen Gesänge bei den Gottesdiensten zu sorgen sowie auch die lebendige Beteiligung der Gläubigen am Gesang zu fördern (vgl. Musicam sacram, Nr. 19). Eure Aufgabe beschränkt sich also nicht auf eine lediglich und ausschließlich künstlerische Handlung, sondern sie bezieht - zusammen mit der Kunst - den Glauben und die Frömmigkeit, den ganzen erlösten Menschen, den ganzen Christen mit ein. 2. So wie der Heilige Geist derjenige ist, der unseren hinfälligen Kräften die Fähigkeit verleiht, sich in der Anrufung: „Abba, Vater!“ (vgl. Röm 8, 15) zu erschließen, zu öffnen, so schenkt uns dieser selbe Geist auch die 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fähigkeit, unser Gebet zu vervollkommnen, es durch die Freude des Gesanges und der Musik in heilige Freude ausbrechen zu lassen, wie der hl. Paulus uns auffordert: „Laßt in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und Gesänge erklingen, wie der Geist sie eingibt. Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn!“ (Eph 5, 19). Folgen dieses inneren Wirkens des Heiligen Geistes sind: der neue Mensch, der wieder das Abbild des Schöpfers anlegen und ein „neues Lied“ singen soll; ein neues Leben der Gemeinschaft und Gemeinsamkeit, so daß mit Weisheit vorgenommenes gegenseitiges Belehren und Ermahnen, wobei Gott von Herzen und mit Dankbarkeit Lob gesungen wird (vgl. Kol 3, 16), als Ostergabe, als Frucht der Auferstehung Christi erscheinen. In seinem Kommentar zu den Worten des 33. Psalms (Vers 3) - „Singt dem Herrn ein neues Lied“ - ermahnte der hl. Augustinus seine Gläubigen und auch uns, wie folgt: „Legt ab, was schon alt ist; ihr habt das neue Lied kennengelernt. Einen neuen Menschen, ein Neues Testament, ein neues Lied. Das neue Lied paßt nicht zu alten Menschen. Dieses Lied lernen nur die neuen Menschen, die Menschen, die durch die Gnade von dem erneuert worden sind, was alt war; die Menschen, die nun zum Neuen Testament gehören, das das Himmelreich ist. Unsere ganze Liebe zu ihm ersehnt und singt ein neues Lied. Stimme jedoch ein neues Lied nicht mit der Zunge, sondern mit dem Leben an“ (Enarr. Ps. XXXII, Sermo I, 8: PL 367, 283). Im Neuen Bund ist der Gesang ein typisches Kennzeichen derer, die mit Christus auferstanden sind. In der Kirche ist nur der wahrhaftig ein Auferstandener, der aus dieser Stimmung österlicher Neuheit singt - das heißt aus der inneren Erneuerung des Lebens. Während die Musik im Alten Testament vielleicht unter dem Einfluß des mit den materiellen Opfern verbundenen Kultes stehen konnte, wird sie also nun im Neuen Testament „geistig“ in Übereinstimmung zum neuen Kult und zur neuen Liturgie, deren wesentlicher Bestandteil sie ist, und sie wird unter der Bedingung aufgenommen, daß sie innere Frömmigkeit und Sammlung inspiriert. 3. "Christus ist der Hymnus des Vaters, und mit seiner Menschwerdung hat er seiner Kirche diesen selben Hymnus, das heißt sich selbst anvertraut, damit sie ihn bis zu seiner Wiederkunft bewahre. Nun ist jeder Christ aufgerufen, an diesem Hymnus teilzunehmen und selber zum „neuen Lied“ in Christus an den himmlischen Vater zu werden. Zu noch viel tieferer Teilnahme an diesem Hymnus, also am Mysterium Christi, ist 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Amtspriestertum berufen, dessen vollkommene Verwirklichung das Bischofsamt ist. Als Bischof und als Nachfolger Petri auf dem Römischen Stuhl ist es mir darum ein spontanes Anliegen, für euch heute die Worte des hl. Augustinus zu wiederholen: „O Brüder, o Söhne, o Christenvolk, o heiliges und himmlisches Geschlecht, o in Christus wieder zum Leben Erwachte und von oben Wiedergeborene, hört mir zu, ja singt durch mich dem Herrn ein neues Lied“ (Sermo XXXIV, III, 6: PL 38, 211). Natürlich muß dieses neue Lied, das in mir und in euch als Fortführung des ewigen Hymnus, der Christus ist, erklingt, im Einlang mit der absoluten Vollkommenheit stehen, mit der das Wort sich an den Vater wendet, so daß sich im Leben, in der Kraft der Empfindungen und in der Schönheit der Kunst in vollendeter Weise die Einheit zwischen uns, den lebendigen Gliedern, und Christus, unserem Haupt, verwirklicht: „Wenn ihr Gott lobt, lobt ihn mit eurem ganzen Sein; es singe die Stimme, es singe das Herz, es singe das Leben, es singen die Taten!“, lautet noch einmal die einprägsame Empfehlung des hl. Augustinus (Enarr. in Ps. CXLIII, 2: PL 37, 1938). Diese Einheit fordert vor allem, daß die Kirchenmusik wahre Kunst ist -wie ich vor Mitgliedern eures Verbandes bei der feierlichen Zelebration am 21. September 1980 betont habe. Wahre Kunst, das heißt, daß sie imstande sein soll, das Empfinden des Menschen in Gesang umzuwandeln, den Klang den Worten anzupassen, jenen vollkommenen und fruchtbaren Einklang mit dem hohen Sinn und den Ansprüchen des katholischen Kultes zu erreichen. Diese Einheit fordert zugleich, daß solche Musik im echten Sinne sakral ist, daß sie also eine ihrem sakramentalen und liturgischen Zweck angemessene Grundvoraussetzung besitzt und daher sich vom Charakter der für andere Zwecke bestimmten Musik unterscheidet. Diese Einheit verlangt außerdem noch, daß die Verwirklichung einer echten Musica sacra durch eine sorgfältige, sowohl künstlerische wie geistliche und liturgische spezifische Vorbereitung erreicht wird. In diesem Zusammenhang gilt es, auf der Ausbildung der Komponisten zu insistieren, denen Hilfen, Ratschläge und die angemessenen Instrumente geboten werden müssen; sodann auf der Heranbildung der Gläubigen und der Sänger, Mitglieder der Kirchenchöre, die ein fruchtbares Beispiel von Organisation darstellen, dazu bestimmt, die liturgischen Feiern würdig zu gestalten; des weiteren auf dem theoretischen und praktischen Studium der Kirchenmusik in allen Seminaren und Ordensinstituten entsprechend den vom Hl. Stuhl vorgeschlagenen Modellen; auf der Gründung und Lebendigkeit verschiedener Institute und Schulen für Kirchenmusik zur 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ausbildung von Chorleitern, die mit ihrer künstlerisch-musikalischen Kompetenz einen tiefen Glauben und eine beispielhafte christliche Lebenspraxis verbinden (vgl. Insegnamenti di Giovanni Paolo II, III, 2 [1980], 669 f.). 4. Aus allen Regionen Italiens seid ihr, Mitglieder der zum italienischen Cäcilienverband gehörenden Kirchenchöre, nach Rom gekommen, um euch mit mir zum Lobgesang an den himmlischen Vater bei dieser Eucharistiefeier zu vereinen. Ich weiß, daß ihr auch gekommen seid, um in Gebet und Gesang des 25. Jahrestages meiner Bischofsweihe zu gedenken. Ich danke euch für diese bedeutsame Geste: ein aufrichtiges Danke an jeden einzelnen von euch und an euren so verdienstvollen Verband! Vor nunmehr drei Jahren forderte ich euch anläßlich des 100jährigen Bestehens eurer Vereinigung auf, sie zu lieben, ihr zu folgen, sie in ihrem großartigen Werk, der Synthese aus Kunst und Glaube, zu unterstützen. Heute beauftrage ich euch noch einmal mit derselben Verpflichtung zu Liebe und Unterstützung und wünsche euch gleichzeitig, daß ihr mit eurem Gesang und mit eurem Leben immer hochherzige und begeisterte Zeugen der evangelischen Botschaft seid! Ende einer Anfangsperiode Ansprache bei der Messe mit den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Laien in der Päpstlichen Privatkapelle am 26. September Ich empfinde es als große Freude, daß ich mit Ihnen, Eminenz, der Sie den Vorsitz des Päpstlichen Rates für die Laien wahrnehmen, sowie mit den Mitgliedern, Konsultoren und Kongreßdelegierten diese Messe feiern kann. Durch Ihre Bereitschaft und Ihre Ratschläge haben Sie zum Aufbau dieser Organisation für die Laien beigetragen, die sich erst in der Anfangsphase ihres Bestehens befindet. Nach siebenjähriger unermüdlicher Arbeit geht Ihr Auftrag bald zu Ende. Es erscheint mir sehr bedeutsam, daß wir aus diesem Anlaß miteinander die Eucharistie gefeiert haben: auf diese Weise erleben Sie diesen besonderen Augenblick in einer Begegnung mit Christus. Die Eucharistie hat uns einmal mehr bewußt- 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gemacht, daß die Zeit und die Arbeit, die der Förderung des Laienapostolats gewidmet wurden, vor allem dem Herrn selbst geschenkt worden sind. So wird er Ihr Lohn sein. Dieses Jahr findet unsere Begegnung in einem intimen Rahmen statt. Dieser Umstand hat, so will mir scheinen, symbolischen Charakter; er ist das Zeichen dafür, daß die Bande, die uns - Sie mit mir und mich mit Ihnen - verbinden, enger geworden sind. Und wenn ich Ihnen meine Anerkennung ausspreche, so wissen Sie, daß ich das als Nachfolger Petri, aber auch persönlich tue, denn Ihr Engagement ist für mich Quelle der Freude und der Ermutigung gewesen. Die Feststellung, daß die Verbindung der Laien mit Gott und die verschiedenen Formen ihres Apostolats immer mehr zu einer Kraft im Dienste des Evangeliums werden und daß sie nicht selten im Geiste Christi dem Wirken der Kirche drinnen und draußen einen neuen Schwung verleihen, ist für mich wirklich eine Quelle ganz großen Trostes. Darum bitte ich Sie inständig, diesen Tag nicht als den Abschluß Ihres apostolischen Engagements im Dienste der Laien zu betrachten. Sie müssen ihn als das Ende einer Anfangsperiode ansehen, während der Sie Schätze angesammelt haben, um sie mit Ihren Brüdern zu teilen. Ihre Bemühungen, die Laien aufgeschlossen zu machen für ihre Verantwortlichkeit bei der Verkündigung des Evangeliums und der Heiligung der Welt, haben gerade erst begonnen. Das ist und wird immer Ihre Sendung bleiben. Sie verlangt, daß Sie ihm ständig und während Ihres ganzen Lebens alle Ihre Kräfte weihen. Darum also der Wunsch und das Gebet, das ich heute ausspreche: Möge Gott Sie stärken und segnen, damit Sie immer den Forderungen dieser Mission entsprechen können. Groß ist die Dankesschuld Predigt bei der Gedächtnismesse für seine Vorgänger Paul VI. und Johannes Paul I. in St. Peter am 28. September Wieder einmal gibt es sich, daß wir uns hier versammeln und gemeinsam an einer besonderen liturgischen Feier teilnehmen, die dem Gedanken und der Fürbitte für die Seelen zweier großer Päpste gilt, die vor fünf Jahren von der Bühne dieser Welt abgetreten sind, aber in der bewegten und dankbaren Erinnerung von uns hier Anwesenden und so vieler, vieler über die ganze Erde verstreuter Gläubiger noch immer lebendig sind. 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Denn groß ist die Dankesschuld, die uns sowohl mit Paul VI., dem weisen und eifrigen Hirten, der den schwierigen Auftrag hatte, die Kirche über fünfzehn Jahre lang zu leiten, wie auch mit Johannes Paul I. verbindet, der trotz der unerwartet kurzen Dauer seines Dienstes doch eine deutlich sichtbare Spur in der Geschichte des römischen Papsttums hinterlassen hat. Wie ich in meiner ersten Enzyklika Anlaß hatte zu schreiben (vgl. Redemptor hominis, Nr. 2-4), empfinde ich für sie, für ihr einzigartiges Erbe wie auch für die Freundlichkeit, die mir beide bewiesen haben, eine persönliche Verbundenheit, die zugleich einen objektiven Bezugspunkt für mein Wirken, eine Verpflichtung zur Treue gegenüber der von ihnen für den Weg der Kirche in diesem ausgehenden 20. Jahrhundert vorgezeichneten Linie und eine Verpflichtung zum Gedenken und zur liebevollen Verehrung für ihre Gestalten bedeutet. Die inhaltsvollen liturgischen Lesungen, die wir gleich hören, mögen unsere gemeinsame Fürbitte für die beiden verstorbenen Päpste unterstützen und leiten. Wenn wir am Altar das Opfer des Herrn Christus selber erneuern, wollen wir für ihre Seelen beten, indem wir nochmals den, der „die Auferstehung und das Leben ist“ (Joh 11, 25), um die Fülle der Seligkeit, des Lichtes und des Friedens anrufen, die den Lohn der Gerechten darstellt. Sodann wollen wir für uns Bischöfe beten, damit das Vorbild dieser beiden Päpste, dem lange Dauer beschieden sein soll, für uns, die wir das Glück hatten, sie zu kennen und zu lieben, besonders wirksam sein möge. Und wir wollen für die ganze Kirche beten, für die sie soviel gearbeitet haben, damit sie unter den unvermeidlichen Schwierigkeiten rasch und sicher vorangehe in der unerschütterlichen Abhängigkeit an das Wort ihres Stifters und Herrn, während sie immer die Fackel des wahren Glaubens hochhalte und sie nicht nur unter ihren Kindern, sondern unter allen Menschen guten Willens, die auf der Welt leben, verbreite. Wir wollen auch für die Welt beten, deren Schicksal gerade wegen des dauernden, ja zunehmenden Auf und Ab von Hoffnungen und Bedrohungen im prekären Gleichgewicht von Krieg und Frieden den geliebten Päpsten ständig und schmerzlich am Herzen lag. Ja, während wir die Fürbitten für ihre ewige Ruhe darbringen, wollen wir auch um ihre Fürsprache bitten, daß in unserer heutigen Welt die ewige Botschaft der Hoffnung gehört werde, die die Menschen unserer Generation zu Gedanken des Friedens, der Gerechtigkeit, der menschlichen und solidarischen Brüderlichkeit inspirieren möge. 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,, Versöhnung und Buße im Sendungsauf trag der Kirche“ Ansprache beim Eröffnungsgottesdienst der VT. Vollversammlung der Bischofssynode am 29. September Ehrwürdige und liebe Brüder! 1. Wir finden uns heute in dieser Basilika des hl. Petrus zusammen, um am Tisch des Wortes Gottes und der Eucharistie die Bischofssynode zu eröffnen. Es ist eine ordentliche Versammlung zum Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“. Wir wollen uns also vor allem mit demjenigen vereinigen, in dem der Sendungsauftrag der Kirche seinen Anfang genommen hat. Er, Jesus Christus, ist es ja gerade, der gesagt hat: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe; paenitemini. . . Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1, 15). Die Zeit hat sich erfüllt mit der Ankunft Christi. Und immer wieder von neuem erfüllt sich diese Zeit, in der der ewige Vater sich jedem Menschen in Jesus Christus zur Versöhnung geöffnet hat. In dieser Zeit leben wir alle. Und deshalb hielten es die Bischöfe der Kirche für angemessen, die Buße und Versöhnung als Thema der gegenwärtigen Synode vorzuschlagen. Man muß zu den allerersten Worten Christi zurückkehren. Man muß sich darüber klar werden, welches Echo sie in der Kirche in der heutigen Welt haben. Man muß ihnen ihre ewige, evangelische und apostolische Kraft zurückgeben. Es wäre schwierig, ein Thema für die Arbeit der Synode zu finden, das fundamentaler, dem Evangelium angemessener, apostolischer und dringlicher wäre. Ich danke euch, ehrwürdige Brüder, und ich danke den Bischöfen der ganzen Kirche, daß sie sich gerade das Problem der Versöhnung und der Buße zur Aufgabe des synodalen Dienstes am Volke Gottes in der ganzen Welt haben setzen wollen. 2. Die Liturgie des heutigen Festtages läßt uns die Gewalt der „paenitemini“ Christi in den Dimensionen erkennen, die in der Heilsgeschichte Gottes größer und älter sind als der Mensch. Gleichzeitig erreichen sie den Menschen; sie treffen in seinem Herzen und in seiner Geschichte zusammen. Nicht umsonst hat Jesus, als er Nathanael berief, diese geheimnisvollen 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte gesagt: „Ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn“ (Joh 1, 51). Gerade heute begehen wir das Fest der Engel des Herrn - und im besonderen derjenigen, die wir aus der Heiligen Schrift unter den Namen Michael, Gabriel und Raphael kennen. 3. Die erste Lesung aus der Offenbarung fordert dazu auf, uns über den Namen „Mi-cha-el“ klar zu werden. Dieser Name bedeutet: „Wer ist wie Gott?“ Er deutet hin auf eine Erkenntnis und eine Entscheidung, wie sie nur von einem reinen Geist getroffen werden konnte. Das Reich Gottes wird ja gerade aufgrund einer solchen Erkenntnis und einer solchen Entscheidung ewig geformt: „Wer ist wie Gott!“ In diesen Worten liegt die ganze geistliche Kraft der Hinwendung zu Gott, d. h. sich bewußt und willentlich ganz der Fülle, die er selbst ist, zu öffnen. Fülle des Seins und der Heiligkeit. Fülle der Wahrheit, des Guten und des Schönen. Der heutige Festtag erinnert uns daran, daß zu Beginn der Schöpfung aus der geistigen Tiefe des Wesens der Engel diese allererste Anbetung emporgestiegen ist, um mit ihrem ganzen Wesen in die Wirklichkeit des „Wer ist wie Gott!“ einzutauchen: „Michael und sein Engel“. {Offb 12, 7). Die gleiche Lesung aus der Offenbarung macht uns auch bewußt, daß dieser Anbetung, dieser ersten Bekräftigung der Majestät des Schöpfers eine Verneinung gegenübersteht. Angesichts dieser hebenden Hinwendung zu Gott („Wer ist wie Gott!“) bricht eine Fülle des Hasses, der Rebellion gegen ihn auf. Diese Rebellion trägt in der Heiligen Schrift den Namen „diabolos“ (Verleumder) und „Satan“. Dieser Name erinnert daran, daß bei der Rebellion gegen Gott auch von Gottes Seite her eine Ablehnung erfolgt ist: „Gestürzt wurde . . . die alte Schlange auf die Erde und mit ihr ihre Engel hinabgeworfen“ (Offb 12, 9). In den Umrissen der „unsichtbaren Welt“ zeichnet sich folglich bereits die ganz tiefgründige Gegenüberstellung von Gut und Böse ab. Das Gute hat seinen Ursprung in Gott und sein Endziel in der Liebe Gottes. Das Böse ist die Verneinung der Liebe. Die Verneinung jenes allerhöchsten Gutes, welches Gott selbst ist, birgt in sich den Bruch mit der Wahrheit (der Teufel ist der „Vater der Lüge“: Joh 8, 44) und die zerstörerische Kraft des Hasses. Die Offenbarung spricht von einem Kampf. „Da entbrannte im Himmel ein Kampf: Michael und seine Engel erhoben sich, um gegen den Drachen zu kämpfen“ (Offb 12, 7). 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Gegenüberstellung von Gut und Böse ist in die Geschichte des Menschen eingetreten und hat die ursprüngliche Unschuld im Herzen des Mannes und der Frau zerstört. „Obwohl in Gerechtigkeit von Gott begründet, hat der Mensch unter dem Einfluß des Bösen gleich von Anfang der Geschichte an durch Auflehnung gegen Gott und den Willen, sein Ziel außerhalb Gottes zu erreichen, seine Freiheit mißbraucht.“ Seither „stellt sich das ganze Leben der Menschen, das einzelne wie das kollektive, als Kampf dar, und zwar als ein dramatischer, zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis . . . Die Sünde mindert aber den Menschen selbst, weil sie ihn hindert, seine Erfüllung zu erlangen“ (Gaudium et spes, Nr. 13). Diese Gegenüberstellung ist jedoch anders als die, die uns von der ersten Lesung der heutigen Liturgie ins Gedächtnis gerufen wird. Sie ist auf den Menschen zugeschnitten, nicht auf den reinen Geist. Sie ist allerdings das erste und hauptsächtliche Hindernis im werdenden Reich Gottes, diesem Reich der Wahrheit und der Liebe in der Geschichte des Menschen, in den einzelnen Bereichen der menschlichen Existenz, sowohl im Leben der einzelnen wie im Leben der Gesellschaft. Und deshalb ruft Christus, als er seine messianische Sendung beginnt und das Nahen des Gottesreiches verkündet, gleichzeitig aus: „Meta-noeite! Paenitemini! Kehrt um!“ Er ruft zur Umkehr und zur Aussöhnung mit Gott auf. Dieser Aufruf bekundet, daß die Absage an das Böse und die Hinwendung zum Guten - in ihrer Fülle, die Gott ist - für den Menschen möglich ist. Der menschliche Wille kann in sich den rettenden Strom der Gnade, der sein tiefstes Streben umwandelt, aufnehmen. In diesem Ruf Christi erstrahlt zugleich das erste Licht der Frohbotschaft. In ihr eröffnet sich nunmehr die Aussicht auf den Sieg des Guten über das Böse, des Lichtes über die Sünde. Es ist der Ausblick, den Christus bis zu seinem Tod am Kreuz und seiner Auferstehung immer wieder bestätigt hat. 5. Verehrte und liebe Brüder! Im Verlauf der ersten Wochen müssen wir uns in unserer Eigenschaft als Hirten der Kirche im letzten Zeitabschnitt des 20. Jahrhunderts - auf diesen grundlegenden Ruf des Evangeliums konzentrieren. Dieser Ruf ist an den Menschen aller Zeiten gerichtet - und folglich auch an den Menschen unserer Zeit. Für jeden hat er seine heilende und befreiende Kraft. Diese Kraft wurde der Kirche geschenkt als Frucht des Todes und der Auferstehung Christi. Und doch hat Christus am gleichen Tag seiner Auferstehung zu den in Jerusalem versammelten Aposteln gesagt: „Emp- 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 22-23). Als Nachfolger der Apostel haben wir eine besondere Verantwortung für das Geheimnis der Versöhnung des Menschen mit Gott. Eine besondere Verantwortung für das Sakrament, in dem diese Versöhnung erfolgt. 6. Kehren wir noch einmal zur Lesung der Offenbarung zurück. Sie verkündet den Sieg „durch das Blut des Lammes“ {Offb 12, 11). In diesem Sieg liegt das Heil und „die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten“ (Offb 12, 11). Mit diesem Sieg „wurde der Ankläger unserer Brüder, der sie bei Tag und bei Nacht vor unserem Gott verklagte“, gestürzt {Offb 12, 10). Im Geheimnis der Versöhnung mit Gott, im Sakrament, durch das diese Aussöhnung erfolgt, klagt der Mensch sich selbst an, wenn er seine Sünden bekennt, und nimmt jenem Ankläger die Gewalt, der Tag und Nacht einen jeden von uns und die ganze Menschheit vor der dreimal heiligen Majestät Gottes anklagt. Wenn der Mensch nämlich sich selbst vor Gott anklagt, so bringt dieses Bekenntnis der Schuld, das aus der Reue erwächst, im Sakrament der Versöhnung mit dem Blute des Lammes vereint, den Sieg mit sich! 7. Ehrwürdige und liebe Brüder! Wir müssen uns im Verlauf der kommenden Wochen mit dem Thema auseinandersetzen, mit dem sich der geistige Sieg des Menschen noch enger verknüpft: „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche.“ Wie viele Bereiche der Existenz des Menschen in der heutigen Welt berührt dieses Thema! Wir alle sind uns dessen voll bewußt. Wir wissen, welche Spirale von Bedrohungen sich über dem Leben der heutigen Menschheit zusammengezogen hat. Die Kirche bekundet ihre ständige Sorge um die Versöhnung zwischen den Menschen und der Gesellschaft, die Sorge um die Überwindung der zerstörerischen Kräfte der Feindseligkeit, des Hasses und des Zerstörungswillens. Vor diesem weiten Hintergrund ist es uns aufgegeben, jenen ewigen Kampf des Guten mit dem Bösen aufzunehmen in dem zentralen Punkt, den Christus mit dem rettenden Wort des Evangeliums und der österlichen Macht seines Kreuzes und seiner Auferstehung bestimmt hat. 1103 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn wir hier am Tisch des Gotteswortes und der Eucharistie versammelt sind, beten wir darum, daß der Geist Christi unsere Gedanken und unsere Herzen bei diesem Dienst der Synode am Gottesvolk, den wir heute beginnen, leite. Wir wollen diesen Dienst eng mit dem Gebet des Rosenkranzes verbinden, dem die Kirche besonders diesen Monat Oktober widmet. In diesem Gebet ist — wie damals mit den Aposteln im Abendmahlssaal - die Mutter unseres Erlösers bei uns, die gleichzeitig auch die Mutter der Kirche und die Magd des Herrn ist. Gemeinsam mit ihr wollen wir unseren Dienst als Bischöfe erfüllen. Laßt uns inbrünstig beten! Und uns möge das Gebet der gesamten Kirche begleiten! Der Gruß des Engels eröffnet die Perspektive der Erlösung Predigt beim Gottesdienst für die marianischen Vereinigungen und Bewegungen auf dem Petersplatz am 2. Oktober 1. „Sie erschrak über die Anrede und überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe . . .“ (Lk 1, 29). Heute, am ersten Sonntag im Oktober, begrüße ich alle Mitglieder der dem „Gruß des Engels“ fromm ergebenen marianischen Bewegungen, die sich anläßlich des außerordentlichen Jubiläumsjahres der Erlösung hier in Rom aufhalten. Besonders herzlich begrüße ich den Kardinalvikar Ugo Poletti, der heute den 25. Jahrestag seiner Bischofsweihe begeht. Aus diesem Anlaß gilt ihm mein besonderes Gedenken, und ich versichere ihm meines Gebetes zum Herrn. Sodann begrüße ich die Mitglieder des Kardinalkollegiums und die Mitbrüder im Bischofsamt. Ich begrüße die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Mitglieder der Rosenkranzvereine für Erwachsene und für Kinder; ich begrüße die Angehörigen aller anderen Bewegungen, Gruppen, Institute, frommen Vereine, Bruderschaften, Pfarreien, die sich bemühen, in der Marienverehrung Fortschritte zu machen. Ich begrüße alle Römer, die sich um ihren Kardinalvikar geschart haben, sowie die aus den verschiedenen Teilen der Welt hierhergekommenen Pilger. Der Evangelist Lukas sagt, Maria „erschrak“ bei den Worten, die der 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erzengel Gabriel im Augenblick der Verkündigung an sie gerichtet hat, und „überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe“. Diese Meditation Mariens stellt das erste Vorbild für das Rosenkranzgebet dar. Es ist das Gebet derer, denen der Gruß des Engels an Maria lieb und teuer ist. Die Menschen, die den Rosenkranz beten, greifen mit ihrem Denken und ihrem Herzen das Meditieren Mariens wieder auf und überlegen betend bei sich, „was dieser Gruß zu bedeuten habe“. 2. Zuerst wiederholen sie die Worte, die Gott selber durch seinen Boten an Maria gerichtet hat. Diejenigen, denen der Gruß des Engels an Maria lieb ist, wiederholen die Worte, die von Gott stammen. Beim Beten des Rosenkranzes sprechen wir mehrmals diese Worte. Das ist keine bloße Wiederholung. Die von Gott selber an Maria gerichteten und von dem göttlichen Boten vorgetragenen Worte schließen einen unergründlichen Inhalt ein. „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir . . .“ {Lk 1, 28), „gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen“ {Lk 1, 42). Dieser Inhalt ist aufs engste mit dem Geheimnis der Erlösung verbunden. Die Worte des Engelsgrußes an Maria führen in das Geheimnis ein und finden zugleich in ihm ihre Erklärung. Das bringt die erste Lesung der heutigen Liturgie zum Ausdruck, die uns zum Buch Genesis führt. Genau dort — auf dem Hintergrund der ersten, der Ur-Sünde des Menschen - verkündet Gott zum ersten Mal das Geheimnis der Erlösung. Zum ersten Mal macht er sein Wirken in der künftigen Geschichte des Menschen und der Welt bekannt. Zu dem Versucher, der sich hinter der Gestalt der Schlange verbirgt, sagt der Schöpfer: „Feindschaft stifte ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ {Gen 3, 15). 3. Die Worte, die Maria bei der Verkündigung vernimmt, offenbaren, daß die Zeit der Erfüllung der im Buch Genesis enthaltenen Verheißung gekommen ist. Vom Proto-Evangelium gehen wir über zum Evangelium. Das Geheimnis der Erlösung ist im Begriff, sich zu erfüllen. Der Bote des ewigen Gottes grüßt die „Frau“: Diese Frau ist Maria von Nazaret. Er grüßt sie im Hinblick auf den „Nachkommen“, den sie von Gott selber empfangen soll: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten...“ {Lk 1, 35). „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben“ {Lk 1, 31). 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrhaft entscheidende Worte. Der Gruß des Engels an Maria bildet den Anfang der größten „Werke Gottes“ in der Geschichte des Menschen und der Welt. Dieser Gruß eröffnet aus der Nähe die Perspektive der Erlösung. Man darf sich also nicht wundern, daß Maria, als sie die Worte dieses Grußes vernommen hatte, erschrak. Die Nähe des lebendigen Gottes erregt immer eine heilige Furcht. Genauso wenig darf man sich wundern, daß Maria sich fragt, „was dieser Gruß zu bedeuten habe“. Die Worte des Erzengels haben sie vor ein unergründliches göttliches Geheimnis gestellt. Ja mehr noch, sie haben sie in jenes Geheimnis miteinbezogen. Man kann dieses Geheimnis nicht einfach nur zur Kenntnis nehmen. Man muß immer von neuem und immer tiefer darüber nachdenken. Ihm wohnt die Kraft inne, nicht nur das Leben, sondern auch die Ewigkeit zu erfüllen. Und wir alle, denen der Gruß des Engels lieb und teuer ist, trachten, an der Meditation Mariens teilzunehmen. Wir versuchen das vor allem, wenn wir den Rosenkranz beten. 4. Durch die vom Boten in Nazaret gesprochenen Worte sah Maria gleichsam in Gott ihr ganzes Erdenleben und ihre Ewigkeit voraus. Warum antwortet sie, als sie hört, daß sie Mutter des Gottessohnes werden soll, nicht mit geistlichem Überschwang, sondern zunächst mit dem demütigen fiat. „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38)? Vielleicht deshalb, weil sie schon damals den stechenden Schmerz des Herrschens „auf dem Throne Davids“ fühlte, das auf Jesus zukommen sollte? Zugleich verkündet der Erzengel, daß „seine Herrschaft kein Ende haben wird“ (Lk 1, 33). Durch die Worte des Engelsgrußes an Maria beginnen sich alle Geheimnisse zu enthüllen, in denen sich die Erlösung der Welt erfüllen wird: freudenreiche, schmerzensreiche und glorreiche Geheimnisse, wie es im Rosenkranz geschieht. Maria, die „überlegte, was dieser Gruß zu bedeuten habe“, scheint in alle diese Geheimnisse einzutreten, wobei sie auch uns in sie einführt. Maria betet für uns und mit uns Sie führt uns ein in die Geheimnisse Christi und gleich in ihre eigenen Geheimnisse. Ihr Meditieren im Augenblick der Verkündigung öffnet beim Gebet des Rosenkranzes und dank diesem unseren Meditationen den Weg. 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Der Rosenkranz ist das Gebet, mit dessen Hilfe wir durch Wiederholen des Engelsgrußes an Maria versuchen, aus der Meditation der heiligen Jungfrau unsere Betrachtung über das Geheimnis der Erlösung zu schöpfen. Diese im Augenblick der Verkündigung begonnene Reflexion Mariens dauert in der Herrlichkeit ihrer Himmelfahrt fort. In der Ewigkeit verbindet sich Maria, tief versunken in das Geheimnis des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, als unsere Mutter mit dem Gebet derer, die den Englischen Gruß lieben und das im Rosenkranzgebet zum Ausdruck bringen. In diesem Gebet verbinden wir uns mit ihr wie die Apostel, die sich nach der Himmelfahrt Christi im Abendmahlssaal versammelt hatten. Daran erinnert die zweite Lesung der heutigen Liturgie aus der Apostelgeschichte. Der Verfasser schreibt — nachdem er die Namen der einzelnen Apostel genannt hat „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1, 14). Mit diesem Gebet bereiteten sie sich auf den Empfang des Heiligen Geistes am Pfingsttag vor. Maria, die am Tag der Verkündigung den Heiligen Geist in überragender Fülle empfangen hatte, betete zusammen mit ihnen. Die besondere Fülle des Heiligen Geistes bewirkte in ihr auch eine besondere Fülle des Gebetes. Durch diese einzigartige Fülle betet Maria für uns und mit uns. Auf mütterliche Weise leitet sie unser Gebet. Sie versammelt auf der ganzen Erde die unermeßlichen Scharen derer, denen der Gruß des Engels lieb ist. Zusammen mit ihr „denken wir nach“ über das Geheimnis der Erlösung der Welt, indem sie den Rosenkranz beten. Auf diese Weise bereitet sich die Kirche unablässig darauf vor, den Heiligen Geist zu empfangen wie am Pfingsttag. 6. In dieses Jahr fällt der hundertste Jahrestag der Veröffentlichung der Enzyklika Supremi apostolatus Papst Leos XIII., in der der große Papst festlegte, daß der Monat Oktober in besonderer Weise der Verehrung der Rosenkranzmadonna geweiht sein solle. In diesem Dokument unterstrich er mit Kraft die außerordentliche Wirksamkeit dieses Gebetes, wenn es mit reinem, frommem Herzen gebetet wird, um vom himmlischen Vater in Christus und durch die Fürsprache der Gottesmutter den Schutz gegen die schwersten Übel zu erlangen, die die Christenheit und die ganze Menschheit bedrohen können, und so die höchsten Güter der Gerechtigkeit und des Friedens unter den einzelnen und unter den Völkern zu erreichen. Mit dieser historischen Tat hat sich Leo XIII. nur an die Seite der 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zahllosen Päpste gestellt, die ihm darin vorausgegangen waren - darunter der hl. Pius V. und hinterließ denen eine Weisung, die ihm in der Förderung des Rosenkranzgebetes folgen würden. Darum möchte auch ich euch allen sagen: Macht den Rosenkranz zu der „süßen Kette, die euch alle (durch Maria) mit Gott verbindet“! 7. Groß ist meine Freude darüber, daß ich heute mit euch diesen feierlichen Gottesdienst zu Ehren der Rosenkranzkönigin feiern kann. Auf diese bedeutsame Weise reihen wir uns alle in das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung ein. Ich freue mich auch darüber, daß an diesem Gottesdienst die Vertreter der römischen Pfarreien teilnehmen, die Angehörigen meiner Diözese, die vom Kardinalvikar eingeladen wurden, um gemeinsam mit mir den Herrn zu loben anläßlich meines Bischofsjubiläums. Ich danke dem Kardinal für die Worte ergebener Zuneigung, die er auch im Namen der Mitglieder der Diözese mir gewidmet hat. Im besonderen danke ich für die Gebete, die am 25. Jahrestag meiner Bischofsweihe zum Herrn emporgesandt wurden. Alle zusammen wenden wir uns mit großer Liebe an die Muttergottes, indem wir die Worte des Erzengels Grabriel wiederholen: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mir dir, gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen.“ Und aus dem Mittelpunkt der heutigen Liturgie vernehmen wir die Antwort Mariens: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter“ (Lk 1, 46-48). Friedensnobelpreis für Lech Walesa Der Friedensnobelpreis 1983 ist am 5. Oktober in Oslo dem polnsichen Gewerkschaftsführer Lech Walesa zugesprochen worden, der somit als erster Pole mit dieser hohen internationalen Auszeichnung geehrt wird. Johannes Paul II. schickte nach Bekanntwerden der Nachricht das folgende Glückwunschtelegramm an Lech Walesa: 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sehr geehrter Herr Walesa! Anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises möchte ich Ihnen meine herzlichen Glückwünsche aussprechen. Besonders bedeutungsvoll ist die Tatsache, daß auf diese Art Ihr Wille und Ihre Bemühungen zur Lösung der schwierigen Probleme der Arbeitswelt und der Gesellschaft in Polen auf dem friedlichen Weg des ehrlichen Dialogs und der Zusammenarbeit aller belohnt worden sind. In diesem Geist spreche ich Ihnen meine Wünsche aus und bete unablässig zu Gott, damit diese so tief im evangelischen Gesetz der Liebe verwurzelte und dem Gewissen unserer Nation und aller friedliebenden Menschen so nahe Idee für jede Gesellschaft und die ganze zeitgenössische Menschheit zu einem Weg werde, der es gestattet, den Spannungen erfolgreich zu begegnen und sie zu überwinden. Gott segne Sie! PAPST JOHANNES PAUL II. Eine Frage des Überlebens Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Kongresses „Wissenschaft und Technologie gegen den Hunger in der Welt“ am 7. Oktober Liebe Freunde! Es ist eine besondere Freude für mich, die Teilnehmer des vom Nationalen Italienischen Forschungsrat veranstalteten internationalen Kongresses „Wissenschaft und Technologie gegen den Hunger in der Welt“ willkommen zu heißen. Das Thema Ihrer Beratungen verdient sorgfältigste Aufmerksamkeit und ist in der Tat von größter Bedeutung für eine Gruppe von Wissenschaftlern und Experten, die sich zur internationalen Zusammenarbeit im Kampf gegen den Hunger auf der Welt verpflichten. Die Erforschung von Mitteln und Wegen zur Ernährung der Bevölkerung dieser Generation und späterer Generationen muß die Mittel und Möglichkeiten aller Bereiche von Wissenschaft und Technologie heranziehen. Sie muß das Problem von verschiedenen Seiten in Angriff nehmen, um zu Lösungen zu kommen, die für die Gegenwart geeignet sind und den Anforderungen der Zukunft standhalten. Das Problem des Hungers in der Welt nimmt ernste Ausmaße an, wenn es 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vom Standpunkt der Entwicklungsvölker und -nationen aus gesehen wird, die verzweifelt versuchen, menschlichen Grundbedürfnissen zu entsprechen, aber bei diesem Bestreben scheitern wegen der sozialen, wirtschaftlichen und politischen Faktoren, gegen die sie ankämpfen. Die Dringlichkeit der Situation verlangt ein gemeinsames Vorgehen, das sich auf bilaterale wie multilaterale Zusammenarbeit stützt, und dieses Vorgehen setzt einen klaren Blick für die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte des Problems ebenso voraus wie für die kulturellen und geistlichen. Und das deshalb, weil das Überleben von Millionen unserer Menschenbrüder sich nicht auf eine Frage unabdingbarer nationaler Interessen oder politischen Nutzens reduzieren läßt. Ihr Überleben muß vielmehr in seiner vollen Bedeutung gesehen werden: als Verantwortung, als heilige Pflicht der ganzen im Geist brüderlicher Solidarität verbundenen Menschheit. Diese Verpflichtung stammt aus der gemeinsamen Sohnschaft unter der Vaterschaft Gottes und muß in einer allumfassenden Nächstenliebe zum Ausdruck kommen, einer Liebe, die eine Welt zu verwirklichen sucht, die „gegenüber allen Menschen menschlicher ist, wo alle in der Lage sein werden, zu geben und zu empfangen, ohne das eine Gruppe Fortschritte auf Kosten der anderen macht“ (Populorum progressio, Nr. 44). Es ist offenkundig, daß diejenigen sich vor gewaltige moralische Herausforderungen gestellt sehen, die für die technische Anwendung der Lösungen für das Problem des Hungers in der Welt verantwortlich sind. Sie müssen sich das gesamte verfügbare technologische und wissenschaftliche Wissen aneignen, es benutzen und dem zur Verfügung stellen, der für die Behebung der Ursachen und Auswirkungen dieses uralten, aber ständig wachsenden Problems kämpft. Die Kirche hat wiederholt Initiativen unterstützt, die sich um die Verminderung des Hungers in der Welt bemühen. Mit lebhaftem Interesse verfolgt der Hl. Stuhl besonders die Tätigkeit aller internationalen Organisationen, die Programme in dieser Hinsicht durchführen. Ich möchte Sie meiner eigenen Ermutigung zu diesem edlen Ziel, das Sie verfolgen, versichern. Ich tue das, weil Sie durch Ihr Bemühen, den Hunger zu beseitigen, auch die Welt zu einem menschlicheren Platz machen, auf dem sich leben läßt. Sie helfen mit, eine Welt aufzubauen, wo jeder ein im Vollsinn menschlicheres Leben leben kann, ein Leben, das auf jener gemeinsamen Würde gründet, die der uns vom Schöpfer gegebenen Natur entspricht. Mögen Ihre Bemühungen, den Hunger aus der Welt zu verbannen, von Erfolg gekrönt sein, da Sie für die ganze Menschheitsfamilie arbeiten. 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,,Sichere Führer und Vorbilder“ Ansprache beim feierlichen Gedenkakt für die Päpste Pius XII. und Johannes XXIII. in der Synodenaula am 8. Oktober Meine Herren Kardinäle! Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich danke den Kardinälen Giuseppe Siri und Franz König aufrichtig, daß sie mit so großer Eindringlichkeit das Bild der Päpste Pius XII. bzw. Johannes XXIII. ehrwürdigen Angedenkens gezeichnet und unserer Betrachtung nahegebracht haben. Mein Dank gilt auch den anderen Kardinälen, den Bischöfen und Persönlichkeiten, die durch ihre Anwesenheit sich dieser beiden großen Päpste, die sich durch ihr Wirken und ihre Lehre nicht nur um die Kirche, sondern um die Menschheit sehr verdient gemacht haben, nicht bloß erinnern, sondern sie ehren wollen. Die unparteiische und objektive Geschichtsschreibung wird ihre geistliche Größe und die umfassende Dimension ihrer Wirkung noch deutlicher und besser bezeugen und beweisen können und müssen, als das bis heute möglich war. 2. Pius XII. - Eugenio Pacelli, neunzehn Jahre lang Papst - ragt empor als unermüdlicher Verteidiger und leidenschaftlicher Diener des Friedens. In seiner ersten Botschaft am 3. März 1939, einen Tag nach seiner Wahl, richtete er von der Sixtinischen Kapelle aus an die Söhne und Töchter der Kirche und an alle Menschen die Aufforderung und Mahnung zum Frieden. Er schrieb und handelte unermüdlich, um den Ausbruch des Krieges - des schrecklichen Zweiten Weltkrieges - zu verhindern; dann unternahm er alles, um die zerstörerischen und tragischen Folgen des grauenhaften Konfliktes, der sich immer mehr ausbreitete und Millionen von Opfern forderte, zu vermindern; er bemühte sich mit allen Mitteln, den Frieden zu beschleunigen und die Leiden der schweren Nachkriegszeit zu lindern. „Mit dem Frieden ist nichts verloren, mit dem Krieg kann alles verloren sein!“ Dieser angstvolle Ruf, den er am Vorabend der Katastrophe hinausschrie, ist leider nicht gehört worden und war doch eine Prophezeiung! In seinen neunzehn Weihnachtsansprachen, die sein Nachfolger ein „Denkmal seiner Weisheit und seines apostolischen Eifers“ nannte, handelte Pius XII. vom Frieden als der Harmonie zwischen Gerechtigkeit und Liebe; vom Frieden der Gewissen, vom Frieden der Familien; vom 1111 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sozialen Frieden, vom internationalen Frieden. Papst Paul VI., der jahrelang täglich an seiner Seite gearbeitet hatte, konnte von ihm sagen: „Wir müssen Pius’ XII. als eines Mannes gedenken, der fest und leidenschaftlich für die Verteidigung der Gerechtigkeit und des Friedens eintrat, sich um jedes menschliche Unglück kümmerte, das besonders während des Krieges vielfältige Gestalt angenommen hatte und ins Unermeßliche gewachsen war. Ganz und gar fern lagen ihm Haltungen bewußter Unterlassung eines möglichen Eingreifens seinerseits, wann immer die höchsten Werte des Lebens und der Freiheit des Menschen in Gefahr waren. Ja, er hat es in konkreten und schwierigen Situationen gewagt, immer alles in seiner Macht Stehende zu versuchen, um jede unmenschliche und ungerechte Handlung zu vermeiden“ (Insegnamenti di Paolo VI, XII, 1974, S. 222 f.). Wir wollen auch an das leuchtende Beispiel des unvergeßlichen Papstes auf dem Gebiet der Bibelwissenschaften, der Theologie, der Moral- und Soziallehre erinnern; an die neue Übersetzung der Psalmen; an die Ausgrabungen beim Petrusgrab; an die Ankündigung und Verwirklichung des Heiligen Jahres 1950, das Millionen nach Gott dürstende Pilger nach Rom führte, an die feierliche Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel am 1. November des Heiligen Jahres 1950. 3. Auf ihn folgte Johannes XXIII., Angelo Giuseppe Roncalli. Ein Pontifikat, das nur vier Jahre dauerte, aber von der Persönlichkeit des milden, freundlichen, weitblickenden Oberhirten gekennzeichnet war, der in der Geschichte der Kirche eine unauslöschliche Spur hinterlassen hat. Wenige Monate nach seiner Wahl kündigte er am 25. Januar 1959 in der Basilika Sankt Paul vor den Mauern das Ökumenische Konzil, die Römische Synode und die Revision des Kirchlichen Gesetzbuches für die lateinische Kirche an. Er hat den Abschluß der Römischen Synode erlebt und konnte das Konzil und die Reform des C.I.C. eröffnen, aber nur ihre ersten Phasen miterleben. Diesen beiden kirchlichen Ereignissen hat er gewiß seinen prophetischen Stempel aufgeprägt, und sie werden mit seinem Namen und mit seiner Intuition verbunden bleiben, die die Notwendigkeit einer inneren „Erneuerung“ und des „aggiornamento“ mancher Strukturen der pilgernden Kirche erkannte, die mit den Menschen ihrer Zeit gehen und im Gespräch bleiben muß. Von dem fruchtbaren Lehramt Johannes’ XXIII. sind es zwei Dokumente, die bei ihrer Veröffentlichung tiefen Widerhall und Eindruck in der ganzen Welt erregten: die Enzyklika Mater et magistra vom 15. Mai 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1961 zum 70. Jahrestag von Rerum novarum Papst Leos XIII. und die Enzyklika Pacem in terris vom 11. April 1963, gleichsam im Angesicht seines bevorstehenden Ablebens. „Der Friede auf Erden, die tiefe Sehnsucht der Menschen aller Zeiten, kann nur in der vollen Achtung der von Gott festgesetzten Ordnung hergestellt und gefestigt werden.“ Das war das großartige Thema jenes geistlichen Testamentes, das das große Herz Johannes’ XXIII. im Einklang und in Übereinstimmung mit der Lehre und dem Bemühen seines Vorgängers Pius XII. der ganzen Menschheit hinterlassen hat. Hervorheben muß ich den starken Impuls, den Johannes XXIII. durch seine Persönlichkeit, sein Werk und sein Lehramt dem Ökumenismus verliehen hat. Bei der ersten feierlichen Ankündigung des Konzils stellt er die Einheit der Christen als eines der großen Ziele der ökumenischen Kirchenversammlung auf; die nichtkatholischen Gemeinschaften wurden eingeladen, ihm „bei dieser Suche nach Einheit und Gnade“ zu folgen (Discorsi Messaggi, Colloqui del S. P. GiovanniXXIII, 1,133). Von da an sprach er ständig von dieser Zielsetzung des Konzils, forderte unaufhörlich zum Gebet, zum Engagement, zur Aktion, zum gegenseiten Verständnis auf; er traf mit Persönlichkeiten aller Konfessionen und christlichen Gemeinschften zusammen. In der Vorbereitungsphase des Konzils richtete er - neben den verschiedenen Kommissionen - durch das Motu Proprio Superno Dei vom 5. Juni 1960 ein eigenes Sekretariat ein, um die Liebe und das Wohlwollen des Apostolischen Stuhles gegenüber den nichtkatholischen Christen zu bekunden: Sie sollten den Arbeiten des Konzils folgen und leichter den Weg zur Erlangung jener von Jesus erflehten Einheit finden können. So entstand das Sekretariat für die Einheit der Christen. Für diese Einheit bot Johannes XXIII. dem Herrn sein Leben dar: „Ich biete mein Leben dar für die Kirche, für die Weiterführung des Ökumenischen Konzils, für den Frieden der Welt, für die Einheit der Christen Meine Erdentage gehen zu Ende; aber Christus lebt, und die Kirche’ führte ihre Aufgabe weiter; die Seelen, die Seelen: ut unum sint, ut unum sint (mögen eins sein, mögen eins sein) . . .“ (ebdV, 618 f.). Das waren seine letzten auf dieser Erde gesprochenen Worte. Wir bringen heute der Heiligsten Dreifaltigkeit unseren gebührenden und demütigen Dank dafür dar, daß sie der Kirche diese beiden Päpste geschenkt hat, auf die sie mit berechtigtem Stolz als auf sichere Führer und Vorbilder unbeugsamen Glaubens und fruchtbarer Liebe blicken kann. 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die offene „heilige Tür“ Ansprache vor ungarischen Pilgern am 8. Oktober Dicsertessek a Jezus Krisztus! - Gelobt sei Jesus Christus! Herr Kardinal, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, liebe Gläubige! 1. Herzlich willkommen! Während ich euch hier freundlich begrüße, gehen meine Gedanken in eure geliebte Heimat, in der schon seit vielen Jahrhunderten der christliche Glaube tiefe Wurzeln geschlagen und wunderbare Früchte persönlicher Heiligkeit, sozialer Initiativen, des Denkens und der Kunst hervorgebracht hat. Ihr könnt auf ruhmreiche Traditionen zurückschauen; nun müßt ihr euch tapfer und ihrer würdig erweisen! Ihr seid auf nationaler Pilgerfahrt nach Rom gekommen, um an den Gräbern der Apostel das Jubiläum der Erlösung zu feiern. Ihr wandelt dabei auf den Spuren vieler anderer eurer Landsleute, die im Laufe der Jahrhunderte ihre Schritte in dieses Zentrum der Christenheit gelenkt haben. Die Bande, die Ungarn mit dem Stuhle Petri verbinden, waren immer sehr eng und lebendig. Die ungarischen Katholiken sind sich dessen bewußt und wollten hier ein greifbares Zeichen ihrer Hingabe an die Kirche geben, die auf Christi Wunsch „der universalen Gemeinschaft der Liebe vorsteht“ (Ignatius, Ep. ad romanos). Vor drei Jahren, eben an diesem Tag, dem 8. Oktober, habe ich in den vatikanischen Grotten die der „Magna Domina Hungarorum“ gewidmete Kapelle eingeweiht. Ich freue mich, daß unsere Begegnung an diesem bedeutungsvollen Jahrestag stattfindet und vertraue darauf, daß die Verehrung der heiligen Jungfrau weiterhin die Herzen der neuen Generation zu dem hinlenken möge, den Maria gebar, um die Welt zu retten. 2. „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4, 12). Christus ist der Erlöser, er allein. Ihr versteht also, weshalb ich zu diesem 1950jährigen Jubiläum der Erlösung die heutigen Menschen erneut aufgefordert habe: „Öffnet die Türen dem Erlöser!“ Die Kirche bietet den aufeinanderfolgenden menschlichen Generationen die „Frohbotschaft“ an, diese entscheidende Tatsache, die das Schicksal der Menschheit geändert hat. Die Geschichte der Kirche beruht auf der Erlösung; sie ist gleichzeitig der Horizont der Hoffnung, in dem sich die Geschichte der ganzen Welt abspielt. „Mögen sich die Herzen vieler unserer Zeitgenossen der besonderen 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gnade des Jubiläums der Erlösung öffnen!“ So schrieb ich in der Indiktionsbulle zum Jubiläum, deren Text auch in eure Sprache übersetzt und in einer schönen Ausgabe veröffentlicht worden ist. Möge man wirklich zu „einer Neuentdeckung der Liebe des sich schenkenden Gottes“ kommen und zu „einer Vertiefung der unerforschlichen Reichtümer des Paschageheimnisses Christi“ (Aperite portas redemptori, Nr. 8). Das setzt - wie ihr wohl versteht - die Verpflichtung zu ernsthafter innerer Erneuerung und hochherziger Versöhnung mit Gott und den Mitmenschen voraus. Nur unter dieser Bedingung kann nämlich die „objektive“ Wirklichkeit der Erlösung zu einer „subjektiven“ Wirklichkeit werden und ihre Früchte der Befreiung und der Freude im Leben jedes einzelnen hervorbringen. Christus bietet allen ohne Unterschied die Gabe der durch seinen Tod und seine Auferstehung erhaltenen Gnade an. Die offene „heilige Tür“, durch die jeder, der es wünscht, eintreten kann, ist eben Symbol für den weltumfassenden Wunsch nach Erlösung, durch die sich Gott dem Menschen nähert, ihn aufnimmt und ihn in den Genuß der Freude und des Friedens in seinem Haus einführt. 3. Geliebte ungarische Brüder und Schwestern! Dieses Heilige Jahr birgt für euch einen besonderen Grund zur Freude. Ihr feiert nämlich die 900-Jahr-Feier der Kanonisation eurer erster Heiligen. Im Jahre 1083, während des Pontifikats des hl. Gregor VII., erklärte der hl. Ladislaus Stephan, Emmerich und Gerhard in Szekesfehervar zu Heiligen. Diesen hervorragenden Männern verdankt eure Heimat durch die Verkündigung des Evangeliums die Förderung der nationalen Einheit in Frieden und Eintracht. Auch ein anderes Jubiläum darf nicht vergessen werden! Nach der Befreiung Wiens 1683, an die ich während meines kürzlich erfolgten Besuchs in dieser Hauptstadt erinnert habe, wurde auch Esztergom, die Stadt, in der der ungarische Primas seinen Sitz hatte, befreit. Bei dieser Gelegenheit hat König Sobieski — wie Kardinal Lekai berichtete — zusammen mit dem ungarischen Volk in der Bokocz-Kapelle der Kathedrale das Te Deum gesungen. Diese geschichtlichen Daten ragen aus der Vergangenheit mit der Faszination hervor, die menschlicher und christlicher Größe innewohnt: Möchten diese den heute lebenden Kindern der ungarischen Nation die Gefühle und Ideen eingeben, die einem an Idealen so reichen Erbe würdig sind! Diesen Wunsch vertraue ich der mächtigen Fürsprache der „Magna Domina Hungarorum“ an, die ich anflehe, euch, euren Lieben und der 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen Nation Wohlstand, wirksame Eintracht und sicheren Frieden zu schenken. Als Pfand meiner steten Zuneigung begleite euch der versöhnende Apostolische Segen, den ich euch hiermit von Herzen erteile! „Christus will bei euch sein, immer!“ Predigt bei der feierlichen Brautmesse für 38 Brautpaare im Petersdom am Sonntag, 9. Oktober 1. „Laßt uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich . . . Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1, 26-27). Liebe Brüder und Schwestern! Spender des Sakraments, durch das ihr heute zu Ehegatten in Jesus Christus werdet! Ich heiße euch herzlich willkommen und begrüße euch als Pilger des Heiligen Jubeljahres der Erlösung. Gemeinsam richten wir den Blick auf das ewige Werk des Schöpfers, das in der geschaffenen Welt von Generation zu Generation fortdauert. Dieses Werk ist jeder Mensch: Mann und Frau, geschaffen als Abbild Gottes. Jeder von euch ist Ausdruck der ewigen Liebe. Wir haben daher - nach der Lesung aus dem Buch Genesis - mit Recht den Antwortpsalm gesungen: „Unser Gott ist groß in der Liebe.“ Die Liebe Gottes offenbart sich in dem, was der Mensch im Schöpfungswerk ist: Mann und Frau. Gott der Schöpfer „sah“ als erster, daß „alles, was er gemacht hatte, sehr gut war“ (Gen 1, 31). '2. Heute richten wir den Blick auf den ewigen Plan des Schöpfers, der in das Werk der Schöpfung des Menschen — des Mannes und der Frau - das ewige Sakrament eingeschrieben hat. Eure Berufung ist groß Dieses Sakrament, die Ehe, wird heute zu eurer Rolle und Aufgabe. Heute erfüllt ihr das Wort des Schöpfers: „Darum verläßt der Mann Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2, 24). Heute werdet ihr vor Gott und vor den Menschen „ein Fleisch“ - und diese Vereinigung hat ihren Ursprung in der Liebe. 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott, der „groß ist in der Liebe“, nimmt euch an, so wie er jene beiden ersten - Mann und Frau - annahm, die er als sein Abbild geschaffen hatte. Heute werdet ihr durch das Sakrament zu Mit-Wirkem des Schöpfers und zu Mit-Verwaltern des Schöpfungswerkes. Ihr seid aufgerufen, die Erde zu bevölkern und sie euch zu unterwerfen (vgl. Gen 1, 28). Eure Berufung und eure Verantwortung sind groß. Der Schöpfer beruft euch als Ehegatten zur Elternschaft: zur verantwortlichen Elternschaft. In der Ehe die Aufgabe der verantwortlichen Elternschaft übernehmen heißt, bewußt am Werk des Schöpfers mitzuwirken. Es heißt, das Geheimnis des Lebens mit größter Hochachtung zu behandeln. Sich in „Werk und Wahrheit“ zur Heiligkeit und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens bekennen, zu dessen Spendern ihr in diesem Sakrament werdet. Das bedeutet auch, daß ihr die rhythmischen Phasen der menschlichen Fruchtbarkeit beachtet und diesem Rhythmus gemäß eure Elternschaft plant. Das alles gehört zur bewußten Mitarbeit am Werk des Schöpfers. 3. Der Schöpfergott ist zugleich Vater. In ihm findet ihr das höchste Vorbild eurer Berufung. Denn als Ehegatten sollt ihr auch Eltern werden: Vater und Mutter. Der Schöpfergott als Vater nimmt euch heute in Jesus Christus an. Die Ehe - als Sakrament der Schöpfung - wird in Jesus Christus zum Sakrament des Neuen Bundes. Der Vater nimmt euch heute in seinem von Ewigkeit her geliebten Sohn als Söhne und Töchter an, er läßt euch an jener Liebe teilhaben, mit der Christus die Kirche geliebt hat: „Christus hat die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben“ (Eph 5, 25). Auf diese Liebe nimmt der Verfasser des Epheserbriefes Bezug, wenn er schreibt: „Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (ebd.). Sakrament der Schöpfung Ihr seid also zur Liebe berufen. Ihr könnt nur dann „ein Fleisch“ werden, wenn in euch die Liebe wirksam ist, die ein Geschenk Gottes ist. Als „ein Fleisch“ könnt ihr nur dann Spender des Sakramentes der Schöpfung werden, wenn ihr bereit seid, mit Worten, mit dem Herzen und in der Tat zu wiederholen: Gott ist Liebe; wir lieben einander, wie Gott uns geliebt hat. 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Brüder und Schwestern! Ihr spürt selber, daß dieser sakramentale Bund der Seelen und Leiber, den ihr heute schließt, nur in der Liebe gefestigt werden kann. In jener Liebe, die von Gott kommt ... Sie ist in das Herz des Menschen eingeschrieben - und zugleich ist sie größer als dieses Herz. Sie muß größer sein, damit sie andauern kann, auch wenn das menschliche Herz enttäuscht. Sich selbst als Opfer darbringen Ja: Für den ewigen Vater ergibt sich der sakramentale Bund der Eheleute nicht nur aus dem Schöpfungswerk, sondern auch aus jener Liebe, mit der Christus jeden von euch geliebt hat, als „er sich hingegeben hat“ (Eph 5,25). Christus selbst steht heute vor euch, liebe Brautleute und „Spender des großen Sakramentes“, und sagt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15, 9). Das sagt Christus. Und das ist zugleich der große Wunsch, den die Kirche an diesem festlichen Tag an euch richten kann: Bleibt in seiner Liebe! Eure Liebe höre nie auf, aus jener Liebe zu schöpfen, mit der er geliebt hat. Dann wird eure Liebe niemals erlöschen. Sie wird euch niemals enttäuschen. Es wird sich euch jene Tiefe und Reife enthüllen, die der Berufung als Ehegatten und Eltern entspricht: verantwortliche Verwalter des Schöpfungswerkes und Mitarbeiter des Schöpfers und ewigen Vaters zu sein. „Dies habe ich euch gesagt - fügt Christus hinzu -, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15, 11). Die Kirche wünscht euch heute diese Freude! 5. Wir nehmen am Heiligen Jubeljahr der Erlösung durch die Sakramente der Kirche teil. Heute empfangt ihr, liebe Brautleute aus Italien und verschiedenen anderen Ländern, an diesem ehrwürdigen Ort, in der Petersbasilika, das Ehesakrament als Frucht der Erlösung Christi, die in der Kirche bleibend weiterbesteht. Und gleichzeitig seid ihr Verwalter dieses Sakraments, indem ihr es euch gegenseitig spendet: der Mann der Frau und die Frau dem Mann. Ausdruck dafür sind die Worte des Eheversprechens, das ihr einander gebt. Das Sakrament trägt die Gnade in sich, die unser menschliches Leben in 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott festigt und es ständig auf Gott ausrichtet. Auf dem geistlichen und übernatürlichen Fundament der göttlichen Gnade basiert der Weg eurer Erlösung, der durch die Errichtung der Ehe- und Familiengemeinschaft führt. Und darum spricht in der zweiten Lesung der hl. Paulus mit den folgenden Worten aus dem Römerbrief zu uns: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst. Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12, 12). Und dann gibt der Apostel zahlreiche Weisungen, die von großer Bedeutung für die Errichtung der Ehe- und Familiengemeinschaft sind: Liebe ohne Heuchelei „Eure Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten! Seid einander in brüderlicher Leibe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! Laßt nicht nach in eurem Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet! Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind; gewahrt jederzeit Gastfreundschaft! Segnet eure Verfolger; segnet sie, verflucht sie nicht! Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Seid untereinander eines Sinnes; strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig! Haltet euch nicht selbst für weise! Vergeltet niemals Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht!“ {Röm 12, 9-17). Brüder und Schwestern! Die Gnade des Ehesakramentes wird euch heute aus der Fülle der Erlösung Christi gewährt, damit ihr an ihr mitwirkt. Durch euer Mitwirken wird die Ehe- und Familiengemeinschaft aufgebaut, auf sie stützt sich die unauflösliche Bindung und Einheit, die ihr euch heute gegenseitig versprecht. Wendet euch - im Gebet und in eurem Verhalten - unaufhörlich an diese sakramentale Gnade. Wendet euch insbesondere an sie, wenn ihr auf eurem Weg Schwierigkeiten und Prüfungen begegnet. Christus will bei euch sein, immer! 6. In diesen Wochen findet hier die Bischofssynode über das Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ statt. Vor drei 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jahren — 1980 — hat die Bischofssynode sich mit dem Thema „Die Aufgaben der christlichen Familie in der heutigen Welt“ beschäftigt. Das Ergebnis dieser Arbeit war das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, das ich bei dieser Gelegenheit jedem Brautpaar überreichen möchte. Während ich meine herzlichen Gedanken auf alle hier Anwesenden ausweite, die ihren 25. oder 50. Hochzeitstag feiern, und ihnen meine Glückwünsche ausspreche, will ich das Gebet lesen, das wir vor drei Jahren - im Verlauf der Synode - wiederholt gesprochen haben. Gott, von dem jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden stammt, Vater, der du Liebe und Leben bist, laß jede Menschenfamilie auf Erden durch deinen Sohn, Jesus Christus, der „von einer Frau geboren wurde“, und durch den Heiligen Geist, die Quelle göttlicher Liebe, zu einem wahren Heiligtum des Lebens und der Liebe werden für die sich stets erneuernden Generationen. Bewirke, daß deine Gnade die Gedanken und die Werke der Ehegatten leite zum Wohl ihrer Familien und aller Familien auf der Welt. Laß die jungen Generationen in der Familie eine starke Stütze finden für ihr Menschsein und ihr Wachsen in der Wahrheit und in der Liebe. Laß die von der Gnade des Ehesakraments gestärkte Liebe sich als stärker erweisen als jede Schwäche und jede Krise, welche unsere Familien manchmal durchmachen. Laß uns dich schließlich durch Fürsprache der Heiligen Familie von Nazaret darum bitten, daß die Kirche unter allen Nationen der Erde ihre Sendung in der Familie und durch die Familie auf fruchtbare Weise erfüllen könne. Durch Christus unseren Herrn, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. „Brot ist brüderliche Nahrung“ Ansprache an den europäischen Bäcker-Verband am 10. Oktober Meine Damen und Herren! 1. Ich bin Ihnen dankbar für den Besuch, den Sie mir heute abstatten, für Ihre Worte und Ihren sehr bezeichnenden Ehrenerweis. Sie vertreten die „Internationale Union der Bäcker und Konditoren“ und speziell etwa 15 europäische Verbände. Sie beschließen gerade die europäische „Woche des Brotes“, in der Sie die Öffentlichkeit auf originelle Weise 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über Ihr edles Handwerk unterrichten konnten, und über die Geschichte des Brotes, im besonderen mit der Ausstellung „Brot für alle“. Ihr Beruf erinnert stets an etwas so Sympathisches und für alle Familien Notwendiges wie das Brot, dazu an die vielen Formen von Kuchen und Gebäck. Wir alle brauchen Ihr Brot. Es ist, wenigstens in Europa, seit alten Zeiten das Grundnahrungsmittel. Brot ist zugleich die brüderliche Nahrung, Symbol der Zusammengehörigkeit und des Teilens bei denen, die in ihrer Familie „das Brot brechen“. Noch mehr sichert es ihre gegenseitige Solidarität. Ihr Handwerk setzt praktisches Können voraus, das vom Vater auf den Sohn vererbt wird, vom alten Menschen auf den Lehrling. Es erfordert Sorgfalt, Geschmack, Energie und Zusammenarbeit, oft in einer kleinen Gruppe. Sie haben Ihre Initiative überdies in den Rahmen des europäischen Jahres des Handwerks eingefügt, ohne damit die Tatsache einer gewissen Industrialisierung zu leugnen. Ich möchte, daß Sie Ihr Handwerk weiter als Berufung betrachten. 2. Ich ermutige Sie selbstverständlich, immer besser den Wünschen der Verbraucher zu entsprechen, oder vielmehr ihren Bedürfnissen und ihrem Wohl, und dabei den Geist des Dienstes am Nächsten zu pflegen. Man muß den Leuten Brot nach ihrem Geschmack anbieten, das nicht nur gut schmeckt, sondern nährt, bekömmlich und gesund ist, angefangen bei seinen natürlichen Grundbestandteilen, dem Getreide und echtem Mehl. Bemühen Sie sich weiter um die Qualität des Brotes, die Sie ehrt, ferner um das höhere Gut der Gesundheit Ihrer Kunden. Auch Ihnen steht das Recht auf gerechtes Einkommen und auf Arbeitsbedingungen zu, die echt menschlich sind. Mein Vorgänger, Papst Johannes XXIII., hat Ihnen gegenüber die Sonntagsruhe betont. Hier wurde ein erheblicher Fortschritt erzielt, doch es bleibt die Frage der Nachtarbeit. Sie ist vielleicht nicht unlösbar, wenn man im Bäckerhandwerk maßvoll neue Techniken einsetzt. Ihre Arbeit bleibt freilich ohne Zweifel hart, aber wenn ihr Ablauf verbessert werden könnte, wer würde sich darüber nicht freuen? Es geht hier nicht nur um Ihre wohltuende Ruhe während eines großen Teils der Nacht, sondern auch um Ihr Familienleben, Ihre Präsenz bei den Kindern und ein ausgeglichenes Leben der Lehrlinge. Ich wage nicht, mich weiter über diese praktische Frage zu verbreiten, die Sie selber in Ihren Verbänden studieren müssen, auch unter Berücksichtigung des Ganzen der Gesellschaft. 3. Gestatten Sie mir, drei religiöse Gedanken anzufügen, die Ihrer Arbeit eine noch tiefere Dimension geben. Ein Christ hat besonderen Grund, die 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Härte seiner Arbeit auf sich zu nehmen. „Mit Schweiß im Gesicht sollst du dein Brot essen“, sagt Gott im Buch Genesis (3,19). Sie aber stellen das Brot ebenfalls mit Schweiß auf der Stirn her. Das Aufopfern dieser Mühe kann nun wie das aller harten Arbeiten einen großen geistlichen Wert gewinnen. Man kann es vollziehen in Vereinigung mit Christus, dem Mann der Arbeit; sie wird Quelle des Segens und der Erlösung für uns und unsere Brüder (vgl. die Enzyklika Laborem exercens, Nr. 25, 26 und 27). Ihr Beruf führt Sie ferner notwendig zum Nachdenken über das Problem des Hungers in der Welt; für viele Millionen Menschen ein Drama, weil ihnen das notwendige Brot fehlt. Christus hatte Mitleid mit einer solchen Menge. Er hat die Brote vermehrt. Er hat sogar die übriggebliebenen Stücke sammeln lassen. Er hat den Menschen die Aufgabe gestellt, ihre Kräfte zu vereinigen und Brot für den Leib zu beschaffen. Wir müssen dazu ebenfalls unseren Beitrag leisten, jeder nach seiner Verantwortlichkeit, einschließlich der Erziehung der Jugendlichen. Am nächsten Sonntag begehen wir den Welttag der Ernährung, der die öffentliche Meinung hoffentlich ein wenig aufgeschlossener macht. Schließlich ist das Brot nicht nur ein unerläßliches Nahrungsmittel für unser leibliches Leben. Christus hat Brot zur Materie des Sakraments der heiligen Eucharistie erwählt, das den Gipfel seiner Liebe bildet, da hier sein Leib gegenwärtig wird, für uns hingegeben und auferweckt zu neuem Leben. Dieses Geheimnis ist groß! Es erfüllt den Gläubigen mit Ehrfurcht und Freude. Es ehrt jene, deren Sendung es ist, das Brot bereiten zu dürfen, das der Priester konsekrieren wird. Das Brot, bereits in der Schöpfungsordnung Symbol der Gabe Gottes und der Arbeit des Menschen, des brüderlichen Teilens, des Friedens und des Lebens, das es spendet, gewinnt sakrale Bedeutung. Mögen diese Gedanken denen unter Ihnen Anregung bieten, die unseren Glauben teilen. Mögen sie Ihnen allen helfen, Ihr Handwerk zu lieben und Ihren Brüdern zu dienen! Möge den Menschen nie das Brot fehlen, denn so ist es der Wille Gottes, und seines Messias, der uns gelehrt hat, um das Wesentliche zu beten: „Unser tägliches Brot gib uns heute.“ „Heute“ heißt es, denn Sie wissen, Brot muß jeden Tag frisch sein. Der Sinn ist also: Gib uns das wesentliche Brot, das wir für unser Leben brauchen, und jenes, das unsere Seele braucht. Bejahen wir es, dafür arbeiten zu müssen. Seien wir aber auch zufrieden, es als Gabe des Herrn zu empfangen. Möge der Segen Gottes auf jeden von Ihnen herabsteigen, auf Ihre Familien und auf alle, die Sie vertreten! 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ihr könnt auf große Schätze zurückgreifen“ Ansprache an eine Gruppe libanesischer Pilger am 13. Oktober Seligkeiten, verehrte Brüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensmänner und -frauen und Gläubige aus dem Libanon! Diese Begegnung mit euch allen heute morgen ist für mich Grund zu großer Freude, weil sie mir Gelegenheit gibt, in euch die Kirche des Libanon mit ihrer reichen Vielfalt an Riten und ehrwürdigen geistlichen Traditionen zu grüßen. Ich möchte durch euch bei diesem Empfang auch einen liebevollen Gruß an eure so schmerzlich geprüfte Heimat schicken, die mir gerade aufgrund ihrer Prüfung besonders nahesteht. Meine Gedanken wenden sich noch einmal unseren Brüdern in den Ostkirchen zu, deren geistliche Oberhäupter mich kürzlich besucht haben: Seine Heiligkeit, der Katholikos von Kilikien, Karekin Sarkissan und Seine Seligkeit, der griechisch-orthodoxe Patriarch von Antiochien, Ignatios Hazim. Schließlich möchte ich auch eurer islamischen Mitbürger gedenken, mit denen ihr zusammenlebt und -arbeitet und die mit euch die schrecklichen Leiden erdulden, die der Krieg unvermeidlicherweise hervorgerufen hat. Es ist klar, daß ich in besonderer Weise gleich zu Beginn dieser Begegnung an das in den letzten Wochen von der Bergbevölkerung des Chouf erlebte Drama erinnern muß, die Opfer schrecklicher Gewalttätigkeiten wurde. Die Massenmedien haben uns fast stündlich an den Schrecken der Massaker teilnehmen lassen, denen Christen und Drusen zum Opfer fielen und die im besonderen eine Prüfung für so viele christliche Familien bedeuteten, die ihre Häuser, Kirchen, Klöster und alles, was sie mit viel Mühe erworben hatten, verbrannt und zerstört sahen. Wie ihr wißt, hat der Hl. Stuhl in diesem tragischen Moment keine Bemühungen unterlassen, um mit den beschränkten Mitteln, die seiner besonderen Stellung entsprechen, ununterbrochen zu versuchen, dieser Entfesselung des Hasses und der Grausamkeit Einhalt zu gebieten und sie zu erleichtern. Ich selbst wende mich immer wieder an das Gewissen der Welt und die Verantwortlichen der Nationen und rufe sie auf, den Libanesen zu helfen, diesem tödlichen Bruderkampf ein Ende zu bereiten und alle freiheitsliebenden Länder aufzufordern, den legitimen Behörden des Libanon bei ihrer Bemühung zu helfen, eine normale Lage wiederherzustellen, die Unabhängigkeit ihrer Nation zu sichern und sich von allen ausländi- 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Eingriffen freizumachen, die das Leben dieses kleinen Landes so schwer belasten. Alle diplomatischen Initiativen des Hl. Stuhls und die Begegnungen der letzten Tage hatten das einzige Ziel, einen Beitrag zu leisten, um den guten Willen siegen zu lassen und an die zwingende Pflicht zur Brüderlichkeit unter den Kindern eines einzigen Gottes zu erinnern. Ihre Seligkeiten, die hier anwesenden Patriarchen und Bischöfe, haben mir noch einmal die Ängste und Befürchtungen aller Libanesen vortragen wollen, aber auch die unwandelbare Hoffnung dieses mutigen Volkes, das, durch die Prüfung gehärtet, mit dem Apostel Paulus ausrufen kann: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt!“ (Phil4.13) Ja, meine lieben Brüder und Kinder, heute morgen möchte der Papst eine Hoffnungsbotschaft an euch richten, die ihr allen euren Mitbürgern überbringen sollt. Hoffnung in den guten Willen derjenigen, denen bei den internationalen Instanzen das Schicksal des Libanon am Herzen liegt. Hoffnung in die guten Absichten der Libanesen, die trotz aller Schwierigkeiten die Zukunft ihres Landes in Händen halten. Hoffnung vor allem in diejenigen, die aufgrund ihres Glaubens an Jesus, den Christus Gottes, glauben, daß der Frieden immer realisierbar ist, daß es immer möglich ist, sich als Brüder zu betrachten und daß dem Dialog immer das letzte Wort gebührt. Wenn Christus uns mit dem Vater versöhnt hat, wenn er unser Bruder geworden ist, wenn die Kirche „gleichsam das Sakrament der . . . innigsten Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit ist“ {Lumen gentium, 1), dann obliegt es doch vor allem euch libanesischen Christen, besonders in diesem Jubeljahr der Erlösung, die Aufgabe zu übernehmen und zu zeigen, daß die „nationale Verständigung“, die all eure Mitbürger herbeiwünschen, immer noch möglich ist: - Sie ist für diejenigen möglich, die ihr Herz ändern und sich Gott zuwenden, sich bekehren können, um wieder das Vaterunser beten zu lernen. - Sie ist für alle diejenigen möglich, die stolz auf die lange bestehende Koexistenz zwischen verschiedenen geistlichen und kulturellen Traditionen im Libanon sind, die ja die Originalität dieses Landes ausmacht. - Sie ist auch für alle jene möglich, die zur gegenseitigen Achtung bereit und so in der Lage sind, eine Heimat im Dienste des Menschen aufzubauen. Es ist wirklich möglich, und in der Enzyklika Dives in misericordia schrieb ich, daß „Liebe und Erbarmen die Menschen dazu bringen, einander in dem Wert zu begegnen, den der Mensch selbst in der ihm eigenen Würde darstellt“ (Nr. 14). 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Überzeugung muß natürlich von politischen Bemühungen auf nationaler wie internationaler Ebene unterstützt werden. Man muß ohne Verzögerung die dringlichen Probleme wie die dramatische Lage der belagerten Dörfer wie Deir-el Kamar und anderer lösen, wo die Bewohner gleichsam von den bewaffneten Kräften, die die Region unter Kontrolle halten, als Geisel betrachtet werden. Wir müssen auch an den bevorstehenden Winter denken und also die heikle Lage der Flüchtlinge verbessern, die ja nichts besitzen. Ich bin überzeugt, daß sich die zahlreichen wohltätigen Organisationen aus aller Welt hochherzig erweisen. Vor allem muß die öffentliche Macht all ihre Kraft einsetzen, um das Vertrauen unter den Bürgern wiederherzustellen, indem sie mutig notwendige Entscheidungen trifft, damit sich alle Libanesen um ihre legitimen Autoritäten sammeln in der Bemühung, in Würde und Unabhängigkeit die Zukunft eines Landes zu sichern, in dem jeder seine Stimme erheben kann und am gemeinsamen Schicksal teilhat, beim Wiederaufbau des neuen Libanon mitzuhelfen. Ich weiß, daß ihr hier in euren Bischöfen aufmerksame Hirten finden werdet. Deshalb richte ich mich direkt an sie, um sie in ihrer anspruchsvollen Mission zu ermutigen. Meine lieben Brüder im Bischofsamt! In dieser schwierigen Zeit schauen eure Gläubigen auf euch und erwarten sehr viel von euch. Jetzt ist der Augenblick gekommen, alle Kräfte eurer Gemeinschaften zu sammeln und gemeinsam und organisch inmitten so vieler Leiden und Ungewißheiten das Licht der Botschaft dessen leuchten zu lassen, „der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können“ (Eph 3, 20). In dieser schwierigen Aufgabe, das muß man wohl hinzufügen, habt ihr das Glück, mit der geistlichen Unterstützung eurer Gläubigen rechnen zu können, die keine Schwierigkeit ins Schwanken gebracht hat. Ihrem christlichen Glauben zutiefst verbunden, haben sie im Notfall die Kraft gezeigt, ihr Blut für den Namen Jesus Christus zu vergießen. Ihr seid ebenfalls der unermüdlichen Hingabe eurer Priester sicher, die immer ihren Gläubigen bis in den Tod beigestanden haben. Ihr könnt auch auf einen großen Schatz zurückgreifen, der auf libanesischem Boden in den Angehörigen der männlichen und weiblichen Ordensfamilien zu finden ist, die für so viele Geprüfte und Verzweifelte die göttliche Vorsehung verkörpern. Ja, Seligkeiten und liebe Brüder im Episkopat, alle warten nur darauf, geführt zu werden, damit ihre Schritte festen Boden finden können. Sie alle stellen euren Schatz dar: Welch Reichtum liegt damit in euren Händen! Zum Abschluß möchte ich euch alle meiner väterlichen Besorgnis versi- 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ehern. Sie zeigte sich im Verlauf der Tage durch die Anwesenheit meines Nuntius, Msgr. Luciano Angeloni, unter euch, den ich hier zu begrüßen die große Freude habe und der dem Hl. Stuhl immer über die Entwicklung der Lage in eurem Land und über die Tätigkeiten in euren kirchlichen Gemeinden berichtet. Möge der Heilige Geist, der unter uns wohnt, in uns eindringen und erreichen, daß jeder seiner Verantwortlichkeit gemäß erleuchtet werde! Gott, der Barmherzige, gebe euch die Kraft, nach vorne zu schauen, denn „deshalb seid ihr voll Freude, obwohl ihr jetzt vielleicht kurze Zeit unter mancherlei Prüfungen leiden müßt. Dadurch soll sich euer Glaube bewähren, und es wird sich zeigen, daß er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist. So wird eurem Glauben Lob, Herrlichkeit und Ehre zuteil bei der Offenbarung Jesu Christi“ (1 Petr 6-7). Unsere Frau vom Libanon möge den verhärteten Herzen erneut den Sinn fürs Teilen und Entgegenkommen schenken! Mein väterlicher Segen sei allen, die hier anwesend sind, den Bischöfen, Geistlichen, Ordensmännern und -frauen und dem ganzen Gottesvolk des Libanon Pfand für den Trost und Schutz, den der allmächtige Gott im Überfluß schenkt! „Laßt euch mit Gott versöhnen> Ansprache bei der Audienz für die Rompilgerfahrt des Fürstentums Liechtenstein am 14. Oktober Fürstliche Hoheiten, liebe Brüder und Schwestern aus dem Fürstentum Liechtenstein! 1. Mit großer Freude empfange ich Sie heute hier im Vatikan anläßlich Ihrer Rompilgerfahrt zum Jubiläumsjahr der Erlösung. Aufrichtig grüße ich Eure Durchlaucht Fürst Franz Josef II. und Fürstin Gina von Liechtenstein sowie alle Mitglieder der fürstlichen Familie. Ebenso gilt mein herzlicher Willkommensgruß den hohen Vertretern aus Staat und Kirche, den hier anwesenden Gläubigen und allen Bürgern in Ihrem geschätzten Land. Ihre Pilgerfahrt in die Ewige Stadt ist zugleich ein offizieller Besuch Eurer 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durchlaucht beim Hl. Stuhl wie auch die gläubige Antwort der Kirche in Ihrem Fürstentum auf die Einladung zur Mitfeier des Heiligen Jahres in der Gemeinschaft der Universalkirche. Sie ist ein Zeugnis der tiefen religiösen Verwurzelung Ihres Volkes und seiner treuen Verbundenheit mit dem Nachfolger des hl. Petrus. Die Geschichte und das Brauchtum Ihres Landes sind geprägt vom Geist des Christentums und geben dem Fürstentum Liechtenstein durch die Ehrbarkeit und den Fleiß seiner Bürger einen ehrenvollen Platz in der Gemeinschaft der Völker. 2. Das Jubiläumsjahr, in dem wir der 1950. Wiederkehr des Todes und der Auferstehung Jesu Christi, unseres Erlösers, gedenken, lädt uns ein, uns wieder neu der Gnade der Erlösung und unserer christlichen Berufung bewußt zu werden. Ihre Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel ist eine Rückkehr zu den Quellen des Glaubens, eine Besinnung auf das grundlegende Glaubenszeugnis der ersten Jünger des Herrn. Vom Apostel Petrus, an dessen Grab Sie verweilt und gebetet haben, werden wir neu bestärkt in der Grundwahrheit unseres christlichen Bekenntnisses von der Gottheit Jesu Christi: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16, 16). Als Christen sind wir auf seinen Namen getauft und in seine Nachfolge gerufen. Deshalb ermahnt uns die Kirche gemäß dem Sendungsauftrag der Apostel, stets auf den Wegen und nach den Weisungen Jesu Christi zu wandeln. Gerade im jetzigen Heiligen Jahr und durch die gegenwärtig in Rom tagende Bischoffsynode ruft sie uns durch ihre Hirten mit den beschwörenden Worten des Völkerapostels zu: „Wir sind Gesandte an Christi Statt. . . Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5, 20). Christus hat uns durch sein Erlösungsopfer mit Gott versöhnt. Um seines Sühneleidens willen rechnet uns Gott unsere Sünden nicht mehr als Schuld an, wenn wir sie ihm im Sakrament der Versöhnung freimütig bekennen. Zugleich wurde Christus dadurch zum großen Friedensstifter unter den Menschen. Die Versöhnung mit Gott reißt alle trennenden Schranken zwischen den Menschen nieder. Wie der hl. Paulus sagt, gibt es in Christus „nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr seid alle ,einer’ in Jesus Christus“ (Gal 3, 28). Unsere Versöhnung mit dem Bruder ist die unerläßliche Voraussetzung für ein Gott wohlgefälliges Leben, Beten und Opfern. Christus ermahnt uns, unserem Bruder nicht nur siebenmal, sondern siebenund-siebzigmal zu verzeihen und sogar unsere Feinde zu lieben. Die heutige Menschheit bedarf so dringend der christlichen Versöhnung. Stiften und 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schenken wir sie dort, wo wir sie anderen zu vermitteln vermögen: in unseren Familien, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde, in der ganzen V olksgemeinschaf t! 3. Liebe Brüder und Schwestern, heute mahnt euch Gott durch mich an Christi Statt, durch mich, seinen demütigen Stellvertreter auf Erden: Laßt euch mit Gott versöhnen! Laßt euch versöhnen mit euren Brüdern und mit allen Menschen! Dies erbitte ich euch und eurem Land als besonderes Gnadengeschenk dieser eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt. Macht fruchtbaren Gebrauch vom besonderen Gnadenangebot des Jubiläumsablasses durch eine aufrichtige und entschlossene Abkehr von allem, was dem Willen Gottes widerstreitet. Laßt die Frohe Botschaft von der Erlösung durch Christus wieder neu euer Leben durchdringen und euch eures Glaubens und eurer Zugehörigkeit zur Kirche froh machen. Pflegt vor allem den vertrauten Umgang mit dem Herrn im Gebet. Gebt Gott stets den ersten Platz in eurem Leben, in all eurem Denken und Tun! Nur aus einer inneren religiös-sittlichen Erneuerung der Menschen kann sich auch die Gesellschaft erneuern. Die persönliche Versöhnung mit Gott ist die notwendige Vorbedingung dafür, daß Versöhnung und Frieden auch in der menschlichen Gemeinschaft Wirklichkeit werden können. Jeder einzelne ist aufgerufen, dazu seinen persönlichen Beitrag zu leisten. Beginnt damit vor allem im engsten Bereich der Familie. Die Kirche ist davon überzeugt, daß das Wohl der Gesellschaft und ihr eigenes besonders mit dem Wohl der Familie eng verbunden ist (vgl. Familiaris consor-tio, Nr. 3). Alles, was zur Gesundung und Festigung der Familie geschieht, kommt dem ganzen Gemeinwesen zugute. 4. Möge diese Rompilgerfahrt im Jubiläumsjahr der Erlösung in allen Teilnehmern einen religiösen Neuaufbruch bewirken, der das kirchliche und gesellschaftliche Leben in der Heimat nachhaltig beeinflußt und erneuert. Ich erbitte dem Fürstentum Liechtenstein und allen seinen Bürgern weiterhin Wohlergehen und allseitigen Fortschritt in Gerechtigkeit und Frieden. Dazu erteile ich Eurer Durchlaucht und dem Fürstlichen Haus, den Verantwortlichen in Kirche und Gesellschaft sowie allen seinen Bewohnern für Gottes bleibenden Schutz und Beistand von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Beichtvater in unaufhörlichem Gebet“ Predigt bei der feierlichen Heiligsprechung des Kapuzinerpaters Leopold Mandic auf dem Petersplatz am 16. Oktober 1. „Gott ist die Liebe . . . Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen“ (1 Joh 4, 8.16). Meine ehrwürdigen Brüder im Bischofs- und Priesteramt; wir treten heute an den Altar, um unserer Einheit im Priestertum Jesu Christi Ausdruck zu geben. Wir treten an den Altar, um zusammen mit allen auf dem Petersplatz versammelten Teilnehmern an dieser Eucharistiefeier zu bekennen und zu verkündigen, was der Evangelist Johannes in seinem ersten Brief geschrieben hat: „Gott ist die Liebe . . . Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt hat . . .“ (1 Joh 4, 8.10). Gott ist die Liebe - und die Liebe ist von Gott. Nicht von der Welt. Und nicht vom Menschen. Sie ist von Gott selbst. Ohne diese Liebe kann die Welt nicht existieren. Ohne sie kann der Mensch nicht existieren. Der Mensch, der sich dessen immer mehr bewußt ist, was ihm von seiten der Mächte der Welt, die er selbst freigesetzt, und von seiten der Gesellschaft, die er selbst aufgebaut hat, droht, wenn diese Gesellschaft nicht gleichzeitig eine „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ wird. Gott ist die Liebe. Und die Liebe ist von Gott. Ein tiefes Bewußtsein dieser Wahrheit hat uns dazu veranlaßt, zur Bischofssynode über das Thema: „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ zusammenzukommen. Versöhnung und Buße sind die Frucht dieser Liebe, die von Gott stammt. Das Thema der Synode läßt uns die eigentlichen Wurzeln der Probleme berühren, die im Herzen des Menschen stecken, und zugleich der Probleme, von denen das Leben der ganzen Menschheitsfamilie abhängt. 2. Die Liebe, die Gott ist, hat sich ein für allemal offenbart. „Die Liebe Gottes wurde unter uns dadurch offenbart . . ., daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh. 4, 9-10). Diese Entsendung des Sohnes liegt unserer Versöhnung mit Gott zugrunde. Das Sühneopfer für die Sünden wird zur Quelle des Neuen Bundes, des Bundes der Liebe und der Wahrheit. Das ist der Bund Gottes mit dem Menschen und die Versöhnung des 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen mit Gott, die sich gleichzeitig im Menschen als Versöhnung mit den Brüdern vollzieht. „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben . . . Wenn wir einander lieben, bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollendet“ (2 Joh 4, 11-12). Ehrwürdige, liebe Brüder, diese Synode über das Thema Versöhnung und Buße war notwendig, um die tiefstgreifenden Fragen im Sendungsauftrag der Kirche gegenüber dem Menschen und der Welt unserer Zeit anzugehen. In gewissem Sinne mußte der Boden für diese Synode durch das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung vorbereitet werden, das wir gleichzeitig in Rom und in der ganzen Kirche feiern. Durch dieses Thema der Synode hat es auf besondere Weise in jedem von uns Wurzeln gefaßt. Wir sind hier als diejenigen, die die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen haben (vgl. 1 Joh 4, 16). Aus diesem Glauben erwächst alles, was wir durch die Arbeiten der Synode für die Versöhnung und für die Buße im heutigen Sendungsauftrag der Kirche unternehmen wollen. Wir tun das, weil „wir die Liebe gläubig angenommen haben“. Wir tun es, indem wir den Blick auf Christus gerichtet haben, den Guten Hirten, der die Seinen kennt und sein Leben hingibt für die Schafe (vgl. Joh 10, 14-15). Im Buch der Heiligen 3. Das alles findet heute einen ganz besonderen Ausdruck durch die Eintragung des seligen Leopold Mandic in das Buch der Heiligen. Er war in der Tat zu seiner Zeit ein heroischer Diener der Versöhnung und Buße. In Castelnovo in der Bucht von Cattaro geboren, verließ er mit 16 Jahren das Elternhaus und die Heimat, um ins Priesterseminar der Kapuziner in Udine einzutreten. Sein Leben war ohne große Ereignisse: Übersiedlung von einem Kloster ins andere, wie es bei den Kapuzinern üblich ist; aber nichts weiter. Dann die Zuweisung in das Kloster von Padua, wo er bis zum Tod blieb. Doch, gerade in diese Armut eines äußerlich unbedeutenden Lebens kam der Geist und entzündete eine neue Größe: jene Größe einer heroischen Treue zu Christus, zum franziskanischen Ideal, zum priesterlichen Dienst an den Brüdern. Der hl. Leopold hat keine theologischen oder literarischen Werke hinterlassen, er hat nicht durch seine Kultur fasziniert, er hat keine sozialen 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werke gegründet. Für alle, die ihn kannten, war er nichts weiter als ein armer Ordensbruder, klein und kränklich. Seine Größe hegt anderswo: nämlich darin, daß er sich Tag für Tag, die ganze Zeit seines Priesterlebens hindurch, also 52 Jahre lang, aufopferte, sich hingab, in Stille und Zurückgezogenheit in einer kleinen, bescheidenen Beichtzelle: „Der Gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe.“ Bruder Leopold war immer da, bereit und lächelnd, besonnen und bescheiden, ein taktvoller Vertrauter und treuer Vater der Seelen, ein geachteter Lehrer und verständnisvoller und geduldiger geistlicher Ratgeber. Der Beichtvater schlechthin Wenn man ihn mit einem einzigen Wort kennzeichnen wohte, wie es während seines Lebens seine Beichtkinder und Mitbrüder getan haben, dann ist er „der Beichtvater“ schlechthin; er konnte nur Beichte hören. Doch gerade darin liegt seine Größe. Daß er sich nämlich im Hintergrund hält, um dem wahren Hirten der Seelen Platz zu machen. Er äußerte sich zu seiner Aufgabe so: „Verbergen wir alles, auch das, was den Anschein einer Gabe Gottes haben mag, um nicht damit Schacher zu treiben. Gott allein gebührt die Ehre und der Ruhm! Wenn es möglich wäre, sollten wir wie ein Schatten über die Erde gehen, der keine Spur von sich hinterläßt.“ Und einem, der ihn fragte, wie er es fertigbringe, so zu leben, antwortete er einfach: „Das ist mein Leben!“ 4. „Der Gute Hirte gibt sein Leben hin für die Schafe.“ Dem menschlichen Auge erscheint das Leben unseres Heiligen wie ein Baum, dem eine unsichtbare, grausame Hand alle Zweige, einen nach dem andern, abgeschnitten hat. Pater Leopold war ein Priester, der wegen eines Sprachfehlers nicht predigen konnte. Ein Priester, dessen brennender Wunsch es war, sich der Arbeit in den Missionen zu widmen, und der bis an sein Ende auf den Tag der Ausreise wartete, doch nie abfuhr, weil seine Gesundheit äußerst schwach war. Er war ein Priester mit so großem ökumenischem Geist, daß er sich in täglicher Hingabe dem Herrn als Opfer anbot, damit zwischen der lateinischen und den noch getrennten Ostkirchen die volle Einheit wiederhergestellt werde und sich wieder „eine Herde unter einem Hirten“ bilde (vgl. Joh 10, 16), der aber seine ökumenische Berufung völlig im verborgenen gelebt hat. Weinend bekannte er: „Ich werde hier Missionar sein, im 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gehorsam und in der Ausübung meines Dienstes.“ Und: „Jede Seele, die um meinen Dienst bittet, wird inzwischen mein Orient sein.“ Was blieb dem hl. Leopold? Wem und wozu diente sein Leben? Ihm blieben die Brüder und Schwestern, die Gott, die Liebe, die Hoffnung verloren hatten. Arme Menschen, die Gott nötig hatten und ihn um seine Vergebung, seinen Trost, seinen Frieden und seine Freude anflehten. Diesen „Armen“ schenkte der hl. Leopold sein Leben, für sie opferte er seine Schmerzen und sein Gebet auf; vor allem aber feierte er mit ihnen das Sakrament der Versöhnung. Hier lebte er sein Charisma. Hier kamen seine Tugenden in heroischem Ausmaß zum Tragen. Er feierte das Sakrament der Versöhnung, indem er seinen Dienst gleichsam im Schatten des gekreuzigten Christus ausübte. Sein Blick war auf den Gekreuzigten geheftet, der über dem Betstuhl des Beichtenden hing. Der Gekreuzigte war immer die Hauptfigur. „Er ist es, der vergibt, er ist es, der die Absolution erteilt!“ Er, der Hirte der Herde . . . Der hl. Leopold tauchte seinen Dienst ein in das Gebet und die Kontemplation. Er war ein Beichtvater in unaufhörlichem Gebet, ein Beichtvater, der gewohnheitsmäßig in Gott versunken, in einer übernatürlichen Atmosphäre lebte. 5. Die erste Lesung der heutigen Liturgie erinnert uns an das Fürbittgebet des Mose während der Schlacht, die Israel gegen Amalek führte. Solange die Hände des Mose erhoben waren, stand die Schlacht zugunsten seines Volkes; sobald er die Hände vor Müdigkeit sinken ließ, war Amalek überlegen. Wenn die Kirche uns heute die Gestalt ihres demütigen Dieners, des hl. Leopold, vor Augen stellt, der ein Führer für so viele Seelen war, dann will sie auch hinweisen auf diese Hände, die sich im Laufe der verschiedenen Kämpfe des Menschen und des Volkes Gottes zum Himmel erheben. Sie erheben sich im Gebet. Und sie erheben sich im Akt der Lossprechung von den Sünden, der immer bis zu jener Liebe vordringt, die Gott ist: jene Liebe, die sich uns ein für allemal im gekreuzigten und auferstandenen Christus geoffenbart hat. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen“ (2 Kor 5, 20). Zeugnis vor Gott Was, liebe Brüder, haben uns diese im Gebet erhobenen Hände des Mose zu sagen? Was haben uns die Hände des hl. Leopold, des demütigen Dieners im Beichtstuhl, zu sagen? Sie sagen uns, daß die Kirche niemals 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN müde werden darf, Zeugnis zu geben von Gott, der die Liebe ist! Sie darf sich niemals durch Widersprüche und Widrigkeit entmutigen lassen und müde werden, da der Höhepunkt dieses Zeugnisses sich im Kreuz Jesu Christi unerschütterlich über die ganze Geschichte des Menschen und der Welt erhebt. Auch über unsere schwierige Zeit, in welcher der Mensch nicht nur von Selbstzerstörung und Atomtod, sondern auch vom geistlichen Tod bedroht zu sein scheint. Denn wie soll der Geist des Menschen leben, wenn er nicht „die Liebe gläubig annimmt“ (vgl. 1 Joh 4, 16)? Wie kann sich in der Welt das Werk der vielfältigen Versöhnung entfalten, wenn sich nicht - außer der Gerechtigkeit und dem Dialog - jene stärkste Kraft, die soziale Liebe, ausbreitet? Und die Liebe — kommt von Gott! 6. Ehrwürdige und geliebte Brüder im Bischofs- und im Priesteramt, meine Brüder und Schwestern in der Gnade der Berufung zum Glauben durch die Taufe, ihr alle, die ihr an der heutigen Eucharistiefeier teilnehmt! Ich danke dem Kardinaldekan des Hl. Kollegiums und dem Vertreter der Bischofsynode für die Worte, die sie zu Beginn dieser Feier an mich gerichtet haben. Am fünften Jahrestag meiner Berufung zum Petrusdienst in Rom, im Jahr meines silbernen Bischofsjubiläums, ist mir euer gemeinsames Gebet, diese gemeinsame Eucharistiefeier, besonders teuer und kostbar. Denn wir alle - und besonders der Bischof von Rom -müssen trotz unserer menschlichen Schwachheit und Unwürdigkeit ausharren mit zu Gott erhobenen Händen. Wir dürfen nicht müde werden und uns nicht entmutigen lassen. In den Erfahrungen unserer Zeit, unter den Bedrohungen, die auf der großen Menschenfamilie lasten, in den Kämpfen der Völker und der Nationen, bei den Leiden so vieler Herzen und so vieler menschlicher Gewissen dürfen wir es nicht unterlassen, das Zeugnis zu geben: „Gott ist die Liebe . . . die Liebe kommt von Gott . . . wir haben die Liebe gläubig angenommen.“ Amen. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Weltwirtschaftssystem muß neugeordnet werden Schreiben an den Generaldirektor der FAO zum Welternährungstag am 16. Oktober An Seine Exzellenz, Herrn Edouard Saouma, Generaldirektor der FAO Der dritte Welternährungstag, um den sich die Organistion für Ernährung und Landwirtschaft verdient gemacht hat, besitzt eine Bedeutung, die keinem Bewohner dieses Planeten entgehen dürfte. Er berührt ein entscheidendes Problem, das Ursache für Spaltungen zwischen den sozialen Klassen, Ländern und weiten Regionen der Welt ist. Die Menschheit wird sich dessen zunehmend bewußt, und die Kirche ist stets bemüht, ihren Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten. Entsprechend der besonderen Sendung, die mir im Bereich des sittlichen Lehramtes und des Werkes der Friedensförderung obliegt, möchte ich deshalb an die Regierungen und die Menschen aller Kontinente einen neuen Aufruf zur Solidarität richten, der in besonderer Weise im Rahmen dieses Jubiläumsjahres der Erlösung erfolgt, wo die Kirche zur Versöhnung mit Gott und unter den Menschen auffordert. Die Vertreter der Regierungen und der verschiedenen Organisationen der ganzen Welt, die auf dieses Problem spezialisiert sind, wissen sehr wohl, daß das schmerzliche Phänomen der Armut und des Hungers zahlreicher Völker der Erde leider nicht der fernen Vergangenheit angehört. Sicher tragen auch Naturkatastrophen zu dieser Tragödie bei. Aber wir müssen erkennen, daß die Menschen selber die sozio-ökonomischen Ungerechtigkeiten verschlimmern, die sich sehr häufig aufgrund der ideologischen und politischen Systeme wie durch die Auslösung von Kriegen oder Guerillakriegen ergeben. Die von den zuständigen Stellen vorgelegte Dokumentation zeigt, daß im Laufe der letzten zehn Jahre die Wachstumsquote der Welternährung dank der Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion weltweit gesehen zufriedenstellend war, d. h. höher als die Wachstumsquote der Bevölkerung. Und Entdeckungen — manche aus jüngster Zeit — erlauben uns, mit einer gewissen Sicherheit in die Zukunft zu blicken, wenn wir auch nicht die Voraussagen des Bevölkerungswachstums aus den Augen verlieren dürfen. Das besagt aber, daß weiterhin Millionen von Menschen Hunger leiden und erleben müssen, daß sich ihre Situation noch verschlimmert; das gilt vor allem für Asien, Afrika und Lateinamerika. Das äußerst besorgniser- 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN regende Problem ist also das der ungleichmäßigen Verteilung und der ungenügend vorhandenen Nahrungsmittel in den Weltgegenden, die im Hinblick auf eine rapid anwachsende Bevölkerung besonders von einem st ändigen Sinken ihrer eigenen Ernährungsmöglichkeiten gekennzeichnet sind. Außerdem scheinen diese wahrhaft benachteiligten Länder einer ständig wachsenden Abhängigkeit von entwickelten Nationen ausgeliefert zu sein, was die Einfuhr von landwirtschaftlichen Nahrungsmitteln betrifft. Darin sehe ich einen der großen Skandale unserer Zeit. Das ist in der Tat ein Zustand der Gewalt, der an der menschlichen Bevölkerung verübt wird. Und es geht nicht darum, ihn durch andere Formen der Gewalt gegen das Leben zu überwinden, sondern durch die möglichst rasche Einführung einer internationalen Wirtschaftsordnung, die sowohl auf der Ebene der Produktion wie der der Güterverteilung wahrhaft gerechter und brüderlicher ist. Im Dienste der Armen Diese Ordnung erfordert nicht nur eine gleichmäßige Verteilung der Mittel — die z. B. durch die Schenkung überschüssiger Nahrungsmittel seitens der besitzenden Völker zum Leben und häufig zum Überleben der notleidenden Völker notwendig sind —, sondern einen größeren Einsatz aller Faktoren, die zur konkreten Selbstentwicklung jeder Nation beitragen: Es gilt, sie zu lehren, entsprechende Mittel und vor allem Investitionen und Darlehen zu Bedingungen zu benutzen, die für arme Länder tragbar sind. Kurz gesagt, das Wirtschaftssystem der ganzen Welt muß neugeordnet werden. Ein internationales Wirtschaftssystem, das der Entwicklung jedes Landes und jeder menschlichen Person den sittlichen Vorrang einräumt. Natürlich sind es in erster Linie alle in ihrer Entwicklung fortgeschrittenen Länder und deren Regierungen, an die die dringende Aufforderung zu solcher internationaler Solidarität ergeht und die ihr Vorgehen mit den von der UNO abhängigen Internationalen Organisationen wie mit dem auf die Bereiche der Landwirtschaft, der Ernährung, der Finanzen und des Handels spezialisierten Behörden harmonisch abzustimmen haben. Ebenso notwendig ist es, klarzustellen, daß die überstaatlichen Organisationen, die durch großzügige und selbständige Initiativen hervorragen, gleichfalls ihren manchmal sehr wertvollen Platz haben. Aber um voll wirksam sein zu können, müssen diese Organisationen ihren Einsatz mit den offiziellen Organen koordinieren. 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was nun die Christen betrifft, so wären sie dem Beispiel und den Lehren ihres Stifters untreu, wenn sie nicht ihre ganze Sorge auf ihre Solidaritätspflicht gegenüber jenen verwendeten, die an Unterernährung leiden. Das 25. Kapitel des Matthäusevangeliums ist erschütternd für jeden, der es objektiv und aufrichtig liest. Jesus Christus identifiziert sich gewissermaßen mit den Geringsten seiner Brüder, die gesagt haben: „Ich war hungrig.“ Zu allen Zeiten haben die christlichen Gemeinden versucht, im Dienste der Armen, der Hungernden zu leben. Und sie taten das sehr oft auf wunderbare Weise! Die Reihe der Heiligen und der zur Linderung des menschlichen Elends entstandenen Einrichtungen wäre endlos. Ich erlaube mir nur zu betonen, daß der Hl. Stuhl durch seinen Vertreter bei der FAO zu den ersten gehörte, die das Manifest vom 14. 5. 1963 Unterzeichneten und verbreiteten, in dem das Recht des Menschen, sich satt zu essen, verkündet wurde, und daß die sozialen und karitativen Organisationen der Kirche wohl mit am eifrigsten den Appell vom 16. Oktober 1965 zur Mobilisierung der Jugend im Kampf gegen den Hunger bekanntgemacht haben. In diesem Jahr, das in der ganzen Welt dem feierlichen Gedenken an das Werk der Erlösung gewidmet ist, ermahne ich die Jünger Christi unaufhörlich, sich Gott zu nähern, aber ebenso und zutiefst die Liebe zu ihren Mitmenschen, ob nah oder fern, wiederzufinden, und das vor allem dann, wenn sie unter unerträglichen Lebensbedingungen, zu denen man auch die Unterernährung, den Hunger zählen muß, zu leiden haben. Ich appelliere außer an die Gläubigen an alle Menschen guten Willens, mehr für die Versöhnung zwischen den sozialen Klassen und den Völkern der Erde zu tun und sich aktiver an einer noch besser geplanten und entschlosseneren Verwirklichung der Gerechtigkeit für alle, der Würde für alle, des Wohlergehens für alle zu beteiligen durch hartnäckigen und gemeinsam geführten Kampf gegen das Elend und den Hunger auf unserer Erde. Von Herzen rufe ich auf eure wichtige Versammlung sowie auf ihr künftiges Wirken das Licht und die Kraft Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 12. Oktober 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle Menschen guten Willens angesprochen Botschaft zum III. Weltemährungstag, 16. Oktober Herr Edouard Saouma, Generaldirektor der FAO Der III. Welternährungstag, den wir einer Initiative der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft verdanken, besitzt eine Bedeutung, die keinem Bewohner unseres Planeten entgehen sollte. Er macht auf ein schwieriges Problem aufmerksam, das den Grund für Spaltungen der sozialen Klassen, Länder und weiter Gebiete der Erde abgibt. Die Menschheit wird sich dessen deutlicher bewußt, und der Kirche ist es immer ein Anliegen, ihren Beitrag zu seiner Lösung zu leisten. Aus diesem Grund möchte ich gemäß meiner besonderen Sendung zum ethischen Lehramt und zur Förderung des Friedens an die Regierungen und Menschen aller Kontinente einen neuen Aufruf zur Solidarität richten, der besonders in den Rahmen des Jubiläumsjahres der Erlösung paßt, in dem die Kirche zur Versöhnung mit Gott und den Menschen auf ruft. Die Vertreter der Regierungen und der verschiedenen Organisationen der ganzen Welt, die sich besonders mit diesem Problem befassen, wissen gut, daß die schmerzliche Tatsache der Armut und des Hungers zahlreicher Menschengruppen auf dieser Erde leider nicht einer überholten Vergangenheit angehört. Gewiß haben Naturkatastrophen ihren Anteil an dieser Tragödie, aber wir sind auch zuzugeben verpflichtet, daß die Menschen selbst zur Verschärfung der wirtschaftlich-sozialen Ungerechtigkeiten beitragen, die ja oft die Folge von ideologischen und politischen Systemen sind oder Ergebnis des Ausbruchs von Kriegen oder Guerillaaktionen. Die uns von den Fachorganisationen verschaffte Dokumentation zeigt, daß im Verlauf des letzten Jahrzehnts das Niveau der Welternährung im ganzen ausreichend war, dank gesteigerter Lebensmittelproduktion über den Grad des Bevölkerungszuwachses hinaus. Neue Entdeckungen, einige davon ganz jungen Datums, lassen zuversichtlich in die Zukunft blicken, wobei man freilich nicht das voraussichtliche demographische Wachstum übersehen darf. Das bedeutet: Es bleibt dabei, daß Millionen von Menschen weiter Hunger leiden und vor allem in Asien, Afrika und Lateinamerika sich ihre Lage noch erheblich verschlechtern sehen. Die größte Besorgnis erregende Frage ist also die nach dem Ungleichgewicht und den Lücken in der Versorgung mit Nahrungsmitteln, die in manchen Gebieten der Erde gegeben sind, wo bei raschem Wachsstum der Bevölkerung die Menge der 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verfügbaren Lebensmittel sich ständig vermindert. Außerdem scheinen diese wahrhaft zu kurz gekommenen Länder in noch immer stärkere Abhängigkeit von den entwickelten Nationen zu geraten, was den Import von Agrargütern und Lebensmitteln angeht. Darin sehe ich eines der großen Ärgernisse unserer Zeit. Hier wird nämlich großen Menschengruppen ständig Gewalt angetan. Daher kann es auch nicht darum gehen, diese durch andere Formen der Gewaltanwendung gegen das Leben zu überwinden, sondern nur durch die beschleunigte Schaffung einer wirklich gerechteren und brüderlicheren internationalen Wirtschaftsordnung, sowohl was die Produktion, als auch was die Verteilung der Güter betrifft. Diese Ordnung erfordert nicht nur eine ausgewogene Verteilung der für das Leben und oft für das Überleben der Völker im Elend notwendigen Güter, indem man etwa die Lebensmittelüberschüsse der wohlhabenden Völker verschenkt, sondern die Aufbietung erheblich größerer Antriebskräfte für alles, was zur konkreten Selbstentwicklung jeder Nation beiträgt: Näherhin werden entsprechende Werkzeuge und vor allem Investitionen gebraucht, und zwar zu für die armen Länder erschwinglichen Preisen. Mit einem Wort, es muß also das gesamte Wirtschaftssystem der ganzen Welt umgestaltet werden. Das neue internationale Wirtschaftssystem muß der Entwicklung des ganzen Landes und jeder menschlichen Person ethische Priorität geben. Selbstverständlich sind hier die fortgeschrittensten Länder und ihre Regierungen an erster Stelle dringend zur Solidarität auf internationaler Ebene aufgerufen, und sie müßten ihre Bemühungen harmonisch mit den internationalen von der UNO abhängigen Organisationen abstimmen, wie auch mit den speziellen Behörden für die Bereiche Landwirtschaft, Ernährung, Finanzierung und Handel. Ebenso notwendig ist die Feststellung, daß die nicht regierungsamtlichen Organisationen, die zahlreiche hochherzige und selbständige Initiativen ergreifen, ihre besondere und zuweilen sehr wertvolle Aufgabe haben. Um aber voll wirksam zu werden, müssen diese Organisationen ihr Wirken mit den amtlichen Organismen abstimmen. Das christliche Volk wäre einerseits dem Beispiel und der Lehre seines Begründers untreu, wenn es nicht all denen, die an Unterernährung leiden, seine solidarische Sorge und Hilfe schenken würde. Das Kapitel 25 des Matthäusevangeliums kann immer noch den erschüttern, der es objektiv und ehrlich liest. Jesus Christus identifiziert sich mit den Geringsten seiner Brüder, die sagen konnten: „Ich war hungrig.“ Zu allen Zeiten haben die christlichen Gemeinschaften versucht, sich in den Dienst der Armen und Hungernden zu stellen. Oft haben sie Wunderbares geleistet. 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Ruhmesliste der Heiligen und der zur Linderung menschlichen Elends entstandenen Institute, fände kein Ende. Ich gestatte mir lediglich zu betonen, daß der Hl. Stuhl durch seinen Vertreter bei der FAO als einer der ersten das Manifest vom 14. Mai 1963 unterzeichnet hat, in dem das Recht eines jeden Menschen auf Stillung seines Nahrungsbedürfnisses verkündet wurde. Die sozialkaritativen Organisationen der Kirche aber haben am nachdrücklichsten auf den Appell vom 16. Oktober 1965 zur Mobilisierung der Jugendlichen zum Kampf gegen den Hunger geantwortet. In diesem Jahr, das in der ganzen Welt dem feierlichen Gedenken an das Ereignis der Erlösung geweiht ist, ermahne ich die Jünger Christi ohne Unterlaß, sich Gott wieder zuzuwenden, aber ebenso zu tiefer Liebe zu ihren Nächsten zurückzufinden, ob sie nah oder fern sind, vor allem sich aber derer anzunehmen, die von unerträglichen Lebensbedingungen fast erdrückt werden und daher das Recht haben, daß man in ihrem Namen auf Unterernährung und Hunger hinweist. Ich spreche über die Gläubigen hinaus alle Menschen guten Willens an, noch mehr für die Versöhnung der sozialen Klassen und Völker der Erde zu tun und sich so aktiv wie möglich für eine noch besser geplante und praktizierte Gerechtigkeit für alle einzusetzen, daß die Würde aller geachtet wird und es allen gut geht dank eines entschlossenen und gemeinsam unternommenen Kampfes gegen das Elend und den Hunger in unserer Welt. Aus ganzem Herzen rufe ich auf Ihren wichtigen Verband und sein künftiges Wirken das Licht und die Kraft Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 12. Oktober 1983. PAPST JOHANNES PAUL II. Wir müssen in erster Linie zu den Armen gehen Predigt bei der feierlichen Messe in der Basilika St. Paul vor den Mauern am Weltmissionssonntag, 23. Oktober 1. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast“ (Mt 11, 25). Diese Worte, die von Christus durch höchste Eingebung des Geistes 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verkündet wurden, wollen wir heute wiederholen, an dem Tag, an dem die ganze Kirche den Weltmissionssonntag begeht. Wir wollen den Vater „preisen“ wegen der Offenbarung der göttlichen Geheimnisse, wegen des göttlichen Planes zur Erlösung des Menschen und der Welt: alles Dinge, „die er den Unmündigen offenbart hat“. Wir wollen den Vater „preisen“ und ihm danken für den Glauben, durch den die Offenbarung und der göttliche Heilsplan in unseren Herzen Platz greifen. Wir wollen ganz besonders dafür danken, daß der Glaube für viele zum Bewußtsein einer Sendung und Berufung wird, die denen der Apostel ähnlich ist. Sie haben ja die erste Gemeinde jener „Unmündigen“ gebildet, denen der Vater, Herr des Himmels und der Erde, all das offenbart hat, was „er den Weisen und Klugen verborgen hat“. Am heutigen Tag sind wir in die römische Basilika Sankt Paul vor den Mauern gekommen, um eben hier die Eucharistie des Weltmissionsstages im Jahr der Erlösung zu feiern. Unter allen Aposteln des Herrn war es ja Paulus von Tarsus, der die vor den Toren von Damaskus empfangene Offenbarung in eine weltweite Mission umgewandelt hat: Er hat sie in ein großartiges Missionswerk umgewandelt, wie er selbst in seinem Brief an Timotheus schreibt: „. . . damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle Heiden sie hören“ (2 Tim 4, 17). In dieses paulinische Missionswerk ist auf besonders tiefe Weise das Geheimnis der Erlösung eingeschrieben. Durch seine Werke und seine Schriften ist er zum ersten Schöpfer eines kirchlichen Missionsprogrammes geworden. Wenn wir aus diesen Werken und Schriften - den Paulusbriefen — schöpfen, entdecken wir immer aufs neue die tiefe Wahrheit der Worte Christi, die er in der Macht seines Kreuzes und seiner Auferstehung den Aposteln aufgetragen hat: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28, 19). Die Wahrheit und die Kraft des messianischen Auftrags wächst aus der Tiefe des Erlösungsgeheimnisses. Das Missionswerk des hl. Paulus gibt davon ein besonderes Zeugnis von grundlegendem, unvergänglichem Charakter. Und darum versammeln wir uns am Weltmissionstag des Jubiläumsjahres der Erlösung in der Basilika des hl. Paulus. 2. „Ich habe den guten Kampf gekämpft“ (2 Tim 4, 7), sagt uns Paulus in der zweiten Lesung. In diesen Worten ist wohl nicht der heilige Stolz darauf zu verkennen, daß er den Missionsauftrag erfüllt hat. Dieser „kämpferische“ Aspekt der Missionstätigkeit ist natürlich richtig zu ver- 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stehen, es besteht jedoch kein Zwiefel, daß er ganz entscheidenden Anteil daran haben muß. Ein ganz und gar geistlicher Kampf, aber auch immer ein Kampf, in dem es gilt, geschickt und mutig zu kämpfen, bereit zum Opfer, bis der Sieg errungen ist. Welcher Sieg? Der Sieg der Befreiung der Seelen durch das Blut Christi. Das missionarische Wirken ist kein „Kampf“, der sich gegen die Menschen wendet, um sie zu unterjochen. Es ist vielmehr ein Kampf für die Menschen, die sich noch fern vom Licht Christi befinden, ein Kampf also, dessen Triebkraft die Liebe zu denen ist, die sich noch im Gefängnis des Irrtums, des Elends, des Bösen befinden. Das setzt im Missionar neben einer großen Achtung der Menschen und ihres wahren Wohles die Kraft, die Klugheit und die Liebe voraus, die notwendig sind, um die Menschen zu erleuchten und ihnen bei der Erlangung dieses Gutes konkret zu helfen. 3. Zu dem anspornenden Beispiel des Paulus kommt die bedrängende Stimme der Armen hinzu, der an Werten Armen in unseren einst christlichen Ländern und der Armen, die die evangelische Botschaft noch nicht kennen; ihnen sind wir das Wort von der Erlösung schuldig (vgl. Röm 1, 14), das Evangelium, das eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der glaubt (vgl. Röm 1, 16). Das Gotteswort der heutigen Liturgie zeigt uns das missionarische Wirken der Kirche als eine Aufgabe, die in besonderer Weise mit dem evangelischen Geist der Armut verbunden ist. „Da ist ein Armer, er rief, und der Herr erhörte ihn“ (Ps 34, 7a) verkündet der Refrain des Antwortpsalms. Denn „das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist“ (Sir 35, 21), wie wir im Buch Jesus Sirach lesen. Aber die Armen rufen auch nach uns; auch uns erreicht ihr Ruf. Gott erhört sie, erhören auch wir sie! Für sie ist die „Frohbotschaft“ bestimmt. Wir haben sie empfangen; an sie müssen wir sie weitergeben, an sie, die hungern und dürsten nach Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. Ihnen müssen wir die wahre Bedeutung des Lebens bringen, wo immer sie sich befinden. Wir müssen in erster Linie zu den Armen gehen, daß heißt zu denen, die aufgrund ihrer Demut und ihres Verlangens nach Vergebung bereit sind, die Frohbotschaft zu empfangen, die ja eine Botschaft des Erbarmens und der Vergebung ist. 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die beste und anschaulichste Erläuterung dieser Wahrheit findet sich im heutigen Evangelium, nämlich im Gleichnis vom Pharisäer und vom Zöllner. Die „Armut im Geist“ ist hier gleichbedeutend mit dem inneren Sich-Öffnen für das Licht und das Wirken Gottes, für das Geschenk der Erlösung, die der Seele des Menschen kraft des Kreuzes Christi durch den Heiligen Geist zuteil wird. Die tiefsten Wurzeln der Heilssendung der Kirche Dann kommt es auch zu jener Rechtfertigung vor Gott, die im heutigen Gleichnis eben der Zöllner und nicht der Pharisäer gefunden hat. Das sind die tiefsten Wurzeln der Heilssendung der Kirche, aus denen das missionarische Wirken entspringt. An ihm haben „die Armen der Kirche“ teil, für die das erste Vorbild die Mutter Christi und die Königin der Apostel ist. Denn in ihr ist der ewige Sohn Gottes „arm“ geworden, „um uns durch seine Armut reich zu machen“ (vgl. 2 Kor 8, 9). Das missionarische Wirken der Kirche schöpft immer aus dieser Armut des Sohnes Gottes, des Sohnes Mariens, die es unendlich reich macht. Es gibt immer den Menschen und Völkern diese Armut weiter, die allgemein bereichert, die Armut, die der Vater, Herr des Himmels und der Erde, den „Unmündigen offenbart“ und weitergibt. 5. Und das missionarische Wirken der Kirche sucht immer Unterstützung im Gebet, das von allen Mitteln der Armen des Reiches Gottes das stärkste ist: „Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist“ (Sir 35, 21). Aus diesem Grund richte ich von dieser Basilika aus, die von den Benediktinermönchen betreut wird, einen besonderen Appell an die männlichen und weiblichen beschaulichen Orden, daß sie den Menschen unserer Zeit, besonders der Jugend, ihre Erfahrung des Gebets und des geistlichen Lebens anbieten (vgl. Mutuae relationes, Nr. 25) und alle Bemühungen unternehmen mögen, um neue Kommunitäten in den jungen Kirchen zu gründen. Wie der hl. Gregor der Große mit den einst vom hl. Augustinus nach England geführten Mönchen jenen Missionsfeldzug des abendländischen Mönchtums einleitete, der, verbunden mit dem Evangelisierungswerk der hl. Kyrill und Method, Europa zivilisierte und christianisierte, so fordere auch ich heute — im Einklang mit dem Aufruf Pauls VI. - die Söhne des hl. Benedikt auf, ihre Präsenz in Lateinamerika und in Afrika zu verstärken und sich ganz besonders für die Länder Asiens zu engagieren, deren Religionen sehr empfänglich für die monasti- 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehe Botschaft sind und vom christlichen Mönchtum das Licht der vollen Offenbarung erwarten! 6. Der hl. Paulus verpflichtete für die Gründung neuer Gemeinden sämtliche Personengruppen: Laien, Ehepaare wie Aquila und Priscilla, Jünger und Apostel. Ein Verzeichnis dieser Personen wird uns im letzten Kapitel des Römerbriefes vorgelegt. Diese treffliche Schar setzt ihr heute fort, die ihr vor eurem Aufbruch das Kreuz erhaltet. Ihr Priester, erinnert alle Priester daran, daß ihnen die Sorge für alle Kirchen am Herzen liegen muß (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 10): Ihr Ordensmänner und Ordensfrauen, erinnert alle Ordensleute daran, daß das Ordensgelübde sie im wahrsten Sinne des Wortes bereitwillig und frei macht für die Verkündigung der evangelischen Botschaft (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 69): Ihr Laien, ihr Eheleute, seid das Zeichen eines Laientums, das in immer stärkerem Maße zum Träger der Mission in der heutigen Kirche werden soll, wie es das in der Urkirche gewesen ist! An diesem Weltmissionstag richte ich an die ganze Kirche, an alle Glieder der Kirche, an alle Diözesan- und Pfarrgemeinden eine herzliche und dringende Aufforderung zu einem verstärkten missionarischen Engagement. Sicher, es geschieht viel für die Missionen! Beeindruckend und beispielhaft ist der Eifer, der die Christen - die Männer, die Frauen, die Jugend, die Jungen und Mädchen — für dieses große Ideal beseelt, die Hochherzigkeit, die sie dazu antreibt, zu geben und sich hinzugeben für die verschiedenen Initiativen und Werke der Mission; besonders aber die geistlichen Opfer und Gebete, die sie für die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden darbringen! Man muß aber auch ganz realistisch feststellen, daß die geistlichen und materiellen Bedürfnisse der jungen Kirchen im Missionsstadium rasend schnell wachsen. Viel ist geschehen; viel geschieht; aber sehr, sehr viel bleibt noch auf allen Gebieten zu tun: im Bereich der Schule, der Krankenfürsorge, der Ausbildung und kulturellen Vorbereitung des einheimischen Klerus . . . Ganz besonders wende ich mich an die Diözesen und Pfarreien in der ganzen Welt, sie mögen immer konkreter und klarer diese missionarische Verantwortung wahrnehmen und zum Ausdruck bringen, die das Zweite Vatikanische Konzil hervorgehoben hat: „Da das Volk Gottes in Gemeinschaften lebt, besonders in der Diözesan- und Pfarrgemeinschaft, und in ihnen gewissermaßen seine Sichtbarkeit erfährt, fällt es auch diesen zu, 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus vor den Völkern zu bezeugen. Die Gnade der Erneuerung kann in den Gemeinschaften nicht wachsen, wenn nicht eine jede den Raum ihrer Liebe bis zu den Grenzen der Erde hin ausweitet und eine ähnliche Sorge für jene trägt, die in der Ferne leben, wie für jene, die ihre eigenen Mitglieder sind“ {Ad gentes, Nr. 37). Möge, während wir uns dem dritten Jahrtausend der christlichen Zeitrechnung nähern, das außerordentliche Ereignis des Jubiläumsjahres der Erlösung, das in den Diözesen und mit besonderem Widerhall hier in Rom begangen wird, im Herzen aller Gläubigen die missionarische Leidenschaft neu beleben, wie das bei den zwei Emmaus-Jüngern der Fall war, die sich innerlich vom Wort und von der Offenbarung des Meisters entzünden und aufs neue stärken ließen und voll Begeisterung eilig zu den Brüdern zurückkehrten, um sie an dem außerordentlichen Ereignis teilnehmen zu lassen, daß sie den Herrn am Brechen des Brotes erkannt hatten (vgl. Lk 24, 13-35). „Schmerz, Entsetzen und Abscheu“ Wort zum Attentat auf die internationale Friedenstruppe in Beirut nach dem Angelus am 23. Oktober Heute morgen verbreitete sich in der Welt die Nachricht von zwei sehr schweren Terroranschlägen in Beirut im Libanon, die viele Opfer unter den diensttuenden amerikanischen und französischen Soldaten der internationalen Friedenstruppe forderten, die in dieses ohnehin schon so gequälte Land gesandt wurde. Das weckt in unserem Herzen ein Gefühl großen Schmerzes, von Entsetzen und Abscheu. Es handelt sich um junge Menschenleben, die grausam ausgelöscht wurden, als sie eine Friedensmission erfüllten. Es ist eine neue Gewalttat, die sich an die Gemetzel und Massaker anschließt, die unter den Einwohnern Beiruts und der Dörfer dieser Region schon reihenweise Blutvergießen und Trauer verursacht haben. Es ist ein neuer Kriegsakt in dem Augenblick, in dem man den zerbrechlichen Waffenstillstand benützen will, um erneut einen Dialog unter den Parteien anzuknüpfen. Laßt uns beten für die jungen Toten und die anderen Opfer und um Trost für ihre Familien; laßt uns darum beten, daß die Entschlossenheit und der 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eifer derer, die für Versöhnung und Frieden wirken, sich noch stärker und wirksamer dem Mordwillen entgegenstellen. Telegramm an den Präsidenten der US-amerikanischen Bischofskonferenz, Erzbischof John R. Roach, vom 24. Oktober Ich möchte Ihnen mein tiefes Mitgefühl über den Tod so vieler Ihrer jungen amerikanischen Mitbürger in Beirut aussprechen. Indem ich den Gewaltakt verurteile, der unschuldige Leben vernichtet hat, bete ich für die Seelenruhe der Toten. Den Verwundeten erbitte ich Gottes Beistand und eine rasche Genesung, seinen Trost und seine Hilfe für alle jene, die ihre Toten beweinen und ihre Lieben beklagen. PAPST JOHANNES PAUL II. Telegramm an den Präsidenten der Französischen Bischofskonferenz, Bischof Jean Vilnet, vom 24. Oktober Tiefes Entsetzen erfüllt mich über das schwere Attentat auf die französischen Soldaten, die sich im Libanon zu einer Friedensmission befinden. Den Familien der Toten und Verwundeten möchte ich mein tiefes Mitgefühl aussprechen und sie meines Gebetes versichern für ihre Lieben und ihren eigenen Trost. Ich hoffe, daß die Kräfte des Bösen nicht Oberhand gewinnen über die Bemühungen um Suche nach der Verwirklichung des so heißersehnten Friedens. PAPST JOHANNES PAUL II. „ Umkehr“ — das erste Wort des Evangeliums Ansprache zum Abschluß der VI. Vollversammlung der Bischofssynode in der Synodenaula am 29. Oktober Ehrwürdige Brüder! 1. „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89, 2). Das Gefühl, das am Ende dieser Synode, die uns zur Reflexion über „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ versammelt hat, spontan von Herzen kommt, kann nur Lob und Dank für die unendliche Güte des 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrn sein, „der seine Macht vor allem im Erbarmen und im Verschonen offenbart“ (vgl. Tagesgebet vom 26. Sonntag im Jahreskreis). Es ist ein Gefühl, das wir im vollen Bewußtsein unserer persönlichen Schwächen wie der Schwachheit der unserer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen laut werden lassen. Vielleicht entfernen wir uns nicht weit von der Wahrheit, wenn wir gerade in den Schwierigkeiten und Spannungen, die im Verlauf der Diskussionen aufgetaucht sind, die Offenlegung dessen sehen, was im Leib der Kirche durch Buße für die eigenen Sünden und die aller Menschen versöhnt und geheilt werden muß. Denn die Hirten tragen an den Leiden und Wunden ihrer Herde, auch ohne sich dessen bewußt zu sein: Die Gnade der Synode besteht darin, diesen Leiden und Wunden einen Namen zu geben, um Heilung und Heil zu empfangen, um dafür Buße zu tun durch die Gnade der Versöhnung. In ihren Diskussionen haben die Synodenväter erfahren, was Gegenstand der Buße sein muß, d. h., wofür man von Gott Vergebung erhalten muß. Von diesem Bewußtsein motiviert, tauchte mehr als einmal bei den Synodensitzungen der Gedanke auf, auch nach außen durch einen gemeinsamen Bußakt deutlich zu machen, was das Thema unserer gemeinsamen Arbeit in den vergangenen Wochen war. Ein solcher Bußakt erfolgte im Kreuzweg am Schluß der Synode. Durch die Betrachtung des Leidens Christi reihten wir uns ein in den Ablauf des Jahres der Erlösung, das sich in den einzelnen Kirchen vollzieht. In Rom begegnen wir ihm in den Pfarreien, in den einzelnen Basiliken der Stadt und besonders im Petersdom. Ich danke allen Brüdern im Bischofsamt dafür, daß sie mit mir am 25. März das Jubeljahr der Erlösung eröffnet haben - und in ihren Diözesen seine Verwirklichung leiten. Ich danke auch allen, die in diesem Jahr nach Rom kommen. Die Zahl der Pilger ist vor allem in den letzten Monaten erheblich gestiegen. Tröstlich ist auch die Tatsache, daß viele das Sakrament der Buße empfangen. Wir bemühen uns auch darum, daß eine ausreichende Anzahl von Beichtvätern zur Verfügung steht. Die Idee zu einem außerordentlichen Jubeljahr im 1950. Jahr der Erlösung wurde ziemlich spät geboren. Die erste Verkündigung erfolgte erst im November vergangenen Jahres auf der Vollversammlung der Kardi-näle. Trotz der sehr bescheidenen Vorbereitung hat die Initiative - wie es scheint - lebhafte Resonanz gefunden. Sie scheint einem allgemein empfundenen Bedürfnis entsprochen zu haben. Dieses Bedürfnis konkretisiert sich im Geheimnis der Erlösung als Quelle von Versöhnung und Buße in der Kirche und der zeitgenössischen Welt. Und sicher spiegelt sich darin 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Unruhe, die den Menschen des zweiten Jahrtausends vor dessen Ende begleitet. 2. Die Idee des Jahres der Erlösung entsprang erst in der Folge, als die Entscheidung, die Synode zum Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ einzuberufen, bereits getroffen war. Trotzdem läßt sich leicht feststellen, daß sich beide Initiativen in bemerkenswerter Weise ergänzen. Ihr Zusammentreffen muß als Akt der Vorsehung betrachtet werden. Auf diese Weise entspringt die Synode gewissermaßen dem, was die Kirche im Jahr der Erlösung zu erfahren versucht, und, umgekehrt, findet das Jubeljahr in den Arbeiten der Synode eine besondere theologische und pastorale Vertiefung. Ich möchte dafür der göttlichen Vorsehung in besonderer Weise danken. Gleichzeitig möchte ich aber auch euch, liebe Brüder, und dem ganzen Episkopat der Kirche danken. Ich habe das schon bei der Eröffnung der Synode getan und möchte es an ihrem Ende wiederholen. Ich danke euch, weil unsere Gedanken und unsere Sorgen sich um eine große Sache gedreht haben: „Versöhnung und Buße.“ Meinerseits habe ich ein tiefes Bedürfnis gespürt, dieses Problem in Angriff zu nehmen, das so lebenswichtig für das christliche Dasein ist. Ich habe das schon in der Enzyklika Dives in misericordia deutlich gemacht, deren wichtigste Abschnitte sich dem Problem der „Umkehr“, d. h. der Buße als Bekehrung, widmen, ja, der ständigen Bekehrung zu Gott. Die Versöhnung ist die Frucht dieser Umkehr - sowohl die Versöhnung mit Gott wie die Versöhnung mit den Menschen als Brüdern. Auf diese Weise enthüllen sich die Buße (Umkehr) und die Versöhnung als eine Dimension — ja die grundlegende Dimension — des ganzen christlichen Daseins. Die Synode über „Versöhnung und Buße“ hat also vor allem existentielle Bedeutung. In ihr rühren wir gewissermaßen an die Wurzeln des Christseins in der heutigen Welt. Von diesem Gesichtspunkt aus muß die Krise der Buße in ihren verschiedenen Formen ein Grund zur Beunruhigung sein. Es handelt sich hier auch um die Buße als bestimmten Komplex typischen Verhaltens in der ganzen Tradition des Gottesvolkes im Alten wie im Neuen Bund. Die Dreiheit „Fasten - Almosengeben - Gebet“ - zusammen mit anderen Formen der Buße, die vom Leben auferlegt oder freiwillig gewählt werden - drückt nicht nur gewisse Handlungen (Bußwerke) aus, sie bezeugt auch einen vitalen Bezug auf Gott in der Weise unseres Daseins als gläubige Menschen selbst. Eine Beziehung, die von „Umkehr“ durchdrungen ist. Die Umkehr zu Gott, das „Sichhinwenden“ zu ihm drückt sich nicht nur 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Gebet aus, sondern auch im „Sichabwenden“, in der „Loslösung“ von den Geschöpfen (Fasten), vor allem soweit sie die Einigung mit Gott behindern. Und parallel dazu geschieht die Öffnung des Menschen zu den anderen hin (Almosengeben). Unsere pastorale Beunruhigung betrifft auch die Verhaltensweisen, die man unter Christen, vor allem in bestimmten Kreisen, Umfeldern und Gesellschaften bemerkt. Ihnen fehlt die Dimension der Buße. Die Praxis des Bußsakraments ist kein losgelöstes Problem. Sie hat ihre Wurzeln -oder hat sie nicht — eben in dieser grundlegenden Weise menschlichen Daseins, wenn ihn der Ruf Christi erreicht, der seit den ersten Worten des Evangeliums nicht verstummt: „Bekehrt euch - tut Buße!“ Euch plagt die Sorge, daß die Menschen, dem Fluß der Veränderungen nachgebend, sich von jener Bußhaltung und jener Bußpraxis des christlichen Lebens, die einmal bis ins Detail festgelegt wurden, abwenden, ohne daß es ihnen gelingt, an ihrer Stelle eine neue Praxis einzuführen, die den Erfordernissen und Möglichkeiten unserer Zeit besser entspricht und ebenso ausdrucksvoll wie eindringlich ist. Mit anderen Worten: Euch plagt die Sorge, daß auf diesem für das ganze christliche Dasein so fundamentalen Feld, nämlich der „Umkehr und Buße“, die Gefahr besteht, in einer Leere zu enden, in einem Mangel. Wenn uns dieser Mangel wirklich zur Last würde, müßte das das ganze „Geheimnis“ des christlichen Lebens berühren und würde sich im Umgang mit dem sakramentalen Leben, im besonderen der Buße und Eucharistie, ausdrücken. Ich habe schon in der Enzyklika Redemptor hominis versucht, die Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zu lenken. 3. Genau das ist die Sorge - ich halte sie für unsere gemeinsame Sorge -, vdie in der Bischofssynode 1983 offenbar geworden ist. Aber zusammen mit dieser Sorge taucht eine andere auf, die mit der vielfältigen Bedeutung des Wortes „Versöhnung“ - nicht nur in der Sprache der Heiligen Schrift, sondern auch in der Sprache der Welt — zusammenhängt. Wir befinden uns hier im Umfeld der Dialoge, von denen schon Paul VI. (Ecclesiam suam) während des Konzils geschrieben hatte: des Dialogs mit den anderen Christen (Ökumenismus); des Dialogs mit den nichtchristlichen Religionen, des Dialogs mit der „Welt“. Paul VI. hat all diese Dialoge in dem Begriff „Heilsdialog“ zusammengefaßt und diesen (in Evangelii nuntiandi) in den Sendungsauftrag der Kirche und die Evangelisierung einbezogen. Wenn sich die Synode mit dem Problem der „Versöhnung und Buße“ auseinandersetzt, muß sie sich diesem Problem auch auf dem Missions- und Evangelisationsfeld der Kirche im engeren Sinn des 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wortes stellen. Sowohl der Ökumenismus wie die Suche der Annäherung an die nichtchristlichen Religionen gehören zum Thema „Versöhnung und Buße“. Was den Dialog mit der heutigen Welt angeht, so sind wir Zeugen der Kontraste, die sich in ihr entwickeln, und der bedrohlichen Konflikte auf verschiedener Ebene. Diese alle schreien mit lauter Stimme nach Versöhnung — mit lauter Stimme, weil die Sprache der unheilvollen Ereignisse und Katastrophen, mit denen die wachsenden Kontraste die Menschheit bedrohen, immer deutlicher wird. In euren Diskussionsbeiträgen habt ihr eure lebhafte Sorge um den Frieden in der Welt ausgedrückt. Die internationale Lage ist sehr gespannt, und auch ich bin in tiefer Sorge. Die Kirche muß alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Gefahren, die die Sicherheit der Welt bedrohen, zu beschwören und die Führer der Nationen entschlossen in eine Richtung zu lenken, die zu einem sicheren und stabilen Frieden führt. Am vergangenen Donnerstag habe ich an die Präsidenten der Vereinigten Staaten und des Obersten Rates der Sowjetunion eine persönliche Botschaft gerichtet und sie gebeten, die Verhandlungen nicht abzubrechen, das einzige Mittel, um die Differenzen oder Interessenkonflikte beizulegen und dem Rüstungswettlauf wie den wachsenden Gegensätzen in der Welt ein Ende zu setzen. Die Kirche hat auf diesem Gebiet ein geschärftes Gewissen und hört nicht auf, die Botschaft von Gerechtigkeit und Frieden nach Maßgabe der Erfordernisse und der Bedrohnung der heutigen Welt zu verkünden. Das tun sowohl der Bischof von Rom wie die einzelnen Bischöfe, der Apostolische Stuhl wie die einzelnen Bischofskonferenzen, die dieses Kapitel der Verkündigung und Aktion als einen Teil der Evangelisation betrachten. Vor der Synode stellt sich dieses Problem noch in einem neuen Licht dar: Es bildet einen integrierenden Bestandteil der „Versöhnung und Buße“, also jener „Umkehr“, die gewissermaßen das erste Wort des Evangeliums ist. Wenn man in analogem Sinn von „sozialer Sünde“ oder auch von „struktureller Sünde“ sprechen kann und muß - obwohl die Sünde eigentlich ein personeller Akt ist -, entsteht für uns als Hirten und Theologen folgendes Problem: Welche soziale Buße und Versöhnung muß dieser „analogen“ Sünde entsprechen? Die Synode hat dieses Problem nur in bezug auf die Berufung durch das Evangelium angesprochen und Umrissen. In der Tat ist der Weg für eine radikale Überwindung der Sünde - in jeder 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Art und in jedem Ausmaß — die evangelische „Umkehr“: der Weg der Versöhnung durch die Buße, d. h. die Bekehrung. 4. Es scheint, daß beide genannten Probleme die Grundelemente der heutigen Bußkatechese der Kirche bilden müssen. Die Bußkatechese ist gleichzeitig Vorbereitung auf das Bußsakrament. Wir müssen uns in der heutigen Kirche auf das Bußsakrament durch eine angemessene vollständige Bußkatechese vorbereiten. Wir müssen uns auch seine zentrale Stellung in der ganzen Heilsökonomie vor Augen halten, seine besondere Verbindung mit dem Paschageheimnis Christi und der Kirche. In der Tat, unmittelbar nach seinem Leiden und Tod, am Tag der Auferstehung selbst, beim ersten Besuch der im Abendmahlssaal versammelten Apostel, sprach Jesus Christus diese Worte: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 22-23). Die Bedeutung dieser Worte und dieses Ereignisses ist so groß, daß sie neben die Bedeutung der Eucharistie gestellt zu werden verdient. Auf der Synode haben wir viel vom Bußsakrament in der nachkonziliaren Kirche im Licht der Anordnungen des „Ordo poenitentiae“ gesprochen. Alle Stimmen waren vom Bewußtsein gezeichnet, daß wir an eine sehr tiefreichende Frage rühren. Wir haben keinen anderen Wunsch, als den Willen des Herrn zu erfüllen, der uns dieses Sakrament zum Wohl der Kirche und zum Heil des Menschen übergeben und in besonderer Weise anvertraut hat. Dieser Wunsch wurde in allen Etappen der Diskussion deutlich und drückt sich am Schluß in den „Propositiones“ der Synode aus. Die Kürze der verfügbaren Zeit erlaubt uns nicht, auf die verschiedenen Fragen einzugehen, die in der Synode über „Buße und Versöhnung“ angeschnitten wurden, sei es unter dem Gesichtspunkt der Lehre, sei es in der Anwendung auf konkrete Situationen. Sie werden eine angemessene Vertiefung in dem Dokument finden, in dem mit Gottes Hilfe die Fülle der Elemente Eingang finden wird, die auf der Synode aufgetaucht sind. 5. Das kirchliche Ereignis, das heute zu seinem Ende kommt, wurde mit besonderer Sorgfalt vorbereitet, soweit es seine wichtige Thematik betrifft. Allen, die daran besonders aktiv beteiligt waren, möchte ich meinen heißen Dank aussprechen. Aus diesem Anlaß möchte ich ausdrücklich die drei delegierten Kardinal-Präsidenten nennen, den Berichterstatter Kardinal Carlo Maria Martini, den Generalsekretär Msgr. Jozef Tomko und den Sondersekretär P. Jose Saraiva Martins. Darüber hinaus 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte ich die Auditoren nennen und die verschiedenen Kommissionen, Komitees und Dienste. Alle haben mit großem Eifer gearbeitet und sich Anerkennung und Dank verdient. Mein Dank schließt auch diejenigen ein, die durch ihr Gebet die Arbeit und den Eifer der Synodenväter unterstützt haben. Bei der Vorbereitung zeigte sich auch eine verstärkte Reflexion der Bischöfe über die Synode als solche, über ihre richtige und möglicherweise verbesserte Arbeitsweise, über Änderungsmöglichkeiten und Verbesserungen in der Verfahrensweise. All diese Probleme wurden vom Generalsekretär der Synode in seinem Einleitungsbericht dargestellt. Ein neuer Schritt nach vorn war auch der Bericht des Bischofs Javier Lozano Barragan, der uns die Möglichkeit gab, im Rahmen der einzelnen Länder in den verschiedenen Teilen der Welt zu sehen, was man die „Aktualisierung“ der Synode des Jahres 1980 über „Ehe und Familie im Sendungsauftrag der Kirche“ nennen könnte. Ich möchte meinerseits für all diese Initiativen danken. Die Bischofssynode, die die Kirche dem II. Vatikanischen Konzil verdankt, ist wirklich ein großer Segen. Davon sind wir immer mehr überzeugt. Jede Sitzungsperiode bekräftigt uns in dieser Überzeugung. Ich glaube, daß ich mit diesen Worten die allgemeine Überzeugung ausdrücke, aber zunächst möchte ich damit meine persönliche aussprechen. Die Bischofssynode ist eine besonders wertvolle Darstellung der bischöflichen Kollegialität der Kirche — und ihr besonders wirksames Instrument. Vielleicht kann dieses Instrument noch verbessert werden. Vielleicht könnte sich die kollegiale pastorale Verantwortung in der Synode noch voller ausdrücken. Nichtsdestoweniger muß man feststellen, daß sie in der Form, in der sie besteht und gegenwärtig (im Jahr des Herrn 1983) arbeitet, der Kirche einen enormen Dienst leistet. Dieser Dienst ist wichtig vom Gesichtspunkt des Lebens, von seiner Selbstverwirklichung her. Und er ist wichtig vom Gesichtspunkt unseres Pastoraldienstes, genauer gesagt, unseres kollegialen Dienstes. Die Struktur der Synode erlaubt uns allen, in relativ kurzer Zeit ein synthetisches Bild zu gewinnen, das gleichzeitig hinreichend unterscheidet zwischen einem bestimmten Problem (Sehen) und den Schlußfolgerungen daraus (Urteilen), die für die Handlungsweise der Kirche wichtig sind (Handeln). Die Synode ist - so könnte man sagen - ein bescheidenes, gleichzeitig aber hinreichend wirksames Mittel. Wenn formell der beratende Charakter ihrer Arbeit vorwiegt, so ist es doch schwierig, nicht zu bemerken, in welchem Maß diese „Ratschläge“ gleichzeitig ein bedeutendes kirchliches Gewicht haben. Und deshalb ist 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN es um so wichtiger, daß die Dokumente, die nach der Synode erscheinen, das gemeinsame Denken der Synode und des Papstes, der ihr von Amts wegen vorsitzt, widerspiegeln. In diesem Geist möchte ich heute, ehrwürdige und liebe Brüder, jedem von euch und allen miteinander sagen, wie hoch ich die synodale Gemeinschaft schätze, die wir in den vergangenen vier Wochen erlebt haben. Die Liebe zur Kirche verlangt, daß diese unsere Mutter immer besser erkannt werde - denn auf diese Weise können wir ihr immer wirksamer dienen! Unter diesem Gesichtspunkt ist die Synodenerfahrung, die Möglichkeit der Begegnung mit den Bischöfen der ganzen Welt, die Möglichkeit, so viele kompetente Aussagen zu hören, für mich eine besonders wichtige und wertvolle Tatsache. Dank ihrer kann ich immer besser die Kirche verstehen, die Christus der Herr uns allen anvertraut hat, den Aposteln und Petrus. Die frohe und brüderliche Erfahrung in dieser synodalen Gemeinschaft veranlaßt mich spontan, einiger unserer Brüder im Bischofsamt zu gedenken, die - gegen ihren Wunsch und das Interesse des Apostolischen Stuhls - nicht die Möglichkeit hatten, unter uns zu sein. Die Abwesenheit ihrer Vertreter verhindert, daß die Bischofskonferenzen von Litauen, Lettland und Laos nicht direkt an diesem wichtigen Ereignis der katholischen Kirche teilnehmen konnten. Der Episkopat der Tschechoslowakei konnte nur mit einem der beiden vorgesehenen Vertreter teilnehmen. Die Synode wurde so der Beiträge beraubt, die diese Brüder über die pastorale Wirklichkeit ihrer Länder hätten geben können. 6. Die synodale Gemeinschaft hat immer etwas von der ersten Versammlung der Apostel um die Mutter Christi in Erwartung der Herabkunft des Heiligen Geistes am Pfingsttag an sich. Möge auch diese Synode, geeint um „Versöhnung und Buße“, gezeichnet durch die Heiligsprechung des hl. Leopold Mandic, des großen Beichtvaters, die Kirche durch das Wirken der Mutter Christi darauf vorbereiten, den Heiligen Geist zu empfangen: den Geist der Bekehrung - und den Geist des Friedens. Wie die Apostel im Abendmahlssaal, so verbinden auch wir uns in glühendem Gebet mit der Mutter Christi und Mutter der Kirche. Wir fühlen ein besonderes Bedürfnis nach ihrer Fürsprache im Hinblick auf die tiefsten Probleme des menschlichen Gewissens und gleichzeitig die Probleme, die den Horizont des Lebens der ganzen Menschenfamilie als schmerzliche Belastung unserer Zeit beschweren. 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nur im Kreuz Christi kann, durch die Fürsprache seiner Mutter, diese Last „süß und leicht“ werden. Sie kann sich so als Heilslast und Zeichen der Hoffnung auf die Schultern des Menschen legen. Genetische Manipulation macht das menschliche Leben zum Objekt Ansprache an die Mitglieder der Generalversammlung des Weltärztebundes am 29. Oktober Meine Damen und Herren! 1. Am Ende der 35. Generalversammlung des Weltärztebundes in Venedig wollten Sie nach Rom kommen, um mit mir zusammenzutreffen. Sie sind in diesem Haus herzlich willkommen, und das um so mehr, als Ihre Besorgnisse auf besondere Art mit denen der Kirche übereinstimmen. Die Medizin ist eine hervorragende und wesentliche Form des Dienstes am Menschen. Man muß in erster Linie dem Menschen helfen, zu leben und die Hindernisse zu überwinden, die die normale Funktion seiner Organe in ihrer leibseelischen Einheit beeinträchtigen. Der Mensch steht auch im Mittelpunkt der Sorge der Kirche, deren Aufgabe es ist, mit der Gnade Christi den Menschen zu retten, seine geistige und moralische Unversehrtheit wiederherzustellen und ihn zu einer ganzheitlichen Entwicklung zu führen, bei der auch der Leib eine Rolle zu spielen hat. Deshalb gehen das Amt der Kirche und das Zeugnis der Christen mit Ihrem Einsatz für die Kranken Hand in Hand. Ich schließe mich daher Ihren Wünschen an, die medizinische Wissenschaft und die Heilkunde möchten weitere Fortschritte machen. Der Kampf gegen die erworbenen, akuten oder chronischen Krankheiten ist bereits sehr wirksam, und auch der gegen die Erbkrankheiten macht Fortschritte. Wie sollte man nicht wünschen, daß Ihnen in der heutigen Gesellschaft - die so viel für das Wohl der Gesunden ausgibt - genügend Aufmerksamkeit und Hilfe zuteil wird, um es Ihnen zu ermöglichen, den Kranken von heute und morgen die erforderliche Behandlung angedeihen zu lassen? 2. Das Thema Ihres Treffens in Venedig, „Der Arzt und die Menschenrechte“, trug weiterhin dazu bei, das Interesse des Hl. Stuhls zu wecken. 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wie oft hatte ich schon Gelegenheit, von den grundlegenden und unveräußerlichen Rechten des Menschen zu sprechen, und das sogar vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen (2. Oktober 1979, Nr. 13)! Diese Rechte entsprechen in ihrer Gesamtheit der Würde des Menschen. Die Respektierung dieser Rechte betrifft den Arzt in besonderer Weise. Das Recht des Menschen auf Leben - von der Empfängnis bis zum Tod -ist das erste und grundlegende Recht und gleichzeitig die Wurzel und Quelle aller anderen Rechte. Im gleichen Sinn spricht man vom „Recht auf Gesundheit“, d. h. von den besten Bedingungen für eine gute Gesundheit. Man denkt dabei auch an die Respektierung der psysischen Unversehrtheit, an das ärztliche Berufsgeheimnis und an die freie Arztwahl und Behandlung, wo immer das möglich ist. Die Rechte, auf die man sich bezieht, sind nicht zunächst jene, die von den bürgerlichen Gesetzen, die Änderungen unterworfen sind, und der bürgerlichen Gesellschaft anerkannt werden; sie beziehen sich vielmehr auf die fundamentalen Prinzipien, auf das ethische Gesetz, das auf dem Sein als solchem beruht und unveränderlich ist. Der Bereich der Berufsethik kann vor allem heute als der unsicherste der Medizin erscheinen; er ist jedoch wesentlich, und die ärztliche Ethik muß immer von allen, die als Ärzte tätig sind, als Norm für die Ausübung ihres Berufs betrachtet werden; er verdient größte Aufmerksamkeit und vor allem entschiedenen Schutz. 3. Selbstverständlich machen die erstaunlichen und raschen Fortschritte der medizinischen Wissenschaft eine häufige Neubesinnung auf die Berufsethik erforderlich. Notwendigerweise stehen sie hochinteressanten, aber zugleich sehr heiklen Fragen gegenüber. Die Kirche versteht das und folgt gern Ihren Überlegungen, wobei sie Ihre Verantwortlichkeit achtet. Die Suche nach einer ethisch befriedigenden Haltung ist im Grund von der Auffassung bestimmt, die man von der Medizin hat. Es handelt sich letzten Endes darum, festzustellen, ob sie im Dienst des Menschen und seiner Würde und all dessen steht, was in ihm einmalig und transzendent ist, oder ob der Arzt sich in erster Linie als Beauftragter der Kollektivität versteht, im Dienst der Interessen der Gesunden, denen die Behandlung der Kranken untergeordnet ist. Nun wird seit Hippokrates die medizinische Ethik als Achtung und Schutz des Menschen definiert. Was hier auf dem Spiel steht, ist viel mehr als eine traditionelle Berufsethik, handelt es sich doch darum, eine Auffassung von der Medizin hochzuhalten, die für den Menschen aller Zeiten gilt und den Menschen von morgen schützt, und das dank des Wertes, der der menschlichen Person zuerkannt wird, da 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie Träger von Rechten und Pflichten ist und nie Objekt, das für andere Zwecke verwendet werden kann, selbst wenn es sich dabei um sogenannte soziale Interessen handelt. 4. Gestatten Sie mir, über einige Punkte zu sprechen, die mir wichtig scheinen. Die Überzeugungen, für die ich Ihnen gegenüber eintrete, sind die der katholischen Kirche, zu deren universalem Hirtenamt ich berufen wurde. Für uns ist der Mensch ein als Bild Gottes geschaffenes Wesen, das von Christus erlöst wurde und zur Unsterblichkeit bestimmt ist. Diese Überzeugungen stimmen, das hoffe ich, mit denen jener Gläubigen überein, die die Bibel als Wort Gottes betrachten. Weil sie uns jedoch zu größtem Respekt vor dem Menschen auffordern, bin ich sicher, daß sie die Zustimmung aller Menschen guten Willens finden, die sich über die Situation des Menschen Gedanken machen und ihn um jeden Preis vor allem bewahren wollen, was sein Leben, seine Würde und seine Freiheit bedroht. In erster Linie Respekt vor dem Leben. Es gibt keine Gläubigen oder Ungläubigen, die sich weigern könnten, das menschliche Leben zu respektieren und sich zu seiner Verteidigung und Rettung verpflichtet zu fühlen, und das vor allem dann, wenn es noch keine Stimme hat, um seine Rechte zu beanspruchen. Mögen alle Ärzte dem Eid des Hippokrates treu sein, den sie bei ihrem Doktorat ablegen! In der gleichen Linie hegt, was der Weltärztebund 1948 in Genf als Eidesformel angenommen hat: „Ich werde absoluten Respekt vor dem menschlichen Leben haben, von seiner Empfängnis an und selbst unter Bedrohung, und ich werde mich weigern, meine medizinischen Kenntnisse gegen die Gesetze der Menschheit zu verwenden.“ Ich hoffe, daß diese feierliche Verpflichtung auf jeden Fall Richtlinie der Ärzte bleibt. Es geht hier um ihre Ehre. Es geht um das Vertrauen, das sie verdienen. Es geht um ihr Gewissen, wie immer auch die vom bürgerlichen Gesetz zugelassenen Freiheiten aussehen mögen, z. B. auf dem Gebiet der Abtreibung oder der Euthanasie. Was man von Ihnen erwartet, ist, daß Sie das Übel bekämpfen, alles, was gegen das Leben ist, ohne jedoch das Leben als solches zu opfern, ist es doch das höchste Gut und im übrigen nicht unser Eigentum. Gott allein ist Herr über das menschliche Leben und seine Unversehrtheit. 5. Ein zweiter Punkt, auf den ich Sie hinweise, ist die Einheit des menschlichen Wesens: Es ist wichtig, das technische Problem, das die Behandlung einer bestimmten Krankheit mit sich bringt, nicht unabhängig 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der Person des Kranken zu sehen, die in ihrer ganzen Dimension Achtung verdient. Hier ist es angebracht, daran zu erinnern, daß die medizinische Wissenschaft zur Spezialisierung auf den verschiedenen Gebieten neigt. Der Arzt von gestern war vor allem praktischer Arzt. Sein Blick war sogleich auf die Gesamtheit der Organe und der Körperfunktionen gerichtet. Andererseits war ihm die Familie des Patienten, dessen Milieu und dessen Lebensgeschichte besser bekannt. Die Entwicklung ist unausweichlich; sie tendiert zur Spezialisierung der Studien und zur Komplikation des gesellschaftlichen Lebens. Sie müssen sich aber unablässig darum bemühen, die tiefe Einheit des Menschen im offensichtlichen Zusammenspiel all seiner Körperfunktionen, aber auch in der Einheit der leiblichen, affektiven, intellektuellen und spirituellen Dimension zu berücksichtigen. Am 3. Oktober 1982 lud ich die in Rom versammelten katholischen Ärzte ein, stets auf den Menschen als Person und die Erfordernisse, die seiner Würde entspringen, Bezug zu nehmen. Die ganzheitliche Perspektive, in der — das ist wichtig! — das einzelne medizinische Problem gesehen werden muß, könnte nicht nur in bezug auf den Einzelmenschen, sondern in analogem Sinn auch auf die Gesellschaft verstanden werden, wo die Möglichkeit des Einander-Ergänzens es gestattet, Lösungen für Probleme zu finden, die auf individueller Ebene unlösbar sind. Es genügt, hier an eine bestimmte Unfruchtbarkeit zu denken, die manche Ehepaare durch Adoption oder die Sorge um die Kinder anderer überwinden. 6. Der dritte Punkt, den ich hier behandeln möchte, wurde mir durch ein sehr wichtiges Thema nahegelegt, das Sie im Lauf Ihrer Generalversammlung in Venedig behandelt haben: die Rechte des Menschen angesichts bestimmter neuer Möglichkeiten, über die die Medizin insbesondere im Bereich der genetischen Manipulation verfügt und die das moralische Gewissen jedes Menschen vor ernste Probleme stellen. Wie läßt sich überhaupt eine solche Manipulation mit der Auffassung in Einklang bringen, die den Menschen als ein mit angeborener Würde und unantastbarer Autonomie ausgestattetes Wesen betrachtet? Ein ausschließlich therapeutischer Eingriff, dessen Zweck die Heilung verschiedener Krankheiten ist - wie etwa jener, die auf Mißbildungen der Chromosomen zurückzuführen sind —, kann grundsätzlich als wünschenswert betrachtet werden, vorausgesetzt, daß er auf eine Förderung des persönlichen Wohles des Menschen abzielt, ohne seine Integrität zu verletzen oder seine Lebensbedingungen zu verschlechtern. Ein solcher Eingriff entspricht ja in seiner Logik der Tradition der christlichen Moral, 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie ich vor der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 23. Oktober 1982 ausführte (in: O. R., dt., 1982/Nr. 51-52, S. 11). Hier erweitert sich aber die Frage, ist es doch von größtem Interesse zu wissen, ob ein Eingriff im genetischen Bereich, der die Grenzen der Therapie im eigentlichen Sinn des Wortes übersteigt, ebenfalls als moralisch zulässig betrachtet werden kann. Soll das der Fall sein, so müssen verschiedene Bedingungen eingehalten werden. Gestatten Sie mir, an einige davon zu erinnern. Die biologische Natur jedes Menschen ist unantastbar, insofern sie die persönliche Identität des Einzelmenschen im Lauf seines ganzen Lebens darstellt. Jeder Mensch besteht in seiner unbedingten Einmaligkeit nicht nur aus Geist, sondern auch aus Leib. So berührt man im Leib und durch den Leib die Person als solche in ihrer konkreten Wirklichkeit. Die Würde des Menschen achten, kommt infolgedessen der Bewahrung seiner Identität „corpore et anima unus“ gleich, wie das Zweite Vatikanische Konzil (Gaudium et spes, Nr. 14, Par. 1) sagt. Von dieser anthropologischen Auffassung ausgehend, muß man die grundlegenden Kriterien finden, die die Entscheidung zu Eingriffen bestimmen, die nicht ausschließlich therapeutischer Art sind, wie z. B. solche, die eine Verbesserung der biologischen Beschaffenheit des Menschen zum Ziel haben. Eingriffe solcher Art dürfen insbesondere nicht die Quellen des menschlichen Lebens berühren, d. h. die Fortpflanzung, die nicht nur an die biologische, sondern auch an die spirituelle Vereinigung der durch die Ehe gebundenen Eltern geknüpft ist. Die Fortpflanzung muß demnach die fundamentale Würde des Menschen und die gemeinsame biologische Natur respektieren, die der Freiheit zugrunde liegt, indem sie Manipulationen vermeidet, deren Ziel eine Änderung des genetischen Erbes und die Schaffung andersartiger Menschengruppen ist, womit man Gefahr läuft, in der Gesellschaft neue Randgruppen hervorzubringen. Im übrigen dürfen die grundlegenden Haltungen, die den besagten Eingriffen zugrunde liegen, nicht einer rassistischen und materialistischen Mentalität entspringen, die auf ein in Wirklichkeit einschränkendes menschliches Wohl hingeordnet ist. Die Würde des Menschen übersteigt seine biologischen Komponenten. Die genetische Manipulation wird dann willkürlich und unberechtigt, wenn sie das Leben zum Objekt herabmindert und vergißt, daß sie mit einem menschlichen Subjekt zu tun hat, das mit achtenswerter Intelligenz und Freiheit begabt ist, möge sie auch begrenzt sein; oder wenn sie dieses menschliche Subjekt im Hinblick auf Kriterien behandelt, die nicht auf der Gesamtwirklichkeit der menschlichen Person beruhen und die Gefahr 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mit sich bringen, deren Würde zu verletzen. In diesem Fall wird der Mensch der Willkür eines anderen ausgesetzt und seiner Autonomie beraubt. Der wissenschaftliche und technische Fortschritt, wie immer er auch geartet sei, muß daher den moraüschen Werten, die einen Schutz für die Würde der menschlichen Person darstellen, größten Respekt entgegenbringen. Und weil in der medizinischen Wertordnung das Leben das höchste und radikalste Gut des Menschen darstellt, ist ein grundlegendes Prinzip erforderlich: Zuerst muß jede Schädigung vermieden werden, dann kann man forschen und nach dem Guten streben. Ehrlich gesagt, ist der Ausdruck „genetische Manipulation“ zweideutig und muß Gegenstand echten moralischen Unterscheidungswillens sein, bezieht er sich doch einerseits auf die abenteuerlichen Versuche, die, ich weiß nicht, was für einen Übermenschen hervorbringen sollten, während er andererseits auch positive Versuche einschließt, die die Korrektur von Anomalien - wie etwa bestimmter Erbkrankheiten - zum Ziel haben, ganz zu schweigen von den nützlichen Anwendungen in der Tier- und Pflanzenbiologie, die der Lebensmittelproduktion dienen. Was diese Fälle betrifft, so beginnt man, von „genetischer Chirurgie“ zu sprechen, um besser zum Ausdruck zu bringen, daß der Arzt nicht eingreift, um die Natur zu ändern, sondern um ihr bei der Entfaltung ihrerselbst behilflich zu sein, ihrerselbst als einem von Gott gewollten Geschöpf. Mit seiner Arbeit auf diesem selbstverständlich heiklen Gebiet entspricht der Forscher dem Plan Gottes. Gott wollte, daß der Mensch König der Schöpfung sei. Ihnen, die Sie Chirurgen, Laborärzte und praktische Ärzte sind, erweist Gott die Ehre, mit allen Kräften Ihres Verstandes am Werk der Schöpfung mitarbeiten zu dürfen, das am ersten Tag der Welt seinen Anfang genommen hat. Man kann den gewaltigen Fortschritt, den die Medizin in diesem Sinn im 19. und 20. Jahrhundert gemacht hat, nur bestaunen. Sie sehen jedoch, daß es mehr denn je nötig geworden ist, die Trennung zwischen Wissenschaft und Ethik zu überwinden und ihre tiefe Einheit wiederzufinden. Sie beschäftigen sich mit dem Menschen, dessen Würde eben durch die Ethik geschützt wird. Indem ich Ihnen für Ihren Besuch und Ihr Vertrauen danke und eingedenk der schweren Verantwortung, die auf Ihnen lastet, spreche ich Ihnen die besten Wünsche für Ihre Arbeit und Ihr Zeugnis im Rahmen des Weltärztebundes und unter Ihren Berufskollegen aus und erflehe von Gott, dem Urheber des Lebens, für jeden von Ihnen, für all Ihre Mühen und für Ihre Familien und Freunde seinen reichen Segen. 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,, Wie ein Tautropfen, der zur Erde fällt“ Predigt bei der Seligsprechung der drei Ordensmänner Giacomo Cusmano, Domingo Iturrate Zubero und Jeremia Stoica auf dem Petersplatz am Sonntag, 30. Oktober 1. Heute bringt die Kirche mit den Worten aus dem Buch der Weisheit die Liebe zum Ausdruck, mit der Gott die ganze Schöpfung umfängt. Diese Worte aus der Liturgie des heutigen Sonntags sind so schön, daß ich sie wiederholen möchte: „Die ganze Welt ist ja vor dir wie ein Stäubchen auf der Waage, wie ein Tautropfen, der am Morgen zur Erde fällt. Du erbarmst dich aller, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren . . . Wie könnte etwas ohne deinen Willen Bestand haben, oder wie könnte etwas erhalten bleiben, das nicht von dir ins Dasein gerufen wäre? Du schonst alles, weil es dein Eigentum ist, Herr, du Freund des Lebens. Denn in allem ist dein unvergänglicher Geist. Darum bestrafst du die Sünder nur allmählich; du mahnst sie und erinnerst sie an ihre Sünden, damit sie sich von der Schlechtigkeit abwenden und an dich glauben, o Herr“ ( Weish 11, 22—12, 2). 2. Diese Worte aus dem Buch der Weisheit scheinen so etwas wie ein besonderes Geleitwort dazu zu sein, wie die Kirche das Jahr der Erlösung lebt. Sie sind für uns Quelle des Lichts in dem Augenblick, wo wir die Diener Gottes, Giacomo Cusmano, Domingo vom Allerheiligsten Sakrament und Jeremia aus der Walachei zur Ehre der Altäre erheben. Die Liebe Gottes zur ganzen Schöpfung findet ihren besonderen Ausdruck in der Heiligung des Menschen. Die Kirche freut sich gerade heute darüber, daß drei ihrer Söhne im Zusammenwirken mit der Gnade Gottes den Weg gegangen sind, der zur Heiligkeit führt. Auf diesem Weg sind sie von Christus berufen worden, so wie einst der Zöllner Zachäus berufen wurde. Die Geschichte des Zachäus erscheint als Vorbild für eine echte evangelische Bekehrung; indem er den Herrn in seinem Haus aufnimmt und die bei seiner Arbeit begangenen Erpressungen wiedergutmacht, gibt er in der Tat ein wunderbares Beispiel von der Liebe zu Gott und zu den Brüdern. Diese zweifache Liebe kennzeichnet den Weg der christlichen Vollkommenheit, der von den Dienern Gottes gegangen wurde, die wir jetzt seliggesprochen haben. 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN a) Da ist zuerst der selige Giacomo Cusmano, Arzt und Priester. Um die Wunden der Armut und des Elends zu heilen, von denen weite Teile der Bevölkerung aufgrund wiederholter Hungersnöte und Seuchen, aber auch durch soziale Mißstände heimgesucht wurden, entschied er sich für den Weg der Nächstenliebe: der Gottesliebe, die er in tatkräftiger Liebe zu den Brüdern und in der Selbsthingabe an die Ärmsten und Leidenden in einen bis zum heroischen Opfer gesteigerten Dienst umsetzte. Nach der Eröffnung eines ersten „Armenhauses“ leitete er ein breiteres Werk der Sozialförderung ein durch die Gründung der Vereinigung „Boccone del Povero“ (Speise für die Armen), die wie das Senfkorn war, aus dem eine so blühende Pflanze wachsen sollte. Er wurde arm mit den Armen und scheute sich nicht, auf den Straßen Palermos zu betteln, wobei er alle zur Liebe anspornte und Lebensmittel sammelte, die er dann an die unzähligen Armen, die sich um ihn drängten, verteilte. Wie alle Gotteswerke stieß auch sein Werk auf Schwierigkeiten, die seinen Willen auf eine harte Probe stellten, aber mit seinem ungeheuren Gottvertrauen und seiner ungebrochenen Seelenstärke überwand er jedes Hindernis und rief das Institut der Dienerinnen der Armen und der Kongregation der Missionarischen Diener der Armen ins Leben. Er leitete seine geistlichen Söhne und Töchter an zur Übung der Nächstenliebe in Treue zu den evangelischen Räten und im Streben nach Heiligkeit. Seine Regeln und seine geistlichen Briefe sind Dokumente von einer asketischen Weisheit, in der sich Stärke und Milde vereint. Der zentrale Gedanke war folgender: „Leben in der Gegenwart Gottes und in Gemeinschaft mit Gott; alles aus den Händen Gottes empfangen; alles tun um der reinen Liebe und Herrlichkeit Gottes willen.“ Dieser großartige „Diener der Armen“ verausgabte sich in der Übung einer Nächstenliebe, die immer stärker entflammte, bis sie schließlich heroische Gipfel erreichte. Nach dem Ausbruch einer neuen Choleraepidemie in Palermo bemühte er sich in beispielloser Weise, seinen Armen ständig nahe zu sein. „Herr“, wiederholte er, „schlage den Hirten und verschone die Herde.“ Seine Gesundheit wurde schwer geschädigt, und er vollendete im Alter von erst 54 Jahren sein Ganzopfer, indem er seine Seele liebevoll an jenen Gott zurückgab, dessen Name Liebe ist. Der Papst hatte seine Predigt in italienisch begonnen und fuhr in spanisch fort: b) Die zweite Gestalt der Kirche, die heute zur Ehre der Altäre erhoben wird, ist der Trinitarier Domingo Iturrabe Zubero, der im Baskenland in Spanien geboren wurde. 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sein kurzes Leben von kaum 26 Jahren birgt eine reiche Botschaft, die sich in dem beständigen Streben nach Heiligkeit zusammenfassen läßt. Auf diesem Weg gibt es einige besondere Merkmale, die ich kurz beschreiben möchte. Die getreue Erfüllung des Willens Gottes ist ein Ziel, das, vor allem in seinen letzten Lebensjahren, höchste Höhen erreicht. Darüber schrieb er 1922 in seinen geistlichen Aufzeichnungen: „Unsere Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen muß vollständig, vorbehaltlos und beständig sein.“ Von diesem Geist beseelt und mit der Zustimmung seines Beichtvaters wünscht er, „immer zu tun, was er als vollkommener erkennt“, wobei er sich überdies vornimmt, „Gott, unserem Herrn, nichts abzuschlagen, sondern in allen seinen heiligen Eingebungen voll Hochherzigkeit und Freude zu folgen.“ Als Angehöriger des Trinitarierordens war er bestrebt, sich nach den beiden großen Achsen der Spiritualität seines Ordens auszurichten: dem Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit und dem Werk der Erlösung, das in ihm zum Erlebnis intensiver Liebe wurde. Und als Priester hatte er eine klare Vorstellung von seiner Identität als „Vermittler zwischen Gott und den Menschen“ oder „Vertreter des Ewigen Priesters, Christus“. All das ließ ihn jede Eucharistiefeier als einen Akt des Selbstopfers, verbunden mit dem höchsten Opfer, zugunsten der Menschen erleben. Nicht weniger bemerkenswert war die Anwesenheit Mariens im geistlichen Leben des neuen Seligen. Von der Kindheit bis zum Tod. Eine Frömmigkeit und Verehrung, die er mit großer Identität lebte und die er den anderen immer einzuprägen trachtete, davon überzeugt, „wie gut und sicher dieser Weg ist: zum Sohn zu gehen über die Mutter“. Schon allein diese Züge zeigen uns die Wirksamkeit eines auch heute gültigen Vorbildes und Beispiels. Mit seinem Zeugnis der Treue zu dem inneren Ruf und der hochherzigen Antwort auf diesen Ruf zeigt Pater Domingo unserer Zeit einen Weg, dem sie folgen sollte: den Weg einer kirchlichen Treue, die die innere Identität formt und zur Heiligkeit führt. Die Christen des baskischen Volkes möchte ich in ihrer eigenen Sprache ermutigen: „jarrai dezaten Beato berriaren Kristogana’ko zintzotasun ikasbidea.“ In Italienisch fuhr der Papst fort: c) Der dritte Selige ist der Kapuzinerpater Jeremia aus der Walachei: ein Sohn Rumäniens, jener edlen Nation, die in ihrer Sprache und in ihrem Namen den Stempel Roms trägt. Die Verherrlichung dieses treuen Dieners Gottes nach drei Jahrhunderten geheimnisvoller Verborgenheit 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bleibt unseren Tagen Vorbehalten, die gekennzeichnet sind von der Suche nach dem ökumenismus und der Solidarität unter den Völkern auf internationaler Ebene. Der selige Jeremia aus der Walachei verband, als er von Rumänien nach Italien kam, Orient und Abendland wieder in ihrer Geschichte, indem er eine symbolische Brücke zwischen den Völkern und den christlichen Kirchen schlug. Unerschöpfliche Quelle seines geistlichen Lebens war das Gebet, das er jeden Tag wachsen ließ in der Liebe zum Vater und zu den Brüdern. Inspiration und Kraft schöpfte er aus der regelmäßigen Meditation über den Gekreuzigten, aus der innigen Vertrautheit mit Jesus in der Eucharistie und aus einer kindlichen Verehrung für die Muttergottes. Er widmete sich hochherzig den Armen, indem er sich mit allen Mitteln bemühte, sie von ihrem Elend zu befreien. Mit erleuchteter Weitsicht sagte er, es sei notwendig, sich an der Freigebigkeit des himmlischen Vaters zu inspirieren und unentgeltlich zu geben, was wir unentgeltlich empfangen haben, um es mit den notleidenden Brüdern zu teilen. Bei der Pflege der Kranken verausgabte er die ganze Fülle seiner Hochherzigkeit und seiner heroischen Entsagung. Unermüdlich diente er, wobei er mit Vorliebe die niedrigsten und beschwerlichsten Dienste verrichtete und sich die Betreuung und Pflege der schwierigsten und bedürftigsten Kranken aussuchte. Eine so außergewöhnliche Nächstenliebe konnte nicht hinter Klostermauern beschränkt bleiben. Priester, Adelige und Männer und Frauen aus dem Volk baten, wenn sie krank waren, um einen Besuch des Mönches aus der Walachei. Und als er sich an einem eisigen Wintertag aufmachte, um einen Kranken zu besuchen, zog er sich eine beidseitige Lungenentzündung zu, die seine kräftige Natur hinwegraffte. Zu den anwesenden rumänischen Pilgern sagte der Papst in ihrer Muttersprache: Ich wende mich nun an euch Rumänen in eurer Sprache und teile euch meine Freude darüber mit, daß ihr gebeten habt, dieses brennende Licht auf den Leuchter zu setzen. Ihr habt seine Botschaft entdeckt und seid vereint um seine Gestalt, die eure christliche Tradition und eure Hoffnungen zusammenfaßt und zum Ausdruck bringt. In eurer 2000jährigen Geschichte, die reich ist an so vielen Glaubenswerten, ist Jeremia aus der Walachei der erste Rumäne, der offiziell zur Ehre der Altäre aufsteigt. Er, der in seinem Leben eine harmonische Synthese zwischen der natürlichen und der Wahlheimat verwirklicht hat, möge nun, nach seiner Selig- 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sprechung, zur Förderung des Friedens unter den Völkern und der Einheit der Christen beitragen, indem er durch sein Beispiel auf den Hauptweg hinweist: die für die Brüder tätige Liebe. In italienisch fuhr der Papst fort: Die drei Sehgen haben sich des Rufes der Herrn würdig erwiesen durch ihre tiefe Einheit mit Gott im unablässigen Gebet und in der vollkommenen Anhänglichkeit an die Kirche, die vom göttlichen Meister gegründet wurde, um seine Söhne und Töchter zu leiten, zu unterweisen und zu heiligen. Die neuen Sehgen haben sich von der Kirche, die sie liebten und der sie mit großem Gehorsam folgten, unterweisen lassen und so jenen Gipfel der Vollkommenheit und Heihgkeit erreicht, zu dem sie die Seelen unaufhörlich hinlenkt und hinführt. 3. Wenn die Kirche heute Giacomo, Domingo und Jeremia als Selige zur Ehre der Altäre erhebt, will sie in besonderer Weise Gott verehren: Gott Ehre erweisen. Der Mensch ist, was er vor Gott ist; er existiert, um ein „Lob seiner Herrlichkeit“ zu sein (Eph 1, 14). Das Lob Gottes gibt dem Leben seinen Sinn, weil - wie der hl. Irenäus sagt - „die Herrlichkeit Gottes der lebendige Mensch ist“ {Adv. Haer. IV, 20, 7). Das Lob verwirklicht nicht nur den einzelnen Menschen, sondern auch die Kirche als Volk Gottes, deren Rolle darin besteht, die Wunder Gottes zu erzählen! Deshalb bezeichneten die Kirchenväter gern die Kirche als den „Ort der Doxolo-gie“ (des Lobpreises). Gott loben heißt, die Wunder anerkennen, die in ihm vorhanden sind und die er im Universum bereithält. Aber es bedeutet auch, die Wunder der Erlösung bewundern, die er in den Heiligen vollbringt, wenn er sie zur Herrlichkeit seiner Gnade und seiner Vollkommenheit beruft. In diesem Zusammenhang ist der Antwortpsalm besonders erleuchtend: „Ich will dich rühmen, mein Gott und König, und deinen Namen preisen immer und ewig. Groß ist der Herr und hoch zu loben, seine Größe ist unerforschlich“ (Ps 145, 1.3). 4. Ja, die Heiligen sprechen vom Ruhm des Gottesreiches. Sie verkünden die Macht der Erlösung Christi: die Macht des Kreuzes und der Auferstehung. Sie sind ein lebendiges Zeugnis dafür, daß der Schöpfer und Vater alles Bestehende hebt (vgl. Weish 11, 24). Zu einem solchen Zeugnis sollen im Angesicht der Kirche die seligen 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Giacomo Cusmano, Domingo vom Allerheiligsten Sakrament und Jere-mia aus der Walachei werden. Heute wollen wir dieses Zeugnis in den Schatz der Heiligkeit aufnehmen, den die Kirche mit großer Verehrung und Dankbarkeit hütet. Wir wollen das Zeugnis der neuen Seligen in das außerordentliche Jubiläumsjahr aufnehmen, damit das Erbe des Geheimnisses der Erlösung für alle Generationen des Gottesvolkes lebendig und belebend sei. „Alles ist dein Eigentum, Herr, du Freund des Lebens“ (Weish 11, 26). Im ,,Dialog des Glaubens“ die Einheit suchen Schreiben anläßlich des 500. Geburtstags Martin Luthers an den Präsidenten des Sekretariats für die Einheit der Christen, Kardinal Jan Willebrands, vom 31. Oktober Am 10. November 1983 jährt sich der 500. Geburtstag von Doktor Martin Luther aus Eisleben. Viele Christen, im besonderen evangelischlutherischen Bekenntnisses, erinnern sich aus diesem Anlaß jenes Theologen, der auf der Schwelle zur Neuzeit wesentlich zu den tiefgreifenden Veränderungen der kirchlichen und säkularen Wirklichkeit des Abendlandes mit beigetragen hat. Unsere Welt erfährt auch heute noch seine Geschichtsmächtigkeit. Für die katholische Kirche ist mit dem Namen Martin Luther durch die Jahrhunderte hindurch die Erinnerung an eine leidvolle Zeit verbunden, vor allem aber das Wissen um den Beginn großer kirchlicher Spaltungen. Der 500. Geburtstag von Martin Luther soll daher für uns eine Gelegenheit sein, in Wahrhaftigkeit und christlicher Liebe über die geschichtsträchtigen Ereignisse der Reformationszeit nachzudenken. Gerade aus der zeitlichen Distanz heraus lassen sich historische Vorgänge oft besser verstehen und darstellen. Namhafte Persönlichkeiten und Gremien in der lutherischen Christenheit haben sich dafür ausgesprochen, das Luther-Gedenkjahr in echt ökumenischem Geiste zu gestalten und Martin Luther besonders in einer Weise zu Wort kommen zu lassen, die förderlich für die Einheit der Christen sein soll. Ich begrüße diese Intention und erkenne darin eine brüderliche Einladung für ein gemeinsames Bemühen sowohl um ein vertieftes und 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vollkommenes Bild der historischen Ereignisse als auch um eine kritische Auseinandersetzung mit dem mannigfachen Erbe Luthers. In der Tat haben die wissenschaftlichen Bemühungen evangelischer wie katholischer Forscher, die sich in ihren Ergebnissen inzwischen weitgehend begegnen, zu einem vollständigeren und differenzierteren Bild von der Persönlichkeit Luthers wie auch von dem komplizierten Geflecht der historischen Gegebenheiten in Gesellschaft, Politik und Kirche der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts geführt. Überzeugend sichtbar geworden ist dabei die tiefe Religiosität Luthers, der von der brennenden Leidenschaft für die Frage nach dem ewigen Heil getrieben war. Deutlich geworden ist freilich auch, daß sich der Bruch der Kircheneinheit weder auf Unverständnis seitens der Hirten der katholischen Kirche noch auf mangelndes Verstehen des wahren Katholizismus auf seiten Luthers allein zurückführen läßt, so sehr solches mitgespielt haben mag. Die Entscheide, um die es ging, reichten tiefer. Bei dem Streit um das Verhältnis von Glaube und Überlieferung waren Grundfragen der rechten Auslegung und Aneignung des christlichen Glaubens im Spiel, deren kirchentrennende Wirkung durch bloßes historisches Verstehen nicht zu überwinden ist. So ist im Blick auf Martin Luther und in der Suche nach Wiederherstellung der Einheit ein zweifaches Bemühen nötig. Zunächst ist das Fortgehen sorgfältiger historischer Arbeit wichtig. Es geht darum, durch unvoreingenommene, allein von der Suche nach Wahrheit geleitete Forschung ein gerechtes Bild des Reformators wie der ganzen Epoche der Reformation und der in ihr wirkenden Personen zu gewinnen. Wo Schuld ist, muß sie anerkannt werden, gleich welche Seite sie trifft; wo Polemik die Sicht verzerrt hat, muß sie richtiggestellt werden, wiederum unabhängig davon, um welche Seite es sich handelt. Dabei kann uns nicht die Absicht leiten, uns zu Richtern der Geschichte aufzuwerfen, sondern das Ziel darf einzig sein, besser zu erkennen und damit wahrheitsfähiger zu werden. Nur in einer solchen Haltung, die sich der Reinigung durch die Wahrheit ohne Vorbehalte stellt, können wir zu einem gemeinsamen Verstehen des Damaligen finden und so auch neue Ausgangspunkte für das Gespräch von heute gewinnen. Dies aber ist das Zweite, was nötig ist: Die historische Klärung, die sich dem Damaligen in seiner weiterwirkenden Bedeutung zuwendet, muß Hand in Hand gehen mit dem Dialog des Glaubens, in dem wir hier und jetzt nach Einheit suchen. Er findet seine feste Grundlage in dem, was gemäß den evangelisch-lutherischen Bekenntnisschriften auch nach der Trennung verbindet: im Wort der Schrift, in den Glaubensbekenntnissen, in den Konzilien der alten Kirche. Ich vertraue darauf, daß das Einheitsse- 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kretariat unter Ihrer Leitung, sehr verehrter Herr Kardinal, diesen in Deutschland schon vor dem 2. Vatikanischen Konzil mit großem Ernst begonnenen Dialog fortführt in dem Geiste, der seinen Grundlagen entspricht: in der Treue zum geschenkten Glauben, die Büßfertigkeit und Bereitschaft hörenden Lernens in sich schließt. In der anbetenden Demut vor dem Mysterium der göttlichen Vorsehung und im ehrfürchtigen Hinhorchen auf das, was der Geist Gottes uns heute in der Erinnerung an die Vorgänge der Reformationszeit lehrt, strebt so die Kirche danach, die Grenze ihrer Liebe weiterzuziehen und auf die Einheit aller zuzugehen, die als Getaufte den Namen Jesu Christi tragen. Ich begleite die Arbeit Ihres Sekretariates und alle ökumenischen Bemühungen für das große Anliegen der Einheit aller Christen mit meinem besonderen Gebet und Segen. Aus dem Vatikan, am 31. Oktober 1983. JOANNES PAULUS PP. II „Die Schätze der alten und der neuen Weisheit“ seiner Sorge anvertraut Predigt bei der Bischofsweihe von Msgr. Alfons Stickler in der Sixtinischen Kapelle am 1. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Eucharistie, die wir feiern, und das Sakrament der Bischofsweihe, das wir uns anschicken, dem neuernannten Erzbischof, Msgr. Alfons Stickler, zu erteilen, finden im liturgischen Rahmen des Allerheiligenfestes statt. Die heutigen Lesungen aus der Heiligen Schrift helfen uns, sowohl dem liturgischen Fest als auch dem feierlichen Ritus der Bischofsweihe Inhalt und Bedeutung zu verleihen. In der ersten Lesung, die dem Buch der Geheimen Offenbarung entnommen ist, führt uns Johannes in das himmlische Jerusalem ein. Es wird von Seligen bewohnt, „die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offb 7, 15) und singen jetzt den Siegesgesang: „Die Rettung kommt von unserem Gott“ (ebd. 7, 10). Damit wollen sie sagen, daß die Rettung und die Heiligkeit nicht durch ihr Verdienst, 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sondern durch die Gnade Gottes verwirklicht worden sind. Denn er allein ist heilig, und die Erwählten gehören zu den Geheiligten. Johannes läßt uns die Kirche der Geretteten betrachten, die, gerufen aus allen Rassen, Völkern und Nationen, eingetreten sind in die Freude ihres Herrn und nunmehr „mit Christus verborgen in Gott“ {Kol 3, 3) leben. 2. Nach dieser Vision der Herrlichkeit hält uns die Liturgie dazu an, uns im Evangelium in die Wirklichkeit der pilgernden Kirche auf Erden zu versenken. Auch hier wird von „Sehgen“ gesprochen, aber von Sehgen, die sich in Armut, in Trauer befinden, die Hunger und Durst haben, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden (vgl. Mt 5, 1-12). Diese Kirche der Seligpreisungen ist unsere Kirche, welcher der Herr „den schmalen Weg“ zeigt, „der zum Leben führt“ (vgl. Mt 7, 14). Wir sind es also, zu denen der Herr hier spricht! Im Unterschied zu den Heiligen des Himmels, die die ewige Seligkeit besitzen, haben wir die Hoffnung, diese Seligkeit erlangen zu können. Aber es tröstet und ermutigt uns die Tatsache, daß wir — wie wir in der zweiten Lesung gehört haben - „schon jetzt Kinder Gottes sind, auch wenn noch nicht offenbar geworden ist, was wir sein werden“ (1 Joh 3, 2). Damit ist das Wesentliche bereits in unserem Besitz: Das Himmelreich hat für uns bereits begonnen dank unserer Eigenschaft als Kinder Gottes. In diesem Sinne befinden auch wir uns in der Gemeinschaft der Heihgen. Aber all das erfordert tägliches Bemühen, der göttlichen Berufung voll und ganz zu entsprechen und zur künftigen Herrlichkeit zu gelangen. Wir haben daher nach den Worten des hl. Paulus die Pflicht, „uns mit Furcht und Zittern um unser Heil zu mühen {Phil 2, 12) und „Gutes zu tun, solange wir noch Zeit haben“ {Gal 6,10). Wir sind die Kirche in der Zeit; die Kirche, die zum Unterschied von jener himmlischen noch Verdienste erwerben kann; die hierarchische Kirche, gegründet auf die Apostel und ihre Nachfolger, die von Christus dazu berufen sind, die Diakonia, d. h. den Dienst der Heiligung und Rettung zu entfalten. 3. In diesem Licht müssen wir die Gestalt des hochwürdigen Bischofs sehen, der die Fülle des Priestertums empfangen soll. Nach langem klugen und sachverständigem Dienst an der Apostolischen Vatikanischen Bibliothek ist er zum Bischofsamt berufen worden, um seinem kulturellen Einsatz im Dienst des Hl. Stuhls größere Autorität und Bedeutung zu verleihen. Mit der Bischofswürde bekleidet, wird er gewiß in seinem Herzen den wachsenden apostolischen Eifer verspüren, die Schätze der alten und neuen Weisheit zugunsten der geistlichen und kulturellen 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erhebung der Menschen unserer Zeit einzusetzen. Als Pro-Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche wird er die dringende Notwendigkeit einer immer angemesseneren Förderung der Kenntnis der christlichen Lehre und des Schutzes des Kulturerbes in seiner umfassendsten Bedeutung verspüren. Die Ausübung dieser Verantwortung wird für ihn als Bischof noch mehr eine der hauptsächlichen Pflichten seines Amtes darstellen, das sich heutzutage als um so schwieriger erweist, je größer die Verbreitung und Verwirrung des modernen Denkens sind. Denn die menschliche Kultur hat heute mehr Freude an der Kalkulation und der experimentellen Beobachtung, wobei sie sich auf die empirische und sinnlich wahrnehmbare Erkenntnis der Außenwelt beschränkt; dadurch fällt es dem modernen Menschen so schwer, zur rationalen und metaphysischen Erkenntnis und noch mehr zur Erkenntnis der Religion und des Glaubens aufzusteigen. Der Besitz und das Studium der religiösen Wahrheit, welche die christliche Offenbarung unserem Geist anbietet, setzen sich durch und reifen heran - außer in der Vernunftsphäre - in jenem „Geheimnis des Glaubens“, von dem der hl. Paulus im ersten Brief an Timotheus schreibt (1 Tim 3, 9); aber der Glaubensakt, weit davon entfernt, unsere Denkfähigkeit zu schwächen, macht diese erforderlich und schärft sie. Also eine große Verantwortung des Bischofs, der sich in seinem Gewissen verpflichtet weiß, ein treuer und eifriger Lehrmeister der göttlichen Lehre zu sein; jeder Bischof ist vor allem Lehrer des Glaubens. 4. Zu dieser kirchlichen Aufgabe werden Sie, Monsignore, weiterhin Ihren persönlichen Beitrag leisten, der von nun an unterstützt wird von der Gnade der Bischofswürde. Während ich den Herrn bitte, Ihre Vorsätze und Pläne fruchtbar zu machen, empfehle ich Ihre Person und Ihre Tätigkeit der Fürbitte aller Heiligen, deren wir in dieser Liturgie gedenken und die wir jetzt in der für den Weiheritus vorgeschriebenen Litanei anrufen. 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir kennen weder Tag noch Stunde Ansprache an deutschsprachige Pilgergruppen in der Audienzhalle am 2. November Liebe Brüder und Schwestern! Mit besonderer Freude empfange ich heute alle Pilger aus Deutschland, Österreich, aus der Schweiz und den Niederlanden hier in der Audienzhalle. Ich grüße von Herzen die genannten Gruppen, unter ihnen besonders die zahlreichen Kranken und Behinderten. Jeden einzelnen heiße ich herzlich willkommen zu dieser kurzen Begegnung mit dem Nachfolger Petri im Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich wünsche euch für eure Pilgerfahrt in die Ewige Stadt neuen Glaubensmut und eine Vertiefung eurer Liebe zu Christus und zu seiner Kirche. Zugleich erbitte ich euch für eine innere Erneuerung eures religiösen Lebens und ein frohes christliches Zeugnis in euren Familien und Gemeinden den besonderen Gnadenbeistand Jesu Christi, unseres Erlösers. Das heutige Fest Allerseelen lenkt unsere Gedanken auf die unzähligen Brüder und Schwestern, die uns in die Ewigkeit vorausgegangen sind. Wir gedenken nicht nur unserer verstorbenen Angehörigen, sondern aller Toten auf den Friedhöfen dieser Welt. Für sie alle richten wir in brüderlicher Solidarität unser Fürbittgebet an Gott, den Herrn über Leben und Tod. Der Allerseelentag soll für uns besonders jetzt im Jubiläumsjahr der Erlösung ein Tag der Besinnung sein. Er ruft uns den Glaubenssatz in Erinnerung, den wir im Credo bekennen: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Im Glauben an das geoffenbarte Wort Christi wissen wir um die Unsterblichkeit unserer Seele und die endzeitliche Auferweckung unseres Leibes. Die christliche Botschaft weist uns wesentlich über die Grenzen unseres irdischen Daseins hinaus und ermahnt uns an unsere Verantwortung gegenüber dem göttlichen Richter. Das Fest Allerseelen erinnert uns an die Hinfälligkeit und Flüchtigkeit des menschlichen Lebens. Der Herr selber fordert uns auf, stets wach zu sein, denn wir kennen weder den Tag noch die Stunde, wenn wir zur Rechenschaft abberufen werden. Um für diesen letzten und entscheidenden Ruf Gottes bereit zu sein, müssen wir immer in seiner Gnade und Freundschaft leben. Dazu helfen uns besonders das beständige Gebet, der häufige Empfang des Bußsakraments und die lebendige Mitfeier der Eucharistie. 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unser irdisches Leben ist Vorbereitung auf unser ewiges Leben. Um unser ewiges Ziel zu erreichen, verlangt Christus von uns auch Verzicht und Opfer. Zugleich dürfen wir aber mit dem hl. Paulus davon überzeugt sein, „daß die Leiden dieser Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die (einmal) an uns offenbar werden soll“ (Röm 8, 18). Gedenken wir heute also aller Verstorbenen in unserem Gebet und bitten wir auch sie um ihre Fürsprache für uns, die wir uns noch auf der Pilgerschaft befinden. Ein besonderes Wort des Dankes und der Ermutigung richte ich an die Veranstalter und Teilnehmer der Malteser-Behinderten-Romwallfahrt zum Heiligen Jahr. Auch euer Kranksein zeigt uns die Gebrechlichkeit des menschlichen Lebens. Nehmt das Kreuz in eurem Leben an als Teilnahme am Kreuze Christi und macht es so fruchtbar für eure persönliche Heiligung in seiner Nachfolge und für den Heilsauftrag der Kirche in der Welt von heute. Dafür erbitte ich euch und allen, die euch behilflich zur Seite stehen, Glaubenskraft und Zuversicht aus eurer Jubiläumswallfahrt zu den Gräbern der Apostel. Herzlich grüße ich auch die große Militärwallfahrt aus der Bundesrepublik Deutschland unter Leitung des Militärbischofs Msgr. Kredel. Das von euch gewählte Thema: „Mit Gott versöhnt im Frieden mit den Menschen“ verdeutlicht gut die Bedeutung des Heiligen Jahres für euren Dienst als Soldaten. Militärdienst kann nur als Friedensdienst noch eine Existenzberechtigung haben. Gemeint ist jener wirkliche Frieden, der nach dem Friedenswort der deutschen Bischöfe durch Gerechtigkeit geschaffen wird: durch das Gerechtwerden des Menschen vor Gott und durch das gerechte Verhalten der Menschen und Völker untereinander. „Gerechtigkeit schafft Frieden.“ Der hohe Einsatz, den euch die militärische Sicherung von Frieden und Freiheit abverlangt, wird deshalb auf sinnvolle Weise ergänzt durch diese eure Wallfahrt zum Jubiläumsjahr der Erlösung. Betet an den Heiligen Stätten für den Frieden unter den Völkern, öffnet aber vor allem selbst eure Herzen für den Frieden mit Gott! Einen weiteren Wiükommensgruß richte ich schließlich noch an die große Rompilgerfahrt der Kirchenchöre und Freunde der Kirchenmusik in der Region Schaumberg-Blies im Bistum Trier. Ich begleite euren Romaufenthalt mit meinem Gebet und erteile euch und allen hier anwesenden Pilgern aus den Ländern deutscher Sprache für stetes Wachsen in der Erkenntnis und Liebe Jesu Christi, unseres Erlösers, von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Glaubenseinheit und Gemeinschaft gedient Predigt bei der Gedenkmesse für die Päpste Pius XII. und Johannes XXIII. in der Petersbasilika am Sonntag, 6. November 1. „Jesus Christus ... ist der Erstgeborene der Toten . .. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit“ (Offb 1, 5-6). Diese Worte aus dem Buch der Geheimen Offenbarung preisen Christus, den Erstgeborenen unter den Toten, der nach seinem Leiden und seinem Kreuzesopfer glorreich auferstanden ist. Ihm, dem einzigen König und göttlichen Retter, ist die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit. Amen. Das Thema von der Auferstehung der Toten, das der Kirche gerade im Monat November, der dem Gedächtnis und dem Gebet für die Verstorbenen gewidmet ist, so wertvoll ist, steht im Mittelpunkt des Wortgottesdienstes dieses Sonntags. Denn im Evangelium behauptet Jesus mit Autorität, daß „die Toten auferstehen“ und daß „Gott kein Gott von Toten, sondern von Lebenden ist; denn für ihn sind alle lebendig“ (Lk 20, 37-38). Andererseits verleiht ein unerschütterlicher Glaube an die Auferstehung den sieben hebräischen Jünglingen, deren Martyrium die erste Lesung erzählt, die Kraft, die Qualen zu ertragen. Der hl. Paulus hat dann von „einem ewigen Trost und einer sicheren Hoffnung“ gesprochen (2 Thess 2, 16). Liebe Brüder und Schwestern! Jesus Christus, der Erstgeborene der Toten, und das heißt, „der als der erste der Entschlafenen von den Toten auferweckt worden ist“ (vgl. Kol 1, 18; 1 Kor 15, 20), verkündet und versichert durch sein göttliches Wort und bezeugt durch die Wirklichkeit seiner Auferstehung die überirdische Bestimmung jedes Menschen und die transzendente Bedeutung der ganzen Menschheitsgeschichte. In dieser Hinsicht ist die heutige Kultur oft zweideutig und widerspruchsvoll, während die Offenbarung Christi, die eine Botschaft der Wahrheit ist, versichert, daß die Seele unsterblich ist und Verantwortung trägt und der Leib am jüngsten Tag auferstehen wird. So besitzt der Christ die Gewißheit, daß er auferstehen wird. Er wird deshalb sein Leben so ausrichten und gestalten, daß er zur glorreichen Auferstehung gelangt. Die Worte der heutigen Liturgie strahlen Trost und Hoffnung aus, in deren Licht wir besonders im Monat November auf unsere Verstorbenen zurückblicken und mit ihnen eine echte geistliche Gemeinschaft pflegen. 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Im Rahmen dieser christlichen Gewißheiten wollen wir mit dieser Eucharistiefeier unseren Blick besonders auf zwei unvergeßliche Diener Gottes richten: auf die Päpste Pius XII. und Johannes XXIII. anläßlich des 25. Jahrestages des Todes bzw. der Erwählung zum päpstlichen Dienst. Wir tun das, um derer zu gedenken, die uns Väter im Glauben waren, und wir tun es ebenso im Geiste des Heiligen Jahres der Erlösung. Das ist eine für Gnade und Heil günstige Zeit, während der sich die Kirche darum bemüht, uns zur Begegnung mit Christus zu verhelfen, damit wir durch ihn mit Gott versöhnt werden, woraus wir reiche Früchte der Heiligkeit gewinnen können. Die beiden großen Päpste haben ständig und unermüdlich das heilbringende Geheimnis der Erlösung, den höchsten Plan der Liebe Gottvaters verkündet, der möchte, daß wir alle in seinem Sohn und durch das Wirken des Heiligen Geistes gerettet werden. Ihr Einsatz als Priester, Bischöfe und Päpste war ganz und gar darauf ausgerichtet, dem Geheimnis der Erlösung zu dienen und die göttliche Gnade mitzuteilen, so daß in ihnen das Wort des Apostels Paulus volle Bestätigung fand: „Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4, 1). In diesem treuen Dienst der Liebe und Hingabe an Christus und an die Brüder haben sie als „gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes“ (1 Petr 4, 10) unbestrittene Beweise außerordentlicher Tugend geboten und haben sich bereits zu Lebzeiten des Rufes der Heiligkeit erfreut. Die Kirche, die diese Inspiration des christlichen Volkes aufgriff, hat durch die Entscheidung Papst Pauls VI. das kirchenrechtliche Verfahren zur Feststellung der Heiligkeit im Leben der beiden Päpste eingeleitet. Außerdem bittet sie Gott inständig - und alle Gläubigen sind aufgerufen, sich anzuschließen -, daß er zur Ehre seines Namens und zur Erbauung des Gottesvolkes diesen Ruf der Heiligkeit, der das Wirken seiner Diener begleitet hat, bestätigen möge. 3. Auch 25 Jahre nach dem Heimgang Pius’ XII. in die Ewigkeit ist seine eindrucksvolle und erhabene Erscheinung, in der sich der Widerschein des Himmels spiegelte und die offen war, mit großer Geste die ganze Welt zu umfangen, noch nicht aus unserer Erinnerung gewichen. Noch nicht erloschen ist das Echo seiner energischen, aussagestarken und überzeugenden, tröstenden und betrübten, mahnenden und prophetischen Stimme. In dem tragischen Sturm des Zweiten Weltkrieges, den er abzuwehren versucht hatte, und in dem mühevollen Wiederaufbau nach den Zerstö- 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rungen des Krieges war Pius XII. ein unermüdlicher Apostel und mutiger Vorkämpfer des Friedens. Auf die Voraussetzungen dieses höchsten Gutes im Bereich der internationalen Ordnung und des sozialen Lebens hat er unter Bezugnahme auf die dringendsten Probleme von damals wiederholt hingewiesen, nicht ohne die Regierenden der Völker an ihre Verantwortung zu erinnern. Er trat für die Unterdrückten und Verfolgten ein. Unermüdlich übte er den Dienst der Nächstenliebe zugunsten sämtlicher Opfer des Krieges. Und er beschränkte sich nicht nur darauf. Pius XII. hat in seiner vorausschauenden Weisheit die Mittel zur Abwendung jener schmerzlichen Sorge im Ausblick auf den künftigen Frieden Umrissen. Sein reichhaltiges Lehramt, seine unermüdlichen Verbesserungen auf allen Ebenen der kirchlichen Struktur, die von ihm durchgeführten oder eingeleiteten Reformen, stellen das dar, was Paul VI. als „unermeßliche und fruchtbare Vorbereitung auf das spätere Lehr- und Hirtenwort des Zweiten Vatikanums“ bezeichnetc(Insegnamenti di Paolo VI, XIII, 1975, S. 216). Johannes XXIII., der zur Übernahme eines so großen Erbes aufgerufen war, stellte sich sogleich als Personifizierung des milden und guten Hirten dar. Ruhig und mutig, den Blick nach oben und weit voraus gerichtet, getreu seinem bischöflichen Wahlspruch „Oboedientia et Pax“ (Gehorsam und Friede), beseelt von tiefer Demut und dem Geist der Einfachheit, Kennzeichen seiner geistlichen Größe, arbeitete er in wenigen Monaten ein außergewöhnliches Programm aus und zögerte nicht, dessen Durchführung einzuleiten. Sein wirksames Pontifikat, das von verhältnismäßig kurzer Dauer war, ist mit bedeutenden Unternehmungen säkulären Ausmaßes, wie dem Zweiten Vatikanischen Konzil und der Revision des Kirchenrechts, verbunden geblieben, die die Zeit der kirchlichen Erneuerung, der wir angehören, bestimmt haben. 4. Dieses Wirkens der beiden Päpste ist bereits im Verlauf der Bischofssynode ausführlich gedacht worden. Dank einer umfangreichen und eingehenden biographischen und historischen Forschung ist es inzwischen in der Kirche und in der ganzen Welt wohlbekannt. Bei diesem feierlichen Gottesdienst gilt es, vor allem das Bild Pius’ XII. und Johannes’ XXIII. als oberste Hirten der Kirche auf dem Stuhl Petri zu zeichnen. Die Kirche entsteht und lebt aus dem Erlösungswerk Christi, des Herrn. Durch die ständig gegenwärtige und wirksame Heilskraft des Erlösungswerkes wächst die Kirche unter den Menschen weiter und ermöglicht es 1173 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihnen, ihrerseits in der Wahrheit und in der Liebe bis zum Maß der Vollkommenheit, zu wachsen. Den Bischöfen der Kirche ist die hohe Aufgabe anvertraut worden, die Menschen in verantwortlicher Weise auf dem Weg des Wachstums und der persönlichen Reifung zu ihrer endgültigen Bestimmung im Reich Gottes hinzuführen. Die Päpste, die auch persönlich darum bemüht sind, die Wege der Wahrheit und der Liebe zu gehen, sind kraft ihres apostolischen Auftrags die Garanten für die authentische Verkündigung dieser Botschaft. In diesem Zusammenhang hören wir noch einmal, was das Zweite Vatikanische Konzil mit höchster Autorität unterstrich: „Jesus Christus . . . hat den hl. Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt“ (Lumen gentium, Nr. 18). Pius XII. und Johannes XXIII. sind vor allem deswegen große Päpste, weil sie der „Glaubenseinheit und der Gemeinschaft“, d. h. der unablässi-geji Verbreitung der Wahrheit und der Liebe, mit anderen Worten, des Heilsplanes Gottes für die Menschheit, gedient und sie gewährleistet haben. Sie strahlen aber in hellem Licht am Horizont des römischen Papsttums wegen dieses Dienstes, der den wesentlichen und tiefgreifenden Sinn der Kirche selbst darstellt im klaren Bewußtsein, in dem Wirbel der vielen Ereignisse außerhalb und innerhalb der Kirche für die Sache Gottes und der ihnen anvertrauten Menschen zu wirken und zu kämpfen -nicht ohne tiefes Leiden. In ihnen erfüllten sich voll und ganz die Worte Christi an den Apostel Petrus: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und du . . . stärke deine Brüder“ (Lk 22, 32). Die gebebten obersten Hirten, deren wir heute gedenken, lassen uns offenkundig und trostvoll spüren, daß der von Christus, dem Messias und Erlöser, verwirklichte und der Kirche anvertraute Heilsplan Gottes in der Zeit von Papst zu Papst fortdauert und in der Menschheitsgeschichte voranschreitet, bis er in der Erwigkeit einmündet. 5. Meine Lieben! Wenn wir uns im Abstand von 25 Jahren so bedeutsame Abschnitte der Geschichte des Papsttums und der Kirche in Erinnerung rufen, füllt sich unser Herz mit Dankbarkeit. Gleichzeitig empfindet es um so intensiver das Bedürfnis der Treue. Einer vollkommenen Treue zu Christus und zu seiner Braut, der Kirche, nach dem Vorbild und der Lehre der beiden 1174 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hervorragenden Hirten; eine Treue, die der Tradition und der Erneuerung Freund ist und der nostalgische Verzögerungen und unbedachte Impulse fremd sind; einer klaren und tätigen Treue für die lebendige Gegenwart und die sichere Zukunft. Christus, der „Erstgeborene unter den Toten“, dem die Herrlichkeit und die Macht in alle Ewigkeit gehört, gewähre diese seine Herrlichkeit und geistliche Macht den treuen Dienern Pius XII. und Johannes XXIII.! Sie haben der Kirche als Hirten der Herde auf dem Stuhl Petri gedient; mögen sie teilhaben an der Freude des verherrlichten Christus und weiterhin durch die Gemeinschaft der Heiligen auf vorsorgliche Weise der Kirche Gottes dienen. Amen. Eine ,,Schule der Menschlichkeit“ Ansprache an die Teilnehmer des 7. Internationalen Familienkongresses am 7. November Meine Damen und Herren! 1. Ich freue mich, Sie anläßlich dieses Internationalen Familienkongresses — der siebte, den Sie veranstalten - zu empfangen und Sie zur Fortführung Ihrer Studien und Ihres Einsatzes zu ermutigen, die auf die Förderung der Familie abzielen. Als Christen, Staatsbürger und Familienoberhäupter, die aus verschiedenen Berufen und gesellschaftlichen Kreisen kommen, tauschen Sie so gemeinsam Ihre Erfahrungen, Sorgen, Vorhaben und - davon bin ich auch überzeugt - Ihre Überzeugungen aus. Das während dieses Kongresses zur Sprache gebrachte Thema - Familie und Gesellschaft - soll einen ganzen Komplex von Überlegungen, die Sie bereits über andere Aspekte angestellt haben, fortsetzen und ergänzen; es ist im übrigen schon an und für sich sehr umfangreich. Ich überlasse es Ihnen, es zu vertiefen und daraus präzise Richtlinien für Ihr aktives Vorgehen zu gewinnen. Sie wollen, wie Sie sagen, Ihr soziales Engagement verstärken und auf diese Weise in die Lage kommen, einer größeren Zahl von Familien bei der Erziehung ihrer Kinder zu helfen, indem Sie zunächst nach einer persönlichen Besserung und einer objektiveren Kenntnis Ihrer eigenen Kinder streben und sich der Notwendigkeit bewußt werden, sich auch der Kinder der anderen anzunehmen. 1175 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. In erster Linie geht es hier darum, von dem ursprünglichen und grundlegenden Platz der Familie sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche überzeugt zu sein. Sie müssen immer wieder miteinander die Worte des Evangeliums und die Lehre der Kirche hören, die die Identität der Familie, ihre inneren Kraftquellen, die Bedeutung ihrer Sendung in der Stadt der Menschen und in der Stadt Gottes offenbaren (vgl. Familia-ris consortio, Nr. 86). Aber ich brauche mit Ihnen ja wohl nicht die wichtigsten Abschnitte meines Apostolischen Schreibens über die Aufgaben der christlichen Familien zu wiederholen: Sie haben sie gelesen und darüber nachgedacht. Sie sind davon überzeugt, daß „die Zukunft der Menschheit über die Familie führt“, daß man ihr gestatten muß, die Rolle zu spielen, die ihr zukommt. Aber es genügt nicht, die Familie zu bewundern und ihre Rechte herauszustellen: Es gilt, konkret darauf zu achten, wie die Aufgaben der Familie und die der Gesellschaft aufeinander abgestimmt werden können. Unsere kurze Begegnung erlaubt mir nur, auf diese Probleme hinzuweisen. Ich möchte einfach sagen, daß die Familie einerseits eine eigene Sendung im Dienst ihrer Mitglieder hat, daß sie Rechte besitzt und daher die Hilfe der Gesellschaft nötig hat, um diese Rechte auszuüben; andererseits hat sie Pflichten gegenüber der Gesellschaft, um ihre Mitarbeit im Dienste der Allgemeinheit zu leisten. 3. Ja, einerseits steht die Gesellschaft im Dienst der Familie, die sie achten und fördern muß als eine „Gesellschaft, die ihr eigenes maßgebendes Recht besitzt“, ohne sich an ihre Stelle zu setzen und ohne in ihre Verantwortlichkeiten oder in die Initiativen der Familienverbände einzugreifen. Auf diesem Gebiet muß sie noch mehr als auf anderen eine Rolle der Subsidiarität spielen. So haben - um nur einige bezeichnende Beispiele zu nennen - jene, die eine Familie gründen wollen, das Recht, von der Gesellschaft zu erwarten, daß ihnen dafür moralisch, erzieherisch, sozial und wirtschaftlich günstige Verhältnisse geboten werden. Insbesondere muß der institutioneile Wert der Ehe von den Behörden unterstützt werden. Die Familie hat das Recht auf Unterstützung seitens der Gesellschaft, um die Last und Verantwortung tragen zu können, die das In-die-Welt-Setzen und die Erziehung der Kinder darstellen; besonders die kinderreichen Familien haben das Recht auf eine angemessene Hilfe. Die Waisen und die Kinder, die auf den Beistand ihrer Eltern oder Vormünder verzichten müssen, sollen einen besonderen Schutz von seiten der Gesellschaft genießen; in diesem Fall muß der Staat durch seine 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesetzgebung die Aufnahme dieser Kinder in dazu geeignete Familien erleichtern. Was die Erziehung angeht, so haben die Eltern - die die ersten und wichtigsten Erzieher ihrer Kinder bleiben - das Recht, die Kinder entsprechend ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen und daher die Schulen oder andere dazu notwendige Institituionen frei zu wählen. Durch eine gerechte Verteilung der staatlichen Finanzmittel sollen sie von der Gesellschaft die notwendige Hilfe und Unterstützung erhalten. Die religiöse und sittliche sowie die sexuelle Erziehung müssen immer unter ihrer aufmerksamen Führung erfolgen. 4. Andererseits haben die Familien das Recht und die Pflicht, ihre soziale Funktion beim Aufbau der Gesellschaft auszuüben: Das ist ein Dienst, der zur Qualität der sozialen Beziehungen und zum ethischen Klima beitragen soll, von dem die Sitten und Gewohnheiten der Allgemeinheit abhängen. Die Familie, die ihre Sendung gegenüber ihren Mitgliedern gut erfüllt, ist schon von sich aus eine Schule der Menschlichkeit, der Brüderlichkeit, der Liebe und der Gemeinschaft, die Staatsbürger darauf vorbereitet, das zu üben, was ich die soziale Liebe nenne, und zwar dadurch, daß sie notwendigerweise Aufgeschlossenheit, Geist der Zusammenarbeit, Gerechtigkeit, Solidarität, Frieden und auch Mut zum Eintreten für ihre Überzeugungen einschließt. Dann haben wir die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erziehern im Rahmen der Schule oder der Freizeitgestaltung, woran sich die christlichen Familien auf fruchtbare Weise beteiligen können. Ich denke ferner an die Ausarbeitung familienpolitischer Maßnahmen, an alles, was die rechtliche und soziale Stellung der Familie im allgemeinen und die Hilfe betrifft, die den materiell oder moralisch benachteiligten Familien geleistet werden muß. Die Familien und vor allem die Familienverbände haben da einen ganz wichtigen Beitrag zu leisten; dessen sind Sie sich ja gewiß voll bewußt. Wie könnte man zudem den immer größeren Einfluß der Mittel der sozialen Kommunikation — Presse, Werbung, Rundfunk, Fernsehen, Kino - übersehen, um sämtliche Werte der Familie in einer Weise darzustellen, die die Würde der Sitten, die eheliche Liebe, ihre Vorbereitung, die Ehe als Institituion begünstigt? Hier gilt es, nicht nur über das zu wachen, was leider die Krise der Familie zu verstärken droht, sondern auch einen positiven Beitrag zu erbringen: Die Familien, die das Ideal der Ehe im 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lichte des christlichen Glaubens zu leben versuchen, müssen davon in den Medien klar Zeugnis geben und selbst darauf Einfluß nehmen, daß Artikel oder Bildfolgen dem Rechnung tragen. Schließlich müssen Sie mit klarem Blick die Situationen prüfen, die im Zusammenhang mit der heutigen Kultur auftreten, müssen prüfen, was an ihnen schwach oder gefährlich ist und was eine Chance oder eine Erwartung darstellt. So werden Sie in der Lage sein, einen echten Dialog mit jenen aufzunehmen, die zur Herausbildung der Sitten beitragen, die Ihnen zufallende Verantwortung auszuüben, geeignete, realistische und wirksame Abhilfen vorzuschlagen und vor allem unaufhörlich Zeugnis für eine christliche Familienauffassung abzulegen, die kennen und schätzen zu lernen unsere Gesellschaft dringend nötig hat. Das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi sprach von der Evangelisierung der Kulturen; die Familie ist mehr denn je eine Wirklichkeit, die es zu evangelisieren gilt. Das ist eine wunderbare Aufgabe, die im Interesse der Familie und der ganzen Gesellschaft, im Interesse der Kirche - die aus vielen Gründen auf die Familien zählt - fortzuführen ist. Dieser Dienst setzt, soll er wirksam sein - Aufgeschlossenheit und Bereitschaft zur Zusammenarbeit unter jenen voraus, die sich in den verschiedenen Bewegungen und Vereinigungen der Kirche und in der Gesellschaft darum bemühen. Ich freue mich, daß ich die Gelegenheit hatte, Sie hierzu zu ermutigen. Während ich den Heiligen Geist bitte, Ihnen sein Licht und seine Kraft zu schenken, segne ich Sie sowie Ihre Familien aus ganzem Herzen. Die wahre Demokratie ist eine schwierige Sache Ansprache an die Europäische Union Christlicher Demokraten (EUCD) am 10. November Meine Damen und Herren! 1. Gelegentlich Ihrer Arbeitssitzung in Rom haben Sie den Wunsch geäußert, dem Papst zu begegnen. Dieser Wunsch hat mich um so mehr gefreut, als diese Audienz in ein religiöses Programm eingefügt ist, das auch die Feier des Heiligen Jahres der Erlösung umfaßt; den christlichen Pilgern liegt es ja am Herzen, dieses Ereignis in Rom oder in ihren Ortskirchen zu begehen. 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein dreifaches Kennzeichen ist Ihnen gemeinsam: Sie tragen schwere politische Verantwortung im Europäischen Parlament oder in den Parlamenten Ihrer Länder; Sie stehen mit den demokratischen Vorgängen der Regierung in Verbindung, insbesondere im Rahmen der Weltunion - oder der Europäischen Union Christlicher Demokraten; schließlich sind Sie von ähnlichen christlichen Überzeugungen erfüllt, die es Ihnen ermöglichen, gemeinsam Ihren Glauben, Ihr Gebet und Ihre christlichen Verpflichtungen zum Ausdruck zu bringen. 2. Sie werden verstehen, daß ich mich zunächst mit dem letztgenannten Aspekt beschäftige: mit Ihrer Feier des Heiligen lahres. Sie stehen dem heiligen und erbarmenden Gott gegenüber, der zu allen Menschen, zu jeder Generation und insbesondere in diesem Jubiläumsjahr die Worte spricht: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium!“ Angesichts dieses Aufrufs zur Heiligkeit, die eine Entfaltung der Taufe ist, muß der Mensch sich selbst erkennen. Jeder fühlt normalerweise die Last seiner Sünden, alles dessen, was in der Verborgenheit seines persönlichen und familiären Lebens ein Hindernis für eine vertrauensvolle Beziehung zu Gott, für das Gebet, die Nächstenliebe, die Gerechtigkeit, die Lauterkeit und die Wahrheit war oder ist, zu der die Jünger Christi berufen sind. Vertrauend und bereuend legen wir diese Last ab, um neu zu beginnen mit der Hilfe des Heiligen Geistes, der läutert, befreit und erhöht. Eine solche Revision des Lebens umfaßt für Sie insbesondere Ihre sozialen Verpflichtungen, da das Amt, zu dem Sie durch das Vertrauen Ihrer Mitbürger berufen wurden, Sie dazu verpflichtet, das Gemeinwohl aller zu suchen, diesbezüglich fruchtlose Barrieren unter Ihnen zu überwinden und Demagogie und Parteilichkeit hinsichtlich dieser oder jener Wählergruppe zu vermeiden. Schließlich fühlen Sie sich solidarisch gegen die verschiedenen Übel, an denen unsere Gesellschaft leidet: Diskriminierungen, Gewaltanwendungen, Terrorismus, kriegerische Aggressionen, gefährliche Anhäufung von Bewaffnungen, Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, mangelnde Achtung des Lebens der Unschuldigen und schreiende Ungleichheit zwischen Reichen und Armen. Wie die Bischöfe kürzlich in ihrer Botschaft zum Abschluß der Synode festgestellt haben, handelt es sich hier um Übel, die uns nicht gleichgültig sein können; wenn sie sich in der Gesellschaft verbreiten und in den Strukturen Eingang finden, so deshalb, weil sie aus dem sündigen Herzen der Menschen kommen, aus ihrem Geiz, ihrer Ungerechtigkeit und ihrem Haß. Diese Übel lassen die Not- 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wendigkeit der göttlichen Gnade der Bekehrung und Versöhnung für die Welt ebenso wie für die Kirche offenbar werden: Wir erbitten sie von Gott, indem wir selbst kommen, um uns mit Gott zu versöhnen, und uns verpflichten, soweit es an uns liegt, uns in unserem Verantwortungsbereich zu engagieren. 3. Wir, die Gläubigen, vereinigen uns mit allen Menschen guten Willens angesichts der Ideale, die ihr Gewissen ehren, denn „der Plan Gottes für unsere Gesellschaft ist, daß wir wie eine einzige Familie leben, in Gerechtigkeit, Wahrheit, Freiheit und Liebe“, wie die Synodenväter sagten. Wir sind jedoch überzeugt, daß Wandel und Fortschritt, die wir erhoffen, letzten Endes die Früchte des Todes und der Auferstehung Christi, des Erlösers der Menschheit, sind, der am Kreuz durch die Hingabe seines Lebens in einem Übermaß von Liebe die Macht der Sünde gebrochen und den Frieden mit Gott und unter den Menschen hergestellt hat (vgl. Eph 2, 13-18). Gott ist größer als unser Versagen, und das Kreuz bedeutet, daß die Liebe stärker ist als Haß und Zwietracht und daß man sein Leben für seinen Bruder einsetzen muß. Ja, „im Kreuz ist Hoffnung für eine christliche Erneuerung Europas“, wie ich am 10. September in Wien sagte. Unser Sendungsauftrag ist es, „eine gespaltene und zerrissene Welt zu heilen, zu versöhnen, zu einigen und so eine Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufzubauen . . . Die ganze Welt muß mehr und mehr zu einer versöhnten Völkergemeinschaft werden“ {Botschaft der Bischofssynode vom 25. Oktober 1983 in: O.R.dt. Nr. 44 vom 4. 11. 83, S. 1). 4. Nach diesen Erwägungen über die Bedeutung des Jubiläums, das Sie feiern, möchte ich mit Ihnen einige Apsekte Ihres Lebens als christliche Parlamentarier ins Auge fassen, dieses Lebens, das zu vertiefen und zu erneuern Sie aufgerufen sind. Was ich zu Ihnen sage, gilt auch für alle jene, die sich zum christlichen Glauben oder zum christlichen Ideal bekennen und im politischen Leben Europas in verschiedenen Parteien engagiert sind. Zuallererst: Liegt es nicht im Interesse einer Aufrechterhaltung Ihrer Überzeugungen, daß Sie sich zu Augenblicken der Neubesinnung zusammenfinden? Ich denke da in erster Linie an das Gebet, und es erfreut mich zu wissen, daß die christlichen Mitglieder des Europaparlaments keine Hemmungen haben, vor den Plenarsitzungen miteinander zu beten. Die Teilnahme an bestimmten gemeinsamen Feiern, an bestimmten gemeinsamen Messen ist sicher auch eine große Hilfe für die christlichen Pariementarier. 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Allgemein ausgedrückt, ich bin überzeugt, daß die schwerwiegenden Debatten, die Ihr Gewissen herausfordern, auch Gegenstand gemeinsamer Überlegungen im Licht des Evangeliums sein können, damit Sie in die Lage versetzt werden, Ihre persönlichen Entscheidungen als Christen zu treffen und als Christen den politischen Weg Ihrer politischen Gruppe nach Richtlinien einzuschlagen, die, ohne die Entscheidungen auf technischer Ebene zu beeinflussen, eine Geisteshaltung und ethische Prinzipien ausstrahlen, auf die man niemals verzichten sollte. 5. Erinnern wir ein wenig an diese Prinzipien, von denen Sie sicher überzeugt sind, die jedoch manchmal nur schwer mit dem Druck in Einklang zu bringen sind, der auf allen Politikern lastet. Es handelt sich zuerst darum, dem Gemeinwohl all jener zu dienen, die in den verschiedenen sozialen Milieus der einzelnen Länder und in den verschiedenen Bereichen des Wirtschaftslebens an Ihrer europäischen Institution interessiert sind, um, soweit als möglich, Gerechtigkeit und Harmonie im Wirtschaftswachstum zu sichern und gleichzeitig der Subsidiarität Rechnung zu tragen. Ich weiß, daß dieses Gleichgewicht zwischen anscheinend einander entgegengesetzten Interessen, diese Unparteilichkeit, unabhängig von den Anliegen derer, die Sie gewählt haben oder neuerlich wählen könnten, schwierig ist. Als noch schwieriger erweist es sich vielleicht, den legitimen Wünschen der verschiedenen Länder im Rahmen des Europäischen Parlaments gerecht zu werden, denn Sie haben dort die Aufgabe, eine gemeinsame Politik und nicht nur die Ihres Landes zu verfolgen. Darüber hinaus gibt es ein Gemeinwohl der internationalen Gemeinschaft, nach dem die Länder Europas auch mit Mut, Gerechtigkeitssinn und Selbstlosigkeit streben müssen, ganz gleich, ob es sich nun um den Frieden im Mittleren Osten und in Zentralamerika, um die Entschärfung der Spannungen und die realistische „Diseskalation“ zwischen Ost und West, die Solidarität zwischen Nord und Süd im Drama des Hungers und im ungleichen Güteraustausch oder um die flagrante Verletzung der Regeln der Menschlichkeit, der Freiheit und der Menschenrechte handelt. In allen diesen Bereichen — um nur einige Beispiele anzuführen — sollte jenes Europa, das Sie vertreten, ohne an die Stelle der örtlichen Behörden zu treten, aus seinem christlichen und humanitären Erbe die Kraft schöpfen, ein Zeugnis abzulegen, das den Völkern in Not hilft, und mit ihnen wirksame Mittel finden, einen Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und Hoffnung zu leisten. Das Gemeinwohl der Völker umfaßt nicht nur die wirtschaftlichen Bedin- 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gungen und das Gleichgewicht des Friedens, sondern „die Gesamtheit der Lebensbedingungen in der Gesellschaft, die es dem Menschen gestatten, die ihm eigene Vervollkommnung auf vollständige und einfachere Weise zu erreichen“; „es betrifft den ganzen Menschen mit seinen sowohl spirituellen als auch materiellen Bedürfnissen“ (vgl. Mater et magistra und Pacem in terris). Im übrigen hört das Europäische Parlament nicht auf, gesetzliche Vorlagen oder Dispositionen vorzubereiten, welche die Freiheit der Person, die Achtung vor dem Leben, die familiären Sitten, die Ehe als Institution, die wertgebundene Jugenderziehung unter Beachtung der Rechte der Eltern, die Situationen sozialen Elends usw. betreffen. Für einen Parlamentarier, einen christlichen Parlamentarier, ist dies eine große Verantwortung, durch seine Diskussionen und seine Stimme menschliche und christliche Werte wie die Würde der Person, die echte Liebe, die freie Entfaltung in der Solidarität mit den anderen Menschen, die Gewissensbildung und das Offensein für spirituelle Wirklichkeiten zu fördern! Als Christen sind Sie dazu berufen, in Überzeugungstreue zu Ihrem Glauben zu handeln und, ich möchte sagen, in der „tiefen christlichen Verwurzelung der menschlichen und kulturellen Werte - die die Vergangenheit Europas zu entscheidend geprägt haben und auch seine Zukunft zu gewährleisten vermögen“, wie ich in Wien sagte. 6. Der Sinn für eine echte Demokratie, dem Sie verhaftet sind, ist ein Teil dieses Erbes. Sie handeln richtig, wenn Sie demokratisches Vorgehen fördern und sich um eine konkrete Teilnahme der Bürger am Leben der politischen Gemeinschaft kümmern, ohne deshalb die Notwendigkeit einer genügend starken öffentlichen Autorität zu vernachlässigen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 16). Bestimmte demokratische Praktiken, die vielleicht diesen letzten Punkt nicht genügend beachteten und denen es an Realismus mangelte oder die sich in sterilem Parteienstreit und in der Verfolgung persönlicher Interessen verzehrten, haben leider manchmal verschiedenen Formen der Diktatur den Weg bereitet. Man muß daraus eine Lehre ziehen. Es bleibt jedoch wahr, daß die richtig verstandene Demokratie dem legitimen Recht auf freie Wahl des politischen Systems sehr wohl entspricht und daß sie die besten Vorassetzungen mit sich bringt, um dank der eingebrachten Korrekturen zu einem Weg der Weisheit zu werden und gerechte Lebensbedingungen für alle sicherzustellen. Heute kann dieses Ideal manchmal als Schwäche erscheinen, als Mißerfolg angesichts des Ausbruchs der Gewalt und der Eskalation gewaltsamer 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lösungen. Freilich, alle Länder stellen Gerechtigkeit, Menschenrechte, Friedenswillen und durch Verhandlungen erzielte Lösungen in den Vordergrund. In Wirklichkeit jedoch beschreiten viele den Weg einer mehr oder weniger versteckten Gewalt. Ja, die wahre Demokratie ist eine schwierige Sache; sie muß um jeden Preis verteidigt werden und erfordert entschiedenen Einsatz und hohes Verantwortungsbewußtsein. So wünsche ich Ihnen, es möge dies Ihre Methode und Ihr Ideal werden; mögen Sie sich jederzeit dadurch auszeichnen, daß Sie die Wege des wahren Dialogs beschreiten, wie ich sie in meiner Botschaft zum ersten Tag dieses Jahres in Erinnerung gerufen habe. Letzten Endes ist keine Partei vor Entgleisungen, Verfall und Korruption sicher; man muß stets wachsam sein und immer wieder aufs neue nach den Prinzipien handeln, von denen wir soeben gesprochen haben. Die konkreten Lösungen auf politischer Ebene lassen sich übrigens nicht direkt vom Glauben herleiten. Ihr fester Wille einzeln und gruppenweise nach Ihrem christlichen Gewissen zu handeln, sowie Ihr Zeichen der Demut zum Heiligen Jahr verdienen meine entschiedenste, lebhafteste Ermutigung. So sagte ich bereits am ersten Tag meines Pontifikats: „öffnet die Grenzen der Staaten, die wirtschaftlichen und politischen Systeme . . . seiner rettenden Macht.“ Und in meiner Enzyklika Redemptor hominis schrieb ich: „Man wird auf diesem . . . Weg der unbedingt notwendigen Veränderungen der Strukturen . . ., nur dann Fortschritte machen, wenn eine wahre Umkehr der Mentalität, des Willens und des Herzens stattfindet. Die Aufgabe erfordert den entschlossenen Einsatz der Menschen und Völker in Freiheit und Solidarität . . ., bei dieser ungeheuren Aufgabe muß man von vornherein den Inhalt der moralischen Verantwortung, die der Mensch dabei übernehmen soll, genau festsetzen“ (Nr. 16). Ich danke für Ihren Besuch und Ihr Vertrauen und bete zu Gott, damit er Ihnen seine Kraft und sein Licht schenke, so daß Sie ihren Brüdern und Schwestern in Europa den qualifizierten Dienst leisten können, dessen Sie fähig sind. Aus ganzem Herzen segne ich Sie. 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Internationale Wirtschaftsordnung notwendig Ansprache an die Mitglieder der 22. Sitzungsperiode der Konferenz der FAO am 10. November Herr Vorsitzender! Herr Generaldirektor! Exzellenzen! Sehr geehrte Delegierte und Beobachter! 1. Ich bin glücklich, daß so viele sachkundige Vertreter der FAO und der Staaten, die ihr und den internationalen Organisationen angehören und die aus der ganzen Welt zur Teilnahme an dieser 22. Sitzungsperiode der Konferenz gekommen sind, die Einladung zu einer Begegnung angenommen haben, die seit Beginn der Anwesenheit der FAO in Rom zu einer Tradition geworden ist. Es ist nun das zweite Mal, daß ich persönlich mit Ihnen zusammentreffe, außer meinem Besuch am Hauptsitz der FAO im November 1979, ein Ereignis, das mir in freudiger Erinnerung bleibt. Ich freue mich, heute die Gelegenheit zu haben, wieder einmal auszusprechen, wie hoch ich die von der FAO geleistete Arbeit schätze und wie sehr ich die jüngste Dokumentation über die Welternährungssituation und über die Arbeitsprogramme der FAO und die Aspekte ihres Einsatzes anerkenne. Sicher spüren Sie immer mehr, wie sehr der Hl. Stuhl an dem Problem der Überwindung von Hunger und Unterernährung interessiert ist, und wie genau er alle Unternehmungen und Aktivitäten studiert, die auf dieses humanitäre Ziel ausgerichtet sind. 2. Das Recht, genug zu essen zu haben, ist zweifellos ein unveräußerliches Recht des Menschen. Es verpflichtet dazu, für jeden wirklich ausreichende Nahrung sicherzustellen. Das Ernährungsproblem kann natürlich nicht vom Standpunkt gelegentlicher Hilfsmaßnahmen oder der bloßen Produktionssteigerung aus betrachtet werden. Ich weiß, daß das Thema der Ernährungssicherung im Mittelpunkt des Arbeitsprogrammes der FAO steht und dort bereits während der letzten zehn Jahre, seit der Welternährungskonferenz vom November 1974, gestanden hat. Aber heute zeigt sich mit Recht eine detailliertere Sicht der Ernährungssicherung. Sie schließt drei spezifische Zielsetzungen ein: ausreichende Produktion zu gewährleisten, den Fluß der Hilfsgüter soweit als möglich zu stabilisieren, besonders um unvorhergesehenen Notsituationen begegnen zu können, und schließlich: sämtliche für eine ständige und 1184 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN organische Entwicklung notwendigen Hilfsquellen allen, die sie brauchen, zugänglich zu machen. Die Welt hat genügend Nahrungsmittel Wenn für die gesamte Weltbevölkerung ständig eine angemessene Versorgung sichergestellt werden soll, muß zweierlei getan werden: Die Produktion und die Bereitstellung von Nahrungsmitteln zu annehmbaren Preisen für eine sich ständig ausbreitende Bevölkerung müssen gefördert und den Schwierigkeiten und Krisen in einzelnen Ländern und Regionen muß unmittelbarer entgegengetreten werden. 3. Gemäß den von Ihrer Dokumentation zur Verfügung gestellten Angaben hat während der letzten zehn Jahre die Nahrungsmittelproduktion um einen höheren Prozentsatz zugenommen als das Wachstum der Bevölkerung. Aus der Summe vieler Angaben über verschiedene Aspekte von Produktion und Verbrauch ergibt sich die tröstliche Bestätigung, daß die Menge der Nahrungsmittel in bezug auf den jetzigen und zukünftigen Bedarf der Weltbevölkerung, selbst bei deren künftigem Anwachsen, insgesamt ausreicht. Aber im Hinblick auf einzelne Länder bzw. bestimmte Zonen kann man nicht verschweigen, wie ernst die gegenwärtige Situation ist. Auch Vorhersagen für die kommenden Jahrzehnte bestätigen, daß das Problem des Ungleichgewichts zwischen Bevölkerung und gegenwärtiger Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln tatsächlich besteht. Besondere Sorge verursacht das - praktisch in sämtlichen Entwicklungsländern - immer offenkundigere Auseinandergehen von Wachstumsrate der Nahrungsmittelproduktion und Rate des Bevölkerungswachstums. Das steht besonders im Gegensatz zu der Tatsache, daß in den Entwicklungsländern, in ihrer Gesamtheit betrachtet, die Nahrungsmittelproduktion weiter steigen wird, was hinsichtlich der inländischen Nachfrage in Ländern mit stabiler Bevölkerung Überschüsse zur Folge hat. Aber es ist wichtig, auf die in einer Studie enthaltene, Ihnen vertraute Feststellung hinzuweisen: „Die Entwicklungsländer in ihrer Gesamtheit (mit Ausnahme Ostasiens) sind in der Lage, genügend Nahrungsmittel zu produzieren, um zweimal ihre Jahresbevökerung von 1975 und einein-halbmal ihre Bevölkerung des Jahres 2000 zu ernähren, selbst bei geringem Aufwand“ (FAO/UNFPA/IIASA Report FPA/INT/513). 1185 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ziel ist die Selbstversorgung 4. Diese widersprüchliche Situation veranlaßt uns, die moralischen Pflichten zu unterstreichen, die sich aus den Beziehungen zwischen den Staaten ergeben und die man als Kriterien im Gedächtnis behalten müßte, welche auch die Entscheidungen Ihrer gegenwärtigen Sitzungsperiode der FAO-Konferenz inspirieren sollten. Die Bekräftigung des Vorranges der Landwirtschaft und der ganzen Reihe von Problemen bezüglich der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion ist natürlich weiterhin wichtig. Aber es ist klar, daß die Sicherstellung eines tatsächlichen Wachstums in den einzelnen Entwicklungsländern noch viel wichtiger und vordringlicher ist als eine Steigerung der Weltproduktion in weltweitem Umfang. Es erscheint äußerst bezeichnend, daß heute das Gewicht auf das Ziel der Nahrungsmittelselbstversorgung dieser Länder gelegt wird. Sie wird sichergestellt durch ihre Eigenentwicklung, die, wenn man auch mit ausländischer Hilfe, entsprechend der nun schon klassischen Definition des Selbstvertrauens (self-reliance) erreicht wird. Hinzu kommt die berechtigte Sorge, das Phänomen der neuen Art von Abhängigkeit von den entwickelten Ländern nicht noch zu verschlimmern, ein Phänomen, das besonders in den letzten Jahren, in denen die Entwicklungsländer dringend auf Nahrungsmitteleinfuhren angewiesen waren, immer auffälliger geworden ist. 5. Ich wiederhole daher ein zentrales Thema meiner Botschaft zum dritten Welternährungstag: Es ist ein erneuter Aufruf zur Solidarität, der sich an die Regierungen und Völker aller Kontinente richtet und die „möglichst rasche Einführung einer internationalen Wirtschaftsordnung“ betrifft, „die sowohl auf Produktionsebene wie auf dem Gebiet der Güterverteilung wahrhaft gerechter und brüderlicher ist (Botschaft vom 16. Oktober 1983, O. R. dt. vom 18. 11. 83, S. 5). Die Pflicht aller Länder zur Produktionssteigerung muß erneut zum Ausdruck gebracht werden: Das gilt auch für die fortgeschrittensten. Hinzuweisen ist auch darauf, daß die Ansammlung von Vorräten, welche das von der FAO für die Mindestsicherheit als notwendig erachtete Ausmaß überschreiten, in einem begrenzten geographischen Gebiet anzutreffen ist, in dem eine kleine Zahl von Ländern beinahe die Hälfte der Weltgetreide Vorräte speichert. Außerdem gibt es Anzeichen für eine Flächenverminderung des bebauten Landes, und zwar nicht nur als Folge von Erosion und des Vordringens der Wüsten, sondern auch durch eine' 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN künstliche Produktionsverminderung. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, damit nicht durch Unterlassen des Agraranbaus die Möglichkeit verringert wird, bedürftige Länder mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen. Aber das nächstliegende Ziel in dieser Phase ist natürlich das der Verteilung. Es verlangt eine Verteilung, die für die Entwicklungsländer vorteilhaft ist, und eine wirksame Kontrolle des Handelsaustausches, vor allem mit einer Stornierung von Schutzzollbestrebungen. 6. Die Bereitstellung von Nahrungsmitteln zu annehmbaren Bedingungen erfordert eine Reduzierung des übermäßigen Verbrauchs in manchen Ländern. Es erfordert auch ein Nachlassen der übertriebenen Verteidigung der Nahrungsmittelpreise seitens der Länder mit hoher Produktion. Ebenso erforderlich sind Sondermaßnahmen zugunsten von Ländern mit niedrigem Umsatz und Nahrungsmittelmangel, um die ständige Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte zu unterstützen und insbesondere die Einfuhr im Falle unvorhergesehener Notfälle zu erleichtern. Man sagt, in dieser Phase sei ein ständiger Rückgang in der Ernährungshilfe festzustellen. Man bemerkt eine Kürzung der vorzugsweise aus multilateralen Mitteln zur Verfügung gestellten Gelder, während parallel dazu keine entsprechende Erhöhung der bilateralen Hilfe zu erkennen ist. Hinsichtlich der Vorräte ist aber auch die lobenswerte Förderung der Anlage nationaler Vorräte in den Entwicklungsländern festzustellen. Das bedeutet jedoch nicht den Verzicht auf die Bereitschaft, in wirksamer Weise internationale Reserven anzulegen, die multilateralen Organisationen oder zumindest einem System koordinierter nationaler Vorräte zur Verfügung gestellt werden. Aber eine gerechte Verteilung verlangt auch einen umfassenderen Zugang aller Länder zu sämtlichen nahe- wie fernliegenden Mitteln, die für eine konkrete Entwicklung erforderlich sind: Dazu gehören insbesondere Darlehen zu günstigen Bedingungen an die ärmeren Länder, was eine effektive Neuverteilung des Einkommens zwischen den Völkern zustande bringt. Die Stabilisierung des Geldzuflusses und technische Hilfsprogramme haben vorrangige Bedeutung erhalten. 7. In meiner Botschaft vom 16. Oktober habe ich ausdrücklich festgestellt: „Natürlich sind es in erster Linie alle in ihrer Entwicklung fortgeschrittenen Länder und ihre Regierungen, an welche die dringende Aufforderung zu solcher internationaler Solidarität ergeht“ (a. a. O., S. 5). Ich möchte noch hinzufügen, daß das auch die Übernahme bindender 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verpflichtungen einschließt. Wie in anderen Dingen muß man auch hier immer wieder zu gutem Willen aufrufen bei der geduldigen Suche nach Vereinbarungen und Übereinkommen, wenn möglich auch über Punkte, die nicht nur klar skizziert, sondern konkret festgelegt und in die Praxis umgesetzt werden. In diesem Sinne wird die Aufforderung wiederholt, in den dafür zuständigen Gremien die notwendigen Initiativen für die Erneuerung der Abkommen über den Getreidehandel und über die damit zusammenhängenden Programme zur Ernährungshilfe fortzuführen oder zumindest die teilweise Annahme der Zielsetzungen für die Ernährungssicherung, wie sie in dem Vorschlag der FAO formuliert sind. Die bisherigen Bemerkungen gelten nicht nur für die Agrarprodukte, sondern sie betreffen, gerade im gegenwärtigen Augenblick, auch die Fischereiprodukte im Zusammenhang mit der Annahme und praktischen Anwendung der internationalen Bestimmungen, die in dem Abkommen über das neue Seerecht festgelegt wurden. 8. Einen Beweis seiner ständigen Bereitschaft, in allen geeigneten Initiativen zusammenzuarbeiten, hat der Hl. Stuhl erst kürzlich erbracht, anläßlich der Tagung namhafter Wissenschaftler aus der ganzen Welt über die Beziehung zwischen der Wissenschaft und dem Kampf gegen den Hunger. Die Kirche hilft in Forschung, Lehre und Ausbildung Die Päpstliche Akademie der Wissenschaften hat Zeugnis abgelegt und legt weiter Zeugnis ab von der Bereitschaft der Kirche, auch auf wissenschaftlicher Ebene an den spezifischen Zielsetzungen der landwirtschaftlichen und Ernährungsentwicklung mitzuarbeiten (vgl. L’emploi des fertili-sants et leur effet sur l’accroisement des recoltes, notamment par rapport ä la qualite et ä V economie, P.A.S. Scripta Varia, 38, 1973; und Humanite et Energie, P.A.S. Scripta Varia, 46, 1981). 9. Unter den Verhandlungspunkten dieser Sitzungsperiode der FAO-Konferenz wird das dringende Bedürfnis nach dem verstärkten Bemühen besonders hervorgehoben, die Fähigkeiten der Menschen zur Entfaltung zu bringen, damit sie für ihre eigene Entwicklung Sorge tragen, und sachkundige Fachleute auszubilden. Auch was diesen Bereich betrifft, möchte ich wiederholen, daß die kirchlichen Einrichtungen und Verbände gerne bereit sind, ihre verschiedenen Mittel zur Unterstützung in Lehre und Ausbildung zur Verfügung zu stellen. 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hinzufügen will ich noch, daß die Kirche bei der Bildung der öffentlichen Meinung mitwirken kann, so daß nicht nur die Entwicklungsländer, sondern noch mehr die fortschrittlichen Länder in der Lage sein werden, die von der Solidarität geforderten Opfer auf sich zu nehmen und konstruktiv Zusammenarbeiten werden, indem sie von den Ihnen zur Verfügung gestellten Hilfsmitteln Gebrauch machen. Während ich meiner Hoffnung Ausdruck gebe, daß die gegenwärtige Sitzungsperiode die wirksame Durchführung des Arbeitsprogramms der FAO für die kommenden zwei Jahre fördern wird, rufe ich auf Ihre Bemühungen das Licht und die Begeisterung herab, die vom Allmächtigen Gott kommen, in dem „wir leben, uns bewegen und sind“ (Apg 17, 28). Frieden wächst aus der Gerechtigkeit Ansprache an die Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 12. November 1. In dieser vornehmen Versammlung von Wissenschaftlern, die Sie, meine Herren Kardinäle und liebe Brüder im Bischofsamt, das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps und so viele Repräsentanten und Verantwortliche aus der Kultur mit Ihrer Anwesenheit beehren, begrüße ich mit dem Gefühl lebhafter Genugtuung und höchster Wertschätzung die Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, die sich anschicken, in ihrer Vollversammlung das Thema „Die Wissenschaft im Dienst des Friedens“ zu behandeln. Mit gleichem Empfinden begrüße ich die Gelehrten, die aus allen Teilen der Welt gekommen sind, um im Verlauf einer Studienwoche das Thema „Chemical events and their impact on environment“ zu vertiefen und in einer Arbeitsgruppe die gleichfalls wichtige Frage zu behandeln: „Specifi-city in biological interactions.“ In einigen Tagen wird eine weitere Arbeitsgruppe zusammentreten, die das Thema behandelt: „Modern biology applied to agriculture.“ Ich freue mich von ganzem Herzen mit Ihnen, Herr Präsident, lieber Herr Professor Carlos Chagas, über die Weisheit und den Unternehmungsgeist, mit denen Sie dem Leben der Akademie neue und bedeutende Impulse gegeben haben, und über die Planung und Veranstaltung verschiedener in 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diesen Tagen hier abgehaltener Sitzungen von Persönlichkeiten, die ihre Tatkraft der Suche nach der Wahrheit im Dienst der Menschheit widmen. 2. Alles Wissen bezieht seinen Adel und seine Würde aus der Wahrheit, die es zum Ausdruck bringt. Nur in uneigennütziger Hochschätzung der Wahrheit bewahren die Kultur und insbesondere die Wissenschaft ihre Freiheit und vermögen sie gegen jeden von Ideologien und Macht ausgehenden Manipulationsversuch zu verteidigen. „Die Wahrheit wird euch befreien!“ Diese Worte des Evangeliums haben einen Wert von bleibender Aktualität und gewähren der Tätigkeit des Gelehrten, der seinen Einsatz und seine Forschung nichts anderem unterordnet als der Wahrheit, ein göttliches Licht. Das letzte Ziel des ganzen Universums ist Wahrheit: „Ultimus finis totius universi est veritas“, schrieb der geniale Denker Thomas von Aquin (Contra gentiles, 1. 1—c 1). Das Universum birgt die Wahrheit aller Seinswesen in seinem Schoß, ihrer Formen und ihrer Gesetze, und es hofft darauf, daß sich seine Wahrheit durch den menschlichen Verstand enthüllt. Sie, meine Herren Wissenschaftler, die Sie die Welt mit Ihrem Geist aufnehmen, in Ihren Laboratorien behandeln und um den Preis arbeitsreicher Mühen bis in die kleinsten Winkel erforschen, was suchen Sie denn anders als die Wahrheit? Haben Sie den Mut und die Kühnheit der Vernunft, die unermüdlich das Wahre sucht, dann werden Sie in der Kirche und vor allem im Apostolischen Stuhl Ihre überzeugtesten Verbündeten finden. Ohne Zweifel sind die Errungenschaften der Wissenschaft manchmal vorläufig, der Infragestellung und Revision unterworfen, denn Sie werden nie die ganze Wahrheit ausdrücken können, die das Universum in sich birgt. Der Sinn für das Geheimnis gehört zu Ihrem geistigen Erbe und legt Ihnen nahe, das, was Sie nicht wissen, als weit mehr zu empfinden als das, was Sie wissen. Bei der Suche nach der Wahrheit verbindet sich die Kühnheit der Vernunft mit der Bescheidenheit ihrer Grenzen, die Freude des Erkennens geht Hand in Hand mit dem Staunen vor dem Unbekannten. Der Sinn für das Geheimnis schließt auch die Wahrheiten ein, welche die Wissenschaft nicht aufdecken kann, die aber den Geist des Wissenschaftlers im Innersten seines Seins befragen, da, wo er ein unwiderstehliche und brennende Sehnsucht nach dem Göttlichen erfährt. Das Ziel des Universums ist nicht nur die Enthüllung der Wahrheit, die es in sich birgt, sondern die Enthüllung der ersten Wahrheit, die der Welt Ursprung und Form gegeben hat. 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Was auch immer die Wege Ihrer wissenschaftlichen Forschung sein mögen, meine Herren, der Sinn für das Göttliche möge immer bei Ihnen sein! Wie sollte man hier nicht an Isaac Newton erinnern? Im Gegensatz zu dem, was später Auguste Comte sagte, hat er nie gemeint, die Wissenschaft müsse sich auf den Trümmern der Religion und Metaphysik erheben, aber er nahm im Universum die Gegenwart Gottes wahr, nicht als immanente, sondern als die Natur überschreitende. In dem der zweiten Auflage seiner Philosophiae naturalis principia mathematica beigefügten Scholium generale schrieb Newton: „Dieses sehr feine Zusammenspiel von Sonne, Planeten und Kometen konnte nicht ohne den Plan und die Macht eines vernunftbegabten und mächtigen Wesens entstehen. Er lenkt alle Dinge, nicht als Seele der Welt, sondern als Herr des Universums ... Aus einer blinden metaphysischen Notwendigkeit, die immer und überall absolut identisch wäre, entsteht keine Vielfalt, keine Mannigfaltigkeit der Dinge. Die ganze Wahrheit der Dinge, einschließlich Raum und Zeit, konnte nur aus den Ideen und dem Willen eines Wesens entstehen, das notwendigerweise existiert“ (vgl. L. Geymonat, Storia del pensiero filoso-fico e scientifico, Mailand, Garzanti, 1970, Bd. II, S. 646). Mit Newton, der davon überzeugt war, daß sich das wissenschaftliche nicht vom religiösen Denken trennen läßt, stimmt die Botschaft überein, die das Zweite Vatikanische Konzil an die Denker und Wissenschaftler richtete: „Vielleicht ist noch nie die Möglichkeit einer tiefen Übereinstimmung zwischen der wahren Wissenschaft und dem wahren Glauben, die beide im Dienst der einen Wahrheit stehen, so klar zutage getreten wie heute. Versäumt diese wertvolle Begegnung nicht! Habt Vertrauen in den Glauben, diesen großen Freund des Verstandes!“ Die wissenschaftliche Wahrheit, die Ihren Verstand, meine Herren, adelt und Ihre Forschung bis zur Betrachtung der Welt und ihres Schöpfers emporhebt, muß an die ganze Menschheit weitergegeben werden zur ganzheitlichen Förderung des Menschen und der Völker, zum Dienst am Frieden, der Gegenstand Ihrer Überlegungen und Ihrer Vorhaben ist. 4. Es gibt für den Menschen der Kultur verschiedene Weisen, den hohen Wert des Wissens zu erfahren. Bernhard von Clairvaux, eine der stärksten Persönlichkeiten der Geschichte, der von den höchsten Gipfeln der Mystik herabstieg, um der kirchlichen und zivilen Gesellschaft seiner Zeit die göttliche und menschliche Wahrheit zu vermitteln, er, der wahre Lehrer der Nächstenliebe des Verstandes, hat die verschiedenen Typen des Kulturmenschen beschrieben, die man immer in der Geschichte findet. Nach dem hl. Bernhard gibt es fünf Beweggründe, die den Men- 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen zum Studium anregen können: „Es gibt Leute, die nur wissen wollen, um zu wissen: das ist niedrige Wissensgier. Andere wollen erkennen, um selbst bekannt zu werden: das ist verächtliche Eitelkeit; und diese Leute entgehen nicht dem Spott des satirischen Dichters, der an ihre Adresse gerichtet sagt: ,Für dich ist Wissen nichts, wenn nicht ein anderer weiß, daß du weißt.“ Dann gibt es noch Leute, die Wissen erwerben, um es weiterzuverkaufen und zum Beispiel Geld und Ehren damit zu verdienen: ihr Motiv ist schäbig. Aber manche wollen wissen, um aufzubauen: das ist Nächstenliebe. Und andere, um erbaut zu werden: das ist Weisheit. Nur die Menschen der beiden letzten Kategorien mißbrauchen das Wissen nicht: denn sie bemühen sich zu verstehen, um Gutes zu tun“ (36. Predigt über das Hohelied). Die Worte des hl. Bernhard, des Mystikers, zeugen von einer tiefen Kenntnis dessen, was den Menschen der Kultur motiviert, und sie sind aktueller denn je, um die Lehrer des Denkens wie ihre Schüler an die wahre Zielsetzung der Wissenschaft zu erinnern. In meiner Ansprache am 15. November 1980 in Köln vor den Wissenschaftlern und Studenten der deutschen Hochschulen hob ich hervor, daß „unsere Kultur in allen Bereichen von einer Wissenschaft durchdrungen ist, die weithin funktio-nalistisch verfährt“. Und ich sprach folgende Warnung aus: „Die funktio-nalistische, wertfreie und wahrheitsentfremdete Wissenschaft kann durchaus in den Dienst von Ideologien treten“ (Ansprache an die Wissenschaftler und Studenten im Dom zu Köln, Nr. 3, in: O.R.dt., 21. 11. 80, S. 6—7). Ich möchte hier gern in Erinnerung rufen, was vor ungefähr vierzig Jahren ein berühmtes - inzwischen verstorbenes - Mitglied der Akademie der Wissenschaften in einem Vortrag in Lausanne vor Universitätsstudenten ausführte: „An die Stelle der Suche nach dem Wahren hat man allmählich die Suche nach dem Nützlichen gesetzt. Die jungen Menschen, die sich früher an die Lehrer des Denkens wandten, um ihre Einsicht, ihr Verständnis zu erhellen, begannen sie nach den Geheimnissen der Natur zu fragen, aus der materielle Güter in so großer Fülle hervorquellen. Schließlich ist man dahin gekommen, daß man unter den verschiedenen Zweigen des Wissens nicht jene höher bewertete, die die höchsten Gipfel des Denkens anstreben, sondern jene, die sich bei der praktischen Anwendung als fruchtbarer erwiesen“ (G. Colonnetti, Pensieri e fatti dall’esilio. Vortrag am 12. Juni 1944. Accademia nazionale dei Lincei, Rom, 1973, S. 31). Der hl. Bernhard von Clairvaux hat das Wissen auf die Ebene der Liebe, auf die Ebene der Nächstenliebe des Verstandes gehoben: „Manche wollen wissen, um aufzubauen: das ist Nächstenliebe.“ 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Meine Herren Akademiker, meine Herren Wissenschaftler, in diesem ernsten Augenblick der Geschichte bitte ich Sie um die Liebe zum Wissen, das den Frieden aufbaut. Der Friede ist ein Geschenk Gottes, den Menschen guten Willens angebo-ten. Ich spreche jetzt zu allen Menschen guten Willens, welchem Glauben sie auch angehören mögen, und vor allem zu Ihnen, die Sie mir zuhören. Die Wissenschaft, die Forscher, Techniker und Arbeiter vereint, politische und wirtschaftliche Kräfte mobilisiert, die Gesellschaft auf allen Ebenen und in allen ihren Einrichtungen verändert, hat heute eine Aufgabe, die sich als dringender und unerläßlicher denn je erweist, nämlich, mitzuwirken an der Rettung und am Aufbau des Friedens. Aus der Tiefe vergangener Jahrhunderte erhebt sich die Stimme eines un-bewaffneten Propheten, Jesaja: „Dann werden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern schmieden und Winzermesser aus ihren Lanzen“ (Jes 2, 4). In neuerer Zeit erhob sich, als der Krieg drohte, mit biblischer Kraft die prophetische Stimme eines waffenlosen Papstes, Pius XI., der den Psalm anführte: „Zerstreue die Völker, die Lust haben am Krieg“ (Ps 68, 31). Die waffenlosen Propheten sind zu allen Zeiten Zielscheibe des Spottes gewesen, besonders von seiten versierter Politiker, Anhängern der Macht. Aber muß unsere Zivilisation heute nicht erkennen, daß die Menschheit solche Propheten braucht? Müßten sie nicht als einzige von der Gemeinschaft der Wissenschaftler in aller Welt einmütig gehört werden, damit die Laboratorien und Werkstätten des Todes den Laboratorien des Lebens Platz machen? Der Wissenschaftler kann seine Freiheit dazu benützen, um den Bereich seiner Forschung zu wählen. Wenn es in einer bestimmten historischen Situation nahezu unvermeidlich ist, daß eine gewisse wissenschaftliche Forschung für aggressive Zwecke eingesetzt wird, muß er eine Wahl treffen, die es ihm ermöglicht, am Wohl des Menschen, an der Errichtung des Friedens mitzuwirken. Durch die Ablehnung bestimmter Forschungsbereiche, die unter den konkreten geschichtlichen Bedingungen unweigerlich für Ziele des Todes bestimmt sind, sollten sich die Wissenschaftler der ganzen Welt vereinen in dem gemeinsamen Willen, die Wissenschaft zu entwaffnen und eine von der Vorsehung gesandte Friedenskraft darzustellen. Vor diesem Schwerkranken in Todesgefahr, wie es die ganze Menschheit ist, müssen die Wissenschaftler in Zusammenarbeit mit allen anderen Menschen der Welt der Kultur und mit den sozialen Einrichtungen ein Werk der Rettung vollbringen ähnlich jenem des Arztes, der den Eid geleistet hat, alle seine Kräfte für die Heilung der Kranken einzusetzen. 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Der Friede erwächst nicht nur aus dem Erlöschen der Kriegsherde; selbst wenn alle erloschen wären, würden unvermeidlich andere entstehen, solange Ungerechtigkeit und Unterdrückung weiter die Welt regieren. Der Friede wächst aus der Gerechtigkeit: „Opus iustitiae pax“, das Werk der Gerechtigkeit wird der Friede sein (Jes 32, 17). Nun aber kann und muß die Wissenschaft, die nach der Wahrheit sucht und die frei ist von jeder Ideologie, die Gerechtigkeit in der Welt fördern; sie kann und muß, wenn sie nicht weiter Sklavin der wirtschaftlich privilegierten Völker bleibt, sich überall verbreiten, um mit entsprechenden Techniken dafür zu sorgen, daß jedem Volk und jedem Menschen das gegeben wird, was ihm zukommt. Die moderne Welt erwartet die Befreiung der Wissenschaft, die eine Folge der Befreiung der Vernunft ist. Seien Sie, meine Herren, einig und verbunden in der Verfechtung Ihrer Freiheiten, um überall in der Welt den Frieden in Gerechtigkeit aufzubauen! Es ist eine rastlose Arbeit, die niemals abgeschlossen sein wird, denn wegen der Sünde des einzelnen und der Gemeinschaft entstehen in der Welt ständig Herde der Ungerechtigkeit. Mit einem ausgeprägten Sinn für Geschichte hat uns das Zweite Vatikanische Konzil mahnend darauf hingewiesen: „Zwar wird das Gemeinwohl des Menschengeschlechts grundlegend vom ewigen Gesetz Gottes bestimmt, aber in seinen konkreten Anforderungen unterliegt es dem ständigen Wandel der Zeiten; darum ist der Friede niemals endgültiger Besitz, sondern immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe“ (Gaudium et spes, Nr. 78). „Pax perpetuo aedificanda“, der Friede muß unaufhörlich aufgebaut werden. Der Friede ist eine ständige Anstrengung, die, was Sie betrifft, Ihrer Forschung anvertraut ist, den technischen Anwendungen, die Sie kraft Ihres Ansehens auf die Förderung der Gerechtigkeit ausrichten müssen, dank dieser Befreiung, dieser Freiheit der Vernunft, die Ihnen dort, wo man Ihre Forschungen und Ihre Entdeckungen gewaltsam gegen die Gerechtigkeit und den Frieden auswerten möchte, andere Entscheidungen erlaubt. 7. Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist mehr als jede andere eine Gemeinschaft des Friedens, denn Ihre ernste Suche nach dem Wahren im Bereich der Natur ist unabhängig von Ideologien und somit von den daraus sich ergebenden Konflikten: Ihre Tätigkeit verlangt eine aufrichtige Zusammenarbeit, eine offene Mitteilung der Ergebnisse Ihrer Forschung. Die wissenschaftliche Gemeinschaft als Gemeinschaft des Friedens muß durch die Gründung von Forschungsinstituten allerorts und durch eine 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gesunde technologische Anwendung der Forschungsergebnisse auf alle Nationen ausgedehnt werden. Es genügt nicht, daß der politische Kolonialismus zu Ende ist; es muß auch jede Form des wissenschaftlichen und technologischen Kolonialismus aufhören. Ich kann nicht umhin, mich darüber zu freuen, daß die Päpstliche Akademie der Wissenschaften eine immer größere Zahl von Wissenschaftlern umfaßt, die allen Nationen der Welt angehört, ohne jede rassische oder religiöse Diskriminierung: Das ist eine Form des kulturellen Ökumenismus, den die Kirche, die Förderin eines echten religiösen Ökumenismus, mit dem Gefühl lebhafter Genugtuung betrachten muß. 8. Von der wissenschaftlichen Gemeinschaft, vor allem wenn sie sich auf alle Regionen der Welt erstreckt, nahmen Entdeckungen ihren Ausgang, die in jedem Bereich zur Entwicklung der Menschheit beigetragen haben: Krankheiten und Epidemien wurden bezwungen, neue Nahrungsquellen gefunden, die Kommunikationsmöglichkeiten zwischen den Menschen intensiviert, die Völker aller Kontinente einander nähergebracht und Naturkatastrophen vorhergesehen und bewältigt. Wer vermöchte die von der Wissenschaft erbrachten Wohltaten aufzuzählen? Und kann man etwa nicht behaupten, daß diese Wohltaten noch viel bedeutsamer gewesen wären, wenn die von der Wissenschaft herrührenden Techniken nicht von unheilbringenden Mächten manipuliert worden wären? Wer kann leugnen, daß sich die Wissenschaft und ihre Anwendung in den Dienst des Menschen und einer größeren Gerechtigkeit stellen lassen? Es ist die unverrückbare Verpflichtung der wissenschaftlichen Gemeinschaft — wie es Ihrer Absicht, Herr Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften entspricht -, dafür Sorge zu tragen, daß die Entdek-kungen der Wissenschaft nicht in den Dienst des Krieges, der Tyrannei und des Terrors gestellt werden. Der feste Wille, die Wissenschaft auf die Förderung der Gerechtigkeit und des Friedens hin auszurichten, fordert eine große Liebe zur Menschheit. Jede menschliche Tugend ist eine Form der Liebe. Das ist besonders der Fall bei der Gerechtigkeit, die Liebe zum Nächsten, zu den einzelnen und und den Völkern ist. Nur wer liebt, will, daß dem anderen Gerechtigkeit widerfährt. Wer nicht liebt, sucht nur Gerechtigkeit für sich selbst zu finden. 9. Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Liebe: das müssen die Pole hochherziger Entscheidungen für eine Wissenschaft sein, die den Frieden aufbaut, meine Herren. Diese vier Werte, Richtungsweiser der Wissen- 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft und des Lebens einer zivilisierten Gesellschaft, müssen dem universalen Appell der Wissenschaftler, Kulturschaffenden und Weltbürgern zugrunde liegen, den die Päpstliche Akademie der Wissenschaften mit meiner vollen und überzeugten Zustimmung an die Welt richten will: zur Versöhnung der Völker, für den Erfolg des einzigen Krieges, der zu führen ist, nämlich des Krieges gegen Hunger, Krankheit und Tod von Millionen menschlicher Wesen, denen man helfen, deren Lebensqualität und Würde gefördert werden könnte - mit nur sieben Prozent der Ausgaben, die jährlich für eine ständige und bedrohliche Rüstung der reichsten Nationen gemacht werden. Gestatten Sie mir, zusammen mit Ihnen, hier im Namen der Wissenschaft und im Namen Ihrer persönlichen moralischen Autorität an die Notwendigkeit einer universalen Umkehr zu den wahren Werten des Menschen zu erinnern. Man kann nicht, wie das so oft geschieht, nach Frieden rufen, um eine Permissivität auf ethischer Ebene und den Hunger nach Konsum befriedigen zu können. Der universale Friedensappell zum Frieden muß von.einer tiefen Besinnung auf die Bestimmung des Menschen, auf den Sinn und die Qualität des Lebens geprägt sein. Da, wo die Umkehr zur Wahrheit, zur Freiheit, zur Gerechtigkeit und zur Liebe nicht eine weithin anerkannte Notwendigkeit und überall in die Praxis umgesetzt wird, ist der soziale Friede instabil, weil er seiner tiefsten Wurzeln beraubt ist, die sich im Herzen des Menschen finden. 10. Von Gott kommt der Friede zu denen, die mit ihm in Gemeinschaft stehen, und auch zu denen, die ihn noch nicht gefunden haben, aber mit aufrichtigem Herzen, mit einem Geist suchen, der den Sinn für das Göttliche nicht erstickt, sondern ihn vielmehr im Inneren seiner selbst zu befreien sucht. Ich möchte Ihnen noch einmal mein Vertrauen aussprechen, Herr Präsident, meine Herren Akademiemitglieder, meine Herren Gelehrten, und zum Abschluß die Worte zu meinen eigenen machen, die mein Vorgänger Paul VI. im Jahr 1966 an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften richtete: „Mehr als jeder andere freut sich die Kirche über jede echte Errungenschaft des menschlichen Geistes, auf welchem Gebiet auch immer. Sie anerkennt und schätzt die Bedeutung wissenschaftlicher Entdeckungen hoch ... Sie erblickt darin nicht nur den großartigen Gebrauch des Verstandes; sie entdeckt darin auch die Übung hoher sittlicher Tugenden, die dem Wissenschaftler das Ansehen und das Verdienst eines Asketen, manchmal eines Heroen verleihen, dem die Menschheit einen großen Tribut an Lob und Anerkennung entrichten muß“ (Ansprache vom 23. April 1966). 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sie, meine Herren, Männer des Denkens und der Wissenschaft, Pilger der Wahrheit, Erforscher der verschiedenen Zweige der Wissenschaft und des Wissens, des Menschen und des Universums, Sie, die Sie sich der Mühe der Beobachtung, des Denkens, der Forschung unterwerfen, damit der Mensch immer menschlicher wird und in der Natur das für seine Entwicklung geeignete Umfeld findet, Sie bitte ich, für die Gerechtigkeit, für die Liebe, für den Frieden zu arbeiten, und überzeugt zu sein, daß heute mehr denn je die katholische Kirche Ihre Verbündete ist, diese Kirche, welche die wahre Wissenschaft und das rechte Denken liebt, diese Kirche, die für Sie betet und die, in meiner Person, in Achtung vor Ihren Glaubensüberzeugungen, auf jeden von Ihnen den Segen Gottes herabruft. Unerschöpfliche Kraft der Erlösung Predigt bei der Seligsprechung der palästinensischen Ordensfrau Maria Baouardy im Petersdom am 13. November 1. „Höre, Tochter, sieh her und neige dein Ohr . . .“ (Ps 45, 11). Diese Psalmworte wendet die Kirche heute auf Schwester Maria vom gekreuzigten Jesus an, eine Unbeschuhte Karmelitin, die in dem Land geboren wurde, in dem Jesus von Nazaret lebte; einem Land, das in einer Region liegt, die gerade in unseren Tagen wieder im Mittelpunkt sehr ernster Sorgen und schmerzlicher Spannungen steht. „Höre, Tochter!“ Ja, der Weg von Schwester Maria zu ihrem göttlichen Bräutigam ist tief in die Erinnerung des Gottesvolkes eingeschrieben. Heute krönt sie die Kirche mit dem Akt der Seligsprechung und will damit Zeugnis geben von der besonderen geistlichen Schönheit jener Tochter des Heiligen Landes; einer Schönheit, die im Licht des Erlösungsgeheimnisses herangereift ist: unter den Strahlen der Geburt und der Lehre, des Kreuzes und der Auferstehung Jesu Christi. Die Liturgie spricht zu der neuen Seligen: „Er ist dein Herr, verneig dich vor ihm!“ (Ps 45, 12). Und zugleich tut die Liturgie mit den Worten desselben Psalmes die Freude kund über die Erhebung der demütigen Dienerin Gottes zu Ehre der Altäre. „Die Königstochter ist herrlich geschmückt, ihr Gewand ist durchwirkt mit Gold und Perlen . . .“ (Ps 45, 14): durchwirkt mit dem Gold des 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubens, der Hoffnung und der Liebe; der göttlichen und moralischen Tugenden, die sie als Tochter des Karmels in heroischem Maße lebte. 2. In diesem Jahr, das die Kirche als außerordentliches Jubiläumsjahr der Erlösung begeht, haben wir uns wiederholt um Gestalten versammelt, die die Ehre der Altäre erlangt haben. Das ist ein besonderes Zeichen für die unerschöpfliche Kraft der Erlösung, die in den Seelen der Diener und Dienerinnen Gottes wirkt und sie entschlossen auf dem Weg der Berufung zur Heiligkeit weitergehen läßt. Der ewige Anfang dieser Berufung liegt im Heilsplan der Heiligsten Dreifaltigkeit, von welcher die zweite Lesung der Messe spricht: „Denn alle, die er im voraus erkannt hat, hat er auch im voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene von vielen Brüdern sei. Die aber, die er vorausbestimmt hat, hat er auch berufen, und die er berufen hat, hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“ {Rom 8, 29-30). In dieser großartigen paulinischen Schau dringen wir sozusagen in das Innerste des göttlichen Planes selbst ein, indem wir gewissermaßen die „Logik“ des Heilsplanes erfassen in der Verknüpfung der geheimnisvollen Taten, die ihn zu voller Verwirklichung führten. So ist also die Berufung zur Heiligkeit der ewige Plan Gottes in bezug auf den Menschen: heute in bezug auf unsere Schwester Maria vom gekreuzigten Jesus. 3. Die Berufung zur Heiligkeit ist darüber hinaus eine Frucht der Offenbarung und der Erkenntnis. Davon spricht das heutige Evangelium mit eindringlichen Worten. Jesus sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ {Mt 11, 25-27). Die wahre Weisheit und Klugheit setzt die „Unmündigkeit“ voraus, die als Fügsamkeit gegenüber dem Heiligen Geist zu verstehen ist. Nur mit ihr ist es möglich, im Sohn, durch den Sohn und mit dem Sohn die Geheimnisse des Vaters zu erkennen, die den von Torheit und Hochmut verblendeten Weisen und Klugen dieser Welt hingegen verborgen bleiben (vgl. 1 Kor 1, 18-21). Die Berufung zur Heiligkeit wird von jenen „Unmündigen“ des Evangeliums verwirklicht, die die göttliche Offenbarung mit ihrem ganzen Her- 1198 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zen annehmen. Dadurch „kennen sie den Sohn“, und durch den Sohn „kennen sie den Vater“. Dieses Erkennen ist in der Tat zugleich die Annahme der Berufung: „Kommt alle zu mir . . . Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir . . .“ {Mt 11, 28-29). Und so geht man auf Christus zu, wie Schwester Maria vom gekreuzigten Jesus zu ihm gekommen ist, nämlich, indem sie sein Joch auf sich nahm und von ihm lernte, weil er gütig und von Herzen demütig ist; so fand sie Ruhe für ihre Seele (vgl. Mt 11, 28-29). Geschenk an die Universalkirche 4. Und das alles ist das Werk der Liebe. Die Heiligkeit stützt sich zuerst und vor allem auf die Liebe. Sie ist deren reife Frucht. Und in der heutigen Liturgie wird die Liebe in besonderer Weise gepriesen: „Stark wie der Tod ist die Liebe .. . Auch mächtige Wasser können die Liebe nicht löschen . . . Böte einer für die Liebe den ganzen Reichtum seines Hauses . . .“ (Hld8, 6-7). So spricht der Verfasser des Hohenliedes von der Liebe. Und der hl. Paulus lehrt im Römerbrief, daß „Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ {Röm 8, 28). Eben diese Zusammenarbeit umreißt den Weg der Heiligkeit Tag für Tag, das ganze Leben. Auf diesem Weg verwirklicht sich die Heiligkeit als ewige Berufung derer, die nach Gottes ewigem Plan berufen sind“ (vgl. Röm 8, 28). 5. Die Lesungen der heutigen Liturgie sind ein großartiger Kommentar zum Leben von Schwester Maria, die in der Nähe von Nazaret geboren wurde und mit 33 Jahren im Karmel von Bethlehem starb. Ihre Liebe zu Christus war stark wie der Tod; die schmerzlichsten Prüfungen haben diese Liebe nicht zum Verlöschen gebracht, sondern sie im Gegenteil geläutert und gestärkt. Und sie hat alles für diese Liebe gegeben. Das ganze Leben der kleinen Araberin, die erfüllt war von außerordentlichen mystischen Gaben, war im Lichte des Heiligen Geistes die bewußte und unwiderrufliche Antwort auf die Berufung zur Heiligkeit, das heißt auf jenen ewigen Heilsplan, von dem der hl. Paulus spricht und den die göttliche Barmherzigkeit für jeden von uns festgelegt hat. Ihr ganzes Leben ist die Frucht jener höchsten „evangelischen“ Weisheit, mit der es Gott gefallen hat, die Kleinen und Armen auszustatten, um die 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mächtigen zu beschämen. Die kleine Maria, die mit großer Seelenreinheit, mit wachem Naturverstand und jener dichterischen Phantasie begabt war, wie sie für die semitischen Völker typisch ist, hatte nicht die Möglichkeit, sich höheren Studien zu widmen; das hinderte sie aber, dank ihrer hervorragenden Tugend, nicht daran, von jener „Kenntnis“ erfüllt zu sein, die den höchsten Wert besitzt und die uns zu schenken Christus am Kreuz gestorben ist: die Kenntnis des trinitarischen Geheimnisses, eine so bedeutende Perspektive in der christlichen Spiritualität des Ostens, in welcher die kleine Araberin erzogen worden war. 6. Wie im Seligsprechungsdekret zu lesen, „ist die demütige Dienerin Christi, Maria vom gekreuzigten Jesus, die durch Herkunft, Ritus, Berufung und Wanderungen zu den Völkern des Orients gehörte und gewissermaßen deren Vertreterin ist, gleichsam ein Geschenk an die Universalkirche von seiten derer, die sie in ihrer unglücklichen, von Kampf und Blut gezeichneten Lage gerade jetzt mit großem inneren Vertrauen um ihre schwesterliche Fürsprache bitten. Sie haben die Hoffnung, daß auch durch die Gebete der Dienerin Gottes endlich Friede und Eintracht in jenen Ländern wiederhergestellt werden, wo ,das Wort Fleisch geworden ist“ (Joh 1, 14), da er selbst unser Friede ist.“ Die selige Maria ist in Galiläa geboren. Darum soll unser Gebetsgedenken heute in besonderer Weise dem Land gelten, wo Jesus die Liebe gelehrt hat und gestorben ist, damit die Menschheit versöhnt werde. „Dieses Land - so sagte ich bereits bei anderer Gelegenheit - sieht seit Jahrzehnten zwei Völker im Kampf in einem noch immer erbitterten Gegensatz. Jedes dieser beiden Völker hat seine eigene Geschichte, seine eigene Tradition, sein eigenes Schicksal, und das scheint eine Beilegung des Konfliktes sehr zu erschweren“ (Angelus vom 4. April 1982; in: O. R. dt. vom 9. 4. 82, S. 3). Heute mehr denn je drängt uns die bedrohliche Lage dazu, Liebe und Brüderlichkeit zum fundamentalen Gesetz der sozialen und internationalen Beziehungen zu machen im Geist der Versöhnung und Vergebung. Wir lassen uns dabei von dem Lebensstil inspirieren, für den die selige Maria vom gekreuzigten Jesus nicht nur ein Vorbild für ihr Volk, sondern für die ganze Welt ist. Dieser neue Lebensstil möge uns einen Frieden schenken, der sich nicht auf Terror, sondern auf gegenseitiges Vertrauen gründet. 7. Heute freuen wir uns am Confessio-Altar von Sankt Peter über die Seligsprechung von Schwester Maria. Schreiben wir diese Freude der 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche auf das Konto des Jubiläumsjahres der Erlösung. Loben wir zusammen mit Christus den Vater, weil er den Augen der Seele von Schwester Maria vom gekreuzigten Jesus das Geheimnis der Wahrheit und der Liebe geoffenbart und ihr Anteil an der Herrlichkeit seines Reiches geschenkt hat. Bitten wir mit dem Psalmisten die neue Selige, daß der Herr ihrem Land Frieden gewähre: „Erbittet für Jerusalem Frieden! Wer dich liebt, sei in dir geborgen! Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit! Wegen meiner Brüder und Freunde will ich sagen: In dir sei Friede! Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich Dir Glück erflehen“ (Ps 122, 6-9). Symbol für ein Leben des Gebets Ansprache an die Gläubigen aus dem Vorderen Orient am 13. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Die Seligsprechung der Schwester Maria von Jesus, dem Gekreuzigten, die euch aus allen Ländern des Vorderen Orients in Rom zusammengeführt hat, war gewiß für euch alle ein Anlaß zu großer Freude, eine Quelle des Trostes und eine Aufforderung zum Mut. Es war keine Freudenfeier, die bald vorüber ist: Hier geht es um eine Gnadenquelle, die offen bleibt. Die Kirche hier in Rom hat an dieser Freude teilgenommen, ja, ich wage zu sagen, die universale Kirche hat ergriffen auf diese kleine Blüte aus dem Heiligen Land geschaut, die in kurzer Zeit zur mystischen Vollendung, zur Heiligkeit gelangt ist. Ich bin glücklich, heute morgen bei euch weilen zu dürfen, um euch erneut mit all meiner Zuneigung zu grüßen, um mit euch zu sprechen wie in einer Familie und dabei weiter nachzudenken über den Sinn dieser Seligsprechung und ihre Früchte zu pflücken. Leben und Tugenden der Mirjam Baouardy sind euch bereits genügend bekannt, und ich bin darauf in der feierlichen Liturgiefeier gestern eingegangen. Aber es ist gut, wenn wir uns an diesem Morgen erneut klarmachen, worin diese „kleine Araberin“ eine besondere Zeugin für Jesus gewesen ist, für die Liebe zur Kirche und das Wirken für den Frieden. Ihr werdet dabei noch besser die Wertschätzung verstehen, die die Kirche dem Leben eurer christlichen Gemeinden im Heiligen Land und rings um das Heilige Land herum entgegenbringt. 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Mirjam ist die Frucht dieses Heiligen Landes. Bei ihr redet uns alles von Jesus. Das gilt zumal von den Orten, wo sie gelebt hat: Nazaret, in dessen Nähe sie geboren wurde, Bethlehem, wo sie ihr Opfer vollendet hat, der Berg Karmel, Symbol für ein Leben des Gebetes in der Einsamkeit, das den Rahmen für ihr Ordensleben gebildet hat. Vor allem aber versetzt sie uns in die Nähe des Kalvarienberges, weil sie ihr ganzes Leben lang nicht auf gehört hat, das Kreuz Jesu zu tragen, wählte sie sich doch sogar den Namen Jesu, des Gekreuzigten. In ihr finden die Seligkeiten ihre Erfüllung. Man glaubt, erneut Jesus zu hören, wie er uns sagt: Selig die Armen, selig die Sanftmütigen, selig, die nur dienen wollen, selig die Demütigen, selig die Friedensstifter, selig die Verfolgung leiden. Ihr ganzes Leben zeigt eine einzigartige Vertrautheit mit Gott, schwesterliche Liebe zum Nächsten, dazu die Freude, alles beste Zeichen für das Evangelium. 3. Schwester Maria von Jesus, dem Gekreuzigten, erweist sich zugleich als unvergleichliche Tochter der Kirche. Sie spiegelt die unterschiedlichen Gesichter der Kirche wider: die griechisch-melchitische Kirche, in der sie getauft wurde und heranwuchs, die lateinische Kirche, in der sie das Leben im Karmel begann. Über ihr Heimatland hinaus hat sie sich in die christlichen Gemeinden des Libanon eingefügt, in die von Ägypten, Frankreich und Indien. Sie hat sich den missionarischen Eifer der Kirche zu eigen gemacht, ihr Verlangen nach Einheit, die Anhänglichkeit an ihre Hirten, zumal an den römischen Papst Pius IX. Denn die Kirche muß ja eine sein in der Verschiedenheit und im Reichtum der Sprachen, Kulturen und Riten. 4. Obwohl sie schließlich von den Ereignissen und den Menschen hart mitgenommen wurde, hat sie doch unermüdlich die Saat des Friedens gesät und die Herzen zu verbinden gesucht. Sie verstand sich als „kleine Schwester aller“. Wie kostbar ist dieses ihr Beispiel in unserer zerrissenen und gespaltenen Welt, die so leicht in Ungerechtigkeit und Haß verfällt, ohne auf die Rechte anderer auf ein würdiges und friedliches Dasein Rücksicht zu nehmen! 5. Sie ist es nun, liebe Freunde, die bei Jesus für uns bittet. Heute lebt ihr in den verschiedenen Ländern des Vorderen Orients in einem sehr zerbrechlichen Frieden und zuweilen sogar im Krieg. Das ist für alle Bewohner dieses Gebietes eine schwere Belastung, und die ganze Welt macht sich Sorge um ihr Schicksal, ohne ihnen wirksam, unter Wahrung 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer Freiheit helfen zu können. Ich will heute morgen nicht auf die politischen Aspekte des Problems eingehen. Euch aber, den griechisch-melchitischen und lateinischen Katholiken sowie denen anderer Riten, die ihr die Prüfungen eurer Landsleute, der Christen, Juden und Muslime teilt, möchte ich erneut der wachen Sorge des Heiligen Stuhles und seiner nachdrücklichen Ermutigung versichern. Wie zu der Zeit, da der hl. Paulus für die „Heiligen von Jerusalem“ bat, muß die ganze Kirche euch unterstützen. Das ist eine Pflicht brüderlicher Liebe euch gegenüber, zugleich eine Notwendigkeit für Leben, Zeugnis und Ehre der ganzen Christenheit. Wie wichtig im Heiligen Land auch die Spuren aus der Zeit Jesu sein mögen, die historischen Erinnerungen und die Denkmäler sakraler Kunst, die die christlichen Gemeinden im Verlauf der Jahrhunderte erbaut oder wiederaufgebaut haben, noch wichtiger bleibt, daß dort die lebendige Kirche erstrahlt, der Tempel, erbaut aus den Gliedern des Leibes Christi, die auch heute noch Zeugnis geben für Glauben, Gebet und Liebe gemäß der Botschaft Jesu von Nazaret, oder vielmehr dadurch den gestorbenen und auf erstandenen Jesus Christus präsent machen. 6. Hier liegt eure Ehre. Und ich ermutige euch, eure unzerstörbare Anhänglichkeit an dieses Land, das das eure ist, zu wahren und zu erweisen, denn hier liegen eure Wurzeln wie die der Mirjam Baouardy, die dorthin zurückkehrte, um in Bethlehem einen Karmel zu gründen und einen weiteren in Nazaret zu planen. Das stellt besondere Anforderungen, doch entsprechen diese dem Evangelium. Bei den Friedensstiftern müßt ihr in der ersten Reihe stehen, erfüllt von Gefühlen der Offenheit, Hochachtung, Liebe, Verzeihung, Versöhnungsbereitschaft gegenüber allen Menschen, die auch ihrerseits an dieses Land gebunden sind, Christen, Juden und Muslims. Vergebt es nie: In diesem Land repräsentiert ihr Jesus und seine alles umfassende Liebe. Möge die selige Maria von Jesus, dem Gekreuzigten, auf diesem schwierigen Weg bei euch bleiben! Möge die allerseligste Jungfrau Maria, die Mutter Jesu, euch helfen, täglich und mehr Jünger ihres göttlichen Sohnes zu werden! Und möge euch der allmächtige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist segnen euch im Frieden bewahren und jedem eurer Heimatländer den Weg zum wahren Frieden eröffnen. Möge er jeder eurer christlichen Gemeinden, den griechisch-melchitischen und den lateinischen — deren Patriarchen und Bischöfe ich freudig begrüße -helfen, die ihnen anvertraute Gabe Gottes weiterzugeben. 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Glauben bekennen, die Hoffnung verbinden Ansprache an das Generalkapitel der Pallottiner am 17. November 1983 In Christus geliebte Brüder! 1. Mit Freude und einem von Herzen kommenden Gruß empfange ich euch, die verantwortlichen Vertreter der Gesellschaft des Katholischen Apostolats, die im Herzen des römischen Priesters und unermüdlichen Boten des Evangeliums, des hl. Vinzenz Pallotti, entstanden ist. Ich danke euch für euren Besuch in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung. Besonders danke ich dem neugewählten Generalobern, P. Martin Juritsch, für die herzlichen Worte, mit denen er diese familiäre Begegnung eingeleitet hat, und zugleich wünsche ich ihm von Herzen viel Erfolg in dem neuen, ihm vom Generalkapitel übertragenen, schweren Amt. Dieses Generalkapitel hat euch hier aus den über alle fünf Kontinente verteilten zehn Provinzen und sieben Regionen zusammengeführt. 2. Wie ich weiß, habt ihr euch im Verlauf eurer Beratungen mit den Fragen bezüglich des Apostolats in der Kirche von heute und morgen auseinandergesetzt. Ihr habt euch gefragt, wie sich die Absichten Pallottis verwirklichen lassen, der das katholische Apostolat so sehr zum Grundanliegen seines Lebens und seines priesterlichen Eifers machte, daß er von meinem Vorgänger Pius XI. als „Vorkämpfer der Katholischen Aktion“ bezeichnet wurde. Ihr habt euch auch gefragt, welchen spezifischen Beitrag eure Gesellschaft der Kirche in ihrem Bemühen um die Durchformung der Welt von heute mit christlichem Geist leisten soll. Um diesen und anderen von euch erhobenen Forderungen einen nachdrücklicheren und vollständigeren Ausdruck zu geben, habt ihr ein Arbeitsdokument verfaßt, aus dem deutlich euer entschiedener Wille spricht, euch verstärkt dafür einzusetzen, daß die Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Laienapostolat zum gemeinsamen Besitz aller Gläubigen werden, so daß sie zu einem reifen und tätigen Glauben gelangen können und, vom wahren christlichen Geist beseelt, fähig werden, in ihrem Milieu ein feinmaschiges Netz apostolischen Wirkens zu entwickeln. 3. Ich freue mich sehr über dieses Engagement, das ihr in Angriff nehmen wollt, um immer hochherziger und im Geist eures ehrwürdigen Stifters auf die Nöte der Kirche zu antworten. Vinzenz Pallotti hat ja sein Institut „als eine Posaune des Evangeliums verstanden, die alle ruft, die alle einlädt, 1204' BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die den Eifer und die Liebe aller Gläubigen jeder Herkunft und jedes Ranges weckt, damit alle das katholische Apostolat so achten und ehren, wie es Jesus Christus in seiner Kirche eingerichtet hat, und daß sie, entsprechend den verschiedenen Bedürfnissen der Kirche Jesu Christi zu allen Zeiten, jetzt und in Zukunft, alle wirksam und dauernd mitarbeiten an allen evangelischen Unternehmen des katholischen Apostolats“ (Vinzenz Pallotti, Opere Complete, I, S. 4). Im Licht dieser programmatischen Worte beabsichtigt ihr, eine Brücke zwischen dem Klerus und den Laien zu bauen, um jene Form des Apostolats neu zu beleben, das die Laien an dem Werk der Evangelisierung und Heiligung teilnehmen läßt, daß die ganze Kirche, in ihrem Haupt und ihren Gliedern, in der Welt von heute und morgen zu erfüllen berufen ist. In der Tat können die Laien, wenn sie dazu angespornt werden und ihnen ihre unverzichtbare Rolle bewußt gemacht wird, inmitten der Kirche eine wesentliche Aufgabe ausführen, die sich nicht nur aus der Einsicht rechtfertigt, auch dorthin zu kommen, wohin der Priester nicht oder nur schwer gelangen kann, sondern auch, und ich würde sagen vor allem, aus der Tatsache, daß sie als Christen die Pflicht haben, ihren Glauben zu bekennen und ihre Hoffnung zu verkünden. Darin steht eure Botschaft in vollkommenem Einklang mit den Weisungen des Konzils, das im Dekret über das Laienapostolat wörtlich ausführt: „Die Gläubigen mögen in einmütigem Zusammenwirken apostolisch tätig sein. Sie seien Apostel in ihrer Familiengemeinschaft wie in Pfarrei und Bistum, die selbst ein Ausdruck des Gemeinschaftscharakters des Apostolats sind, aber auch in freien Gruppierungen, zu denen sie sich zusammenschließen wollen“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 18). Damit aber die Laien diesen Sendungsauftrag fruchtbar erfüllen können, ist es notwendig, daß sie eine solide menschliche und christliche Formung erhalten und so lernen, das Licht des Glaubens zu sehen, zu urteilen und zu handeln. Zu diesem Zweck empfiehlt dasselbe Dekret, daß „die Priester in der Katechese, im Dienst des Wortes, in der Seelenführung und bei anderen pastoralen Dienstleistungen die Bildung zum Apostolat im Auge behalten mögen“ (ebd., Nr. 30). 4. Das, liebe Patres des Generalkapitels, ist genau die Aufgabe, zu der euch euer Stifter aufruft und auf die sich die Kirche in großem Maße verläßt. Aber um diesen Erwartungen würdig zu entsprechen, ist es notwendig, daß ihr weiterhin aus eurem ursprünglichen Charisma, das zutiefst von der Kontemplation und der Aktion, vom Gebet und von der Predigt geprägt ist, Inspiration, Energie und Kraft schöpft. Ihr werdet nur 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann wahre Söhne des hl. Vinzenz Pallotti und damit glaubwürdige Zeugen Christi sein, wenn ihr euer geistliches Leben vorbildlich und anziehend lebt: vorbildlich in der Weise, wie sie eure Regel dar stellt; vorbildlich in der Religiosität, die die Liebe Christi allem anderen vorzieht; vorbildlich in der Treue zur Kirche, die euer Stifter wie eine wirkliche Mutter geliebt hat. So wünsche ich euch, daß eure Gesellschaft aus den Beratungen dieses Generalkapitels neue Kraft und Zuversicht schöpft, um die formulierten Vorsätze in die Tat umzusetzen. Sagt euren Mitbrüdern, wenn ihr zu ihnen zurückkehrt, daß ich ihnen von ganzem Herzen danke für den Beitrag, den sie zu dem Werk der Kirche in der Welt leisten; ich fordere sie alle auf, von Grund auf ihre Berufung zu leben. Zur Bekräftigung dieser Wünsche erteile ich euch und allen Mitgliedern des Instituts meinen Apostolischen Segen. Evangelisierung nur „im Namen der Kirche“ Ansprache an die Vollversammlung der Vereinigung der Europäischen Konferenzen der Höheren Ordensobern am 17. November Herr Kardinal! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine große Freude, Sie zu empfangen. Es ist die erste offizielle Begegnung des Papstes mit den Männern und Frauen der Vereinigung der Konferenzen der Höheren Ordensobern Europas, die noch in ihren Anfängen steckt. Wir sind nun in dem Augenblick zusammengekommen, in dem sich die Kirche auf die Feier des Christkönigsfestes vorbereitet, des Festes Christi als König des Universums, Licht, das am Ende des Weges der Menschen erstrahlt, er, der als einziger imstande ist, allen Völkern die Wohltaten der Einheit und des Friedens zu gewähren. Ihre Vereinigung hat sich eben zum Ziel gesetzt, den europäischen Ordensleuten dabei behilflich zu sein, daß sie immer intensiver und in einer Weise, die den Bedürfnissen der Menschen immer besser entspricht, das Zeugnis des Evangeliums erbringen, um das Reich Gottes aufzubauen. Warum sollten Sie sich nicht von der Erfahrung der Vergangenheit 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN anspornen lassen? Ihre Vorgänger, die europäischen Ordensleute, haben wahrhaftig ein Evangelisierungswerk in jedem Sinne des Wortes vollbracht; sie haben nicht nur ihre Brüder in ihrer unmittelbaren geographischen Umgebung mitgerissen, sondern das Evangelium und die Botschaft Christi in viele Gegenden getragen, die dank ihnen zu echten, geistlich reichen und fruchtbaren Ländern des Christentums geworden sind. Sie stehen in der besonderen Situation des europäischen Kontinents mit seinen spürbaren regionalen Unterschieden. Ungeachtet des Rückgangs an Berufen in einer ganzen Reihe von Ländern bringt ihre traditionelle Rolle heute für die Ordensleute ernste und schwerwiegende Verpflichtungen bei der Evangelisierung mit sich. 2. Ihre Berufung selbst ist für Sie als Ordensmänner und Ordensfrauen ein besonderes Mittel wirksamer Evangelisierung; Sie geben Zeugnis von der Heiligkeit der Kirche, indem Sie ihre tiefe Sehnsucht verkörpern, der Unbedingtheit der Seligpreisungen zu entsprechen. Sie sind durch Ihr Leben ein Zeichen der gänzlichen Verfügbarkeit für Gott, für die Kirche und Ihre Brüder und Schwestern (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 69, in: Wort und Weisung, 1975, S. 588). Das erste Mittel der Evangelisierung ist für die Ordensleute daher, ihr Leben mehr und mehr an die Person und die Botschaft Jesu Christi anzupassen. Vor jeder Verkündigung des Wortes muß ihr Leben selbst Jesus Christus und sein Evangelium offenbaren. In bestimmten Augenblicken ihres Lebens - und für die kontemplativen Orden gilt das immer -wird dieses Zeugnis die einzige Evangelisierung sein, die übrigens sehr fruchtbar sein kann, wie der Fall der hl. Teresia vom Kinde Jesus zeigt, die in ihrem Karmel in der Provinz zur Schutzpatronin der Missionen wurde, und wie ebenso die zahlreichen, während ihres Lebens unbekannten Ordensleute beweisen, deren Gebet und manchmal bis zum Tod gehende Opfer wahrhaftig ein wunderbares Zeugnis von der Fruchtbarkeit des Evangeliums und ein Same für das Christentum gewesen sind. Es soll hier genügen, den Fall des hl. Maximilian Kolbe und den der seligen Trappistin Maria Gabriella, Verkünderin der Einheit, anzuführen. In diesem Sinne habe ich in Lourdes zu den Ordensfrauen von der Unentgeltlichkeit der Liebe gesprochen. 3. Die primäre Rolle Ihrer Vereinigung muß es darum sein, den europäischen Ordensmännern und Ordensfrauen zu helfen, ihren evangelischen Sendungsauftrag dadurch besser zu erfüllen, daß sie ihre Berufung voller und gültiger leben. Ihre nationalen Konferenzen und die Ordensleute 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN insgesamt dürfen mit Recht Hilfe, Ermutigung und kollegiale Unterstützung von seiten der Brüder und Schwestern aus anderen Nationen bei der Konfrontierung mit den Problemen erwarten, die die nationalen Grenzen überschreiten und das Ordensleben des ganzen Kontinents betreffen. So werden Sie besser in der Lage sein, eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den nationalen Konferenzen der Ordensleute zustande zu bringen. Diese Aktion muß natürlich unter Respektierung der berechtigten Autonomie dieser nationalen Konferenzen und der Institute sowie der legitimen Unterschiede der Kulturen, Bräuche, Lebensweisen und ohne jede Bezugnahme auf politische Vorstellungen erfolgen. Vor allem muß es zur Entwicklung und Bestätigung des besonderen Charakters des Ordenslebens beitragen. In der Tat bildet das, was die Glieder der Kirche voneinander unterscheidet, eine gegenseitige Ergänzung und ist der einzigartigen Gemeinschaft und Sendung aufgegeben, die dem ganzen Leib zukommt. Darum ist darauf zu achten, daß das Ordensleben die ihm eigenen Wesensmerkmale und ihre Transparenz bewahrt. Wenn die Kirche für ihr Zeugnis der Transparenz bedarf, so gilt das ebenso für das Ordensleben. Die Minderung dessen, was das Ordensleben kennzeichnet, gleichsam bis hin zu seinem Verschwinden aus den Augen der Welt, ist weder für die Ordensleute noch für die Kirche noch für die Evangelisierung gut. Die Achtung vor dem besonderen Reichtum des Ordenslebens muß dem je eigenen Wesen der Institute Rechnung tragen, wie es von der Kirche seit ihrer offiziellen Approbation anerkannt worden ist. 4. Die Tatsache, daß mehrere Länder Europas in verstärktem Maße eine Entchristlichung erleben - mit Getauften, die praktisch außerhalb der Kirche leben -, stellt mit immer größerem Nachdruck die Christen und die Ordensleute vor die Frage nach ihrem Zeugnis und ihrem Apostolat. Sicher sind die Gründe recht komplex und rühren zum Teil von Schwierigkeiten her, die außerhalb der Kirche liegen. Aber man muß sich doch auch fragen: Sind diese Christen in genügendem Maße Verkünder des Glaubens gewesen und ist ihr Zeugnis sowie das der europäischen Ordensleute ausreichend zuverlässig und wahrnehmbar gewesen? Mehr als andere müssen die Ordensleute auf der Hut sein, sich nicht das „Salz“ des Evangeliums durch verweltlichte Praktiken und Haltungen schal machen zu lassen, so daß sie schließlich das Gebet einem allzu menschlichen Wirken opfern, sich sozio-politische Verhaltensweisen aneignen, die von Kriterien bestimmt werden, die keineswegs immer evangelisch genannt werden können. Ich weiß sehr wohl, daß Sie genauso davon überzeugt 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind; ist das nicht auch einer der Aspekte der geistlichen Erneuerung, um die Sie sich nach Ihren Konstitutionen bemühen? Das zuverlässige evangelische Zeugnis der Ordensleute betrifft auch eine mit jedem Tag größere Zahl nichtchristlicher Gastarbeiter, die aus anderen Kontinenten gekommen sind, um in Europa günstigere Lebensbedingungen zu suchen. Es ist sehr wichtig, daß diese armen Menschen bei den Ordensleuten einen Widerschein der Liebe Christi finden. Auf diese neue Art läßt sich weiterführen, was einst die Missionare vergangener Generationen geleistet haben. 5. Diese brüderliche Liebe muß zunächst unter den Ordensleuten selbst gelebt werden. Kanon 602 sieht in der „auf Liebe gründenden und in der Liebe verwurzelten brüderlichen Gemeinschaft das Beispiel für die universelle Versöhnung in Christus“, ein Thema, das von der kürzlich abgehaltenen Bischofssynode vertieft wurde. Wenn die Einheit und Verbundenheit der Ordensfamilie ein mächtiges evangelisches Zeugnis ist, so ist die Uneinigkeit unter den Brüdern, unter den Schwestern für die Evangelisierung ein Stein des Anstoßes. Nun aber ist die Entzweiung nicht nur zwischen den verschiedenen christlichen Glaubensgemeinschaften und Konfessionen in Europa anzutreffen, man begegnet ihr auch unter den Gläubigen in der katholischen Kirche und manchmal sogar bei den Ordensleuten, wo die Polarisierungen ein nicht zu leugnendes Hindernis für das Zeugnis der brüderlichen Liebe darstellen. Diese Uneinigkeiten haben sehr häufig ihren Ursprung darin, daß der zutiefst kirchliche Charakter der Evangelisierung vergessen wird: Evangelisierung muß immer im Namen der Kirche, in Gemeinschaft mit ihren Bischöfen vollzogen werden und ist niemals das individuelle und isolierte Tun eines einzelnen (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 60, in: a. a. O., S. 581). Die in Treue zum Lehramt gelebte brüderliche Einheit wird dazu beitragen, die Kirche einzupflanzen, die es ohne den Atem des sakramentalen Lebens nicht gibt, das seinen Höhepunkt in der Eucharistie hat (vgl. ebd., Nr. 28: a. a. O., S. 557). Ja, man muß die vielfältigen apostolischen Dienste, die Ihre Institute zu leisten vermögen, in Verbindung mit der Sendung der Kirche hinsichtlich ihrer dringendsten Bedürfnisse, wie sie die verantwortlichen Bischöfe sehen, ins Auge fassen. Denn die Kirche zählt auf Sie, sie braucht Sie und sie weiß, daß sie in Ihnen, in Ihren Instituten unermeßliche und wunderbare Möglichkeiten für die verschiedenen Formen ihrer direkten und indirekten Verkündigung des Evangeliums findet. 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Zur Zeit muß das Evangelium einer Welt verkündet werden, die unter Hunger und Entbehrungen leidet. Trotz beachtlicher Unterschiede zwischen den Regionen bleibt der europäische Kontinent in wirtschaftlicher Hinsicht bevorzugt; es darf nie geschehen, daß sich Ordensleute von dem Streben nach Wohlstand und dem Egoismus vieler Menschen ihrer Umgebung anstecken lassen und die Augen vor den benachteiligten sozialen Klassen und den ins Elend versunkenen Gebieten verschließen. Sie müssen mit ihrer Verfügbarkeit und Uneigennützigkeit den Armen und Entrechteten aller Art zu Hilfe kommen. Aber ich halte mich damit nicht auf, denn ich weiß, wie sehr eine Anzahl von Instituten, von Ordensmännern und Ordensfrauen heute darum bemüht ist, arm und unter den neuen Armen zu leben, die unsere Gesellschaft nach sich zieht. Dieses Beispiel muß umgekehrt echte Verantwortung übernehmen, die ein Dienst ist. Tatsächlich bleibt das erzieherische und soziale Wirken der Ordensinstitute, wenn es gemäß dem ihnen eigenen von der Kirche anerkannten Charisma und in organischer Zusammenarbeit mit den Laien erfolgt, immer aktuell, vor allem wenn die Ordensleute dabei die Sorge für die Armen, die Ausgestoßenen, die Gastarbeiter, die Flüchtlinge bewahren. Ihr Wirken in diesem Sinne ist mehr denn je eine Notwendigkeit für die Evangelisierung, da es eine sichtbare Bekundung der Liebe Gottes für den Menschen darstellt. Der weitere Blick, den Ihre Vereinigung auf die Welt richtet, die fruchtbaren Beziehungen, die sie zum Rat der europäischen Bischofskonferenzen einrichtet, müssen ihr die Möglichkeit geben, den nationalen Konferenzen der Ordensleute und den Instituten zu helfen, das evangelische Zeugnis dadurch immer besser zu erbringen, daß sie die verschiedenen Kulturen mit der von Jesus Christus überbrachten Frohbotschaft durchdringen und erfüllen, ohne sich aber in die Abhängigkeit von einer dieser Kulturen zu begeben. Am Pfingstmorgen war die Jungfrau Maria, die Mutter der Kirche, beim Gebet zu Beginn der Evangelisierung unter der Einwirkung des Heiligen Geistes zugegen. Möge sie immer der Leitstern sein, der die Ordensleute bei ihrer Sendung führt und sie hochherzig und zu freudigen Getreuen des Evangeliums und der Kirche macht! Voll Vertrauen in den Einsatz, den Ihre Vereinigung leisten wird, um den Ordensleuten Europas dabei zu helfen, immer glaubwürdigere Zeugen des Evangeliums zu sein, segne ich Sie von ganzem Herzen. 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Herausforderung evangelischer Liebe“ Predigt bei der Messe für die Mitglieder der Vollversammlung von „Cor Unum“ in der päpstlichen Privatkapelle am 19. November Herr Kardinal! Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Ich empfinde es als großes Glück, euch empfangen und mit euch das Opfer dessen feiern zu können, der sich ganz für das Heil der Welt hingegeben hat. Und für euch ist es eine große Freude, mit dem Papst zu beten! Laßt mich zunächst euch allen und jedem einzelnen danken, danken im Namen Christi und der Kirche, im Namen der Menschen und Bevölkerungsgruppen, denen ihr geholfen habt, im Namen der karitativen Organisationen, denen ihr eure Unterstützung und eure Anregungen schenkt und Möglichkeiten zu wirksamer Zusammenarbeit vorgeschlagen habt. Ich kann euch auf der Linie dieser 12. Vollversammlung von „Cor Unum“ nur dazu ermutigen, auch weiter die Herausforderung der evangelischen Liebe anzunehmen, indem ihr stets eine echte Theologie der Nächstenliebe fördert und den engen Zusammenhang zwischen Gerechtigkeit und Liebe beleuchtet. Die Rechte des Menschen - man könnte sagen, die vielfältigen Aspekte der Gerechtigkeit - müssen sich absolut auf eine Ordnung stützen, die sie übersteigt, sonst laufen sie Gefahr, sich in die Abstraktion zu verlieren oder, was noch schlimmer ist, irgendeiner Ideologie zu verfallen. Die Liebe muß, ohne sich an die Stelle der Gerechtigkeit zu setzen, die erfinderische und bereitwillige Quelle für ihre Anwendung sein. Es geht in der Tat immer darum, Menschen oder konkrete, oft dringende Situationen zu retten: Katastrophenopfer, Flüchtlinge, Kranke, Hungernde, Sterbende. Die Liebe läßt sich mit nichts vergleichen: Sie springt vom Herzen Gottes in das Herz der Glaubenden, ja, jedes Menschen guten Willens über. Sie entzieht sich der Vernunft. In gewissem Sinne kehrt die Liebe gleichsam die Bewegung der strengen Gerechtigkeit, der bloßen Menschenrechte, so fundamental sie auch sein mögen, um. Die Liebe hat Menschen vor Augen. Und sie erreicht ihr Ziel, wenn sie in den Menschen und den Bevölkerungsgruppen, denen sie Hilfe leistet, den Wunsch weckt, selbst spontan zu helfen, auch wenn sie nichts geben können als ein wenig Liebe, Zeit, schweigende Gegenwart. 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die heutige Welt hat es dringend nötig, sich zur Liebe zu bekehren. Es ist mein Wunsch, daß „Gor Unum“ auch weiter aufs beste eben dazu beitragen mögen. Diese Gnade wollen wir im Verlauf dieser Eucharistiefeier gemeinsam für die Kirche und die Welt erbitten. Anteil haben „am Los der Heiligen“ Predigt bei der Messe für die kirchlichen Laienbewegungen in der Petersbasilika am Christkönigssonntag, 20. November 1. „Er ist der Ursprung, der Erstgeborene derer, die von den Toten auferstehen“ (Kol 1, 18). Der hl. Paulus weist auf Golgota hin: auf das Kreuz. Denn dort hat Christus unseren menschlichen Tod auf sich genommen und überwunden. Und dort ist er zum „Erstgeborenen derer (geworden), die von den Toten auferstehen“. Der hl. Paulus weist zugleich auf die Auferstehung hin. Als „Erstgeborener“ ist Christus der „Ursprung“ des Gottesreiches auf Erden. Und er selbst ist der König. Euch allen, liebe Brüder und Schwestern hier, aber besonders den Mitgliedern der verschiedenen kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen, möchte ich vor allem Christus vorstellen, den wir heute feiern, Christus in seinem messianischen Königtum, wie er in den Lesungen dieser Liturgie vor uns ersteht. Denn heute, am letzten Sonntag des Kirchenjahres, verehren und preisen wir Christus als König. Dieses Fest ist gleichsam eine Synthese des gesamten Heilsmysteriums. Es fügt sich mit besonderer Ausdruckskraft in den Rahmen des Jubiläumsjahres der Erlösung ein, also in das gegenwärtige Heilige Jahr. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, die ihr euch heute in Sankt Peter eingefunden habt, seid und fühlt euch besonders mit dem Geheimnis dieses Reiches verbunden, in dem Christus als „Erstgeborener derer, die von den Toten auferstehen“, „Ursprung“ aller Dinge ist. Er ist der König. Aus diesem Geheimnis erwächst eure Berufung, euer Apostolat. 2. Das heutige Evangelium nach dem hl. Lukas enthält die ganze dramatische Bedeutung der Wahrheit über Christus, den König. 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus ist gekreuzigt worden. Über seinem Haupt wurde eine Aufschrift in griechisch, lateinisch und hebräisch angebracht: „Das ist der König der Juden“ {Lk 23, 38). Der Titel „König der Juden“ bezieht sich im Bewußtsein des damaligen Israel auf die Überlieferung von den Königen, die über ihre Nation geherrscht haben. Vor allem erinnerte er an den Größten dieser Könige, David, von dessen Salbung zum König die erste Lesung der heutigen Liturgie spricht. Doch die Aufschrift „König der Juden“ ist vor allem der Anklagepunkt, den der Hohe Rat vor Pilatus gegen Christus vorgetragen hat. Die Anklage ist falsch. Wir kennen die Antwort auf diesen Vorwurf, die Christus dem Pilatus gegeben hat: Ich bin kein irdischer König. Auf Golgota jedoch kämpft niemand für seine Verteidigung. Unter dem Kreuz sind vielmehr die Gegner Christi anwesend, und die Soldaten können ihn ungestraft verspotten: „Wenn du der König bist. . ., dann hilf dir selbst“ {Lk 23, 37). Der königliche Titel wird dem Gekreuzigten nur als Verhöhnung zuerkannt. Doch da ist mitten in dieser Verspottung plötzlich von dem einen der benachbarten Kreuze eine Stimme zu vernehmen: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst“ (Lk 23, 42). So spricht einer der beiden Schächer, die zur Rechten und zur Linken des Kreuzes Christi gekreuzigt worden waren. Und Jesus antwortet sogleich: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ {Lk 23, 43). Und hier kommen wir zum letzten Abschnitt der Antwort Jesu an Pilatus: „Ich bin ein König . . ., aber mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ {Joh 18, 36. 37). Damit befinden wir uns im eigentlichen Zentrum der Wahrheit über das Königtum Christi. Diese Wahrheit findet im heutigen Evangelium einen dramatischen Ausdruck. 3. Christus ist König durch das Kreuz und die Auferstehung. Eben auf diese Weise ist er „der Erstgeborene derer, die von den Toten auferstehen“, geworden und hat zugleich seinen „Vorrang in allem“ bekräftigt. Dieser Vorrang kommt ihm von Anfang an zu. Denn als Sohn gleichen Wesens mit dem Vater, als der geliebte Sohn, „ist er das Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ {Kol 1, 15), „der Erstgeborene der ganzen Schöpfung. Denn in ihm wurde alles erschaffen . . ., das Sichtbare und das Unsichtbare ... Er ist vor allem Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ {Kol 1, 16-17). 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.“ Und darum ist er seinem Wesen nach König. Sein Königtum wurde in das Schöpfungswerk selber eingeschrieben. Er geht der ganzen Schöpfung voraus. Die ganze Schöpfung trägt von Anfang an das Siegel seines Königtums an sich: „Denn in ihm wurde alles erschaffen.“ Das also ist die Herrschaft des ewigen Wortes. Die ewige Herrschaft Gottes in der Schöpfung vollzieht sich durch das zum Sohn gewordene Wort. Die Schöpfung ist der Beginn des Gottesreiches. Es ist das Reich des Vaters im Sohn und durch den Sohn. 4. Dieses Reich erhält seine geschichtliche Dimension durch das Geheimnis der Erlösung. Die Erlösung ist zugleich mit der Sünde in die Geschichte des Menschen eingetreten. Und darum führt uns das heutige Evangelium nach Golgota. Gott hat sich vor der Sünde des Menschen nicht zurückgezogen. Er hat dieses Reich, das mit der Schöpfung in seinem Sohn seinen Anfang nahm, der Welt nicht vorenthalten. Im Gegenteil! Er hat dieses Reich im Kreuz Christi aufs neue bestätigt, um „durch ihn alles zu versöhnen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut . . ., alles im Himmel und auf Erden“ (vgl. Kol 1, 20). So also hat Christus, der „Erstgeborene der ganzen Schöpfung“, als „Ursprung“ in dieser Schöpfung den „Primat“, das heißt die Königsherrschaft; und zugleich erhält er als Mensch durch sein Kreuz „den Vorrang in allem“, das heißt die Königsherrschaft. Er erhält sie im Geheimnis der Erlösung. Durch das Kreuz wird er Christus, der König. Durch das Kreuz wird er als „der Erstgeborene derer, die vom Tod auferstehen“, zum Haupt des Leibes, „also der Kirche“. Der ewige Gott hat beschlossen, daß in ihm, dem zum Sohn gewordenen Wort, „die ganze Fülle wohnen solle“. Und durch das Erlösungswerk wohnte diese „Fülle“ in Christus. Die Liturgie des heutigen Festes läßt uns das Reich Christi - das Reich Gottes in Christus - in diesen beiden Dimensionen sehen: der Wirklichkeit der Schöpfung und der Wirklichkeit der Erlösung. In diesen Dimensionen spricht die Wahrheit über das Reich und Königtum Christi zu uns aus der Tiefe des Wortes Gottes. 5. Ihr, liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute an der Messe zum außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung teilnehmt, seid in beson- 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN derer Weise mit dem Geheimnis Christi, des Königs, in seiner doppelten Dimension verbunden. Denn das Zweite Vatikanische Konzil sagt uns, daß „die Laien Pflicht und Recht zum Apostolat kraft ihrer Vereinigung mit Christus, dem Haupt, haben. Denn durch die Taufe dem mystischen Leib Christi eingegliedert und durch die Firmung mit der Kraft des Heiligen Geistes gestärkt, werden sie vom Herrn selbst mit dem Apostolat betraut“. Und im selben Dokument sagt das Konzil: „Die Laien, die diese Sendung der Kirche vollziehen, üben also ihr Apostolat in der Kirche wie in der Welt, in der geistlichen wie in der weltlichen Ordnung aus. Beide Ordnungen, die man gewiß unterscheiden muß, sind in dem einzigen Plan Gottes so verbunden, daß Gott selbst in Christus die ganze Welt als neue Schöpfung wieder aufnehmen will, im Keim hier auf Erden, vollendet am Ende der Tage. In beiden Ordnungen muß sich der Laie, der zugleich Christ ist und Bürger dieser Welt, unablässig von dem einen christlichen Gewissen leiten lassen“ (Apostolicam actuositatem, Nr. 3 und 5). Viele andere Konzilstexte bekräftigen dieses Fundament jedes christlichen Apostolats im Laienstand unter der Führung Christi, des Königs des Alls und Hauptes der Kirche. Das ist eine Wahrheit, die sich herleitet aus der Einheit Christi, des Wortes und des Menschensohnes, unseres Erlösers, der sein Werk in der Kirche und durch die Kirche fortsetzt. Das ist auch die geschichtliche Erfahrung des Laientums in der Kirche, das - wenn auch in veränderlichen Formen entsprechend unterschiedlicher Zeiten und Orte - seine Sendung stets gemäß der doppelten Dimension des Königtums Christi erfüllt hat, in Übereinstimmung mit der geistlichen und mitunter kirchenrechtlichen Herleitung aus der kirchlichen Quelle, aus der die Gnade und die Macht des gekreuzigten Königs geschöpft werden kann. 6. Das schließlich ist das Zeugnis, das ihr selbst heute in dieser Basilika gebt, liebe Brüder und Schwestern, Mitglieder der verschiedenen kirchlichen Vereinigungen und Bewegungen: Auch wenn ihr in so vielen Bereichen und unter ganz verschiedenen Bezeichnungen arbeitet, erkennt ihr, daß ihr von demselben Geist beflügelt und von der einen Kirche aufgerufen seid, euch für das eine Ziel einzusetzen, für welches das Konzil auch bei den Laien das Bewußtsein neu geweckt hat: die Verwirklichung des Reiches Christi in der gesamten von der Erlösung wiederhergestellten Ordnung der Schöpfung und der Geschichte. Christlich ausgedrückt, heißt diese Aufgabe auch Versöhnung, die Ziel- 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Setzung des Heiligen Jahres, auf die ihr besonders in den Tagen vor dieser Heilig-Jahr-Messe eure Gedanken gerichtet habt. Ich freue mich, daß ihr diese Zielsetzung als eure besondere Verpflichtung untereinander und auf jedem Gebeit der kirchlichen und sozialen Beziehungen angenommen habt. Auf diesem Weg werdet ihr wertvolle Mitarbeiter für das Kommen des Reiches Christi sein. 7. Ich wende mich daher zum Abschluß mit den Worten des Völkerapostels an euch, die ihr in eurer christlichen Berufung und in eurem apostolischen Einsatz gleichsam ein besonderes Siegel der Einheit und Verbundenheit mit Christus, dem König, an euch tragt. Brüder, „dankt dem Vater mit Freude! Er hat euch fähig gemacht, Anteil zu haben am Los der Heiligen, die im Licht sind. Er hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden“ {Kol 1, 12-14). Brüder und Schwestern! Laßt uns dem Vater dafür danken! Und mit unserem Dank wollen wir dieses Reich in uns auch den anderen, dem Nächsten, allen nahebringen; bringen wir es ihnen als einen unermeßlichen Schatz! Bringen wir es ihnen so, wie es Christus selbst und dann seine Apostel gebracht haben. Bringen wir es ihnen so, daß sich dieses Reich durch das Wirken des Heiligen Geistes in der Welt ausbreite und vertiefe. Daß es sich ausbreite und festige durch die Ausstrahlung der Wahrheit und der Liebe. Damit durch den Dienst unseres Lebens und unserer Lebensführung, ungeachtet dessen, was an weniger Erfreulichem am Ende des zweiten Jahrtausends zuzunehmen scheint, wie in der heutigen Liturgie jener Dankesruf erklinge: „Halleluja! Halleluja! Halleluja! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Gesegnet sei das Reich, das nun kommt!“ (Mk 11, 9-10). Halleluja! Der Vater entreißt uns immer wieder der Macht der Finsternis und nimmt uns auf in das Reich seines geliebten Sohnes. Amen. 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Recht, vom Konzil gewünscht Ansprache an die Teilnehmer des Kurses der Päpstlichen Universität Gregoriana über das neue kirchliche Gesetzbuch am 21. November Herr Kardinal! Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt und Sie, Brüder im Priestertum Christi! Gnade und Friede im Herrn! 1. Es ist für mich ein Grund zur Freude, heute vormittag mit Ihnen und den geschätzten Professoren der Universität Gregoriana Zusammentreffen zu können, die Ihnen mit Hingabe und Sachkenntnis den neuen Kodex erläutert haben, der am kommenden ersten Adventssonntag in Kraft tritt. Es war eine sehr intensive Studientagung, die ein Zeugnis und einen Appell darstellt. Ich wünsche und hoffe, daß man Ihrem Beispiel folge, um so ein immer tieferes, geeinteres und besser geordnetes kirchliches Leben zu fördern. In diesem Zusammenhang habe ich in der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae leges ausdrücklich gesagt: „Gebe Gott, daß die Freude und der Friede, die Gerechtigkeit und der Gehorsam diesen Kodex empfehlen und daß die vom Haupt getroffenen Anordnungen von den Gliedern beachtet werden“ (O.R. dt. vom 4.2.83, S. 5). Sie wissen, daß der promulgierte Text Ergebnis einer in höchstem Maße kollegiale Arbeit ist und ein Zeichen echter Gemeinsamkeit bleibt. Ihr Engagement in diesen Tagen entspricht dem, was für die Kirche nützlich schien, wie ich in der erwähnten Konstitution ausführte: „Damit aber alle diese Gesetzesvorschriften einsehen und gründlich studieren können, ehe sie rechtskräftig werden, erkläre und verfüge ich, daß sie vom ersten Adventssonntag 1983 an verbindliche Rechtskraft erhalten“ (ebd.). Genau das haben Sie getan! Vor der Anwendung des Kodex wollten Sie ihn genau kennenlernen und gründlich studieren, nicht um daran Kritik zu üben — er ist natürlich Menschenwerk, und wer würde zu behaupten wagen, er sei vollkommen und müsse vollkommen sein? —, sondern Sie haben ihn studiert, um ihn besser anwenden zu können. Sie haben ihn auf genommen, gehört, verstanden und gewürdigt; mit einem Wort: Sie haben ihn lieben gelernt! Das ist denn auch die grundlegende Voraussetzung, um ihn richtig zu verstehen und dafür zu sorgen, daß seine Anwendung zu einem neuen „Advent“ für die Kirche Gottes werde. 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Kodex ganz anderer Art 2. Wenn er verstanden werden soll, muß dieser Kodex ernsthaft studiert werden. Er ist nicht, was der Kodex von 1917 vor allem war: die Vereinheitlichung und Reinigung des bestehenden Rechts entsprechend den Absichten jenes unvergleichlichen Oberhirten, des hl. Papstes Pius X. Der Kodex des Jahres 1983, der in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung promulgiert wurde und in Kraft tritt, ist ein Kodex ganz anderer Art. Gewiß fügt er sich in die kirchliche Tradition ein, aber er belebt sie mit dem Geist und den Bestimmungen des Konzils. Er ist der Kodex des Konzils, und in diesem Sinne ist er sozusagen das „letzte Konzilsdokument“, das zweifellos Kraft und Wert, Einheit und Ausstrahlung dieses Konzils festigen wird. Wenn wir die „Fontes Novi Codicis“, die Quellen des neuen Kodex vor Augen haben, sehen wir voll Erstaunen und Verwunderung kirchenrechtliche Texte, die so reich und zuverlässig in der Lehre des Konzils und in der daraus folgenden Erfahrung verwurzelt sind. Das hat uns ermöglicht, gewisse Konzilsbestimmungen besser zu würdigen und Mißbräuche zu vermeiden, die bisweilen durch unüberlegte Anwendung oder falsche Auslegungen verursacht wurden. Studium codicis, schola concilii! Studium des Kodex, Schule des Konzils! Genau so müssen wir das anhaltende Studium des Kodex sehen: die Wahrnehmung der Zusammenhänge, die die Kanones untereinander verbinden; das Verständnis des Geistes, der sie eint; die pastorale Anwendung, die zu einer immer getreueren Verwirklichung des Konzils führen soll; die vom Konzil gewünschte Anpassung an die Länder, die verschiedenen Kulturen und Situationen; die im Kodex den Diözesanbischöfen und Bischofskonferenzen zuerkannte Kompetenz — das alles sind ein Zeichen und ein neuer Auftrag, dessen sich das ganze Volk Gottes nach und nach bewußt werden wird. Denn dieser Kodex ist ja das Gesetzbuch des Volkes Gottes, in dem die Struktur der Kirche festgelegt ist, die Öffnung für den Geist erleichtert wird, die Treue zu den verschiedenen Gaben und Charismen zum Ausdruck kommt, das authentische Recht gestärkt und die Einheit in der Gemeinschaft auferbaut wird. Einen glänzenden Beitrag zu seiner Abfassung hat auch die Bemühung der Theologen geleistet, die in dem mit Liebe betrachteten Geheimnis der Kirche die wesentlichen von Christus, dem menschgewordenen Wort, ihrem Stifter und Haupt, gewünschten Komponenten hervorhoben. 1218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Paul VI. hat mit Recht betont, daß sich das Recht der Kirche von dem des Staates unterscheide (vgl. AAS 64 [1972], 781). Denn es ist ein Recht der Gnade, wenn es ein Recht der Gemeinschaft ist. Ich zitiere gern Paul VI., weil er für die Kanonisten ein Meister des Denkens, ein Theologe des Rechts gewesen ist; es war sein Wunsch, daß sich in der Betrachtung des einzigartigen Geheimnisses der Kirche theologische Wissenschaft und Wissenschaft vom Kirchenrecht aufs neue vereinigen sollten (vgl. Com-municationes 5 [1973], 124), um in einer Schau der Ordnung und des Friedens das zu vertiefen, was die Liebe Gottes und der Menschen in Jesus Christus sein will, in voller Unterwerfung unter den Geist, der zur ganzen Wahrheit führt und die Kirche durch jene lenkt, die er in der apostolischen Sukzession als Glaubensrichter, als Lehrer der Wahrheit und Hirten der Liebe haben wollte: Iudices fidei, doctores veritatis, pastores caritatis. Ja, wenn das Recht der Kirche den Erwartungen des Konzils entspricht, wenn es die Strukturen festlegt, die das Konzil gewünscht oder nahegelegt hat, wenn es das Leben der Kirche zu jener großen „communio“ machen will - „magna illa communio quam Ecclesia efficit“ (jene große Gemeinschaft, die die Kirche bewirkt) (AAS 69, 1977, 148) -, wenn es dazu beiträgt, daß sie für alle Menschen Zeichen und Werkzeug des Heiles ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 1), wenn es die Verwirklichung des Erlösungswerkes im Hinblick auf die Einheit der ganzen Menschheit in Jesus, dem Erlöser, ermöglicht (vgl. Lumen gentium, Nr. 1), wer würde da nicht die ökumenische Rolle erkennen, die einem Kirchenrecht zukommt, das im Geheimnis der Kirche verankert ist, sich dem Wirken des Geistes öffnet und diejenigen vereint und verbindet, die dieser Geist in der Kirche zum Lobpreis Gottes, ihres Vaters, versammelt. 4. Hier möchte ich den Professoren danken, die den Kodex erläutert und Ihre Arbeit geleitet haben. Indem ich Ihnen danke, möchte ich darüber hinaus allen meine Anerkennung aussprechen, die in ähnlichen Bemühungen das neue kirchliche Gesetzbuch studiert und erläutert haben. Ihre Arbeit ist in höchstem Maße apostolisch und pastoral; sie „baut die Kirche auf“, sie läßt in ihr die Liebe wachsen, damit die Kirche immer besser auf dem Wort Gottes und den Sakramenten des Heils, der Sendung der Hirten und der Mitverantwortung der Gläubigen, der tätigen Mitarbeit und dem gemeinsamen Einsatz aller Glieder des Gottesvolkes aufgebaut wird. Mit dem Ausdruck meiner Dankbarkeit und meiner Freude versichere ich Sie meiner Hochachtung und Ermutigung. Gott segne Sie auf Ihrer 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rückreise, er gebe, daß Sie Ihren Kirchen die Kenntnis des Kodex vermitteln, den Willen, ihn zu beobachten, und die Sensibilität für dieses Gesetz der Kirche, das durch den Willen Christi Gesetz Gottes und Zeichen der Erneuerung ist. Allen gilt mein ganz herzlicher Apostolischer Segen! Durch tiefe Bande verbunden Botschaft an den ökumenischen Patriarchen Dimitros I. vom 22. November An Seine Heiligkeit Dimitros I. Erzbischof von Konstantinopel, Ökumenischer Patriarch „Gnade sei mit euch und Friede in Fülle“ (1 Petr 1, 2b). Diesen Gruß richtete der Apostel Petrus an die ersten Christen von Pontus, Galatien, Kappadozien, der Provinz Asien und Bithynien, „von Gott, dem Vater, von jeher ausersehen und durch den Geist geheiligt, um Jesus Christus gehorsam zu sein und mit seinem Blut besprengt zu werden“ (1 Petr 1, 2a). Mit gleicher Glaubensgesinnung richte ich zum Fest des Apostels Andreas, des Bruders des Petrus, heute denselben Gruß der Gemeinschaft an Sie, ehrwürdiger Bruder. Unter der Leitung von Kardinal Johannes Willebrands wird die Delegation, die ich zu Ihnen sende, sich mit dem Gebet Ihrer Kirche vereinigen, um dem Herrn zu danken und ihn zu preisen, der „uns in seinem großen Erbarmen neu geboren hat, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben und das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe empfangen“ (7 Petr 1, 3-4). Auch will ich mich persönlich diesem Gebet anschließen. Bei dieser Gelegenheit will ich Eurer Heiligkeit meinen herzlichen Dank aussprechen für die brüderliche Botschaft, die Sie mir anläßlich des fünften Jahrestags meines Amtsantritts als Bischof von Rom und meines 25jährigen Bischofsjubiläums übersandt haben. Ihre Ausführungen über die Rolle des Bischofs im Leben der Kirche heben ein wesentliches 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Element der Struktur der von Christus gewollten Kirche im Hinblick auf ihre Einheit hervor. In der katholischen Kirche hat das Zweite Vatikanische Konzil aufs neue seine Bedeutung mit aller Klarheit und mit Nachdruck betont. Tatsächlich haben ja unsere Kirchen gemeinsam „wahre Sakramente, vor allem aber in der Kraft der apostolischen Sukzession das Priestertum und die Eucharistie“. So bleiben unsere Kirchen trotz der Wechselfälle der Geschichte und der Hindernisse, die sich in der Vergangenheit zwischen ihnen aufgetan haben, durch sehr tiefe Bande verbunden (vgl. Unitatis redintegra-tio, Nr. 15). Weder die Verschiedenheiten bei der liturgischen Feier dieser Sakramente noch die Verschiedenheit der kirchenrechtlichen Vorschriften, die ihre Verwaltung regeln, stellen diese grundlegende Identität in Frage. Durch den Beistand des Heiligen Geistes hat die apostolische Sukzession der Bischöfe die Aufgabe, die christliche Gemeinde in der Treue zur Wahrheit des Evangeliums zu bewahren, die von den Aposteln verkündet und ohne Unterbrechung an unsere Zeit weitergegeben wurde. Jede Feier eines Apostelfestes lenkt unsere Aufmerksamkeit aufs neue auf diese Dimension des Geheimnisses der Kirche und ihre Sendung, die zu allen Zeiten darin besteht, das Evangelium vom Heil allen Völkern zu verkünden, sie das zu lehren, was der Herr ihnen anvertraut hat, und sie im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit zu taufen (vgl. Mt 28, 19-20), wodurch sie auf sakramentale Weise in den einen Leib Christi eingegliedert werden. Diese Sendung wird nur dann vollkommen erfüllt werden können, wenn unsere Kirchen durch ihre Einheit ermöglichen, daß die Botschaft des Evangeliums volle Glaubwürdigkeit besitzt. Darum freuen wir uns wirklich, daß der theologische Dialog zwischen der katholischen Kirche und allen orthodoxen Kirchen Fortschritte macht, wenn auch langsam, so doch sicher und im Bestreben, bei jedem Schritt solide Grundlagen zu garantieren. Ich möchte die sich mir heute bietende Gelegenheit wahrnehmen, erneut zu versichern, daß die katholische Kirche bereit ist, alles ihr Mögliche zu tun, um diesen Fortschritt zu erleichtern, wozu sowohl das Studium wie das Gebet beitragen sollen. Mögen die hll. Petrus und Andreas, Apostelbrüder und Märtyrer für den Glauben an unseren einzigen Erlöser Jesus Christus, sich durch ihre Fürbitte beim Herrn dafür einsetzen, daß er allen die Erleuchtung und die Kraft schenke, seinen Willen zu tun. Mit diesen Gefühlen der Freude, der Gemeinschaft und der Hoffnung 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN versichere ich Eure Heiligkeit meiner tiefen brüderlichen Liebe in Jesus Christus. Aus dem Vatikan, am 22. November 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. Dialog mit den Religionen Brief an die Versammlung der asiatischen Laien in Hongkong vom 24. November An meinen ehrwürdigen Bruder Kardinal Opüio Rossi, Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien Ich bitte Sie, allen meine herzlichen Grüße zu übermitteln, die zur Tagung über „Die Rolle des Laien im Leben und Sendung der Kirche der asiatischen Gesellschaft“ in Hongkong versammelt sind. Es ist dies bereits die vierte kontinentale vom Päpstlichen Rat für die Laien angeregte Tagung, und alle Teilnehmer sollten wissen, daß ich mit Liebe und Hoffnung auf sie schaue. Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Worte in Erinnerung rufen, die ich bei meinem ersten Besuch dort an die Mitglieder der Kirche in Asien richtete, denn sie gelten unmittelbar auch euch: „Die Kirche war von ihren Anfängen an in Asien präsent, und ihr seid die Nachfahren der ersten Christen, die in Asien die Botschaft des Evangeliums von der Liebe und Dienstbereitschaft verbreitet haben. In vielen Teilen des Kontinents seid ihr klein an Zahl, doch hat die Kirche in jedem Land Wurzeln gefaßt. In den Gliedern seiner Kirche — in euch selbst — ist Christus in Asien gegenwärtig“ (Botschaft an alle Völker Asiens vom 21. Februar 1981 in Manila, 12). In euch und durch euch geht die von Christus seiner Kirche anvertraute Sendung weiter, und eure Tagung wird mit ihrer besonderen Behandlung der Berufung des Laien einen sehr bedeutsamen Beitrag zur Vertiefung und Förderung der Aufgabe leisten, Asien zu evangelisieren. Die Natur der Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen in Christus ist wunderbar in der Konstitution des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche dargestellt. Dieses Dokument spricht vom Hl. Geist als von dem „Urgrund der Vereinigung und Einheit in der Lehre der Apostel und in 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet“ {Lumen gentium, 13). Diese Einheit der Kirche stellt eure Tagung in Hongkong sehr beredt dar. Bei eurem Nachdenken über Leben und Sendung der Kirche faßt ihr besonders die Berufung des Laien ins Auge. Dieser muß sich der Erhabenheit seiner Berufung bewußt sein, ein wesentlicher Teil der Gemeinschaft der Kirche zu sein und lebendig mit Christus verbunden: Er muß sich den Aufruf zu eigen machen, den Leo der Große vor vielen Jahrhunderten erhob: „Christ, erkenne deine Würde.“ Die Teilhabe der Laien an der Sendung der Kirche kommt auf vielfache Weise zum Ausdruck. In Einheit mit ihren Hirten und unter deren Leitung fördert die Laienschaft Wachstum und Leben der Gemeinschaft der Kirche, indem sie zahlreiche Dienste und Apostolatsaufgaben übernimmt, je nach den Gnaden und Charismen, die der Herr schenkt. Unter diesen Aufgaben nimmt die Familie einen besonders wichtigen Platz ein. Nach den Worten Paul VI. „soll die Familie wie die Kirche ein Raum sein, wo das Evangelium ins Leben übersetzt wird und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet. Im Schoß einer Familie, die sich dieser Sendung bewußt ist, verkünden alle Familienmitglieder das Evangelium, und es wird ihnen verkündet“ {Evangelii nuntiandi, 71). Ich möchte die Eltern ferner daran erinnern, daß die Familie sowohl die erste Schule des christlichen Lebens ist, wo die Liebe zu Christus und seiner Kirche gepflegt wird, als auch die Pflanzstätte, wo Priester- und Ordensberufe die notwendigen Wachstumsbedingungen vorfinden. Ich bitte die Eltern herzlich, solche Berufungen zu ermutigen und um Gottes Gnade zu bitten, um ihnen zu helfen und Führung bieten zu können. Ferner möchte ich eure Aufmerksamkeit auf das Apostolat der christlichen Arbeiter richten. Vor allem auf diesem Gebiet muß die Lehre der Kirche besser bekanntgemacht werden. Meine eigenen Sorgen und Gedanken dazu habe ich in meiner Enzyklika Laborem exercens dargelegt. Ich bin auch sicher, daß die Themen Gerechtigkeit und Frieden bei euren Überlegungen zur Aufgabe der christlichen Laienschaft bei der Evangelisierung der Gesellschaft Asiens eine zentrale Rolle spielen werden. Der besondere Beitrag, den Männer und Frauen als Laien bei der Evangelisierung der Kultur leisten sollen, gewinnt auf eurem großen Kontinent eine spezielle Bedeutung. Finden wir doch in Asien einige der ältesten Kulturen der Welt, und da Christus und seine Kirche keinem Volk, keiner Nation oder Kultur fremd sein können, muß die Laienschaft die Wurzeln der Kirche weiter tief in den geistigen und kulturellen Boden ihrer jeweiligen Länder einsenken, sich alle echten Werte aneignen und 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zugleich bereichern mit den von Jesus Christus empfangenen Gedanken, der „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ der ganzen Menschheit ist (vgl. Joh 14, 6). In Asien, wo altehrwürdige Religionen einen gewichtigen Beitrag zur Kultur so vieler Länder geleistet haben und weiter leisten, empfindet die Kirche ein tiefes Bedürfnis, mit all diesen Religionen in Kontakt und Dialog zu kommen. Da ihr versammelt seid, um die Rolle der Laienschaft in Asien bei der Evangelisierung zu besprechen, möchte ich wiederholen, was ich vor etwa zwei Jahren in Manila gesagt habe: „Alle Christen müssen sich daher zum Dialog mit den Anhängern aller Religionen verpflichtet fühlen, so daß gegenseitiges Verstehen und Zusammenarbeit ständig zunehmen, die ethischen Werte gefestigt werden und die ganze Schöpfung Gott preist ... So müssen sich Katholiken und Christen anderer Kirchen auf der Suche nach voller Einheit zusammenfinden, damit Christus in der Liebe seiner Jünger immer klarer offenbar werde“ (Botschaft vom 21. Februar 1981, 5). Im Lichte dessen, was ich zur Berufung der Laienschaft in Leben und Sendung der Kirche gesagt habe, möchte ich zu Beginn eurer Diskussionen einen Punkt besonders hervorheben. Soll all dies Wirklichkeit werden, muß notwendig eine entsprechende Ausbildung der Laien in jeder Ortskirche pastorale Priorität bekommen. Ihr werdet im Verlauf eurer Tagung Gedanken und Erfahrungen zu diesem Punkt austauschen. Laßt mich nur dieses eine sagen: Bevor ich durch Gottes Vorsehung auf den Sitz des Petrus berufen wurde, war ich als Erzbischof von Krakau auch mit der Arbeit des Laienrates befaßt, dem Vorgänger des jetzigen Päpstlichen Rates für die Laien. Ich kam wenigstens einmal im Jahr zu Tagungen dieses Rates nach Rom. Damals war ich überzeugt, und bin es weiter, daß die geistliche, moralische und theologische Formung von Männern und Frauen aus dem Laienstand eine der dringendsten Prioritäten der Kirche darstellt, wenn wir die Lehre des II. Vatikanischen Konzils voll in die Tat umsetzen wollen. Diese Formung wird nicht eines Tages abgeschlossen und vollendet sein. Formung ist ein anderes Wort für Wachstum und Vertiefung in jener Jüngerschaft Christi, die Kennzeichen jedes Glieds der Kirche ist. Sie geht weiter bis zu unserem Todestag und schließt auch diesen ein. Wenn ich an alle Teilnehmer dieser Tagung denke, dann auch an alle Länder Asiens. Ich empfehle sie alle unserem Vater im Himmel. Mein Gedenken gilt besonders denen, die wegen des Zeugnisses für ihren Glauben leiden, den Kranken sowie den Opfern von Gewalt und Krieg. Ich bete, daß der Trost und Friede Gottes mit ihnen sei. Durch die Liebe, 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die die Christen in Asien ihnen erweisen, mögen sie die Liebe Christi kennenlernen. Das führt mich zu einem letzten Gedanken. Jeder Mann und jede Frau aus dem Laienstand muß in Kirche und Gesellschaft Zeuge werden für die Liebe Gottes, die uns in Jesus Christus geoffenbart und durch seinen Geist in unsere Herzen ausgegossen wurde. Da eure Tagung in Hongkong stattfindet, empfehle ich euch und alle Teilnehmer der Fürbitte der seligen Jungfrau Maria, der Mutter der Kirche; der Fürbitte des hl. Franz Xaver, des großen Apostels Asiens, dessen Andenken ja bei eurem Treffen begangen wird; der Fürbitte aller Märtyrer und Heiligen Asiens und gewiß auch der ganzen Kirche. Ich bete, daß diese Tagung zu einer Quelle reichen Segens für die Kirche auf dem ganzen asiatischen Kontinent wird. Auf euch und alle Anwesenden rufe ich die Gnade und den Frieden unseres Herrn Jesus Christus herab und erteile euch in tiefer Verbundenheit meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 24. November 1983 JOHANNES PAUL II. Europa muß seinen Beitrag leisten Ansprache an die Parlamentspräsidenten der Europäischen Gemeinschaft am 26. November 1983 Meine Herren Präsidenten! Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Die Konferenz der Parlamentspräsidenten der Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft und des Europaparlaments ist eine noch junge Einrichtung, und diese zweite, nach jener in Luxemburg, nun in Rom abgehaltene Tagung hat Ihnen Gelegenheit gegeben, auch in den Vatikan zu kommen. Es hat mich beeindruckt, daß Sie von sich aus den Wunsch nach dieser Audienz ausgesprochen haben, und ich danke Ihnen für Ihren Besuch und die edlen Worte, die Präsident Cossiga in Ihrer aller Namen soeben vor uns gesprochen hat. Im Rahmen der wesentlich geistlichen Rolle des Hl. Stuhls ist es nicht meine Sache, technische Möglichkeiten einer Entwicklung der Zusammenarbeit zwischen dem Europa-Parlament und den nationalen Parlamenten zu behandeln, die das Thema Ihrer Tagung bildete. Doch an der 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN guten Ausübung der gesetzgebenden Gewalt in jedem Ihrer Länder und an der klug gehandhabten Entwicklung der Einheit Europas oder zumindest, soweit es Sie betrifft, der Gemeinschaft, hat der Hl. Stuhl lebhaftes Interesse, weil es um den richtigen Weg des sozialen Lebens, um den Fortschritt der Gerechtigkeit und der Solidarität unter den Menschen dieses Kontinents und somit um ihren eigenen moralischen Fortschritt und ihren Beitrag zum übrigen Europa und zur Weltgemeinschaft geht. Die Kirche ist weit davon entfernt, der ausgewogenen Entwicklung politischer Einrichtungen fremd gegenüberzustehen; der Hl. Stuhl ist überdies bei jedem Ihrer Länder und bei den Europäischen Gemeinschaften durch einen Apostolischen Nuntius vertreten. 2. Ich bringe zunächst Wünsche für Sie als Präsidenten und Generalsekretäre der nationalen Parlamente der zehn hier vertretenen Länder zum Ausdruck. Bis auf die sich aus ihrer Geschichte herleitenden Verschiedenheiten verfügen diese Länder im allgemeinen über zwei Kammern, die vom souveränen Volk dazu beauftragt wurden, die gesetzgebende Gewalt auszuüben, indem sie sich gegenseitig ergänzen und kontrollieren, damit das gemeinsame Wohl aller Ihrer Landsleute durch die Gesetze mit einem Höchstmaß an Weisheit, Klugheit und Zuverlässigkeit gewährleistet wird. Wie ich kürzlich zu europäischen Parlamentariern sagte, stellt eine solche Demokratie, richtig verstanden, mit ausreichend starker öffentlicher Autorität eine große Chance dar im Vergleich zu den Regimen, die sich auf die Gewalt, auf die Diktatur oder auf die Privilegien einer allmächtigen Oligarchie gründen. Ja, in diesem Sinne muß die wahre Demokratie beharrlich verteidigt werden. Und Sie, die Sie persönlich die Arbeit der parlamentarischen Versammlungen leiten mit der dafür vorausgesetzten Respektierung des Gesetzes und der Institutionen, mit Unparteilichkeit gegenüber den verschiedenen politischen Gruppen, mit der respektvollen Aufnahme der Personen, die dazu berufen sind, vor dem Parlament zu sprechen, kurz, mit Gerechtigkeit und Autorität, Sie erfüllen eine verdienstvolle Aufgabe, einen qualifizierten Dienst Ihrer Nationen, für den ich Ihnen meine Anerkennung, meine Wünsche und meine Ermutigung ausspreche. 3. Aber das Problem besteht von nun an darin, die Aufgabe der Gesetzgebung und die Vollmacht Ihrer nationalen Parlamente einerseits und die Aktivität des Europa-Parlaments andererseites einander zuzuordnen. Ich würde beinahe sagen, Sie befinden sich noch in einer Art Anlaufzeit. Einer aus mehreren Gründen schwierigen Phase! Denn auf rechtlicher 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebene besitzt das Europäische Parlament, obwohl es in allgemeiner Wahl gewählt wird und daraus seine Macht erhält, nur eine begrenzte Machtbefugnis, die sich nach den Entscheidungen der Mitgliedsstaaten richten muß. Auf alle Fälle hat jede dieser europäischen Nationen nicht nur besondere Interessen, sondern eine lange und reiche persönliche Geschichte, ein eigenes Erbe, das nicht nivelliert werden soll, vielmehr zu respektieren und zu koordinieren ist. Und dennoch verlangen der Fortschritt der Europäischen Gemeinschaft, ihre Einheit und ihre Kraft, daß dem Europa-Parlament schrittweise und nach vernünftigen Gesichtspunkten wirksame Befugnisse übertragen oder zugeteilt werden, damit dieses seine Rolle im Dienst aller erfülle und das gemeinsame Wohl der Mitgliedsländer sicherstelle. Eine solche Gliederung erfordert Anpassungsfähigkeit und Klugheit, um die Achtung der örtlichen Instanzen mit dem Willen zu verbinden, einen Einklang auf höherer Ebene zu erreichen. Diese schwierige Koordinierung versuchen Sie zu verwirklichen oder vorzubereiten; in den Augen der Geschichte wird es Ihr Verdienst sein, dieses schwierige Werk mit der größtmöglichen Ausgewogenheit durchzuführen. 4. Mehr als beim Funktionieren Ihrer Institutionen will ich kurz noch bei dem verweilen, was den Gegenstand von deren Aktivität bildet. Die gemeinsamen Maßnahmen, die auf der Ebene der Gemeinschaft getroffen werden, beziehen sich selbstverständlich auf die Wirtschaft, den Handelsverkehr, die Produktion in Landwirtschaft, Bergbau und Industrie, die regionalen Gegebenheiten und die kulturellen Leistungen. Sie betreffen auch das soziale Leben der einheimischen Arbeiter und der Gastarbeiter, der Familie, die Erziehung und damit die Voraussetzung des sittlichen Lebens. Sie stoßen heute praktisch von einem Land zum anderen auf ähnliche Probleme, zum Beispiel, was die Jugend betrifft. Bei den freien Debatten, den Diskussionen oder den Abstimmungen über diese wichtigen Fragen handelt es sich nicht nur darum, die Gewohnheiten oder Meinungen Ihrer Wähler wiederzugeben, noch weniger, willkürlich darüber zu entscheiden, und schon gar nicht darum, gezwungenerweise und fortdauernd der Linie einer Partei zu folgen, sondern sich, wenn ich so sagen darf, darauf zu berufen, daß Sie sich Werten unterwerfen, auf die sich das Leben in der Gesellschaft und sein echter Fortschritt gründen, daß Sie aufgrund gut begründeter ethischer Überzeugungen und eines ausgeprägten Verantwortungsbewußtseins sozusagen für sämtliche Folgen Ihrer Entscheidungen im Gewissen das wahre Gute suchen. Es geht 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN letzten Endes darum zu erkennen, wie die Gesellschaft beschaffen sein soll, die man fördern will. Das Europa, das Sie vertreten, entspricht Ländern mit einer langen christlichen Tradition; man könnte geradezu sagen, daß größtenteils ihre nationale Geschichte bisher fast mit der christlichen Geschichte verschmolzen war. Sollte man nicht wünschen, daß Europa hier auf allen Ebenen einschließlich jener der Demokratie, von der ich soeben sprach, ein eigenes, ursprüngliches Zeugnis gibt? Die Demokratie strebt niemals eine alles nivellierende Gleichstellung an, sondern ihr Ziel ist die Achtung der Personen, ihrer Grundrechte, ihrer Freiheit, wobei der vorrangigen Rolle der Familie und vermittelnder Körperschaften besondere Aufmerksamkeit gewidmet und ebenso dafür gesorgt wird, von Sonderinteressen abzusehen, wenn das Gemeinwohl auf dem Spiel steht. Unter diesem Gesichtspunkt kann man von einer parlamentarischen Ethik sprechen. 5. Ich habe soeben das Gemeinwohl erwähnt: das Gemeinwohl Ihrer Länder und Europas, ja, aber auch das der internationalen Gemeinschaft. Diese erwartet von der Europäischen Gemeinschaft ein Zeugnis der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit, einen echten und wirksamen Beitrag zur Beendigung der Kriege, die im Gang sind, zur Suche nach geeigneten Lösungen auf dem Verhandlungsweg, zur Ausschließung der Gewalt, des Terrorismus, der Folter und, mehr noch, würde ich sagen, von Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren, wie sie selbst von legitimen Regierungen durchgeführt werden, zur schrittweisen und kontrollierten Abrüstung, zur Verbesserung der Wege des Austausches zwischen reichen und armen Ländern, zur tatsächlichen Hilfe, um den Hunger zu beheben und die Entwicklung der Völker, ausgehend von ihren eigenen Versorgungsquellen, voranzubringen. Europa kann trotz der Zuspitzung seiner eigenen Probleme und Schwächen diesen Beitrag leisten. Und es muß das tun. Denn es verfügt noch immer über sehr viele Mittel, und seine Söhne und Töchter haben so viele Möglichkeiten gehabt, das kennenzulernen, was gerecht und gut ist, ihren Geist und ihr Herz zu bilden, den Preis des Lebens und der Freiheit zu kennen, aus den Quellen der Liebe zu schöpfen, die das Christentum ihnen offenbart hat! Ja, die Nationen der Welt erwarten mit Recht von Europa eine besondere Hilfe. Ich bete zu Gott, daß er Sie inspiriere und Ihnen bei Ihrer erhabenen Aufgabe beistehe. Und ich empfehle ihm Ihre Zukunft, die Ihrer Familien, Ihrer Heimatländer und die Zukunft Europas, ganz Europas. 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Voll Freude dem Herrn entgegengehen Aus der Predigt in der römischen Pfarrkirche San Filippo Neri am Sonntag, 27. November 1. „Bedenkt die gegenwärtige Zeit: Die Stunde ist gekommen, aufzustehen vom Schlaf“ (Röm 13, 11). Mit diesen Worten, liebe Brüder und Schwestern, wendet sich die heutige Liturgie an jeden von uns mit der Einladung, den Aufruf zu hören, der zu Beginn des Advents an uns ergeht. Vom Schlaf aufstehen heißt, das Herz jener göttlichen Wirklichkeit öffnen, die sich mit der menschlichen Zeit verbunden hat. Darum wird gesagt: „Das Heil ist uns näher.“ Der Advent ist gleichsam eine erste Dimension dieser Verbindung der göttlichen Wirklichkeit mit der menschlichen Zeit. Diese Verbindung spiegelt sich im liturgischen Jahr wider: Der erste Adventssonntag ist zugleich der Beginn des neuen Kirchenjahres. 2. Gleichzeitig ist es der Advent im Heiligen Jahr der Erlösung. Das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung hat einen spezifisch „adventlichen“ Charakter: Es bereitet auf das dritte Jahrtausend nach Christi Geburt vor. Daraus ergibt sich die besondere Bedeutung des Advents in diesem Jahr, das jene Haltung der Kirche zum Ausdruck bringen soll, von der ich bereits in der Ankündigungsbulle Aperite portas (Nr. 7) gesprochen habe: „An der Schwelle zu ihrem dritten Jahrtausend fühlt sich die Kirche zu besonderer Treue gegenüber den göttlichen Gaben verpflichtet, die in der Erlösungstat Christi ihre Quellen haben und durch die sie der Heilige Geist zur Entfaltung und Erneuerung führt, damit sie immer mehr die ihres Herrn würdige Braut werde. So vertraut sie auf den Heiligen Geist und möchte sich seinem geheimnisvollen Wirken verbinden als die Braut, die nach dem Kommen Christi ruft“ (vgl. Offb 22, 17). Der besondere „adventliche“ Charakter, der diesem Heiligen Jahr eigen ist, muß von der Kirche „mit der gleichen Gesinnung gelebt werden, mit welcher die Jungfrau Maria die Geburt des Herrn in der Schwachheit unserer Menschennatur erwartet hat. Wie Maria bei der Morgenröte der Erlösung der Kirche in Glaube und Liebe voranging, so gehe sie ihr heute voran, da diese mit dem Jubiläumsjahr den Weg ins nächste Jahrtausend der Erlösung beginnt“ (Apertite portas redemptori, Nr. 9). 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. „Des gegenwärtigen Augenblicks bewußt“ heißt: „Voll Freude gehen wir dem Herrn entgegen!“ Der Advent ist die freudige Aussicht darauf, „zum Haus des Herrn zu pilgern“ (vgl. Ps 121, 1): sich der großen „Pilgerfahrt anzuschließen, die das irdische Leben sein soll. Der Mensch ist dazu berufen, im „Haus des Herrn“ zu wohnen. Dort ist sein wahres „Haus“. Die Wallfahrt des Heiligen Jahres ist ein Symbol unseres Weges zum Haus des Vaters, und der Advent spornt uns dazu an, diesen Weg hoffnungsvoll zu beschleunigen. Der Advent ist die Erwartung des „Tages des Herrn“, das heißt der „Stunde der Wahrheit“. Er ist die Erwartung jenes Tages, an dem „er Recht sprechen wird im Streit der Völker, viele Nationen in die Schranken weisen wird“ (vgl. Jes 2, 4). Diese Fülle der Wahrheit wird Prinzip und Fundament des endgültigen und weltweiten Friedens sein, der der Gegenstand der Hoffnung aller Menschen guten Willens ist. Der Advent ist die Bestätigung des ewigen Weges des Menschen zu Gott hin; er ist jedes Jahr ein Neubeginn dieses Weges: Das Leben des Menschen ist nicht eine unbenützbare Straße, sondern ein Weg, der zur Begegnung mit dem Herrn führt! In der Anrufung des ersten Adventssonntags haben wir gleichsam eine Vorankündigung der Wege, die in der Nacht von Betlehem die Hirten und die Magier aus dem Morgenland zum neugeborenen Jesus führten. 4. „Des gegenwärtigen Augenblicks bewußt“ heißt: „Legt (als neues Gewand) den Herrn Jesus an“ (Rom 13, 14). - Der Weg des Advents führt in das Innere des Menschen, das in verschiedener Weise von der Sünde belastet ist, wie die zweite Lesung bezeugt. - Die Begegnung, von der oben die Rede ist, erfolgt nicht nur „von außen“, sondern auch „von innen“ und besteht in einer solchen Umwandlung des Inneren des Menschen, daß dieses der Heiligkeit dessen entspricht, dem der Mensch begegnet: Auf diese Weise geschieht die Begegnung im „Anlegen des Herrn Jesus als neues Gewand“. - Der geschichtliche Sinn des Advents wird durchdrungen vom geistlichen Sinn. Denn der Advent will ja nicht nur Erinnerung an den geschichtlichen Zeitabschnitt sein, der der Geburt des Erlösers vorausgegangen ist, auch wenn diese, so verstanden, bereits in sich eine sehr hohe geistliche Bedeutung besitzt. Darüber hinaus und tiefer will uns der Advent jedoch daran erinnern, daß die gesamte Geschichte des Menschen und eines jeden von uns als großer Advent zu verstehen ist, als ständige 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erwartung der Ankunft des Herrn, damit er uns bereit und wachsam findet, um ihn in würdiger Weise empfangen zu können. 5. „Des gegenwärtigen Augenblicks bewußt“ bedeutet: „Seid wachsam! Denn ihr wißt nicht, an welchem Tag euer Herr kommt“ (Mt 24, 42). - Die Verbindung Gottes, der göttlichen Wirklichkeit, mit der menschlichen Zeit bestätigt einerseits aufs neue die Begrenztheit dieser Zeit, die ein Ende hat; und anderseits öffnet sie diese Zeit für die Ewigkeit Gottes und die mit ihr verbundenen „letzten Dinge“. - Der Advent hat eine eschatologische Bedeutung, insofern er unser Denken und unser Planen auf die künftige Wirklichkeit hinlenkt. Er erinnert uns an das letzte Ziel unseres Weges und bewegt uns, uns in der irdischen Wirklichkeit zu engagieren, ohne uns von ihr erdrücken zu lassen, sondern, im Gegenteil, die irdische Wirklichkeit zur himmlischen hinzuführen. Er mahnt uns, uns gut auf diese letzte Wirklichkeit vorzubereiten, damit uns das Kommen des Herrn nicht unvorbereitet oder schlecht vorbereitet antrifft. - „Wachet!“ Der Geist des für die göttliche Wirklichkeit „wachen“ Menschen, der eben dadurch zu seiner ewigen Bestimmung in Gott geführt wird, muß die ganze irdische Zeit mit einem neuen Bewußtsein erfüllen. Die Klangfarbe einer Stimme Ansprache an die Vertreter der katholischen Wochenzeitungen Italiens am 2. Dezember 1. Die Begegnung mit Vertretern der Welt des Journalismus ist für mich immer Grund zu tiefer Freude. Das gilt ganz besonders für die heutige Begegnung mit Ihnen, liebe Direktoren, Geschäftsführer und Redakteure der katholischen Wochenzeitungen Italiens, die Sie zu Ihrer siebenten nationalen Vollversammlung in Rom zusammengekommen sind. Ich danke dem Präsidenten der Vereinigung herzlich für die freundlichen Worte, mit denen er sich zum Sprecher Ihrer Gedanken und Empfindungen gemacht hat, und bin ihm besonders dafür dankbar, daß er auf die Ideale und leitenden Prinzipien hingewiesen hat, aus denen Sie schöpfen 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und — worauf es noch mehr ankommt — denen Sie in Ihrem so umfassenden und verdienstvollen Sendungsauftrag treu zu bleiben trachten. Ich spreche Ihnen meine tiefe Genugtuung aus, in die ich auch mit herzlichem Gedenken Ihre ganze Leserfamilie einschließen möchte, die Empfänger und Förderer der katholischen Wochenzeitungen: eine große Familie, die über die verschiedenen Diözesen verstreut, die ganze Halbinsel von den Alpen bis Sizilien umfaßt. 2. Ich weiß sehr wohl, meine lieben Freunde, daß im modernen Journalismus das besondere Charakteristikum der katholischen Wochenzeitung viele Probleme mit sich bringt und auf ernste Schwierigkeiten stößt. Aber ich weiß ebenso, daß diese Probleme und Schwierigkeiten dank des guten Willens, des Einsatzes und des Mutes derer, die sich dieser Aufgabe widmen, nicht die vielfältige und unersetzliche Rolle der katholischen Wochenpresse zu schmälern oder herabzusetzen vermögen. Aufgrund ihrer besonderen Eigenart ist die Wochenzeitung nicht unbedingt dazu aufgerufen, neueste aktuelle Information zu bieten - das ist das kennzeichnende Element der Tagespresse —, sondern eine vernünftige Zusammenfassung der Ereignisse und deren wohlüberlegte Beurteilung zu geben. Diese besondere Zielsetzung setzt eine vorhergehende Überprüfung der Nachrichten voraus, die sachlich, klar und kritisch mit dem Ziel vorgenommen wird, diese angemessen zu bewerten, die die wichtigsten Ereignisse des Lebensablaufes wiedergeben und es verdienen, durch entsprechende Kommentare erläutert zu werden. Die Redaktion einer Wochenzeitung erfordert darum tägliche Hingabe, Bereitschaft, Opfer, Aufmerksamkeit und Ernst; mit einem Wort, alle jene Eigenschaften, die den schweren und großartigen Beruf des Journalisten kennzeichnen, der sich immer seiner Verantwortung bewußt sein soll. Es ist jedoch ermutigend, festzustellen, daß dieses periodische, d. h. wöchentliche Erscheinen der Zeitungen es gestattet, besser die Bildungsfunktion zu erfüllen, also eine der Zielsetzungen, die die Tätigkeit des Schriftstellers in herausragender Weise adeln. Wenn Berichte, Reportagen, Kommentare in diesem Licht konzipiert und mit der Klarheit und Lebendigkeit geschrieben werden, die Sie als Journalisten meisterhaft beherrschen, wenn sie die tiefsten Gedanken in allen verständlicher Form bringen, prägen sie sich allmählich dem Geist ein, regen zum Nachdenken an, fordern zum Lernen auf. Während die Wochenzeitungen, wenn nötig, als Ausgleich für entstellte Nachrichten und für beabsichtigtes Schweigen dienen, besitzen sie das Privileg, entscheidend zu jenem besonnenen Nachdenken und zu jenem inneren 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Reifen beitragen zu können, die die „Kultur des Denkens“ bilden, die die moderne Gesellschaft, gerade weil sie den Gefahren der Zerstreuung und Oberflächlichkeit ausgesetzt ist, unendlich nötig hat. 3. Die ausdrückliche Bezeichnung „katholisch“ bereichert und erhebt Ihre Mission in unvergleichlicher Weise. Wie die Wochenzeitung katholisch ist, so ist es der Verfasser: und eben dieser Titel macht Ihre Arbeit zu einem echten und besonderen Apostolat und, ich würde sagen, zu einer hochherzigen priesterlichen Mission. Ich sehe mit Freude, daß einige von Ihnen Priester sind. Ihre Anwesenheit, liebe Mitbrüder, ruft mir eine Stelle aus dem Konzilsdekret Presbytern rum ordinis in Erinnerung, nach welcher „in Zeitschriften eindrücklich die Erfordernisse der Orts- und Gesamtkirche dargelegt werden müssen“ (Nr. 11). Wie auch immer, in diesem Ideenkreis, in der Sicht des Dienstes an der Kirche, besitzt die Verknüpfung von Journalismus und Priestertum auch für Sie Gültigkeit, liebe Brüder im Laienstand. Das Bewußtsein, ein „priesterliches“ Werk zu vollbringen, hebt die Größe Ihres Berufes hervor, der, wenn er in klarer Übereinstimmung mit dem sakramentalen Charakter des Christlichen ausgeübt wird, einer echten Berufung entspricht. Die katholischen Wochenzeitungen sind in der Tat ein kostbares Instrument, um im Volk Gottes ständig den „sensus Ecclesiae“ zu nähren: Ich meine den Sinn für die Ortskirche, deren unmittelbarer Ausdruck und deren Ausstrahlung sie sind, wie nicht selten aus dem - bescheidenen und ruhmreichen - Namen auf ihrem Zeitungskopf hervorgeht; ich meine den Sinn für die Gesamtkirche, die die Authentizität der höchsten Werte des Glaubens und der Moral für die einzelnen Teilkirchen gewährleistet. Darüber hinaus sind Ihre Wochenzeitungen natürliche und nicht minder wertvolle Mittel für die Verbundenheit der christlichen Gemeinden mit der Universalkirche, sichergestellt vom Charisma des Petrus. So gesehen, kann die Gestaltung der Wochenzeitung, wenn sie mit der Intelligenz und Gewandtheit wahrgenommen wird, die den Medienleuten eigen sind, eine systematische und gründliche Evangelisierungstätigkeit entfalten, die dann, geschickt in die Seelsorgsprogramme der Diözesen wie in den sozio-kulturellen Zusammenhang der jeweiligen Bereiche eingegliedert, in den Gesamtrahmen des Lebens der Kirche paßt. Noch viele andere Aufgaben obliegen der katholischen Wochenzeitung, die ein aufmerksames und hebevolles Echo der Wirklichkeit sein soll, von der sie ausgeht und an die sie sich wendet. Diese Aufgaben erweisen sich 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um so schwieriger, je knapper die finanziellen und technischen Mittel sind. Diese „Bescheidenheit“ freilich stellt den Wert der Freiwilligkeit heraus, der gewissermaßen einen Reichtum ersten Ranges darstellt und der die Klangfarbe einer Stimme, die auch in ihrer materiellen Armut freundschaftlich-vertraut ist, noch willkommener macht. Eine ständige Erfahrung beweist, daß der Mangel an Mitteln häufig mit größerem Enthusiasmus, mit energischem Ernst und mit der Freiheit von bedrückenden Vorbehalten und Beschränkungen gekoppelt ist: Wesensmerkmale, die auf jeden Fall sorgfältig verteidigt werden müssen, damit die katholische Presse in der Lage ist, in verantwortlicher Weise ihren Dienst zu entfalten. 4. Eine Aufgabe, die Ihnen heute besonders am Herzen liegen muß, ist die Förderung und Wahrung der sittlichen Werte. Denn in dem heute herrschenden Klima des Permissivismus, der nicht selten gerade auch von den Organen der Publizistik zu äußersten Auswüchsen geführt wird, nimmt diese Funktion sittlicher Ordnung eine sehr, sehr hohe Bedeutung an, die allein schon ausreichen würde, die Präsenz der katholischen Presse zu begründen. Es ist heute notwendiger als in der Vergangenheit, mit dem Mut und der Kraft, die der Truppe der Journalisten eigen und unerläßlich sind, um gegen den Strom zu schwimmen und die Versuchung demagogischer Verlockungen zu überwinden, für die Tugend und das Gute zu kämpfen, sie hochzuhalten und zu verteidigen; unermüdlich darauf hinzuweisen, daß sie mit der Wahrheit über den Menschen und mit der Art und Weise seines Lebens im Einklang stehen, daß hingegen der Verfall der Sitte und die Duldung des Lasters zu verschiedenen Formen schmerzlicher Versklavung führen. Ich kann abschließend gerade im Jubiläumsjahr der Versöhnung nicht verschweigen, daß die großen Themen im Zusammenhang mit diesem Ereignis Ihnen Stoff von größter Bedeutung und brennendem Interesse bieten. Denken Sie an Themen wie Buße, Versöhnung und Frieden. Wenn sie sachkundig und wirklichkeitsbezogen behandelt werden, können sie einen gültigen Beitrag zur ersehnten Neuerweckung der Sensibilität der Gewissen und zur Hebung des Niveaus der öffentlichen Moral leisten. Ich, liebe Brüder, vertraue darauf, daß die Stärkung der föderativen Bande, die Sie sich als Frucht Ihrer römischen Tagung vorgenommen haben, das Bemühen um die gemeinsamen Ideale stärke und festige und die Lebendigkeit und Lebenskraft jeder Ihrer, unserer katholischen Wochenzeitungen vermehre. 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit diesem herzlichen Wunsch rufe ich auf Sie persönlich, auf Ihre Mitarbeiter und auf ihre Arbeit reiche himmlische Gnaden herab, während ich Ihnen von Herzen als Ausdruck meiner Liebe und Ermutigung den Apostolischen Segen erteile, in den ich gern Ihre treue Leserfamilie einschließe. Drei „Zeichen der Zeit“ Ansprache an die Mitglieder der Internationalen Theologenkommission am 5. Dezember 1983 Lieber Brüder! 1. Ich empfange euch mit großer Freude. Jede Begegnung zwischen dem obersten Hirten und den Mitgliedern seiner Internationalen Theologenkommission ist Ursache neuen Eifers der Seelen und Geister wie auch des Fortschritts im Glauben und in der christlichen Liebe. Der Gedankenaustausch zwischen dem Lehramt und den Theologen - wobei mir vor allem die Begegnung mit euch als Mitgliedern der Internationalen Kommission sehr willkommen ist - ist für mich und für euch immer Anlaß, unseren Berufungen und Charismen besser gerecht zu werden, zur Ehre Gottes und dem Wohl des christlichen Volkes wie aller Menschen guten Willens dienend. 2. Wenn ich das heute vor euch bereitwillig zugebe, dann muß ich auch zweier Freunde gedenken, die wir nach eurem Kongreß 1981 verloren haben: des Kardinals Seper und des hochwürdigsten Herrn Rozycki. Kardinal Seper wurde mit der gütigen Hilfe meines Vorgängers Pauls VI. seligen Angedenkens sozusagen zum Gründer der Kommission. In der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils wollte er die Zusammenarbeit zwischen dem Apostolischen Stuhl, der neugeschaffenen Bischofssynode und, auf der anderen Seite, einem ausgesuchten Kreis von Theologen fördern. Ich möchte aber auch an meinen Freund und Lehrer Ignatius Rozycki erinnern, der sich in schwierigsten Zeiten für den Schutz der Theologischen Fakultät der Jagellonen-Universität Krakau einsetzte. Er bekannte ohne jedes Zögern den wahren Glauben und versuchte oft mit fast 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jugendlichem Eifer, Anstöße zu den schwierigsten theologischen Fragen zu geben. Der Eifer und der Glaube von Kardinal Seper und Dr. Rozycki sollten uns Vorbild und Anregung sein. 3. Die Internationale Theologenkommission hat in den vergangenen Jahren fleißig gearbeitet. Unter Federführung von Prof. Karl Lehmann, jetzt mein Bruder im Bischofsamt, hat sie ausgewählte Fragen der Christologie und Anthropologie als Reihe veröffentlicht. Im letzten Jahr habt ihr eine theologische und pastorale Relation über Buße und Versöhnung zum Gebrauch der Synodenväter erarbeitet. Diese beiden letzten Relationen können uns nicht veranlassen, die Arbeit früherer Jahre zu vergessen. Die Internationale Theologenkommission hat unter Ermutigung Papst Pauls VT. viele Schriften herausgegeben. Es ist gut, daß ihr die Arbeiten von zehn Jahren samt den päpstlichen Ansprachen zum Gebrauch der Leser in einem einzigen Band zusammenfassen wollt. So wird dem Leser eine Summe theologischer Fragen, die vor allem in der ersten Zeit nach dem Konzil erörtert wurden, zur Verfügung gestellt. Denn die Professoren der Theologie sollen, im christlichen und apostolischen Glauben fest verwurzelt, neue Fragen erforschen, neuere Bedürfnisse der Völker, die das Wohl der Seele und des Leibes berühren, in die Betrachtung einbeziehen und neue Synthesen über das Mysterium Christi, über das Wesen und die Sitten der Menschen erarbeiten. 4. Aber jetzt sollten wir besser über die Thematik eurer jetzigen Vollversammlung sprechen: die Rechte und die Würde der menschlichen Person. Wie ihr begriffen habt, ist es heute an der Zeit, eine gründlichere und offenere theologische Diskussion über die Würde der menschlichen Person in Gang zu bringen. Zu dieser Arbeit veranlassen euch verschiedene Notwendigkeiten und Erwartungen oder, wie man heute sagt, verschiedene Zeichen der Zeit. 5. Das erste Zeichen ist die außerordentliche Notwendigkeit eines aufmerksameren Studiums der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über diesen Gegenstand, vor allem der Pastoralkonstitution Gaudium et spes. Die Kirchengeschichte beweist uns: Die pastorale und erneuerungskräftige Wirkung der Lehren der einzelnen Konzilien läßt oft 20 bis 30 Jahre später nach. Neues hindert einige daran, innerlich gläubige Zuhörer zu sein. Anderseits täuschen extreme Reformatoren sich, denn sie verfechten mehr ihre eigenen Lehr- und Pastoralsätze als die authentische 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vom obersten Hirten und den Bischöfen, die mit ihm in Gemeinschaft stehen, veröffentlichte Lehre. In der kommenden Zeit werden so viel Konzilslehren, die es gibt, Gegenstand systematischen Studiums sein und in Impulse der Pastoraltheologie, des Lebens der Kirche und einer wahren Reform umgesetzt werden. Seit der Zeit, in der das Zweite Vatikanische Konzil eine ausgezeichnete Synthese der mit dem Schöpfer und Erlöser verbundenen Würde der menschlichen Person vorgelegt hat, sind schon 20 Jahre vergangen. Aber wir bedauern sehr, daß diese Lehre bis heute nicht voll in die Theologie aufgenommen wurde und daß sie schlecht angewandt wird. Es müßte Pflicht der Theologen unserer Zeit sein, diesem Weg zu folgen und auf ihm weiterzugehen, wobei sie die Gnaden Gottes und die Pflichten wie Rechte der Menschen richtig als wechselseitig miteinander verbunden beurteilen. 6. Hier erscheint das zweite Zeichen der Zeit: die Notwendigkeit einer theologischen Integration von der Person des Menschen her, d. h. ein wirklicher Schutz der Grundrechte, die sich aus seiner Würde ergeben. Der Papst hat in seinem Lehramt die Menschenrechte sowohl in Rom wie auf seinen Pastoraireisen stark betont. Ziel dieses Apostolats, zu dem die Professoren der Theologie ihren Beitrag leisten müssen, sind zwei Dinge. Zunächst wird eine echte evangelische Umkehr durch ein wachsendes Bewußtsein für die Erfordernisse der Gerechtigkeit verlangt und eine schärfere Erkenntnis der persönlichen Schuld und ihrer Konsequenzen im gesellschaftlichen Bereich. Sicher ist in den letzten Jahren das sittliche Empfinden für die Pflichten der individuellen, sozialen und internationalen Gerechtigkeit vertieft worden. Aber nicht selten betrachtet man diese Forderungen so, als gehe es nur um die anderen und nicht um einen selbst. Der heutige Mensch scheint den Sinn für die Sünde verloren zu haben und die Ursache der Übel nur in falschen Strukturen zu suchen. Die Theologen müssen hier durch exegetische, dogmatische, moraltheologische Studien ihren Beitrag zur apostolischen Verkündigung leisten. Notwendig ist auch, daß sie, mit Christus und Petrus, wieder den echten Sinn von Gerechtigkeit und Sünde verifizieren. Auf der anderen Seite ist es Pflicht der katholischen Kirche, bei den zivilen Behörden unablässig über „Justitia et Pax“ für die Wahrung der Gerechtigkeit und der Menschenrechte einzutreten. Diesen Behörden ist die legitime Sorge für das allgemeine und persönliche Wohl anvertraut. Deshalb können und müssen die Hierarchie, die Priester und Gläubigen ihnen „seelische Hilfe“ leisten. 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Das dritte Zeichen der Zeit ist: unermüdliches Studium, damit die Menschenrechte gewahrt und immer mehr gefördert werden, entsprechend der Erwartung der Völker. Dazu bemerkt die Pastoralkonstitution Gaudium et spes richtig: „Aus der immer engeren und allmählich die ganze Welt erfassenden gegenseitigen Abhängigkeit ergibt sich als Folge, daß das Gemeinwohl. . . heute mehr und mehr einen weltweiten Umfang annimmt und deshalb auch Rechte und Pflichten in sich begreift, die die ganze Menschheit betreffen“ (Nr. 26). Die Anerkennung dieser Rechte und Pflichten nimmt in den letzten Jahren immer mehr zu. Das Studium der Humanwissenschaften weckt das Bewußtsein einschlägiger Erfahrung und zeigt die Notwendigkeit, die Förderung aller Personen anzuerkennen und zu erfüllen. Dieser Einstellung, diesem allgemeinen Wunsch muß der Eifer der Kinder Gottes, was die geistige, sittliche und soziale Förderung der Würde, der Rechte und Pflichten der menschlichen Person betrifft, entsprechen. 8. Zur Bestätigung der unverzichtbaren Menschenrechte trägt also die theologische Reflexion über die Würde der menschlichen Person in der Heilsgeschichte erheblich bei. Die authentische christliche Anthropologie wurde in den letzten Jahren etwas vernachlässigt. Denn viele suchen anderswo nach der Lösung für das Geheimnis des Menschen. Aber die christliche Offenbarung kann notwendige Grundlagen zur Würde der menschlichen Person im Licht der Schöpfungsgeschichte und auf verschiedenen Stufen der Heilsgeschichte, nämlich des Sündenfalls und der Erlösung, beitragen. Gewiß werden die so erzählten göttlichen Handlungen in sozusagen tragischer Form vorgelegt. Aber es sind ewige Wahrheiten, die heute oft und zu sehr vergessen werden. Der humanistische Wille, den Menschen zu verherrlichen, der in sich richtig ist, will manchmal den göttlichen Ursprung des Menschen und seine göttliche Artung beiseite rücken. Es kann nicht geleugnet werden, daß es nach dem Konzil Versuche gegeben hat, den sogenannten Vertikalismus zu verdunkeln und einen falschen Horizontalismus zu propagieren. Mit dieser Begründung wird der Mensch seinen Kräften allein überlassen, ohne Vater, ohne Vorsehung, während der Tod Gottes und der „Tod des Vaters“ verkündet werden. 9. Aber der Mensch ist durch die Gnade Christi, des menschgewordenen Gottessohnes, erlöst. Die Gnade Christi! Es ist angemessen, das auch zu erwähnen, wenn es um die Rechte und Pflichten des Menschen geht. Wenn die Geheimnisse der Schöpfung und Sünde bei der Lenkung der 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschlichen Gemeinschaft und der Verteilung der Rechte und Pflichten ihren Anteil haben, dann gilt das noch mehr von der österlichen Gnade Christi. Auch hier ist das Zweite Vatikanische Konzil sorgfältiger zu beachten. Denkt an die Worte, die über Christus als den neuen Menschen gesagt werden (Gaudium et spes, Nr. 22). „Nur im Geheimnis des menschgewordenen Gottes klärt sich das Geheimnis des Menschen wahrhaft auf“ (Absatz 1). „Der Sohn Gottes hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“ (Absatz 2). „Der christliche Mensch empfängt, gleichförmig geworden dem Bild des Sohnes, der der Erstgeborene unter vielen Brüdern ist, die ,Erstlingsgabe des Geistes <33>, durch die er fähig wird, das neue Gesetz der Liebe zu erfüllen (Absatz 4). „Das gilt nicht nur für die Christgläubigen, sondern für alle Menschen guten Willens, in deren Herz die Gnade unsichtbar wirkt“ (Absatz 5). <33> „Sei gegrüßt, du Begnadete . . .“ (Lk 1, 28). Die ganze Kirche verkündet heute den Gruß des Engels und läßt ihn aus einer besonderen Tiefe ihres Glaubens emporsteigen. Diese Tiefe findet ihren Ausdruck in dem Geheimnis von der Unbefleckten Empfängnis. „Begnadete“ will auch besagen, „ohne Erbsünde Empfangene“: Immaculata, unbefleckte, d. h. ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria. Indem wir die Glaubenswahrheit von der unbefleckten Empfängnis Mariens bekennen, fassen wir zugleich Wurzel in der Tiefe der Erlösungswirklichkeit. Denn die Frau, der Mensch, der dazu ausersehen wurde, Mutter des Erlösers zu werden, erfreut sich auf besondere Weise der Früchte der Erlösung als Bewahrung vor der Sünde. Die Erlösung umfängt sie vom ersten Augenblick der Empfängnis an mit der heilbringenden Kraft der heiligenden Gnade. Sie ist also die Ersterlöste, damit sie in würdiger Weise der Berufung entsprechen könne, Mutter dessen zu werden, der alle Menschen erlöst hat. Das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria ist ganz und gar in dem Geheimnis der Erlösung der Welt Vielleicht scheint einigen diese Verbindung zwischen den Menschenrechten und der Liebe des neuen Gesetzes sonderbar. Leider! Wegen vieler Irrtümer, Nachlässigkeiten und irriger soziologischer Meinungen, auch solcher, die sich mit christlichem Namen schmücken, konnte die Stimme der Nächstenliebe ihre menschliche Bedeutung verlieren. Die christliche Liebe wird nämlich der sozialen Gerechtigkeit, die die Grundlage der Menschenrechte bietet, entgegengestellt. In der Tat, wenn Nächstenliebe nur eine Herzensregung bedeutet oder eine Hilfeleistung aus reinem Wohlwollen, kann sie sich nicht mit den Menschenrechten decken. Aber diese Interpretation ist eine Fehldeutung der Erlöserliebe Christi. Christus hat keine billigen Trostworte, aber er schenkt sein Leben und verlangt von seinen Jüngern, daß sie zur vollen Selbsthingabe bereit sind. Darin findet sich der wahre Sinn jener christlichen „Pro-Existenz“, den eure Kommission öfter als Synthese der Erlösung und des christlichen Lebens vorschlägt. Wenn wir so den echten Sinn „vor-existentieller“ Nächstenliebe freilegen, können und müssen die Menschenrechte sozusagen in das Pascha-Opfer Christi selbst eingeschlossen werden. Die Rechte der Menschen auf ein Familienleben, das Recht auf Leben und eigenen Besitz werden schon im Alten Bund als Gebote des Dekalogs gelehrt: „Du sollst nicht ehebrechen, nicht töten!. . .“ Der Apostel Paulus faßt das und alles Ähnliche in der christlichen Osterliebe zusammen: „Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes“ (Röm 13, 10). 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum Schluß dieser kurzen Betrachtung, die ich mit euch angestellt habe, fordere ich die Internationale Theologenkommission auf, die „humano-zentrischen und christozentrischen“ Begründungen der Menschenrechte immer mehr zu untersuchen und vorzutragen. Denn in jeder Zeit gibt es einen Wettstreit zwischen der Sünde des menschlichen Egoismus und der echten Liebe, in der Lehre wie im Leben. Seid also Zeugen der „vorexistentiellen“ Liebe Christi. Vermittler göttlicher Erleuchtung und Kraft sei euch der Apostolische Segen, den ich jedem einzelnen spenden werde, während ich euch allen Glück wünsche und euch mein Gebet verspreche, damit eure Beratungen reiche Frucht tragen. Das Heilige Jahr der Erlösung hat adventlichen Charakter Predigt beim Gottesdienst in der Basilika Santa Maria Maggiore am Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria, 8. Dezember <34> <34> „Sei gegrüßt, du Begnadete . . .“ (Lk 1, 28). Die ganze Kirche verkündet heute den Gruß des Engels und läßt ihn aus einer besonderen Tiefe ihres Glaubens emporsteigen. Diese Tiefe findet ihren Ausdruck in dem Geheimnis von der Unbefleckten Empfängnis. „Begnadete“ will auch besagen, „ohne Erbsünde Empfangene“: Immaculata, unbefleckte, d. h. ohne Erbsünde empfangene Jungfrau und Gottesmutter Maria. Indem wir die Glaubenswahrheit von der unbefleckten Empfängnis Mariens bekennen, fassen wir zugleich Wurzel in der Tiefe der Erlösungswirklichkeit. Denn die Frau, der Mensch, der dazu ausersehen wurde, Mutter des Erlösers zu werden, erfreut sich auf besondere Weise der Früchte der Erlösung als Bewahrung vor der Sünde. Die Erlösung umfängt sie vom ersten Augenblick der Empfängnis an mit der heilbringenden Kraft der heiligenden Gnade. Sie ist also die Ersterlöste, damit sie in würdiger Weise der Berufung entsprechen könne, Mutter dessen zu werden, der alle Menschen erlöst hat. Das Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria ist ganz und gar in dem Geheimnis der Erlösung der Welt 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verwurzelt; darum hat es in diesem Jubiläumsjahr, das die Kirche als Heiliges Jahr der Erlösung begeht und lebt, besondere Bedeutung. 2. „Sei begrüßt, du Begnadete . . Mit diesem Gruß kommen wir zu Maria, der gerade hier, in dieser alten römischen Basilika, als „Salus Populi Romani“, als „Heil des römischen Volkes“, ganz besondere Verehrung zuteil wird. Hier befindet sich die Gottesmutter seit vielen Jahrhunderten inmitten der kirchlichen Gemeinde, die in Rom ist, und wacht seit Jahrhunderten mütterlich über dem Heilswerk, das ihr Sohn durch den Dienst der Bischöfe von Rom der Kirche anvertraut hat. Deshalb hatte und hat jeder dieser Bischöfe eine besondere Vorliebe für diese Stätte. Das Fest der Immaculata ist der Tag, an dem diese Liebe auf besondere Weise offenbar wird. Das Jahr der Erlösung bewirkt nun, daß diese Liebe noch mehr mit der lebendigen Tiefe des Glaubens der Kirche zusammenspielt. Vor etwa 2000 Jahren wurde Maria geboren 3. Es naht das Ende des zweiten Jahrtausends nach Christus. In bezug auf diese Tatsache bringen viele den Wunsch zum Ausdruck, daß die Geburt seiner Mutter mit einem besonderen Jubiläum verehrt werde. Wir wissen nicht genau, wie viele Jahre vor der Geburt des Sohnes die Mutter geboren wurde. Wir beschränken uns daher darauf, das gegenwärtige Jubiläumsjahr der Erlösung in besonderer Weise auf Maria, auf ihr Kommen in die Welt und auf ihre Berufung zu beziehen, Mutter des Erlösers zu werden. Auf diese Weise stellen wir den adventlichen Charakter dieses Jubiläumsjahres der Erlösung heraus. Der Advent ist ganz besonders die Zeit Mariens. Denn durch Maria ist der Sohn Gottes in die Erwartung der ganzen Menschheit eingetreten. Sie ist also gewissermaßen der Höhepunkt und die Synthese des Advents. Das Hochfest der Immaculata, das wir liturgisch in der Adventszeit begehen, bezeugt das auf vielsagende Weise. Obwohl die Kirche jedes Jahr am 8. September in einem eigenen Fest die Geburt Mariens feiert, führt uns doch das heutige Hochfest zu Beginn des Advents noch tiefer in das heilige Geheimnis ihrer Geburt ein. Ehe sie zur Welt kam, wurde sie im Schoße ihrer Mutter empfangen und in jenem Augenblick aus Gott selbst geboren, der das Geheimnis der unbefleckten Empfängnis vollzog: voll der Gnade. 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Darum wiederholen wir heute mit dem Völkerapostel: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus“ (Eph 1, 3). Und sie, Maria, ist in ganz besonderer Weise gesegnet worden: einmalig und unwiederholbar. Denn in ihm, Christus, hat Gott sie vor der Erschaffung der Welt erwählt, damit sie heilig und untadelig lebe vor Gott (vgl. Eph 1, 4). Ja, der ewige Vater hat Maria in Christus erwählt; er hat sie durch Christus erwählt. Er hat sie heilig, ja allerheiligst gemacht. Die erste Frucht dieser göttlichen Erwählung und Berufung war die unbefleckte Empfängnis. Das ist ihr „Ursprung“ im ewigen Denken Gottes, im ewigen Wort und zugleich ihr Ursprung auf Erden. Ihre Geburt. Die Geburt im Glanz der unbefleckten Empfängnis. Gerade aufgrund dieser Geburt Mariens im Licht der unbefleckten Empfängnis beten wir heute die Heiligste Dreifaltigkeit an und verehren den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Wir beten sie an und bringen unsere Dankbarkeit zum Ausdruck. Laßt uns Dank sagen dem Herrn, unserem Gott! 5. Ja, das Jahr der Erlösung läßt uns auf besondere Weise das bedenken und leben, worüber der Apostel außerdem schreibt: „Er hat uns aus Liebe im voraus dazu bestimmt, seine Söhne zu werden durch Jesus Christus und nach seinem gnädigen Willen zu ihm zu gelangen, zum Lob seiner herrlichen Gnade. Er hat sie uns geschenkt in seinem geliebten Sohn“ {Eph 1, 5-6). Sie, Maria, trägt aufgrund der unbefleckten Empfängnis mehr als jeder andere Mensch das Geheimnis jener ewigen göttlichen Bestimmungen in sich, mit welcher der Mensch in Gottes geliebtem Sohn umfangen wurde: - die Bestimmung zur Gnade und zur Heiligkeit der Gotteskindschaft, - die Bestimmung zur Herrlichkeit im unendlich erhabenen Gott. Darum geht sie, Maria, uns allen in der großen Prozession von Glaube, Hoffnung und Liebe voraus. Denn wie das Zweite Vatikanische Konzil treffend festgestellt hat, „ist im Geheimnis der Kirche, die ja auch selbst mit Recht Mutter und Jungfrau genannt wird, die selige Jungfrau Maria vorangegangen, da sie in hervorragender und einzigartiger Weise das Urbild sowohl der Jungfrau wie der Mutter darstellt“ {Lumen gentium, Nr. 63). Sie erleuchtet das Volk Gottes mit dem göttlichen Licht, das das ewige Wort am vollendetsten widerspiegelt. „Die Mutter Jesu“ - das betont ebenfalls das Konzil - „leuchtet hier auf Erden als Zeichen der 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk voran“ {Lumen gentium, Nr. 68). Als dieses Licht durch Maria am Horizont der Menschheitsgeschichte zu leuchten begann - als mit der Geburt Mariens die ohne Erbsünde Empfangene in die Welt kam nahm in der Heilsgeschichte die Morgenröte des Advents, des Kommens des Gottessohnes, seinen Anfang. Damals nahm das Werk der Erlösung seine von Ewigkeit her bestimmte Gestalt 6. Während wir uns heute in ihrem römischen Marienheiligtum um diejenigen versammeln, die die Generationen vor uns als „Salus Populi Romani“ verehrt haben, bekennen zugleich durch das Geheimnis ihrer unbefleckten Empfängnis auch wir, „wir, die wir schon früher auf Christus gehofft haben“ {Eph 1, 12), daß wir in ihm auch zu Erben eingesetzt worden sind ..., damit wir zum Lob der Herrlichkeit dessen gereichen, der alles so verwirklicht, wie er es in seinem Willen beschließt (vgl. Eph 1, 11-12). Auch wir! Das Fest der Immaculata im Heiligen Jahr der Erlösung wirft dieses übernatürliche Licht auf unser menschliches Leben und weckt in uns die Hoffnung auf die Erfüllung des göttlichen Plans. „Du bist der Morgenstern!“ Gebet an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1. Ohne Erbsünde empfangene Jungfrau Maria! Muttergottes und Mutter der Menschen! Ich grüße dich heute an dieser historischen Stätte, in der Stadt Rom. 2. Wir kommen zu dir im Heiligen Jahr der Erlösung, um das großartige Werk zu verehren, das die Heiligste Dreifaltigkeit in dir vollbracht hat: Christus, der Erlöser der Welt, wurde dein Sohn. Im Jubiläumsjahr danken wir Gott für dich, du erste unter den Erlösten, für dich, die du -unter allen Kindern Adams — von der Erbsünde bewahrt bliebst. 3. O Maria! Sei du die Mutter unserer Befreiung von allem Bösen: dem Bösen, das das Gewissen des Menschen belastet, und von jenem, das immer bedrohlicher am Horizont unseres Jahrhunderts heraufzieht. 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Du bist das Licht des ersten Advents! Du bist der Morgenstern, der dem Kommen des Messias vorausgeht. Nun, da die Kirche und die Menschheit dem Ende des zweiten Jahrtausends nach dem Kommen Christi entgegengeht, sei für uns das Licht dieses neuen Advents, sei der Morgenstern, damit die Finsternis uns nicht in Dunkel hüllt! 5. Am Ende des zweiten Jahrtausends brauen sich am Horizont der ganzen Menschheit ungeheuer bedrohliche Wolken zusammen, und Finsternis fällt auf die Menschenseelen. 6. Greif ein, o Maria, und sprich mit der milden Stimme einer Mutter denen zu Herzen, die über das Schicksal der Menschen bestimmen, damit sie im Dialog Wege finden zur ehrenvollen und gerechten Beilegung der Gegensätze, die sie entzweien. Überzeuge die Männer in Waffen in den verschiedenen Teilen der Welt, den Friedensruf anzunehmen, der von der gequälten und schutzlosen Bevölkerung zu ihnen dringt. 7. Wecke, o Maria, in allen Herzen wieder das Gefühl menschlicher Solidarität gegenüber jenen, denen es an den lebenswichtigen Gütern fehlt, die Hungers sterben; die, aus der Heimat geflüchtet, für sich und die Ihren eine Zuflucht suchen; die, weil sie ohne Arbeit sind, ihre Zukunft gefährdet sehen. 8. Beschütze, o Maria, die reine Unschuld der Kinder von heute, die die Männer und Frauen des kommenden Jahrtausends sein werden. In deiner Unbefleckten Empfängnis spiegelst du mit unvergleichlichem Glanz das Licht wider, das in die Welt gekommen ist: Christus, den Herrn. Möge uns dieses Licht in die Zukunft geleiten! Du Spiegel der Gerechtigkeit! Du Königin und Mutter des Friedens! Salus Populi Romani, Heil des römischen Volkes! Stehe uns bei, jetzt und immer und in der Stunde unseres Todes. Amen. 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,,Hilferuf an die Macht der Erlösung“ Brief an alle Bischöfe der Kirche vom 8. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! Am 25. März 1983 haben wir das außerordentliche Jubiläum der Erlösung begonnen. Ich danke Euch erneut dafür, daß Ihr Euch mit mir verbunden habt, indem Ihr an jenem Tag auch in Euren Diözesen dieses Jahr der Erlösung eröffnet habt. Das Fest der Verkündigung, das uns im Lauf des Kirchenjahres an den Beginn des Erlösungswerkes in der Geschichte der Menschheit erinnert, schien für diese Eröffnung besonders geeignet zu sein. Dieser Beginn ist mit dem Advent verbunden. Auch das ganze gegenwärtige Jahr der Erlösung hat in gewissem Sinn einen adventlichen Charakter, da sich doch das Jahr zweitausend nach Christi Geburt nähert. Wir wollen die Erwartung der Vollendung des zweiten Jahrtausends der christlichen Ära leben, indem wir die schwierigen und schmerzlichen Erfahrungen der Völker, ja der gesamten Menschheit in der Welt von heute teilen. Aus diesen Erfahrungen erwächst das besondere Bedürfnis, gewissermaßen ein innerer Imperativ, uns mit neuem, noch intensiverem Glauben auf die Erlösung durch Christus, auf seine unerschöpfliche erlösende Macht zu besinnen. „Denn Gott hat in Christus die Welt mit sich versöhnt; ... und hat uns das Wort der Versöhnung übertragen“ (2 Kor 5, 19). Die Bischofssynode, die im vergangenen Monat Oktober stattgefunden hat, hat unsere Aufmerksamkeit in dieselbe Richtung gelenkt. Am heutigen Tag, dem Fest der Unbefleckten Empfängnis, betrachtet die Kirche die errettende Macht der Erlösung Christi in der Empfängnis jener Frau, die die Mutter des Erlösers werden sollte. Darin liegt ein weiterer Anstoß dafür, daß wir angesichts der Bedrohungen für die heutige Menschheit, die ihre Wurzeln in der Sünde haben, im Zusammenhang des Jubiläums einen noch stärkeren Hilferuf an die Macht der Erlösung richten. Wenn der Weg zur Überwindung der Sünde über die Bekehrung führt, so geschieht der Anfang dieses Weges wie auch sein weiterer Verlauf immer im Bekenntnis der unendlichen rettenden Macht der Erlösung. Meine lieben Brüder! Während des Heiligen Jahres der Erlösung möchte ich zusammen mit Euch und mit der ganzen Kirche diese Macht bekennen: Ich möchte sie bekennen durch das Unbefleckte Herz der Gottesgebärerin, die diese 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erlösende Macht in außerordentlichem Maße erfahren hat. Der Text des Weiheaktes, den ich hier beifüge, entspricht mit kleinen Abänderungen jenem, den ich am 13. Mai 1982 in Fatima gesprochen habe. Ich kann mich nicht der Überzeugung erwehren, daß die Wiederholung dieses Aktes im Lauf des Jubiläumsjahres der Erlösung den Erwartungen vieler Menschenherzen entspricht, die danach verlangen, der Jungfrau Maria erneut ihre Verehrung zu bezeugen und ihr die schmerzliche Betroffenheit wegen so vieler gegenwärtiger Übel, die Angst vor den Bedrohungen, die über der Zukunft liegen, und die Sorge um Frieden und Gerechtigkeit in den einzelnen Nationen und in der ganzen Welt anzuvertrauen. Das für dieses gemeinsame Zeugnis geeignete Datum scheint das Fest der Verkündigung des Herrn in der Fastenzeit 1984 zu sein. Ich wäre dankbar, wenn Ihr an diesem Tag (am 24. März, auf den die liturgische Feier des Marienfestes vorverlegt ist, oder auch am 25. März, dem dritten Fastensonntag) zusammen mit mir diesen Akt erneuern wolltet und selbst die Weise bestimmt, die Ihr dafür am angemessensten haltet. In brüderlicher Liebe Joannes Paulus II. Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1983 Weiheakt an die Gottesmutter Hochfest der Verkündigung des Herrn 1984 1. „Unter Deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Mit diesen Worten, die die Kirche Christi seit Jahrhunderten betet, wenden wir uns heute im Jubiläumsjahr unserer Erlösung an dich, unsere Mutter. Dabei wissen wir uns mit allen Oberhirten der Kirche durch jenes besondere Band vereint, durch das wir eine Körperschaft und ein Kollegium bilden, so wie nach dem Willen Christi die Apostel mit Petrus eine Körperschaft und ein Kollegium gebildet haben. In solcher Einheit verbunden, sprechen wir die Worte dieses Weiheaktes, 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in den wir erneut die Hoffnungen und Ängste der Kirche für die Welt von heute einschließen wollen. Vor vierzig Jahren und zehn Jahre danach hat dein Diener, Papst Pius XII., angesichts der schmerzlichen Erfahrungen der Menschheitsfamilie die ganze Welt und vor allem jene Völker, denen wegen ihrer Situation deine besondere Liebe und Sorge gilt, deinem unbefleckten Herzen anvertraut und geweiht. Diese Welt der Menschen und Völker haben auch wir heute vor Augen: die Welt des zweiten Jahrtausends, das sich seinem Ende zuneigt, die Welt unserer Zeit, unsere Welt. Der Worte des Herrn eingedenk: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern ... Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 19-20) ist sich die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihrer Sendung in dieser Welt neu bewußt geworden. Darum, o Mutter der Menschen und Völker, die du alle ihre Leiden und Hoffnungen kennst und mit mütterlichem Herzen an allen Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis Anteil nimmst, die unsere heutige Welt erschüttern, höre unser Rufen, das wir unter dem Antrieb des Heiligen Geistes direkt an dein Herz richten; umfange mit deiner Liebe als Mutter und Magd des Herrn diese unsere Welt, die wir dir anvertrauen und weihen, erfüllt von Sorge um das irdische und ewige Heil der Menschen und Völker. In besonderer Weise überantworten und weihen wir dir jene Menschen und Nationen, die dieser Überantwortung und Weihe besonders bedürfen. „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten! 2. Vor dir, o Mutter Christi, vor deinem unbefleckten Herzen, möchten wir uns heute zusammen mit der ganzen Kirche mit jener Weihe vereinen, durch die dein Sohn aus Liebe zu uns sich selber dem Vater geweiht hat, indem er sprach: „Für sie weihe ich mich, damit auch sie in Wahrheit geweiht seien“ (Joh 17, 19). Wir wollen uns in dieser Weihe für die Welt und für die Menschen mit unserem Erlöser verbinden; in seinem göttlichen Herzen findet eine solche Weihe die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten. Die Kraft dieser Weihe dauert durch alle Zeiten und umfängt alle Menschen, Völker, Nationen; sie überwindet alles Böse, welches der Fürst 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Finsternis im Herzen des Menschen und in seiner Geschichte zu wecken vermag und in unseren Zeiten auch tatsächlich geweckt hat. Wie tief empfinden wir das Bedürfnis nach dieser Weihe für die Menschheit und für die Welt, für unsere heutige Welt: der Weihe, die wir in Einheit mit Christus vollziehen. Das Erlösungswerk Christi muß ja durch die Kirche an die Welt vermittelt werden. Das zeigt das gegenwärtige Jahr der Erlösung, daß außerordentliche Jubiläum der ganzen Kirche. Sei in diesem Heiligen Jahr gepriesen über alle Geschöpfe, du Magd des Herrn, die du dem göttlichen Ruf in vollkommenster Weise folgst. Sei gegrüßt, die du mit der erlösenden Weihe deines Sohnes auf das engste verbunden bist! Mutter der Kirche! Erleuchte das Volk Gottes auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Hilf uns, die Weihe Christi für die gesamte Menschheitsfamilie der heutigen Welt in ganzer Wahrheit zu leben! 3. Wenn wir dir, Mutter, die Welt, alle Menschen und Völker anvertrauen, so vertrauen wir dir dabei auch diese Weihe der Welt an und legen sie in dein mütterliches Herz. O unbeflecktes Herz, hilf uns, die Gefahr des Bösen zu überwinden, das so leicht in den Herzen der heutigen Menschen Wurzel faßt und dessen unermeßliche Auswirkungen über dem heutigen Leben lasten und den Weg in die Zukunft zu versperren scheinen. Von Hunger und Krieg: befreie uns! Von Atomkrieg, unkontrollierbarer Selbstzerstörung und jeder Art des Krieges: befreie uns! Von den Sünden gegen das Leben des Menschen von seinen Anfängen an: befreie uns! Vom Haß und von der Mißachtung der Würde der Kinder Gottes: befreie uns! Von jeder Ungerechtigkeit im sozialen, nationalen und internationalen Leben: befreie uns! Von leichtfertiger Übertretung der Gebote Gottes: befreie uns! Vom Versuch, in den Herzen der Menschen sogar die Wahrheit von Gott zu ersticken: befreie uns! Vom Verlust des Bewußtseins von Gut und Böse: befreie uns! Von den Sünden gegen den Heiligen Geist: befreie uns, befreie uns! Höre, Mutter Christi, diesen Hilfeschrei, in welchem das Leid aller Menschen zu dir ruft, das Leid ganzer Völker! 1248 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hilf uns mit der Kraft des Heiligen Geistes, alle Sünde zu besiegen: die Sünde des Menschen und die „Sünde der Welt“ - die Sünde in jeglicher Form. Noch einmal zeige sich in der Geschichte der Welt die unendliche Heilskraft der Erlösung: die Macht der erbarmenden Liebe! Daß sie dem Bösen Einhalt gebiete! Daß sie die Gewissen wandle! In deinem unbefleckten Herzen offenbare sich allen das Licht der Hoffnung! Gemeinsam nach dem Herrn Ausschau halten Ansprache beim Besuch der evangelisch-lutherischen Christus-Kirche in Rom am 11. Dezember Verehrte Brüder und Schwestern in Christus! „Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit“ (Hebr 13, 8), so steht es unter dem Bild des Pantokrators in der Apsis dieser Christus-Kirche geschrieben. Mit diesen Worten begrüße ich die evangelisch-lutherische Gemeinde in Rom und alle hier Anwesenden. Ich danke den Vertretern der Gemeinde für die brüderliche Einladung zu diesem Besuch. Im Namen Jesu Christi und unter seinem Wort sind wir hier versammelt, um in der Einheit unserer Herzen und gleichsam mit einer Stimme unseren gemeinsamen Erlöser und Kyrios zu bekennen, zu loben und zu preisen. Das ewige Wort Gottes ist Mensch geworden und hat sein Zelt mitten unter uns aufgeschlagen (vgl. Joh 1, 14). Ich möchte in dieser denkwürdigen Stunde am dritten Adventssonntag mit Ihnen diesen unseren einzigen Herrn und Erlöser bezeugen, der da ist gestern, heute und in Ewigkeit. In Dankbarkeit erinnern wir uns dabei unserer gemeinsamen Herkunft, des Geschenkes unserer Erlösung und der gemeinsamen Ausrichtung unseres Pilgerweges. Wir alle stehen unter der Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Er ist die Mitte und der Angelpunkt, in dem alles Sein, der Sinn und das Heil dieser Welt und unseres Lebens beschlossen sind. In dieser Heilszeit des Advents sind unsere Ohren und Herzen gleichgerichtet; sie hören und vernehmen die frohe Botschaft dessen, der bereits gekommen ist und endgültig wiederkommen wird. Wir erfahren im Alltag unseres Lebens oft die bedrängende Wirklichkeit dieser Zwischenzeit. 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werden wir darin nicht immer wieder an die Situation des Johannes des Täufers erinnert? Er stand - wie das Evangelium uns berichtet - in einer Entscheidungssituation. Er mußte den Widerspruch bewältigen zwischen seinen Vorstellungen vom Messias und der eigenen persönlichen Lage, die durch Gefängnis und drohenden Tod bestimmt war. Die Anfrage des Johannes war deshalb ernst und aus großer Not geboren: „Bist du es, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ {Mt 11, 3). Jesus kommt der suchenden Unruhe seines Vorboten entgegen und führt dessen Glauben zur Gewißheit: Die Heilszeit, die Gottesherrschaft ist gekommen! Der Messias ist da! Gewiß haben die Zeichen und Wunder nichts unbedingt Zwingendes an sich. Wer die Zeichen jedoch als Hinweis auf die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetien im jetzigen Kairos zu verstehen weiß, darf sich freuen, Bürger des eschatologischen Reiches Gottes zu sein. Jesus bekennt sich zu seinem Wegbereiter, der im Vorhof seiner Ankunft steht. „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“, so bezeugt es der Herr. „Doch der Kleinste im Himmelreich ist größer als er.“ Jesus meint damit den in jeder Hinsicht armen und bedürftigen Menschen, der zum Glauben an das Heil in Jesus Christus kommt. Ein solcher darf Herz und Mund öffnen, um sich dem Lobgesang Mariens anzuschließen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn, und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter“ {Lk 1, 46 f.). Verehrte Brüder und Schwestern in Christus! Das Geschenk dieser Zusammenkunft bewegt mich im Grunde meines Herzens. Ich habe diese Begegnung gerade im Advent gewünscht. Sie ist eine ausgezeichnete Gelegenheit, gemeinsam nach dem Herrn Ausschau zu halten und den Gott unserer Erlösung zu erwarten. Wir stehen schon nahe am Jahr 2000. „Wir befinden uns in gewisser Weise in der Zeit eines neuen Advents, in einer Zeit der Erwartung“ {Enzyklika Redemptor hominis, Nr. 1). Daher bin ich gleichsam zu unseren Nachbarn gegangen, zu jenen Bürgern dieser Stadt, „die durch das Band besonderer Verwandtschaft verbunden sind“ (Vat. II, ökume-nismusdekret, Nr. 19). Ich bin hierher gekommen, um mit Ihnen das uns gemeinsame Glaubensgeheimnis des Advents, seinen tiefen und vielfältigen Reichtum in Gebet und Meditation zu vergegenwärtigen. Ich bin gekommen, da uns der Geist Gottes in unseren Tagen durch den ökumenischen Dialog auf die Suche nach der vollen Einheit der Christen gewiesen hat. Wir wissen um die schwierige Geschichte dieser evangelisch-lutherischen Gemeinde in Rom, ihre mühseligen Anfänge und um Licht und Schatten ihrer Entwicklung unter den Bedingungen dieser 1250 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stadt. Um so eindringlicher stellt sich uns die Frage: „Dürfen wir - trotz aller menschlichen Schwachheit, trotz der Unzulänglichkeiten der vergangenen Jahrhunderte - der Gnade unseres Herrn mißtrauen, die sich in der letzten Zeit geoffenbart hat durch das Wort des Heiligen Geistes, das wir während des Konzils vernommen haben?“ (ökumenismusdekret, Nr. 6). So sehen wir uns denn inmitten aller offensichtlich noch bestehenden Trennungen in Lehre und Leben zutiefst in der Solidarität aller Christen des Advents verbunden. Wir sehnen uns nach Einheit, und wir bemühen uns um die Einheit, ohne uns durch die Schwierigkeiten entmutigen zu lassen, die sich längs des Weges anhäufen können (vgl. ökumenismusdekret, Nr. 6). Schließlich meinen wir, im Jahr der Erinnerung an den Geburtstag von Martin Luther vor fünf Jahrhunderten, wie von ferne die Morgenröte des Advents einer Wiederherstellung unserer Einheit und Gemeinschaft zu sehen. Diese Einheit ist eine Fracht der täglichen Erneuerung, Bekehrung und Buße aller Christen im Licht des ewigen Wortes Gottes. Sie ist gleich die beste Wegbereitung für die Ankunft Gottes in unserer Welt. Folgen wir der großen Gestalt der Adventszeit, folgen wir dem Leitbild Johannes des Täufers, der Stimme des Rufers in der Wüste: „Bereitet den Weg des Herrn“ (Joh 1, 23). Folgen wir der Einladung zur Versöhnung mit Gott und untereinander! Christus, der Allherrscher, ist nicht nur über, sondern mitten unter uns als der Kyrios, der war, der ist und der in Ewigkeit sein wird. Von Herzen wünsche ich Ihnen und Ihren Familien schon jetzt ein gesegnetes Weihnachtsfest. Die Menschenrechte geltend machen Ansprache an den Vorsitzenden und die Delegationen des Europäischen Gerichtshofes und der Europäischen Menschenrechtskommission am 12. Dezember Sehr geehrte Herren! Sie haben den Wunsch nach dieser Begegnung ausgesprochen: Ich danke Ihnen dafür und weiß die Bedeutung Ihrer Initiativen sehr zu schätzen. Sie wissen ja um die Wichtigkeit, die der Hl. Stuhl der Wahrnehmung der 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gerechtigkeit und der Achtung der Rechte und der Freiheit jeder menschlichen Person beimißt. Wer könnte vergessen, daß das Wissen um die Würde des Menschen und seine Rechte - auch wenn man nicht dieses Wort gebrauchte — sich in Europa unter dem entscheidenden Einfluß des Christentums entwickelt hat? 1. Sie sind nach Rom gekommen, um ein 30jähriges Jubiläum zu feiern. Am 3. September 1983 waren es in der Tat dreißig Jahre, seit die Europäische Menschenrechtskonvention, die am 4. November 1950 in Rom unterzeichnet worden war, in Kraft getreten ist, und im kommenden März wird man des Inkrafttretens des ersten Zusatzprotokolls gedenken. Diese Initiative hat für einen Teil Europas eine wichtige, neue Etappe gekennzeichnet. Gewiß ist es heute zum Glück üblich, die Menschenrechte geltend zu machen, und die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1948 verkündete Allgemeine Erklärung hat sie auf interessante Weise beschrieben, gleichsam als Appell an das Gewissen der Völker; sie hat im übrigen die Mitglieder des Europarates inspiriert, die ihre Konvention zwei Jahre später ausgearbeitet haben. Doch galt es noch, den wirksamen Schutz dieser Rechte durch Einrichtung eines wirklichen Gerichtshofes zu organisieren, der die Verletzung der von der Konvention bestimmten Rechte ahnden sollte; andernfalls wären sie Gefahr gelaufen, toter Buchstabe zu bleiben. Das ist die Aufgabe der Europäischen Kommission und des Gerichtshofes, die Sie vertreten und deren Tätigkeit mit großer Genauigkeit festgelegt wurde. Seither erging an die zuständigen Kommissare eine Fülle von - wenn auch zum Teil unannehmbaren - Anträgen; Beeinträchtigungen, die als solche empfunden wurden, waren zu überprüfen, und eine gütliche Regelung war zu versuchen (Art. 28), und die Richter ihrerseits mußten sich mit einer gewissen Anzahl von Fällen beschäftigen. Es ist dies eine ernstzunehmende Garantie und vor allem eine Hoffnung, wie sie die Möglichkeit einer Berufung immer darstellt. Wenn man an die vielen Länder in den verschiedenen Erdteilen denkt, die zwar die Allgemeine Menschenrechtserklärung unterzeichnet haben und sich gern für die anderen auf sie berufen, aber in ihren eigenen Ländern die elementarsten, in der Deklaration enthaltenen Rechte des Menschen mißachten, so muß man zugeben, daß der Europarat hier einen sehr interessanten Prozeß eingeleitet hat, der bei gebührender Anwendung andere wirksame Initiativen in der Welt nach sich ziehen sollte. 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ihnen als Vorsitzenden und Mitgliedern des Europäischen Gerichtshofes und der Menschenrechtskommission, die Sie die Bestimmungen der Konvention und der fünf Zusatzprotokolle anwenden müssen, obliegt eine edle, hohe und heikle Aufgabe, die große Sachkenntnis und völlige Unabhängigkeit erfordert, wie das für alle Ämter dieser Art, noch dazu auf einer solchen Ebene - das heißt über der nationalen Rechtssprechung und Gerichtsbarkeit - gilt. Wichtig ist, daß auch in diesem Bereich das Subsidiaritätsprinzip zur Anwendung kommt, denn tatsächlich ist Ihr Eingreifen erst „nach Ausschöpfung aller internen Wege und Möglichkeiten“ vorgesehen (Art. 26). Solche Fälle gibt es, und Ihre Instanzen stellen eine zusätzliche Garantie der Gerechtigkeit für Personen dar, die sich verletzt fühlen, und zwar ohne Unterschied der Herkunft (Art. 14); für Gruppen von Privatpersonen oder für die nichtstaatlichen Verbände (Art. 25). Die tiefe Gerechtigkeit, die Weisheit, die Klugheit und die Freiheit, mit der Sie also Ihrer Berufung gemäß und Ihrem Gewissen entsprechend Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen, sind zweifellos ein erhabener Dienst, den Sie leisten, ein schönes Zeugnis, das Sie erbringen und für das Sie Wertschätzung und Anerkennung verdienen. Was mich betrifft, so drücke ich Ihnen meine Ermutigung aus und bitte Gott, Ihnen beizustehen. Positives Recht muß den Grundwerten entsprechen 3. Ich muß aber noch ein Wort über die Konvention selbst und über die Zusatzprotokolle sagen, mit deren Anwendung Sie beauftragt sind. Die Texte betreffen die Verteidigung der wesentlichen Freiheiten und Rechte, vor allem im staatsbürgerlichen Bereich. Man kann sicherlich der Meinung sein, daß die Reihe dieser Rechte ergänzt werden könnte, vor allem durch die wirtschaftlichen und sozialen Rechte, oder daß ihre Formulierung entwickelt und präzisiert werden könnte. Es wäre Aufgabe der Experten und der zuständigen Komitees des Europarates, das begonnene Werk zu vervollständigen und diese Verbesserungen den Vertragspartnern zur Billigung vorzuschlagen. Die Texte spiegeln in der Tat bestimmte Auffassungen aus der Zeit wider, in der sie ausgearbeitet wurden; diese Auffassungen können Fortschritte oder - leider - auch Rückschritte machen. Wichtig ist, daß die positive Formulierung des Rechts so gut wie möglich den fundamentalen Werten des Menschen entspricht, und Sie sind durch die Texte, über die Sie verfügen, gewissermaßen die Hüter dieser Werte. Die Kirche nimmt bereits in der derzeitig gültigen Menschenrechtskon- 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vention Grundelemente der menschlichen Würde wahr, die verteidigt werden müssen. Ich denke an das im Artikel 2 formulierte Recht auf Leben, das jedem Menschen unveräußerlich zusteht und deshalb vom Beginn des menschlichen Lebens, von der Empfängnis an, bis zum Tod den Schutz durch das Gesetz verdient. Ebenso muß man auch dem Verbot zustimmen, irgend jemanden der Folter oder unmenschlicher Behandlung auszusetzen (Art. 3). Ich denke außerdem an verschiedene Freiheitsansprüche, an angemessene Verhaftungs- und Haftbedingungen (Art. 5), an menschenwürdige Rechtsprechung (Art. 6), an die Achtung des Privat-und Familienlebens (Art. 8), an das Versammlungsrecht, das Recht zur Vereinsbildung, das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art. 10 und 11). Der Kirche geht es ganz besonders um die Anerkennung der Religionsfreiheit, der Möglichkeit, ihren Glauben öffentlich und privat kundzutun (Art. 9), um das Recht, eine Familie zu gründen (Art. 12) und die Erziehung und Schulausbildung ihrer Kinder entsprechend ihren religiösen und philosophischen Überzeugungen sicherzustellen (Art. 2 des ersten Zusatzprotokolls). Sie wissen, daß der Hl. Stuhl zu diesem Thema erst kürzlich eine Charta der Rechte der Familie veröffentlicht hat, die sich auf eine klare Auffassung dessen stützt, was Familie ist; er bietet diesen Beitrag den Regierungen, den internationalen Organisationen, den Familien und allen jenen an, die daran arbeiten, die Familie in Krise zu retten und sie zu fördern, beginnend bei den objektiven Grundlagen, die in der menschlichen Erfahrung verankert sind. Kurz, es ist der brennende Wunsch der Kirche, daß die Grundrechte des einzelnen, der Familien und der Gruppen ernst genommen und positiv gefördert werden, und sie freut sich, diese Rechte nicht nur von den internationalen Instanzen bestätigt, sondern sie auf wirksame Weise garantiert und gebilligt zu sehen, wozu ihre europäischen Rechtsbehörden beitragen. Das ist das Kennzeichen wahrhaft demokratischer Regime. Es ist die Bedingung für die Gerechtigkeit und den Frieden, nach denen wir uns alle sehnen. Möge Gott uns auf diesen Wegen in Europa und anderswo voranschreiten lassen und Sie und Ihre Familien segnen! 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Ja zum Guten, Schönen und Wahren Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Treffens der Repräsentanten von Wissenschaft und Kultur aus Anlaß des Heiligen Jahres der Erlösung am 15. Dezember Sehr geehrte Herren! 1. Ich freue mich herzlich, heute mit Ihnen, den Vertretern der Kultur, Zusammentreffen zu können. Sie haben die Einladung angenommen, gemeinsam - mit einer höchst bedeutungsvollen Geste - das Jubiläumsjahr der Erlösung zu feiern, und haben sich dazu in Rom eingefunden. Ich heiße Sie alle aufrichtig willkommen, in der großen Mehrzahl Universitätsdozenten, darunter einige Rektoren berühmter Hochschulen, bekannte Schriftsteller und Gelehrte aus verschiedenen Gegenden Italiens und aus zahlreichen anderen Ländern Europas. Sie sind als Pilger in dieses Zentrum der katholischen Welt, in diese Stadt gekommen, deren sehr alte Geschichte mächtigen Einfluß auf das kulturelle und geistliche Leben vieler Völker hatte. Die Wallfahrt ist eine Geste, ein Zeichen von reicher menschlicher und symbolischer Bedeutung: Sie besagt den Weg zu einem Ziel, das Aufsuchen eines Zieles oder einer, wenn nicht endgültigen, so doch wenigstens erholsamen Station in der Erwartung, den Weg wieder aufnehmen zu können. Dieser Weg, dieses Suchen kennzeichnen das Leben des Menschen in seinen charakteristischen Dimensionen und Aspekten. Der Mensch geht auf ein endgültiges Ziel zu; der Mensch sucht etwas oder jemanden, das oder der ihn vollkommen und absolut glücklich macht, weil es bzw. er imstande ist, alle seine Sorgen und Sehnsüchte vollständig und für immer zu befriedigen. Sie sind zum Jubiläumsjahr der Erlösung als Püger nach Rom gekommen. Wie ich in meiner Ansprache an die Römische Kurie am 23. Dezember 1982 sagte, „wird das Jubiläum zu einer Herausforderung an den Menschen, den Gläubigen von heute, das Geheimnis der Erlösung tiefer zu begreifen und sich durch die außergewöhnliche Anziehungskraft dieses Jubiläums zur Erlösung hinführen zu lassen. Ihre Wirklichkeit begegnet uns ständig in der Kirche als Institution, und wir müssen sie uns als Charisma in der Stunde der Gnade zu eigen machen, die der Herr für jeden Menschen auf den Höhepunkten christlicher Erfahrung anbrechen läßt“ (Nr. 3; in: O.R., dt., vom 7. 1. 83, S. 6). 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Den Schatz der Kultur weitergeben Die Kirche gedenkt Tag für Tag des großen Ereignisses der Erlösung, das den Mittelpunkt der Heilsgeschichte bildet, und lebt es immer wieder neu. Seit ihren frühesten Anfängen hat die Kirche in sämtlichen ethnischen, geographischen und kulturellen Bereichen verkündet, daß Jesus von Nazaret, der menschgewordene Gott, gekommen ist, uns zu retten; daß Christus Erlöser des Menschen ist, jedes Menschen und des ganzen Menschen, des Menschen, der das Glück, die Freude, die Wahrheit, das Gute, die Liebe, die Gerechtigkeit, den Frieden, die Schönheit sucht und der sehr oft unerfüllt und unbefriedigt bleibt, in seinen Erwartungen und tiefsten Hoffnungen enttäuscht; bis er schließlich aufgrund des dauernden Gegensatzes zwischen dem, was er will und ersehnt, und dem, was er tatsächlich zu erreichen vermag, in einen Zustand der inneren Auflösung, wenn nicht gar der Verzweiflung gerät. Wenn daher die Kirche, die stark ist durch die Kraft des Glaubens, verkündet, daß für den nach dem Absoluten dürstenden Menschen, der Gottes Bild in sich trägt, die einzige Antwort Christus ist, dann betreibt sie nicht phrasenreiche Rhetorik, sondern vermittelt eine zentrale und grundlegende Botschaft: nämlich daß Christus von der erniedrigendsten Knechtschaft befreit, der Knechtschaft der Sünde, die ein Zurückweisen der Liebe Gottes und damit ein Zurückweisen der anderen und Selbstzerrüttung ist. Durch sein Heilswerk führt Christus den Menschen zu seiner ursprünglichen Würde als Geschöpf zurück, das durch einen Akt der Liebe aus den Händen des Schöpfers hervorgegangen ist. 2. Das Besondere nun an dieser Pilgerfahrt, mit der ich zu meiner Freude heute zusammentreffe, ist, daß sie aus Rektoren und Dozenten von Universitäten, aus Schriftstellern, Gelehrten besteht, Persönlichkeiten, die mit Recht als „Vertreter des kulturellen Lebens“ bezeichnet werden. Diese Bezeichnung besagt, daß wir Männer vor uns haben, die nicht nur den Schatz der menschlichen „Kultur“ besitzen, den sie zusammengetragen und sich mit unausgesetzter Anstrengung und unter beachtlichen Opfern angeeignet haben, sondern die auch das große und fordernde Privileg haben, diesen Schatz an die anderen verschenken und weitergeben zu können. Sie wissen wohl, verehrte Herren, daß das Problem der Kultur an sich, aber noch mehr das der wechselseitigen Beziehung zwischen Glaube und Kultur zu jenen Themen gehörte, über die ich als Gelehrter, als Christ, als Priester, als Bischof und heute als Papst im Lichte meiner vielfältigen 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erfahrungen ausführlich nachgedacht habe. Die Kirche mußte sich von ihren Anfängen an direkt mit diesem Problem auseinandersetzen in dem Augenblick, wo sie ihren Glauben an Jesus als Messias, als Herrn, als Sohn Gottes und Erlöser des Menschen und der Welt verkündete, und zwar sowohl in der jüdischen Umwelt, die stolz war auf die großen Wundertaten und Zeichen, die Gott für das auserwählte Volk gewirkt hatte, als auch in der hellenistischen Welt, die seit Jahrhunderten an die feinen Unterscheidungen der Logik und der „Philosophie“ gewöhnt war. Und dasselbe war dann - im Laufe der Jahrhunderte - in den verschiedenen und räumlich weit entfernten Kulturbereichen der Fall. Bereits seit der frühen Väterzeit stellte sich geradezu dramatisch das Problem der Vereinbarkeit eines Kulturtyps mit dem Christentum und damit die Frage, welches das bestimmende Element der neuen Synthese sein müsse, die aus dieser Begegnung entsteht. Während einige christliche Schriftsteller auf der absoluten Neuheit des Christentums bestanden, versuchten andere dagegen in der menschlichen Kultur Anhaltspunkte zu finden, Versuche auf dem Wege der Wahrheitssuche, auch wenn diese nur teilweise geglückt waren. Der hl. Justinus, Laie, Philosoph und Märtyrer des zweiten Jahrhunderts, bezeichnete die Philosophie als die Wissenschaft vom Sein und vom Wahren, dazu bestimmt, die Glückseligkeit herbeizuführen, und rechtfertigte die rationale Forschung mit der Feststellung, daß der Same des Wortes dem ganzen Menschengeschlecht angeboren ist (vgl. Dialogus cum Tryphone Iudaeo, II: PG 6, 476 f.). Dieses Konzept der Offenheit und des Respekts gegenüber der menschlichen Kultur reicht vom hl. Justinus über die großen Kirchenväter und Theologen bis in unsere Tage, wo es vom Zweiten Vatikanischen Konzil wieder aufgegriffen und vertieft wurde. Dieses hat das ganze zweite Kapitel der Pastoralkonstitution Gaudium et spes der Förderung des kulturellen Fortschritts gewidmet (Nr. 53-62): ein Begriff, der in sehr weiter und vielschichtiger Bedeutung gebraucht wurde. Das Konzil hatte jedoch weder die Absicht, die „Kultur“ zu verabsolutieren noch sie zu mythologisieren, denn sie kann mitunter auch Ausdrucksformen und Elemente vorstellen, die mit der christlichen Botschaft, ja selbst mit der natürlichen Würde des Menschen nicht im Einklang stehen. 3. Die von Christus vollbrachte Erlösung ist das Werk und die Offenbarung der Liebe Gottes. Im Geheimnis des menschgewordenen Wortes wird das Geheimnis des Menschen wahrhaft erhellt. In der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe macht Christus auch dem 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen den Menschen voll kund und erschließt ihm seine hohe Berufung (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Wenn Christus durch die Erlösung das Werk der Rettung jedes Menschen und des ganzen Menschen vollbracht hat, dann hat er auch die menschliche Kultur erlöst, diese grundlegende Äußerung des Menschen als einzelnen, als Gemeinschaft, als Volk, als Nation. Alle menschlichen Werte sind durch Christus erlöst und gerettet, der der ganzen menschlichen Wirklichkeit eine neue Dimension verleiht! So wie die Gnade der Erlösung die Natur des Menschen wieder gesunden läßt, sie vervollkommnet, ergänzt und erhebt, so heilt, vervollkommnet, ergänzt und erhebt sie analog die Kultur: „Die gute Botschaft Christi“ - sagt das Konzil -„erneuert unausgesetzt Leben und Kultur des gefallenen Menschen und bekämpft und beseitigt Irrtümer und Übel, die aus der stets drohenden Verführung zur Sünde hervorgehen. Unablässig reinigt und hebt sie die Sitten der Völker. Die geistigen Vorzüge und Anlagen eines jeden Volkes oder einer jeden Zeit befruchtet sie sozusagen von innen her mit überirdischen Gaben, festigt, vollendet und erneuert sie in Christus“ (Gaudium et spes, Nr. 58). Es ist wahr: Der Mensch lebt ein wahrhaft menschliches Leben dank der Kultur, die eine besondere Weise der Existenz und des Seins des Menschen ist. In meiner Ansprache an die UNESCO (2. Juni 1980) hob ich hervor, daß „der Mensch, der in der sichtbaren Welt der einzige Wesensträger der Kultur ist, auch ihr einziges Objekt und Ziel ist. Kultur ist das, wodurch der Mensch besser zum Sein gelangt. Das ist auch die Grundlage für die grundlegende Unterscheidung zwischen dem, was der Mensch ist, und dem, was er hat, zwischen Sein und Haben“ (Nr. 7; in: Johannes Paul II., Wort und Weisung, im Jahr 1980, S. 224). Es besteht eine organische und konstituierende Verbindung zwischen der Religion im allgemeinen und dem Christentum im besonderen auf der einen und der Kultur auf der anderen Seite. Ganz Europa gibt in besonderer Weise in der Geschichte jeder einzelnen Nation wie in der Geschichte der ganzen Völkergemeinschaft Zeugnis von der Verbindung zwischen Kultur und Christentum! Ihre Anwesenheit, verehrte Herren, ist ebenso ein Beweis für Ihr kulturelles Engagement wie für Ihre feste Überzeugung, daß es keinen Widerspruch zwischen Kultur und christlicher Botschaft gibt. Ja, Sie sind zudem überzeugt, daß der Glaube an Christus, mit allem, was er der Welt verkündet hat, eine unerschütterliche Hilfe, ein fruchtbarer Same, ein klärendes Licht für die vielfältigen kulturellen Werte ist, deren Erforscher, Bewahrer und Vermittler Sie sind. Und der Glaube als Annahme 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Wahrheit und der übernatürlichen Wirklichkeiten fordert Denken, Vernunft, Forschung, mit einem Wort: die Erkenntnis. Das betonte der hl. Augustinus nachdrücklich mit den Worten „ ... quoniam fides si non cogitetur, nulla est“ (denn wenn der Glaube nicht gedacht wird, existiert er nicht, ist er nicht möglich) {De praedestinatione Sanctorum, II, 5: PL 44, 964). Und er gibt eine tiefe Rechtfertigung dieser Behauptung: „cum etiam credere non possemus nisi rationales animas haberemus“ („... denn wir könnten gar nicht glauben, wenn wir nicht vernunftbegabte Seelen hätten“) (Epistula 120: PL 33, 453); im übrigen ist eben das Glauben Denken mit der Zustimmung des Willens: „et ipsum credere, nihil aliud est, quam cum assentione cogitare“ {De praedestinatione Sanctorum, II, 5: ß. ß. O.). 4. Die Entdeckung und Annahme der christlichen Wahrheit, jener Wahrheit, die das Wort Gottes selbst ist, das Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist, enthüllen die christliche Liebe, die Liebe Gottes und die Liebe, die Gott ist, die den Menschen durch den Erlöser mitgeteilt wurde, damit sich die Menschen gegenseitig lieben. Die Erfahrung des Jubiläumsjahres der Erlösung ist eine Erfahrung der erlösenden Liebe des menschgewordenen göttlichen Wortes. Die Liebe Gottes und der Ablaß, die die Kirche als Spenderin des Sakraments des Erbarmens in der Welt den Menschen mitteilt, verwirklichen das Geheimnis der Versöhnung, die Versöhnung mit Gott gibt die Kraft zur Versöhnung mit den Brüdern. Unsere Bekehrung zum Evangelium öffnet uns für die anderen. Der von gebührender Gründlichkeit und beruflicher Sachkenntnis bestimmte Einsatz der gläubigen Vertreter der Kultur ist allen ein Vorbild gegen jede inhaltsleere Oberflächlichkeit und gegen alle Unbeständigkeit ohne feste Bezugspunkte. Es handelt sich zugleich um einen sittlichen und um einen logischen Einsatz. Durch Ihre wissenschaftliche, philosophische, literarische, historische, berufliche Vorbereitung können Sie Ihren Kollegen, den Studenten, der Gesellschaft und allen ihren Einrichtungen einen Dienst echter intellektueller Liebe anbieten. Darüber hinaus können Sie der Kirche selbst einen Dienst anbieten in Form eines kulturellen Beitrags zur Katechese, zur Evangelisierung und zur Förderung des Menschen. Auch Sie haben auf diese Weise Anteil an der prophetischen Stimme der Kirche, die den sogenannten „politischen Realismus“ übersteigt und zur Stimme der Letzten, der Kleinen wird, zur Stimme derer, die keine Stimmen haben; sie wird zur Hoffnung, die weiß, 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß die Menschheit ein Morgen, ein Überleben haben muß und haben wird. Zur Bildung der Gewissen Meine Lieben, seien Sie nicht nur Intellektuelle, die über die Wahrheit nachdenken, sie bewerten und betrachten, gleichsam eingeschlossen in den eigenen Elfenbeinturm. Lassen Sie nicht nur vereinzelte Stimmen Botschaften an das Gewissen und an die Welt richten. Auch Sie sind solidarisch einbezogen in einen prophetischen Einsatz zur Bildung der Gewissen, um sie feinfühlig zu machen und sie zu befähigen, nein zu sagen zum Tod, zum Haß, zur Gewalt, zum Terror, zum Irrtum, zum Bösen, zum Verfall, hingegen ja zu sagen zum Guten, zum Schönen, zur Wahrheit, zur Gerechtigkeit, zur Verantwortung, zum Leben, zum Frieden, zur Liebe! Nehmen auch Sie Ihre Verantwortung bewußt wahr! Ihr Beitrag in diesem Bereich ist beachtlich. Die Jugendlichen, die in ihrer Ausbildung mit Ihnen in Kontakt stehen, die Politiker, die die Ohren spitzen, um zu hören, was Sie sagen, die Techniker, die Sie nicht übergehen können, allen möge von Ihrer Seite Hilfe zuteil werden, damit sie mit Weisheit und Vernunft zu einer Sicht des Lebens und der menschlichen Gesellschaft gelangen, die dem Gemeinwohl der ganzen Menschheit förderlich sei. Wenn Sie Ihre kulturelle Aufgabe mit tiefem menschlichem und christlichem Gewissen erfüllen, wird sie von den Menschen geschätzt werden, noch mehr aber wird sie von Gott, dem Gott der Wahrheit und der Liebe, gesegnet werden. Wir wollen ihn gemeinsam darum bitten, daß er uns immer den Mut zur Wahrheit und zur Liebe schenke. Mit diesem Wunsch bitte ich den Herrn, über Sie persönlich und über Ihren kulturellen Einsatz in reichem Maß seine himmlischen Gnaden auszugießen, und erteile Ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aufrichtig freue ich mich auch über die zahlreichen Vertreter von Universitäten aus der Bundesrepublik Deutschland und aus Österreich, die an dieser Begegnung im Jubiläumsjahr der Erlösung teilnehmen: unter anderem aus den Universitätsstädten Köln, Göttingen, Münster, Düsseldorf, Aachen, München und von den Universitäten Wien und Salzburg. Ich grüße Sie sehr herzlich und erbitte Ihnen aus dieser Jubiläumsfeier reiche Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers. 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was ist Advent in diesem Jahr der Erlösung? Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Professoren und Studenten der römischen Universitäten und Vertreter von Kultur und Wissenschaft aus der ganzen Welt am 15. Dezember in Sankt Peter „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt“ (Lk 3, 4.6). 1. Was ist Advent? Was ist Advent in diesem Jahr der Erlösung und im außerordentlichen Jubiläumsjahr? Wie jedes Jahr um diese Zeit kommen wir zusammen und bringen in uns bereits eine vollständige Antwort auf diese Frage mit, gleichzeitig aber fragen wir weiter. Daß Antworten eine Quelle für neue Fragen sind, das wissen insbesondere diejenigen, die sich der wissenschaftlichen Arbeit widmen: die Angehörigen der Universitäten und Hochschulen, die Professoren, Wissenschaftler, Forscher und Studenten. Jedes Jahr finden wir uns sowohl im Advent wie in der Fastenzeit zu dieser Begegnung ein. Heute kommt ein besonderer Anlaß hinzu: das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich begrüße ahe Anwesenden mit besonderer Herzlichkeit. Ich begrüße den Herrn Unterrichtsminister, die verehrten Hochschulrektoren, die Professoren und alle Vertreter aus der Welt der Kultur. Von Herzen begrüße ich euch alle, Studentinnen und Studenten, die ihr so zahlreich zu dieser Gebetsbegegnung gekommen seid. Pilger aus verschiedenen Teilen der Welt besuchen besonders in diesem Jahr die Gräber der Apostel. Ich freue mich, daß ich heute abend diesen Pilgerbesuch zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, machen kann. Ich hoffe, daß sich euch das Geheimnis des Advent, das unsere Herzen mit der mitreißenden Tiefe der Erlösung ansprechen will, in seiner größeren Fülle enthüllen möge. Denn der Advent führt uns in die Erlösung der Welt ein und zeigt uns ihre Wurzeln: ihren „Anfang“ in Gott, und er zeigt uns gewissermaßen auch den „Anfang“ des Menschen. Dabei handelt es sich nicht nur um den Anfang im geschichtlichen Sinn. Es ist einfach der — unaufhörliche — „Anfang“. Der „Anfang“, der nicht nur einmal „gewesen ist“, sondern der ewig „ist“; und der in jedem von uns ist! Das ist der Grund, warum wir in der Adventszeit beim Tisch des göttlichen Wortes Zusammenkommen und von ihm zum Tisch des eucharisti-schen Mahles weitergehen sollen. Wir haben für diese Begegnung den 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRA CHEN heutigen Abend gewählt. Wir wollen durch Nachdenken über das Wort Gottes unser Bewußtsein des Advent und der Erlösung vertiefen. Wir wollen in der Eucharistie das Heilswerk Christi empfangen: jene sakramentale Frucht der Erlösung der Welt, die in unwiederholbarer Weise für jeden von uns bestimmt ist, je nach dem Maß unseres Bewußtseins und unserer Liebe. 2. „Bereitet dem Herrn den Weg ...“ Diese Worte hat einst der große Prophet Jesaja, der Evangelist des Alten Testaments, gesprochen. Dieselben Worte waren am Jordanufer zu hören, als das Kommen Christi bevorstand. Johannes, der Sohn des Zacharias und der Elisabeth, hat sie wiederholt, als er die Zuhörer aufforderte, sich zum Zeichen der Buße taufen zu lassen. „Das ganze Volk, das Johannes hörte, selbst die Zöllner, sie alle haben den Willen Gottes anerkannt und sich von Johannes taufen lassen. Doch die Pharisäer und die Gesetzeslehrer haben den Willen Gottes mißachtet und sich von Johannes nicht taufen lassen“ (Lk 7, 29-30). Kann der Mensch den Willen Gottes mißachten? Kann der Mensch den Willen Gottes in bezug auf ihn selbst mißachten? Das ist die Frage, die sich uns beim Nachdenken über die Worte des heutigen Adventsevangeliums stellt. Es ist die Frage, bei der wir uns aufhalten müssen. Denn sie erlaubt uns ein tieferes Eindringen in das Geheimnis von Erlösung und Advent. Der Text des Lukasevangeliums ist sehr klar. An den Ufern des Jordan lehrt ein Gottesmann. Ein Prophet, ja mehr als ein Prophet. Ein Mann, der nicht nur mit seinen menschlichen Worten die von Gott stammende Wahrheit verkündet, sondern der Prophet, der mehr als jeder andere, das bevorstehende Heilsereignis ankündigt. Er führt die Menschen zur Begegnung mit ihm. Er ist nicht nur Prophet, sondern der Bote! Darum predigt er nicht nur, sondern ergänzt seine Worte durch ein Zeichen der Umkehr: die Taufe. Durch diese Taufe als Zeichen der Buße will er seine Zuhörer am Kommen des Herrn teilnehmen lassen. Er trachtet, in ihren Herzen den Advent und die Erlösung vorzubereiten. Diejenigen, die die Taufe empfangen, haben die Worte des Propheten vernommen und „den Willen Gottes anerkannt“: Das heißt, sie haben die in den Worten des Johannes enthaltene Wahrheit als die von Gott stammende Wahrheit angenommen. Diejenigen, die sich nicht taufen lassen, wollen diese Wahrheit nicht anerkennen: Sie „mißachten den Willen Gottes“. Und damit mißachten sie den Willen Gottes in bezug auf sich. 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Kann der Mensch den Willen Gottes mißachten? Kann der Mensch den Willen Gottes seiner Bestimmung gegenüber mißachten? Die Antwort auf diese Frage steht gewissermaßen bereits am Beginn der Heiligen Schrift, in den ersten Kapiteln der Genesis. Ja, der Mensch, der erste Mensch - Mann und Frau - mißachtet Gottes Willen und Plan für sich und indirekt für alle Menschen. Die ursprüngliche Unschuld und Gerechtigkeit weichen der Ursünde. Indem er sich entgegen den Worten des Schöpfers verhält, anerkennt der erste Mensch nicht den Willen Gottes - indem er seinem Willen zuwiderhandelt, „mißachtet“ er Gottes Plan für sich und für seine Nachkommen. Über das alles sprechen die ersten Kapitel des Buches Genesis. Gleichzeitig jedoch enthüllen diese Kapitel noch eine andere Wahrheit: Es gelingt dem Menschen nicht, den Heilsplan Gottes zunichte zu machen. Die Ursünde, der Bruch des ersten Bundes mit dem Schöpfer zieht die Vorankündigung des Erlösers nach sich; die Ankündigung des Neuen und Ewigen Bundes Gottes mit dem Menschen in Jesus Christus. Zugleich mit der Ursünde beginnt der Advent der Geschichte der Menschheit - und in den Herzen der Menschen beginnt das Geheimnis von der Erlösung des Menschen tätig zu werden. Gottes Plan kann nicht zunichte gemacht werden. Die Sünde des Menschen vereitelt von seiten Gottes nicht den Willen seiner Erlösung. Gottes Liebe ist größer als die Sünde des Menschen. 4. Und genau von dieser Liebe Gottes, die größer ist als die Sünde des Menschen, spricht heute die erste Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja. Es ist eine Einladung zur Freude an Israel als auserwähltes Volk. Die Erwählung des Volkes wird in den Worten des Propheten mit der Erwählung der Braut durch den Bräutigam verglichen. Lesen wir die Worte, die uns nur mit ehrfürchtigem Staunen erfüllen können: „Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl, ,Herr der Heere“ wird er genannt. Der heilige Gott Israels ist dein Befreier, ,Gott der ganzen Erde“ wird er genannt ...“ (Jes 54, 5). Gegenüber diesem Gemahl und Befreier hat sich die Braut Israel mehr als einmal als untreue Braut und ehebrecherische Gemahlin erwiesen. Sie hat mehr als einmal - kann man sagen - Gottes Heilsplan ihr gegenüber „mißachtet“. Doch dieser Heilsplan dauert in Gott unerschütterlich und unermüdlich fort. So fährt der Prophet in seinen Worten fort: „Kann man denn die Frau 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verstoßen, die man in der Jugend geliebt hat?, spricht dein Gott. Nur für eine kleine Weile habe ich dich verlassen, doch voller Erbarmen hole ich dich zurück. Einen Augenblick nur verbarg ich vor dir mein Gesicht in grollendem Zorn; aber in meiner ewigen Gnade habe ich Erbarmen mit dir, spricht der Herr, dein Befreier“ (Jes 54, 6-8). Ja: der Befreier. Die Befreiung oder Erlösung ist das Zeichen einer Liebe, die größer ist als die Schuld des Menschen; sie ist Zeichen einer Liebe, die mächtiger ist als der Tod. Eine solche Liebe kann von keiner Sünde oder Schuld und von keiner Untreue des Menschen, der Völker und der Menschheit „zunichte gemacht werden“. Die Liebe bleibt immer Liebe, und darin besteht ihr endgültiger Sieg in der Geschichte der menschlichen Sünde: „Auch wenn die Berge von ihrem Platz weichen und die Hügel zu wanken beginnen — meine Gnade wird nie von dir weichen und der Bund meines Friedens nicht wanken“ {Jes 54, 10). 5. Der Advent spricht eben von dieser Liebe, die „nicht vom Menschen weicht“. Und der Advent des Jahres der Erlösung macht das noch deutlicher offenbar. Gott entfernt sich nicht vom Menschen. Er kehrt immer wieder zu ihm zurück. Er „kommt“ immer. Jedes Jahr erlebt die Kirche aufs neue das Geheimnis vom Kommen Gottes. Der Advent beweist, daß die Menschheit den Heilsplan Gottes in keiner Etappe der Geschichte zu „vereiteln“ vermag. Der Advent des Jahres 1983 bezeugt, daß die heutige Welt Gottes Heilsplan nicht zu vereiteln vermag. Diese Welt, in der wir leben. Und das ist eine Welt voll von Gegensätzen und Spannungen. Wenn sie uns auf der einen Seite mit den Errungenschaften des technischen Fortschritts blendet, so rufen auf der anderen Seite die Gefahren noch unbekannten Ausmaßes und die Möglichkeit der Selbstvernichtung in uns Furcht und Schrecken hervor. Das ist die Welt, die in verschiedener Weise mit Schuld und Sünde beladen ist. Das hat auch die Beratung der letzten ordentlichen Versammlung der Bischofssynode im Oktober festgestellt, deren Thema lautete „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“. In den Aussagen der Synodenteilnehmer wurde wieder in verschiedenster Weise die Tatsache bestätigt, daß der Mensch den Heilsplan Gottes in bezug auf sich „mißachten“ kann, wenn er „den Willen Gottes nicht anerkennt“, wenn er nicht die Versöhnung mit Gott und den Weg der Buße sucht. 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ebenso ist jedoch die Wahrheit noch klarer geworden, daß jener Heilsplan Gottes nicht zunichte gemacht werden kann. Das Geheimnis der Erlösung gibt Zeugnis von der Liebe, die größer ist als die Sünde des Menschen und die „Schuld der Welt“. 6. So also fällt die Antwort auf die Frage: Was ist Advent - besonders der Advent des Jahres der Erlösung - endgültig auf jeden von uns zurück. Wir befinden uns in derselben Situation, in der sich die Zuhörer Johannes des Täufers am Jordanufer befunden hatten. Der Prophet sagte: „Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen!“ Und er sagte das in der Mehrzahl, er sagte es zu allen. Dennoch begriff jeder der Anwesenden, daß er ihn ansprach. Jeder wußte, daß es von ihm persönlich abhing, den „Willen Gottes anzuerkennen“, den Willen, der sich in den Worten des Propheten kundtat. Von ihm persönlich hing es ab, ob er „die Taufe als Zeichen der Buße“ empfangen oder „Gottes Plan und Willen ihm gegenüber mißachten“ wollte. Dieser Heilsplan ist grundsätzlich und endgültig auch an jeden von uns gerichtet. Er richtet sich an die Erkenntnisfähigkeit und vor allem an das Gewissen, das den Willen Gottes anerkennt. Das aber heißt, daß wir auch die Wahrheit über die Sünde annehmen, die uns unser Gewissen anzeigt. Daß wir diese Sünde vor Gott bekennen. Daß wir sie im Sakrament der Kirche bekennen. Jawohl, der Heilsplan Gottes richtet sich an jeden von uns durch das eigene Gewissen. Achten wir darauf, daß es in der Wahrheit bleibt und redlich ist! Es ist richtig, daß man heute der sozialen Dimension der Sünde mehr Aufmerksamkeit schenkt. Aber es wäre gefährlich, sollte der Begriff der „Kollektivschuld“ die eigene und persönliche sittliche Verantwortung jedes einzelnen von uns verdunkeln. Denn jeder von uns hat die Möglichkeit, den Heilsplan Gottes in bezug auf sich zu „mißachten“; er kann zwar nicht den göttlichen Heilsplan an sich — in Gott selbst —, wohl aber in bezug auf sich vereiteln. In dieser Dimension kann er ihn zunichte machen. Darin besteht die Größe und das Drama der menschlichen Freiheit. Gott läßt es zu, daß sein Heilsplan vom Menschen mißachtet wird; denn er hat den Menschen frei geschaffen und achtet seinen freien Willen. 7. Advent. Advent des Jahres der Erlösung. Wir kommen hierher, um dem Herrn den Weg zu bereiten. Wir kommen hierher, um für ihn die Straßen unseres Lebens, unseres Gewissens, 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unserer Familien, unserer Umwelt, unseres Volkes ... zu ebnen, weil „alle Menschen das Heil sehen sollen, das von Gott kommt“. Die Frucht der Begegnung im Advent ist darum, daß der Heilsplan Gottes für keinen von uns vereitelt werden soll und darf. Er darf von keinem von uns für die anderen vereitelt werden. Wir denken dabei: Wer sind jene „anderen“? Wie weit reicht der Einfluß unserer „Gedanken, Worte, Werke und Versäumnisse“? Das ist der wichtigste Gedanke, der am Tisch des Wortes Gottes durch das Nachdenken über dieses Wort in uns zur Reife gelangt. Und mit diesem Gedanken, mit diesem Vorsatz treten wir an den Tisch des Brotes des Herrn: zur Eucharistie. „Ich will dich rühmen, Herr, denn du hast mich aus der Tiefe gezogen ... Herr, du hast mich herausgeholt aus dem Reich des Todes, mich zum Leben gerufen“ (Ps 30, 2.4). Die Kirche sammelt und bewahrt alles Eröffnung der Ausstellung zum Gedenken an die Türkenschlacht bei Wien vor 300 Jahren am 20. Dezember in den Vatikanischen Museen Ich danke Professor Carlo Pietrangeli für die freundlichen Worte zu Beginn der Eröffnung der „Gedenkausstellung zum 300. Jahrestag der Schlacht bei Wien“, die von der Generaldirektion der Päpstlichen Denkmäler, Museen und Galerien in Zusammenarbeit mit der Apostolischen Vatikanischen Bibliothek ausgerichtet wurde. Zunächst stellt sich bei mir das Gefühl der Bewunderung ein: Wie viele Dinge gibt es da zu sehen und zu entdecken in einer so sorgfältig zusammengestellten Sammlung von Fundstücken, Dokumenten und Raritäten, die mannigfache Aspekte jener Schlacht wieder lebendig werden lassen sollen. Der Held dieser Schlacht, Jan III. Sobieski, hatte sein Lager auf der Anhöhe des Wienerwaldes auf geschlagen: So sehen wir es auf dem großen Gemälde des Malers Jan Alois Matejko, in einem der hier benachbarten Säle, dargestellt. Ein zweites Gefühl ist das der Anerkennung für diese interessante Initiative, die eine vertiefte Kenntnis jenes historischen Ereignisses fördert: Österreich war zum Sorgenkind Europas geworden, als die Truppen des osmanischen Reiches Wien belagerten. Es fehlt in dieser Ausstellung 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht an klaren Zeugnissen für den bewundernswerten Heldenmut der Verteidiger der Stadt, die in ihrem Glauben, im Gebet und in der Überzeugung Rückhalt fanden, daß sie nicht nur für ihr Land, sondern auch für Europa und für die Christenheit kämpften. Und das dritte Gefühl, das mich erfüllt, ist das der Dankbarkeit an alle, die ihren Beitrag an Einfällen und aktiver Suche nach Möglichkeiten zur Verwirklichung dieser Ausstellung geleistet haben, die nach wissenschaftlichen Kriterien ein so bedeutendes und wertvolles Material zugänglich macht, das die Kenntnis von diesem Ereignis dadurch erleichtern und fördern soll, daß es dieses exakt und umfassend darstellt; damit soll, dem Leitspruch „Pro communi doctorum virorum commodo“ („Zum gemeinsamen Vorteil der Gelehrten“) Papst Nikolaus V., des Gründers der Apostolischen Bibliothek, die hier gleichfalls ihre lobenswerte Mitarbeit zur Verfügung gestellt hat, folgend, die Verbreitung der Kultur erleichtert werden. Die Kirche sammelt und bewahrt alles, was zur Geschichte des Menschen gehört, weil ihr nichts Menschliches fremd oder gleichgültig ist. Mit diesen Gedanken spreche ich Ihnen nochmals meine dankbare Genugtuung aus und segne Sie im Namen des Herrn. Friede - die Kirche ist „zu allem, was möglich ist, bereit“ Weihnachtsansprache an die Kardinale und alle Mitarbeiter der Römischen Kurie am 22. Dezember Meine Herren Kardinäle, verehrte Brüder und Mitarbeiter 1. Herzlich danke ich dem verehrten Herrn Kardinaldekan für seine Glückwünsche, die stets so edel und tief empfunden sind und die er mir, wie jedes Jahr, unmittelbar vor den Weihnachtsfeiertagen in Ihrer aller Namen dargebracht hat. Wenn es schon immer eine besondere Freude ist, diese Gratulation in der einzigartigen Atmosphäre der Freude und Erwartung entgegenzunehmen, von der das Leben an der Kurie gerade in dieser Zeit geprägt ist, so ist in diesem Jahr ohne Zweifel die Freude noch viel größer. Es ist ja das Weihnachtsfest im Heiligen Jahr der Erlösung. Wir spüren es alle, daß die Wirklichkeit der Geburt Jesu in diesem Jahr tief 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verankert ist in der Wirklichkeit des Jubiläumsjahres. Das Gedenkjahr wirft ein außergewöhnlich helles Licht darauf. Jesus kommt, um uns das Heil zu bringen. Der Sohn Gottes zeigt sich in der Demut und Verborgenheit der menschlichen Natur, die er angenommen hat, um uns zu erlösen. Das ewige Wort wird Mensch, um den Menschen zur Höhe Gottes emporzuheben, um ihm durch seinen Tod das göttliche Leben zu vermitteln. „Er wurde das, was du, Menschensohn, bist“, bemerkt eindrucksvoll der hl. Augustinus, „damit wir Söhne Gottes würden! ... Von dir nahm er die Natur an, in der er für dich sterben wollte; von dir nahm er an, was er für dich hingegen wollte“ (Enarr. in Ps LXX, II, 10; CCL 39, 968). Das erlösende Kreuz wirft schon seinen Schatten auf die Welt, auch im Licht der Heiligen Nacht. Der Erlöser wird geboren, um für uns zu sterben! Daher all das Beglückende, zu Herzen Gehende, das uns Glaubende innerlich bewegt, gerade in diesem Jubiläumsjahr, das uns noch lebhafter als sonst das Opfer der erbarmenden Liebe vor Augen stellt und unserem Glauben darbietet, und das seinen geheimnisvollen Opfergang im Schoß Mariens und im Schweigen der Grotte von Betlehem beginnt. 2. Im vergangenen Jahr habe ich Ihnen bei dieser Gelegenheit meine Gedanken über die Bedeutung und die Intentionen des Jubiläumsjahres dargelegt. Abschließend sagte ich und bezog mich dabei auf meine Aufforderung zu Beginn meines Pontifikats: „Daher rufe ich nun der ganzen Kirche zu: ,öffnet die Tore dem Erlöser!’“ ( Weihnachtsansprache an die Kardinäle vom 23. 12. 82; in O.R. dt., Nr. 1 vom 1. 1. 83). An diesem Weihnachtsfest im Jubiläumsjahr wird die Aufforderung noch konkreter und realistischer. Wir müssen uns wirklich für Christus öffnen, der kommt. Die Türen der Herzen sollen nicht, wie die in Betlehem, kalt und den Glauben verweigernd geschlossen bleiben! Der Ruf ist um so aktueller, als die Gefahr nicht nur eingebildet ist, daß das Kommen des Herrn die Menschen abwesend und unvorbereitet findet oder allzusehr von Illusionen, Geschäften und Ängsten der vergänglichen Welt befangen. Die Gefahr ist nicht bloße Einbildung in einer Welt, die häufig das Leben verneint, dem Frieden mißtraut und gegenüber den Leiden der Schwachen, der Obdachlosen, der Flüchtlinge, der Hungernden gleichgültig bleibt. Mögen sich die Herzen für Christus öffnen Öffnet die Tore! Ich wiederhole es mit unerschütterlicher Kraft, in der Gewißheit, daß Christus allein die Erwartungen der Menschheit voll und 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganz erfüllen kann. Mögen sich die Herzen für Christus öffnen, der kommt: „Super lignum ostii nostri sacrae redemptionis confessio resplen-deat“, mahnt uns der hl. Ambrosius: „Auf unseren Türflügeln erstrahle das Bekenntnis der heiligen Erlösung!“ {Ep 23, 22). Wenn wir ihn aufnehmen, wird alles Verlangen des menschlichen Herzens erfüllt, und jener Friede, „den die Welt nicht geben kann“ und den sie doch mit aller Kraft ersehnt, läßt sich nur in ihm ganz finden, denn nur in seinem Kommen wird den Menschen, die Gott liebt, der Friede gebracht (vgl. Lk 2, 14). 3. Das bevorstehende Weihnachtsfest findet die Kirche auf allen Ebenen mitten in der Feier des Jubiläumsjahres. Ich möchte vor allem mit Freude mein Lob und meinen Dank all jenen ehrwürdigen Brüdern im Bischofsamt und allen Priestern und ihren Mitarbeitern zum Ausdruck bringen, die meine Ankündigung sogleich aufgegriffen und in diesem Sinn geeignete Initiativen entfaltet haben, um das Jubiläumsjahr auf der Ebene der Ortskirchen zu begehen und den Gläubigen in aller Welt die Möglichkeit zu bieten, das Geheimnis der Erlösung tiefer zu erfassen und es in seiner eigentlichen Bedeutung zu leben, vor allem durch die Sakramente der Versöhnung und der Eucharistie. So wurde dem entsprochen, was ich in der Weihnachtsbotschaft des vergangenen Jahres als Wunsch aussprach: „Das wird in den Gläubigen den Sinn für die Universalität der Kirche, für ihre ,katholische’ Note stärken, und es legt allen nahe, die Botschaft von der Erlösung sowie das Bemühen um Umkehr und geistliche Erneuerung, das diese einschließt, zu vertiefen, wozu es mit starker Suggestivität aufruft“ (O.R. dt. Nr. 1/ 1983, S. 7). So sind wir also nun, neun Monate nach seiner Eröffnung, mitten im Jubiläumsjahr der Erlösung. Von den Diözesen aller Welt laufen unaufhörlich erfreuliche Nachrichten ein. Die Kirche lebt das Jahr der Erlösung. Die Diözesen haben ein Programm aufgestellt, das dem Ziel und Zweck des Jubiläumsjahres entspricht, und die Gläubigen geben hochherzig und bereitwillig Antwort. Bußfeiern in den Kathedralkirchen, an bekannten, vor allem Marienwallfahrtsorten wie auch in den einzelnen dafür bestimmten Pfarrkirchen haben zur Erbauung und mit Nutzen stattgefunden. Für verschiedene Personenkreise wurden bestimmte Initiativen angekündigt und mit Ernst und Sammlung unternommen. Hier möchte ich vor allem die Jugend erwähnen. Sie zeigt, daß sie den Sinn des Jubiläumsjahres gut begriffen hat und es mit ernstem Bemühen 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um Erneuerung und um vertrauensvolle Offenheit für Gott und die Brüder leben will. Man ist auch in besonderer Weise um die Kranken bemüht, und das freut mich aus tiefstem Herzen, weiß ich doch, welchen Platz ihr Leiden im Heilsplan einnimmt. Vor allem ist es das Wiederaufblühen der Bußpraxis durch das Sakrament der Versöhnung, das zeigt, wie die grundlegenden Motive des Jubiläumsjahres tief ins Gewissen der Menschen gedrungen sind in der persönlichen Umkehr und Erhebung, so daß Sinn und Zweck des Jubiläums jahres im tiefsten erfüllt wurden. Deshalb also möchte ich noch einmal meine große, dankbare Hochschätzung für meine Brüder im Episkopat und für alle ihre Priester zum Ausdruck bringen. Im übrigen haben wir die Pilgerfahrten nach Rom, zu diesem Zentrum des katholischen Glaubens, das die unwiderstehliche Anziehungskraft der Apostelgräber und der unvergleichlichen Märtyrerstätten bewahrt, dauernd vor Augen, sie bedürfen keiner besonderen Erwähnung. Der Zustrom der „romei“, der Rompilger, hält beständig an, mit außerordentlichen Höhepunkten zur Fasten- und Osterzeit, und, wie üblich, im Laufe des Sommers, wobei die intensive geistliche Vorbereitung und Teilnahme kleiner Pfarr- und Diözesangruppen besonders auffiel. Das alles ist zweifellos ein Vorteil, ein Gewinn an Tiefe, ein Wachstum an geistlicher Reife. Und für alles danke ich vor allem dem Herrn, dann aber auch all denen, die durch beachtliche Anstrengungen in der Organisation pünktlich und gewissenhaft eine so wertvolle kirchliche Erfahrung ermöglicht haben und sie noch weiter ermöglichen. 4. Außergewöhnliche Impulse zu einer besonders bewußten und nachhaltigen Feier des Heiligen Jahres hat sodann auch die VI. Vollversammlung der Bischofssynode im vergangenen Oktober gegeben. Bekanntlich stand ihr Thema in voller Übereinstimmung mit dem Ziel des Heiligen Jahres, und, in der Tat, die Erörterungen über „Die Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ mußten im Gewissen der Gläubigen das Bewußtsein der Sünde wieder wecken wie auch die Sehnsucht nach jenen Früchten der Erlösung, die die Kirche wirksam vermittelt durch die öffentliche Verkündigung der Umkehr und die Ausübung ihrer Gewalt, in der Tiefe des Gewissens zu binden und zu lösen. In meinem Brief, den ich am vergangenen 25. Januar an alle Bischöfe als Begleitschreiben zu dem Instrumentum laboris für die Bischofssynode sandte, habe ich unterstrichen: „Den moralischen Übeln, die die Gesellschaft spalten und entzweien, liegt die Sünde zugrunde. Das ganze Menschenleben erscheint daher als manchmal geradezu dramatischer Kampf 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zwischen Gut und Böse. Nur wenn die Wurzel des Bösen ausgerissen wird, kann man zu einer wirksamen Versöhnung gelangen. Deshalb ist die Umkehr jedes Menschen zu Gott zugleich der beste Weg für eine dauerhafte Erneuerung der Gesellschaft, weil jeder Akt echter Versöhnung mit Gott durch die Buße seiner Natur nach neben der personalen auch eine soziale Dimension enthält. Die Synode hat bereits seit der ersten Vorbereitung diese Einfügung der Erlösung in das Wirken der Kirche im Auge, von wo der menschlichen Gesellschaft Hilfe zukommen soll. Die emsige Vorbereitungsarbeit auf die Synode wird daher in den Ortskirchen Nachdenken und Ansporn auslösen, was mit den Zielsetzungen des Heiligen Jahres übereinstimmt.“ (Schreiben vom 25. 1. 83; in O.R. dt., Nr. 9 vom 4. 3. 83, S. 1). Die Synodenväter ihrerseits haben sich in ihrer leidenschaftlichen Botschaft am Ende der Versammlung so ausgedrückt: „Das Wort Gottes spricht zur Menschheit über deren Nöte und Hoffnungen. Das Wort des Herrn, das er zu Beginn seines Heilswirkens sprach, richtet sich gerade in diesem Jahr der Erlösung mit besonderer Dringlichkeit an Glaubende und Nichtglaubende: ,Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!’ (Mk 1, 15). Dieses Wort ruft uns auf zu Buße und Bekehrung des Herzens, zur Bitte um Vergebung und so zur Versöhnung mit dem Vater. Der Plan und Ratschluß des Vaters für uns Menschenkinder ist, daß wir wie eine Familie in Gerechtigkeit und Wahrheit, in Freiheit und Liebe leben“ (O.R. dt. vom 4. 11. 83, S. 1.). Es ist ein Aufruf, den ich zu dem meinen mache in Erwartung, die Beschlüsse der Synode in einem zusätzlichen Dokument des ordentlichen Lehramtes der Kirche zusammenzufassen. Ein solcher Aufruf wird um so dringlicher in der unmittelbaren Nähe des Weihnachtsfestes, des Festes der Geburt des Herrn, wenn das göttliche Wort Mensch wird, um an die Tür eines jeden Herzens zu klopfen und die Zustimmung der Liebe zu erhalten. 5. Das alles macht die kommende Feier besonders bedeutungsvoll. Es ist das Weihnachtsfest der Erlösung. In der Heiligen Nacht hören wir den Gesang der Engel widerhallen. Sie preisen die Herrlichkeit Gottes im Himmel und singen vom Frieden der Menschen auf Erden, ein Gesang, der im Alleluja der Osternacht mit Macht wieder aufklingt. Der Heilsweg beginnt, den das Wort Gottes zusammen mit den Menschen gehen will, um sie zu Teilhabern an seiner Auferstehung zu machen. Wenn, wie ich bei der Ankündigung des Jubiläumsjahres sagte, dieses Jahr „ein gewöhnliches Jahr ist, das in außergewöhnlicher Weise gefeiert wird“, dann muß 1271 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieses Weihnachtsfest die Kennzeichen des Außergewöhnlichen tragen, indem wir - unsere Herzen für das Kind, das geboren wird, öffnen; - Früchte wahrer Umkehr bringen: sei es auf der persönlichen Ebene des einzelnen, auf der sich die entscheidende Rückkehr zu Gott vollzieht, auch nach der bitteren Erfahrung der Untreue und der Sünde; sei es auf der sozialen und der Gemeinschaftsebene, auf die sich die Fehler der einzelnen durch ein geheimnisvolles Gesetz der Verbundenheit und Mitverantwortung auswirken. Wie die Bischöfe in der bereits zitierten Schlußbotschaft der Synode schrieben: „Das menschliche Herz ist in sich selbst gespalten und von der Sünde gezeichnet. Grausamkeit und Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft haben nicht zuletzt darin ihre Ursache“ {O.R. dt. vom 4. 11. 83, S. 1). Weihnachten lädt alle zu echter Umkehr ein Das Weihnachtsfest dieses Jubiläumsjahres der Erlösung lädt alle Menschen, besonders die an Christus glaubenden, ein, sich ihrer Verantwortung bewußt zu werden und zu einer echten Umkehr zu gelangen, d. h. zum inneren Frieden mit Gott und feierlich zur Versöhnung in der Gesellschaft beizutragen, d. h. zum echten Frieden unter den Menschen. 6. Wir befinden uns heute tatsächlich in einer Situation dramatischer Spaltungen auf allen Ebenen, die die nachdenklicheren Menschen anregt, sich Gedanken über die Zukunft der Menschheit zu machen. Der Mensch ist in seinem Inneren gespalten durch die gegensätzlichen Spannungen, die er in sich fühlt, wie die Pastoralkonstitution Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils mit äußerster Klarheit unterstrichen hat, wo sie über den Zustand des Menschen in der heutigen Welt spricht (Nr. 4—10). „Als schwacher Mensch und Sünder“, so wird dort betont, „tut er oft das, was er nicht will, und was er tun wollte, tut er nicht (vgl. Röm 7, 14 ff). So leidet er an einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft.“ (ebd., Nr. 10). Diese Spaltung spiegelt sich schmerzlich wider in der Umwelt, in der der Mensch lebt. Vor allem in der Familie, die am unmittelbarsten und spürbarsten das tiefe Unbehagen des Menschen zum Ausdruck bringt. Neben großen und unleugbaren positiven Aspekten, auf die ich in dem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio hingewiesen habe, „gibt es Anzeichen einer besorgniserregenden Verkümmerung fundamentaler 1272 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werte: eine irrige theoretische und praktische Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Mißverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehung zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familien in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weit verbreitete Übel der Abtreibung; die immer häufigere Sterilisierung; das Aufkommen einer regelrechten empfängnisfeindlichen Mentalität“ (ebd Nr. 6). Das sind negative Elemente, die die wichtigste Lebenszelle beeinflussen, in der sich der Mensch entwickelt. Sie zeigen, wie die Krise des erlösungsbedürftigen Menschen sich in erster Linie auf die Familie auswirkt, die auch ihrerseits der Wiederherstellung der von Gott gewollten Ordnung bedarf, wenn sie ihre eigene Identität und ihre Funktion der Gewissensbildung wiederfinden will. 7. Das Unbehagen des gespaltenen Menschen wirkt sich sodann auf die gesamte Gesellschaft aus. Es gibt in unserer Welt dauernd Situationsherde, die einen Anschlag auf die von der Kirche im Namen Christi verkündete Botschaft der Versöhnung und der Umkehr darstellen; das wird täglich auf tragische Weise bestätigt. Der Krieg bedroht die Existenz der von gefährlichen Egoismen ausgehöhlten und fortwährenden Herausforderungen ausgesetzten Gesellschaft. Trotz der vortrefflichen Bemühungen internationaler und übernationaler Organisationen scheinen sich die Nationen immer mehr zu entzweien, und ihre gegenseitigen Beziehungen scheinen auf bedrohlichen Balanceakten zu beruhen. Die Verherrlichung einer Freiheit, die von jeder moralischen Norm absieht, droht den Menschen in seinem wunderbaren geistigen Reichtum und seinen Energien, von denen die Zukunft der ganzen Menschheit abhängt, zunichte zu machen. Und andererseits möchte in vielen Teilen der Welt die Einschränkung der elementarsten, von der Erklärung der Menschenrechte und deren jüngsten internationalen Nachfolgedokumenten bestätigten Freiheiten im Menschen den unauslöschlichen Atem seiner erstrangigen und fundamentalen Würde ersticken, jener Würde, die ihm als unsterblichem Abbild Gottes eingeprägt ist. Die Zerrissenheit des einzelnen Menschen wirkt sich in der ganzen Welt aus und schafft unerträgliche Zustände der Unterdrückung und Krisensituationen. Die persönliche Sünde nimmt planetarische Ausmaße an. Eben darum ist es notwendig, einen Frieden herbeizuführen, der von der wahren inneren Umkehr des einzelnen Menschen ausgeht, um so in alle Bereiche des sozialen und politischen Lebens vorzudringen. 1273 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Mit aller Demut, aber auch mit dem ganzen Freimut, der aus dem vollen Vertrauen auf die ihr vom Herrn versprochene Hilfe erwächst, ist sich die Kirche bewußt, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, damit das Leben des Menschen nach der grundlegenden, von Gott gewollten Ordnung abläuft. Vor allem für sein inneres Leben, das sie von Normen geregelt, von der Liebe diktiert und von der Gerechtigkeit geprägt wünscht. In diesem Licht nun stellt sich das historische Ereignis dar, das in dieses Jubiläumsjahr fiel, die Formulierung des neuen Kodex des Kirchenrechts, 24 Jahre nach seiner ersten Ankündigung durch meinen Vorgänger Johannes XXIII. Auch dies ist ein kirchliches Werk, dessen wohltätige Einflüsse im Licht der Menschwerdung des göttlichen Wortes gesehen werden müssen. Christus gehorcht in seiner Menschwerdung dem Willen des Vaters, der ihn gesandt hat (vgl. Hebr 10, 5-11; Joh 6, 38). Im Gehorsam des Sohnes gegenüber dem Vater, wie er im Weihnachtsgeheimnis aufleuchtet, wurzelt der Gehorsam derer, die Söhne in seinem Sohn sind. Ziel der gesamten Gesetzgebung der Kirche, die jetzt im Licht des Zweiten Vatikanischen Konzils überprüft wurde, ist nichts anderes, als - wie es in der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae heißt - „der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und dem Charisma den Vorrang einräumt und zugleich ihren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert“ (29. Januar 1983, AAS., 74, Pars II, 1983, p. XI.; in: O. R. dt. Nr. 5 vom 4. 2. 83, S. 4). Mit anderen Worten: Das geschriebene Gesetz dient dem Leben der Gnade, erleichtert es, sorgt für die Bedingungen, unter denen es sich entfalten kann. Es ist die Kirche, die sich selbst die grundlegenden Bedingungen für das Leben ihrer Söhne und Töchter sicherstellt. An zweiter Stelle wird die Kirche nicht müde, ihre Mitarbeit auch im äußeren Bereich anzubieten, um die schon erwähnte Herde der Entzweiung und des Hasses zu löschen. Sie verkündet die Versöhnung sowohl dem einzelnen Menschen wie auch auf der Ebene der Völker: durch die Bestrebungen der einzelnen sozialen Gruppen nach bürgerlicher Eintracht und Zusammenarbeit wie auch in den internationalen Bestrebungen nach wirksamer Verständigung und wahrem Frieden. Es ist eine Botschaft, die alle mit einbezieht, ohne Ausnahme. Wie ich am vergangenen 6. März in meiner Predigt in San Salvador unterstreichen wollte, „weiß der Christ, daß alle Sünder heimgeholt werden können; daß der Reiche ... seine Haltung ändern kann und muß; das jeder, der Gedanken des Hasses und der Rachsucht hegt, sich von 1274 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser Knechtschaft befreien kann und muß; daß Konflikte überwunden werden können; das dort, wo die Sprache der Waffen das Feld beherrscht, die Liebe herrschen kann und muß als unersetzbarer Faktor des Friedens. Und wenn ich von der Bekehrung als einem Weg zum Frieden spreche, rede ich nicht einem künstlichen Frieden das Wort, der die Probleme nur zudeckt und die Reparaturbedürftigkeit des inneren Mechanismus ignoriert. Es geht um einen Frieden in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit, in der ungeschmälerten Anerkennung der Rechte der menschlichen Person, einen Frieden für alle“ (O.R. dt., Nr. 11 vom 18. 3. 83, S. 9). Das Handeln der Kirche gilt allen. Und die Kirche betet, daß allen jener Friede zuteil wird, nach dem sie sich aus tiefstem Herzen sehnen. Zu diesem allgemeinen, eifrigen Gebet habe ich auch am Vorabend des Festes Mariä Himmelfahrt die riesige Menschenmenge auf der Esplanade des Heiligtums von Lourdes aufgefordert: „Sie alle sollen in unser Gebet aufgenommen werden, jene Männer und Frauen, die in irgendeinem Teil der Welt von Hunger, von den Verwüstungen des Krieges und von der Vertreibung bedrängt sind, die Opfer des Terrorismus — des politischen oder auch nichtpolitischen Terrorismus — sind, der gewissenlos Unschuldige trifft; die Opfer des Hasses, aller Unterdrückungen und Ungerechtigkeiten, des Menschenraubes, der Folterung und der ungerechten Verurteilung. Wir wollen für alle jene beten, die unerträglichen Angriffen auf ihre Menschenwürde ausgesetzt sind, für die, deren berechtigte Freiheit Einschränkungen erleidet, und schließlich für jene, deren gerechtfertigte nationale Bestrebungen unterdrückt werden. Möge sich die Haltung der Verantwortlichen ändern und mögen die Opfer Trost und Stärkung erfahren! Denken wir auch an das moralische Elend derer, die in Korruption verschiedener Art verstrickt sind. Beten wir schließlich für alle jene, die in ihrer Lage als Einwanderer, Arbeitslose, Kranke, Leidende und Vereinsamte ernsten Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Christus, der Sohn Gottes, leidet in ihnen“ (O.R. dt., Nr. 35 vom 2. 9. 83, S. 5). Frieden innerhalb der Nationen, Frieden in den Beziehungen der Völker untereinander: daran arbeitet die Kirche, und dabei will sie allen Menschen guten Willens ihre Mitarbeit anbieten, den Regierenden sowohl wie dem Mann auf der Straße. Nie werde ich müde, dieses Gespräch anzuknüpfen bei meinen Begegnungen mit Staatsoberhäuptern, mit den Verantwortlichen der internationalen Politik, mit der Menschenmenge auf meinen Reisen, wobei ich mich vor allem an Mittelamerika, Polen und Österreich erinnere. Auch das gehört folgerichtig zu der Welle der 1275 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Umkehr, die in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung alle Völker erfassen soll. Es geht um ihr Leben! Es geht um die Zukunft der Menschheit! 9. Ihr seht also, wie in diesem Jubiläumsjahr alle Situationen sich aneinanderreihen und zusammenfließen, in denen die Menschheit heute lebt, im Guten wie im Bösen. Die Leiden, die, wie ich im vorigen Jahr bei dieser Gelegenheit erwähnte, im heutigen Menschen die Passion Christi fortsetzen - adimpleo ae quae desunt (Kol 1, 24) - haben sich noch weiter verschlimmert; denken wir nur an die wachsende Verschärfung der Lage im Libanon und in anderen Gebieten des Nahen Ostens und in Mittelamerika, an den unerbittlich fortlebenden Terrorismus, an die Entführungen, die ganze Familien in Ängsten halten. Frieden, der nur in Gott seine Verwirklichung findet Aber so schmerzlich diese Tatsachen auch sind, die ich nur summarisch gestreift habe, sie dürfen doch nicht all das Gute vergessen lassen, das es in der Welt gibt: den Eifer für das Gebet und für tieferes Eindringen in den Geist des Evangeliums bei der Jugend; die hochherzige Treue bei der Mehrheit der Familien, auch in wirklich ernsten und schwierigen Situationen; die sich festigende Solidarität zugunsten weniger begüterter Menschen; die Missionstätigkeit der Kirche; das Verlangen nach einer Rückkehr zu den Quellen, vor allem durch die heilige Liturgie, das so viele Menschen und so viele Organisationen des Laienapostolats beseelt. Das Jubiläumsjahr, das in seinen Ruf zur Umkehr alle diese Stimmen der heutigen Welt, die frohen und die traurigen, vereint, stellt sie in das richtige Licht, gliedert sie in das rechte Verständnis ein und läßt auf ein besseres Morgen hoffen, auf eine Reifung der Gewissen im Licht des Evangeliums Christi. 10. Darum soll das Weihnachtsfest des Heiligen Jahres ein besonderer Anruf an alle sein. Es soll uns einladen, uns noch tiefer der Verantwortung bewußt zu werden, die der menschgewordene Herr seiner Kirche für das Heil des Menschen anvertraut hat. Es soll uns aneifern, noch mehr dafür zu arbeiten, daß sein Kommen die Menschheit wirklich dazu veranlaßt, auf das Ziel hin zu leben, das er der Weltgeschichte eingeprägt hat. Nach der Geburt Christi ist alles anders geworden: „Ecce nova facio omnia - Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21, 5). Sein Kommen schließt eine kosmische Erneuerung in sich, denn, wie Chrysostomus schreibt, „die 1276 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschwerdung des Sohnes Gottes ist die Zusammenfassung und die Wurzel aller Güter“ (In Matth. Hom. II, 3; PG 57, 27). Sie bedeutet die Erneuerung des Menschen: „Es war notwendig für das Menschengeschlecht, daß Gott Mensch würde - sagt der hl. Thomas - um die Würde der menschlichen Natur zu zeigen ... In der Menschwerdung wollte Gott seine Liebe zu den Menschen offenbaren, um sie so zu veranlassen, sich Gott nicht aus Furcht vor dem Tod . . ., sondern aus Liebe zu seiner Barmherzigkeit zu unterwerfen“ (Compendium Theolo-giae, 201). Sie bedeutet die Erneuerung der Familie, die in Betlehem und in Nazaret das vollkommene Beispiel für ihr eigenes Leben und die Anregung und Kraft für den täglichen Heroismus findet, zu dem sie berufen ist. Die kürzlich vom Hl. Stuhl herausgegebene „Charta der Familie“ hat hervorgehoben, daß „die Familie, die vielmehr ist als eine bloße juridische, soziale und ökonomische Einheit, eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität bildet, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft“ (Charta der Familienrechte, 22. Oktober 1983 Präambel, E. in: O.R.dt. Nr. 48 vom2.12.1983, S. 1). Und diese Liebe und diese Solidarität finden im Geschehen der Weihnacht eine Anregung von Kraft und Milde, das ideale Milieu, die höchste Rechtfertigung. Schließlich bedeutet die Menschwerdung des Sohnes Gottes eine Erneuerung der Gesellschaft durch die Verkündigung jenes Friedens, der nur in Gott seine Verwirklichung und seinen Schutz findet und der heute gerade deswegen der Welt fehlt, weil man nicht den Mut findet, sich an Gott, den Ursprung des Friedens, zu wenden. Denn nur der Sieg über die Sünde und über die persönlichen Egoismen kann zum Frieden führen. 11. Wird nun endlich die Morgendämmerung des Friedens aufsteigen? Das ist der Seufzer, der sich aus der ganzen Menschheit erhebt. Der Glaube sagt uns, daß es möglich ist: in dem Maß nämlich, in dem die Welt lernt, Christus, der im Kommen ist, aufzunehmen; in dem Maß, in dem die Menschen lernen, den Verlockungen des Egoismus zu widerstehen, auf unvernünftige und erniedrigende Genüsse zu verzichten und sich zur Umkehr des Herzens anzuschicken. Diese unerschütterliche Hoffnung vertraue ich der Fürsprache der heiligen Jungfrau an. Sie ist das Urbild der Kirche, vor allem in dieser Zeit der Erwartung, als Jungfrau im Hinhören auf das Wort Gottes und als Mutter, 1277 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die der Welt das menschgewordene Wort des Vaters darbietet. Darum kann sie allein die Kirche an diesem Weihnachtsfest im Jubiläumsjahr der Erlösung auf den Weg der wahren Versöhnung und des echten Friedens mit Gott und den Brüdern führen. Mit ihr gehen wir dem Erlöser entgegen: Während wir Jahr für Jahr dem großen Jubiläum des Jahres Zweitausend näherkommen, können wir mit ihr und wie sie die Verheißung des Erlösers in uns Wirklichkeit werden lassen. Wir können seine Aufforderung zur Umkehr annehmen und in der Wahrheit seines Evangeliums und der Kraft seiner Liebe leben. Erroris umbras discute, / Syrtes dolosas amove, / fluctus tot inter, deviis / tutam reclude semitam. Ja, Maria möge uns den sicheren Weg zu Christus, dem Erlöser, öffnen und uns in ihrer mütterlichen Liebe zu ihm führen. In Erwartung dieses Weihnachtsfestes, mit den herzlichen Empfindungen, die es in uns weckt, segne ich euch alle, im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr! „Die Gnade Gottes ist erschienen“ Predigt bei der Christmette in Sankt Peter am 25. Dezember 1. Custos, quid de nocte? Wächter, wie lang noch dauert die Nacht? (vgl. Jes 21, 11). Ich verkünde nun: Es ist Mitternacht! Diese Mitternacht verschiebt sich von Osten nach Westen. Je nach dem Längenkreis. Im Osten ist sie uns bereits vorausgegangen, im Westen steht sie noch bevor ... Ja, ich verkünde die Mitternacht; an jedem Ort und in jedem Augenblick, wo sie den Erdkreis durchläuft, verkünde ich: Es ist Mitternacht! Ich, Wächter des großen Geheimnisses. Ich, Bischof von Rom, verkünde überall die Weihnachtsnacht. „Singet dem Herrn ein neues Lied, singt dem Herrn, alle Länder der Erde“ (Ps 96, 1). 2. Frohlocke, o Erde! Frohlocke, denn du bist auserwählt worden, auserwählt aus dem ganzen Universum. 1278 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und mit dir ist das ganze Universum auserwählt worden. Frohlocke, o Erde! „Der Himmel freue sich, die Erde frohlocke, es brause das Meer und alles, was es erfüllt! Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst! Jubeln sollen alle Bäume des Waldes vor dem Herrn, wenn er kommt“ (Ps 96, 11-12). Frohlocke, o Erde! Denn du bist auserwählt worden, Geburtsstätte Gottes in einem menschlichen Leib zu sein. Die ganze Erde vereinige sich um jene einzigartige Mitternacht! Die Macht der ganzen Schöpfung lasse ihre Stimme vernehmen! Sie spreche durch die Existenz aller geschaffenen Welten! Sie spreche mit der Sprache der Menschen! 3. Siehe, der Mensch spricht. Sein Name ist Lukas, der Evangelist. Er sagt: „. . . für Maria kam die Zeit ihrer Niederkunft, und sie gebar ihren Sohn, den Erstgeborenen. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz für sie war“ (Lk 2, 6-7). So ist der Sohn Gottes zur Welt gekommen. Maria war mit Josef, der aus dem Haus David stammte, verlobt. Josef war Zimmermann in Nazaret. Das Kind ist in Betlehem zur Welt gekommen, weil sich die beiden, Maria und Josef, dorthin begeben hatten, um sich entsprechend der Anordnung des Kaisers Augustus in die Steuerlisten eintragen zu lassen. 4. Das sind die Worte des Menschen. Gleichzeitig mit dem Menschen spricht der Engel des Herrn. Er spricht zu den Hirten, während sie inmitten der tiefen Nacht von Betlehem „der Glanz des Herrn umstrahlte“ {Lk 2, 9). Und die Hirten „fürchteten sich sehr“ {Lk 2, 9). Er sagte zu ihnen: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Messias, der Herr. Und das soll euch als Zeichen dienen: Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ {Lk 2, 10-12). Der Mensch und der Engel sprechen von demselben Ereignis und bezeichnen denselben Ort. Der Engel spricht über das, was der Mensch nicht zu sagen wagt: In Betlehem ist der Messias zur Welt gekommen, das heißt der Gesalbte, der 1279 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kraft des Heiligen Geistes zur Menschheit kommt. In Betlehem ist auf Erden der Erlöser der Welt geboren worden. Er . . . wird über die Erde richten. Er . . . wird gerecht richten über die Welt. Ja, er wird sich „hingeben für uns, um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört . . .“ (77t 2, 14). Er wird sich für uns hingeben: Das ist sein Gericht! 5. Wächter, wie lange noch dauert die Nacht? (vgl. Jes 21, 11). Ja, ich verkünde die Mitternacht . . . Aus der Tiefe der Nacht von Betlehem, die die Nacht der ganzen Menschheit auf Erden ist, . . . „ist die Gnade Gottes erschienen, um alle Menschen zu retten“ (777 2, 11). Was ist die Gnade? Die Gnade ist das göttliche Wohlgefallen. Sie ist vollständig konzentriert in diesem Kind, das in der Krippe liegt. Dieses Kind ist der ewige Sohn, Sohn des göttlichen Wohlgefallens, Sohn der ewigen Liebe. Dieses Kind ist der Sohn Mariens. Er ist Menschensohn, er ist wahrer Mensch. Das ewige Wohlgefallen des Vaters konzentriert sich auf den Menschen: das ist die Gnade! „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2, 14). Dieses göttliche Wohlgefallen an dem Menschen wurde vom Sohn Mariens in der Nacht von Betlehem auf die Erde gebracht. „Die Gnade Gottes ist erschienen“ (777 2, 11). Von Betlehem beginnt seine Ausstrahlung auf den Menschen aller Zeiten. Was ist die Gnade? Es ist der Beginn der Herrlichkeit, jener Herrlichkeit, die Gott im Himmel besitzt. Und zu dieser Herrlichkeit ist der Mensch in Jesus Christus berufen worden. Und das geschah eben in der Nacht von Betlehem. 6. Darum: Erde, frohlocke! Erde, die du Wohnstatt des Menschen bist! Nimm wieder den Glanz der Nacht der Geburt Gottes in dir auf! Vereinige dich rund um diesen Glanz! Verkünde der ganzen Schöpfung die Freude der Erlösung! 1280 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verkünde der ganzen Welt die Hoffnung auf die Erlösung der Welt! „Es jauchze die Flur und was auf ihr wächst! Jubeln sollen alle Bäume des Waldes vor dem Herrn“ (Ps 96, 12-13). Siehe, er kommt! Siehe, er ist schon mitten unter uns: Immanuel! Die ganze Macht zur Erlösung der Welt ist in ihm. Halleluja! „Höre, Vater, den Schrei nach Frieden“ Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ auf dem Petersplatz am 25. Dezember 1983 1. Vater, wir danken dir für das ewige Wort, das Fleisch angenommen hat und in der Nacht von Betlehem gekommen ist, um unter uns zu wohnen (vgl. Joh 1, 14). Wir danken dir für dieses Wort, dem du von Ewigkeit her die heilige Wirklichkeit deiner Gottheit mitteilst. Wir danken dir für das Wort, in dem du nach deinem ewigen Ratschluß die Welt geschaffen hast, auf daß sie dich bezeuge. Wir danken dir, weil du in deinem ewigen Wort schon „vor der Erschaffung der Welt“ (Eph 1, 4) den Menschen geliebt hast. Wir danken dir, weil du beschlossen hast, in ihm, deinem vielgeliebten Sohn, die ganze Schöpfung zu erneuern; weil du beschlossen hast, den Menschen zu erlösen. Wir danken dir, ewiger Vater, für die Gottesgeburt in der Nacht von Betlehem, als das ewige Wort Fleisch angenommen hat und die Macht der Erlösung gekommen ist, um unter uns zu wohnen. 2. „Vater, wir danken dir für den heiligen Weinstock Davids, deines Knechtes, den du uns in Jesus, deinem Sohn, offenbart hast“ (DidachelX, 2), der von einer Jungfrau geboren und in eine Krippe gelegt worden ist. In diesem „Weinstock Davids“, in der Nachkommenschaft des Abraham hast du dein Heil und deinen ewigen Bund allen Menschen, allen Völkern der Erde versprochen. Wir danken dir für dieses heilige Erbe deiner Gnade, die du dem Herzen des Menschen nicht entzogen, sondern durch die irdische Geburt deines Sohnes erneuert hast, damit wir durch sein Kreuz und seine Auferstehung 1281 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von Generation zu Generation immer wieder neu als Kinder Gottes jene Würde erwerben können, die wir durch die Sünde verloren hatten, die Würde, Brüder deines ewigen Sohnes zu sein. Vater, wir danken dir für deinen heiligen Namen (Didache X, 2), den du in unseren Herzen durch die Erlösung der Welt aufleuchten läßt. 3. Wir danken dir, ewiger Vater, für die Mutterschaft der Jungfrau Maria, die unter dem Schutz Josefs, des Zimmermanns von Nazaret, deinen ewigen Sohn in völliger Armut zur Welt gebracht hat. „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1, 11). Er jedoch hat uns alle schon vom Augenblick seiner Geburt an angenommen und einen jeden von uns mit der ewigen Liebe des Vaters umfangen, mit jener Liebe, die den Menschen heilt, die ermöglicht, daß das menschliche Gewissen sich aus der Sünde erhebt. In ihm haben wir die Versöhnung und die Vergebung der Sünden. Wir danken dir, himmlischer Vater, für das Kind in der Krippe: in ihm sind „die Güte und Menschenliebe Gottes, unseres Retters, erschienen“ {TU 3, 4). Wir danken dir, ewiger Vater, für diese Liebe, die in der Gestalt des schwachen Kindes in die Geschichte eines jeden Menschen herabsteigt. Wir danken dir, weil er, der reich war, unseretwegen arm wurde, damit wir durch seine Armut reich würden (vgl. 2 Kor 8, 9). Wir danken dir für das wunderbare Werk der Erlösung des Menschen und der Welt, das sich in der Nacht der Geburt zu Betlehem zum erstenmal offenbarte. 4. Unser Vater! „Allmächtiger Herr, zur Ehre deines Namens hast du alle Dinge geschaffen und den Menschen Speise und Trank zur Nahrung gegeben“ (Didache X, 3). Blick mit den Augen des neugeborenen Kindes auf die Menschen, die des Hungers sterben, während ungeheure Summen für Rüstungsgüter ausgegeben werden; blick auf den unsagbaren Schmerz der Eltern, die den Todeskampf ihrer Kinder mit ansehen müssen, die um das mangelnde Brot bitten - Brot, das bereits für einen kleinen Teil jener Ausgaben beschafft werden könnte, die für moderne Zerstörungsmittel eingesetzt werden, die die Wolken am Horizont der Menschheit immer bedrohlicher machen. Höre, Vater, den Schrei nach Frieden, der aus den vom Krieg heimgesuchten Völkern aufsteigt, und sprich zu den Herzen all jener, die durch 1282 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verhandlung und Dialog zu gerechten und ehrenhaften Lösungen der bestehenden Spannungen beitragen können. Blick auf den sorge- und mühevollen Weg so vieler Menschen, die darum ringen, überleben, sich entwickeln und wachsen zu können. Blick auf die Ängste und Leiden, die die Herzen all derer peinigen, die gezwungen sind, fern von ihren Familien zu leben oder in Familien, die durch Egoismus und Untreue zerrüttet sind; all derer, die ohne Arbeit, ohne Heim, ohne Vaterland, ohne Liebe, ohne Hoffnung sind. Blick auf die Völker, die ohne Freude und ohne Sicherheit sind, weil sie ihre Grundrechte mißachtet sehen; blick auf unsere heutige Welt mit ihren Hoffnungen und Enttäuschungen, mit ihrer Begeisterungsfähigkeit und ihrer Feigheit, mit ihren hohen Idealen und ihren beschämenden Kompromissen. Dränge die Personen und Völker, die Mauer des Egoismus, der Gewalt und des Hasses zu durchbrechen, um sich der brüderlichen Achtung vor jedem Menschen, ob fern oder nah, zu öffnen, weil er Mensch ist, weil er Bruder in Christus ist. Dränge jeden, die nötige Hilfe dem zu geben, der ihrer bedarf, dem Wohl aller zu dienen, das eigene Herz in der Gnade unseres Erlösers Jesus Christus zu erneuern. Stehe deiner Kirche bei in ihrer Sorge für die Armen, die Benachteiligten, die Leidenden. Bewahre und stärke in allen Herzen die Sehnsucht nach dem Glauben an dich und nach Güte zu den Mitmenschen; die Suche nach deiner Gegenwart und Liebe; das Vertrauen auf deine erlösende und heilende Macht, die Zuversicht auf deine Versöhnung und die Hingabe an deine Vorsehung. 5. Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, in der Nacht von Betle-hem geboren von der Jungfrau Maria! Jesus Christus, unser Bruder und Erlöser! Umfasse mit dem ersten Blick deiner Augen alle brennenden Probleme der heutigen Welt! Nimm durch deine Geburt auf Erden alle Völker und Nationen der Welt in die Gemeinschaft mit dir auf! Nimm uns alle an, Männer und Frauen, deine Brüder und Schwestern, die deiner Liebe und Barmherzigkeit so sehr bedürfen! 1283 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ich meine, euch etwas geben zu können“ Predigt beim Wortgottesdienst in der römischen Strafvollzugsanstalt Rebibbia am 27. Dezember 1. Die Begegnung mit euch in dieser Weihnachtszeit, liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier anwesend oder mit uns verbunden seid, ergreift mich tief. Ich kann mir vorstellen, was eure Herzen bewegt: Gerade in diesen Tagen denkt man doch lebhafter als sonst an die Angehörigen, und der Wunsch, wieder daheim in der vertrauten Atmosphäre des eigenen Heimes zu sein, weckt im Herzen ein brennendes Heimweh. Ich kann es mir vorstellen, und eben deswegen habe ich mich entschlossen, zu euch zu kommen - innerhalb dieser Mauern, die ihr nicht anders als fremd und kalt empfinden könnt —, um euch die Wärme eines guten Wortes und zugleich die tröstliche Aufforderung zur Hoffnung zu bringen. Gern würde ich mit jedem einzelnen von euch sprechen, lange sprechen. Vor allem würde ich gern hören, was jeder von euch mir vielleicht über sein persönliches Schicksal und seine Familienverhältnisse erzählen möchte, über die in der Vergangenheit erfahrenen Enttäuschungen und die Erwartungen, die ihr trotz allem für die Zukunft hegt. Gewiß würde ich bei einem solchen Gespräch ermessen können, welche Tiefe der Gefühle und welcher Reichtum an Menschlichkeit sich in einem jeden von euch verbirgt. Leider ist diese Begegnung auf du und du nicht möglich. Ich spreche daher zu allen, aber ich möchte, daß jeder mich hört, so als ob meine Worte ihm allein gelten. Ja, wenn diese Kirche vor unseren Augen auch voll von Menschen ist, für mein Herz ist sie doch nur eine Wegkreuzung, an der ich einem anderen Herzen begegne, um mit ihm in einem Dialog der Hoffnung und Liebe einen Augenblick der Brüderlichkeit zu teilen. 2. Mein erstes Wort soll, wie es üblich ist, wenn man sich trifft, ein Gruß sein. Ich richte es von Herzen an jeden von euch und danke dabei auch sehr für die freundliche Aufnahme, deren Spontaneität mir deutlich macht, mit welch vertrauensvoller Bereitschaft ihr euch öffnet für das, was meine Anwesenheit unter euch bedeuten mag. Es sind Empfindungen, die ich nur tief bewegt erwidern kann, um so mehr nach den Worten, mit denen einer von euch eure gemeinsamen Gedanken ausgedrückt hat. Ich habe diese Worte gehört und schätze sie: Es waren edle und aufrichtige Worte, die in meinem Herzen einen tiefen Widerhall gefunden haben, der nicht verstummen wird. 1284 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich suche mir die Wünsche vorzustellen - und das fällt mir nicht schwer die jeder von euch hegt und die er mir, könnte er mit mir sprechen, kund täte. Viele Dinge, nach denen euer Herz sich sehnt, kann ich euch, weil es nicht in meiner Macht steht, leider nicht gewähren, wie ihr verstehen werdet. Und doch meine ich, euch etwas geben zu können, das für euch von großer Bedeutung ist. Das, was ich euch als Mensch und als Christ geben kann, ist vor allem meine Wertschätzung für jeden von euch als Person. Als Priester und Bischof kann ich euch Hilfe dazu anbieten, den Sinn dieses Lebensabschnitts besser zu begreifen, diese leidvolle Zeit, die aber doch auf ihre Weise für die Vorbereitung eines besseren Morgen nützlich sein kann. Vorgestern war Weihnachten: Wir haben die Geburt des ewigen Sohnes Gottes in der Zeit gefeiert. Wir haben dieses wunderbare Geschehen erneuert in der schlichten und doch so eindrucksvollen Erzählung des Evangelisten Lukas miterlebt, und hier haben wir vor wenigen Augenblicken den gleichen Bericht noch einmal gehört. Habt ihr die besondere Ähnlichkeit bemerkt? Jesus erlebte Weihnachten fern von seinem Daheim, in einer unwirtlichen, fremden Höhle, praktisch außerhalb der Gemeinschaft. Erinnert euch an die nüchterne, aber beredte Bemerkung des Evangelisten: „In der Herberge war für sie kein Platz“ (Lk 2, 7). Wenn ihr euch weiter vorstellt, was bald darauf folgt, nämlich die überstürzte Flucht nach Ägypten und der lange Aufenthalt im Exil (vgl. Mt 2, 13 ff.), ist das Bild vollständig. Scheinen euch das nicht mehr als genug Hinweise, um auf die Krippe zu schauen im Vertrauen darauf, daß das Kind dort im Futtertrog eure Gemütsverfassung vollkommen verstehen kann? Ja, es versteht euch und fordert euch auf, nicht mutlos zu werden, sondern gerade aus den schwierigen Verhältnissen, in denen ihr euch befindet, eine Gelegenheit zur inneren Wiedergeburt zu machen, von der eure Zukunft abhängt. Ist das nicht die eigentliche Botschaft von Weihnachten? Von Christus, der geboren wird, ist jeder Mensch eingeladen, sich erneut und in verstärktem Maße auf die eigene Würde und die mit ihr verbundenen Pflichten zu besinnen. Im neugeborenen Erlöser kann er überdies das Licht und die Hilfe finden, die er braucht, um den Weg zu einer solchen Wiedergeburt zu erkennen und ihn dann Tag für Tag zu gehen. 3. Jesus wurde ja geboren, um unser Erlöser zu sein. Wie ihr wißt, feiert die Kirche in diesem Jahr das außerordentliche Jubiläum der Erlösung im Gedenken an die 1950. Wiederkehr jenes für die Geschichte der Menschheit entscheidenden Ereignisses, nämlich des Leidens und der Auferste- 1285 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hung Christi. Wißt ihr auch, wie der Prophet Jesaja Jahrhunderte zuvor das Kommen und das Wirken des künftigen Messias beschrieben hat? Es sind besonders deutliche Worte, weil Jesus selber sie zu Beginn seines öffentlichen Lebens auf sich angewandt hat. Sie lauten: „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Jes 61, 1-2; vgl. Lk 4, 18-19). Die Frohe Botschaft also, die Jesus den Menschen brachte, umfaßt auch die Freilassung der Gefangenen. Welch einzigartiges Echo wecken diese Worte im Herzen, wenn sie hier bei euch erklingen! Welchen Sinn haben sie? Beziehen sie sich etwa unmittelbar auf das Gefängnis als solches, so daß Christus gekommen wäre, um Haftanstalten und ähnliche Einrichtungen abzuschaffen? Im gewissen Sinn ist es auch so, weil die Erlösung letztlich auf die Überwindung sämtlicher Formen menschlichen Elends und der Sünde hinzielt. Im neuen Himmel und auf der neuen Erde, die die Wiederkunft Christi am Ende der Zeiten heraufführen wird, gibt es keine Gefängnisse mehr, wie dort auch „kein Tod mehr sein wird, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denn was früher war, ist vergangen“ (Offb 21, 1.4). Aber auch jetzt schon, auf dieser Erde und unter diesem Himmel, haben sich die Worte des Herrn auf den Strafvollzug, wie die Menschen ihn aufgefaßt und durchgeführt haben, ausgewirkt und tun es weiter. Wer könnte den wohltätigen Einfluß leugnen, den die Botschaft des Evangeliums im Verlauf der Jahrhunderte auf die Förderung einer größeren Achtung vor der Würde des Strafgefangenen gehabt hat, dessen Rechte auf würdige Behandlung, verbunden mit der Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft, oft ungerechterweise vernachlässigt worden sind? Auf diesem Gebiet liegt bereits ein langer Weg hinter uns, obwohl gewiß noch weiteres zu tun bleibt. Die Kirche schätzt und ermutigt als Vermittlerin der Botschaft Christi alle jene, die sich um die Verbesserung des Strafvollzuges in Richtung auf eine Situation der vollen Respektierung der Rechte und Würde der Person bemühen. Zur Befreiung aus dem Kerker der Leidenschaften 4. „Er hat mich gesandt . . . damit ich alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung.“ Obwohl die Sendung Christi auch die äußeren Struk- 1286 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN turen der menschlichen Institutionen berührt, so zielt sie doch an erster Stelle auf das Innere des Menschen, dorthin, wo die Wurzeln des Egoismus, des Hasses und aller moralischer Verirrung liegen, die dann auch die äußeren Beziehungen der Personen schwer in Mitleidenschaft ziehen und sich weiter auf die juridischen und sozialen Institutionen auswirken, die die Menschen für das Zusammenleben mit ihresgleichen geschaffen haben. Christus ist vor allem gekommen, um den Menschen aus seinem moralischen Kerker zu befreien, in den ihn seine Leidenschaften eingesperrt haben. „Wer die Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde“, sagt er im Evangelium (Joh 8, 34); und gerade aus dieser Knechtschaft will er den Menschen durch die Erlösung befreien. Aufgrund der gemeinsamen Abstammung von Adam ist jeder Mensch von Geburt an der Knechtschaft der Sünde unterworfen, und jeder verstärkt diese Knechtschaft leider noch mehr durch seine persönliche Schuld, die er im Laufe seines Lebens aus menschlicher Schwäche oder bewußt auf sich lädt. Jedem gilt daher der Ruf, der in der ersten Lesung deutlich wurde, umzukehren, „sich von seinen bösen Taten abzuwenden und von dem Unrecht, das an seinen Händen klebt“ (Jona 3, 8). Es gibt keinen Menschen, der die Befreiung durch Christus nicht nötig hätte, weil es keinen Menschen gibt, der nicht in mehr oder weniger schwerer Weise ein Gefangener seiner selbst und seiner Leidenschaften ist. Wahre Befreiung geschieht daher in der Umkehr und Reinigung des Herzens, d. h. in jenem radikalen Wandel von Geist, Herz und Leben, den nur die Gnade Christi bewirken kann. Das außerordentliche Heilige Jahr, das wir gerade feiern, möchte vor allem dieses Ziel erreichen: die Herzen zur Umkehr zu bewegen. Denn dies ist die eigentliche „Befreiung aus der Kerkerhaft“, für die Christus vor allem auf die Erde gekommen ist, gepredigt hat, gestorben und schließlich auferstanden ist. Diese Befreiung aus dem Kerker liegt allen anderen Befreiungen zugrunde. Wenn nämlich die Gnade der Erlösung den Menschen von den Fesseln seiner Schuld befreit, dann beginnt er - in welcher Situation auch immer - sich jener inneren Freiheit zu erfreuen, die Quelle jeder anderen Freiheit ist. 5. Meine Lieben, dies ist die Botschaft, die ich als Diener Christi euch heute bringen darf, an diesem Tag, über den das vor kurzem begangene Weihnachtsfest noch soviel himmlisches Licht und soviel Frieden ausstrahlt. Heute gedenkt die Kirche des hl. Apostels Johannes, des Lieblingsjüngers, dem wir neben vielen wunderbaren Wahrheiten, die uns in 1287 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinen Schriften überliefert sind, auch jene erhellende Aussage verdanken: „Gott ist Liebe“ (i Joh 4, 16). Es liegt mir daran, diese seine außerordentliche Botschaft auszusprechen, um sie euch als wunderbare Zusammenfassung dessen zu hinterlassen, was ich euch bei dieser Begegnung sagen wollte: „Gott ist Liebe.“ Jeder kann sich daher an ihn wenden in der vertrauensvollen Gewißheit, von ihm geliebt zu werden. Was immer das persönliche Lebensschicksal sein mag, das der einzelne hinter sich hat, welche enttäuschenden Erlebnisse ihm das Leben auch bereitet hat, an einem darf er nie zweifeln: Im Himmel ist ein guter Vater, der um ihn weiß (vgl. Mt 6, 32) und der ihn liebt. Wißt euch vom Herrn geliebt! Der Besuch des Papstes bei euch will ein Zeichen für diese Liebe sein. Ein weiteres Zeugnis für diese Liebe ist die ständige Präsenz eines Dieners Gottes, des Kaplans, der an euren Problemen teilnimmt, eure Sorgen teilt, euch mit seiner Solidarität stärkt, öffnet ihm euer Herz und unterstützt seinen geistlichen Dienst. Er spricht zu euch im Namen jenes Christus, der sich an eure Seite wie an die jedes Menschen, der leidet, gestellt hat und mit euch solidarisch sein wollte. Erinnert ihr euch? „Ich war im Kerker, und ihr habt mich besucht“, hat er gesagt (vgl. Mt 25, 36.40). Christus hat den Menschen geliebt und dafür einen sehr hohen Preis gezahlt; er hat für ihn sein Leben hingegeben (vgl. Gal 2, 20). Glaubt an die Liebe Christi und bemüht euch, sie zu erwidern. Das wahrhaft Neue in der Geschichte eines jeden von uns wie in der der Welt kann nur von hier ausgehen, nämlich von einer Liebe, die angenommnen wird und sich hingibt in demütiger Dankbarkeit gegenüber Gott, der „für uns Menschen und um unseres Heiles willen“ im reinsten Schoß Fleisch angenommen hat und in einer Nacht in Betlehem, vor vielen, vielen Jahren, geboren wurde. Im Licht, das von der Krippe ausstrahlt, und an der Schwelle des bevorstehenden neuen Jahres richte ich einen herzlichen Gruß an euch alle, an den hier anwesenden Herrn Justizminister, an die für den Strafvollzug zuständigen Autoritäten, an die Kapläne, an die Wächter und das ganze Personal. Im Geiste begebe ich mich zugleich in die übrigen Strafvollzugsanstalten Roms und Italiens, ja in alle Gefängnisse der ganzen Welt, um denen, die dort in Haft sind, meine Hände entgegenzustrecken und allen in tiefer und teilnahmsvoller Zuneigung ein besseres Jahr zu wünschen als das, das eben zu Ende geht. Es wird ein besseres Jahr sein, wenn wir in unserem Herzen mehr Raum schaffen für unseren Gott, der Liebe ist. Allen erteile ich meinen Segen. 1288 IV. Ad-limina-Besuche AD-LIMINA-BESUCHE Die Verkündigung des Evangeliums Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Australiens am 2. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In dieser Stunde kollegialer Einheit heiße ich euch voll tiefer Zuneigung in unserem Herrn Jesus Christus willkommen. In euch grüße ich die ganze kirchliche Gemeinschaft in Australien und gebe meiner Bewunderung für das Ausdruck, was Gott in eurem Land im Laufe der letzten Jahrzehnte vollbracht hat. Ich drücke die Dankbarkeit der Universalkirche für die tiefe Verbundenheit eures Volkes mit dem katholischen Glauben, mit der Kirche und insbesondere mit der Eucharistie aus. Ich erinnere voll Ehrfurcht und Lob an die vielen karitativen Unternehmungen, die im Namen Jesu Christi von einem lebendigen Teil seiner Kirche durchgeführt werden. Ich danke euch und eurem Volk und denen, die euch vorangegangen sind, für alles, was ihr für die Stärkung der Kirche Gottes bei euch getan habt. Zwei mächtige Werkzeuge des Apostolats und der Gnade Gottes waren und sind die Pfarrei und die katholische Schule in Australien. So Gott will, werden diese von der Vorsehung bestimmten Einrichtungen auch für die kommenden Generationen stark und wirksam bleiben. In dieser und mancher anderer Hinsicht haben die Bischöfe — zusammen mit den Priestern, Ordensleuten und Laien - unermüdlich für die Verbreitung des Reiches Gottes und die Verkündigung der Herrschaft Jesu Christi gearbeitet. In vielen verschiedenen Situationen haben sich die Bischöfe Australiens als wahre Hirten ihres Volkes erwiesen. Unter solchen Situationen seien die großen Anstrengungen erwähnt, die zur Hilfe für die zahlreichen Familien unternommen wurden, die unter dem gegenwärtigen ernsten Problem der Arbeitslosigkeit zu leiden haben. Diese Bemühungen lobe und unterstütze ich. Gleichzeitig müssen wir daran denken, daß nicht allein materielle Hilfe benötigt wird: Noch weit mehr zählt die geistige Solidarität mit den Unglücklichen. In diesem Zusammenhang möchte ich auch ein Wort des Lobes für das anfügen, was getan wird, um den Notwendigkeiten und besonderen Problemen der Nachkommen der Ureinwohner eures riesigen Kontinents entgegenzukommen. Mögen die bereits im Gang befindlichen Sonderprogramme rasch durchgeführt werden. 1291 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Heute möchte ich gemeinsam mit euch einen besonderen Aspekt eurer pastoralen Sendung betrachten, und zwar die Verkündigung des Evangeliums, die dem Zweiten Vatikanischen Konzil gemäß einen hervorragenden Platz unter den wichtigsten Ämtern der Bischöfe einnimmt (vgl. Lumen gentium, Nr. 25). Hierbei handelt es sich um eine hauptsächliche und hervorragende Aufgabe, eben weil Jesus zu seinen Aposteln gesagt hat: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; . . . und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28, 20). Als Bischöfe sind wir aufgerufen, Christus zu verkünden: Jesus Christus als Herrn zu verkünden; ihn zu verkünden als die Fülle der Offenbarung; sein Wort zu verkünden als Licht und Kraft für unser Volk; die Notwendigkeit zu verkünden, Jesus Christus anzunehmen, - die Notwendigkeit für jeden einzelnen, dem Vater, der sich in seinem menschgewordenen Wort offenbart, seine persönliche Glaubensantwort zu geben. Heute gedenken wir gemeinsam des Gebotes Jesu an die Apostel: das Evangelium zu verkünden. Zugleich erinnern wir uns an seine unfehlbare Verheißung: „Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 20). Wir betonen im wesentlichen die tiefe Bedeutung unseres bischöflichen Dienstamtes - wozu wir aufgerufen sind, wer wir sein sollen. In einem kollegialen Akt des Vertrauens, der Freude und neuer Entschlossenheit miteinander verbunden, feiern wir unsere Identität als Bischöfe der Kirche Gottes. Wir können die pastorale Verantwortung der Bischöfe, Verkünder des Evangeliums, zuverlässige Glaubenslehrer und „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ {1 Kor 4, 1) zu sein, gar nicht nachhaltig genug betonen. Was mich betrifft, so bin ich euch dankbar für alles, was ihr in dieser Hinsicht getan habt und weiterhin tun werdet. Besonders möchte ich eure Bemühungen erwähnen, um eurem Volk die Lehren von Familiaris con-sortio näherzubringen, die ja die Anwendung des Gotteswortes, soweit es die christliche Familie betrifft, darstellt. In der Vergangenheit habt ihr gemeinsame Anstrengungen unternommen, um die Würde des Lebens zu verkünden und das Übel der Abtreibung anzuprangern: Weitere ethische Probleme, die eure dauernde Wachsamkeit erfordern, sind moderne Tendenzen im Bereich genetischer Experimente und ebenso das Problem der Betreuung alter Menschen und der Achtung vor ihrem Leben. Ihr dürft nicht aufhören, darauf hinzuweisen, daß eine Gesetzgebung, die in diesen Dingen Mißbräuche zuläßt, keine Lösung für die Probleme der Gesellschaft darstellt und ein Angriff auf die Würde der menschlichen Person ist. 1292 AD-LIMINA-BESUCHE Durch euer Erziehungskomitee habt ihr euch den äußerst wichtigen Problemen der Glaubensvermittlung gewidmet. Für diese und so viele andere Bemühungen zugunsten des Evangeliums danke ich euch, ehrwürdige Brüder, aus ganzem Herzen. 3. Während wir über unser Amt im Dienste des Wortes Gottes nachden-ken, beeindruckt uns die ehrfurchtgebietende Verantwortung, die uns auf erlegt ist: darauf zu achten, daß der Glaube unserem Volk richtig vermittelt wird. Darum besteht unser hauptsächliches Bestreben darin, das Wort Gottes zu verkünden, das allem Glauben zugrunde liegt. Nach den Worten des hl. Paulus: „So gründet der Glaube in der Botschaft, die Botschaft im Wort Christi“ (Röm 10, 17). Der Herr Jesus, der uns aufgetragen hat, zu lehren und zu verkünden, fordert uns auch auf, sein Wort in seiner ganzen Fülle vorzubringen und seine Macht, die Menschheit zu retten, ausdrücklich zu betonen. Denn das Evangelium ist „eine Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1, 16). Und weil das Evangelium die rettende Kraft Gottes einschließt, müssen wir es mit all seinen Konsequenzen und all seinen Forderungen Vorbringen. Wir müssen es unverfälscht an kommende Generationen weitergeben. In diesem Zusammenhang erkennen wir die grundlegende Bedeutung des Sendungsauftrages der Kirche und unserer eigenen bischöflichen Sendung zur Glaubensverkündigung. Es besteht kein Zweifel darüber: Die Kirche findet ihre Identität in der Glaubensverkündigung - und ebenso finden wir Bischöfe hier unsere Identität. Jeder von uns ist aufgerufen, ein lebendiges Zeichen Jesu zu sein, der sagt: „Ich muß . . . das Evangelium verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden“ (Lk 4, 43). 4. Im Gesamtprozeß der Evangelisierung gibt es diesen bemerkenswerten Aspekt oder „Moment“ der Katechese. Ihr Ziel ist es, den ursprünglichen Glauben den Gläubigen zum Reifen zu bringen und sie zu einer vertieften und systematischen Kenntnis der Person und der Botschaft unseres Herrn Jesus Christus zu führen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 19-20). Ein solches Ziel verdient die volle Aufmerksamkeit aller Bischöfe als Hirten und Lehrer des Gottesvolkes, als „die eigentlichen Katecheten“ (ebd., Nr. 63). Es ist äußerst vielsagend, daß mein Vorgänger Johannes XXIII. in seiner Ansprache an die Bischöfe der Welt am Eröffnungstag des Zweiten Vatikanischen Konzils klar und prägnant Ziel und Zweck des Konzils formulierte, indem er sagte: „Die größte Sorge des Ökumenischen Konzils gilt folgendem: den heiligen Schatz christlicher Lehre wirksamer zu bewahren und zu lehren“ (Ansprache am 1293 AD-LIMINA-BESUCHE 11. Oktober 1962). Das war das größte Anliegen des Konzils, und es sollte unsere größte Sorge als Bischöfe in der nachkonziliaren Kirche sein: „Daß der heilige Schatz christlicher Lehre wirksamer bewahrt und gelehrt werde.“ Diese unsere Sorge kommt sowohl in der eifrigen Förderung verbesserter katechetischer Methoden wie auch in ständiger Wachsamkeit zum Ausdruck, um den vollen Inhalt des geoffenbarten Glaubens so zu erhalten, wie er von der Kirche verkündet wird. Der Inhalt der Katechese ist der Inhalt der Glaubensverkündigung, und er erfordert eine gesamtheitliche Einführung in den christlichen Glauben, die mit der ganzen liturgischen und sakramentalen Tätigkeit der Kirche verbunden ist. Wenn die Kirche durch die Katechese das lebendige Geheimnis Gottes vermittelt, verlangt sie eine immer größere Verpflichtung zu christlichem Leben ,,im Geist und in der Wahrheit“ (Joh 4, 23). Das Glaubensbekenntnis der Kirche und insbesondere das Glaubensbekenntnis des Volkes Gottes sind sichere Bezugspunkte für den Inhalt der Katechese. Die immerwährende Bedeutung der Zehn Gebote und die Bitten des „Vaterunser“ sind für immer mit einer wirksamen katecheti-schen Unterweisung des Gottesvolkes verbunden; sie bilden in der Tat den Kern der Katechese. Als Merkmale guter Katechismen werden in Catechesi tradendae angeführt: getreue Darlegung der wesentlichen Inhalte und Offenbarung und der heutigen Zeit entsprechende Methoden, die in der Lage sind, die christlichen Generationen der Zukunft zu einem kraftvollen Glauben zu erziehen (ebd., Nr. 50). 5. Als Lehrer des Glaubens, als Hirten, die persönlich in Wort und Sakrament das Evangelium verkünden, arbeiten die Bischöfe mit dem Hl. Geist zusammen bei der Heranbildung eines Volkes von Glaubensverkündern und Katecheten, dem begeisterte und dynamische katholische Laien angehören. Über die Laien und ihre Mitverantwortung für die Verkündigung des Evangeliums gäbe es noch viel zu sagen. Doch sehr wichtig ist die Betonung der Tatsache, daß die entsprechende Verwirklichung des Charismas der Laien auf diesem Gebiet aufs engste mit der persönlichen, wichtigsten und hervorragenden Aufgabe der Bischöfe, das Evangelium zu verkündigen, verbunden ist. Die Wirksamkeit all der verschiedenen Lehraufgaben innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft hängt von der erfolgreichen Ausübung des Charismas der Bischöfe in Einheit mit dem Nachfolger Petri ab. Durch das Charisma der Bischöfe werden die Priester im Glauben gestärkt und in dem ihnen eigenen Dienst am Wort ebenso bestätigt wie 1294 AD-LIMINA-BES UCHE die Theologen in dem ihren. Durch die Bischöfe wird der wahre katholische Glaube an Eltern vermittelt, um an deren Kinder weitergegeben zu werden. Lehrer und Erzieher auf allen Ebenen können die Gewißheit für ihren eigenen Glauben nur durch die Bischöfe erhalten. Alle Laien legen Zeugnis von der Reinheit des Glaubens ab, für deren Erhaltung die Bischöfe unermütlich tätig sind. In dem reinen, unverfälschten Glauben, wie ihn die Bischöfe verkünden, kann man die ganze Kraft des Wortes Gottes entdecken. Diese Kraft des Wortes Gottes ist die Antwort, die wir allen Kräften der Säkularisierung und Entchristlichung in der Welt entgegenstellen. Die Kraft des Wortes Gottes ist unsere Leistung für die Jugend der heutigen Welt: Diese Kraft ist für sie der wichtigste Grund zur Hoffnung. Die Kraft des Wortes Gottes bieten wir als einen Akt pastoraler Liebe unserem Volk an. Die Mitteilung der Kraft des Wortes Gottes ist der eigentliche Grund, warum wir Bischöfe sind; dazu sind wir gesandt worden. Ehrwürdige und liebe Brüder, ich bin euch bei dieser eurer anspruchsvollen, aber begeisternden Sendung nahe. Während ich meiner eigenen pastoralen Liebe für alle, denen ihr dient, und für alle, die mit euch Zusammenarbeiten, Ausdruck gebe, möchte ich gern zitieren, was ihr selbst vor wenigen Jahren in dem Dokument mit dem Titel „Wir verkündigen Jesus Christus als Herrn“ habt schreiben lassen: „Unsere Botschaft ist keine leichte, aber eine großartige Aufgabe. Die Botschaft, die zu verkünden wir ausgesandt worden sind, entstammt nicht menschlicher Weisheit, sondern der Weisheit Gottes (vgl. 1 Kor 1, 24). Kein neues, von Menschen erworbenes Wissen vermag diese Weisheit zu übertreffen oder sie nutzlos oder unnötig werden lassen. Keine neue Kultur oder Zivilisation kann sie belanglos oder unmodern machen . . . Wir müssen weiter stets darauf vertrauen, daß der lebendige Christus und sein Geist die Kirche dazu befähigen, den heutigen Menschen das Evangelium als die lebendige Wahrheit nahezubringen“ (S. 6). Liebe Brüder: Gelobt sei Jesus Christus, die lebendige Wahrheit! 1295 AD-LIMINA-BESUCHE Die Laien im Leben der Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe von Bischöfen aus Australien am 11. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wir sind in der Kraft des Heiligen Geistes zusammengekommen, um über unsere pastorale Sendung als Bischöfe nachzudenken. Wir tun es im Gesamtzusammenhang des Geheimnisses der Kirche Christi, der wir zu dienen berufen sind. Als ich im vergangenen Juli zu anderen Bischöfen Australiens sprechen durfte, erwähnte ich, daß „noch viel über die Laienschaft und ihre Mitverantwortung für die Verkündigung des Evangeliums“ zu sagen bleibt. Heute möchte ich daher dieses Thema der Laien in der Kirche weiterführen. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil betont die tröstliche Wahrheit, daß die Bischöfe „von Christus nicht bestellt sind, um die ganze Heilsmission der Kirche an der Welt allein auf sich zu nehmen“ (Lumen gentium, 30). Wie die Priester und Ordensleute, so haben auch die Laien eine besondere Rolle und müssen ihren eigenen Beitrag zur Heilssendung Christi leisten, die er mit seiner Kirche teilt. Doch ihr Beitrag hängt davon ab, wie sie das Geheimnis der Kirche Vorleben. Aus diesem Grund ist es so wichtig, daß die Laien sich der Größe ihrer Berufung bewußt sind, sich als wesentliches Element der Gemeinschaft der Kirche verstehen und Sinn für das Leben in Verbrüderung mit Christus entwickeln. Sie müssen immer mehr die Bedeutung der Worte des hl. Paulus verstehen lernen: „Soweit ich jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 2, 20). Das Konzil sieht nämlich den Erfolg des Laienapostolates abhängig „von seiner lebendigen Vereinigung mit Christus“ (AA, 4). 3. Für das Konzil gründet sich die ganze Spiritualität der Laien auf die Sakramente und ist auf sie hingeordnet, denn das Laienapostolat wird verstanden als Teilnahme an der Heilssendung der Kirche, zu der der Herr selber die Laien durch Taufe und Firmung beauftragt hat (vgl. Lumen gentium, 33). Zugleich erkennt die Kirche den Weltcharaktereines Großteils der Tätigkeiten der Laien an; sie schätzt ihren besonderen Beitrag zur Erneuerung der zeitlichen Ordnung und verkündet die besondere Rolle, die sie zu 1296 AD-LIMINA-BESUCHE spielen haben bei „der Geburt eines neuen Humanismus, in dem der Mensch sich vor allem von der Verantwortung für seine Brüder und die Geschichte her versteht“ (Gaudium et spes, 55). 4. Die Kirche erkennt diese hervorragende christliche Eignung der Laien auf vielen Gebieten an, eingeschlosssen die Politik, die Welt des Berufes, die Bereiche des Sozialen, Wirtschaftlichen und Militärischen, in der Welt der Kultur, in Wissenschaft und Kunst, im internationalen Leben und im äußerst einflußreichen Wirkbereich der Massenmedien. Die Laien vermögen in der Kultur einen großen Einfluß auszuüben und leisten einen besonderen Beitrag zu ihrer Evangelisierung. Sie vermögen das besonders auf dem Gebiet der Wissenschaft, Literatur und Kunst. Und wenn wir die Worte Paul VI. bedenken: „Die Spaltung zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das große Drama unserer Zeit“ (Evangelii nuntiandi, 20), vermögen wir einzusehen, wie sehr die Laien für das Evangelium mitverantwortlich sind, und wieviel sie zu seiner Verbreitung beitragen können. In alldem möchte die Kirche ihr Zutrauen zum besonderen Charisma der Laien und ihrer Fähigkeit, es zum Wohl der ganzen Gemeinschaft nutzbar zu machen, aussprechen. In diesem Sinn sprach die Synode von 1971 von der „Reife der Laien, die, wenn es um ihre spezifische Aufgabe geht, hoch einzuschätzen ist“ {Das priesterliche Dienstamt, zweiter Teil, I, 2). Bei all ihren weltlichen Tätigkeiten finden die Laien ihre Stütze im Glauben und unermeßliche Kraft in der bedeutsamen Mahnung des hl. Paulus: „Alles, was ihr in Worten und Werken tut, geschehe im Namen Jesu, des Herrn“ (Kol 3, 17). 5. Das Feld der Tätigkeiten, in denen die Laien das Evangelium in Wort und Tat verkünden und das Reich Gottes auf Erden fördern, reicht sehr weit. Aufgrund ihrer Berufung als Laien in der Welt hat ihr Wirken in der Welt hohen Wert in Gottes Augen. Dabei wird das ganze Gebiet menschlicher Tätigkeit geheiligt durch die Gnade des Schöpfers und Erlösers. Jede wirklich menschliche Arbeit unterliegt dem Grundsatz, den ich in meiner Enzyklika Laborem exercens aufgestellt habe: „Indem der Mensch die Mühsal der Arbeit in Einheit mit dem für uns gekreuzigten Herrn erträgt, wirkt er mit dem Gottessohn an der Erlösung der Menschheit auf seine Weise mit“ (27). Die Laien spielen eine besondere Rolle bei der Verteidigung des Wertes der menschlichen Arbeit, und wenn sie sicherstellen, daß die richtige Auffassung der menschlichen Arbeit in der Sozial-und Wirtschaftspolitik der Nationen angewandt wird. 1297 AD-LIMINA-BESUCHE 6. In Australien hat die Antwort der Laien auf die ihnen gestellten Aufgaben vielfältigen glänzenden Ausdruck gefunden. Sie verdienen für ihren Einsatz Anerkennung und Dankbarkeit. Ich denke an ihr Wirken im Erziehungswesen, bei der Förderung von Gerechtigkeit und Frieden, sowie an ihren schon lange währenden erheblichen Beitrag zu Werken der Caritas und der Hilfe in Not. Doch ob ihr Wirken nun religiöser oder weltlicher Natur ist, sie fördern damit alle kraftvoll das Reich Gottes, wenn Liebe sie treibt und sie ihren Stand als Laien, wie er ihnen in der Taufe geschenkt wurde, echt Vorleben. Alles, was Laien in Übereinstimmung mit ihrer Berufung und von der Gnade getragen tun, hat Heiligungscharakter und ist echter Ausdruck des Lebens der Kirche. Christus wird hier aktiv in seinen Gliedern. Der Vater liebt darin weiter seinen Sohn, der in seinem Leib, der Kirche lebt. 7. Angesichts aller Probleme unserer Welt sind die Laien aufgerufen, den Glauben der pilgernden Kirche mit Zuversicht und Freude sichtbar zu machen. Mitten in den Schwierigkeiten des täglichen Lebens aber bringt ihre Stimme die innere Gelöstheit der Kirche zum Ausdruck, die weiß, daß der Herr bei ihr weilt: „Der Herr ist mein Licht und mein Heil: Vor wem sollte ich mich fürchten“ (Ps 27, 1). Auf zahllose Weisen, die bis zur Unterdrückung reichen, sind Laien in die Probleme verwickelt, die die Menschheit plagen, auch in das dramatische Suchen nach Mitteln, um menschliches, von den Übeln der Welt verursachtes Leid, zu lindern. Und doch bleiben sie ein Volk fester Hoffnung. Aufgrund ihrer ungeschützten Lage sind Laien auch besonders verwundbar: wenn etwa einzelne und Familien durch Ideologien verwirrt werden, die zu den Werten des Evangeliums in Gegensatz stehen; wenn in Gemeinschaften Drogenmißbrauch Eingang findet; wenn soziale und wirtschaftliche Probleme zu Alleinsein, Entmutigung und Entfremdung führen; wenn die Auswirkungen der Sünde in der Welt das Menschenherz schwer belasten. 8. Aufgrund ihrer Stellung in der Kirche und ihres Engagements in der Welt sind die Laien berufen, durch ihr Verhalten die gesamte Sittenordnung zu verteidigen. Nur wenn sie gemeinsam die Grundsätze der Liebe, Gerechtigkeit und Keuschheit anwenden, vermögen die Glieder der Kirche der Welt ein überzeugendes Zeugnis für die Lehren Jesu zu geben, die ja immer angefochten werden. Und wenn die Herrlichkeit der Kirche Christi sichtbar wird, dann im Leben der Laien. Sie bezeugen wirksam die Macht der Gnade Christi, wenn sie sich bemühen, das Wort Gottes auf die Situationen des wirklichen Lebens anzuwenden. Sie verherrlichen Gott 1298 AD-LIMINA-BESUCHE durch Zurückweisung der Mächte der Säkularisierung und im demütigen, aber zuversichtlichen Hören auf das Wort des Apostels: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“ {Rom 12, 2). 9. Obwohl den Laien weltliche Aufgaben gestellt sind, gehören sie doch auch zu einer kirchlichen Gemeinde und büden deren größten Teil. Die Gemeinde aber ist eine Gemeinschaft der Gottesverehrung und des Lobes Gottes. Das Konzil erklärt in der Tat, daß die Laien die Welt Gott weihen (vgl. Lumen gentium, 34). Dabei ist der Aspekt der Gottesverehrung für ein Verständnis der vollen Würde der Laien als ein wesentlicher Teil innerhalb der Gesamtkirche von zentraler Bedeutung. Bei Gelegenheit eines anderen Ad-limina-Besuches machte ich auf diese Tatsache aufmerksam: „Wenn unser Volk . . . sich bewußt wird . . ., daß es berufen ist, den Vater in Vereinigung mit Jesus Christus anzubeten und ihm zu danken, wird davon eine unermeßliche Kraft für sein christliches Leben ausgehen . . . Wenn es innewird, daß alle Bittgebete vereint sind mit dem unendlichen Akt des Betens Christi, dann gewinnt es frische Hoffnung und neuen Mut“ (Ansprache vom 9. Juli 1983). Ja, Gottesdienst und Gebet sind sowohl ein Recht als auch eine Pflicht für die Laien und bilden das Rückgrat ihres Lebens. 10. Jedes Nachdenken über die Laienschaft muß auch Gedanken über die Notwendigkeit einer entsprechenden Bildung für sie einschließen. Seit dem ökumenischen Konzil ist viel auf diesem Gebiet geschehen, und doch bleibt noch viel zu tun. Wichtig ist, den Laien immer weiter die Reichtü-mer des Glaubens zu öffnen: das Wort Gottes, wie es uns in der Bibel sowie in der unverkürzten Lehre der Kirche und in ihrem sakramentalen Leben geschenkt wird. Diese Weiterbildung wird besondere Bildungsangebote notwendig machen und spezielle Projekte, doch dürfen wir nicht vergessen, welch unvergleichlichen Wert eine systematische Katechese in der Pfarrei hat, wenn dort treu und beharrlich das Wort Gottes gepredigt wird. Durch lebenslangen persönlichen Kontakt mit dem Volk Gottes und durch das Zeugnis ihres Glaubenslebens haben alle Priester ausgezeichnete Gelegenheit, die Laien immer mehr in die göttlichen Geheimnisse einzuführen und ihnen auch den besonderen Platz aufzuzeigen, den sie im Plan Gottes und im Herzen Christi haben. 11. Selbstverständlich müssen wir im pastoralen Geist unseres Bischofsamtes abgefallenen Katholiken besondere Sorge schenken, sie mit Hilfe von Laien aufspüren und ihnen zu helfen suchen, daß sie erneut lebendig am Leben der Kirche teilnehmen. 1299 AD-LIMINA -BESUCHE 12. Als Bischöfe besitzen wir den großen Vorzug, den Laien dienen und ihre Würde in der Gemeinschaft von Gottes Volk verkünden zu dürfen. Uns wurde ein Dienst pastoraler Liebe anvertraut, zu dem, wenn möglich, auch die Mitarbeit der Laien für die Sache des Evangeliums gehört, doch wir wissen, daß dies nur Wirklichkeit werden kann, wenn sie das Geheimnis der Kirche leben und sich ihrer großen Würde als Christen bewußt sind. Wir schließen uns Leo dem Großen an, dessen Fest wir gerade gestern gefeiert haben, wenn er die Würde unseres Volkes betont; „Erkenne, Christ, deine Würde!“ (Weihnachtshomilie, 21, 3). Dies ist unser Anliegen: christliche Überzeugung festigen und neue Haltungen fördern, so daß unser Volk sich seiner Identität tief bewußt wird und ausruft: „Wir sind stark im Namen des Herrn, unsres Gottes“ (Ps 20, 8). Dies aber ist unser Gebet, das wir durch Maria, die Mutter Jesu darbringen: Mögen alle Gläubigen erfahren, was es heißt, ein Volk der Gottesverehrung, ein Volk der Hoffnung, das Volk Gottes zu sein: „Dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt“ (1 Tim 4, 10) durch Christus, unseren Herrn. Es geht um die Zukunft der Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Burundi am 9. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Die freundlichen Worte, die euer Vorsitzender, Monsignore Joachim Ruhuna, soeben vorgetragen hat, und die zur Vorbereitung dieser Begegnung zusammengestellten Notizen haben mich ermessen lassen, zu welcher Reife die Kirche in Burundi in weniger als einem Jahrhundert gelangt ist. Darüber freue ich mich zusammen mit euch und danke dem Herrn. Sicher hat es noch vor kurzem nicht an Schwierigkeiten für euch gefehlt. Doch ihr habt es verstanden, das von euren Vorgängern erhaltene Erbe zu vermehren und zu stärken. Unter eurer weisen und sorgsamen Führung haben die Christen die Lebenskraft ihres Glaubens und ihrer Liebe zur Kirche bewiesen. Ich denke insbesondere an erfreuliche Auswirkungen eurer gemeinsamen, 1300 AD-LIMINA-BESUCHE seit mehreren Jahren beharrlich durchgeführten Initiative, damit die Gemeinden auf der Grundlage des kirchlichen Lebens gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es handelt sich dabei — und das möchte ich unterstreichen - um ein geistliches Vorhaben, das aus der Beteiligung an euren „Osterexerzitien“, Quelle der Erneuerung der Gemeinschaft mit Christus, entstanden ist. Diese Gemeinschaftsaktion, die übrigens, wie ihr sagt, sozialen Strukturen entspricht, die schon vorher auf den Hügeln vorhanden waren, hat bereits vielfältige Früchte erbracht. Da es allen eine bessere Bewußtwerdung der evangelischen Forderungen ermöglicht, bringt dieses intensive gemeinsame Leben von Christen den Aufruf zur Bekehrung derer, die Christus nicht kennen, und die Rückkehr jener, deren Glaube erkaltet ist, wieder in Schwung, es festigt die Bande der Familie, begünstigt die Entstehung von Priester- und Ordensberufen. Dank der aufopferungsvollen Hingabe der Initiatoren erlaubt es schließlich eine harmonische Ergänzung des Dienstamtes der Priester. Bis hinein in das soziale Leben empfindet man das als glücklich. So trägt diese Initiative auch zum Zusammenhalt aller zum Wohl der ganzen Nation bei und geht Hand in Hand mit dem Wunsch der zivilen Behörden, die Arbeit der nationalen Zusammengehörigkeit und des sozialen Fortschritts, das sie selbst eingeleitet haben, zu fördern. 2. Eure Sorge, das Leben der christlichen Gemeinden besser zu gliedern und zu gestalten, ist kein Schaden für die Evangelisierung. Im Gegenteil, man kann in diesen letzten Jahren eine vermehrte Zahl von Taufkandidaten feststellen. Beseelt von einem glühenden Glauben und einem aufrichtigen Wunsch nach Änderung des Lebenswandels (der Sitten), nehmen sie gern eine lange Vorbereitung auf den Empfang dieses Sakramentes auf sich. Sagt ihnen, darum bitte ich euch, daß sie im Gebet des Papstes einen auserwählten Platz haben. Hoffen wir, daß sich ihnen bald andere anschließen werden, die aus Bevölkerungsschichten kommen, welche bisher von der Evangelisierung noch mehr oder weniger unberührt geblieben sind. Zur Evangelisierungstätigkeit gehört ebenso die Unterstützung, die ihr für die Kinderkatechese in den staatlichen wie in kürzlich verstaatlichten Schulen leistet. Die Kinder müssen mit der gleichen Sorgfalt, wenn natürlich auch auf andere Weise, wie die erwachsenen Katechumenen katechetischen Unterricht erhalten. Hier geht es um die Zukunft der Kirche selbst. Es ist in diesem Zusammenhang mein Wunsch, daß die „Yaga Mukama“, die für die Formung und Entwicklung aller jener, die der Schulbetrieb noch nicht erreichen kann, so nützlich sind, weiterhin 1301 AD-LIMINA-BESUCHE lebendige Zentren für die Vermittlung und Aneignung christlichen Lebens - schon von Kindheit an - bleiben. Unter den Möglichkeiten der Jugendpastoral muß natürlich die wichtige Rolle der katholischen Schulen und Kollegien erwähnt werden, die, auch wenn sie allen offenstehen, das Ziel haben, sowohl im Unterricht der profanen Fächer wie in der Katechese eine christliche Erziehung im Dienst an den Familien zu gewährleisten. Es ist mir ein Anliegen, an dieser Stelle allen meine Wertschätzung und lebhafte Ermutigung auszusprechen, die sich da mit Herz, Hingabe und Sachkenntnis einsetzen, trotz verschiedener Schwierigkeiten, deren Lösung das aktive Verständnis aller betroffenen Seiten voraussetzt. 3. In der Lage unserer in Umwandlung begriffenen Gesellschaft ist es um so wichtiger, daß sich die Kinder und vor allem die Jugendlichen ihrerseits selbst frei in katholischen Bewegungen und Vereinigungen zusammenschließen können, die ihren Bedürfnissen nach wissensmäßiger und apostolischer Formung angepaßt sind, wobei die verschiedenen neuen Probleme zu berücksichtigen sind, die die jungen Menschen immer früher bedrängen. Ich weiß, mit welchem Erfolg und mit welch wirksamer Unterstützung eurerseits sich die christlichen Gemeinden die Tätigkeit dieser Bewegungen, wie der Studentenjugend, Kiro, den „Xaveri“, GEN und anderen, zunutze machen. Ich freue mich, alle ihre Mitglieder herzlich grüßen zu lassen. Sagt ihnen, daß der Papst auf sie zählt, auf daß sie, dank ihrer unveränderlichen und mutigen Anhänglichkeit an die Liebe Christi und der Kirche, morgen - in einem Volk, wo die Mehrheit der Bevölkerung noch nicht das 30. Lebensjahr erreicht hat - zu einer mächtigen Triebkraft der Einheit und Solidarität werden! 4. Die Familienpastoral bleibt eine eurer vorrangigen Sorgen, und ich beglückwünsche euch dazu, wie ihr euch für sie einsetzt. Ich zähle mit euch auf das Zeugnis der christlichen Familien selbst bei den Gemeinschaftsbegegnungen, um die schmerzliche Wunde der wilden Ehen und Scheidungen zu bekämpfen. Ihre Sache ist es auch, die Jugend zur verantwortlichen Elternschaft unter Respektierung der sittlichen Normen zu erziehen. Noch mehr aber durch das gemeinsame Gebet und auf Grund des guten Verhältnisses zwischen allen Familienmitgliedern werden solche Familien Pflanzstätten für Priester- und Ordensberufe sein. Ihnen zu helfen, diesen Weg zu gehen, ist auch direkte Beteiligung am Aufbau der Gesellschaft von Burundi von morgen. 1302 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Glaubensverkündigung, Unterstützung der Pfarreien und Gemeinden, der christlichen Familien, um die Kinder und Jugendlichen in Katechese zu unterrichten und zu erziehen, ist euch nur dank der aufopferungsvollen Hingabe und der sachlichen Kompetenz zahlreicher Katecheten und Pädagogen aus dem Laienstand möglich. Eure Aufrufe haben glücklicherweise in diesen letzten Jahren in einer merklichen zahlenmäßigen Zunahme dieser Mitarbeiter Ausdruck gefunden. Mit Recht verlangt ihr von ihnen, daß sie ihrer Ausbildung in den dafür vorgesehenen Fachzentren genügend Zeit widmen. Auch ihnen möchte ich - wie allen Religionslehrern Afrikas — die Anerkennung und Dankbarkeit der Kirche zum Ausdruck bringen. Ich wünsche, daß es für sie möglich ist, diese Ausbildung auf einer höheren Stufe gemäß den bewährten Grundsätzen und in enger Absprache mit den zuständigen Organen des Hl. Stuhls in Burundi selbst fortzusetzen. Wie sollte man nicht gleichfalls alle jene Männer und Frauen beglückwünschen, die sich in den Werken der Gesundheitsfürsorge großzügig verausgaben, Werke, die euch so sehr am Herzen liegen und von der Bevölkerung, die sich um Hilfe an sie wendet, so hochgeschätzt werden. Was wäre die Verkündigung des Evangeliums ohne dieses Antlitz der Nächstenliebe, die sorgfältig auf jede Not achtet? Mit euch wünsche ich, daß euch jede finanzielle und technische Hilfe zuteil wird, die diese Tätigkeit erfordert; denn sie erfolgt ja im Dienst an allen euren Landsleuten. 6. Aber wer würde bei der Darlegung dieser verschiedenen so reichen und bedeutsamen Aspekte des Lebens der Kirche in Burundi nicht sehen, wie sehr für euer Amt die Mitarbeit von Priestern, Ordensmännern und zahlreichen Ordensfrauen am tiefen geistlichen Leben unerläßlich ist? Es ist ermutigend, feststellen zu können, daß die von euch gestartete Werbekampagne zugunsten von Berufen bei einer ganzen Reihe von Jugendlichen in ihrem hochherzigen Glauben Widerhall gefunden hat. Ich teile euer Bemühen zu veranlassen, daß sie zuerst von den Lehrern eurer Knaben- und Jugendseminare eine authentische christliche Ausbildung erhalten, die sie befähigt, eine freie und wohlüberlegte evangelische Unterscheidungsfähigkeit bezüglich ihrer eigenen Berufung und aller anderen Dinge unter Beweis zu stellen. Das setzt voraus, daß diese Häuser einer gemeinsamen, von euch sorgfältig erstellten Regelung unterworfen werden und daß die Lehrer selbst von dem Wunsch beseelt sind, eine Erziehungsgemeinschaft der Kirche zu verwirklichen. Ich vertraue es eurer Sorge an, in meinem Namen besonders eure Priesterseminaristen zu ermutigen. Ich wünsche mit euch, daß sie sich ihrer 1303 AD-LIMINA -BESUCHE Verantwortung für die Zukunft ausreichend bewußt sind und versuchen, schon heute von ihren Professoren eine anspruchsvolle Ausbildung im Bereich des geistlich-religiösen wie des intellektuellen Lebens zu erhalten. Mögen sie sich für Jesus Christus und für ihn allein begeistern und es fertigbringen, ohne Komplexe die Spezialisierungen im weltlichen Bereich bzw. in den Fächern, die für ihr künftiges Amt nicht unmittelbar nützlich und wichtig sind, anderen zu überlassen, um sich selbst mit Herz und Geist auf die so erhabene Kunst der Pastoral vorzubereiten! Ich weiß, daß sie bei ihren Vorgängern, Missionaren ebenso wie dem aus Burundi gebürtigen Klerus, das Vorbild von Priestern finden können, die sich für ihre priesterliche Arbeit voll entfaltet haben. Dabei denke ich zugleich an die Priester selbst, was Art und Dauer eventueller Studien in Europa oder anderswo anbelangt. Diese Frage muß reiflich und den Anforderungen des Hirtenamtes entsprechend überlegt werden; ich weiß, daß sie mitunter recht komplex ist und daß ihr die einzelnen Fälle mit der notwendigen Klugheit und Güte behandeln müßt. 7. In dem Maße, wie die Priester sich ganz der Verkündigung des Gotteswortes und dem liturgischen und persönlichen Gebet widmen und auf stetige Beachtung der Lehre bedacht sind, werden sie am besten der Elite eurer Nation helfen können, die christlichen Lehren in ihr persönliches Leben und in ihre Verantwortlichkeit im Dienst des Staates und der Gesellschaft einzubringen. Ihre zweckmäßige Unterstützung findet z. B. in der schönen Arbeit Ausdruck, die vom Redaktionsstab eurer interdiöze-sanen Zeitschrift geleistet wird, oder auch, auf anderer Stufe, in den Presseerzeugnissen von Lavigerie, die von den Weißen Vätern geleitet wird, die trotz des Alters vieler von ihnen so unermüdlich tätig sind. 8. Dieser Hinweis auf die Weißen Väter drängt mich, an das noch immer notwendige Wirken ausländischer Missionare an der Seite eurer einheimischen Priester wie auch an die Arbeit von Missionsschwestern zu erinnern. Ich wünsche und hoffe, daß ich hier mit meiner Bitte gehört werde, die Kongregationen mögen trotz der in den vergangenen Jahren aufgetrete-nen Schwierigkeiten nicht zögern, die Hilfe, die sie euch bisher in so reichem Maße zukommen ließen, fortzusetzen. Ich denke ebenso an die zahlreichen Ordensfrauen aus Burundi, die von einem echten missionarischen Eifer beseelt sind: Durch sie ist eure junge Kirche bereits in anderen, ärmeren Ländern Afrikas vertreten. Durch ihre Liebe für das bescheidene, arme Leben sollen sie den kleinen Leuten ganz nahe sein und Freude ausstrahlen können! 1304 AD-LIMINA-BESUCHE Zum Abschluß versichere ich euch, daß ich ermessen konnte, wie sehr eure verschiedenen Initiativen den Geist der Einheit und des Zusammenwirkens zum Ausdruck bringen, der die Arbeiten eurer Konferenz kennzeichnet. Das stärkt eure pastorale Autorität gegenüber allen. Ich bin sicher, daß die Kirche, die ihrerseits natürlich offen ist für einen Geist der Zusammenarbeit, auch dank des Verständnisses der Autoritäten des Staates und derer, die ihnen in der Verwaltung untergeordnet sind, es eurem schönen Vaterland ermöglichen wird, einen Weg zu einem ganzheitlichen und harmonischen Fortschritt einzuschlagen. Und während ich euch persönlich segne, erteile ich allen euren Gläubigen meinen herzlichen Apostolischen Segen. War nicht unser Leben immer schon ,,alternativ“? Ansprache bei der Audienz anläßlich des Ad-limina-Besuchs der ersten Gruppe deutscher Bischöfe am 14. Januar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Ganz herzlich begrüße ich euch heute als die erste Gruppe der Deutschen Bischofskonferenz zu eurem Ad-limina-Besuch hier im Vatikan. Von euch könnten die Worte des hl. Paulus gelten, der im Galaterbrief von sich berichtet: „Ich ging hinauf (nach Jerusalem) . . ., legte der Gemeinde und im besonderen den ,Angesehenen“ das Evangelium vor, das ich verkünde; ich wollte sicher sein, daß ich nicht vergeblich laufe oder gelaufen bin“ {Gal 2, 2). In gläubiger Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus wollt auch ihr euch vergewissern, daß ihr das richtige Ziel im Auge habt und der Weg stimmt, den ihr in eurer pastoralen Sorge für eure Diözesen und Gemeinden beschreitet. Besonders willkommen heiße ich den jüngsten Mitbruder unter euch, den Bischof von Limburg, der erst im vergangenen Jahr das Bischofsamt übernommen hat. Ebenso gilt in diesem Augenblick mein dankbares Gedenken dem verehrten und verdienten Herrn Kardinal Volk, der soeben Last und Freude einer würdigen Verabschiedung aus langjährigem treuem Dienst erfahren hat und deshalb heute nicht hier zugegen ist. In gemeinsamer Hirtensorge fühle ich mich jedem einzelnen von euch in 1305 AD-LIMINA-BESUCHE den konkreten Situationen eurer Diözesen und eures Amtes brüderlich verbunden und möchte meinen Teil dazu beitragen, daß dieser „Ad-limina“-Besuch euch neue Kraft und Zuversicht für euren weiteren Weg gebe. Dabei möchte ich einige grundlegende Gedanken, die in euren persönlichen Berichten bereits anklangen, hier noch einmal auf greifen. Indem ich sie eurer vertieften Betrachtung vorlege, richte ich sie zugleich an alle anderen Mitglieder eurer Konferenz so, wie meine späteren Worte an die beiden anderen Gruppen auch euch gelten mögen. 2. Christus sagt von sich, daß er gekommen ist, daß die Menschen „das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Deshalb ist auch unsere Sendung in seiner Nachfolge ein Dienst am Leben. Dieser unser Auftrag als Bischöfe, als Kirche erhält gerade in der Welt von heute eine ganz spezielle Aktualität und Dringlichkeit, wie ihr selbst es von seiten eurer Bischofskonferenz in den vergangenen Monaten deutlich zum Ausdruck gebracht habt. Mit Freude und Zustimmung habe ich von der Initiative vernommen, die ihr gemeinsam mit den Kräften des Laienapostolats in eurem Land ergriffen und unter das biblische Leitwort gestellt habt: „Wähle das Leben!“ (Dtn 30, 19). Alle Kräfte in Kirche und Gesellschaft sollen mobilisiert werden, um die heute den Menschen insgesamt bedrohende Feindlichkeit dem Leben gegenüber, den mangelnden Mut zum eigenen Leben und zur Weitergabe des Lebens durch ein neues Ja zum Leben zu überwinden. Die verhängnisvollen praktischen wie theoretischen Irrtümer, die das Leben als beliebig verfügbares Gut des einzelnen oder der Gesellschaft betrachten, sollen als unverträglich mit der Würde des Menschen von möglichst vielen Mitchristen und Bürgern durchschaut und auf eine eindeutigere Achtung vor dem Menschenleben hin korrigiert werden. „Wähle das Leben!“ Wählt zwischen Tod und Leben, die euch vorgelegt sind! Diese Entscheidungsfrage, die den Israeliten vor dem Einzug ins Gelobte Land gestellt wurde, ist auch uns und den uns anvertrauten Menschen gestellt angesichts des beschwerlichen Weges in die Zukunft. Dieser Weg — das muß unsere tiefste Überzeugung und unser klares Bekenntnis sein - führt nur dann nicht ins Leere, nur dann nicht in die Irre, wenn wir ihn in der Nachfolge dessen gehen, der allein von sich sagen durfte: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben!“ (Joh 14, 6). Leben ist nur möglich im Vertrauen auf das göttliche Erbarmen, das größer und stärker ist als alles, was uns die Hoffnung und den Mut zum Leben nehmen will. Nur in Christus erhält das Leben des Menschen seinen wahren Sinn und kann es zu seiner Fülle gelangen. 1306 AD-LIMINA-BESUCHE 3. „Wähle das Leben!“ Bei der Entfaltung dieses Appells werdet ihr gewiß die ganze Breite des hiermit angesprochenen Wertes den Menschen vor Augen führen: angefangen bei den Fragen der Umwelterhaltung und des Tierschutzes über die zentralen Probleme des irdischen Lebens des Menschen bis hin zur Verkündigung des ewigen Lebens, zu dem sich jeder Mensch berufen wissen darf. Das hier auf Erden verbrachte menschliche Leben ist zwar ein unantastbarer Wert, aber nach unserer Überzeugung in Übereinstimmung mit einer hohen Tradition von Philosophie und Weisheit anderen, noch höheren Werten untergeordnet, wie zum Beispiel der Würde der Person und ihren unveräußerlichen Grundrechten. So lehrt ihr, das Leben hier auf Erden zu lieben und es in menschenwürdiger Weise zu fördern und zu entfalten, sich zugleich aber auch auszustrecken nach der wahren Fülle eines unzerstörbaren Lebens aus der liebenden Macht Gottes. Die höchste Stufe von Lebensbejahung Diese christliche Spannung ist nicht leicht verständlich zu machen; sie gehört jedoch zum Lebensbild vieler Heiliger. Erst recht wie eine Provokation wirkt heute das Schriftwort: „Wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ {Mt 10, 39). Das Bekanntwerden des Lebens und Sterbens eines heiligen Christen von heute wie das Maximilian Kolbes hat aber viele Menschen wenigstens ahnen lassen, daß hier vielleicht die höchste Stufe von Lebensbejahung erreicht ist. Die tiefere Reflexion über diese letzte Möglichkeit eines Zeugnisses für die Würde des Lebens führt dann auch notwendigerweise dazu, das weitverbreitete Schlagwort von der notwendigen „Selbstverwirklichung“ des Menschen einer näheren Prüfung zu unterziehen. Bis zu welchem Punkt läßt sich dieser Begriff mit unserem Glauben vereinbaren? Ist nicht die Grenze genau dort gegeben, wo er das Verständnis auslöscht für jenes christliche Wagnis, „das eigene Leben zu verlieren“? 4. „Wähle das Leben!“ Dieser Entscheidungsruf richtet unseren Blick auch auf einige brennende Einzelprobleme des heutigen sozialen Lebens, aus denen ich jetzt nur auf drei besonders eingehen möchte. An erster Stelle steht hier zweifellos die fortwährende Aufgabe, junge Männer und Frauen dafür zu motivieren, in einer verantwortlich gestalteten Ehe und Familie die Würde des Menschen auch in deren konkretem Vollzug aufleuchten zu lassen und das Leben zu bejahen. Indem sie das Ja zueinander wählen, beginnen sie miteinander einen Weg in die Zukunft, 1307 AD-LIMINA-BES UCHE der in letzter Konsequenz das kleine Glück nur zu zweit übersteigt und zur Bejahung des Lebens auch in eigenen Kindern führen müßte. Versucht, den Menschen wieder Auge und Herz dafür zu öffnen, daß kein noch so wertvolles und attraktives Konsumgut an das Glück heranreichen kann, das die tägliche Begegnung und Auseinandersetzung mit der geheimnisvollen Welt eines Kindes als einer heranwachsenden Person demjenigen schenken kann, der gelernt hat, diese Werte zu sehen und sich über sie zu freuen. Die komplizierte Wahrheit suchen Dabei dürfen wir auch nicht jene Ehepaare übersehen, die ungewollt kinderlos bleiben. Auch ihnen gilt - wenn auch in einer speziellen Weise -der Aufruf: „Wähle das Leben!“ „Die leibliche Unfruchtbarkeit kann“, wie ich im Apostolischen Schreiben Familiaris consortio betont habe, „den Gatten Anlaß zu anderen wichtigen Diensten am menschlichen Leben sein, wie Adoption, verschiedene Formen erzieherischer Tätigkeit, Hilfe für andere Familien, für arme oder behinderte Kinder“ (Nr. 14). 5. Unter den sozialen Aufgaben der Kirche rückt in letzter Zeit immer mehr das Problem der knappen Arbeitsplätze in den Vordergrund. Die Suche nach dem Lebensunterhalt, das Verlangen nach einem sinnvollen und anerkannten Einsatz der eigenen Fähigkeiten: Beides zeigt uns deutlich den Zusammenhang mit dem Thema des Lebens. Einige von euch und manche eurer Priester sind in den vergangenen Monaten bereits aus nächster Nähe mit den harten Auseinandersetzungen konfrontiert worden, die eine drohende Massenentlassung oder Fabrikschließung naturgemäß mit sich bringt. Helft dabei mit, die Partner zum Dialog zu bringen, die ganze komplizierte Wahrheit der jeweiligen Situation zu suchen und ihr im Geist der Solidarität gemeinsam zu begegnen. Sucht Agitation zu vermeiden und lehnt die kurzschlüssige Jagd nach Sündenböcken ab: Beides entspricht nicht den Maßstäben Christi, der gekommen ist, nicht zu verurteilen, sondern zu versöhnen und alle Menschen zu Brüdern zu machen. Geht bei eurem Einsatz zugunsten der bedrohten Arbeitsplätze davon aus, daß es in eurem Lande durchaus auch zahlreiche soziale und christlich motivierte Unternehmer und Arbeitgeber gibt, die bereit sind und sich bemühen, ihre schwierige Aufgabe nach den Regeln sozialer Gerechtigkeit zu erfüllen. Die katholische Kirche selbst ist ja in eurem Land einer der größten Arbeitgeber. Ich möchte euch darin bestärken, auch weiter- 1308 AD-LIMINA-BESUCHE hin eine besondere soziale Verantwortung wahrzunehmen, wenn es darum geht, Arbeitsplätze auch unter eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten zu erhalten, jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu geben oder behinderten Menschen Raum für eine ihnen mögliche Tätigkeit zu schaffen. Eine solche konsequente soziale Ordnung im eigenen Haus gibt euch einen zusätzlichen Rechtstitel, um den kirchlichen Arbeitsbereich weitgehend selbst zu gestalten, bis hin zu eigenen Formen einer Arbeitnehmervertretung, die ihr zu Recht als der besonderen Natur des kirchlichen Dienstes angemessen betrachtet. 6. „Wähle das Leben!“ Dieser Aufruf, liebe Mitbrüder, richtet sich besonders dringlich an die junge Generation, an jene, die morgen die Last und die Schönheit des Lebens erfahren werden. Vor allen anderen brauchen sie die Zurüstung zu diesem Leben; sie brauchen den Mut zum Leben; sie brauchen Maßstäbe. Wir müssen uns selbst, unsere Priester und möglichst viele vom Glauben geprägte Laienchristen ermutigen, zu Gesprächspartnern gerade der jungen Menschen zu werden: Dieses Gespräch müssen wir suchen, auch dort, wo uns Eigenart und Mentalität der jungen Generation zunächst fremd und seltsam erscheinen. Manche ungewohnte Gesten von ihrer Seite enthalten stille Fragen an uns alle, brennende, lebenswichtige Fragen. Schreckt auch nicht zurück vor dem Wort „alternativ“, mit dem heute eine große Vielfalt von Ideen und Projekten im gesellschaftlichen Leben bezeichnet wird. Reflektiert und erwägt die dahinterstehenden Anliegen vertrauensvoll im Kreis erfahrener und weitschauender Männer und Frauen; denn es scheint tatsächlich so zu sein, daß verschiedene weltweite Entwicklungstendenzen gerade die Völker mit ausgeprägter Industriekultur allmählich an einen Punkt bringen, wo alternative Lösungen zum heute vorherrschenden Lebensstil gesucht und bedacht werden müssen. Die Kirche in ihrer großen geistigen Unabhängigkeit und Eigenständigkeit ist doch am ehesten der Ort, wo solche neuen Lebensmodelle für den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich formuliert und diskutiert werden können. Ist nicht unser ganz eigener Lebensweg als Christ, als Priester und Bischof immer schon „alternativ“ gewesen? Je tiefer und überzeugter wir uns selbst an Christus, den Weg, die Wahrheit und das Leben halten, um so eher können wir dieses Gespräch mit der jungen Generation wagen. Die Zukunft des Menschen ist ein Risiko wert. 7. Liebe Mitbrüder! Diese wichtigen Anliegen und Anregungen, die ich euch in herzlicher Verbundenheit und vertrauensvoller Offenheit vorge- 1309 AD-LIMINA-BESUCHE legt habe, werdet ihr gewiß mit eurer eigenen theologischen Einsicht und pastoralen Erfahrung verbinden. Mögen sie dazu beitragen, das Wirken der Kirche im Dienst am Leben, am irdischen und übernatürlichen Leben, in euren Diözesen und Gemeinden zu verlebendigen und wirksam auf den konkreten Menschen hin auszurichten. Meine brüderliche Anteilnahme und mein Gebet für euch, eure Priester und Gläubigen begleiten euch dabei. Schenkt auch ihr mir, eurem Bruder auf dem Bischofsstuhl in Rom, solche geistliche Gaben: Euer Rat für meinen Dienst an der Kirche Christi wird mir immer willkommen sein; eure Fürbitte ist mir Grund für Zuversicht und Freude. Gott sei gepriesen für diese unsere aufrichtige Gemeinschaft und Einheit! Mit besten persönlichen Wünschen erteile ich euch und euren Diözesen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Rufer der Umkehr zu sein, ist nicht bequem Ansprache bei der Audienz anläßlich des Ad-limina-Besuchs der zweiten Gruppe deutscher Bischöfe am 21. Januar 1. In der frohen Gewißheit unserer tiefen Verbundenheit als Glieder des Bischofskollegiums und unserer inneren Einheit in Christus, dem alleinigen wahren Guten Hirten inmitten des Gottesvolkes, empfange ich euch heute am Ende eures Ad-limina-Besuches gemeinsam im Vatikan, dem Ort des bleibenden Glaubenszeugnisses des hl. Petrus und seiner Nachfolger. Wie bei der vorhergehenden Gruppe deutscher Bischöfe grüße ich in euch die ganze Kirche in eurem Land, von deren Lebenskraft und Glauben ich seit meinem Pastoralbesuch eindrucksvolle Erinnerungen bewahre. Mein besonderer Gruß gilt dem verehrten Herrn Kardinal Joseph Höffner, dem langjährigen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem ich anläßlich seiner kürzlichen Wiederwahl Gottes Licht und Beistand erbitte. Zugleich gedenke ich in diesem Augenblick in Dankbarkeit des Bischofs Bernhard Stein, des früheren Oberhirten der Diözese Trier, und auch des allzufrüh verstorbenen Bischofs von Münster, Heinrich Tenhumberg. Ihre beiden Nachfolger heiße ich zu ihrem ersten Ad-limina-Besuch herzlich willkommen. Unsere brüderliche Begegnung ist Ausdruck und Vertiefung 1310 AD-LIMINA-BES UCHE unserer kollegialen Verbundenheit in der gemeinsamen Verantwortung für die Heilssendung Christi in unserer Zeit. Mögen daraus fruchtbare Impulse für die pastorale Arbeit in euren Diözesen und Gemeinden erwachsen. 2. Die katholische Kirche in der Bundesrepublik Deutschland bietet dem äußeren Betrachter einen kraftvollen Anblick, den einer wohlgeordneten, wirksamen Organisation mit vielfältigen pastoralen und sozialen Initiativen sowie großer Hilfsbereitschaft für weniger bemittelte Ortskirchen und notleidende Menschen in anderen Ländern und Kontinenten. Die jährlichen ausführlichen Berichte von den Arbeiten und Beschlüssen im Rahmen eurer Bischofskonferenz bezeugen, mit welch hohem Verantwortungsgefühl die Kirche in eurem Land auch an den schwerwiegenden Problemen in Staat und Gesellschaft Anteil nimmt und zu deren Lösung ihren spezifischen Beitrag leistet. Anerkennung und Dank gebührt eurer stets großzügigen Mitarbeit in den vielfältigen Anliegen des Hl. Stuhls und der Weltkirche sowie euren intensiven Kontakten, die ihr mit Mitbrüdern und Bischofskonferenzen in den Kirchen der Dritten Welt unterhaltet, wodurch ihr den gegenseitigen Erfahrungsaustausch wie auch den Geist weltweiter Brüderlichkeit wirksam fördert. Doch kann, wie ihr selbst in euren Gesprächen mit mir betont habt, dieses kraftvolle organisatorische Leben in der Kirche eures Landes nicht die innere religiöse Krise vergessen lassen, die sich weltweit aus dem fortschreitenden Prozeß der Säkularisierung und aus der Gottvergessenheit in der modernen Konsumgesellschaft herleitet und auch euch und eure Priester bei der täglichen Seelsorgearbeit in den Gemeinden vor große Schwierigkeiten stellt. Die rückläufige Zahl der sonntäglichen Kirchenbesucher, die zunehmende Zerrüttung in Ehen und Familien mit wachsenden Scheidungsquoten, das Sinken der öffentlichen Moral und die Mißachtung menschlicher Grundwerte in Staat und Gesellschaft sind nur allzu deutliche Zeichen für eine bedrohlich um sich greifende Entchristlichung des menschlichen und gesellschaftlichen Lebens. Diese stellt für die Kirche eine große Herausforderung dar, der sie nur durch eine radikale Besinnung auf ihren ureigensten Heilsauftrag wird begegnen können. Gefordert ist eine tiefgreifende innere Erneuerung der Kirche aus der Kraft des göttlichen Geistes und eine authentische Neuevangelisierung mit dem Aufruf Christi zu Umkehr und Glauben. 1311 AD-LIMINA -BES UCHE Erschütternde Erfahrung der Grenzen 3. Es kann keine geistige Erneuerung geben, die sich nicht in Buße und Umkehr vollzieht. Christus selbst hat die Verkündigung der Frohen Botschaft mit dem eindringlichen Bußruf begonnen: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15). Die Kirche ist heute in einer besonderen Weise aufgefordert, diesen Ruf des Herrn selber neu zu hören und zu befolgen sowie den Menschen zu verkünden. Er bildete das Motto eures Katholikentages in Düsseldorf und wird eine gründliche Erörterung und Aktualisierung in den Beratungen der kommenden Bischofssynode erfahren. Der Bußruf Christi soll auch das zentrale Anliegen der pastora-len Erneuerung in euren Diözesen und Gemeinden werden. Vielleicht sind Buße und Bußsakrament noch nie zuvor so sehr in die Krise geraten wie in unserer Zeit. Das Bewußtsein des Menschen, daß er ein Sünder ist, die Bereitschaft, seine Schuld beim Namen zu nennen, und die Einsicht, daß nur der vergebende Gott einen Neuanfang schenken kann, sind heute weitgehend verdunkelt oder völlig geschwunden. Gleichzeitig hat jedoch derselbe Mensch, der mit Buße und Umkehr nicht mehr viel anzufangen weiß, von einer ganz anderen Seite her eine erschütternde Erfahrung der Grenze machen müssen. Der moderne Fortschritt ist in ein Tempo hineingeraten, das nach dem Rausch der Selbstsicherheit die Angst vor dem Entgleisen, vor der Katastrophe hat wachsen lassen. Grenzen des Wachstums sind sichtbar geworden, der Überdruß an einer Kultur des bloßen Habens und Genießens greift um sich; zugleich verbreitet sich der Schrecken vor einer inneren Erschöpfung der Lebensmöglichkeiten auf dieser Welt oder einer kriegerischen Selbstzerstörung der Menschheit. Die Verhältnisse selbst schreien dem Menschen heute den gleichen Ruf ins Bewußtsein, den der Herr an den Anfang seiner Predigt gestellt hat: Kehrt um! Dennoch kann diese konkrete Grenzerfahrung den persönlichen Bußruf Christi nicht ersetzen, wenngleich sie ihm den Weg zu bahnen vermag. Wer nur den Umkehrruf hört, wie er sich angesichts der gegenwärtigen großen Gefährdung der Menschheit erhebt, droht in Resignation und Angst, in Protest gegen das Bestehende oder in letztlich gefährlichen Utopien steckenzubleiben, ohne das Unheil des Menschen an der Wurzel zu packen. Damit die Welt neu werden kann, muß der Mensch neu werden, und der Mensch kann nur neu werden, wenn er den ganzen Ruf der Frohen Botschaft ernst nimmt, den Markus an den Anfang der Predigt Jesu stellt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Kehrt um und glaubt! 1312 AD-LIMINA-BESU CHE 4. In dieser Situation habt ihr, liebe Mitbrüder, eine ganz besondere Verantwortung. Eine neue Nachdenklichkeit ist allenthalben aufgebrochen, viele fragen wieder nach Orientierung, nach Halt und Weg. Es ist an euch, den Hirten und Zeugen, die Stimme Gottes den Menschen noch vernehmbarer zu machen, damit auch solche, die sich in einem langen Prozeß der Ermüdung von der Kirche entfernt haben, Zeit der Gnade erfahren und sich neu dem pilgernden Gottesvolk anschließen, das unter der Führung und dem Gebet des Herrn die Straße in eine Zukunft findet, die er allein schenken kann. Rufer der Umkehr sein Rufer der Umkehr zu sein, ist nicht bequem. Auch wenn noch so viele erkennen, daß Umkehr not tut, dürfen wir uns nicht darüber wundern, daß viele vor den konkreten Schritten zurückschrecken, die dafür erforderlich sind. Ich möchte euch in eurem schweren Dienst bestärken, Rufer der Umkehr zu sein, und im folgenden auf einige Richtungen hinweisen, die neu einzuschlagen sind, damit wahrhaft Umkehr geschehe und die Menschen sich wieder neu Gott zuwenden und öffnen. Ein Kult des Gesprächs Wir müssen umkehren von der Anonymität zum Bekenntnis. Umkehr gibt es nicht, wenn nicht jeder bei sich selbst anfängt. Der Mensch der industriellen Massengesellschaft ist versucht, sich in der Anonymität der Masse zu verstecken. Anderseits möchte er jedoch aus dem Bann der Namenlosigkeit ausbrechen; er möchte wieder einen Namen, ein Ich haben und erleben. Er gibt geradezu einen Kult des Gespräches, des Aussprechens aller Schwierigkeiten, Probleme und Empfindungen. Warum finden wir nicht auch wieder neu den Weg zu jenem Gespräch, das wahrhaft befreit? Zum Gespräch, in dem ich meine Ohnmacht, mein Versagen dem allmächtigen Gott anvertraue und von ihm die Zusage der Vergebung und des neuen Anfangs empfange? Überall, wo Menschen, gerade auch junge Menschen, neu das Bußsakrament entdecken, gelingt ihnen ein Durchbruch zu neuer Freiheit. Werdet nicht müde, hier Wege zu eröffnen, Hilfen anzubieten, behutsam und mutig Menschen zu begleiten auf ihrem Weg zu Buße und Bußsakrament. Wir müssen umkehren vom Ich zum Du, zum Wir. Der Mensch kann sich selbst nicht finden, wenn er nicht dem Du begegnet und sich zum Mitmenschen hin öffnet. Die Unfähigkeit zu personaler Bindung, zur 1313 AD-LIMINA-BESUCHE Treue, zum Ja ohne Grenzen und Vorbehalte ist letztlich Unfähigkeit zum eigenen Menschsein. Umkehr vom Ich zum Du besagt Umkehr zu Bindung und Treue, die auch Krisen und Schwierigkeiten überdauern und sich in Ehe und Familie, in Kirche und Gesellschaft gegenüber Gott und den Mitmenschen bewähren. Jeder trägt Verantwortung für den anderen und für das Gemeinwohl. Gleichgültigkeit, Staatsverdrossenheit und Fatalismus stehen im Gegensatz zu christlicher Weltverantwortung. Welch große Tradition haben katholische Soziallehre und sozialer Katholizismus in eurem Land! Laßt die Impulse nicht ungenutzt, die ich in meiner Enzyklika Laborem exercens in dieser Richtung gegeben habe. Wir müssen umkehren von Illusionen zur konkreten Verantwortung, vor allem zur Verantwortung vor Gott. Nichts läge mir ferner, als jenen Idealismus zerstören zu wollen, der heute viele junge Menschen wieder ergreift. Aber es muß ein Idealismus sein, der sich auf dem Weg der Nachfolge bewährt und nicht vor Opfern und Kreuz kapituliert. Große Ziele auf dem kleinen Weg, das heißt, durch kleine, bescheidene Schritte zu erreichen, darum geht es. Helft, liebe Mitbrüder, gerade den jungen Menschen, ihre Ideale umzumünzen in die konkrete Verantwortlichkeit! Die großen geistlichen Lehren von der Unterscheidung der Geister, vom Gewinnen und Prüfen der eigenen Lebensentscheidung, eine Spiritualität christlich gelebter Alltäglichkeit tut heute not, damit Menschen wieder befähigt werden zum großen und ganzen Ja, durch das sie sich im Bewußsein ihrer Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen in den vielfältigen Schwierigkeiten und Prüfungen des Alltags als wahre Christen bewähren können und das allein auch eine geistliche Berufung zum Leben nach den evangelischen Räten oder im Priestertum zu tragen vermag. 5. Liebe Mitbrüder! „Das ist der Wille Gottes, daß ihr heilig lebt“ (1 Thess 4, 3), so ermahnt der hl. Paulus seine Gläubigen. Der einzige Weg zu solcher Heiligung ist der Weg der Umkehr und Buße, wie Christus und die Kirche ihn lehren. Um im Menschen das rechte Gespür dafür zu wecken, was Sünde ist, muß er vor allem seine große Verantwortung vor Gott und gegenüber seinen Mitmenschen erkennen. Eine tiefe Gewissenserziehung ist dazu erforderlich. Ohne Sündenerkenntnis kann es kein Sündenbekenntnis geben. Bemüht euch zusammen mit euren Priestern darum, die Gläubigen zu einer solchen Bußgesinnung zu führen und darauf hinzuwirken, daß sie das Bußsakrament als wirksames Zeichen der Versöhnung erfahren und davon häufigen Gebrauch machen. Die neue Ordnung zur Feier der Buße bietet dafür wertvolle Anregungen und pastorale Hilfen, die es voll auszuschöpfen gilt. 1314 AD-LIMINA-BESUCHE Die Kirche kann den Aufruf Christi zu Umkehr und Glaube nur dann überzeugend den Menschen als Heilsbotschaft verkünden, wenn sie ihn zuallererst selbst befolgt und beispielhaft vorlebt. In der kommenden Bischofssynode wird die Kirche sich gewissenhaft darüber Rechenschaft geben und ihren Verkündigungsauftrag vom Bußruf des Herrn her neu bestimmen. Sucht die wertvollen Anregungen und Erfahrungen eures erfolgreich verlaufenen Düsseldorfer Katholikentages für die konkrete Seelsorge in euren Diözesen und Gemeinden fruchtbar zu machen. Das von mir angekündigte Jubiläumsjahr der Erlösung bietet dafür einen zusätzlichen Anlaß und große pastorale Hilfen. Das Jubiläumsjahr selbst will ein Aufruf zur Buße und zu einem fruchtbaren Empfang der Gnade der Erlösung sein. 6. Durch das ernsthafte Bemühen der Kirche um geistliche Erneuerung durch Umkehr und Buße wird zugleich das zentrale und heute so dringliche Anliegen der Einheit aller Christen neue Impulse erhalten, dessen wir gerade in der jetzigen Weltgebetsoktav wieder besonders gedenken. Es gibt, wie das Zweite Vatikanische Konzil nachdrücklich betont, „keinen echten ökumenismus ohne innere Bekehrung“ (Unitatis redintegratio, Nr. 7). Mit Freude habe ich die Schritte verfolgt, die ihr im Anschluß an meinen Besuch in eurem Land in der gemeinsamen ökumenischen Arbeit unternommen habt. Laßt euch durch die Schwierigkeiten, denen ihr dabei begegnet, nicht entmutigen. Setzt den gemeinsamen Weg fort mit aller Liebe und Entschlossenheit, mit Klarheit und Mut zur Hoffnung, zu der uns Christi verheißener Beistand und sein Gebet berechtigen. Möge Gott euch, liebe Mitbrüder, in eurem unermüdlichen Wirken für die großen Anliegen der Kirche in unserer Zeit: für die geistige Erneuerung der Kirche und die Einheit der Christen durch Umkehr und Buße, stets mit seinem Licht und Beistand begleiten. Er erhöre unser Gebet, das wir am Ende unserer brüderlichen Begegnung mit den Worten der Liturgie an ihn richten: „Herr, unser Gott, wir haben uns im Namen deines Sohnes versammelt und rufen zu dir: . . . mach uns hellhörig für unseren Auftrag in dieser Zeit und gib uns die Kraft, ihn zu erfüllen“ (Oration der I. Woche im Jahreskreis). Das erbitte ich euch, euren Mitarbeitern und allen Gläubigen in euren Diözesen von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 1315 AD-LIMINA-BESUCHE Geistliche Führung nicht durch Kollektiv, sondern persönliche Verantwortung Ansprache bei der Audienz anläßlich des Ad-limina-Besuchs der dritten Gruppe deutscher Bischöfe am 28. Januar Liebe Mitbrüder im Bischofsamt! 1. Ihr seid nach Rom gekommen, um eure Einheit mit dem Nachfolger Petri in lebendiger Begegnung zu bekräftigen. Vor zwei Jahren war uns eine solche Begegnung in eurer Heimat geschenkt. Die Erinnerung daran erfüllt mich mit dankbarer Freude. Möge auch unser heutiges brüderliches Gespräch unter Gottes Segen stehen - auf die Fürsprache der Patrona Bavariae. Unser hebendes Gedenken gilt in dieser Stunde denen, die seit dem letzten Ad-limina-Besuch eurer Konferenz abberufen wurden: meinem unvergessenen Vorgänger Paul VI., unserem ehrwürdigen Mitbruder Bischof Josef Stangl. Einen Gruß der Verbundenheit bitte ich dem verdienten Altbischof Dr. Gräber zu überbringen. Den vormaligen Oberhirten von Speyer darf ich heute als Erzbischof von München und Freising begrüßen - mit den besten Wünschen und zugleich mit dem Dank an seine Diözesanen, daß sie die Berufung seines Vorgängers für einen wichtigen Dienst an der Weltkirche bereitwillig mitgetragen haben. Den ersten Ad-limina-Besuch steht unsere Begegnung für den Bischof von Regensburg dar; der hl. Wolfgang helfe ihm, Christi „Wahrheit in Liebe zu verkünden“! 2. Liebe Mitbrüder! Die Begegnung zwischen den Bischöfen und dem Nachfolger Petri ist immer Anlaß, über die Richtung unseres Dienstes als Verkündiger des Evangeliums und Ausspender der Geheimnisse Gottes in unserer Zeit nachzudenken. Von meiner ersten Enzyklika über den „Erlöser des Menschen“ bis hin zum Apostohschen Schreiben über die Familie habe ich immer wieder Gottes Sorge um den Menschen in den Mittelpunkt meiner Verkündigung gestellt. Man könnte all dies zusammenfassen in einem Wort des hl. Irenäus, welches sagt: „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch, das Leben des Menschen aber ist es, Gott zu sehen.“ Beide Seiten dieses Wortes sind gleich wichtig: Nur der Mensch, der lebt und Leben hat, kann Gott zur Ehre gereichen. Gott ist nicht der Konkurrent des Menschen, seine Ehre geht nicht auf Kosten des Menschen; Gott ist um so mehr geehrt, je mehr 1316 AD-LIMINA-BESUCHE der Mensch zu seiner Ganzheit und Fülle findet. Gottes Gebote sind keine Umzäunungen, die den Menschen vom Schönsten fernhalten, sondern Wegweiser zur Fülle. Sie zeigen, wie man Leben finden kann: „Das Leben des Menchen ist es, Gott zu sehen.“ Der wöchentliche Ostertag der Kirche Weil es so ist, ist die Kirche in ihren sozialen Diensten, in ihrem Kampf um Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden um das irdische Wohlergehen des Menschen bemüht. Weil es so ist, bleibt sie aber nicht bei sozialer Aktion und Mitmenschlichkeit stehen, sondern öffnet dem Menschen den Blick für Gott und führt ihn zum Gottesdienst. Der Gottesdienst ist kein Abgehen von der Sorge um den Menschen, sondern ihre innerste Mitte. Wo Gott aus der Sichtweite des Menschen gerät, entfernt er sich zugleich von den Quellen des Lebens. 3. Laßt mich im folgenden einige Gesichtspunkte dieses grundlegenden Themas weiterentfalten. Von der eucharistischen Liturgie gilt im besonderen, was das Konzil von der Liturgie im allgemeinen sagt: Sie ist Gipfel und Quell, von wo alles Wirken der Kirche kommt und wohin es zurückführt {SC, Nr. 10). Deshalb liegt soviel daran, daß alle Gläubigen den wöchentlichen Ostertag der Kirche, den Sonntag, wirklich als Tag der eucharistischen Begegnung mit dem Herrn vollziehen können. In der Eucharistie versammelt sich nicht nur die örtliche Gemeinde; in ihr tritt der Herr selbst auf eine einzigartige Weise in unsere Mitte und beteiligt uns an seiner Verherrlichung des Vaters, die er im Opfer des Kreuzes vollzogen hat und als Erhöhter fortwährend vollzieht. Dieses Ereignis ist durch nichts anderes ersetzbar. Es ist wichtig, daß gerade in unserer Zeit das Bewußtsein davon Priester und Laien gleichermaßen erfüllt. Das Jubiläumsjahr, das in Kürze beginnen wird, sollte ein Anlaß sein, das österüche Geheimnis der Eucharistie in der Verkündigung neu zu erschließen, damit es auch im Leben mit neuem Ernst und mit neuer Freude angeeignet werden kann. 4. Daraus wird von selbst auch eine verstärkte Bemühung um Priesterberufe folgen, mit der eine ständige Sorge um die priesterliche Spiritualität und um das priesterliche Tun derer einhergehen muß, die mit dem Bischof zusammen das Presbyterium einer Diözese bilden. Ich weiß, daß ihr viel getan habt und tut, um im Geist des Konzils auch andere Berufe der Kirche zu fördern, vom Diakonat angefangen bis zu vielfältigen Berufen 1317 AD-LIMINA-BESUCHE der Mitwirkung in Verkündigung und Seelsorge, in denen gerade auch Frauen ihren Platz im aktiven Dienst der Kirche einnehmen können. Dies alles ist lebenswert und in unserer Zeit nötig. Es konkurriert auch, recht verstanden, gar nicht mit der Unersetzlichkeit des Priesterberufes, die vor allem aus der Unersetzlichkeit der Eucharistie folgt. So habt ihr gleichzeitig mit solchen Bemühungen immer wieder zum Priesterberuf eingeladen und euch bemüht, die unverwechselbaren Strukturen der einzelnen Berufe deutlich herauszustellen. Ebenso habt ihr euch bemüht, in den Seminarien eine Atmosphäre zu schaffen, die wirklich zum Priestertum hinführen kann. Ich kann euch nur ermutigen, in diesem Bemühen mit allem Nachdruck fortzufahren. Laßt mich hier einen Gesichtspunkt besonders unterstreichen. Das Beispiel, das diejenigen geben, die schon im Priesterberuf stehen, und die Möglichkeit, sich für ihn zu entscheiden, hängen eng miteinander zusammen. Daher ist die persönliche Beziehung des Bischofs zu seinen Priestern in dieser unserer Zeit besonders wichtig. Jeder Priester muß wissen, daß er nicht allein ist. Er muß immer wieder die Ermutigung und die Stärkung der brüderlichen Gemeinschaft derer erfahren, die mit ihm im gleichen Dienst stehen. Er muß erfahren können, daß der Bischof nicht der ferne Vorgesetzte einer großen Behörde ist, sondern die Mitte derer, die zusammen den Altar Jesu Christi als ihre wahre Mitte wissen. Eine Ortskirche, die über verhältnismäßig viele materielle Mittel verfügt wie die eurige, hat ihre besonderen Chancen, aber auch ihre besonderen Gefährdungen. Eine der Gefahren ist es, daß der Apparat stärker wird als die Menschen. Aber für die Kirche ist das Prinzip persönlicher Verantwortung von grundlegender Bedeutung. Geistliche Führung liegt in der Kirche nicht bei einem Kollektiv, sondern immer bei Personen. Ich weiß, wie schwer es bei allen Verpflichtungen eines Bischofs in dieser Zeit ist, diesem Prinzip treu zu bleiben. Ich weiß, daß man nie alle zufriedenstellen kann. Aber ich bitte euch doch darum, die Einfachheit des Evangeliums und seinen persönlichen Charakter immer wieder zur Geltung zu bringen. Die Ermutigung, die von solchem Zusammenhalt des Bischofs und der Priester untereinander ausgeht, ist wesentlich dafür, daß junge Menschen diesen Beruf entdecken und darin einen Ruf an sich selbst erkennen können. 5. Laßt mich auf einen weiteren Gesichtspunkt kommen. Nicht umsonst stammen die Worte Kult und Kultur von der gleichen sprachlichen Wurzel her. Die Verherrlichung Gottes hat den Menschen dahin gebracht, die Schönheit zu suchen, die Gottes würdig ist, und indem er sie suchte, ist er 1318 AD-LIMINA-BESUCHE selbst besser und menschlicher geworden. Kult und Kultur gehören untrennbar zusammen. In eurer bayerischen Heimat, liebe Brüder, ist diese Verflochtenheit von Kult und Kultur besonders lebendig. Es war daher sinnvoll, daß die für mich unvergeßliche Begegnung mit der Welt der Kultur im Rahmen meines Deutschlandbesuches in der Hauptstadt eures Landes stattgefunden hat. Festliche Schönheit der Liturgie pflegen Man wirft dem letzten Konzil vor, es habe eine „Zerstörung der Sinnlichkeit“ gebracht, die Liturgie einer „banalen Verstellbarkeit“ unterworfen; in einer „Veralltäglichung des Sakraments“ habe es zu einer „Zerstörung der Kultur“ beigetragen. Es ist hier nicht der Ort, in einer Auseinandersetzung mit diesen Behauptungen einzutreten. Gewiß hat es manches puristische Mißverständnis der Liturgiereform gegeben. Aber wenn das Konzil den Gebetscharakter der Liturgie unterstrichen und die Einbeziehung aller in das Hören, Reden und Tun vor dem Herrn, von ihm her und zu ihm hin gesucht hat, so wollte es damit den Aspekt der Verherrlichung keineswegs vermindern, bei der immer wieder das Wort des Priesters Esra an das versammelte Volk Israel wahr wird: „Die Freude am Herrn ist unsere Stärke“ (Neh 8, 10). Deswegen möchte ich euch ermutigen, der Freude am Herrn Raum zu geben, die festliche Schönheit der Liturgie weiterzupflegen, die es gerade in eurem Lande gibt, und zugleich das religiöse Brauchtum nicht in profane Schaustellung abgleiten zu lassen, sondern immer wieder an seinen Ursprung zu binden, es in seiner religiösen Mitte zu verankern, damit Herz und Verstand gleichermaßen vom Glauben berührt werden. 6. Das Jahr der Erlösung rückt noch einen anderen Gesichtspunkt ins Bewußtsein. In meiner Ansprache an die vorhergehende Gruppe deutscher Bischöfe habe ich bereits darauf hingewiesen, daß das erste Wort der Frohen Botschaft lautet: Poenitemini - Bekehrt euch, tut Buße! Wo das Wort Sünde zu einer Art Fremdwort wird, da fehlt es dem Menschen an Wahrheit. Er dringt nicht mehr zum Kern seiner selbst vor und verliert damit die wahre Veränderungsbereitschaft, die die Voraussetzung für das Kommen von Gottes Reich ist. Wenn der Mensch Sünde nicht mehr als eine ernsthafte und ihn ernsthaft angehende Realität ansieht, ist dies zugleich ein Zeichen, daß seine Wahrnehmung Gottes verdunkelt ist. In dem Augenblick, in dem Petrus in Jesus die Nähe Gottes selbst erkannt 1319 AD-LIMINA -BESUCHE hatte, rief er aus: „Geh weg von mir, ich bin ein sündiger Mensch!“ (Lk 5, 8). Wo Gott erkannt wird, erkennt der Mensch sich selbst, erkennt er seine Sünde, und so wird er der Erlösung fähig. Nutzt dieses Jahr, in dem zugleich die Bischofssynode die Fragen von Buße und Versöhnung bedenken wird, um die Verkündigung über Sünde, Buße und Erlösung zu vertiefen! Nutzt es als eine Einladung zum Sakrament der Buße! Eine solche Auslegung des Erlösungsgeheimnisses auf den Ernst und die Freude von Buße und Bekehrung hin hat zugleich eine ökumenische Bedeutung in dem Jahr, in dem das Gedenken an die Geburt des Reformators Martin Luther vor 500 Jahren die ökumenische Frage besonders dringlich macht. So könnte auch deutlich werden, daß die Ablässe, die am Ursprung der Spaltung der Christenheit standen und nun gerade in diesem Jahr gleichsam wieder den Weg Luthers kreuzen, nichts anderes sein wollen als eine konkrete Antwort auf jene Grundwahrheit des Glaubens, die das Konzil von Trient in die Worte gefaßt hat: „Das ganze christliche Leben ist ein beständiger Vorgang der Buße“ (DS 1694). 7. Kehren wir noch einmal zu dem Wort des hl. Irenäus zurück: „Gloria Dei vivens homo, vita autem hominis visio Dei.“ Der Mensch muß also Gott wahrnehmen, um wirklich zu leben. Dieses Wahrnehmen Gottes hat viele Dimensionen, von denen ich einige anzudeuten versuchte. Es geschieht, wie gesagt, nicht durch die Ratio allein. Aber gleichzeitig gilt doch auch, daß die Vernunft bevorzugtes Organ geistigen Sehens ist. Von daher rührt die große Bedeutung der Theologie für Glaube und Kirche. Ich weiß, daß es in eurem Land eine ungewöhnlich große Zahl von theologischen Fakultäten und eine ebenfalls außerordentlich große Zahl von Studierenden der Theologie gibt. Deshalb lag mir daran, auf meiner Deutschlandreise auch in Kontakt zu treten mit den Professoren der Theologie. Es war eine glückliche Fügung, daß diese Begegnung, an die ich gerne zurückdenke, in eurem großen Marienwallfahrtsort Altötting stattgefunden hat. Vernunft und Gotteslob gehören zusammen Ich brauche jetzt die grundsätzlichen Erwägungen zur Stellung von Theologie und Theologen in der Kirche nicht zu wiederholen, die ich damals vorgetragen habe. Ich möchte aber auf das Sinnbildliche dieses Begegnungsortes hinweisen: Wenn Maria - wie das Konzil mit den Vätern sagt - 1320 AD-LIMINA-BESUCHE „Typus der Kirche“ ist {LG 63), dann wurde darin sichtbar, daß die Theologie immer im Raum der lebendigen Kirche reifen muß und daß die theologische Reflexion jenes innere „Bedenken des Wortes“ (Lk 2, 19) braucht, dessentwegen die Väter Maria „Prophetin“ nannten. Es wird sichtbar, daß Theologie im Raum der betenden Verherrlichung Gottes angesiedelt sein muß, um gedeihen zu können. Wie Kult und Kultur, so gehören Vernunft und Verherrlichung Gottes zusammen. Eure Sorge um die theologischen Fakultäten, um diejenigen, die dort lehren und lernen, wird gewiß gerade auf das Erhalten und Stärken dieses Zusammenhanges bedacht sein. All diese Anliegen, liebe Mitbrüder, gebe ich euch mit auf den Weg zurück in die tägliche Arbeit. Empfehlen wir alles, was ich in diesen Wochen mit euch und den übrigen deutschen Bischöfen besprochen habe, dem göttlichen Geist, „der Herr ist und lebendig macht“. Wenn ich nun euch allen in dieser Stunde nochmals aus ganzem Herzen danke für euren Einsatz im Dienst am Reiche Gottes, dann dürft ihr aus der Stimme des Papstes sicher auch die Stimme des Guten Hirten selbst hören. Er sei euer Lohn! Für euch und eure Gläubigen, für eure Mitchristen und alle Mitbürger erbitte ich von Herzen den Segen des Dreifältigen Gottes. Intensiviert euren pastoralen Einsatz Ansprache an die Bischöfe der Dominikanischen Republik anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 27. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Zuerst muß ich euch gestehen, daß ich diese kollegiale Begegnung sehr gewünscht habe, gibt sie mir doch Gelegenheit, euch meine Liebe und meine Sorge um euch persönlich und das Volk mitzuteilen, das ihr in der Dominikanischen Republik leitet; diese Liebe und diese Sorge sind während der Tage eures Ad-limina-Besuchs noch gewachsen. Während der Audienzen mit jedem von euch konnte ich mit lebhaftem Wohlgefallen feststellen, wie echt und tief eure geistigen Bande zum Apostolischen Stuhl sind, denen Gewißheit und Stärke, Mut und Hoffnung für euer kirchliches Amt entspringen. Stärke und Hoffnung finden einen 1321 AD-LIMINA-BESUCHE Widerhall in meinem Herzen und in meinem weltweiten Dienst an der Kirche, sind sie doch Früchte dergleichen „Liebe Gottes, ausgegossen in unsere Herzen durch den Hl. Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5). Zur besonderen Hervorhebung dieses gemeinsamen Empfindens trägt auch die willkommene Anwesenheit des lieben Kardinals Octavio Beras Rojas bei, dem ihr, als Lohn für sein langes und erfolgreiches pastorales Wirken und als Ausdruck eurer Liebe, die wohlverdiente Anerkennung durch Verleihung des Titels eines Ehrenpräsidenten auf Lebenszeit zollen wolltet. So gelten also mein Friedens- und Bruderkuß in Christus dem Erlöser Eurer Eminenz, euch, den Hirten der Kirche, euren unermüdlichen Mitarbeitern - den Priestern und Ordensleuten - und dem treuen Volk, das euch anvertraut ist. 2. Vor etwas mehr als vier Jahren, zu Beginn meines Pontifikates, wurde mir die besondere Gnade Gottes zuteil, einen unvergeßlichen Tag in eurer Mitte verbringen zu können, der von Kundgebungen christlichen Glaubens und christlicher Religiosität erfüllt war. Meine erste apostolische Reise in die neue Welt fiel also mit der ersten Begegnung mit der Ortskirche eines ganzen Landes, eures Landes, zusammen, die ich „die im Glauben erstgeborene der neuen Welt“ zu nennen wagte, war sie doch die erste Saat des Evangeliums in den neu entdeckten Ländern. Fast 500 Jahre nach diesem Ereignis bereitet ihr euch auf sein feierliches Gedächtnis mit einem entsprechenden Programm geistlicher Erneuerung vor, dessen unmittelbare Ziele die Intensivierung der Dynamik eines bewußten und wirksamen Glaubens und die Neubelebung der kirchlichen Einheit und der brüderlichen Gemeinschaft unter besonderer Berücksichtigung des Milieus der christlichen Familien und der vom mitmenschlichen Zusammenleben auferlegten Verpflichtungen ist, bei deren Erfüllung die Kinder der Kirche allzeit mit leuchtendem und kraftvollem Beispiel vorangehen müssen. Ich beglückwünsche euch zu dieser Initiative, von der ihr reichste Früchte erwarten könnt. In diesem Zusammenhang und im Wunsch, euren Vorsatz zu stärken, möchte ich heute, wenn auch nur kurz, an etwas erinnern, was mir vom Standpunkt der Lehre und für die pastorale Praxis äußerst wichtig erscheint: Ich meine die Wahrheit, oder, wenn ihr es anders aus-drücken wollt, die Grundtatsache der Erlösung und ihre konkrete Bedeutung für euer Volk. 3. Die Kirche der Dominikanischen Republik kann sich glücklich schätzen, weil ihrem Namen der Begriff eines Erstlings im Geheimnis der 1322 AD-LIMINA-BESUCHE göttlichen Heilsökonomie anhaftet. Gott offenbarte seinen erbarmenden Willen, indem er Männer an eure Ufer zwang, die nachher dort das Evangelium verkündeten: Diese Heldentat historischer Transzendenz war ein bewegender Augenblick in einem Zeitalter, in dem sich den menschlichen Kenntnissen und Errungenschaften neue Horizonte auftaten. Der göttliche Heilsplan, den, jenseits so vieler und so verschiedener menschlicher Begebenheiten als einzig dastehendes und wesentliches Ereignis anzuerkennen ich euch auffordere, darf nicht verborgen bleiben. Auf eurem Boden und unter eurem Volk begann mit der Entdeckung der neuen Welt auch eine neue, durch das Taufwasser in Christus geläuterte und in ihm verwurzelte Menschheit. Seither inspiriert der göttliche Geist die Bewohner der Dominikanischen Republik; die erlösende Kraft der Gnade Christi formt unaufhörlich die Menschen und die Seele eurer Nation und verleiht ihnen das gemeinsame Kennzeichen des unlösbaren Bandes der Einheit innerhalb der Kirche. Von dieser ebenso geheimnisvollen wie geistlich wirksamen Tatsache absehen zu wollen, käme einer Entstellung des inneren und ursprünglichen Bildes des neuen Menschen gleich, den Gott liebt und den er dazu ruft, sich durch die Vermittlung seines Sohnes und des unaufhörlichen Wirkens des Heiligen Geistes von den Fesseln der Sünde und des Todes zu befreien. 4. Dieses 1950. Jahr seit unserer Erlösung in Christus muß uns für die Gnade aufgeschlossen finden. Unsere Stellung als Hirten, die von Gott zur Führung ihrer Herde berufen sind, verpflichtet uns, aufmerksam und wachsam zu sein und die authentische Neuheit des Lebens in Gerechtigkeit und Gutsein zu verbreiten. Von verschiedenen Seiten werden ständig menschliche Vorbilder angeboten, die unter dem illusorischen Vorwand einer Änderung bedenkenlos die Kirche und ihre Mission in die Ergebnisse menschlichen Wirkens einbeziehen, als ob das menschliche und universelle Heil von der Intelligenz und der Hand des Menschen abhingen. Ihr wißt sehr wohl, hebe Brüder, und habt es auch in euren Gemeinden erfahren, wie bedrückend und angsterfüllt das Dasein ist, wenn man sich anmaßt, Gott zum Schweigen zu bringen, und wenn im gewöhnlichen und alltäglichen Tun, auf persönlicher und sozialer Ebene, nicht der Ruf des göttlichen Willens im Gewissen laut wird, der durch die Sittenordnung zum ewigen Glück weist, sondern als der einer Welt verstanden wird, die keine anderen Zwecke kennt als die eines flüchtigen Gebrauchs der irdischen Güter. In diesem Sinn möchte ich euch heute auffordern, mit allen Mitteln euer Pastoralprogramm des geistlichen und sittlichen Aufschwungs zu intensi- 1323 AD-LIMINA-BESUCHE vieren. Gleichzeitig stimme ich eurer gemeinsamen Entscheidung zu, eure Aufmerksamkeit insbesondere den Familien und der Jugend zuzuwenden. Niemand kann besser als diese beiden für die Kirche grundlegenden Gruppen Träger der echten Werte der in Christus neugeschaffenen Menschheit sein. Die Weitergabe des Lebens, des göttlichen Hauches, erfolgt über die christlichen Familien, wo die Kinder und die Menschen, deren unsere Zeit bedarf, geboren und für das Leben erzogen werden. Flößt ihnen Freude und auch die Wahrheit vom neuen Menschen ein, damit sie fühlen und handeln, wie es Menschen zusteht, die wissen, daß sie Glieder des Leibes Christi sind. Mögen diese Wünsche, die ich Unserer lieben Frau von Altagracia anvertraue, für euch und eure Priester, eure Seminaristen und eure Gläubigen eine Quelle des Lichtes sein und alle anspornen, weiterhin für das Wohl der Kirche und der neuen Menschheit in der Dominikanischen Republik zu arbeiten. Euch und euren christlichen Gemeinden spende ich meinen herzlichsten Segen. Frucht christlicher Erziehung Ansprache an die Bischöfe Gabuns bei ihrem Ad-limina-Besuch am 19. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Gestattet mir, daß ich euch ganz einfach sage, wie froh ich bin, euch alle zusammen in diesem Haus wiederzufinden nach dem so ergreifenden Empfang, den ihr mir anläßlich meines kurzen Aufenthaltes in Libreville bereitet habt. Nochmals möchte ich euch danken und allen, die zum Gelingen dieser Begegnung beigetragen haben. Wenn ich auch nicht all eure Diözesen besuchen konnte, so bin ich doch aufgrund dessen, was ich von der Realität in Gabun erspürt habe, in Verbindung mit den vielsagenden Angaben eurer Berichte euren Hirtensorgen nahe. Ich sehe, daß ihr den vier Zielen, die ich vor einem Jahr hervorgehoben habe, schon große Bedeutung habt zukommen lassen: der Bildung und der Verantwortung der Laien, der Familienpastoral, den 1324 AD-LIMINA-BES XJCHE Priester- und Ordensberufen, der gemeinsamen Verantwortung der Bischöfe, immer in der Hoffnung, daß der Herr in demselben Maß mit euch zusammenarbeitet, als ihr seinem Geist eure Verfügbarkeit bekundet. Alle diese Punkte müssen weiterhin Gegenstand eurer angelegentlichen Sorge sein. Heute hebe ich einige Gesichtspunkte hervor, die mir hinsichtlich der Gesamtheit der zu erfüllenden Aufgabe wichtig erscheinen. Eine der Früchte meiner Pastoralbesuche besteht in der Verstärkung des brüderlichen Charakters der Beziehungen des Papstes zu seinen Kollegen im Bischofsamt. 2. Im Geiste eures Gebetes an den Gräbern der Apostel wißt ihr, daß dieser brüderliche Geist in der Tat eine wesentliche Gegebenheit des apostolischen Lebens ist, so wie es uns in der Apostelgeschichte beschrieben wird. Und das Leitwort der Apostelgeschichte „ein Herz und eine Seele“ durchdringt die Schriften und die Tätigkeit der ersten Bischöfe: Ich denke an Polykarp von Smyrna, den wir in diesen Tagen feiern, oder an seinen Zeitgenossen Ignatius von Antiochien. Wenn ihr so wollt, möge diese Devise über meinen Überlegungen über die Zukunft eurer Kirche stehen. Es ist eine Tatsache, daß die Zahl der einheimischen Priester bei euch gering ist. Das ist ein zusätzlicher Grund, die Bande, die euch mit den euch vom Herrn anvertrauten Mitarbeitern vereinigen, immer enger zu knüpfen. Laßt sie auf vielfältige konkrete Weise wie ein Vater freundliche Aufnahme, eure Nähe finden, nicht bloß auf der Ebene der pastoralen Sorgen, sondern auch auf derjenigen der Freundschaft, sei es bei euch, sei es im Verlauf eurer Besuche bei denjenigen, die auf entlegenen Posten zu gewissen Stunden von Entmutigung angefochten werden könnten. Auch euer alltäglicher Lebensstil wie die Prioritäten eurer Seelsorgstätigkeit, die ihr gemeinsam beratet und beschließt, werden hierdurch erneuert, dank des Geistes demütigen Bruderdienstes, der euren apostolischen Dienst leistet. Diese Atmosphäre der Freundschaft zwischen Priestern und Bischöfen wird das beste Bindemittel für den Zusammenhalt sein, der ebenso alle Arbeiter in der Seelsorge, Ordensmänner wie Ordensfrauen, Katecheten, Lehrer und alle, die in irgendeiner Weise am Auftrag der Kirche teilnehmen, ergreifen muß. Denn in der Einheit des Empfindens und der Entscheidung hegt ganz gewiß die Stärke, deren die Kirche in Gabun bedarf, um die harten Realitäten anzugehen, in denen sich die Menschen heute bewegen. 1325 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Als eine dieser Schwierigkeiten betrachte ich das Weiterleben oder sogar eine gewisse Wiederkehr des Heidentums und der lähmenden Gewalt, mit der es auf jenen lastet, die noch zu schwach sind, um sich durch die Gnade Christi, die einzige wahre Quelle der Freiheit, in ihr Innerstes führen zu lassen. Man könnte gleichfalls die Schwierigkeit erwähnen, über die ethnischen Partikularismen hinaus in Einheit zu leben; auf ihre Weise hemmt auch diese Schwierigkeit die christliche Freiheit und zieht von der Leidenschaft diktierte Urteile, wenn nicht Gewalt, nach sich. Ich denke auch an ein gewisses laizistisches Klima im Unterrichtswesen, das auf eine künstliche Modernität zurückgeht, wenn es nicht Frucht einer von egoistischen Interessen genährten systematisch antireligiösen Einstellung ist. Ich nenne endlich das Anschwellen des Materialismus, der nur auf die Anhäufung von materiellen Reichtümern bedacht, bald die Herzen verdorben haben wird und sie hindert, sich der dem Glauben eigenen Hochherzigkeit zu erschließen. 4. Auf diese verschiedenen Probleme, die ich hier nur skizzieren kann, wird sich eine angemessene pastorale Antwort um so eher finden, als ihr auf dem schon bezeichneten Weg einer immer größeren Aufteilung der Verantwortung unter den Arbeitern des Apostolats und der gemeinsamen Aufstellung einer Rangordnung der pastoralen Dringlichkeiten im Dienste der Verkündigung des Gotteswortes und der Heiligung des Lebens der Familien und der einzelnen weiterschreitet. Versucht selbst, wie ich euch in Libreville sagte, euch von zu ausschließlichen Verwaltungsaufgaben freizumachen, um sich dem Grundlegenden zu widmen. Gewiß ist die Verwaltung der Kirchengüter notwendig für eine wirksame Erhaltung der apostolischen Werke; sie ist heikel und schwierig angesichts eurer begrenzten Einkünfte. Bemüht euch jedoch noch mehr, fähige Personen zu finden und auszubilden, denen ihr die Verwaltung in Verbindung mit euch übertragen könnt, wie denn auch das Kirchenrecht auffordert, einen Ökonom zu bestimmen. So wird eure vordringliche Sorge, die vorrangige Tätigkeit des Bischofs noch besser in Erscheinung treten, nämlich das Werk der Evangelisierung. Ja, liebe Brüder, ihr müßt im gegenwärtigen Kontext ohne Unterlaß die moralischen und geistlichen Werte neu bekräftigen, und das Heilige Jahr der Erlösung bietet eine gute Gelegenheit hierzu. Ihr müßt das christliche Volk hierzu erziehen, in Geduld und Hoffnung; denn wenn wir an die Forderungen des Evangeliums erinnern, müssen wir gleichzeitig zeigen, daß es sich um eine Frohe Botschaft handelt, um ein Heil für die Men- 1326 AD-LIMINA-BESUCHE sehen und die Gesellschaft, und vor allem müssen wir diesem christlichen Volk immer die Zuversicht geben, daß es sie trotz seiner Schwächen und seiner Gebrechlichkeit dank der mit dem Glauben in der Taufe und den anderen Sakramenten empfangenen Gaben des Heiligen Geistes leben kann, nach dem Maß unseres Gebetes und unserer Liebe. Es gilt, in dieser Hinsicht zuerst den Evangelisierenden zu helfen, ein heiliges Leben zu führen: den Eltern, den christlichen Lehrern, den Katecheten, für die ihr lobenswerte Anstrengungen unternommen habt, den Leitern der Bewegungen, und vor allem den Priestern, den Ordensbrüdern und -Schwestern. Ich denke unter anderem an die Treue der Priester und Ordensleute zu ihrem Zölibat, die, obgleich zuerst von der persönlichen Verantwortung derer abhängig, die sich freiwillig zu ihm verpflichtet haben, gleichzeitig ein Reichtum ist, der die christliche Gemeinschaft als ganze auszeichnet, der folglich auch die Pflicht zufällt, jene zu unterstützen, die den Ruf des Herrn beantwortet haben. 5. Ich spreche nun ein Problem an, das euch zu Recht beschäftigt: die Erziehung. Dank ihrer oft sehr verdienstlichen Bemühungen leistet die Kirche für Gabun durch ihre Schulen einen wertvollen Beitrag zum Bau der Zukunft der ganzen Nation. Ich habe mich hierzu anläßlich meiner Reise geäußert, insbesondere im Stadion von Libreville. Es ist wichtig, für aller Augen die Eigenart dieses kirchlichen Werkes deutlich sichtbar zu machen, so wie ihr euch es übrigens zu tun bemüht. Es geht nicht bloß darum, in den katholischen Schulen eine profane Bildung von Rang zu finden. Es handelt sich um eine Entscheidung, durch die die Familien sich verpflichten, ihre Kinder im christlichen Geist erziehen zu lassen, mit der Gewißheit, daß sie dort für morgen eine wichtige geistliche Kraftquelle für ihre eigene Bereicherung, ihre Verantwortung und ihren Dienst an den anderen erschließen werden. Ich betone gern die Berechtigung eurer Aktivität, die darauf abzielt, daß die Lehrer dieser Unterrichtsanstalten die ersten sind, die von der Größe ihrer Sendung überzeugt sind und sich um eine angemessene Ausbildung bemühen, um sich ständig auf geistlicher und Berufsebene zu erneuern. Mit euch fordere ich gleichfalls die Jugend auf, mit Hochherzigkeit und Kompetenz eine eventuelle Laufbahn im Unterrichtswesen einzuschlagen. Im Verzicht auf vielleicht gewinnbringendere Stellungen werden sie die Freude finden, eine echte, vollmenschliche und christliche Berufung zu verwirklichen. Schließlich möchte ich die Priester und Ordensfrauen 1327 AD-LIMINA-BESUCHE ermutigen, deren Arbeit darin besteht, all diesen Lehrern die geistliche und pädagogische Unterstützung zu geben, deren sie bedürfen. Die katholische Schule muß deutlich als eine gemeinsame Verantwortung der ganzen Kirche erscheinen. Die hauptsächliche Frucht einer echt christlichen Erziehung ist offensichtlich die Hebung des moralischen und geistlichen Niveaus jener Erwachsenen, die morgen eure Schüler sein werden. Das ist besonders spürbar im familiären Bereich. Die Schüler müssen mit dem Beispiel des Familienlebens ihrer Lehrer rechnen und durch deren Lehre und Verhalten die Wohltaten ermessen können, die ihnen die Verwirklichung des christlichen Ideals von Ehe und Familie bietet. Insbesondere dürfen sich die Lehrer nicht fürchten, angesichts der vielfachen Zwänge der öffentlichen Meinung im Bereich der Sitten eine klare und echte Erziehung zur menschlichen Liebe zu vermitteln, um es den Jugendlichen zu ermöglichen, sich ein gesundes moralisches Urteil zu bilden und eine zugleich fordernde und fördernde Selbstbeherrschung zu erwerben. Ist es schließlich nötig, hervorzuheben, daß eure pastorale Verantwortung gegenüber den Jugendlichen den Rahmen der katholischen Schule weit überschreitet? Sie erstreckt sich auf die Katechese der christlichen Kinder, die die staatlichen Grundschulen und Gymnasien besuchen, ohne das Angebot einer christlichen Besinnung für die Universitätsstudenten zu vergessen. Es handelt sich nicht bloß um die Bildung in der Lehre der Kirche, sondern um ihre aktive Teilnahme an der Liturgie und einem christlichen Engagement, namentlich im Schoß der Bewegungen. Ihr erinnert euch an die Worte, die ich zu diesen Jugendlichen im Stadion von Libreville gesprochen habe. Die Kirche muß bei jedem von ihnen das konkrete Gesicht einer herzlichen und bildenden christlichen Gemeinschaft annehmen, im Rahmen der Pfarrei, der Jugendseelsorge und der Bewegung. 6. Ich will dieses Gespräch nicht noch um andere Themen vermehren, über die wir schon in Gabun gesprochen haben. Aber ich möchte euch wenigstens meiner Anteilnahme an euren pastoralen Mühen versichern. Mein innerster Wunsch für euch ist, daß ihr bei den Priestern, Ordensmännern und -frauen, Katecheten und allen Gliedern der Kirche in Gabun weiterhin eine einmütige und herzliche Unterstützung findet. Sprecht zu ihnen von meiner guten Erinnerung, meiner Liebe, meinem Vertrauen, das ich in sie setze. Mögen sie alle zusammen, namentlich in den eucharistischen Versammlungen, Gott Dank sagen können, daß sie in Wahrheit den Leib Christi bilden, der in Gabun alle Tage mehr wächst, wie in anderen Ortskirchen. 1328 AD-LIMINA-BESUCHE Christus, unseren Erlöser, die Quelle unserer Kraft und Freude, ihn bitte ich, euch zu segnen, und all jene, deren Gedenken euren Herzen als Bischöfe gegenwärtig ist! Dienst an den Allerärmsten Ansprache an die Bischöfe aus Guatemala anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 5. November Liebe Brüder im Bischofsamt! Nachdem ich mit jedem einzelnen von euch über das Leben eurer Diözesen gesprochen habe, habe ich jetzt die große Freude, euch zusammen zu empfangen. Als ich jetzt bei eurem Ad-limina-Besuch mit euch den Friedenskuß austauschte, fühlte ich, daß die Glaubenswirklichkeit uns in eine Sphäre erhebt, die über unsere Personen hinausgeht. Es handelt sich nicht nur um ein Treffen zwischen dem Papst und den Hirten des Christenvolks in Guatemala, vielmehr auch um einen Termin in der Kirche, den die Nachfolger Petri mit den Kirchen haben, die einen neuen Beweis ihrer Treue zum gemeinsamen Gründer und Meister bringen, dem obersten Hirten der heüigen Kirche. Wenn ich euch um mich versammelt sehe, weiß ich, daß dieser Moment uns auch in anderen Erinnerungen und Gefühlen vereint, die durch das Gebet für den verschiedenen Kardinal Casariego noch brüderlicher werden. Ihr versinnbildet eure kirchlichen Gemeinden hier, die ich in den Tagen meines unvergeßlichen Besuchs in Guatemala kennengelernt habe. Viele Bilder der verschiedenen guatemaltekischen Orte kommen mir dabei ins Gedächtnis, Hintergrund für die Begegnung mit euren Gläubigen, dem Klerus, den Ordensangehörigen, Indios oder Mestizen, die immer in meinem Inneren Zuneigung erweckten und an die ich immer in meinem Gebete denke. Nach eurer Heimkehr werdet ihr ihnen über dieses Zusammentreffen berichten, das seine Bedeutung im Laufe der Zeit und über große Entfernungen hinweg nicht verliert. Besorgnis und Interesse für ihr Glaubensleben und ihre Menschenwürde sind es denn auch, die zu den Überlegungen führen, die wir gemeinsam zu 1329 AD-LIMINA-BESUCHE einigen wichtigen Punkten anstellen werden, ohne dabei die großen Probleme eurer Kirchen erschöpfen zu wollen. 2. Der erste Bereich, mit dem wir uns beschäftigen wollen, ist die Familie der Quell unmittelbarer religiöser und menschlicher Reichtümer, in der aber auch unübersehbare Schatten sichtbar werden. Im vertraulichen Gespräch mit euch und durch den Fünf Jahresbericht habe ich erkennen können, welch große Bedeutung das Wohl der Familie in eurer Pastoralarbeit einnimmt. Ebenfalls konnte ich feststellen, wie sehr ihr die ihren Zusammenhalt bedrohenden Schatten fürchtet. Eure Seele belastet schwer, daß immer mehr Katholiken eine Familie gründen, ohne sich im Sakrament der Ehe zu vereinen. Euch beunruhigt die steigende Scheidungsrate vor allem in den Städten, daß immer häufiger Ehen „de facto“ scheitern, was dann zu illegitimen Verbindungen und „Nebenehen“ vor allem bei den männlichen Ehepartnern führt. Dazu kommen noch zahlreiche Fälle rein zivilrechtlicher Trauungen oder, vor allem auf dem Land, einfaches Zusammenleben. Obwohl ihr euch durch die treue Befolgung der kirchlichen Ehe bei euren Priestern getröstet fühlt, weiß ich, daß ihr mit großer Besorgnis andere praktische Probleme betrachtet, wie den Gebrauch von Verhütungsmitteln und den Druck auf Frauen, besonders Indios, sich sterilisieren zu lassen, Probleme, die durch die manchmal gegebene offizielle Billigung noch schlimmer werden. Eure Aufmerksamkeit gilt ebenfalls dem offen oder geheim durchgeführten Schwangerschaftsabbruch, dem schwärenden und verderblichen Alkoholismus, der sich in vielen Familien als Katastrophe erweist, dem oft dadurch bedrohten Familienzusammenhalt, daß die Arbeiter auf der Suche nach Beschäftigung das Hochland verlassen und in das Küstengebiet kommen. Hinzu kommen noch die Probleme, die eine weitverbreitete Kinderarbeit und ein hoher Prozentsatz an Analphabeten mit sich bringen. Ich möchte angesichts dieser Situation und angeregt durch die vielen Fälle exemplarischen Familienlebens eure Bemühungen ermutigen, die den menschlichen und moralischen Aspekten der uns so wichtigen Familieneinheit gelten. Verdoppelt eure Energien in diesem Vorhaben und arbeitet hier mit euren Priestern, der Ordenswelt, den Familienverbänden oder Apostolatsgruppen und den Kommissionen für das Familienapostolat zusammen. In dieser Hinsicht empfehle ich euch nochmals die Richtlinien, die ich während meiner Begegnung mit christlichen Familien in Panama erwähnte (Rede vom 5. März 1983). 1330 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Ein anderer Bereich, mit dem ihr euch seiner großen Transzendenz wegen beschäftigt, ist die Katechese, mit der man Lücken im Religionsunterricht vieler Gläubiger zu schließen versucht, die besonders dadurch entstehen, weil es zu wenig Priester und Ordensleute gibt. Bei diesem Thema muß ich unbedingt den zahlreichen Laien, Katecheten und Kommunionhelfern ein verdientes Lob aussprechen und sie ermutigen, denn sie tragen viel zur Erhaltung des Glaubens in unserer Kirche bei. Von großem Trost war mir, daß ich in euren Fünf Jahresberichten lesen konnte, daß „jede Gemeinde ihren Katecheten oder jemanden hat, der das Wort verkündigt“, daß diese „wahre Arme des Priesters“ und das „wahrhaftige Rückgrat eurer Pastoralarbeit“ sind. Fördert weiterhin die verantwortliche Mitarbeit dieser Laien, die soviel bei der Evangelisierung mithelfen. Aber auch eure Priester und Ordensleute müssen sich in dieser Aufgabe verstärkt einsetzen, für die ihr Beitrag entscheidend ist. Mit gesammelter Kraft muß man dann die Reinigung der Volksfrömmigkeit zu einem Ziel der Katechese machen, damit sie die Reinheit des Glaubens widerspiegelt. Wo notwendig, müßt ihr dazu die Laienbruderschaften und die Volksfrömmigkeit anregen und erneuern, ohne dabei jedoch blind gegen alle Ausdrucksformen von Frömmigkeit vorzugehen, die im religiösen Leben der einfachen Leute so viel bedeuten. „Wer könnte verkennen, daß die in Guatemala so verbreitete Verehrung unserer Frau vom Rosenkranz, des Heiligen Christus von Esquipulas, des Bruders Pedro de Bethancourt und vieler anderer ein rechter Weg zum Glauben sind?“ Um in der Katechese die ganze Fülle des Erlösungsgeheimnisses in Christus zu offenbaren, muß man die Katechismustexte sorgfältig auswählen, moderne audiovisuelle Mittel und vor allem die mächtigen Massenmedien wie Radio und Fernsehen, wo immer das möglich ist, benutzen und auf gutausgebüdete, eifrige und die Richtlinien der Hierarchie treu befolgende Personen zurückgreifen. Macht eure eigenen Progamme und nehmt auch an anderen teil, zu denen ihr Zugang habt. So könnt ihr auch dem gefährlichen Einfluß proselytischer Aktivitäten wenig religiösen Inhalts bestimmter Gruppen entgegenwirken, die unter Katholiken so viel Verwirrung anrichten. 4. Ein weiteres Thema, das in euren Ad-limina-Berichten immer wieder vorkommt und das euch als Hirten besonders besorgt, sind die Berufungen zum Priester- und Ordensleben, die ihr als eines der dringlichsten Probleme der Kirche eures Landes anseht. 1331 AD-LIMINA-BESUCHE Ihr seid davon überzeugt, daß die Rolle des Priesters nicht durch einen Laien oder einen Verkündiger des Wortes ersetzt werden kann und blickt hoffnungsvoll auf die langsam steigende Zahl der Berufungen; diese reichen aber noch keineswegs für die wirklichen Bedürfnisse aus, die nur durch die hochherzige und lobenswerte Hilfe anderer Kirchen gedeckt werden können. Eine gerechtere Verteilung des Klerus zugunsten der ländlichen Gebiete kann die Lage etwas verbessern, sie bedeutet aber manchmal auch große Opfer, die eine sehr große Anerkennung verdient für die Liebe zur Kirche, die darin zum Ausdruck kommt. Man muß eine systematische und bis ins Detail ausgearbeitete Kampagne in den verschiedenen Kreisen führen: in den Pfarreien, Schulen, Internaten, Familien oder Apostolatsgruppen. Wolle Gott, daß mit der Katechese selbst auch Berufungen für das geweihte Leben im Zölibat erweckt werden! Ich kenne die Initiativen, die in euren Diözesen in die Praxis umgesetzt wurden, um die Sensibilisierung der Gläubigen auf diesem wichtigen Gebiet zu erreichen. Ich segne und bejahe sie von ganzem Herzen und fordere euch auf, sie so gut wie möglich auf nationaler Ebene zu koordinieren, damit wir die erhofften Ergebnisse erzielen. Wir müssen auch weiterhin unaufhörlich ein Bittgebet an den „Herrn der Ernte“ richten. 5. Wie ich festgestellt habe, bewegt euch als Hirten eine weitere Sendung der Kirche, nämlich die Forderung nach Gerechtigkeit und Beobachten der Menschenrechte in eurem Land. Ich weiß, daß ihr die Sendung der Kirche in der Verkündigung Christi und seines Erlösungswerks im Sinne des Evangeliums seht. Vergeßt darüber aber nicht die ergänzenden und untrennbaren Aspekte dieser Sendung, nämlich die Verteidigung des Menschen und seiner Rechte, Humanisierung, Anklage der gegen Menschen gerichteten Verbrechen, Verteidigung der Gerechtigkeit, Brüderlichkeit zwischen den verschiedenen sozialen Schichten und Rassen, Förderung des Allgemeinwohls, vor allem zugunsten der Allerärmsten. Es ist ganz richtig, daß ihr euch mit diesen Punkten in eurem gemeinsamen Hirtenbrief „Im Glauben bestätigt“ vom 22. Mai d. J. beschäftigt. Ich fordere euch auf, dieses Werk fortzuführen, über das ich während meines Besuchs in Guatemala eingehend sprach. Ich kenne die Schwierigkeiten, die es deshalb manchmal in der Kirchenarbeit gab und das dadurch im Episkopat verursachte Leiden, bis zu dem Punkt, daß einige Priester schmerzhafterweise von ihren jeweiligen Gemeinden entfernt werden 1332 AD-LIMINA-BESUCHE mußten. Ich denke dabei auch an die vielen Priester und Ordensleute, die für ihr Glaubenszeugnis und für ihren Dienst an ihrem Volk einen zu teuren und ungerechten Tribut mit Blut oder Entführung bezahlten. In diese Gruppe gehören auch viele Katecheten und „Verkündiger des Wortes“, die ebenfalls der blinden Gewalt zum Opfer fielen. Ich muß deshalb immer wiederholen: „daß niemand mehr Evangelisierung mit Subversion verwechsle und die geweihten Amtsträger ihre Mission in Sicherheit und ohne Behinderung ausüben können“ (Rede in Quezaltenango, 7. März 1983, Nr. 4). Bei eurem steten Einsatz für größere Gerechtigkeit und gegen bestehende Unterschiede in den überkommenen Strukturen sozialer Ungerechtigkeit, müßt ihr klar erkennen, daß die Kirche, ihre Hirten und Mitarbeiter ein friedenbringendes Ziel haben. Deshalb schließt die Hingabe vor allem im Dienst an den Allerärmsten und Bedürftigsten niemanden aus, und man muß - und das gilt für alle, aber besonders für die in der Seelsorge Arbeitenden - über den Auseinandersetzungen politischer Gruppen und Parteien stehen. Wie ihr schon in eurem erwähnten gemeinsamen Hirtenbrief gesagt habt, bedeutet diese Gewaltlosigkeit der Kirche keinesfalls Passivität und noch weniger schweigende Komplizenschaft mit der Sünde, der Ungerechtigkeit und dem Schmerz, sie stellt vielmehr einen aktiven Kompromiß dar, um Gerechtigkeit und Frieden zu erreichen. In diesem Sinne segne und ermutige ich die Bemühungen, zu der euch eure Barmherzigkeit zugunsten so vieler Entrechteter innerhalb und außerhalb der Landesgrenzen und zugunsten der Opfer von Gewalttätigkeiten angeregt hat, denen ihr die euch mögliche Hilfe bringt. 6. Ich bitte um den Frieden und das Ende der Gewalttätigkeiten in eurer geliebten Nation und flehe unsere Jungfrau vom Rosenkranz an, daß im Herzen aller Gefühle der Brüderlichkeit und Versöhnung aufkommen mögen. In erinnere mich immer mit großer Zuneigung an alle Kinder eures Volkes und an erster Stelle an die für Kirchenämter Geweihten und erteile euch und ihnen meinen freundlichen Segen. 1333 AD-LIMINA-BESUCHE Bilden und ermutigen: Ziele der Evangelisierung Ansprache an die Bischofskonferenz von Haiti bei ihrem Ad-limina-Besuch am 11. Juni Liebe Brüder in Christus! 1. Vor drei Monaten, am 9. März, war ich bei euch in Port-au-Prince. Heute habt ihr euch nach Rom begeben, wie ihr es schon seit mehreren Jahren tun wolltet. Das ist normal und sehr segensreich. So unternehmt ihr eure Pilgerfahrt zu den Apostelgräbern, die in diesem Heiligen Jahr der Erlösung besondere Bedeutung annimmt: Ich bin überzeugt, daß ihr die Anliegen eures ganzen christlichen Volkes mitbringt, damit es im Glauben und in der tätigen Liebe in inniger Verbindung mit der Weltkirche wachse. Ihr sprecht mit mir über jede eurer Diözesen - was in Haiti zeitlich nicht möglich war, da ich auch mit anderen Bischöfen der Versammlung des CELAM Zusammentreffen mußte. In Rom war es euch endlich möglich, direkt über alle Probleme, die euch am Herzen liegen, bei jenen Dienststellen zu sprechen, die für die Regelung dieser Fragen zuständig sind. Ich danke für euren Besuch und für die vertrauungsvollen Worte, die ihr durch euren Präsidenten, Erzbischof Frangois Wolff Lingode, an mich gerichtet habt. 2. Mein kurzer Aufenthalt unter euch war bereits eine Gelegenheit, um das großartige Zeugnis der Begeisterung, des Glaubens und der Volksfrömmigkeit der Gläubigen eurer Diözesen anläßlich der in Port-au-Prince gefeierten Messe entgegenzunehmen; was mich betrifft, so konnte ich euren Gläubigen helfen, den Sinn für die Eucharistie und den Willen zur Erneuerung zu vertiefen, den dieser auf dem Gebiet der Nächstenliebe und des sozialen Einsatzes mit sich bringt. Ich kann euch nur wünschen, daß die großen Ereignisse wie das Symposion von 1982 und die Vorbereitung und Feier des eucharistischen und marianischen Kongresses sowie die Begegnung des Papstes mit dem Volk von Haiti möglichst reiche Früchte trage. Es ist mir bekannt, daß ihr neben anderen Initiativen auch am 11. April eine mit euren sieben Namen Unterzeichnete „Erklärung über die Grundlagen des Eingreifens der Kirche im sozialen und politischen Bereich“ veröffentlicht habt, der eine „Charta der menschlichen Förderung“ folgen soll. Ihr wollt so dem ganzen Volk Haitis helfen, die Würde aller eurer 1334 AD-LIMINA-BESUCHE Landsleute zu achten; die Gerechtigkeit und wahre zwischenmenschliche Beziehungen zu entwickeln; zu teilen und zu versöhnen, und zwar ohne irgendwie zu verurteilen, sondern vielmehr durch einen Appell an das Verantwortungsbewußtsein und die beruflichen Verpflichtungen aller, der Armen und der Reichen. Ohne all dies könnte man ja tatsächlich nicht sagen, daß die Kirche für die Liebe zu den Menschen Zeugnis ablegt, die Jesus Christus zum Kennzeichen seiner Jünger erklärt hat. Ich ermutige euch, auf diesem Weg weiterzuschreiten, und ich bin sicher, wenn eine solche Haltung konkret gelebt wird, wenn man von den Worten zu den Taten übergeht, mit der Sorge um Einheit und Frieden, so wird das für die ganze Nation Haitis einem großen Fortschritt gleichkommen und wird jene zufriedenstellen, denen die schwere Bürde des Gemeinwohls auferlegt ist. 3. Auf diesem Punkt habe ich anläßlich meines Besuchs genügend bestanden; heute möchte ich mit euch vor allem den Fortschritt der Kirche als solcher, die Aufgabe der Evangelisierung ins Auge fassen, die eng mit der menschlichen Förderung verbunden, jedoch nicht auf diese beschränkt ist (vgl. das Apostolische Schreiben Evangelii nuntiandi, Nr. 30). Die Menschen müssen sich ändern - das ist das direkte Ziel der Evangelisierung -; anders ausgedrückt, sie müssen ihre persönliche Beziehung zu Jesus Christus dem Erlöser vertiefen, neu entdecken und vor allem in der Kirche leben, einschließlich des Glaubens, des Gebets und der Nächstenliebe, die diese Beziehung mit sich bringt. Ihr habt in diesem Sinn bereits anläßlich des Weihnachtsfestes 1980 einen schönen Hirtenbrief geschrieben. In diesem Zusammenhang kommen mir drei Worte wie ein Leitmotiv in den Sinn: bilden, ermutigen, einen, und das gilt für die verschiedenen Kategorien des Volkes Gottes. Sprechen wir zuerst von den Laien. Der Glaube eurer Gläubigen kommt recht spontan im Gebet und in der Hinwendung zu Gott zum Ausdruck, dessen Gegenwart sie allseits umfängt. Die Feierlichkeiten sind, wie ich erfahren konnte, von großer Lebenskraft gekennzeichnet. Die Laien nahmen auch an der Verwaltung der Kirchengüter Anteil, doch ist damit ihre Rolle in der Kirche keineswegs erschöpft. Das verstehen jene, die sich für die Katechese zur Verfügung stellen oder im Rahmen der verschiedenen christlichen Bewegungen tätig sind, sehr wohl. Ihr fühlt jedoch selbst die dringende Notwendigkeit, den Glauben eurer Gläubigen genauer zu bestimmen und zu vertiefen, mit anderen Worten, die Katechese systematischer zu gestalten, was selbstverständlich in dem 1335 AD-LIMINA-BESUCHE Maß leichter wird, in dem Analphabetentum und profane Unwissenheit zurückgehen, doch hängen die beiden Dinge nicht notgedrungen voneinander ab. Das christliche Volk wird so zu einem solideren Glauben und einer klareren Frömmigkeit gelangen, die ihm helfen, sich aus den Fesseln des Aberglaubens und der zweideutigen magischen oder von der Fatalität der Naturelemente nicht genügend gereinigten Kulte zu befreien, von denen Christus seine Jünger erlöst hat. Auch wird so die Gefahr der Sekten gebannt, die die Fülle des katholischen Glaubens nicht kennen. Sehr lobenswert und, offen gesagt, notwendig ist daher die Sorge um die Grundlagen eines gesunden Ökumenismus unter christlichen Brüdern. Die Vertiefung der Lehre und die religiöse Reflexion werden im übrigen bessere Sitten eines neuen Lebens gestatten, die der hl. Paulus so gut als Vervollständigung des Glaubens im familiären, beruflichen und sozialen Leben beschrieben hat. Eure Aufgabe ist es also, den Laien - Jugendlichen und Erwachsenen -Mittel für ihre Bildung zur Verfügung zu stellen, ihren so guten Willen zu unterstützen und ihre Ausdauer zu stärken, was besonders schwierig ist; schließlich gilt es, sie über alle Trennungen hinweg zu einen, wie ihr in der Botschaft des Symposions feststellt. Diese Pastoral ist besonders den kleinen Gemeinden gegenüber notwendig, die eine erfreuliche Lebenskraft beweisen, denen man jedoch zur Seite stehen muß, um sie im Innern der kirchlichen Gemeinschaft - auf pfarrlicher, diözesaner und antionaler Ebene - zum Reifen zu bringen. 4. Mit euch freue ich mich sehr über die Priester- und Ordensberufe, deren Zahl unaufhörlich wächst. Ich teile eure Hoffnung und überlasse es euch, euren Seminaristen meine Liebe und mein Vertrauen mitzuteilen. Jedoch fühlt ihr auch hier die Notwendigkeit, wenn diese Gnade fruchtbar werden soll, über die Auslese der Berufungen zu wachen und ihnen vor allem neben einer guten Einführung in die kirchliche Lehre eine weitreichende menschliche und geistliche Bildung zuteil werden zu lassen. Die Priesteramtskandidaten sind dazu bestimmt, das christliche Volk - ein oft armes und hart geprüftes Volk - gut zu verstehen, ihm zu dienen und es den Seligpreisungen des Evangeliums entgegenzuführen, indem sie diese zuerst selbst leben. Das bedeutet, daß sie darauf vorbereitet sein müssen, und zwar durch die für das geistliche Leben notwendige Askese, durch Disziplin und einfaches Leben, durch Sinn für Arbeit und für Armut. Kurz gesagt, weit davon entfernt, ein angenehmes Leben zu erwarten oder dem Reiz der politischen Ideologien allzu große Aufmerk- 1336 AD-LIMINA-BESUCHE samkeit zu schenken, sollten sie in erster Linie auf die Heiligkeit bedacht sein, die sie erstrebenswert darstellen müssen. 5. Ich denke jetzt an eure Priester, seien sie aus Haiti gebürtig oder aus dem Ausland gekommen, ganz besonders an die bei euch so zahlreichen Ordensleute. Alles, was sie an Glauben, an Einsatzbereitschaft, an pädagogischem Verständnis im täglichen Leben, inmitten der Menschen und unter oft schwierigen Bedingungen mitbringen, ist Ursache der Freude. Mögen sie immer enger und vertrauender mit euch, den Bischöfen, Zusammenarbeiten, die ihr die letzte Verantwortung für die pastoralen Richtlinien und für die Einheit tragt, die ihr jedoch auch aus ihrem Eifer und ihren Initiativen großen Nutzen ziehen könnt, weshalb ihr sie in allem unterstützen müßt, was Unterstützung verdient. Eure häufige Anwesenheit unter ihnen ist für sie eine Notwendigkeit; sie brauchen einen echten Dialog und auch eure Hilfe, ob es sich nun um die Evangelisierung oder um Aufgaben handelt, die die Kirche zum Wohl des Volkes stellvertretend auf den Gebieten der Sozialfürsorge, der Erziehung oder der gesellschaftlichen Förderung übernehmen muß. 6. Was euch betrifft, liebe Brüder im Bischofsamt, so rate ich euch, gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen, vor denen die Kirche Haitis steht; ihr habt das bereits zu Weihnachten 1980 gesagt und auf die Notwendigkeit hingewiesen, eine brüderliche Gemeinschaft im Geist des Evangeliums aufzubauen, im Geist der Einheit alle lebendigen Kräfte des christlichen Volkes dafür zu gewinnen und gemeinsam mit allen das Gemeinwohl der Nation im Geist des Friedens zu suchen. Freilich, die Aufgabe der Evangelisierung ist von ungeheurer Größe; sie erfordert demnach gesamtheitliche Pastoralprogramme und deren Verwirklichung auf nationaler Ebene. Es wird zweifellos angebracht sein, jede eurer Vollversammlungen einem spezifischen pastoralen Thema zu widmen; dieses eingehend zu behandeln und dann mittels genauer gemeinsamer Richtlinien in die Praxis umzusetzen. Diese Probleme sind übrigens sicher verschiedener Natur, doch könnte es erforderlich sein, im Rahmen eurer Konferenz einige Kommissionen aufzustellen, die sich eben den verschiedenen Problbmkreisen widmen - Erziehung, Familie, Ökumenismus, Ordensleute, Mission — und den Bischöfen eine einheitliche Haltung angesichts besonders schwerwiegender Probleme vorzuschlagen. Ich bin überzeugt, daß eure Konferenz, wenn sie sich als einig und dynamisch erweist, die ganze Kirche Haitis jener 1337 AD-LIMINA-BES UCHE Erneuerung entgegenführen kann, die sie ersehnt. Ich bin hier, um euch zu ermutigen und eure Hoffnung zu stärken. 7. Grüßt euer Volk herzlichst von mir. Ich wünsche ihm das Beste für sein Glück und seinen Fortschritt. Mit Dankbarkeit gedenke ich auch der staatlichen Behörde von Haiti, die mich mit so großen Ehren empfangen und ein Zeichen guten Willens gesetzt hat, das mich bei meinem Besuch tief bewegte. Möge Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe über das Land und seine Bewohner wachen. In euch segne ich insbesondere eure Priester, eure Ordensleute, eure Katecheten und alle, die gemeinsam mit euch die Kirche in Haiti aufbauen. Große Themen: Familie und geistliche Berufe Ansprache an die Bischöfe aus Honduras anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 26. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude empfange ich euch heute morgen, euch Hirten der Kirche Christi, die auf honduranischem Boden den Weg zum Vater beschreitet. Dieses gemeinsame Treffen ergänzt noch die Einzelgespräche, die ich mit jedem von euch hatte. Ich glaube, daß hier in uns allen jene Augenblicke ins Gedächtnis zurückkehren, die wir am 8. März d. J. zusammen in eurer geliebten Heimat erlebten. Wie oft denke ich noch an die verschiedenen Momente meines unvergeßlichen Besuchs in Honduras zurück, wo ich die tiefen menschlichen und christlichen Werte der dortigen Menschen entdecken konnte, die mir vom ersten Augenblick an erlaubten, mich wie in einer „Familie“ zu fühlen. Heute heiße ich euch bei diesem Ad-limina-Besuch willkommen, in dem alle Mitglieder eurer Diözesen in den Mittelpunkt unserer Liebe und unseres Denkens rücken, und so möchte ich mit euch zusammen Gott 1338 AD-LIMINA-BESUCHE danken und - wie ich bei meiner Ankunft in Tegucigalpa sagte - „den Herrn für all die Herrlichkeiten loben, die die himmlische Gnade in der Kirche Honduras bewirkt hat“ (Rede am Flughafen, 8. März 1983). 2. Euer Land hat zwar eine an Zahl geringe Bevölkerung, besitzt aber eine reiche Geschichte mit einer großen christlichen Tradition. Es befindet sich in einem sehr sensiblen geographischen Gebiet, das heute von starken sozialpolitischen Spannungen und einem gefährlichen Klima der Gewalttätigkeit heimgesucht ist, das so viel Leiden und Angst hervorruft. Deshalb ist es notwendig, daß ihr - in Treue zu der ununterbrochenen Kirchentradition und in Übereinstimmung mit dem Geist des Evangeliums - versucht, in den Herzen eurer Mitbürger eine Liebe zum inneren Frieden und zu friedlicher Koexistenz mit den anderen Völkern zu wecken. Das gehört zur Sendung der Kirche, zu der ich ebenfalls mit meinem Pastoralbesuch in allen Ländern des zentralamerikanischen Isthmus einen Beitrag leisten wollte. Gebe Gott, daß diese Zukunftshoffnungen, die durch die kürzlich von den Außenministern der mittelamerikanischen Länder unter der Schirmherrschaft der Contadora-Gruppe erreichten Vereinbarungen geweckt wurden, kurzfristig eine wunderbare Wirklichkeit werden mögen. Hoffentlich werden so die Spannungen wesentlich vermindert und ein wirklicher Befriedungsprozeß in Gang gesetzt. Dies wird dann auch in Honduras zu einem ruhigeren Klima führen und überdies viele Mittel für eine harmonische Entwicklung in Erziehung, Wirtschaft und Gesellschaft freistellen. 3. Obwohl euch als Erzieher des sittlichen Gewissens eurer Gläubigen und aufgrund der berechtigten Liebe zu euren Völkern dieser Dienst an der Sache des Friedens obliegt, so ist es doch die Kirche an sich, für die ihr als Hirten des Christenvolks sorgfältig eure Prioritäten setzt und für die ihr euch am entschlossensten einsetzt. Ich weiß sehr wohl, daß ihr das kirchliche Leben in euren Gemeinden mit dem notwendigen Eifer verfolgt. Dieses hat zwar viele tröstende Aspekte, aber auch andere, auf die besonders geachtet werden muß. Die Kirchenstruktur selbst leidet nämlich unter einer gewissen Schwäche, die vor allem darauf zurückzuführen ist, daß es nicht genügend Priester gibt. Dies bringt ernsthafte Probleme für die Glaubenserziehung in den Kirchengemeinden und den Seelsorgedienst mit sich, für den man Geistliche braucht, die auf die verschiedenen Ämter vorbereitet sind, die zum geweihten Stand gehören. 1339 AD-LIMINA-BES UCHE 4. Gewiß sind in Honduras dank eurer klugen und vorausschauenden Arbeit als Bischöfe, die sich mit den geistlichen Bedürfnissen ihrer Umgebung identifizieren, sehr lobenswerte Initiativen in der Seelsorge entstanden, z. B. die Einsetzung der „delegados de la Palabra“ (Verkündiger des Wortes). Diese bilden zusammen mit den Katecheten eine durchgängige Organisation der Kirche, die fruchtbar an der Evangeüsierung arbeitet und den Glauben des Christenvolks aufrechterhält. Da ich von diesem wertvollen Beitrag wußte, den so viele Laien, die sich ihrer Taufverpflichtung bewußt sind, leisten, wollte ich ihnen während meines Pastoralbesuchs in Honduras ein Treffen in San Pedro Sula widmen (vgl. Rede vom 8. März 1983). Heute möchte ich diesen „delegados“, den Katecheten, und Mitgliedern der anderen apostolischen Bewegungen nochmals im Namen der Kirche einen tiefen Dank und Anerkennung aussprechen. Ich ermutige sie von Herzen bei ihrer hochgeschätzten Arbeit und möchte ihnen auch mein Vertrauen aussprechen und versichern, daß sie bei Gott, der Kirche und ihren Mitmenschen einen großen Verdienst erwerben mit ihrer geleisteten Arbeit, die sie mit ihren Bischöfen und Priestern in wirklicher Gemeinschaft verbindet. Meine lieben Brüder! Ich habe erfahren, daß ihr euch besonders bemüht, die Evangelisierung und Katechese im Lichte der Pastoralrichtlinien auszuführen, die ich während meiner Reise in Mittelamerika angegeben habe. Hierzu möchte ich euch versichern, daß ich eure Vorschläge mit großer Sympathie verfolge, sie fördere und segne und dabei den Herrn bitte, daß er eure Pläne fruchtbar mache. 5. Diese erwünschte und zunehmende Evangelisierung wie auch die zur Verfügung stehenden wertvollen Laienmitarbeiter zeigen nur um so deutlicher, wie notwendig Priester sind, damit die Evangelisierung vollständig wird. Das führt uns dazu, mit einer gewissen Unruhe den chronischen Priestermangel zu betrachten, unter dem Honduras leidet, ein Land, das die wenigsten Geistlichen in ganz Mittelamerika besitzt. Denken wir nur an das bestehende Verhältnis von einem Priester auf 15 000 Einwohner, wohei noch nicht einmal drei Viertel der heutigen Geistlichen aus Honduras stammen. Ich danke Gott, daß so viele Priester, Ordensbrüder und -Schwestern mit lobenswertem kirchlichen Geist, der überall die einzige und wahrhaftige Kirche Christi sieht, die Kirche Honduras als eigene Heimat adoptiert haben. Diese Situation erfordert die praktische Anwendung eines systematischen 1340 AD-LIMINA-BESUCHE Plans der Gewinnung von Berufen, der zu einem der vorrangigen Ziele der Kirche in eurem Land werden muß, damit eine schrittweise Lösung dieses so wichtigen Problems gefunden wird. Für dieses Projekt, das ihr selbst übernommen habt, müssen sich alle kirchlichen Kräfte interessieren und engagieren: Priester, Personen mit besonderer Weihe und Laien. Nur so arbeiten alle auf dieses Ziel hin, das für alle Mitglieder der Kirche so lebenswichtig ist. Man muß in den Pfarreien, religiösen Zentren und Häusern, den Schulen und apostolischen Bewegungen taktvoll und beharrlich überzeugen. Eine entschiedene Arbeit muß auch in den Familien geleistet werden, damit diese nicht — wie das häufig geschieht — eine mögliche oder bevorstehende Berufung eines der Familienmitglieder verhindert, sondern sie mit Freude annehmen, sie fördern und als einen hochherzigen Dienst, auch als ein Opfer für Gott und das Wohl der Gesellschaft selbst betrachten. 6. Wenn ich jetzt das Thema Berufung und Familie angeschnitten habe, so kommt mir der große Bereich der Familie in den Sinn, der für die Kirche so wichtig ist. Ich weiß, daß auch ihr ihr einen Großteil eurer Gedanken widmet. Ich möchte hier nicht die Konzepte wiederholen, die in Familiaris consor-tio behandelt werden, sondern euch zu neuen Bemühungen zugunsten der Institution Familie und ihres christlichen Lebens ermutigen. Konkret gesprochen, ich fordere euch auf, eure Hirtenpflichten weiterzuführen, die dahin gerichtet sind, das Gewissen der Gläubigen in dem, was den absoluten Respekt vor allem empfangenen, auch dem ungeborenen Leben betrifft, richtig zu formen: Keine, wie auch immer geartete rechtliche Straffreiheit kann ein eventuelles Vorgehen gegen ungeborenes menschliches Leben moralisch rechtfertigen. Auch mit den außerhalb des legitimen Ehebunds geschlossenen Verbindungen müßt ihr euch in eurem beständigen Eifer als Hirten beschäftigen, damit die Brautpaare schon in der Verantwortung unterrichtet werden, die auf sie zukommt, und in der Treue zu ihrem neuen Stand; um ihnen zu helfen, das Sakrament der Ehe und seine feste Einheit richtig zu bewerten, die großen Werte dieses Bunds zu bewahren und sie gegen die Übel zu verteidigen, die sie gefährden, u. a. die vom Alkoholismus verursachten Zerstörungen, die manchmal direkt gefährliche Dimensionen in der Gesellschaft annehmen. 7. Obwohl ich diese Begegnung nicht länger ausdehnen kann, möchte ich sie nicht abschließen, ohne meiner tiefen Freude über euren Zusammen- 1341 AD-LIMINA-BES UCHE halt und die Übereinstimmung der Gefühle und Pläne Ausdruck zu verleihen, die zwischen euch herrscht. Erhaltet weiterhin dieses große Gut, liebe Brüder, das euch in eurer Sendung als einzelne und in der Gemeinschaft so sehr hilft. Erste Ergebnisse waren u. a. passende Richtlinien im gesellschaftlichen Bereich, um die Gerechtigkeit zu fördern, gegen Gewalttätigkeit und Korruption in der Verwaltung anzukämpfen, im Leben der Gemeinschaft die Wahl kompetenter Personen zu begünstigen, die den Bedürfnissen der Allerärmsten aufgeschlossen gegenüberstehen. In dieser Hinsicht möchte ich auch mit Wohlgefallen euren gemeinsamen Hirtenbrief über „Einige Aspekte der nationalen Wirklichkeit in Honduras“ (vom 22. Oktober 1982) erwähnen. Diese Aufgeschlossenheit gegenüber den Problemen eures ganzen Volks bringt euch dazu, der kirchlichen Nächstenliebe, der Lage der zahlreichen Flüchtlinge und den Vermißtenfällen in eurer Heimat die verdiente Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Angesichts der Problematik, die für den Glauben der honduranischen Christen durch das Verhalten gewisser Gruppen oder Sekten entsteht, deren Grundprogramme so viele Elemente enthalten, die mit der religiösen Wahrheit unvereinbar sind - möchte ich euch meine Unterstützung für das pastorale Mahnschreiben aussprechen, das eure Bischofskonferenz im Monat April des laufenden Jahres veröffentlicht hat. 8. Liebe Brüder! Empfangt nun zum Abschluß den lebhaften Dank des Nachfolgers Petri für euren aufopferungsvollen Einsatz für die Kirche. In dem Friedenskuß, der die Gemeinschaft symbolisiert und ihre enge Verbundenheit ausdrückt, die Ziele eures Besuchs, schließe ich alle Priester, Personen mit besonderer Weihe, die für die kirchliche Sache arbeitenden Laien und die Mitglieder eurer Ortskirchen ganz allgemein ein. Alle grüße und segne ich von Herzen, und mit allen werfe ich mich vor der Gottesmutter von Suyapa nieder, damit sie uns auf dem Wege begleite, unsere Kräfte erneuere und unsere Hoffnung bestätige in der Treue zu Christus, ihrem Sohn, unserem Bruder und Erlöser. So geschehe es! 1342 AD-LIMINA-BESUCHE „Auf daß der Glaube eurem Volk weiterhin Ehre macht“ Ansprache des Papstes beim Ad-limina-Besuch der ersten Gruppe jugoslawischer Bischöfe am 18. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nachdem ich mich in den vergangenen Tagen und noch heute vormittag mit jedem von euch einzeln unterhalten konnte, habe ich jetzt die große Freude, euch, liebe Bischöfe, gemeinsam brüderlich und herzlich willkommen zu heißen, die ihr - in der Mehrheit Kroaten - praktisch die Hälfte der Bischöfe Jugoslawiens ausmacht und für die verschiedenen Diözesen der Kirchenprovinzen Zagreb, Split-Makarska und Rijeka-Senj, die Erzdiözesen Belgrad und Zadar und die Diözese Subotica Sorge tragt. Ich freue mich, euch zu empfangen. Ihr seid unter der Führung des Erzbischofs von Zagreb und Vorsitzenden der Jugoslawischen Bischofskonferenz, Seiner Eminenz Kardinal Franjo Kuharic, gekommen, den ich zu meiner Freude am 2. Februar zur Kardinalswürde erheben konnte und dem ich herzlich für die tiefempfundenen Worte danke, die er soeben im Namen aller an mich gerichtet hat. Während ich euch brüderlich begrüße, denke ich auch an eure Mitbrüder von den anderen Diözesen Jugoslawiens, die demnächst, so wie ihr es jetzt tut, ihrer Pflicht nachkommen, den Besuch „ad limina apostolorum“ abstatten und an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus beten werden. Ich weiß wohl - und ich konnte das bei unseren Gesprächen in diesen Tagen feststellen -, daß nicht so sehr das Pflichtgefühl, sondern das tiefempfundene Verlangen euch dazu drängt, auch auf diese Weise Zeugnis zu geben von den Banden kirchlicher Verbundenheit und sie zu stärken, da doch kraft ihrer „wie nach der Verfügung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so (daß) in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden sind“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 22). Ein Bedürfnis, das von euch besonders empfunden wird, weil es auch Ausdruck der aufrichtigen, bisweilen heroischen Treue zur Kirche und der tiefen Anhänglichkeit der Gläubigen eurer Diözesen an den Nachfolger Petri ist. Ihnen gelten jetzt, zusammen mit den Priestern, den Ordensleuten eurer Diözesen und ganz Jugoslawiens meine Gedanken mit besonderer väterlicher Liebe. Unser heutiges Zusammentreffen ist Ergänzung und Höhepunkt der 1343 AD-LIMINA-BESUCHE persönlichen Begegnungen, die ich mit jedem einzelnen von euch hatte und die mir die Möglichkeit boten, von den Bemühungen zu erfahren, die ihr unternehmt, um in den einzelnen Diözesen die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschte Erneuerung der Kirche zu verwirklichen. Ihr habt mich auch auf die Freuden und Sorgen hingewiesen, die ihr bei eurer pastoralen Arbeit erlebt, auf die Pläne und Hoffnungen für die Zukunft. Vieles war mir dank eurer Fünfjahresberichte bereits bekannt, doch die von euch persönlich berichteten Einzelheiten waren nützlich, um mir eine klarere Vorstellung von der Situation eurer jeweiligen Gemeinde machen zu können. Während ich eure pastorale Sorge teile, hege ich zusammen mit euch den Wunsch, daß die Hoffnungen auf ein kirchliches Leben, das mit jedem Tag lebendiger wird und den Wünschen Christi immer mehr entspricht, trostreiche Wirklichkeit werden. 2. Die ermutigenden Nachrichten, die ihr mir über viele Aspekte des Lebens der Kirche in euren Diözesen geliefert habt, veranlassen mich, den Herrn, den Spender alles Guten, zu loben und ihm zu danken für die reiche Frucht, die seine Gaben in der euch anvertrauten Herde im Zeichen der vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten Erneuerung gebracht haben. Ich zweifle nicht daran, daß mir eure Mitbrüder demnächst gleiches berichten werden. Ich beglückwünsche euch also, ehrwürdige und liebe Brüder im Bischofsamt, denn durch die Arbeit für euer Volk und durch eurer Gebet verbreitet sich in vielfältiger Form und reichlich die Fülle der Heiligkeit Christi (vgl. Lumen gentium, Nr. 26). Eucharistischer Kongreß 1984 im Wallfahrtsort Marija Bistrica So ist es auch euch und dem Wirken der Priester, eurer unerläßlichen und unmittelbaren Mitarbeiter im pastoralen Dienstamt, zu verdanken, daß der Glaube eurer Bevölkerung ihrer über 1000jährigen christlichen Tradition weiterhin Ehre macht: ein Glaube, der - tief im Herzen der Gläubigen verwurzelt — seinem Wesen nach in den Gottesdiensten und in anderen religiösen Zeremonien seinen entsprechenden Ausdruck findet; ein Glaube, der sich außerdem der praktischen Anforderungen bewußt ist, die er mit sich bringt, und der die Gläubigen anspornt, das ganze Leben in seinen individuellen, familiären und sozialen Formen danach zu gestalten; ein Glaube, der sie auch bereit macht, zum Wohl der bürgerlichen Gesellschaft, in der sie leben, beizutragen, und zwar im Geist des respektvollen Dialogs, des Verständnisses und des aktiven Bemühens um die bessere Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, gleich beispielhaften 1344 AD-LIMINA-BESUCHE Staatsbürgern, die den Forderungen ihrer christlichen Identität entsprechend und aufrichtig die Überwindung der verschiedenen zeitbedingten Schwierigkeiten wünschen, mit denen die bürgerliche zivile Gemeinschaft konfrontiert wird. 3. Mit tiefer Befriedigung konnte ich sodann feststellen, daß dieser aktive Glaube auch von der großen Liebe und der tiefen Verehrung genährt und gestärkt wird, die eure Gläubigen für die Muttergottes hegen, die in allen Pfarreien und vor allem in den vielen Wallfahrtsorten eurer Diözesen verehrt wird. Mit euch wünsche ich, daß diese Gefühle der Liebe und Verehrung, die zum dankbaren und zuversichtlichen Gebet an die Mutter Gottes und Mutter der Kirche werden, weiterhin öffentlich Ausdruck finden mögen, durch die begeisterte Teilnahme an den Gottesdiensten an den Marienfesten und an den reich besuchten Wallfahrten zu ihren Heiligtümern, besonders dem von Marija Bistrica, das euch im kommenden Jahr zur Feier des Eucharistischen Kongresses aufnehmen wird; ich bitte Maria, die Mutter von uns allen, auch darum, daß diesen Gefühlen stets die Früchte eines echten christlichen Lebens entsprechen mögen, bereit zum apostolischen Einsatz, den wir den Gläubigen schulden. 4. In diesem Augenblick will und kann ich nicht die Gründe meiner berechtigten Befriedigung über die wirkliche Situation eurer Gemeinden in Erinnerung rufen; freilich müßte ich auch einige Sorgen nennen, die ihr als eifrige Hirten empfindet und die ich teile. Wir alle sind uns mit euren Gläubigen der Notwendigkeit bewußt, daß die christliche Gemeinde über eine ausreichende Anzahl von Priestern verfügen soll, da ihr Amt - in Gemeinschaft mit euch ausgeübt, die ihr die Einheit der Priester in euren Diözesen gewährleistet — unersetzlich ist, um das Leben der Kinder Gottes zu nähren, zu fördern und wachsen zu lassen. Wir sind uns auch des höchst wichtigen Beitrags für das kirchliche Leben bewußt, der von denen geleistet wird, die sich für eine der zahlreichen Formen geweihten Lebens entscheiden, indem sie so vom Reichtum und von der Vielfalt des Lebens der Kirche Zeugnis geben und neben ihrem Gebet wirksame Hilfe bei mannigfachen Tätigkeiten christlicher Bildung und Förderung leisten. Nun habe ich voll Sorge erfahren, daß die Priester- und Ordensberufe weniger zahlreich sind als vor einigen Jahren. Ich weiß, daß euch das Problem bedrängt und ihr um eine entsprechende Lösung bemüht seid; ich ermutige euch herzlich, auf diesem Gebiet keine Mühe zu scheuen und die Priester, die Gottgeweihten und die Familien anzuspornen, ihre Verantwortung wahrzunehmen; alle müssen sich verpflichtet fühlen, hier 1345 AD-LIMINA-BESUCHE ihren Beitrag zu leisten. Ich trage allen auf, ständig dafür zu beten, daß der Herr neue Arbeiter in seine Ernte senden möge (vgl. Lk 10, 2). Ich bitte euch auch, der Jugend den Priester- und Ordensberuf voller Freude, als Gabe Gottes und Gnade für den einzelnen und für die Gemeinschaft darzustellen, ohne allerdings die Forderung nach völliger und unwiderruflicher Treue zu verbergen, die die freie zustimmende Antwort auf den göttlichen Ruf verlangt. Ich bin sicher, daß viele junge Leute imstande sein werden, diesem Ruf zu folgen. Die Gläubigen haben ein Recht auf die authentische Verkündigung 5. Sodann hege ich die Zuversicht, daß es euren Gemeinden gelingt, den vielen Gefahren zu begegnen, denen in Jugoslawien ebenso wie in fast allen anderen Ländern heute der christliche Glaube gegenübersteht. Ich beziehe mich auf die Säkularisierung, den Materialismus, den Konsumismus und Hedonismus, die den Anschein eines leichteren, weil freizügigeren Lebens vermitteln, während sie in Wirklichkeit das Dasein weniger menschlich, weil weniger offen und dem tiefen Sehnen des Menschen entsprechend machen. Ich bin sicher, daß die Kenntnis der konkreten Situationen eurer Diözesen es euch ermöglichen wird, die geeignetsten pastoralen Lösungen zu finden, damit es gelingt, diese Gefahren zu überwinden. Nichtsdestoweniger möchte ich euch raten, durch die Katechese der Kinder und Jugendlichen und die ständige Betreuung der Gläubigen in den Familien, Pfarreien und anderen Gemeinschaften eine angemessene, solide Ausbildung nach den Grundsätzen des Evangeliums zu fördern, damit sie sich in der Praxis engagieren; insbesondere sollen sie für die spirituelle Dimension und für das Mysterium, für das Streben nach Enthaltsamkeit, für die Verfügbarkeit, die brüderliche Solidarität und die Vergebung offen sein. 6. Zu diesem Zweck ist es auch notwendig, daß ihr weiterhin mit hochherzigem Einsatz den bischöflichen Dienst verseht und vor allem eine unmißverständliche Verkündigung des christlichen Glaubens gewährleistet; die Gläubigen haben das Recht und das Bedürfnis, die Botschaft Christi authentisch und vollständig in Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche zu empfangen. Im Bewußtsein eurer schweren Verantwortung fördert ihr weiterhin mit Klugheit die Verkündigung der wahren Glaubenslehre in den verschiedenen kirchlichen Ausbildungszentren und Bereichen pastoraler Tätigkeit, in der Verkündigung und in den Veröffentlichungen. Die Treue zu Christus - Urheber und Vollender des 1346 AD-LIMINA-BESUCHE Glaubens (vgl. Hebr 12, 2) - und zu seiner Botschaft beinhaltet in der Tat die Treue zur Kirche, und die Treue zur Kirche ist ihrerseits mit der Treue zu ihrem Lehramt verbunden. Diese Treue muß von euch ständig gewährleistet werden: Auch ihr habt die Aufgabe, die korrekte Anwendung der Anordnungen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu fördern, indem ihr den in den darauffolgenden päpstlichen Dokumenten enthaltenen Weisungen Rechnung tragt; darunter jenen, die das Ergebnis der einzelnen Bischofssynoden darstellen. 7. Das sind die Überlegungen, die ich euch mitteilen wollte, wobei ich an die gesamte katholische Gemeinde in Jugoslawien dachte. Wenn ich die anderen Mitbrüder der Bischofskonferenz empfange, werde ich mich in gleicher Weise an sie wenden. Ich bin gewiß, daß ihr meine Überlegungen als Ausdruck meines Wunsches und meiner Aufgabe annehmen wollt, euch bei der Ausübung des euch übertragenen pastoralen Dienstamtes zu stärken und zu ermutigen, damit ihr, „wenn dann der oberste Hirt erscheint, den nie verwelkenden Kranz der Herrlichkeit empfangen werdet“ (I Petr 5, 4). Ehe ich mich von euch, ehrwürdige, liebe Brüder, verabschiede, bitte ich euch, allen euren Mitbürgern meinen herzlichen Gruß und meine innigsten Wünsche für ihr Wohl zu überbringen. Gemeinsam mit euch segne ich alle Mitglieder eurer Diözesen, während ich von Gott reiche Gnaden erflehe und sie meiner aufrichtigen und tiefen Liebe versichere. „Die Tragödie der Spaltung in euren geliebten Nationen“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe jugoslawischer Bischöfe am 18. März Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ihr seid in diesen Tagen zum Besuch „ad limina apostolorum“ nach Rom gekommen, um an den ruhmreichen Gräbern der Apostel und Märtyrer Petrus und Paulus zu beten und mit dem Nachfolger Petri zusammenzutreffen. Ich hatte die Freude, mich mit jedem von euch in 1347 AD-LIMINA-BES UCHE einzelnen Audienzen zu unterhalten, in deren Verlauf ihr mir die Freuden, die Hoffnungen, das Engagement, den christlichen Eifer und zugleich auch die Probleme, die Sorgen und die Schwierigkeiten der Teilkirchen kundgetan habt, die in verschiedenen Nationen und Republiken Jugoslawiens eurer Sorge anvertraut sind, nämlich die Kirchenprovinzen Lubl-jana (Laibach) und Sarajewo, die Erzdiözese Bar, die Diözese Dubrovnik und die Apostolische Administration des jugoslawischen Banat. Mit Freude empfange ich euch und danke euch für euren Besuch; ich danke auch Msgr. Alojzij Sustar, dem Erzbischof von Lubljana, der als Vizepräsident der Jugoslawischen Bischofskonferenz die Gefühle von euch allen bei dieser Gelegenheit zum Ausdruck gebracht hat. Ich will bei diesem Anlaß auch eurer Mitbrüder, der Bischöfe der anderen jugoslawischen Diözesen, gedenken, die ich bei ähnlicher Gelegenheit am 18. Februar gemeinsam empfangen habe; meine heutigen Worte sollen eine ideelle Weiterführung dessen sein, was ich bei jener Begegnung zu ihnen gesagt habe. Meinen brüderlichen und herzlichen Gruß, den ich an euch richte, möchte ich auch den Priestern, Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen und Gläubigen eurer Diözesen und ganz Jugoslawiens zukommen lassen, auch als Zeichen der Freude über ihr Zeugnis ihrer vorbildlichen Zustimmung zur Botschaft des Evangeliums, die so tief verwurzelt ist, daß sie bisweilen echte Formen des Heroismus erreicht. 2. Eure Anwesenheit im Zentrum des Katholizismus will die enge Verbundenheit der kirchlichen Gemeinschaft, die zwischen euch und dem römischen Papst besteht, offenbar machen und tut dies auch: Ihr wollt einen konkreten Beweis liefern für die feierliche Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Der Bischof von Rom ist als Nachfolger Petri das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen. Die Einzelbischöfe hinwiederum sind sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit in ihren Teilkirchen, die nach dem Bild der Gesamtkirche gestaltet sind. In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche. Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar“ (Lumen gentium, Nr. 23). Dieses „Band des Friedens, der Liebe und der Einheit“ muß auf allen Ebenen in den einzelnen Diözesen durch die Förderung eines dauernden, geduldigen, aufrichtigen, fruchtbaren und brüderlichen Dialogs zwischen Bischöfen und Diözesan- sowie Ordenspriestern gestärkt und immer 1348 AD-LIMINA-BESUCHE tiefer gelebt werden, der vom Oberhirten der Diözese gelenkt wird mit dem Ziel, das wahre und echte geistliche Wohl der Gläubigen zu gewährleisten. Als ,, Väter und Hirten“ zugleich Der Dialog zwischen dem Bischof und seinen Priestern gewinnt auch für eine ausgewogene Entwicklung der „gemeinsamen Seelsorge“ besondere Bedeutung. Die Bischöfe seien - so hat uns das Zweite Vatikanische Konzil empfohlen - „jederzeit mit besonderer Liebe den Priestern zugetan, die ja für ihren Teil die Aufgaben und Sorgen der Bischöfe übernehmen und in täglicher Mühewaltung so eifrig verwirklichen. Sie sollen sie als Söhne und Freunde betrachten. Deshalb sollen sie sie bereitwillig anhören und sich durch ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen um den Fortschritt der gesamten Seelsorgsarbeit in der ganzen Diözese bemühen“ (Christus Dominus, Nr. 16). In ähnlicher Weise soll der brüderliche Dialog der Diözesanbischöfe mit den Ordenspriestern und den übrigen Ordensleuten fortgesetzt und intensiviert werden. Allen Ordensleuten obliegt entsprechend der besonderen Berufung der einzelnen Institute die Pflicht, mit allem Eifer am Aufbau und Wachstum des mystischen Leibes Christi und am Wohl der Teilkirchen mitzuwirken (vgl. Christus Dominus, Nr. 33). Daher ist unter den verschiedenen Ordensinstituten und zwischen diesen und dem Diözesan-klerus eine geordnete Zusammenarbeit zu fördern mit dem Ziel, alle apostolischen Werke und Initiativen eng zu koordinieren, und das ist in entscheidender Weise von der übernatürlichen, in der Liebe verwurzelten und begründeten Seelen- und Geisteshaltung abhängig (vgl. ebd., Nr. 35, 5). Das jüngst herausgebrachte Dokument Mutuae relationes hat diesbezüglich wertvolle und konkrete Anweisungen gegeben. Diese Form des Dialogs gilt es, auch zwischen den verschiedenen Diözesen Jugoslawiens zu fördern, damit sich zwischen ihnen immer stärker eine aktive, beständige und hochherzige Solidarität entwickelt, die dahinführt, daß jene Diözesen, in denen die Kirche gleichsam in einer Diasporasituation lebt, personelle und materielle Hilfe von den Diözesen erhalten können, in denen die katholischen Gemeinden aufgrund der Anzahl der Gläubigen, Priester und Ordensleute blühen. 3. Fahrt fort, euch als „Väter und Hirten“ eurer Diözesen mit erneuter Kraft jenen Initiativen und jenen pastoralen Mitteln und Seelsorgsmethoden zu widmen, die die besten Früchte christlichen Lebens zeitigen 1349 AD-LIMINA-BESUCHE können. Zu diesem Zweck wird es notwendig sein, besonders der Katechese der Kinder, der Heranwachsenden und der Jugendlichen vorrangige Bedeutung einzuräumen. Das habe ich in dem Apostolischen Schreiben über die Katechese in unserer Zeit ausführlich behandelt, das im wesentlichen die von Paul VI. seligen Angedenkens vorbereiteten Überlegungen und die von der vierten Generalversammlung der Bischofssynode von 1977 verabschiedete Dokumentation aufgriff. Die ständige, weiterführende katechetische Erziehung der Kinder, der Heranwachsenden und der Jugendlichen ist von fundamentaler Bedeutung für die harmonische Entwicklung ihres christlichen Lebens. Man wird ihnen - trotz der eventuellen und unvermeidlichen Schwierigkeiten -die geeigneten Mittel und Möglichkeiten für eine solide religiöse Erziehung sicherstellen müssen. Es ist notwendig, ihnen Jesus Christus, den menschgewordenen Gott, vorzustellen und zu zeigen, und zwar so, daß eine Tag um Tag sich vertiefende und erhellende Kenntnis seiner Person, seiner Botschaft, des Planes Gottes, den er enthüllt hat, gefördert wird. Es handelt sich also um eine heilige und sehr ernste Pflicht der Bischöfe, die zu diesem Zweck nach allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln suchen und sie praktisch nutzen müssen. „Dennoch sollte eure Sorge um die Förderung einer aktiven und wirksamen Katechese hinter keiner anderen Sorge irgendwie zurückstehen - habe ich in dem genannten Apostolischen Schreiben gesagt, wobei ich mich eben an die Bischöfe wandte. Die Sorge darum wird euch dazu veranlassen, selber den Gläubigen die Lehre des Lebens vorzutragen . . . Eure hauptsächliche Aufgabe wird darin bestehen, in euren Kirchen eine echte und tiefe Liebe zur Katechese zu wecken und zu pflegen, eine Liebe, die in einer angemessenen und wirksamen Organisation konkrete Gestalt annimmt und Menschen, Mittel und Werkzeuge, natürlich auch das notwendige Geld zur Verfügung stellt“ (Catechesi tradendae, Nr. 63). 4. Ihr werdet es gewiß nicht versäumen, weiterhin besonderen pastoralen Eifer der Familie zuzuwenden, die in der heutigen Zeit vielleicht mehr als andere Institutionen von dem weitreichenden, tiefgreifenden und raschen Wandel der Gesellschaft und der Kultur betroffen ist. „Die erste Verantwortung für den pastoralen Dienst an den Familien in der Diözese kommt dem Bischof zu - schrieb ich in dem Apostolischen Schreiben über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute. Als Vater und Hirt muß er in besonderer Weise Sorge tragen für diesen Bereich der Pastoral . . . Ein besonderes Anhegen wird es ihm sein, dafür zu sorgen, daß seine Diözese immer mehr zu einer ,Diözesanfamilie‘ wird, Vorbild 1350 AD-LIMINA-BES UCHE und Quelle der Hoffnung für die vielen Familien im Bistum“ (Familiaris consortio, Nr. 73). Man wird die Familie als Institution dadurch verteidigen müssen, daß man sie in den Prinzipien des christlichen Glaubens verankert, und zwar durch eine entsprechende Vorbereitung der künftigen Eheleute, die im Rahmen der Verpflichtungen des Ehesakraments nachhaltig an ihre schwerwiegende Rechtspflicht erinnert werden sollten, ungeachtet möglicher Schwierigkeiten oder Folgen die christliche Erziehung der Kinder -persönlich oder mit Hilfe der christlichen Gemeinde - ebenso wie ihre katechetische Heranbildung sicherzustellen. Die Gläubigen sollen jederzeit ermutigt und in ihrer religiösen Praxis gestärkt werden, die in dem insbesondere von den Sakramenten der Eucharistie und der Versöhnung beseelten und befruchteten christlichen Leben gründet und ihren Ausdruck findet; einem christlichen Leben, das beseelt und befruchtet wird von der bewußten und aktiven Teilnahme am Gottesdienst, von der konkreten, tatkräftigen und regen Liebe für die ärmsten und bedürftigsten Brüder, von ihren authentischen, in der jahrhundertealten Geschichte des Landes verankerten christlichen Traditionen, wobei darauf zu achten ist, daß nicht jene Frömmigkeitsformen abnehmen oder gar verlorengehen, in denen man zutiefst wurzelt, wie die Verehrung des Allerheiligsten, der Rosenkranz, der Kreuzweg, die verschiedenen Litaneien und alle anderen Formen der Volksfrömmigkeit, die im Einklang mit der echten Spiritualität und Religiosität stehen. 5. In euren geliebten Nationen leben katholische und orthodoxe Christen zusammen. Das läßt euer Herz als Hirten mit besonders schmerzlicher Eindringlichkeit die historische Tragödie der Spaltung der Christen spüren wie auch die Dringlichkeit erkennen, alles zu tun, damit der Wunsch und Wille Christi für seine Kirche volle Erfüllung finde: „. . . alle sollen eins sein“ (vgl. Joh 17, 20 f.). Fortschritte auf dem Weg zur Einheit Euer Vorschlag, in eurem Land eine gemischte katholisch/orthodoxe Kommission zu errichten, entspringt dem leidenschaftlichen Verlangen, die von Gott in Christus geschenkte Einheit wiederzuentdecken, wiederherzustellen und auszuweiten: denn das Kreuz Christi ist die unstillbare Quelle jeder Einheit, weil es der Ort ist, wo Gott das Gespräch mit dem sündigen Menschen wieder aufnimmt. Aus diesem Verlangen nach Ein- 1351 AD-LIMINA-BESUCHE heit stammen alle anderen Initiativen, die von euch unternommen werden, um die jetzige Wirklichkeit auf eine größere Wahrheit hinzulenken. In diesem Zusammenhang möchte ich an die Begegnungen zwischen katholischen und orthodoxen theologischen Fakultäten erinnern. Die Beziehungen zwischen dem Römischen Stuhl und der serbischen Schwesterkirche erfahren seit dem Konzil einen ununterbrochenen Fortschritt. Die Ernsthaftigkeit der vereinbarten Kontakte und die Atmosphäre brüderlicher, für die Hoffnung offener Liebe, die dabei herrscht, geben Zeugnis von der Gegenwart des Geistes des Herrn, der der Kirche den Weg weist, den sie gehen soll. Die Annäherung zwischen den Christen verschiedener Konfessionen ist zweifellos das Werk des Heiligen Geistes und verlangt von uns besondere Fügsamkeit. Die vom Ostergeheimnis erleuchtete Vergangenheit ist ein Erbe, mit dessen Hilfe wir Zugang zur Wahrheit haben und von dem wir uns zutiefst erfassen und befreien lassen sollen. Meine Gedanken richten sich voll aufrichtiger Hochachtung auch auf die Muslime in ganz Jugoslawien mit dem Wunsch, daß aufrichtiges gegenseitiges Verständnis geübt und - wie das Zweite Vatikanische Konzil gefordert hat - man gemeinsam eintreten möge für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit aller Menschen (vgl. Nostra aetate, Nr. 3). 6. Liebe Brüder! In wenigen Tagen werde ich anläßlich des 1950. Jahrestages der Erlösung zu Beginn des Jubiläumsjahres die Heilige Pforte eröffnen. In dem Schreiben, das ich am 25. Januar an alle Bischöfe der Welt richtete, schrieb ich, daß dieses Ereignis „dem ganzen Leben der Kirche und der Christen seine Spur aufprägen sollte, damit es einen neuen Vorsatz des Reifens in jener Liebe auslöst, die die Wahrheit bewirkt und die Gerechtigkeit fördert“ (Nr. 1, in: O.R.dt. vom 4. 3. 83, S. 1). Es ist mein Wunsch, daß das außerordentliche Heilige Jahr in euren Diözesen mit Intensität und spirituellem Eifer gelebt wird, entsprechend dem besonderen Reichtum an Traditionen ihrer Geschichte und ihrer christlichen und sakramentalen Praxis. „Jeder Bischof möge also dafür sorgen, daß in allen Pfarreien, auch in den kleinsten, wo die Kirche Christi gegenwärtig ist, allen Gläubigen geholfen wird zu begreifen, daß alle der Erlösung bedürfen und daß das Blut Christi für alle vergossen wurde“ {ebd., Nr. 4). Diese meine Wünsche und meine Gedanken vertraue ich dem unbefleckten Herzen der seligsten Jungfrau Maria an, mit der eure Gläubigen durch besondere innige Verehrung verbunden sind. 1352 AD-LIMINA-BESUCHE Auf euch alle, auf alle Mitglieder eurer Diözesen rufe ich vom Herrn reiche Gnaden herab, als deren Unterpfand ich euch meinen Apostolischen Segen erteile. Erneuerung der christlichen Ehe Ansprache an die kanadischen Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch am 28. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Euer Ad-limina-Besuch ist ein Ereignis, das wir gemeinsam in der Liebe Christi und in der Einheit seiner Kirche erleben und feiern. Er bietet uns Gelegenheit, gemeinsam über euer Dienstamt als Bischöfe und Hirten des Volkes Gottes in Ontario, im Militär-Vikariat und in der Eparchie der heiligen Cyrillus und Methodius von Toronto nachzudenken. Doch noch mehr ist es ein Anlaß, Jesus Christus, „dem obersten Hirten“ (2 Petr 5,4) der Kirche, alle pastoralen Mühen, Initiativen und Unternehmungen darzubringen, die ihr in seinem Namen auf euch nehmt, im Gehorsam gegen seinen Willen und durch das heilige Charisma des Bischofsamtes. Euer Ad-limina-Besuch ist eine Gelegenheit, Jesus Christus pastorale Rechenschaft abzulegen, damit sich eure Liebe zu ihm und zu seiner Kirche erneuert und ihr neues Vertrauen und neue Zuversicht in die unermeßliche Heiligungskraft seines Paschamysteriums gewinnt. Er bietet auch mir Gelegenheit, als euer Bruder im Bischofskollegium und Nachfolger des Petrus euch ein Wort der Ermunterung, des Verstehens und brüderlicher Liebe zu sagen und euch so für das Bekenntnis und die Lehre des Glaubens der Kirche zu stärken. 2. Ich möchte heute auch meine Anerkennung aussprechen für das, was in euren Ortskirchen erreicht wurde. Gewiß war die Kraft des Evangeliums in den Herzen der Gläubigen am Werk und hat in euch, wie in euren Priestern und Diakonen den hochherzigen pastoralen Eifer erhalten. Obwohl wir realistisch zugeben müssen, daß die Hindernisse für ein christliches Leben in der Welt von heute gewaltig sind, verkünden wir 1353 AD-LIMINA-BES UCHE dennoch, daß die Heilsgnade Christi mächtiger ist als Sünde und menschliche Schwäche (vgl. Röm 5,20). Ich bin euch und eurem Volk für alles dankbar, was ihr getan habt, um das Evangelium zu leben, es der Jugend in seiner ganzen Reinheit und Macht zu übermitteln und für seine Weitergabe an die kommenden Generationen zu sorgen. Mit hohem Einsatz habt ihr der katholischen Erziehung und den katholischen Schulen aller Ebenen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. All das hat direkten und wichtigen Einfluß auf den Glauben des Volkes Gottes und verdient eure weitere pastorale Wachsamkeit und Tatkraft. Es spricht für die Gnade Christi, für euren Eifer und den Einsatz eures Volkes, daß ihr versucht habt, den Sinn für Mitverantwortung unter den Gläubigen zu fördern. Der Sinn für Mitverantwortung bei den Gläubigen zeigt sich im persönlichen Gespräch für kirchliche Aufgaben und stellt zweifellos eine der größten Segnungen dar, die der Kirche durch das Zweite Vatikanische Konzil geschenkt wurden. Bei so vielen wichtigen Projekten habt ihr als geeinte kirchliche Gemeinschaft zusammengearbeitet, um Werte des Evangeliums zu verkünden, die menschliche Würde zu verteidigen und das Reich Gottes auf Erden aufzubauen. Alle eure vereinten Bemühungen für das Leben gegen alles, was Leben schädigt, schwächt oder zerstört, verdienen wahrlich Lob und Unterstützung. Eure Bereitschaft, Einwanderer in euer Land aufzunehmen und ihnen beim Aufbau eines neuen Lebens zu helfen ist einer von zahlreichen echten Erweisen eurer christlichen Liebe. Die Wahrnehmung eurer pasto-ralen Verantwortung bei der Förderung von Berufen und der Ausbildung von Kandidaten für den Priester- und Ordensberuf, in Übereinstimmung mit dem Lehramt der Kirche, ist äußerst wichtig für das Leben eurer Ortskirchen. Euer Wunsch nach Förderung des Ökumenismus, gemäß den Weisungen des Konzils und in Einheit mit der ganzen Kirche, eure pastoralen Bemühungen, Laienbewegungen im Dienst des Apostolates zu entwickeln sowie die seelsorgliche Betreuung der Jugend sicherzustellen, all das sind nur verschiedene Aspekte eures einen Ziels, nämlich die Frohbotschaft vom Heil zu verkünden und jedem „den unergründlichen Reichtum Christi“ (Eph 3,8) zu erschließen. 3. Das Apostolat der Kirche hat verschiedene Formen, und es gibt viele Wege es auszuüben. Die Kirche ist aufgerufen, im Namen Jesu Christi vielfältige Dienste zu leisten. Heute möchte ich mich darauf beschränken, eurer Hirtensorge im Licht der letzten Bischofssynode einige Gedanken über die Kirche im Dienst der Familie anzuvertrauen. Gerade weil „die 1354 AD-LIMINA-BESUCHE Zukunft der Menschheit über die Familie geht“ (Familiaris consortio, 86), sind wir als Hirten tief von der Notwendigkeit überzeugt, die Familie zu verteidigen, ihr beizustehen und sie zu ermutigen; wir sind tief von der Notwendigkeit überzeugt, Berufung und Sendung der Familie in der modernen Welt zu verkünden. In meinem Apostolischen Schreiben über die Familie habe ich einen besonderen Aspekt der Aufgabe der Familie in der Welt herausgestellt und gesagt, „die Familie empfängt die Sendung, die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“ (Nr. 17). Diese Sendung ist innerlich mit der zentralen Botschaft der Offenbarung verbunden, nämlich der überragenden Tatsache, das Gott sein Volk liebt und seinen Sohn zu seiner Erlösung gesandt hat. Um es mit den Worten Jesu zu sagen: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,16-17). Wir sind als Bischöfe nicht in der Lage, die Hindernisse für ein christliches Leben zu beseitigen; wir können nicht alle Lasten wegnehmen, die auf unseren christlichen Familien ruhen; noch weniger sind wir zu dem Versuch ermächtigt, aus der Christenheit das Kreuz zu entfernen. Wir können aber die erhabene Würde der Ehe verkünden und ihre Identität als Bild, Symbol und Ausdruck des immerwährenden und unauflöslichen Liebes-bundes Gottes mit seiner Kirche. Wir können die Familie lieben und in dieser seelsorglichen Liebe ihr den einzigen Maßstab zur wirklichen Lösung der Probleme, vor denen sie steht, anbieten. Dieser Maßstab ist das Wort Gottes: das Wort in seiner ganzen Reinheit und Macht, unverkürzt und mit allen Forderungen, die es stellt - das Wort Gottes, das die Kirche vermittelt. Die Verkündigung der Frohbotschaft von Gottes Liebe, wie sie sich in der ehelichen Liebe und im Eheleben widerspiegelt, ist einer unserer wertvollsten Beiträge für das Wohl unseres Volkes und zugleich einer der besten Wege, um ihm unsere volle Unterstützung zu beweisen und ihm weiterzuhelfen, das Ehesakrament zu leben. Mit Hilfe der Gnade des Sakramentes vermögen Eheleute ihre Würde zu erfassen und werden zugleich bereit, sich ernsthaft Mühe zu geben, ihre Sendung zu leben, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“. Das alles aber setzt voraus, daß die Kirche weiter standhaft im Namen Jesu die christliche Familie anspricht und ständig die Identität der Familie gemäß dem Plan des Herrn herausstellt, den er in der Heiligen Schrift und der Uberliefe- 1355 AD-LIMINA-BESUCHE rung offenbart, mit der durch den Heiligen Geist das Lehramt der Kirche bezeugt wird. 4. Als Hirten haben wir der Familie gegenüber einen Dienst der Liebe zu erfüllen, und dieser Dienst der Liebe kommt im Gebet zum Ausdruck, aber auch in Unterstützung, Ermunterung und Dienstbereitschaft. Wir müssen immer wieder die Wahrheit von Gottes Plan für die Ehe verkündigen, solange uns der Herr Kraft zum Predigen gibt. Ich erwähnte in meinem Apostolischen Schreiben auch: „Liebe zur Familie bedeutet, die ihr drohenden Gefahren und Übel wahrzunehmen und zu bekämpfen. Liebe zur Familie bedeutet ferner, an der Schaffung einer Umgebung mitzuwirken, die ihre Entfaltung begünstigt“ (Nr. 86). All das bedeutet eine persönliche Aufgabe für die Bischöfe, zu der aber sämtliche Gruppen des Volkes Gottes einen ausgezeichneten Beitrag leisten können. Gerade im Zusammenhang mit der Sendung der Familie, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“, sind wir Bischöfe ständig aufgerufen, so klar, getreu und wirksam wie möglich die Lehre der Kirche über die Ehe als Lebens- und Liebesgemeinschaft, als unteilbare Einheit und als unauflösliche Gemeinschaft vorzutragen. Uns ist es aufgetragen, die Mitarbeit der ganzen Kirche anzuregen und zu ermuntern - ferner den Beitrag anderer Männer und Frauen guten Willens — um die Familie auf ihrem täglichen Pilgerweg zum Vater hin zu unterstützen, ihr in ihren Problemen beizustehen und sie in ihren christlichen Überzeugungen zu festigen. Dieses vereinte Bemühen hat sich weiterhin gezeigt und verdient weitere Ermutigung in der Frage der gesetzlichen Geburtenregelung. Wie ich in Familiaris consortio erwähnte, nimmt die Kirche mit Genugtuung die von der wisssenschaftlichen Forschung bereits erzielten Ergebnisse zur Kenntnis, fühlt sich aber dennoch veranlaßt, „mit Nachdruck an die Verantwortung all derer zu appellieren — Ärzte, Experten, Eheberater, Erzieher, Ehepaare - die den Eheleuten wirksam helfen können, ihre Liebe in der Beachtung der Struktur und der Ziele des ehelichen Aktes zu verwirklichen, der diese Liebe zum Ausdruck bringt“ (35). Vom pastoralen Standpunkt aus verdient das Bemühen der Bischöfe, den Ehepaaren zu helfen, wenn sie sich Mühe geben, ihrer menschlichen und christlichen Berufung zur ehelichen Liebe voll nachzuleben, die tiefe Dankbarkeit und Anerkennung der ganzen Kirche. Der Eifer des Bischofs aber wird immer die Mitarbeit und das Vertrauen der Gemeinschaft der Kirche wecken. 1356 AD-LIMINA-BES UCHE 5. Noch viele andere Aspekte der Familie erfordern die Hilfe der Bischöfe und der gesamten Gemeinschaft der Kirche. Dazu gehört auch die Sendung und der Auftrag der Eheleute zur Erziehung ihrer Kinder, damit sie zur vollen menschlichen und christlichen Reife gelangen. Hier geht es erneut darum, daß wir Bischöfe Identität und Würde des Lebens in der christlichen Ehe heraussteilen. In der Kraft des Heiligen Geistes müssen wir ferner in dem uns anvertrauten Volk neues Vertrauen und neue Sicherheit wecken, damit es die Erhabenheit der ehelichen Liebe Wirklichkeit werden läßt. Wir dürfen nicht nachlassen zu verkündigen, daß „die christliche Eheschließung in sich selbst ein liturgischer Akt der Gottesverherrlichung in Jesus Christus und in der Kirche“ ist (Familiaris consortio, 56). Endlich wird gerade durch das Gebet der Familie und der ganzen Kirche die Erneuerung der christlichen Ehe Wirklichkeit werden, und zum großen Teil auch Erneuerung, Umkehr und Evangelisierung der Welt. Ehrwürdige, liebe Brüder im Bischofsamt, setzen wir mit Nachdruck unser Vertrauen auf die Macht des auferstandenen Herrn, um in unserer Generation der Kirche den ehelichen Liebesbund zu festigen. Nehmen wir alle unsere Kräfte zusammen, um immer noch wirksam zu verkünden, daß diese Liebe eine erlöste Liebe ist und die christliche Ehe in Wahrheit den Plan Gottes zur Vollendung des Menschen darstellt. Die Familie ist für Gott die besondere Weise, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“. Möge Maria, die Mutter Jesu, euch in eurem Hirtendienst an der Familie beistehen und eure Herzen mit tiefer Freude und mit Frieden erfüllen! Durch euch richte ich meinen Gruß an alle Gläubigen eurer Ortskirchen, an euren Klerus und die Ordensleute, an die Laien und insbesondere an die christlichen Familien. Ich segne vor allem die Kranken und alle Leidenden. Jene aber, die Einsamkeit bedrückt, versichere ich meiner Nähe im Gebet. Allen kirchlichen Gemeinschaften endlich, deren Diener, Hirten und Friedensboten ihr seid, spreche ich meine Verbundenheit in Jesus Christus, unserem Erlöser, aus! 1357 AD-LIMINA-BESUCHE Den Vorrang Gottes predigen Ansprache an die Bischöfe Kanadas anläßlich ihres Ad-limina-Besuches am 23. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wir haben uns heute hier versammelt, um als Bischöfe unseren Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes und Erlöser der Welt, zu feiern. Wir haben uns im Zeichen des Glaubens versammelt, und in diesem Zeichen des Glaubens durchdringen wir das Lebensgeheimnis der Kirche und leben es, so wie es in allen Kirchengemeinden von Neufundland, Neuschottland, der Prince Edward Island und in New Brunswick wirklich gegenwärtig ist. Vereint mit euch, Gemeindehirten des Gottesvolkes, im Bündnis mit der Liebe Christi huldige ich euren Diözesen. Sie sind natürlich in der apostolischen Tradition eingewurzelt, aber sie erfreuen sich auch einer örtlichen Tradition, die in St. John’s, Neufundland, schon zwei volle Jahrhunderte zurückreicht. Es sind Kirchengemeinden, die sich aufrichtig bemühen, das Evangelium zu leben, dabei auch manchmal etwas falsch machen und darunter leiden und Läuterung erdulden: Aber sie leben „im Glauben an den Sohn Gottes“ {Gal 2, 20). Zusammen mit euch will ich für die Gnade Gottes danken, ich will die Vorzüge unseres Herrn Jesus Christus preisen und die Wirkung des Heiligen Geistes loben, der die Früchte der Erlösung in die Herzen der Gläubigen einbrachte und in eurer Mitte würdige Gewohnheiten, wie Frömmigkeit und Glauben, lebendig hielt. Mit einem Wort, zusammen mit euch sage ich Dank für das Geschenk des Glaubens an Jesus Christus, welcher in die Herzen derer eingesenkt wurde, denen ihr berufen seid zu dienen - für die Hoffnung, die von diesem Glauben entflammt wird - eine Hoffnung, die dem christlichen Leben so große Bedeutung gibt -, und für das Werk dieser Liebe, die aus dem Glauben entspringt und auch die Gebote Gottes erfüllt. 2. Da wir die Gefühle der Achtung und Verehrung für die katholische Geschichte eures Volkes teilen, erkennen wir die Herausforderung, die uns betrifft, als Seelsorger den Weg in die Zukunft zu weisen, die Gläubigen zu ermutigen und zur Bekehrung aufzurufen. Ich danke euch für alles, was ihr bisher in Glaubensdingen getan habt, und zwar in Liebe 1358 AD-LIMINA-BESUCHE und Treue, als Hirten des Gottesvolkes in Besitz eines heiligen Glaubens, ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten und Hindernisse. Der Erfolg eurer Ortskirchen ist groß, denn die Eucharistie behauptet ihren geehrten Platz als „das Zentrum und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinschaft“ (Christus Dominus, 30). Die anderen zahlreichen Aspekte ihrer Lebenskraft enthalten unzählige Beweise der Nächstenliebe Christi zu den Armen und zu allen, die in geistiger und materieller Not sind. Die Verbreitung des katholischen Glaubens durch große Anstrengungen in der Katechese hat euren Priestern, Ordensgeistlichen, Laien und mehreren Generationen von katholischen Eltern Ehre gebracht. Bei der Verbreitung des Glaubens beanspruchten viele Gesichtspunkte eure Aufmerksamkeit und beeinflußten eure Seelsorge. Ich kann hier nicht alle erwähnen, aber ihr werdet in den Punkten, auf die ich gerade anspiele, die Leistung eurer Ortskirchen erkennen. Der Förderung der katholischen Erziehung und der Verkündigung des Evangeliums wurde vorausblickend in einigen Diözesen vorrangige Bedeutung beigemessen, und diese Vorrangigkeit muß in den kommenden Jahren bleiben. In vielen Orten schlug sich der Eifer eurer Leute in regem Pfarrleben, in katholischen Schulen, in verschiedenen Vereinigungen, Organisationen und Bewegungen nieder, die in hohem Maße dazu beitrugen, euren Leuten die Vitalität ihres Glaubens zu bewahren. Es wurden Anstrengungen gemacht, christliche Einheit zu pflegen, Vokationen zu fördern und die Würde der Ehe und der christlichen Familie zu bewahren. Über diesen letzten Punkt hatte ich im April des vergangenen Jahres Gelegenheit, zu euren Brüdern im Bischofsamt in Ontario zu sprechen. 3. In dieser Stunde des kollegialen Beisammenseins möchte ich einige Gesichtspunkte des katholischen Lebens betonen, die für das Wohl eurer Ortskirchen besonders wichtig sind und deshalb eure Hirtentätigkeit und kollegiale Zusammenarbeit betreffen. Das Amt, das wir als Hirten des Gottesvolkes haben, ist ein Glaubensamt, in dem alle Rechtfertigung ihren Ursprung hat. Wir sind aufgerufen, den Glauben zu verteidigen, der bei der Taufe in die Herzen unserer Leute eingesenkt wurde, indem wir ihnen den Inhalt des Glaubens predigen. Unsere Botschaft geoffenbarten Glaubens ist die Antwort, die wir auf die Herausforderungen der modernen Welt geben; es sind dies unter anderem Säkularismus, Materialismus und Hedonismus. Die Versuchungen und Schwierigkeiten, denen unsere Leute ausgesetzt sind, und die Hindernisse, die einem christlichen Leben entgegenstehen, sind sehr groß, aber 1359 AD-LIMINA-BES UCHE noch größer ist der Glaube, den sie empfangen haben, als sie von Christus predigen hörten (vgl. Röm 10,17). Der Glaube ist so stark, daß der heilige Johannes nicht zögert mit der Feststellung: „Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt: unser Glaube. Wer aber ist der, der die Welt besiegt, wenn nicht der, der da glaubt, daß Jesus der Sohn Gottes ist?“ (J Joh 5,4-5). Es geht genau darum, diesen Sieg mitzuteilen und zu ermöglichen, daß auch seine Kraft ins Leben der Gläubigen eintritt; deshalb sind wir aufgerufen, zu unseren Leuten über Gott zu sprechen. Wir sind aufgerufen, vom Vorrang Gottes zu predigen, ihn als Schöpfer und Herrn des Lebens vorzustellen. Wir dürfen nie müde werden, unserem Volk das Geheimnis der Heiligsten Dreifaltigkeit bekanntzumachen: wie Gott ein Vater ist, der sich durch seinen Sohn offenbart, der da „Abglanz seiner Herrlichkeit und Ausprägung seines Wesens ist“ (Hebr 1,3) und wie im Hause des Sohnes der Vater den Heiligen Geist sendet, damit er bei uns in Ewigkeit bleibe (vgl. Joh 14,16). Durch die Wirkung des Heiligen Geistes ist das Gottesvolk in der Gemeinschaft der Kirche vereinigt und nimmt durch das Sakrament am Ostersieg Christi teil. Als Bischöfe sind wir aufgerufen, das Glaubensgeheimnis immer wieder zu verkünden, das ein Geheimnis der Rettung in Christus ist, dem fleischgewordenen Wort. 4. Da wir die Not unseres Volkes vor Gott kennen, stellen wir fest, daß wir ihnen das Beten lernen und mit ihnen beten müssen. Unser Glaubensamt ist deshalb ein Amt des Gebetes. Nie folgen wir mehr dem Guten Hirten, als wenn wir unser Volk im Gebet leiten, besonders im liturgischen Gebet der Kirche. Vor allem in der Eucharistie verwirklicht sich die Kirche in ihrer Eigenschaft als Gebetsgemeinschaft, und Jesus Christus bringt seine Kirche dem Vater dar. Als Bischöfe können wir die Wichtigkeit des Gebetes im Leben der Kirche nie genug betonen. Als Bischöfe können wir selbst nie genug Zeit und Tatkraft zum Beten aufwenden. Wir können unser Volk nie genug zu dieser Tätigkeit ermutigen, die so eine wichtige Rolle im christlichen Leben spielt. Da das Geheimnis Christi in seiner Kirche unvollkommen ist ohne Gebet, kann der Aufruf zum Gebet nie vom Auftrag des Bischofs getrennt werden, denn durch ihn wollte der Herr die Worte wiederholen: „Wachet und betet“ {Mk 14,38). 5. In ganz besonderem Maße besteht heute in der Kirche ein Bedürfnis, um Berufungen zum Priesteramt zu beten und sich dafür einzusetzen. Einige von euch kennen diese Not besonders gut aus der eigenen Diözese. 1360 AD-LIMINA-BESUCHE Jene gründliche kirchliche Erneuerung, die das Zweite Vatikanische Konzil anstrebte, kann nie ausreichend stattfinden, wenn die Ortskirchen nicht eine genügende Anzahl würdiger und heiliger Priester haben. Der Aufbau der Gemeinschaft in der Kirche ist eng mit der Kraft verbunden, die vom Opfer der Eucharistie kommt, und das wieder ist ohne Priester nicht möglich. Außerdem ist die Eucharistie Kern des christlichen Lebens und der Laienmission sowie die Bekehrung. Diese ist für die Eucharistie Voraussetzung und Erfordernis. Die Bekehrung ist mit dem Bußsakrament verbunden und dadurch auch mit der geistlichen Priesterschaft der Kirche. Unter jedem Aspekt ihres geistlichen Amtes sind die Priester für die Kirche da, und sie sind für Laien wie für Ordensleute so unabkömmlich, daß ohne sie alle Gläubigen an der Ausübung ihrer christlichen Berufung gehindert sind. Das ganze Leben der Kirche ist mit der Priesterschaft eng verbunden; sie ist ein großes Geschenk Gottes für die einzelnen zum Wohl aller. Dieses Geschenk Gottes muß gesucht werden, und zwar im Gebet. Eine Berufung zur Priesterschaft ist so wichtig, daß sie persönlich von Gott an die einzelnen ergeht. Es handelt sich um einen göttlichen Ruf, der von der Kirche übermittelt und bestätigt wird und der eine Einladung bleibt, die der menschlichen Freiheit keine Gewalt antut. Die Annahme einer Berufung zur Priesterschaft, die Ausdauer in der Priesterschaft und die Fruchtbarkeit der priesterlichen Tätigkeit hängen von der Wirkung Gottes ab und brauchen seine Gnade. Christus selbst setzt die ganze Frage ins richtige Licht, wenn er sagt: „Die Ernte ist groß, aber die Arbeiter sind wenige; bittet daher den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende“ (Lk 10,2). Liebe und ehrwürdige Brüder, hier sehen wir unsere Rolle als Hirten: zu beten und unser Volk im Gebet um Berufungen zu leiten. Aber als Hirten und „Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1), ist es unsere Aufgabe, die jungen Menschen aufzurufen, daß sie auf die Stimme des Herrn hören. Indem wir der Jugend das Wort Gottes verkünden, das Geheimnis der Priesterschaft preisen und den göttlichen Ruf zur Priesterschaft verbreiten, sollen wir den Weg bereiten für die Wirkung des Heiligen Geistes in den Herzen der einzelnen. Diese pastorale Tätigkeit ist der ganze Teil der Verkündigung des Evangeliums und ein Teil, das Geheimnis Christi in der Kirche zu leben. Die jungen Menschen müssen vom Ruf Christi hören, so daß sie in der Lage sind, ihn anzunehmen, wenn er kommt. Sie müssen wissen, daß er auf ein von Christus eingesetztes geistliches Amt hingerichtet ist, auf ein Amt, das 1361 AD-LIMINA-BESUCHE von seinem Willen abhängt und das unermeßliche Freigebigkeit und Liebe verlangt, sowie ein Leben, das in der Einheit mit Christus gelebt werden soll. Gerade bei der Verkündigung dieser Berufung durch Christus und bei der Erklärung ihrer Bedeutung und der Anforderungen wird das Evangelium gepredigt und der dynamische Heilsvorgang in Gang gebracht. Das Wort Gottes wirkt in den Herzen der Menschen durch die Mitwirkung der Hirten in der Kirche. Deshalb dürfen wir nicht aufhören, Berufungen zu wecken, sie zu verkünden und zu predigen. Der Herr der Ernte ist bereit zuzuhören. Gott wird seine Kirche nicht verlassen. Aber die Bischöfe müssen den Ruf des Herrn weitergeben und dürfen nie damit aufhören. Jede Ortskirche muß in ihrer Gesamtheit durch Gebet und Buße diese Aufgabe unterstützen. Die lebendige Verkündigung des Wortes Gottes kann nicht ohne Erfolg bleiben. Wenn er von seinem Wort spricht, sagt Gott: „Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“ (Jes 55,11). 6. Geliebte Brüder, es gibt noch viele andere wichtige Aspekte des Wortes Gottes, die zutiefst mit dem Glauben eures Volkes verbunden sind. Wenn es Gott gefällt, so werde ich anläßlich anderer Ad-limina-Besuche und im Lauf meines Pastoralbesuches in Kanada im nächsten Jahr noch Gelegenheit haben, mit mehreren unter euch, meinen Brüdern im Bischofsamt, darüber zu sprechen. In diesem Augenblick möchte ich jedoch einen anderen Gedanken hinzufügen. Während wir uns auf diese Reise vorbereiten, möchte ich bitten, daß ihr und all eure Brüder im Bischofsamt, im Namen Christi und der Kirche, in meinem und eurem Namen, die Gläubigen Kanadas zur Bekehrung und zur persönlichen Beichte einladet. Für manche bedeutet das, nach vielen Jahren zum ersten Mal wieder die Freude der sakramentalen Versöhnung zu erleben; für alle wird es eine Gnade sein, zu einer Antwort am Glauben auf das aufgerufen zu sein, was das Wort Gottes verlangt. Der Aufruf zur Bekehrung ist auch ein Aufruf zur Hochherzigkeit und zum Frieden; ein Aufruf, das Erbarmen und die Liebe Christi aufzunehmen; ein Aufruf, die Wege zur Feier unseres Glaubens vorzubereiten. Diese kollegiale Aufgabe und euren Eifer in all euren pastoralen Aktivitäten empfehle ich der Mutter Jesu, der Königin der Apostel. Möge sie euch im Amt des Glaubens und im Amt des Gebets unterstützen und für euch alle Quelle der Freude und Unterpfand des Friedens sein. 1362 AD-LIMINA-BESUCHE Die Bedeutung des Tauf Sakraments für unser Leben Ansprache beim Ad-limina-Besuch kanadischer Bischöfe am 30. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In dieser Stunde kollegialer Eintracht erfahren wir miteinander „eine lebendige Hoffnung in unserem Herrn Jesus Christus“. Er ist der oberste Hirte der ganzen Kirche, „die er durch sein eigenes Blut erworben hat“ (Apg 20,28) und die er sein Eigentum nennt, wenn er sagt: „. . . und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ {Mt 16,18). Als Bischöfe sind wir aufgerufen, unser Vertrauen in die erlösende Macht dieses Blutes und die grenzenlose Wirksamkeit des ganzen Ostergeheimnisses zu bekunden. Und als Bischöfe, die im Namen Jesu versammelt sind, haben wir, wie wir glauben, ein besonderes Recht, seiner Gegenwart mitten unter uns gewiß zu sein (vgl. Mt 18,20). Mit einem Wort, es ist „Christus Jesus, unsere Hoffnung“ {1 Tim 1,1), der in uns lebt und der durch uns, durch Wort und Sakrament, weiter der Welt seine Erlösung schenkt. 2. Ich möchte bei dieser Gelegenheit die Macht des Paschamysteriums preisen, die in euren Ortskirchen seit vielen Jahren am Werk ist, eine Macht, die durch die hochherzigen, ja heroischen Anstrengungen aufeinanderfolgender Generationen von Aposteln und Missionaren unter euch am Werk war. Zugrunde lagen dem ganzen Evangelisierungseifer ein klares Verständnis und die gläubige Annahme des Gebotes Christi: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe . . .“ {Mt 20, 19-20). Ungeheure Opfer wurden und werden noch gebracht, um den Auftrag Christi zu erfüllen, so daß die Frohbotschaft gehört und aufgenommen werden kann und die Macht des Todes und der Auferstehung Christi die Menschenherzen durchdringen, die Gemeinschaft der Kirche aufbauen und die Kriterien für das menschliche Handeln radikal verändern kann. 3. Im Leben der Kirche ist die Verwirklichung des Ostergeheimnisses nach dem Willen Christi aufs engste mit dem Taufsakrament und mit den anderen christlichen Sakramenten verbunden. Für jeden Christen ist die Taufe eine sakramentale Initiation in die Kirche, die ihrerseits das Sakra- 1363 AD-LIMINA-BESUCHE ment des Heiles und das Haus des Glaubens ist. Darüber hinaus wissen wir vom Konzil von Trient, daß die Taufe nicht nur ein Zeichen des Glaubens, sondern auch Ursache des Glaubens ist (vgl. DS 1606). Die Taufe ist für unser Volk aus vielen Gründen von höchster Bedeutung. Sie ist das Sakrament der inneren Erleuchtung, der geistigen Befreiung und des neuen Lebens. Durch die Taufe wird unserem Volk die lebendige Teilnahme am Erlösungstod und an der Auferstehung Christi gewährt, und sie werden berufen, „als neue Menschen zu leben“ {Rom 6,4). Die Taufe ist auch die Quelle aller den Christen obliegenden sittlichen Verantwortlichkeiten. Denn auf Grund ihrer Taufe müssen sie sich „als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm 6,11). Durch die Taufe wird die ganze Macht des Ostergeheimnisses über menschliche Schwäche und Sündhaftigkeit sakramental wirksam, so daß Christi Sieg über Sünde und Tod tatsächlich im Leben der einzelnen Einzug hält und in den Herzen triumphiert. 4. Die Taufgnade Gottes ist die Grundlage jeder christlichen Würde, weil sie der Ursprung der Eingliederung in Christus ist. Als Bischöfe wissen wir, von welch pastoraler Bedeutung es ist, unsere Gläubigen an ihre Würde zu erinnern, mit ihnen über die Hoffnung zu sprechen, in der sie ihr Leben verankern sollen, und sie aufzufordern, ihre ganze Zuversicht auf die Macht des gekreuzigten und auferstandenen Erlösers zu setzen. Eben weil sie in der Taufe Christus angezogen haben, in ihn eingegliedert und sein Leib wurden, haben unsere Gläubigen allen Grund, sich in Hoffnung und durch das Bewußtsein ihrer Taufidentität und christlichen Würde aufrichten zu lassen. Es ist Gottes Wille, daß wir als Hirten seiner Kirche diese Identität und diese Würde so verkünden, wie es Petrus getan hat, als er zu den Gläubigen sagte: „Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde“ (1 Petr 2,9). 5. Wenn unser Volk mehr und mehr zu begreifen beginnt, welche Bedeutung die Taufe für ihr Leben hat, gewinnt unsere Erklärung der anderen Wahrheiten größere Überzeugungskraft. Die Apostel selbst haben uns Beispiele dafür gegeben, wie man sich an die Kirchengemeinden wenden soll. Was uns betrifft, so können wir auf Grund unserer Einverleibung in Christus durch die Taufe viele Dinge wirksamer erklären: die dringende Notwendigkeit, den Vater zusammen mit Christus anzubeten, der will, daß die Glieder seines Leibes mit ihm zusammen beten; die Wichtigkeit 1364 AD-LIMINA-BESUCHE für die Glieder Christi, anderen Gliedern in Not beizustehen; und der Sinn menschlichen Leidens, das im Namen Christi dargebracht wird. Ja, alles, so verschieden es ist, wird aus der Perspektive der Heiligung durch die Taufe und die Einverleibung in Christus bereichert. Damit gehen eine neue Sicht der Welt einher, eine neue Notwendigkeit der Diakonie, neue Forderungen an die einzelnen und die Gemeinden und ein neuer Appell zu sozialem Handeln, das im Leib Christi seinen Ursprung und sein Ziel hat. 6. Die Taufe ist der Anfang und Ursprung einer immer größeren Verantwortungsteilhabe an der Kirche und für die Kirche. Nicht nur die Bischöfe sind in kollegialer Weise für Situationen und Bedürfnisse jenseits der Grenzen ihrer eigenen Sprengel verantwortlich, sondern auch die Laien in der ihnen eigenen Weise mitverantwortlich für das Wohl anderer Teile des Leibes Christi, ja das Wohl der ganzen Kirche. In einer so großen Nation wie Kanada mit ihren riesigen Diözesen, die Evangelisierung und Katechese besonders dringend nötig haben, muß es eine besondere Solidarität geben, sie sich sowohl auf die bischöfliche Kollegialität als auch auf jene allgemeine Teilhabe an der Verantwortung stützt, die eine Forderung der Taufe ist. Alle Christgläubigen müssen sich um die Zukunft der Kirche in Kanada kümmern; jeder soll darüber nachdenken, wie der Glaube weitergegeben, das Evangelium der Jugend, den Menschen außerhalb der Kirche, den Armen, den Leidenden und allen, die sich in Not befinden, nahegebracht werden kann. 7. Das Taufsakrament ist darüber hinaus das Fundament jeder Gemeinschaft in der Kirche. Zusammen mit dem Wort Gottes, das in ihr wirkliche Gestalt annimmt - und in höchster Form in der Eucharistie verwirklicht wird -, ist die Taufe die Ursache des Zusammenhalts des brüderlichen Gefüges der Kirche. In ihrer radikalen Beziehung zur Eucharistie, die nur Priester vollziehen können, wirkt die Taufe stark auf das Leben der Priester und auf alle Handlungen ein, die sie als Erbauer und Diener der Gemeinschaft - der sakramentalen Gemeinschaft - vollbringen. 8. Für die Sendung der Kirche, wie sie von Christus erläutert wurde — alles zu lehren, was er sie gelehrt hat, und alle Menschen zu taufen -, ist die Taufe wesentlich und liegt der Sendung der Kirche insgesamt zugrunde. Die eifrigen Bemühungen der kanadischen Bischöfe um die Förderung des Laienapostolats sind vom Zweiten Vatikanischen Konzil aufgetragen, das das Laienapostolat als eine Teilhabe an der Heilsmission der Kirche 1365 AD-LIMINA-BES UCHE betrachtet und feststellt: „Zu diesem Apostolat werden alle vom Herrn selbst durch Taufe und Firmung bestellt“ (Lumen gentium, Nr. 33). Dadurch, daß sie sich die Bedeutung der Taufe bewußt machen, finden alle Katecheten Ermutigung, entdecken sämtliche Laienbewegungen ihre Identität und findet jede Laienspiritualität ihre authentischen Ausdrucksformen. Allerdings entdeckt das religiöse Leben selbst nicht nur seine spezifische Identität in bezug auf das Taufsakrament. 9. Aus diesen und vielen anderen Gesichtspunkten wird klar, daß die Kirche die Taufe als ein großes Gottesgeschenk betrachtet. Sie ist ein Geschenk, das vom Volk Gottes hochgehalten wird, und ein Geschenk, über das das Lehramt jahrhundertelang gesprochen und damit der Kirche einen gründlichen Lehrfundus hinterlassen hat, über den nachgedacht und der verkündet werden soll. Zu seinem reichen Inhalt gehört auch die Lehre der Kirche über die Kindertaufe, die unsere persönliche pastorale Aufmerksamkeit verdient. Diese Lehre wurde 1980 in einem Dokument der Glaubenskongregation zusammengefaßt, das die Lehre der Kirche über die Notwendigkeit der Taufe, auch für Kinder, und über die Beziehung von Taufe und Glaube wiederholte. Gleichzeitig bot dieses Dokument Grundsätze und Richtlinien für die pastorale Praxis der Kindertaufe. Die hohe Wertschätzung der Kirche für dieses Sakrament und ihre Lehre über dessen Notwendigkeit für die Heilsrettung erklären, weshalb der neue Kodex des kanonischen Rechts von der Verpflichtung der Eltern spricht, darauf zu achten, daß ihre Kinder in den ersten Wochen nach der Geburt getauft werden. 10. Ehrwürdige und liebe Brüder! Ich habe mich entschlossen, heute mit euch Betrachtungen über das Sakrament der Taufe anzustellen, weil ich überzeugt bin, daß diese Betrachtung euer Hirtenamt tief beeinflussen kann. Es gibt viele andere Fragen und Probleme, mit denen ihr direkt oder indirekt zu tun habt. Aber eine neue Betonung der Bedeutung der Taufe in Übereinstimmung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil kann mit Gottes Gnade große Auswirkungen auf eure Ortskirchen haben. Wenn sich die Gläubigen ihrer Taufidentität und ihrer christlichen Würde erneut bewußt werden, sind sie imstande, sich den Herausforderungen des christlichen Lebens mit neuer Zuversicht und Hoffnung zu stellen. Mitzuhelfen beim Wachsen dieser erneuerten Zuversicht und Hoffnung, ist für christliches Leben und unser bischöfliches Amt äußerst wichtig. Und wenn wir uns bemühen, uns für die unserer pastoralen Sorge anvertraute Herde einzusetzen, wollen wir uns für das Entstehen neuer Haltun- 1366 AD-LIMINA-BESUCHE gen beim Volk Gottes engagieren - Haltungen, die Hoffnung und Zuversicht wachsen lassen und die Gläubigen anspornen, in der Berufung ihrer Taufe auszuharren und am Ostergeheimnis Christi teilzuhaben. Mit dem hl. Petrus verkünden wir: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus: Er hat uns in seinem großen Erbarmen neu geboren, damit wir durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten eine lebendige Hoffnung haben“ (i Petr 1,3). Eine neue Geburt, ein neues Leben, eine neue Hoffnung durch das Wirken des Heiligen Geistes! Das ist die Botschaft von der Taufe, die wir in Christus und in seiner Kirche verkündigen. 11. Ich füge noch ein Wort in Französisch hinzu - da mehrere von euch Frankokanadier sind oder aus französischsprachigen Diözesen kommen -, um an das Problem der Priester- und Ordensberufe zu erinnern, ohne freilich alles noch einmal aufzugreifen, was ich euren Mitbrüdern aus der Atlantikregion anläßlich ihres Ad-limina-Besuches gesagt habe. Die Ernte ist groß, und es besteht die Gefahr, daß die Zahl der Arbeiter zu gering ist für das unersetzliche Amt des Priesters, für die religiöse Bildung und Betreuung der Laien, und um Zeichen für das Absolute des Reiches Gottes zu sein. Nun aber kann der Heilige Geist nicht versäumen, nach dem Maß des Glaubens und des Bedürfnisses der Gläubigen Berufe zu wecken. Deshalb, liebe Brüder, setzt weiterhin alles ein, um bei Kindern und Jugendlichen, bei ihren Eltern, in den Schulen, Seminaren oder bei der Weiterbildung der Erwachsenen, diese Berufe wachzurufen, sie zu stärken und zur Reife zu führen. Es bedarf dazu geeigneter pädagogischer Mittel, es bedarf einer Atmosphäre des Gebets, es bedarf des Zeugnisses von Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, die glücklich sind, sich ganz dem Dienst Christi zu weihen! Ich bitte den Heiligen Geist, er möge euch mit seinen Gaben des Lichts und der Kraft erfüllen, euch und eure Mitarbeiter. Darum bitte ich mit Unserer Lieben Frau vom Rosenkranz. Und ich segne euch alle aus ganzem Herzen. 1367 AD-LIMINA-BESUCHE „Eine aufregende Periode“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Quebec (Kanada) am 18. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich sehr, die Bischöfe von Quebec gemeinsam zu empfangen. Ich habe bereits drei Gruppen eurer Mitbrüder aus Kanada, vor allem englischsprachige, empfangen, und es versteht sich von selbst, daß die pastoralen Sorgen, die wir aufgegriffen haben, bzw. die wünschenswerten Ausrichtungen, die zur Sprache gebracht wurden, auch für euch gelten. Ihr gehört ja nicht nur demselben Land an - das ich zu meiner Freude im kommenden Jahr besuchen werde -, sondern euer Land selbst ist eingetaucht in die moderne Welt Nordamerikas, die ihm ihren Lebensstil aufzuprägen versucht. Trotzdem bewahrt Quebec, obwohl es den Englischsprechenden, den Indianern und Eingeborenen, Platz gewährt, seine unverkennbare Ursprünglichkeit, seine Traditionen französischer Herkunft, vor allem seine Sprache, die ihm besondere verwandtschaftliche Verbindungen kultureller und gefühlsmäßiger Art mit Europa garantieren. Die überwiegende Zugehörigkeit zum katholischen Glauben kennzeichnet ebenfalls tief eure Gesellschaft von Quebec. 2. Mit echtem Interesse nimmt man auch den umfassenden Bericht der Bischofsversammlung von Quebec zur Kenntnis, den ihr anläßlich dieses Ad-limina-Besuches verfaßt habt. Er behandelt nicht erschöpfend die anderen Tätigkeiten, besonders jene, die ihr gemeinsam mit den übrigen Bischöfen der Kanadischen Bischofskonferenz vollbringt. Ich habe z. B. zwei der jüngsten Dokumente dieser Konferenz hervorgehoben, „über das Leiden und die Heilung“ und „über die Ehrfurcht vor dem Leben“. Euer Bericht analysiert gut die neue soziale und religiöse Situation von Quebec, der ihr euch stellen müßt. Ihr zeigt euch scharfblickend, was die Veränderungen und die Gefahren betrifft, entschlossen, die verschiedenen Mittel und Wege zu studieren, um auf Grund von Initiativen und Ad-hoc-Strukturen damit fertigzuwerden, und vor allem voller Hoffnung: „Eine aufregende Periode“, sagt ihr. In diesem Sinne habt ihr sicher recht. Diese Zeit ist immer die Zeit Gottes, der es nicht versäumen kann, das in die Wege zu leiten, das seine Kirche nötig hat, wenn sie eine verfügbare, mutige und betende Kirche bleiben soll. 1368 AD-LIMINA-BESUCHE Wenn eure Gläubigen über das Wesentliche dieses Berichtes in Kenntnis gesetzt werden, werden sie selbst das ganze Gebiet des Apostolats, das ihnen offensteht, und den Rahmen, der sich ihrem Tun oder ihrer Reflexion bietet, ermessen können. Natürlich müßt auch ihr, Bischöfe, auf dem Gebiet zu Hause sein und dafür sorgen, daß die katechetische, liturgische, pädagogische und ökumenische Wirklichkeit den Absichten und dem abgesteckten Rahmen entspricht. Und das ist schließlich, was euch als Bischöfen, zusammen mit mir und mit den römischen Dikasterien, obliegt: die volle Verantwortung für die Treue, die Einheit und die angemessenen Richtlinien für das Handeln der Kirche. 3. Die erste allgemeine Beobachtung, die mir beim Lesen des 3. Kapitels eures Berichts in den Sinn kommt, ist die Notwendigkeit, eine Kontinuität zwischen der Kirche von gestern und jener von morgen aufrechtzuerhalten, Orientierungspunkte festzulegen und sichtbare Stützpunkte zu errichten, um allen Gruppen des Gottesvolkes zu ermöglichen, mit Sicherheit auf den Wegen des Glaubens zu gehen. Es scheint richtig zu sein, wie ihr es schildert, nämlich daß starke, unvermeidliche soziale Veränderungen eine neue, vielgestaltige, ganz verschiedenen Denkströmungen offene Kultur zur Folge haben und daß die Kirche dabei erschüttert, ausgehöhlt und bestimmter einflußreicher Institutionen beraubt wird, für die allein sie zuständig war. Ihr vergleicht ihre Erfahrung mit jener des biblischen Volkes im Exil, das sich manchmal zu Verzweiflung und Heimweh hinreißen ließ und dennoch eine Zeit der Reife voller Hoffnung erlebte. Ihr hofft, und ich hoffe mit euch, daß die bewährten Gläubigen selbst imstande sein werden, zu einem persönlicheren, motivierteren Glauben und einer aktiveren, verantwortungsvolleren Beteiligung in der Kirche zu gelangen. Das Zweite Vatikanische Konzil ist gerade recht gekommen, um euch zu ermöglichen, diese Situation durch Nachdenken und Handeln zu meistern; das ist übrigens der Kampf vieler anderer Länder, die etwas auf „ihr Christentum“ hielten. Das alles erfordert eine beweglichere, flexiblere Pastoral, die den Menschen als solchen nahesteht und von Verständnis und Dialog gekennzeichnet ist. Aber ich bin sicher, daß ihr in dieser Zeit der Neuanpassung auch die Notwendigkeit erkennt, auf der Ebene des Glaubens, des Gebets und des christlichen Einflusses vor allem auf die Heranbildung der jungen Generationen nicht einen Graben, einen Abgrund, eine Leere entstehen zu lassen. Es gilt, vor allem für die innere Ausgeglichenheit und Beruhigung derer zu sorgen, die ratlos, mitunter schockiert sind, die den Sinn der 1369 AD-LIMINA-BESUCHE neuen Initiativen nicht verstehen oder die vor allem deren Grenzen sehen. Im übrigen brauchen alle um so dringender Zeichen des Glaubens und der Kirche, Unterstützung, Mittel und Möglichkeiten, um eben in einer sich verändernden Welt ihre christliche Identität zu bewahren und ihren Beitrag zur neuen Gesellschaft zu leisten. Das Volk Israel im Exil war eine geraume Zeit herausgerissen aus seinem Tempel und seinen Institutionen, aber sobald es zurückgekehrt war, konnte es nicht darauf verzichten, wieder einen Tempel zu erbauen und sich um neue Möglichkeiten zu bemühen, um das Geheimnis des Bundes in einer ganz anderen Umwelt zu leben. Kurz, die Kirche sollte weder die Arme hängen lassen noch sich, mit dem Fortschritt einer kleinen Zahl tröstend, damit abfinden, daß ein Großteil ihrer Herde „zerstreut wird“, wie das Evangelium sagt. Ich denke an die religiöse Unwissenheit, an die Abnahme der religiösen Praxis, zum Teil bei der Jugend, an das sittliche Leben, das weit entfernt ist von christlichen Bezügen, an den Rückgang von Berufen. Die Kirche muß alles tun, um ihre Sendung gegenüber allen Getauften und gegenüber der ganzen Gesellschaft unter Achtung der Gewissen gründlich auszuüben. Und sie muß dazu unerschrocken die entsprechenden Mittel ergreifen. 4. Ist das im übrigen nicht auch eine der wichtigsten Ziele eures Hirtenamtes, die christlichen Laien, Männer und Frauen dazu zu ermutigen, wirklich präsent und aktiv zu sein an den Stellen, wo die für die Gesellschaft maßgebenden Orientierungen ausgearbeitet werden, also im Bereich der Erziehung, der Familie, auf sozialer und politischer Ebene? Aber außer daß sie in diesen Bereichen ausgebildet und geschult werden müssen, um eine wahrhaft menschliche und christliche Haltung einzunehmen, müssen sie ihren eigenen Glauben wiederentdecken und mit geeigneten Hilfsmitteln vertiefen, ihre Überzeugung und Freude daran empfinden, ihn im Gebet leben, ihn direkt bezeugen, kurz, sich ihrerseits dem Erlöser nähern, der sie geistlich erneuert und ihnen den missionarischen Schwung verleiht. Ihr wollt, das weiß ich, diese Glaubenserziehung der Erwachsenen fördern, und ich ermutige euch gern zu allem, was ihr in dieser Hinsicht auf den verschiedenen Gebieten unternehmt, wobei stets darauf zu achten ist, daß es sich um den authentischen Glauben der Kirche handelt, der im theologischen Unterricht, im Verständnis des neuen Kirchenrechts, in der katechetischen Tätigkeit, bei den liturgischen Feiern, bei Stellungnahmen in den Massenmedien, mit einem Wort, im Leben der christlichen Gemeinden, angestrebt und zum Ausdruck gebracht wird. 1370 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Wie ihr, so denke auch ich an die Wichtigkeit der christlichen Erziehung der jungen Generationen. Es wird recht schwierig sein, erwachsene Christen auszubilden, bzw. sie werden sehr dünn gesät sein, wenn nicht bereits in frühester Kindheit - und hier gilt es, die Eltern zu sensibilisieren - und während der Kindheit, des Heranwachsens und der Jugend eine tiefgehende Einführung in den Glauben erfolgt ist im Rahmen der empfangenen Kultur bzw. der von den Studien oder vom Leben aufgeworfenen Fragen und Probleme. Eine solche Erziehung verlangt immer, daß den jungen Menschen eine Katechese und ein pastoraler Einsatz von hohem Rang geboten werden. In euren Stellungnahmen von 1978 und 1982 habt ihr mit aller Klarheit auf die Werte hingewiesen, die es zu fördern gilt. Diese Stellungnahmen lassen deutlich die große Sorge erkennen, die ihr noch immer äußert, angesichts der Neustrukturierung der öffentlichen Elementar- und höheren Schulen. Mit euch hält es der Heilige Stuhl für berechtigt, daß es, der edlen Tradition eures Landes entsprechend, in diesem Bereich Platz für konfessionelle, also offiziell katholische Schulen gibt, wann immer diese Ausrichtung dem Wunsch der Mehrheit der Eltern entspricht, die als erste für die Erziehung ihrer Kinder verantwortlich sind, und daß im übrigen Garantien geboten werden, die es gestatten, den Religionsunterricht und den pastoralen Einsatz in allen Schulen anzubieten. Das ist ein normales Recht bei Achtung des Gewissens der Eltern und der Kinder. Und es gilt, diese Eltern an die Notwendigkeit zu erinnern, ihre Verantwortlichkeiten in diesem wichtigen Bereich voll auszuüben. Ich zweifle nicht daran, daß die Regierenden selbst begreifen werden, von welcher Bedeutung es ist, bei den jungen Generationen die Ausbildung zu den sittlichen und geistlichen Werten, die ihrer Religionszugehörigkeit entsprechen, zu fördern. Es geht um den Wert der Gesellschaft von morgen. Es gibt auch den Fall der katholischen Privatschulen, an deren Recht und Möglichkeiten für ihren Bestand und an deren entsprechender Unterstützung festgehalten werden muß. Mögen die Einstellungen, um die sie sich bemühen, und die Erziehung, die sie vermitteln, ihnen erlauben, selber wahrhaft katholisch zu sein. Auch hier gilt es, daß die Lehrer gut ausgebildet und vorbereitet sind. 6. Berechtigterweise seid ihr auch in Sorge wegen der Situation der Familien. Dafür findet ihr Verständnis, denn man kennt die Zahl der zerstörten Ehen oder jener freien Verbindungen oder auch des vorehelichen Zusammenlebens. Ich brauche euch die diesbezüglichen Forderungen der Kirche nicht zu 1371 AD-LIMINA-BESUCHE wiederholen, das gilt vor allem auch für das noch ernstere Faktum der Achtung vor dem Leben. Das habe ich übrigens ausführlich mit euren Mitbrüdern aus Ontario am 28. April erörtert. Trotzdem bin ich sicher, daß bei euch noch immer eine große Anhänglichkeit an die Familie und selbst ein immer mehr empfundenes Bedürfnis nach dem Gleichgewicht vorhanden ist, das ein Ehepaar kennenlernt und ausstrahlt, das die menschliche Liebe so lebt, wie der Schöpfer sie will und wie sie die Kirche in Erinnerung ruft. Die Familienseelsorge muß daher bei euch einen großen Raum einnehmen, um die ganze Lehre der Kirche über Liebe und Ehe zu lehren, um sie zu erläutern, um zu überzeugen, um Zeugnis zu geben, um den jungen Menschen, den künftigen Ehemännern und Ehefrauen, zu helfen. Und ebenso gilt es, darauf zu achten, daß die von den katholischen Erziehern gebotene Sexualerziehung alle gewünschten Garantien bietet. 7. Angesichts der ganzen apostolischen Arbeit, die sich euch bietet und von der ich nur einige Punkte ansprechen konnte, möchte ich eure Hoffnung stärken und allen, die zur Zusammenarbeit mit euch aufgerufen sind, meine Ermunterung überbringen lassen. Mögen die Laien nach gründlicher Ausbildung, wie ich oben sagte, alle Verantwortlichkeiten übernehmen, die ihnen nach der Lehre des Konzils als Männer und Frauen sowohl in den christlichen Gemeinden wie in der Gesellschaft zukommen, damit sie dort der Sauerteig in der Masse sind! Mögen sie offen Zeugnis ablegen vom Evangelium, über das sie zuerst nachgedacht, das sie geliebt und persönlich gelebt und an dem sie oft in ihren christlichen Bewegungen gemeinsam teilgenommen haben. Mögen sie auch immer besser die besondere Rolle des geweihten Amtes der Priester und Diakone verstehen, die das Leben Christi, des Hauptes der Kirche, weitergeben, die Gemeinde in seinem Namen versammeln und .sich der Führung der Seelen widmen. Mögen diese Priester selbst sich immer ihrer schweren Verantwortung bewußt und voll Hoffnung bleiben, denn der Herr arbeitet entsprechend ihrer Treue mit ihnen. Mögen sie die Pastoral der Berufe noch stärker entfalten, worüber ich viel mit euren Mitbrüdern, besonders mit denen aus den Atlantikprovinzen, am 23. September gesprochen habe. Mögen die Ordensmänner und Ordensfrauen, die in Quebec immer sehr zahlreich gewesen sind, die Grundlosigkeit der Liebe, die ihre Berufung darstellt, schätzen; mögen sie Zeugnis geben von dem Geist der Seligpreisungen in einer Welt, die fasziniert ist von Reichtum, Komfort, Vergnügen, Materialismus, und ihrem Charisma entsprechend aktiv mit- 1372 AD-LIMINA-BESUCHE arbeiten an den großen apostolischen Aufgaben. In diesem Werk der Kirche hat das Gebet seinen bevorzugten Platz. Ich wünsche allen, daß das Jubiläumsjahr der Erlösung und die Richtlinien dieser Bischofssynode einen neuen Aufschwung der Umkehr, der geistlichen Erneuerung, des Friedens, der Versöhnung, der Liebe zu Gott und den anderen Menschen mit sich bringen, damit die neue Gesellschaft, die bei euch im Entstehen begriffen ist, nicht daran denkt, sich von dem Glauben loszusagen, den sie so lange genährt hat, sondern sich an ihm zum Besten ihrer Entwicklung inspiriert! Auf alle und besonders auf euch selbst, liebe Brüder im Bischofsamt, rufe ich das Licht und die Kraft des Heiligen Geistes herab. Mit meinem herzlichen Segen. „ Widerstand leisten, in der Kraft des Glaubens“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der kubanischen Bischöfe am 1. Juli Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ihr habt miteinander die Reise nach Rom unternommen, liebe Bischöfe der Kirche Gottes in Kuba, um beim Ad-limina-Besuch, der seit Jahrhunderten ein Charakteristikum der wichtigsten Kontakte der katholischen Bischöfe mit dem Papst ist, mit dem Nachfolger des Petrus zusammenzutreffen. Dieser alle fünf Jahre stattfindende Besuch ist ein bevorzugter Augenblick, damit die Bischöfe und durch sie die Ortskirchen die Bande der Gemeinschaft neu beleben und festigen, die sie mit dem Zentrum der katholischen Welt, mit der Kirche, der „ihr in Liebe vorsteht“, verbinden. In diesem Geist neuen Erlebens des Geheimnisses der Kirche, die sich in Christus zum Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit verwandelt (vgl. Lumen gentium, Nr. 1), empfange ich euch mit tiefer Freude. Nicht nur euch, sondern — eingeschlossen in die gleichen Bande kirchlicher Liebe — auch eure Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, die in den verschiedenen Diözesen Kubas ihren christlichen Glauben im Geist echter Treue zum gemeinsamen Meister und Herrn leben. 1373 AD-LIMINA-BESUCHE Dieser Empfang gestaltet sich um so herzlicher, weil ich sehr wohl weiß, daß die kirchliche Gemeinschaft Kubas, wenn auch unter Opfern, an ihrer unerschütterlichen Anhänglichkeit zu diesem Stuhl Petri festhält, in innerlicher Verbundenheit mit dem Bischof der Kirche lebt und seinen Weisungen mit ehrfurchtvollem und kindlichem Gehorsam im Glauben zu folgen trachtet. Ohne den Anspruch zu erheben, die Probleme eurer Kirchen erschöpfend zu behandeln, die wir in den vorangegangenen gesonderten Audienzen mit jedem von euch besprochen haben, möchte ich jetzt mit euch allen eiiüge Überlegungen anstellen, von denen ich meine, daß sie für eure Sendung als Führer dieses konkreten Gottesvolkes, zu der die Vorsehung euch beauftragt hat, von besonderem Interesse sind. Die Familie ist von grundlegender Bedeutung 2. Mein erster Gedanke gilt euren Priestern und Ordensleuten, die mit wirklichem Eifer und echter Hingabe ihre besten Kräfte der Glaubensbildung und der pastoralen Beseelung eurer Kirchengemeinden widmen. Ich weiß sehr wohl um die nicht geringen Schwierigkeiten, denen sie in ihrem Dienst begegnen. Und ich kenne die Hochherzigkeit des Geistes, mit dem sie sich ihrer Aufgabe widmen, die durch den Mangel an Seelsorgern erschwert wird, der sich nur durch größeren Einsatz auffan-gen läßt. Ich möchte hier eure Freude als Bischöfe teilen, die ihr mit Recht über den vorbildlichen Einsatz eurer Priester glücklich seid. Und ich möchte euch besonders auftragen, ihnen im Namen der Kirche meinen Dank zu überbringen. Desgleichen mein Wort der Ermutigung und die Versicherung meines Gebetsgedenkens, damit ihnen ihre hochherzige und frohe Haltung des Dienstes am gläubigen Volk bleibt. Mit großer Zuneigung ermutige ich sie, Widerstand zu leisten in der Kraft des Glaubens (2 Petr 5, 9; Eph 6, 16), fröhlich zu sein in der Hoffnung (1 Joh 2, 28; 2 Petr 4, 13), beispielgebend im Zeugnis vor der Herde (Gal 6, 9f.; 2 Petr 5, 2—4), damit eben dieses Vorbild andere junge Menschen ermutigt, auf den Ruf Gottes zum Priester- und Ordenslebens zu antworten. Und damit eure Priester an dieser frohen Treue zu ihrer Berufung festhalten, spornt sie an, sich um ständige geistliche Verjüngung zu bemühen, die ein intensives inneres, geistliches Leben fördert, das sich unablässig vom Gebet und den Quellen gesunder Spiritualität nährt. Ohne dieses geistliche Leben verliert der priesterliche Dienst seine Grundlage 1374 AD-LIMINA-BESUCHE und Inspiration oder kann sich in äußerlichen Aktivismus verwandeln, der nach einiger Zeit austrocknet und versiegt. In diesem Zusammenhang lobe ich die Bemühungen, die man in Kuba unternimmt, um die Erneuerung der geistigen und geistlichen Bildung der Priester zu erreichen, und rate zur Förderung geeigneter Kurse oder anderer Mittel, die auf diesem Weg in geeigneter Weise helfen können. 3. Mit den Priestern, Ordensmännern und Seminaristen empfehle ich die in Kuba tätigen Ordensfrauen eurer besonderen Sorge. Sie bilden einen wichtigen Teil der Kirche, die durch sie auf wunderbare Weise das Erlösungswerk Christi in der heutigen kubanischen Gesellschaft präsent macht. Ob sie sich im kontemplativen Leben den Werten des Geistes widmen in einer Umgebung, die sich häufig nach anderen Lebensmaßstäben ausrichtet, oder ob sie sich der direkten Arbeit in der Seelsorge oder den Werken sozialer Fürsorge widmen - sie sind ein großartiges Zeugnis und ein unvergleichlicher kirchlicher Schatz, der sich in Liebe und wirksamen Dienst für das Volk verwandelt, das sie mit Recht bewundert und schätzt. Tragt Sorge für sie und unterstützt sie in ihrem persönlichen und apostolischen Leben, wie ich euch schon sagte, als ich von den Priestern und Ordensmännern sprach. Die leichte Zunahme, die bei den weiblichen Ordensberufungen zu bemerken ist, muß zugleich ein Ansporn sein, das Bemühen um die Berufsbildung zu erneuern, dessen wichtigstes Element immer das Zeugnis eines von Begeisterung und Freude getragenen Ordenslebens sein wird. 4. Ich weiß, daß ihr, Bischöfe der Kirche in Kuba, den lobenswerten Beitrag sehr hochschätzt, den viele Laien leisten, die sich der Forderungen ihrer Taufe bewußt sind (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 23) und sich in verschiedenen kirchlichen Verantwortungen engagieren. Ich weiß auch, daß ihr die aktive Präsenz der Laien bei den sozialen Aufgaben eurer Umwelt zu schätzen wißt. Meine Stimme will sich heute mit der euren vereinigen, um den katholischen Laien Kubas im Namen Christi meine lebhafte Anerkennung für ihr kirchliches und soziales Bewußtsein zu bekunden. Mögen sie nicht müde werden in ihrem Einsatz, trotz der dafür notwendigen Anstrengungen, trotz der Einwände und Verlockungen, die aus dem verständlichen Wunsch nach materiellen Vorteilen kommen können, vor allem, wenn diese ihre christliche Stellung beeinflussen oder gefährden. Ebenso vereinige ich meinen Wunsch mit dem euren, um zu einer 1375 AD-LIMINA-BESUCHE stärkeren aktiven Präsenz der Laien im sozialen Leben zu ermutigen, wobei darauf zu achten ist, daß sie stets ihre katholische Identität bewahren. 5. Ein konkreter Bereich, in dem die katholischen Laien Kubas ihre aktive Präsenz sichtbar und spürbar zum Tragen bringen sollen, ist der Bereich der Familie, der Gegenstand besonderer Aufmerksamkeit von seiten der Kirche und aller, die im Apostolat mitarbeiten, sein muß. Die Familie ist tatsächlich noch immer ein Raum von grundlegender Bedeutung für die Kirche und für die Gesellschaft und ist heute zugleich Gegenstand einer Krise, die über eure örtlichen Grenzen hinausgeht. Sie kann es darum nicht unterlassen, eure Fürsorge als Hirten zu gewinnen, um zu versuchen, ihr die Festigkeit, den Zusammenhalt und die innere und soziale, in ihren Zielen menschliche und christliche Dynamik zu geben, für die Familiaris consortio umfassende Richtlinien entworfen hat. Das wird euch veranlassen, eure Aufmerksamkeit mit gebührendem Gewicht dem leider so häufigen Phänomen der Scheidung zuzuwenden, das seine Ursachen in der Unüberlegtheit der Eheschließung, in der mangelnden Bereitschaft zu einer dauernden Bindung, in der Trennung der Eheleute aus beruflichen Gründen, in der Wohnungsnot und anderem hat. Zu den großen durch die Ehescheidung verursachten Schäden kommen bisweilen die hinzu, die durch die fehlende Achtung vor dem bereits empfangenen Leben hervorgerufen werden, wenn unter schwerer Verletzung der moralischen Ordnung das Leben unschuldiger Wesen gefährdet wird; und zwar sowohl im Fall verheirateter Frauen wie bei der Frucht vor- oder außerehelicher Beziehungen. Euer pastoraler Eifer und das Mitgefühl für eure am meisten gefährdeten Gläubigen werden es euch erleichtern, für diese Probleme immer bessere Abhilfemöglichkeiten zu schaffen. 6. Ein nicht geringes Engagement seitens eurer Diözesen, Pfarreien, Apostolatsarbeiter, Laien und Familien verdient die Glaubenserziehung der Kinder und parallel dazu auch der Heranwachsenden und Jugendlichen. Hier hat die Sendung der Familie einen wichtigen Platz, um so mehr, wenn die äußeren Verhältnisse die christliche Erziehung in anderen Bereichen nicht gestatten oder wenn die Kinder, was ihren religiösen und moralischen Horizont betrifft, möglicherweise dem Druck ausgesetzt sind. Anerkennenswert ist jede Bemühung um die größtmögliche Verbreitung 1376 AD-LIMINA-BESUCHE der intellektuellen Bildung. Doch darf diese nicht von der entsprechenden und korrekten sittlichen, bürgerlichen und religiösen Erziehung getrennt werden. Es handelt sich - wie ich bei verschiedenen Anlässen und an verschiedenen Orten klargemacht habe - um wirkliche Rechte der einzelnen und der Familien gemäß dem in den internationalen Texten und der gewöhnlichen Praxis allgemein anerkannten Prinzip der Religionsfreiheit; dasselbe gilt für die in eurer Gesellschaft anerkannten Regelungen, von denen wir hoffen, daß sie immer wirksamer werden. Das hilft der bürgerlichen Gesellschaft, die Grundlagen der Sittlichkeit zu festigen, auf die sie nicht ohne ernsten Nachteil für das Wohl aller verzichten kann. Was die Glaubenserziehung eurer Gläubigen betrifft, werdet ihr der Volksfrömmigkeit entsprechende Aufmerksamkeit zuwenden müssen, um sie zu reinigen und ihr ihren ganzen Wert als „christliches Erbe eures Volkes“ zu geben (vgl. Puebla-Dokument, 457 ff.). Dazu wird die Anwendung einer guten Pädagogik der Glaubensverkündigung in bezug auf die katholische Frömmigkeit notwendig sein, die besondere volkstümliche Ausdrucksformen in der Herz-Jesu-Verehrung in der Verehrung zur Jungfrau Maria und den Heiligen findet. 7. Auf dieser Linie einer vertieften Evangelisierung muß sich die kirchliche Reflexion stellen, die die Kirche in Kuba vornimmt. Es geht um eine angemessene Beurteilung der Sendung dieser Kirche in dem konkreten sozial-ökonomischen und politischen Rahmen, in dem sie lebt. Ausgehend vom Evangelium und in tiefer Gemeinschaft mit der gesamten Kirche muß das Werk der Evangelisierung der Kultur aufgebaut werden, der das Schlußdokument von Puebla besondere Sorgfalt widmete (vgl. ebd., 408 ff., besonders 434-436). Damit bleibt die Kirche in Kuba nur ihrer eigenen Tradition treu, in der Geschichte des kubanischen Volkes aktiv präsent zu sein. Wie sie es seit Entstehen der kubanischen Nationalität gehalten hat, mit vortrefflichen Gestalten wie dem Priester Felix Varela, einem wahren Lehrer der Möglichkeiten des menschlichen Denkes, der Werte der Freiheit, der Unabhängigkeit, der Gerechtigkeit in ihrer ganzen Dimension, und vor allem einem wirklichen Mann der Kirche und Förderer der Werte des Geistes. Um diese Bemühungen praktisch verwirklichen zu können, wünscht die Kirche nur den Freiheitsraum, den sie braucht, um die Sache des Gemeinwohls und der tiefen Bestrebungen ihres Volkes zu fördern, dem sie sich mit Freude zugehörig und als Mitarbeiterin verbunden fühlt, was eben ihre eigentliche Sendung ist. 1377 AD-LIMINA -BESUCHE In diesem Sinn ist sie offen für den Dialog mit der Gesellschaft. Und sie weiß alle Beweise der Zusammenarbeit und des guten Willens zu schätzen, die sie von den Autoritäten der Nation erhält, wie z. B. die kürzlich einigen Ordensmännern aus dem Ausland gewährte Erlaubnis, sich fest in den Dienst der kubanischen Gemeinschaft zu stellen. Wolle Gott, daß diese Geste ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft darstellt! Der katholische Glaube gehörte zur kulturellen Identität Damit sich die Kirche in Kuba mit den 200 Priestern und Ordensmännern und den 230 Ordensfrauen, die sie heute umfaßt, selbst bei einem so gewaltigen zahlenmäßigen Mißverhältnis des Personals, das sich der Seelsorge und der Fürsorge an der derzeitigen Bevölkerung widmet, bewußt ist, dem tiefen Wohl ihres Volkes zu dienen, indem sie ihm hilft, die Werte zu bewahren, die es beseelt haben und die in der Seele und in den Lebensäußerungen dieses Volkes Gestalt angenommen haben! Ich meinerseits denke oft an die Kirche, ich verfolge ihre Wege mit besonderer Sorge und bete inständig zu Gott, daß sie in den konkreten Verhältnissen, in denen sie lebt, ihrer Sendung stets treu bleiben möge. 8. Bei der Erfüllung ihres Sendungsauftrages denkt die Kirche in Kuba wohl nicht nur an den inneren Kontext, in dem sie wirkt, sondern auch an den weiteren geographischen Raum, in dem das Leben und die Geschichte ihrer Gläubigen eingeschlossen sind. Sie kann darum dem Faktum nicht minder Rechnung tragen, daß Kuba in einen lateinamerikanischen Rahmen gehört; daß es historisch, sozial und kulturell mit Lateinamerika verbunden ist; und daß das kubanische Volk mit seinen spezifischen Merkmalen eine lateinamerikanische Seele hat. Dieses Volk hat nicht geringe Schwierigkeiten auf sich genommen, um seine Unabhängigkeit und seine oftmals bedrohte kulturelle Identität zu erhalten, zu bewahren und zu festigen. Man darf jedoch nicht vergessen, daß der katholische Glaube ein positives und verbindendes Element der kulturellen Identität und der Unabhängigkeit der kubanischen Nation war. 9. Ich kann diese Begegnung nicht beenden, ohne meine tiefe Wertschätzung für eure kirchliche Gemeinschaft und für eure Nation zu wiederholen. Der gemeinsamen Mutter, die das Volk von Kuba als „Nuestra Senora de la Caridad del Cobre“ voll Inbrunst anruft, vertraue ich eure Vorhaben 1378 AD-LIMINA-BESUCHE und eure Person sowie die eurer Gläubigen an. Zu ihr bete ich, daß sie euch tröste, beschütze und stärke; daß sie euch den Frieden und allgemeinen Fortschritt für euer Land erwirke und euch als ständige Glaubensgemeinschaft festige. Mit meinem herzlichen Segen für das geliebte Volk von Kuba, seine Bischöfe, die Ordensleute, die Seminaristen und die katholischen Laien. Für die Welt ein Zeugnis unerschütterlichen Glaubens Ansprache an die Bischöfe Litauens beim Ad-limina-Besuch am 22. April Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Mit besonderer Freude heiße ich euch willkommen, nachdem ihr aus Litauen zum Ad-limina-Besuch gekommen seid, sozusagen nach dem Vorbild des hl. Paulus, der, zur Verkündigung des Evangeliums bei den Heiden berufen, nach Jerusalem hinaufging, „um Kephas kennenzulernen“ {Gal 1, 18). Die dem Petrus anvertraute Aufgabe, die er an seine Nachfolger weitergegeben hat, hieß aber, wie ihr wißt: „Stärke deine Brüder“ {Lk 22, 32). Euer Besuch, der sich glücklich in das Jubeljahr der Erlösung einreiht, bestätigt die Einheit, die euch mit diesem Apostolischen Stuhl verbindet. Und mir bietet er die willkommene Gelegenheit, euch zu sagen, wie sehr ich an euren Sorgen wie Freuden und Hoffnungen teilhabe, und mit euch über die Probleme zu sprechen, die das christliche Leben in eurem Vaterland berühren. Bis zum Martyrium für Christus Ich weiß sehr wohl, daß ihr in Erfüllung eures Bischofsamts „den ganzen Tag über die Last der Arbeit und die Hitze ertragt“ {Mt 20, 12), und die Schwierigkeiten, unter denen ihr arbeitet, sind mir nicht verborgen. Vor allem seit ich durch göttliche Fügung die Leitung der ganzen Kirche übernommen habe, verfolge ich mit besonderer Aufmerksamkeit und Vatersorge das Leben der Kirche in Litauen. Ich möchte den festen Glauben dieser mir so lieben Nation hervorheben, der im Lauf der 1379 AD-LIMINA-BESUCHE Jahrhunderte wie im Feuerofen geprüft wurde, und auch ihre unaufhörliche Treue zum Apostolischen Stuhl, die vor allem in den schwierigsten Zeiten eurer Geschichte geleuchtet hat, als Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien selbst bis zum Martyrium Zeugnis für Christus und die Kirche abgelegt haben. Ein Grund zu großer Freude ist für mich euer Eifer, das christliche Leben auf verschiedene Weise zu fördern, damit die Seelen auf die 500-Jahr-Feier des Todes des heiligen Fürsten Kasimir, des Patrons des katholischen Litauens, im kommenden Jahr besser vorbereitet sind. Für diese Vorbereitung habt ihr einen Zeitraum von drei Jahren festgesetzt: zunächst ein eucharistisches Jahr, dann ein Jahr, das der Integrität des Lebens gewidmet ist; das dritte soll der tätigen Nächstenliebe dienen. In der Tat müssen die Verehrung der heiligen Eucharistie, die Integrität des Lebens vor allem der Jugend und die Liebe zu den Brüdern (Tugenden, die den hl. Kasimir in besonderer Weise auszeichneten) das tägliche Leben der Litauer bestimmen und diejenigen aufrütteln, die einer Denk-und Handlungsweise verfallen sind, daß sie die geistlichen Werte vergessen oder verwerfen. Mit Freude erwähne ich auch die Lebenskraft der katholischen Gemeinden in eurem Vaterland, die sich im häufigen Sakramentenempfang kundtut, wo besonders der Empfang des Bußsakraments und der heiligen Eucharistie hervorzuheben sind, die Verehrung dieses Geheimnisses durch die Teilnahme am Meßopfer und andere Formen beweisen das. Sie tut sich kund in der Verehrung des Leidens Christi, die die sogenannten „Kalvarienberge“ mit den Kreuzwegstationen entstehen ließ, zu denen so viele Gläubige hinzupilgern pflegen. Sie tut sich schließlich kund in der besonderen Verehrung und Liebe zur seligsten Jungfrau Maria, Mutter Gottes und Mutter der Kirche, wofür die Heiligtümer in euren Diözesen Zeichen sind, z.B. in Ausros Vartai, Siluva, Zemaiciu Kalvarija, Kreke-nava, Pivasiunai und viele andere. Unermüdlich pilgern die Gläubigen dorthin, auch unter erheblichen Schwierigkeiten. Die Liebe zur Gottesmutter überwindet alles. Um so mehr wünsche ich, daß diesem lebendigen Glauben des Gottesvolkes mehr Freiraum gegeben werde, in dem er sich in seiner ganzen Fülle darstellen kann im Leben der einzelnen, im Familienleben, im Leben der Kirche selbst, in der Gewährung voller Gewissens- und Religionsfreiheit, in allen Dingen, die eine solche Freiheit für die einzelnen und die Gemeinschaft mit sich bringt und die in dem Dokument beschrieben sind, das am 1. September 1980 alle Staatsoberhäupter zusammen mit dem Hl. Stuhl als Schlußakte von Helsinki unterschrieben haben. 1380 AD-LIMINA-BESUCHE Bischöfe für alle Diözesen Im Blick auf euer geliebtes Vaterland achte ich immer darauf, daß die Kirche in Litauen würdige und treue Hirten erhält, die den Gläubigen Führer auf dem Heilsweg sind, was zum Teil schon geschehen ist, und ich habe die Hoffnung, daß in Zukunft alle Diözesen Litauens eigene Bischöfe haben. Das fordert die Tradition der Kirche mit Rücksicht auf die Sendung, die den Aposteln und ihren Nachfolgern zur Leitung der Kirche aufgetragen wurde (vgl. Lumen gentium, Nr. 20). Bischöfe sind darum so notwendig, weil sie „in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, innehaben und in seiner Person handeln“ (ebd. Nr. 21). Der kollegiale Charakter des Bischofsamts ergibt sich auch daraus, daß die Bischöfe zu bestimmten Zeiten zu einer Bischofsversammlung zusammentreten, um durch den „Austausch von Kenntnissen und Erfahrung und durch gegenseitige Beratung“ (Christus Dominus, Nr. 37) das zu besprechen, was zum Schutz der Religion und zur Förderung der gemeinsamen Pastoralarbeit getan werden muß. Durch euch, ehrwürdige Brüder, möchte ich mich auch an eure Priester wenden und sie väterlich zu enger Zusammenarbeit mit ihren Bischöfen auffordern nach den Worten des hl. Ignatius von Antiochien: „Nichts soll geschehen ohne den Bischof“ {Ad Trall. 2, 1). In der Tat fließt aus der Einheit der Geister und Herzen die Kraft, die die Einheit der Kirche stärkt und die Seelsorge wirksamer macht. Nicht wenige sind ohne Hirten Die Priester müssen für euch wie Brüder, Söhne und Freunde sein, eine echte Hilfe, euch in Gemeinschaft verbunden und unter sich brüderlich geeint. Um es in einem Wort zu sagen: Die Liebe zur Kirche muß das ganze Leben derer bestimmen, die die verschiedenen Weihegrade bekleiden. Deshalb gefällt es mir, die wunderbaren Sätze, die der Diener Gottes, der litauische Bischof Georg Matulaitis-Matulewicz, in seinem geistlichen Tagebuch geschrieben hat, zu zitieren: „Gott, gib uns als höchstes Ideal: die Müdigkeit, das Elend, die Drangsale für die Kirche in Angriff zu nehmen, so daß die Verwirrungen der Kirche, ihre Heimsuchungen, ihre Wunden zu Verwirrungen, Heimsuchungen und Wunden unseres eigenen Herzens werden. Damit unsere Herzen in dieser einzigen Sehnsucht entbrennen: nichts von dieser Welt zu erhoffen, 1381 AD-LIMINA-BESUCHE nichts zu fordern, keinen anderen Gewinn zu suchen als den, unser ganzes Leben Gott und der Kirche zu opfern . . . Und daß wir nur eins fürchten: zu sterben, ohne etwas getan zu haben, ohne etwas erlitten zu haben, ohne der Kirche irgendwie genützt zu haben, zum Wohl der Kirche, zur Ehre Gottes“ (27. Oktober 1910). Wenden wir uns jetzt einigen Sorgen und Problemen zu, die euch in eurem Hirtenamt besonders bedrängen: 1. Bekanntlich haben in eurem Vaterland viele Durst nach geistlichen Werten und möchten den Beistand der Religion haben, aber leider reicht die Zahl der verfügbaren Priester für die notwendige Seelsorge nicht aus. Nicht wenige Pfarreien sind in der Tat ohne Hirten, und es steht zu befürchten, daß ihre Zahl in nicht allzu ferner Zukunft noch wächst, vor allem, weil viele bewährte, durch Treue und selbstlose Hingabe an den Dienst am Volk Gottes ausgezeichnete Priester schon im vorgeschrittenen Alter stehen und bei schlechter Gesundheit sind. Ihrer aller gedenke ich in meinen Gebeten und bitte den Herrn, sie zu stützen und ihnen beim Aufbau der Kirche zu helfen. 2. Mit dem Klerusmangel verbindet sich das Problem der Seminare, die den Nachwuchs ausbilden. Weil es nicht möglich ist, in den einzelnen Diözesen Seminare zu unterhalten, gibt es ein einziges interdiözesanes Seminar in Kaunas, sozusagen das Herz der litauischen Kirche, dem alle, Priester wie Laien, hochherzig Hilfe spenden. Es darf keine Mühe gescheut werden, die Zahl der Priesteramtskandidaten zu vermehren. Notwendig ist auch, daß die Alumnen des Seminars gebührend auf den heiligen Dienst vorbereitet werden, geistlich, theologisch und pastoral. Deshalb müssen geeignete Seminarleiter und Professoren ausgewählt werden, und man muß darauf achten, daß nur Kandidaten, die die Zeichen echter Berufung an sich tragen, aufgenommen werden. Die Aufgenommenen aber müssen spüren, daß der Bischof sie wie seinen Augapfel liebt und vor den Gefahren, die ihren Beruf bedrohen, schützt. Bedauerlich ist, daß nicht alle, die das Priestertum aufrichtig anstreben, in das Seminar aufgenommen werden können. Man muß sich also darum bemühen, daß seine Pforte allen offensteht, die zum Dienst des Herren berufen sind. Denen, die sich gezwungen sehen, außerhalb des Seminars zu bleiben, drücke ich meine väterliche Liebe und Solidarität aus. Ihr müßt also besondere Sorge für die kirchlichen Berufe tragen. In allen Pfarreien soll man darum beten, daß der Herr viele und gute Arbeiter in seinen Weinberg sende. 1382 AD-LIMINA-BESUCHE Verkündigung ist unsere Pflicht 3. Eine andere schwere Frage, die euch bedrängt, ist die christliche Unterweisung der Jugend. Man muß alle Mühe darauf verwenden, den Jugendlichen die Gebote der Religion zu vermitteln, damit sie die Wahrheit erkennen, die „frei macht“ (vgl. Joh 8, 32). Das ergibt sich aus der Sendung der Kirche selbst und wird von ihrem Lehramt mit gewichtigen Worten betont: Denn das Zweite Vatikanische Konzil mahnt, daß „die katechetische Unterweisung immer den ersten Platz einnehmen“ muß (Christus Dominus, Nr. 13) und Paul VI., mein Vorgänger seligen Angedenkens, erklärt: „Die Verkündigung des Evangeliums ist für die Kirche nicht etwa ein Werk, das ihrem Belieben überlassen ist. Sie ist ihre Pflicht, die ihr durch den Auftrag des Herrn Jesus Christus obliegt, damit die Menschen glauben und gerettet werden können“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 5). Die Jugend muß vor den Nachstellungen dieser Zeit bewahrt werden, die dem Glauben widersprechen und eine indifferente Einstellung fördern. Mir sind die sachlichen Gegebenheiten bekannt, unter denen ihr diesen wichtigen Dienst ausüben müßt, und ich hoffe, daß ihr alles tut, um eure Jugendlichen zu einem festen Glauben und zum Empfang der Sakramente hinzuführen. Wie ihr wißt, ehrwürdige Brüder, bleibt die katechetische Jugendarbeit der Kirche meistens wirkungslos ohne die Mitarbeit der Familie. Manchmal ist diese sogar die einzige Hilfe. Deshalb ist sorgsam und dringend darauf zu achten, daß nicht nur die religiöse Festigkeit der Familie erhalten bleibt, sondern diese auch das Geschenk des Glaubens an die Kinder weitergeben kann. Von den Kindern hängt nämlich das künftige Schicksal der Kirche und der Nation ab. Von der Familie werden den Nachkommen als Erbe die Tugenden, die Güter der Seele, die lobenswerten christlichen Bräuche hinterlassen, die der kulturelle und spirituelle Besitz des litauischen Volkes sind. In dieser Zeit, in der die Familie Gefahr läuft, durch falsche Lehren entwurzelt zu werden, ist es schwer, die Unauflöslichkeit der Familie und die Heiligkeit der Ehe ganz sicherzustellen und die Menschen anzuleiten, sie als Geschenk Gottes frei und hochherzig anzunehmen. Nichtsdestoweniger muß der pastorale Eifer auch diese Dinge einschließen. Zu loben sind auch eure Initiativen gegen den Alkoholismus, der dem Menschen schweren Schaden antut und für die einzelnen wie für die Familien oft die Quelle bedauernswerten Unglücks ist. Schließlich, um auf das Problem der Berufungen zurückzukommen, möchte ich noch hinzufügen: Wenn die Familie gesund und unversehrt ist, wenn sie vom Geist des 1383 AD-LIMINA-BESUCHE Glaubens, der Liebe und Frömmigkeit beseelt ist, wird sie „gleichsam zum ersten Seminar“, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (Optatam totius, Nr. 2). 4. Ich kann auch nicht die gottgeweihten Männer und Frauen vergessen, die nach den evangelischen Räten leben und so Christus enger zu folgen versuchen. Sagt ihnen, daß ihnen mein Herz offensteht und ich oft für sie bete, damit Gott ihnen hilft, in ihrem heiligen Vorsatz zu verharren, glühend zu glauben, tätige Liebe zu üben und das Evangelium sorgsam in ihrem Herzen zu nähren. Diese Ansprache kann ich nicht schließen, ehrwürdige Brüder, ohne euch zu bitten, allen Priestern, gottgeweihten Personen, Seminaralumnen und dem ganzen gläubigen Volk meine aus liebendem Herzen kommenden Grüße auszurichten und meine väterliche Ermutigung, daß sie der Welt ein Zeugnis unerschütterten Glaubens, fruchtbringender Hoffnung, lebendiger Liebe und Einsatzbereitschaft geben. Sagt ihnen, daß ich im Geiste bei ihnen bin, sie liebe, mit ihnen Leid und Freude teile. Ich empfehle das katholische Litauen der seligsten Jungfrau Maria, der Mutter der Barmherzigkeit. Den hl. Kasimir bitte ich, allen, vor allem der Jugend, in besonderer Weise schützend beizustehen. Nun bitte ich den Herrn, den Geber aller Güter und „Gott allen Trostes (2 Kor 1,3), daß er dem ganzen litauischen Volk den Reichtum des Himmels schenke, und erteile euch in überströmender Liebe den Aposto-- lischen Segen. ,,Frische Kraft“ für eure Sendung Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Malawi am 15. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Als Hirten des Gottesvolkes in Malawi seid ihr nach Rom gekommen, um die heilige Pflicht des Ad-limina-Besuchs zu erfüllen. Ich heiße euch meinerseits herzlich willkommen. Aber es ist mehr als ein Willkommensgruß, den ich an euch richte. Ich möchte euch meine tiefe Dankbarkeit für 1384 AD-LIMINA-BESUCHE eure apostolischen Arbeiten zum Ausdruck bringen, meine tiefe Wertschätzung zu erkennen geben, euch meines Gebetes versichern und euch meine brüderliche Liebe in Christus Jesus ausdrücken. Ihr sollt, nach den Worten des hl. Paulus, wissen, daß ich mich „vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“, erinnere (I Thess 1,3). 2. Die große Bedeutung, die ich eurem Besuch beimesse, ist auch mit der Tatsache verbunden, daß ihr die Ortskirchen in Malawi vertretet und verkörpert. Die in eurem Land bestehenden Ortskirchen sind lebendige Teile der Universalkirche; sie sind organisch in den Leib Christi eingegliedert und offenbaren in schöner Weise kirchliche Einheit. Was wir also feiern, ist das Mysterium der Kirche. In eurer Person und in allen Gemeinden, die mit euch hier beim Stuhl Petri geistig zugegen sind, wird das Geheimnis der Kirche in seinem missionarischen Aspekt vergegenwärtigt. Eben weil „die pilgernde Kirche ihrem Wesen nach missionarisch ist“ (Ad gentes, Nr. 2), sind die Gläubigen von Malawi heute ein ansehnlicher und angesehener Teü der Herde Gottes. Durch die missionarische Dynamik der Universalkirche sind eure Ortskirchen entstanden. Ich kann diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen, ohne den in seinem ewigen Wort offenbarten Plan Gottes zu preisen, in Christus Jesus, „durch den der ganze Bau zusammengehalten wird und zu einem heiligen Tempel im Herrn wächst“ (Eph 2,21), alle Geschichte zur Erfüllung zu bringen. Durch das Wirken des Heiligen Geistes sind die Gläubigen Malawis rechtzeitig in den Tempel des Herrn eingetreten. 3. Ebenso möchte ich den von der göttlichen Weisheit gewählten Mitteln, um das Erlösungswerk Jesu in das Leben eures Volkes einzubringen, meine Huldigung erweisen. Im Namen Christi und seiner Kirche danke ich besonders allen Missionaren für jenes hochherzige Wirken, durch das sie allen, die freiwillig ihrer Botschaft zuhörten, das Evangelium vom Leben darboten. In unserer kollegialen Verbundenheit gedenken wir heute des Zeugnisses ihres Lebens, ihrer treuen Verkündigung und ihrer Mühen und Anstrengungen, um jede christliche Gemeinde im Glauben an Jesus Christus aufzubauen. Wenn wir über das Geheimnis der Kirche in ihrem missionarischen Wesen nachdenken, bringen wir diese Dimension nicht nur deshalb in Erinnerung, um den Ursprung eurer Ortskirchen zu erklären, sondern um deren Rolle klarzustellen und zu veranschaulichen, 1385 AD-LIMINA-BES UCHE wie sie den Eifer Christi fortsetzen sollen, der sagt: „Ich muß auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden“ (Lk 4,43). Wenn wir das Geheimnis der missionarischen Kirche feiern, feiern wir auch die Gegenwart Christi inmitten eures Volkes. Diese Gegenwart Christi in der Gemeinde ist das Ergebnis der Missionstätigkeit. Wie das Dekret Ad gentes feststellt: „Durch das Wort der Verkündigung und die Feier der Sakramente, deren Mitte und Höhepunkt die heilige Eucharistie darstellt, läßt sie Christus, den Urheber des Heils, gegenwärtig werden“ (Nr. 9). Zugleich inspiriert Christus, der bei seinem Volk lebt, die Leute zu weiteren Anstrengungen bei der Evangelisierung. 4. Der Grund, warum ihr selbst inmitten eures Volkes leben, arbeiten und sterben sollt, ist eben die Errichtung dieser Gegenwart Jesu Christi mit Hilfe der Kirche. Die Kirche besteht, um von sich aus allen das Licht Christi zu offenbaren. Und in ihrer Beziehung zu Christus wird sie zu einem Zeichen und Werkzeug der Einheit für die ganze Menschheit (vgl. Lumen gentium, Nr. 1). Die Kirche in eurer Mitte, die das Leben Christi zu leben und seine aufrichtende Botschaft zu verkünden bemüht ist, ist eine Kirche, die immer zum Dienst an der Einheit der ganzen Menschheit aufgerufen ist. Die Gläubigen sind imstande, durch die Leidenschaft und das Zeugnis ihres christlichen Lebens ganz außerordentlich zum Wohlergehen ihrer Brüder und Schwestern beizutragen. Sie müssen in der Tat alle Anstrengungen unternehmen, um allen, die sich freiwillig zum Zuhören entschlossen haben, den Glaubensinhalt darzulegen. Aber ebenso notwendig ist es, daß die christliche Liebe jedes einzelnen und jeder Gemeinde in der Welt sämtliche Gruppen ohne Unterschied der Rasse, der sozialen Stellung und der Religion einschließen sollte. Die Gläubigen sind aufgerufen, bei der Regelung der Angelegenheiten des Wirtschafts- und Soziallebens mit allen anderen zusammenzuarbeiten und mitzuwirken, um bessere Lebensverhältnisse zu schaffen und Frieden und Eintracht zu fördern (vgl. Ad gentes, Nr. 12). 6. Euer Ad-limina-Besuch, liebe Brüder, ist eine hervorragende Gelegenheit, gemeinsam über die tiefe Wirklichkeit eurer Ortskirchen nachzudenken und aus einem erneuerten Bewußtsein von der Größe der euch von Jesus Christus und seiner Kirche auf getragenen Sendung frische Kraft zu schöpfen. Euer ganzes Tun als Hirten des Gottesvolkes muß im Licht des Geheimnisses der Kirche gesehen werden. Dieses Geheimnis der Kirche inspiriert euch gleichfalls in allen Initiativen, die ihr als einzelne im 1386 AD-LIMINA-BESUCHE Namen Christi ergreifen sollt. Ich möchte nur kurz auf drei für das Leben der Kirche in Malawi besonders wichtige Bereiche hinweisen: Katechese, Berufungen und Seminarausbildung. 7. Vor allem möchte ich meiner Dankbarkeit Ausdruck geben, für die Anstrengungen, die für die Ausbildung von Katecheten unternommen worden sind, die bei der Verkündigung des Wortes Gottes und beim Aufbau der Kirche helfen sollen. Das Konzil beschreibt ihr Bemühen als „einzigartigen und unersetzlichen Beitrag zur Verbreitung des Glaubens und der Kirche“ {Ad gentes, Nr. 17). Ihr dürft sicher sein, daß der Papst und die gesamte Kirche euch in dem Bemühen unterstützen, in angemessener Weise für die lehrhafte und spirituelle Ausbildung eurer Katecheten zu sorgen und sie in der Hl. Schrift, in der Liturgie, in der katechetischen Methode und der praktischen Seelsorge gut zu unterweisen, so daß sie zusammen mit euch tatsächlich Boten des Glaubens sein können. Mit euch danke ich Gott für die Berufe zum Priestertum und zum Ordensleben, das bei euch entstanden ist. Ihr habt als Bischöfe großes Interesse für die Ordensleute gezeigt und ihnen Unterstützung und Führung geboten. Der Herr hat auch eure Gebete und Berufe zum Priestertum erhört, auch wenn der Bedarf noch immer nicht voll gedeckt ist. Seid versichert, daß er euch in eurem Bemühen beistehen wird, euren Seminaristen immer wirksamere Ausbildung bereitzustellen. Diese Seminarausbildung muß tatsächlich in eurem Dienstamt eine besondere Priorität besitzen, da die Zukunft eurer Ortskirchen in hohem Grade von ihren Ergebnissen abhängt. Ich bitte euch, fahrt fort, eure Seminaristen persönlich zu ermutigen, daß sie sich durch eine immer innigere Verbundenheit mit Jesus Christus im Gebet um die Heiligkeit des Lebens bemühen. Unternehmt jede Anstrengung, damit sie durch Gottes Wort, wie es in der Hl. Schrift steht und von der wahren Lehre der Kirche verbreitet wird, geformt werden. Versucht mit eurer ganzen Kraft, den Seminaristen die Größe der herausfordernden Aufgabe klarzumachen, zu der sie von Christus selbst berufen werden. Stellt mit Gottes Gnade auch weiterhin den jungen Menschen in Malawi die hohen Ideale der Priesterschaft Christi und das große Privileg vor Augen, dem Volk Gottes auf diese Weise dienen zu dürfen. Ich bitte euch, allen euren Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Laien den Ausdruck meiner Liebe in Christus Jesus zu überbringen. Mein besonderer Apostolischer Segen ergeht an die Kranken und Einsamen und an alle, die irgendwie um des Reiches Gottes willen leiden. Ich empfehle alle Familien Malawis dem liebevollen Schutz Mariens, der 1387 AD-LIMINA-BES UCHE Gottesmutter und Mutter der Kirche. Mit der Versicherung meines Gebetes und meiner brüderlichen Unterstützung umarme ich euch in der großen Hoffnung, die wir haben, wenn wir das Geheimnis der Kirche Christi verkünden und leben. Ehrwürdige und geliebte Brüder, der Völkerapostel drängt uns zu unendlicher Zuversicht, wenn er zu uns sagt: „Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten. Amen“ (Eph 3, 20-21). Von der Würde der Familie Ansprache an eine Gruppe mexikanischer Bischöfe bei ihrem Ad-limina-Besuch am 1. Oktober Meine Brüder im Bischofsamt! 1. Wenn ich euch heute als erste Gruppe mexikanischer Bischöfe zu eurem Ad-limina-Besuch empfange, erinnere ich mich an das Land des Evangeliums. Als die Jünger nach einer apostolischen Aussendung zu Christus zurückkehrten, um ihm zu erzählen, was sie getan und verkündigt hatten, sagte er ihnen: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus“ (Mk 1,30). Wie die Apostel, die dem Herrn erzählten, was sie getan und gepredigt hatten, habt auch ihr euch in dem privaten Treffen mir anvertraut, das ich mit jedem von euch hatte und das diesem etwas größerem brüderlichen Treffen vorausging; ihr habt mir viele Dinge aus dem Leben der eurer Obhut anvertrauten Gemeinden erzählt, und nicht nur mit mir, sondern auch mit den zuständigen Personen und Stellen, die mir in meiner Weltmission als Nachfolger Petri helfen, habt ihr die Details besprechen können, die euch in der Ausübung eures Auftrags als Leiter eurer Ortskirchen am meisten besorgen und erfreuen. Gemeinsamer Einsatz für das Wohl dieser Kirchen und der Wunsch, Jesus Christus treu zu folgen, waren ein starkes Band, das uns eng verbunden eine intensive kirchliche Erneuerung erleben läßt. Hier finden die Ziele, die der Ad-limina-Besuch erreichen will, sichtbaren Ausdruck. 1388 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Es ist jedoch nicht nur eure kirchliche Sendung allein, die im Mittelpunkt meiner Gedanken steht, die ich in meinen Kontakten zu euch und den anderen Bischöfen berücksichtige. Nein, ihr als Menschen, eure Pläne, Schwierigkeiten und oft nicht anerkannten Opfer, Momente der Einsamkeit und ein Gefühl der Ohnmacht, das sich manchmal angesichts der Größe und Bedeutung eures Auftrags in eurem Geiste einnisten mag, sind für mich von gleichem Interesse. Ich möchte euch deshalb versichern, daß ich an eurer Seite stehe, mich für euch und eure Arbeit interessiere, euch mit brüderlicher Liebe begleite, euch unterstütze und in eurem Glauben und in eurer kirchlichen Aufgabe bestärke, und daß ich im Gebet oft eurer gedenke. In ihm spreche ich zu Gott von den Schwierigkeiten eures Lebens und Apostolats wie auch von allen Plänen und Bedürfnissen der Gläubigen eurer Diözesen. In diesem Strom kirchlicher Gemeinschaft, die Einheit in der Lehre, grundsätzliche Einheit in der Aktion, Einheit im Gebet und in der brüderlichen Liebe ist, werden die angeführten Worte unseres Herrn und Meisters an seine Apostel auf ideale Weise weiter geführt. 3. Bevor ich nun auf die Gedanken eingehe, die ich mit euch hinsichtlich einiger mir geeignet erscheinender Punkte besprechen möchte, erlaubt mir, euch meine aufrichtige Dankbarkeit für euren Besuch, die vielen Zeichen von Liebe und Anhänglichkeit und für das Gebet auszusprechen, in dem ihr meiner Person und meines Amtes gedenkt. In besonderer Weise möchte ich euch — im Namen Jesu Christi, des Guten Hirten - für euren pastoralen Eifer, eure Hingabe und Mühen danken, die ihr im Dienste dieses treuen Volkes gezeigt habt, das eurer Obhut als Hirten anvertraut wurde. Wenn ich dann an das Wohl der Gläubigen eurer Kirche denke, muß ich eure Aufmerksamkeit auf einige Aspekte der Familienseelsorge richten, die heute besondere Bedeutung erlangt hat. Es handelt sich um einen lebenswichtigen Arbeitsbereich der Kirche in der heutigen Gesellschaft. Die Entwicklung der modernen Zivilisation, die sich durch einen starken Säkularisierungsprozeß auszeichnet, ruft nämlich eine steigende Entchristianisierung hervor, aufgrund derer die Vermittlung und das Erlebnis des Glaubens auf schwere Hindernisse stoßen. Einige dieser Entwicklungen stellen grundsätzliche menschliche Werte in Frage, obgleich ja die Familie weiterhin „eine Art Schule reich entfalteter Humanität bleibt“ (Gaudium et spes, 52, Familiaris consortio, 43, 86). Manchmal steht aber die Evangelisation auf dem Spiel, die „in der Tat die 1389 AD-LIMINA-BESUCHE Gnade und eigentliche Berufung der Kirche ist, ihre tiefste Identität“ (Evangelii nuntiandi, 14). Zweifellos bleibt die Vermittlung eines tiefen, wahrhaften, lebendigen Glaubens weiterhin ein wertvoller Dienst, den die Kirche dem heutigen Menschen und der moderen Gesellschaft geben kann: diesem Menschen, der mit wachsender Angst auf der Suche nach sich selbst ist, der seine grundlegende Identität entdecken möchte, der manchmal vergißt, daß ein in sich verschlossener Humanismus die Horizonte seiner tiefeigenen Würde herabsetzt, weil „sich nur im geheimen des fleischgewordenen Gottes das Geheimnis des Menschen aufklärt“ (Redemptor hominis, 8). In der Humanisierung und Personalisierung der Gesellschaft (Familiaris consortio, 43) behält die Famihe ihre Würde. Ebenfalls erforderhch ist, daß sie einen von der Evangelisation durchdrungenen Mittelpunkt und Rahmen darstellt, damit die wichtige Aufgabe, die auch in euren Diözesen dringlich ist, voll und ganz erfüllt wird. 5. Zweifellos stellt das Erreichen dieser jenseitigen Ziele eine ziemlich komplexe und herausfordernde Problematik der Seelsorge dar. Ihr, die ihr Meister im Glauben und für die sittliche Bildung eurer Gläubigen an erster Stelle verantwortlich seid, müßt auf die Bedürfnisse und Erwartungen eine annehmbare Antwort finden. Von einer soliden Lehre ausgehend, müßt ihr den gesamten Plan Gottes in bezug auf Liebe, Ehe und Familie darbieten. Die Lehren der Kirche müssen jedem Christen zugänglich gemacht werden: mit tiefgreifendem pastoral-pädagogi-schem Verständnis, mit echtem Geist der Liebe und des Verstehens, aufmerksam die Umstände jeder Person und Familie berücksichtigend, aber in Treue zum Plan Gottes und den Normen, die von dem Lehramt der Kirche erlassen werden. Wenn notwendig, müßt ihr in Übereinstimmung mit eurer Sendung als Meister und Führer die Rolle eines Propheten übernehmen und das Böse aufdecken, das die Familie bedroht. Diese Aufgabe ist gewiß nicht immer leicht und trifft auch nicht immer auf Verständnis, aber ihr werdet eurerseits wenigstens vor Gott eure Pflicht als Führer und Zeugen erfüllt haben. 6. Da einige konkrete Punkte von besonderer Bedeutung im Bereich der Familie sind, möchte ich sie hier kurz berühren, da sie euch in eurer Arbeit als weisunggebende Hirten berühren. Ich weiß, daß ihr oft zu euren Gläubigen von der Würde der Familie, der wichtigen Sendung der Ehepartner in der Weitergabe und im Dienste des 1390 AD-LIMINA-BES U CHE Lebens sprecht, wie auch von dem unbedingten Respekt, den sie menschlichem Leben schuldig sind, das seit dem ersten Augenblick des Daseins nicht mehr in ihren Händen hegt. Sprecht weiterhin von der Heiligkeit dieses Lebens, auch wenn es noch im Mutterschoß hegt! Regt eure Gläubigen dazu an, genau die moralischen Regeln zu befolgen, die das menschliche Leben schützen. Keine äußere Gesetzesnorm kann von dieser Gewissensverpflichtung befreien. Während ihr euch um die Einheit der Familie bemüht, dürft ihr nicht vergessen, die Pflichten grundsätzlich festzustellen, die Ehemann und -frau in der Ehe haben. Bis jetzt tolerierte die Gesellschaft außereheliche Beziehungen des Ehemanns, die zu einer Art von Zweitfamilien führte. Diese Verbindungen sind aber keinesfalls mit der Tatsache zu rechtfertigen, daß die so entstandenen materiehen Bedürfnisse befriedigt werden. Aus gleichem Grunde stellt aus der Sicht christlicher Moral der Ehebruch eine Schuld dar, und diese natürliche Ethik kann durch keine positive Rechtsregelung geändert werden. Tiefreichende moralische Bedeutumg kommt auch so häufigen Erscheinungen wie dem Alkoholismus zu, der einschneidend auf das persönliche und familiäre Leben einwirkt, den inneren Frieden, das Pflichtgefühl und Gleichgewicht stört und schwerwiegende Auflösungswirkungen des Familienlebens hervorruft. 7. Offensichtlich möchte ich hier nicht auf alle Richtlinien im Familienbereich eingehen. Es gibt noch andere Punkte und Prioritäten der Seelsorge, die eurem Eifer und dem eurer Mitarbeiter nicht entgehen. Natürlich wissen die anderen, daß die Ausführung eurer Sendung euch die Pflicht sittlicher Weisung für das Christenvolk auferlegt. Wenn nämlich die Kirche die Glaubensforderungen verkündigt oder mit ihrem moralischen Urteil auch die Dinge der Welt erhellt, maßt sie sich damit keine ihr fremde Kompetenz an, sondern erfüllt nur die eigene Sendung und - wie es das letzte Konzil lehrte - „festigt zur Ehre Gottes den Frieden unter den Menschen“ (Gaudium et spes, 76). Das schöne Beispiel an Enthusiasmus, spontaner Beteiligung, Bürgersinn und die sich ausbreitende Suche nach den menschlichen, sittlichen und spirituellen Werten der Gläubigen, das von eurem Volke während meines unvergeßlichen Besuchs in eurem Land gegeben wurde - die erste apostolische Reise des Papstes in ein weitentferntes Land —, ist ein klarer Hinweis dafür, daß die Ausübung des eigenen Glaubens und seine unausweichliche äußere Konkretiserung nicht nur keine Erschwerung bringen, sondern vielmehr die soziale Harmonie und ein geordnetes Zusammenleben in legitimer Freiheit fördern können. 1391 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Ich bitte mit euch und dem ganzen mexikanischen Volk zusammen als Pilger aus der Ferne die Gottesmutter von Guadalupe um Schutz. Ihr zu Füßen lege ich eure Pläne, eure Arbeit in der Seelsorge und die eurer Mitarbeiter, Seelsorgshelfer und Gläubigen. Der geliebten Jungfrau von Tepeyac vertraue ich im besonderen die christlichen Familien an, damit sie diese in wahrhaftige „Hauskirchen“ verwandele, in denen sie ihre wirksame Arbeit als Erzieherin und Mutter voll entfalten kann. Ich gebe euch und euren Ortskirchen den apostolischen Segen. Katechese führt Volkserziehung durch Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe mexikanischer Bischöfe am 28. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nachdem ich während der vergangenen Tage mit jedem einzelnen von euch ein Gespräch geführt habe, bereitet es mir große Freude, euch heute gemeinsam zu empfangen, um euch einige Überlegungen mitzuteilen, auf die mich die einzelnen Begegnungen gebracht haben. Ich sehe euch hier, im Zentrum der Kirche, da ihr mit der gleichen Absicht aus verschiedenen Regionen Mexikos hierher gekommen seid, um durch den Ad-limina-Besuch das Bewußtsein zu erneuern, daß ihr Bischöfe einer universalen, in Christus vereinigten Kirche seid. Beim Anhören eurer Einzelberichte wurde mir bewußt, welcher Eifer euch beseelt, um inmitten von Schwierigkeiten und unter nicht immer günstigen Bedingungen für das Reich Gottes zu arbeiten. Doch wie Jesus fühlt ihr euch durch das Fragen und Suchen der Menge, die vor euren Augen herumirrt und in jedem von euch den Hirten und Bischof ihrer Seelen sucht (vgl. 1 Petr 2,25). Diese Bezugnahme auf das Evangelium bringt mir nun die Augenblicke meiner ersten apostolischen Reise wieder in Erinnerung, deren Ziel ja euer geliebtes Heimatland gewesen ist. Die Bilder von den verschiedenen Begegnungen mit dem mexikanischen Volk im Dom der Hauptstadt, in der Basilika von Guadalupe, in Puebla, Oaxaca, in Guadalajara, Monter- 1392 AD-LIMINA-BESUCHE rey sind mir noch frisch im Gedächtnis. Ich sehe noch die Menge der Kinder, der Jugendlichen, der Arbeiter, der Campesinos, der Eingeborenen, der Priester, der Ordensfrauen, der Seminaristen, die den Papst mit solchem Glauben und solcher Liebe empfangen haben. Ich spüre noch immer ihrer aller glühende Verehrung für die „Muttergottes, durch die wir leben“. Und während ich ihrer als erster Glaubensverkündigerin Mexikos und Amerikas gedenke, komme ich auf das hauptsächliche Thema meiner heutigen Betrachtung: Man muß mit Hilfe der Katechese das fundamentale Kerygma darlegen, das auf Christus ausgerichtet, durch die Muttergottes von Guadalupe verkündet und von eurem geliebten Volk in der missionarischen Verkündigung aufgenommen wird. 2. Die Katechese stellt den eigentlichen Bereich der Kirche dar, weil sie die Volkserziehung durchführt. Die katechetische Unterweisung „erleuchtet den Glauben und stärkt ihn, sie nährt das Leben im Geiste Christi, führt zum bewußten und aktiven Mitvollzug des Mysteriums der Liturgie und ermuntert zur apostolischen Tat“ {Gravissimum educationis, Nr. 4). Ich weiß, daß ihr in euren Ortskirchen der Katechese einen bevorzugten Platz eingeräumt habt. Doch ein Volk von jungen Menschen, wie es Mexiko ist, verlangt eine immer umfassendere Ausweitung der katecheti-schen Botschaft und eine ständige Erneuerung der Methoden sowie eine dauernde Weiterbildung der Katecheten, die stets dafür sorgen müssen, die Reinheit der in der Bibel und im Lehramt enthaltenen Lehre zu bewahren. 3. Für euch ist besonders wichtig die katechetische Unterweisung in den Pfarreien, in den Seelsorgszentren, in den Basisgemeinden, in den Familien. Dabei gilt es auch, das in so vielen mexikanischen Familien vorhandene Erbe an christlichem Leben auszunutzen. Aber ihr dürft nicht die wissenschaftliche Darstellung der christlichen Botschaft auf anderen Kommunikationsebenen vergessen als einen Beitrag zur Bereicherung einer Kultur, deren Wesenskern katholisch ist. Die Konferenz von Puebla hat erkannt, daß „es der Katechese nicht gelingt, alle Christen in ausreichendem Maße, noch sämtliche Bereiche und Situationen zu erreichen; weite Kreise der Jugend, der geistigintellektuellen Elite und der Arbeiterwelt, der Streitkräfte, der Alten und der Kranken ...“ entbehren der Katechese (Nr. 987). Und ein solcher Mangel macht den Glauben arm, schwächt die Einheit und setzt vor allem 1393 AD-LIMINA-BESUCHE das einfache Volk der Gefahr aus, ein offenes Feld für die Saat von Irrtümern zu werden, in deren Umkreis die Sekten zunehmen. Darum, liebe Brüder im Bischofsamt, müssen die Anstrengungen erneuert werden, damit die Katechese sich nicht bloß auf das Kindesalter beschränkt, gleichsam als unmittelbare Vorbereitung auf die Sakramente der ersten Einführung ins Christentum. Man muß den Jugendlichen während der verschiedenen Abschnitte seiner geistigen Entwicklung begleiten, damit er in der Heiligen Schrift, in der Katechese und in der christlichen Sozialethik der Lösung begegnen kann, die Christus und seine Kirche für die Probleme des einzelnen und der Gesellschaft anbieten. Und von da an soll der Mensch durch ständige Katechese bei den verschiedenen Gelegenheiten seines Lebens weiterbegleitet werden. 4. Für das alles ist es unumgänglich, auch mit dem Einsatz der Laien zu rechnen, denen die Verantwortung zukommt, in alle Bereiche die evangelische Kraft der Werte des Gottesreiches hineinzutragen. Ihre besondere Berufung stellt sie mitten in die Welt. Ihr eigentliches Arbeitsfeld ist die weite Welt der Kultur, der Massenmedien, der Politik, der soziale Bereich und die Wirtschaft. Strukturen, denen sie dienen müssen, ohne dabei andere ebenso notwendige Wirklichkeiten des Evangeliums zu vernachlässigen, wie Familie, Erziehung, Arbeit. Daran erinnerte bereits mein Vorgänger Paul VI., als er in Evangelii nuntiandi schrieb: „Die erste und unmittelbare Aufgabe der Laien ist nicht der Aufbau und die Entwicklung der kirchlichen Gemeinschaft -hier liegt die besondere Aufgabe der Hirten -, sondern sie sollen alle christlichen, vom Evangelium her gegebenen Möglichkeiten, die zwar verborgen, aber dennoch in den Dingen der Welt schon vorhanden sind und aktiv sich auswirken, verwirklichen“ (Nr. 70). Unter den Laien muß eure Aufmerksamkeit den Jugendlichen gelten, und zwar nicht nur als Objekt der Katechese, sondern als Mitwirkende und Vermittler. Ich habe Vertrauen in die Jugend. Ich habe mit aller Klarheit die Hoffnung zu erkennen gegeben, die ich in sie setze. Der junge Mensch, der seinen Glauben liebt und lebt, wird das Wort, das er ausspricht, am besten mitteilen und weitergeben. Er wird der beste Katechet sein. 5. Das alles verlangt die Ausarbeitung von Plänen und Programmen für die katechetische Ausbildung und Tätigkeit. Hier ist nicht der Augenblick, darauf einzugehen. In meinem Apostolischen Schreiben Catechesi 1394 AD-LIMINA -BES UCHE tradendae habe ich Richtlinien und Normen gegeben, die ihr kennt und praktisch verwirklicht. Fahrt fort, bis ihr, entsprechend den Bedürfnissen eurer Ortskirchen, das ausfindig macht, was sich am besten in das Milieu und die Lage eurer Vermittler einfügt. Doch überall muß nach einer „integrierten Katechese“ gesucht werden, wie man in Puebla (Nr. 999) unter Erwähnung der Lehre der Bischofssynode von 1977, Vorschlag 11, sagte. Denn man muß zu einer Katechese gelangen, die Kenntnis, Hochhaltung und Bekenntnis des Glaubens im täglichen Leben sein soll: - Kenntnis des Wortes Gottes, durch die die Bibelbewegung mit der nationalen katechetischen Bewegung vereinigt werden soll; - Feier des Glaubens in den Sakramenten, die verlangt, daß die Programme zur katechetischen Erneuerung nicht die universalen und örtlichen Anordnungen für die Erneuerung der Liturgie außer acht lassen; - Bekenntnis des Glaubens im täglichen Leben, das vor allem dem Katecheten ein ausdrückliches Zeugnis christlichen Lebens, inniger Anhänglichkeit an den Papst, an den Bischof und an die Wirklichkeit der Kirche, in der er lebt, auferlegt, damit der Glaube wahrhaftig eine Antwort auf die vom Menschen empfundenen Probleme ist. 6. Auf dieser Linie einer konkreten Antwort des Glaubens auf die Lebensprobleme des Menschen will ich mich nun einem Thema zuwenden, das für das Leben des mexikanischen Katholiken von großer Bedeutung ist: die sittliche und religiöse Erziehung in der Schule. Die mexikanische Nation empfing in ihren Anfängen den christlichen Glauben, verbunden mit Erziehung und Kultur. Unter der Führung der Bischöfe entstanden im 16. Jahrhundert Bildungszentren, die ihre Arbeit während mehr als vier Jahrhunderte weitergeführt haben. Hier darf man nicht eine der Ruhmestaten der Kirche in Mexiko verschweigen: die Päpstliche Universität, wo so viele berühmte Männer, die viel zum Wohl ihrer Heimat beitrugen, ihre Ausbildung erhalten haben. Mit nicht geringen Anstrengungen und unter Schwierigkeiten bestehen tatsächlich zahlreiche andere katholische Institutionen, wo Religionsunterricht erteilt wird; und viele Katholiken arbeiten auch in staatlichen Schulen. Die Kirche muß ihrer Sendung unbedingt dadurch treu sein, daß sie sodann die Wünsche der Familienväter im Einvernehmen mit ihren angeborenen und unverletzlichen — auch in die in eurem Land anerkannte Menschenrechtserklärung aufgenommenen - Rechten unterstützt. Daher die Notwendigkeit, daß die Bischöfe die echten Berufe zum Erziehungsapostolat - das heutzutage seine volle Gültigkeit bewahrt und 1395 AD-LIMINA-BESUCHE nicht unter leichtfertigen Vorwänden aufgegeben werden darf - sowohl unter denen, die sich ihm innerhalb des geweihten Lebens widmen, wie unter den Laien fördern. Dazu muß man solche Lehrberufe fördern, die die gründliche pädagogische Ausbildung in ein Apostolat der Glaubensverkündigung umwandeln. Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Lehrer, die aus dem Laienstand kommen, und ihre Ausbildung; nicht nur, weil sie die große Mehrheit bilden, sondern weil ihnen eine besondere Aufgabe christlichen Zeugnisses in der Schule durch ihr Vorbild und ihre Arbeit zukommt. Das alles wird den Zusammenschluß der Kräfte und die gegenseitige Hilfe zwischen den verschiedenen Zentren ebenso erfordern wie die Ausarbeitung eines organischen nationalen Planes für die katholische Erziehung, um den legitimen Rechten zum Durchbruch zu verhelfen und einen echten Dienst zum Wohl des mexikanischen Volkes zu leisten. Die Tätigkeit der Kirche darf freilich nicht die anderen Bereiche der Erziehung und Ausbildung der jungen Generationen, von der Schule bis zur Universität, vergessen. Sie wird bestrebt sein, auch den Besuchern nichtkatholischer Bildungsstätten eine sittliche und religiöse Bildung zukommen zu lassen, freilich bei voller Respektierung der Gewissensfreiheit. Eine Aufgabe und eine Herausforderung für alle Bischöfe und alle Personen, die mit ihnen in den Sekretariaten für Erziehung Zusammenarbeiten, die ihre Anstrengungen soweit als möglich werden verstärken müssen. 7. Meine Brüder im Bischofsamt! Wir stehen unmittelbar vor dem Abschluß der Synode über das Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“. Ich möchte daher diese Ansprache damit beenden, daß ich euch auffordere, die Notwendigkeit einer tiefen Versöhnung des Menschen mit sich selbst, mit Gott, mit den Brüdern und mit der ganzen Schöpfung anzuerkennen. Wandelt eure Ortskirchen in Zentren der Versöhnung und Buße um! Fördert die Praxis des Bußsakraments, wo der Mensch Gott sucht und Gott ihm entgegenkommt. Macht euch selbst zu versöhnten Versöhnern, die der Welt das lebendige Zeugnis schenken, das heute zur Wiederherstellung des Friedens notwendig ist. Möge die Muttergottes von Guadalupe, die selbst zur Versöhnerin geworden ist, um die Mischung zweier Völker und zweier Kulturen hervorzubringen, die ständige Inspiration eurer Pastoral sein; möge sie euch schützen und eure Anstrengungen Frucht bringen lassen; und möge sie als erste Glaubensverkünderin Amerikas euch helfen, weiterhin die Bot- 1396 AD-LIMINA-BES UCHE schaft von Guadalupe in „geordnete und fortschrittliche Glaubenserziehung“ zu verwandeln. Ich danke euch abschließend für euren Besuch. Mit meinem Apostolischen Segen für euch, für eure Ortskirchen und für die Menschen und Pastoralvorhaben, die euch alle am Herzen liegen. Schule für echte „Jünger Jesu“ Ansprache an Bischöfe aus Mexiko bei ihrem Ad-limina-Besuch am 2. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wenn ich euch im Heiligen Jahr der Erlösung bei Gelegenheit eures Ad-limina-Besuches empfange, möchte ich euch mit den Worten des heiligen Apostels Paulus begrüßen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus, der sich für unsere Sünden hingegeben hat“ (Gal 1,3—4). Diesen Gruß dehne ich von Herzen gern auf alle Christen eurer Diözesen aus sowie auf das geliebte, unvergeßliche Volk von Mexiko, zumal euer Besuch ja Ausdruck der innigen Gemeinschaft eurer Ortskirchen mit dem Stuhl des Petrus ist, wobei wir Informationen austauschen und Lebenserfahrungen, auf die ich auch meinerseits mit herzlicher Zuneigung antworten möchte, die aus der Sorge für alle Kirchen stammt. 2. Ich hatte bereits Gelegenheit, anderen Hirten der Kirche in Mexiko einige Gedanken zur Lehre und Pastoral vorzulegen, die aufmerksames Studium und eifrige Anwendung verdienen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch zum Abschluß der gemeinsamen Begegnungen mit den Bischöfen Mexikos solche Überlegungen vortragen, die mit dem pastora-len Dienst der Priester und der Ausbildung von Kandidaten für das Priestertum eng verknüpft sind. Wundert euch nicht, daß ich auf dieses Thema eingehe, denn es wird vom Leben der Kirche und auch von der Berufssituation in euren Diözesen gefordert. Diese verlangt von euch eine besondere Führung jener, die der Herr als Mitarbeiter der Bischöfe an eure Seite stellt, nämlich der Priester. 1397 AD-LIMINA-BES UCHE 3. Mit großer Freude stelle ich fest, daß die Kirche in Mexiko ein Ansteigen der Berufe zum Priestertum aufweist. Zahlreiche Bischöfe beobachten ebenfalls mit großer Freude und Hoffnung, wie die Semina-rien eine Krise überwinden, die besorgniserregend geworden war. Dazu kommt die Feststellung, daß sich die Jugendlichen mit Neigung zum Priestertum heute nicht nur bereitwilliger zum Dienst anbieten, sondern auch eine größere Reife ihres Berufungsbewußtseins mitbringen, was sich positiv in größerer Beharrlichkeit auswirkt. Damit wird freilich auch größere Verantwortung und Umsicht bei der Auswahl der Erzieher und in der Gesamtausrichtung der Priesterbildung in all den Aspekten notwendig, die klar im Dekret „Optatam totius“ des II. Vatikanischen Konzils beschrieben sind. Ich möchte euch daran erinnern, wie sehr das Konzil die geistliche Formung der künftigen Priester betont und alles auf das konzentriert, was wir „das Erziehungsziel der Kirche“ nennen könnten, wenn sie an die künftigen Diener des Altares denkt: die Person Christi als Lehrer, Priester und Hirte, mit dem man tiefe Freundschaft schließt, um mit seinem Paschamysterium eins zu werden. Dieses haben die Priester ja zu verkündigen, indem sie es innerlich mitleben, zumal sie ja durch die Priesterweihe bereits Christus gleichgestaltet sind (vgl. Optatam totius, 4 und 8). 4. Daher muß die Ausbildung der künftigen Priester dem gleichen Leitbild folgen, mit dem der Herr seine Jünger an sich zog und formte. Hier geht es darum, daß jeder Seminarist zu dieser persönlichen Lebensgemeinschaft und Jüngerschaft gegenüber dem Meister hinfindet, so daß er eine ähnliche Erfahrung wie die Apostel machen kann: seine Worte des ewigen Lebens hören, sich von der gottmenschlichen Anziehungskraft seiner Person begeistern lassen und bewußt in seine Nachfolge eintreten. Dann werden sie innerlich durch diese Bewegung derart geprägt, daß sie sich ihr Leben ohne Jesus nicht mehr vorstellen können. Das persönliche Gebet, indem man das Wort des Lebens hört und das tägliche Leben zu meistern sucht, ist es nicht in Wirklichkeit eine Form der Lebensgemeinschaft mit dem Meister und eine Schule für alle, die echte Jünger Jesu sein möchten? Ein Gebet, das Vereinigung mit dem Herrn bedeutet und zu treuer Entschlossenheit im Sinn des Evangeliums wird, sich radikal für Christus und seine Sache, das Evangelium, einzusetzen, macht die künftigen Priester zu Jüngern des gelebten Wortes nach der Mahnung Jesu: „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage“ (Joh 15,14). 1398 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Das ständige Gebet hat im Leben des Priesters zentrale Bedeutung und muß als Prüfstein bei der geistlichen Formung gelten. Wir dürfen nicht vergessen, daß Christus selbst seit seinem Eintritt in die Welt (vgl. Hebr 10,5-7) bis zu seinem Tod am Kreuz (vgl. Lk 23,46) im flehentlichen Gebet das Geheimnis seiner Vereinigung mit dem Vater und das seiner Sendung für die Menschen vorgelebt hat. Er widmete diesem Gebet in seinem apostolischen Wirken bedeutsame Zeit (vgl. Mk 1,35). Wir dürfen sagen, daß Jesus sein Paschamysterium bewußt und in voller Anhänglichkeit an den Willen des Vaters in seinem Gebet gelebt hat. So muß auch der Priester, von den Seminarjahren an dazu erzogen, wie Christus leben und mit ihm das Geheimnis seiner Berufung und Sendung im Bittgebet aussprechen, das Vertrautheit und Lebensgemeinschaft mit Christus, dem Herrn und Meister zeigt. Im gleichen Sinn des Erziehungszieles Christi für seine Jünger ist auch die Schaffung einer echten und einladenden Gemeinschaftsatmosphäre im Seminar zu betonen, wo die Gegenwart des Herrn mitten unter seinen Jüngern (vgl. Mt 18,20) zur Erfahrung gegenseitiger Liebe wird, zu gegenseitiger Hilfe und echter Gemeinsamkeit, die die künftigen Priester darauf vorbereitet, „priesterliche Bruderschaft“ zu sein, denn das ist wichtig, soll der Eifer im geistlichen Leben lebendig bleiben und Anregung für die apostolische Sendung bieten. Die in der Schule des Meisters geformten Priester können dann ihrerseits zum Gebet hinführen, wie euer Volk es wünscht, und Förderer der Gemeinschaft sein, die die Kirche braucht. 6. Auf der letzten Bischofssynode wurde über das Bußsakrament gesprochen. Eins der Anliegen der Synodenväter, das zugleich einem dringenden Wunsch des Volkes Gottes entspricht, war die Hinführung aller Priester, und zumal derer, die sich auf das Priestertum vorbereiten, zur Wertschätzung der Schönheit, Dringlichkeit und Würde dieses Sakramentes. Wir dürfen nicht vergessen, daß Christus selbst seinen Jüngern den Dienst des Verzeihens übertragen hat, und Paulus, der sich mit der Gnade des Apostolates beschenkt wußte, anerkennt: „Gott. . . hat uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung auf getragen“ (2 Kor 5,18). Schärft daher euren Priestern, indem ihr ihnen mit eurem Beispiel vorangeht, die Wichtigkeit dieses Dienstes ein, den Christus und die Kirche ausschließlich den Priestern zum Wohl aller Gläubigen anvertraut haben. Sie haben ein Recht darauf, zur Gnade des Sakramentes zugelassen zu werden, um Licht und Rat, Weisung und Anregung, Verzeihung und 1399 AD-LIMINA -BES UCHE Gnade empfangen zu können, wenn sie sich an den Diener der Versöhnung wenden. 7. Bei der Ausübung dieses heiligen Dienstes identifiziert sich der Priester mit Christus, dem Guten Hirten, setzt ihn in Person gegenwärtig und vertritt in der Kraft des Heiligen Geistes die Kirche, die den Sünder aufnimmt und versöhnt. Diese ganze heiligmachende Wirklichkeit des Sakramentes hat zwar den Pönitenten als Adressaten, sie ist aber auch Quelle der Heiligung für den Beichtvater, denn er übt darin die seelsorgliche Liebe, und diese verlangt von ihm geistliche Vorbereitung und Gebetshaltung beim Beichthören selbst, denn er muß Licht von oben erflehen und im Pönitenten echte Bekehrung wecken. Andererseits wissen die Mitglieder des Volkes Gottes, mit übernatürlichem Empfinden in ihren Priestern Christus selbst zu erblicken, der sie annimmt und ihnen verzeiht, und sie schätzen aus ganzem Herzen diese Annahme, auch das Wort des Lichtes und des Rates, mit denen die Priester die Lossprechung von Sünden begleiten. 8. Denn der Mißbrauch der Generalabsolution, entgegen den klar im neuen Kodex des Kanonischen Rechtes festgelegten Normen (cc. 961-963), ist ein Attentat auf die wahre Würde des Bußsakramentes. Das treue Ausüben des Beichthörens als Dienst für jeden einzelnen Christen macht die liebevolle Aufmerksamkeit Christi für jeden einzelnen Menschen sichtbar, seine persönliche Liebe zu jedem Getauften, die Bereitschaft, in jedem einzelnen das Bild Gottes zu erkennen, sowie das ganz persönliche und unübertragbare Drama des Menschen, dem man nicht mit allgemeinen Ratschlägen und anonymen Weisungen gerecht wird. Fordert nicht schon das persönliche Sündenbewußtsein und sein geheimer Charakter die geheime und diskrete, geeignete und persönliche Form der Einzelbeichte? Wenn er den Dienst des Beichthörens ausübt, ist der Priester, der sich für jeden einzelnen Gläubigen verfügbar macht und ihm auf Wunsch Zeit schenkt, sichtbarer Zeuge für die Würde eines jeden Getauften. Gerade die Ärmsten — und das sind viele von euren Diözesanen — für die in unserer unruhigen und rastlosen Zeit niemand Zeit hat, können, im Bußsakrament von den Priestern mit Achtung und Liebe aufgenommen, bezeugen, daß die Kirche alle aufnimmt, alle achtet und anhört mit jener personalen Liebe, die Weisung und Zuneigung Christi für jeden Menschen, den er mit seinem Blut erlöst hat, vermittelt. 1400 AD-LIMINA-BESUCHE 9. Wenn ich euch diese pastoralen Hinweise empfehle, richte ich mein Gebet an die allerseligste Jungfrau, Unsere Liebe Frau von Guadalupe. In ihr sehen jeder Mexikaner und das ganze Volk von Mexiko das wirksame Zeichen einer Hoffnung mitten in den Schwierigkeiten, die das Land erfährt, und ein Zeichen der Versöhnung all ihrer Kinder. Seid gewiß, daß ich eure Arbeit immer mit meiner Zuneigung und Anerkennung begleite, auch mit meinem Gebet für alle eure Diözesen, auf die ich überreiche Gnaden des Himmels mit meinem Apostolischen Segen herabrufe. Vereint in einer Umarmung des Friedens, der Einheit und der Hoffnung Ansprache an die Bischöfe von Nicaragua anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 16. Mai Geliebte Brüder im Bischofsamt! 1. Mit großer Freude habe ich diesen Augenblick unserer Begegnung anläßlich eures Besuchs Ad-limina erwartet. Wenn das auch immer eine Freude ist, weil ich die vorrangige Verpflichtung habe, über die ganze Kirche zu wachen, so gilt das in ganz besonderer Weise in eurem Fall, geliebte Brüder und Hirten der Kirche in Nicaragua, der ich mich in herzlicher Verbundenheit und Achtung nahefühle. Deshalb sind heute, anläßlich dieser brüderlichen Begegnung, meine Arme und mein Herz weit geöffnet, um euch - und mit euch das ganze treue Volk von Nicaragua - zum Zeichen des Friedens, der Einheit und der Hoffnung zu umarmen. Tatsächlich ist es der erste Zweck des Besuches der Nachfolger der Apostel beim Nachfolger Petri, die Bande gegenseitiger Liebe zu stärken, die uns miteinander verbinden, der Strom der Liebe soll bis zum gläubigen Volk hinabfließen, das in Christus, dem Urheber und Prinzip des Heils in der Kirche, die Grundlagen der Einheit des Geistes und der Herzen aller findet, die ihr folgen. 1401 AD-LIMINA-BESUCHE 2. In diesem Sinn empfinde ich euer Kommen als Weiterführung eurer liebenden Sorge um eure Gläubigen, die mich veranlaßte, vor etwas mehr als zwei Monaten Nicaragua einen Pastoralbesuch abzustatten. Die tiefe kirchliche Liebe, die mich zu eurem Volk führte, lebt seit meinem Besuch ungebrochen in mir weiter. Oft habe ich vor und nach dem Besuch an eure Ortskirchen mit ihren Problemen, Schwierigkeiten, Leiden und Hoffnungen gedacht; oft habe ich für sie gebetet und Gott für alle Anstrengungen gedankt, die sie unternommen haben, um ihrer Berufung allzeit treu zu bleiben. Wenn es Zweck meines Besuchs in den Ländern Lateinamerikas war, ihren christlichen Glauben neu zu beleben, ihnen nahe zu sein, die Leiden ihrer Völker zu teilen und nach Möglichkeit ihnen durch den nötigen Wandel innerer Haltungen und ungerechter Einstellungen ein wenig Hoffnung zu hinterlassen, so haben mir die Ereignisse in eurem Land mehr denn je eure Gläubigen und eure Heimat nahegebracht. Diese Ereignisse sind weiterhin zum Gebet geworden, damit die Kirche in Nicaragua in trostvollen und leidvollen Augenblicken Kraft gewinne, und damit die Leiden eines treuen und würdigen Volkes ein Ende finden, das vom Atlantik zum Pazifik, von der, Nord- zur Südgrenze im Frieden und seinen Werten entsprechend leben möchte, indem es mit hohem Sozialbewußtsein nach dem nötigen Fortschritt auf Erde strebt, ohne darauf zu verzichten, zum gemeinsamen Vater der Liebe und Gerechtigkeit aufzuschauen, der uns zu einem Leben der sittlichen Rechtschaffenheit und der Liebe zu allen beruft und der das Ziel aller ist. 3. Ihr, liebe Brüder, seid die Hirten einer Herde „in der euch der Hl. Geist zu Vorstehern bestellt hat, damit ihr die Kirche Gottes weidet“ {Apg 20, 28); ihr seid der Brennpunkt der Einheit in euren Ortskirchen, die Führer im Glauben und die Verantwortlichen für deren Treue zu Christus, wie ich anläßlich meines Besuches bei euch ausführte (vgl. Lumen gentium, 21; Eph 4, 1—6; Kol 2, 6—8; 1 Thess 3, 11—13). Ich möchte euch heute ermutigen, euren Gläubigen jene Führung zuteil werden zu lassen, deren sie bedürfen, um stets dem christlichen Glauben die Treue zu bewahren. Ihr seid Hirten eines tief religiösen Volkes, das seit sehr langer Zeit unter Ungerechtigkeit, häufigen Rechtsverletzungen, Spannungen und Bruderkriegen leidet; all das hat so viel Schmerz hinterlassen, so viel zerbrochenes junges Leben, so viel Trauer in den Familien, so viel tragische Leere in den Herzen der Angehörigen, der Freunde und der Gesellschaft (vgl. Ansprache an die Bischöfe des CELAM, Haiti, 9. März 1983). 1402 AD-LIMINA-BES UCHE Erneuert, dem Beispiel Christi folgend, stets in euch den Geist des Guten Hirten, der ausgeht, um jene zu suchen, die sich vielleicht vom Schafstall entfernt haben, um ihnen neuerlich auf den rechten Weg zu helfen; um ihnen die Freude einer treueren Rückkehr zur Lehre Jesu und zu den persönlichen und gemeinschaftlichen Erfordernissen der christlichen Berufung zu schenken. 4. Es ist mir wohl bekannt, daß eure Mission als Väter, Hirten und Führer von euch oft nennenswerte Opfer gefordert hat und noch fordert. Deshalb versichere ich euch meiner herzlichen Nähe und meines eifrigen Gedenkens im Gebet, damit ihr, standhaft in eurem beispielhaften Einsatz für die Kirche, immer in der gleichen Liebe zu ihr vereint, mit einem Herzen und einer Seele die Aufgabe fortführt, die in den Augen Gottes eure Bürde und eure Hoffnung darstellt. Dieser brüderliche Geist, der das Wollen einigt und gute Vorsätze eingibt, wird euch veranlassen, die Treue eurer Herde zu all jenen Aufgaben zu fördern, die wahrhaft menschlich sind, einer größeren sozialen Gerechtigkeit entsprechen und ein dauerndes Bemühen um das Wohl aller fordern; ein Bemühen, das die Rechte jedes einzelnen achtet und zu jeder Zeit die religiösen und sittlichen Werte hochhält, die die euren Gläubigen eigene Identität darstellen. Es handelt sich hier um eine Arbeit, die Weitblick und hohen Einsatz erfordert. Ihr bedürft dazu ständig der wertvollen und unersetzlichen Arbeit eurer Priester, Ordensleute und engagierten Laien. Seid ihnen deshalb sehr nahe und sorgt durch eure liebende Nähe für ihren verantwortungsbewußten Beitrag zu der ständigen inneren Erneuerung, die zum freudigen Einsatz für die Neubelebung der Gemeinschaft führt; kostet er auch Mühe, so muß er doch fest in unserer Hoffnung auf Christus verankert sein, „denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln“ (I Petr 4, 13). 5. Ich kann diese Begegnung nicht beenden, ohne euch und eure Gläubigen aufzufordern, euren Blick auf die gemeinsame Mutter zu richten, die euer Volk als Unbefleckte Empfängnis so sehr verehrt. In ihr, der Mutter aller, findet ihr den Mittelpunkt, um den sich die Gemeinschaft sammelt, wo ihr neues Leben und Brüderlichkeit zuteil wird. In dieser Mutter geeint, müssen alle Glieder der Kirche von Nicaragua neuen Mut schöpfen, um eine Kirche der Liebe (vgl. 2 Kor 8, 13-15; Gal 5, 15; Phil2, 4; Kol 3, 12-15) aufzubauen, eine Kirche der gegenseitigen Hilfe und Unterstützung, vor allem für die Bedürftigsten und die am 1403 AD-LIMINA-BESUCHE härtesten Geprüften. Das soll euer klarstes Erkennungszeichen sein, wie es das der ersten Christen war. Alle eure Anliegen und Nöte empfehle ich Maria im Gebet; ihr empfehle ich auch die einzelnen Mitglieder eurer kirchlichen Gemeinschaft, damit sie ihre Treue zur christlichen Berufung bewahre und mütterlich stärke. Auch flehe ich sie an, eurer Nation und all ihren Kindern Frieden, Freiheit von Sorgen, menschlichen und geistlichen Fortschritt sowie die Möglichkeit eines ungestörten Genusses eurer Rechte zu schenken. Euch, die ihr geeint um den Nachfolger Petri geschart seid, fordere ich auf, diese Begegnung mit einem gemeinsamen Gebet für eure Ortskirchen zu beschließen, denen wir im Namen Christi einen gemeinsamen Segen senden; er möge einem Friedenskuß gleichkommen. Amen. Priesterbildung nur in echten Seminarien Ansprache beim Ad-limina-Besuch der niederländischen Bischöfe am 22. Januar Liebe Brüder in Christus! Ich freue mich sehr, euch anläßlich eures Ad-limina-Besuches hier zu empfangen. Ihr gehört zu den ersten Bischöfen, die nach Rom zu einem solchen Besuch in diesem Jahr kommen, das durch zwei Ereignisse in der Weltkirche geprägt sein wird: nämlich das Heilige Jahr und die Bischofssynode. Diese beiden Ereignisse weisen übrigens in dieselbe Richtung: Das erste will das Mysterium der Erlösung in Erinnerung bringen und es tiefer lebendig werden lassen, das zweite hat zum Ziel, aufgrund der Reflexion und des konkreten Lebens die „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ tiefer zu studieren. Erlösung, Versöhnung, Buße und Bekehrung, das sind Lebensfragen für die Gesamtkirche wie auch für den Teil des Gottesvolkes, der in den Niederlanden lebt. Euer Ad-limina-Besuch findet alle fünf Jahre statt. Aber das wichtigste Ereignis, das das Leben der Kirche in den Niederlanden in jüngster Zeit gekennzeichnet hat, ist zweifellos die Partikularsynode der Bischöfe vor drei Jahren. Sie ist der bleibende Richtungsanzeiger für eine Erneuerung des kirchlichen Lebens in eurem Land. Ihr habt gewiß noch die bewe- 1404 AD-LIMINA-BESUCHE gende Erinnerung an die Schlußfeierlichkeit in der Sixtinischen Kapelle unter dem Bück des von Michelangelo gemalten Christus bewahrt; und ihr erinnert euch noch des Augenblicks, in dem ihr euch im Innersten eures Herzens verbunden habt, indem ihr alle eure Unterschrift unter die Beschlüsse setztet, die ein echtes Programm des Lebens und pastoralen Wirkens darstellen, und daß ich damals in eurer Mitte war, um sie zu bestärken. Ihr erinnert euch noch daran, daß wir uns als Ziel dieser Partikularsynode „eine klare Bekundung der kirchlichen Gemeinschaft“ vorgenommen hatten. Nun, diese Gemeinschaft setzt eine ständige Bekehrung zu Christus voraus, und zwar von seiten aller. Es ist darum gut, daß ihr im Verlauf der Synodensitzungen die Worte des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung gerufen habt: „Die Kirche ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung“ (Lumen gentium, Nr. 8). Diese Worte bleiben aktuell und sind es mehr denn je in diesem Heiligen Jahr. Den Geist der Synode erneuern Während der Synode haben wir wahrhaftig eine tiefe Erfahrung von Gemeinschaft erlebt. Und später haben wir diesen Geist anläßlich eurer Besuche und im Rahmen der periodischen Zusammenkünfte des Rates der Partikularsynode erneuert. Insbesondere während eures jetzigen Ad-limina-Besuches habt ihr mich und meine Mitarbeiter an euren Freuden und Leiden teünehmen lassen, an euren Erwartungen und Schwierigkeiten bei der Arbeit, die ihr für eine Verbundenheit und Erneuerung unternommen habt; dies fordert notwendigerweise eine rückhaltlose Bereitschaft zur Versöhnung und Büßfertigkeit und auch den Mut, das Geheimnis des Kreuzes als Weg zur Auferstehung anzunehmen. In euren Gesprächen mit meinen Mitarbeitern habt ihr einige wichtige Themen vertieft. Ich möchte mich nun mit euch auf einige Aspekte der Erneuerung des kirchlichen Lebens im Licht der Synode, der Verbundenheit mit der Weltkirche und der Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri besinnen. Diese Synode bleibt der Weg, dem die Kirche der Niederlande folgen muß, denn sie ist die authentische Anwendung des Zweiten Vatikanischen Konzils und führt daher zu einer wahrhaften Erneuerung. 1. Ihr seid Bischöfe, das heißt die Hirten der Jünger Christi, die in den niederländischen Bistümern leben und arbeiten in Einheit mit den anderen über die Erde verbreiteten katholischen Gemeinden. So ist es in der 1405 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche seit den Zeiten der Apostel. Die Apostelgeschichte hilft uns, die Jünger Christi dank verschiedener Merkmale deutlich zu erkennen, von denen das allererste ist, „daß sie an der Lehre der Apostel ernsthaft festhielten“ (Apg 2, 42). Die Gemeinschaft im Glauben bedeutete für die Apostel, daß sie die Sendung hatten, das Wort zu verkündigen und zu lehren, und für die Jünger, daß sie dieser Lehre treu sein mußten. Auch heute ist diese Verbundenheit fundamental; und sie bedeutet für alle die Treue zur Lehre Christi und der Apostel und für euch Hirten die Aufgabe, „Christus als den Gekreuzigten zu verkündigen“ (i Kor 1, 23). Sie erfordert, daß Christus ganz als „wahrer Gott, aus dem wahren Gott geboren . . .“ dargestellt wird, „der für uns Menschen Mensch geworden ist“; daß er auch mit allen seinen Forderungen dargestellt wird, die manchmal radikal sind, immer aber das Wohl des Menschen im Auge haben. Das bedeutet für euch Hirten die Verpflichtung, euren Gläubigen dabei zu helfen, richtig zu unterscheiden, wo sie sich mit der gesunden Lehre nähren können, und die Aufgabe der Katechese - insbesondere für die Jugend -, zu organisieren und zu leiten. Das habt ihr schon damals während der Synode vorgesehen (vgl. Beschlüsse, 43-44-45), und ihr widmet diesem Punkt nun noch mehr Aufmerksamkeit. Auf verschiedene Weise bekräftigt ihr noch euren Wunsch, „persönlich die Rolle von Glaubenslehrern zu erfüllen“ (Beschlüsse, 45), denn jeder Bischof ist sich dessen bewußt, für das verantwortlich zu sein, was im Namen der Kirche gelehrt wird und aufgrund des Lehrauftrages, den er selbst mehreren anvertraut hat. Die Gemeinschaft im Glauben sichert die Verbundenheit der Ortskirchen untereinander und mit der Kirche von Rom; sie garantiert eine echte katholische Offenheit, wodurch jede Isolation vermieden werden kann. 2. Ebenso hielten die Gläubigen „am Brechen des Brotes und an den Gebeten fest“ (Apg 2, 42). Das Glaubensleben äußert sich vor allem in der Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben und auch in einem Leben ständigen Gebetes. Darum muß jeder kirchlichen Institution viel daran gelegen sein, diesem Leben seine volle Kraft zu geben, um die Gefahr zu vermeiden, zu einem bürokratischen Gefüge zu werden. Die Menschen haben Durst nach dem lebendigen und wahren Gott, nach dem persönlichen und gemeinschaftlichen Kontakt mit ihm, der die Wahrheit und das Leben ist. Mit Freude denke ich daran, daß auch in eurem Land die persönliche Suche nach Gott allmählich auflebt. Ihr tut gut daran, diese Bestrebungen 1406 AD-LIMINA-BESUCHE des Geistes und der Herzen zu begleiten, um sie zu begreifen, anzuspornen und zu leiten. Was die liturgischen, sakramentalen und gemeinschaftlichen Ausdrucksformen betrifft, habt ihr euch bei der Partikularsynode auf die Konzilsdokumente berufen, und habt mit Recht die Tatsache hervorgehoben, daß die Sakramente der Kirche anvertraut sind, die deren Verwaltung voller Ehrfurcht vor den göttlichen Geheimnissen regelt; so habt ihr klar herausgestellt, daß die Liturgie ein gemeinsames Gut ist, das der ganzen Kirche zukommt und sie folglich in festgelegter Form und „in voller Übereinstimmung mit den entsprechend dem Geist des Zweiten Vatikanums erneuerten offiziellen liturgischen Büchern gefeiert werden muß, wobei von den großen Anpassungsmöglichkeiten, die in diesen Büchern vorgesehen sind, Gebrauch gemacht werden kann“ (Beschlüsse, 40). Momentan verfolgt ihr mit großer Aufmerksamkeit die Veröffentlichung der liturgischen Bücher in holländischer Sprache, wie ihr das bereits beim Erscheinen des Römischen Missale getan habt, das ebenfalls ein Mittel der Glaubensgemeinschaft mit den Ortskirchen der ganzen Welt darstellt. Man braucht sich nicht zu wundern, daß die Kirche Wert darauf legt, daß die Feier der Eucharistie durch ein solches Mittel ihre Richtlinien findet. Es ist Garant für den authentischen katholischen Glauben und umfaßt die geistlichen Reichtümer, die dem „Geheimnis des Glaubens“ eigen sind. Die Eucharistie ist in der Tat „Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 5); gefeiert vom Bischof oder von jedem anderen kirchenrechtlich befugten Priester ist die Eucharistie der Mittelpunkt, um den sich die Kirche aufbaut (vgl. Lumen gentium, Nr. 17 und 26). 3. Diese Gedanken über die Eucharistie führt uns von selbst zu einer Betrachtung über das Priestertum. Die Unterscheidung zwischen dem Amtspriestertum oder sakramentalen Priestertum und dem allgemeinen Priestertum aller Gläubigen betrifft unmittelbar die Feier der Eucharistie. Die völlig kontinuierliche Lehre der Kirche über den Diener der Eucharistie - die vom Zweiten Vatikanischen Konzil in der dogmatischen Konstitution über die Kirche erneut in Erinnerung gebracht wurde - ist deutlich: „Der Amtspriester . . . kraft seiner heiligen Gewalt . . . vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar“ {Lumen gentium, Nr. 10). Ohne Eucharistie gibt es keine Kirche, und ohne Priester gibt es keine Eucharistie. Wie könnte es eine Kirche ohne geweihte Priester geben? Während der Sitzungen der Synode vom Januar 1980 wie auch im Verlauf 1407 AD-LIMINA-BESUCHE der drei folgenden Jahre standen und stehen die Priester zu Recht im Mittelpunkt eurer anteilnehmenden Sorge, namentlich ihr Amt, ihr geistliches Leben, ihre Ablösung durch neue Priesterberufe und die Ausbildung der künftigen Priester. Es gibt deutliche Anzeichen für eure eifrige Sorge auf diesem Gebiet, zum Beispiel das Schreiben über das Amtspriestertum mit dem Titel „Diener in der Gemeinde Gottes“, das Kardinal Willebrands als Vorsitzender eurer Konferenz veröffentlicht hat; der Fastenhirtenbrief, den ebenfalls der Kardinal im Jahr 1982 über das Problem der „Priesterberufung“ erscheinen ließ. Und es gibt noch weitere konkrete Anstrengungen, mit denen ihr beschäftigt seid, um künftige Priester heranzuziehen und vorzubereiten. Keine Alternative zum sakramentalen Amtspriestertum Das Amtspriestertum ist in der Tat ein Geschenk des Heiligen Geistes an die Kirche und an die Menschheit. Wenn darum in dem erwähnten Schreiben über das Amtspriestertum festgestellt wird, daß es ohne die sakramentale Priesterweihe durch den Bischof kein wahres priesterliches Amt gibt, übersetzt man sehr gut die authentische katholische Lehre: „Dies (die Gabe des Geistes) haben wir vom Herrn durch die Apostel empfangen. Wir haben hierfür keine Alternative.“ 4. Wenn der Herr in der Kirche das Amtspriestertum gewollt hat - mit den Merkmalen, über die wir gesprochen haben -, dann wird er selbst der Gemeinschaft seiner Gläubigen die Priester schenken, die notwendig sind zur Glaubensverkündigung und zur Verwaltung der Sakramente, insbesondere zur Feier der Eucharistie und für den Dienst seiner Vergebung. Ihr habt im Verlauf der Partikularsynode der Hoffnung Ausdruck gegeben, Priester in ausreichender Zahl zu finden, und euer Vertrauen in den Herrn der Ernte ausgedrückt. Aber darum muß viel gebetet werden, nach dem Wort Christi selbst: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Lk 10, 2; Mt 9, 38). Gesteht mir zu, in diesem Zusammenhang an euch, hebe Brüder, aber auch an eure Priester und Gläubigen einen dringenden Appell zu richten, in den christlichen Gemeinschaften und in den Familien häufiger und inständiger zu beten, um vom Herrn eine wachsende Zahl von jungen Menschen zu empfangen, die sich ganz dem Dienst des Herrn weihen will. Zudem kommt es darauf an, daß alles getan wird, um die psychologischen und geistlichen Bedingungen zu schaffen sowie auch die Umgebung, in der beginnende Berufungen - durch Christus fortdauernd seiner Kirche 1408 AD-LIMINA-BESUCHE gegeben — sich auf richtige Weise entwickeln und zur Reife gelangen können. Die Treue zu Christus verpflichtet jeden von uns. Ihr habt überdies „euren Wunsch“ zum Ausdruck gebracht, „von einem zölibatä-ren Klerus unterstützt zu werden und für Anwärter auf eine solche Berufung zu werben“ (Beschlüsse, 25 und vgl. 21). Andere Ortskirchen, die ebenfalls eine Krise der Berufungen erlebt haben, sind dabei, sie zu überwinden. Kirche und Papst teilen eure Hoffnung und unterstützen durch das Gebet eure Anstrengungen, die ihr auf diesem ganz und gar wesentlichen Gebiet unternehmt; sie sind mit euch davon überzeugt, daß die Ausbildung von Priesteramtskandidaten nicht nur eine intellektuelle, sondern auch eine spirituelle und pastorale sein muß. Das alles ist in den Dokumenten des Zweiten Vatikanischen Konzils näher ausgeführt, einschließlich der festen Überzeugung, daß eine solche Ausbildung nur in echten Seminarien garantiert werden kann (vgl. Beschlüsse, 26). 5. Im Verlauf der Partikularsynode habt ihr sehr bewußt die bedeutsame Rolle betont, die die Laien in verschiedenen pastoralen Aufgaben der Kirche zu spielen haben. Es ist nicht nötig, an die vom Zweiten Vatikanum, insbesondere im Dekret über das Laienapostolat, eröffneten Perspektiven zu verweisen. Wir müssen die Bemühungen der Laien, die Kirche in einer zunehmend säkularisierten Welt präsent zu machen, und ihre aktive Teilnahme am Leben der Kirche hochschätzen. Gerade wenn der Apostel Paulus von der Kirche spricht, bedient er sich des Vergleichs mit dem menschlichen Leib, an dem alle Glieder eine Funktion haben und jedes Glied seine besondere Aufgabe hat (vgl. 1 Kor 12, 12-27). In diesem lebendigen Leib, der die Kirche ist, haben die Bischöfe die Aufgabe, die Einheit und Lebensgemeinschaft des ganzen Organismus zu bewahren, indem sie darüber wachen, daß die Tätigkeit jedes Gliedes seiner spezifischen Berufung entspricht. Das Wohl des Ganzen erfordert, daß die spezifischen Aufgaben der Laien nicht von den Klerikern erfüllt werden und daß auch die Amtsfunktionen des Priesters nicht von den Laien wahrgenommen werden. Liebe Brüder, laßt mich diese Begegnung mit einem Aufruf abschließen, zu dem ich mich gedrängt fühle, wenn ich nun die bereits unternommenen Bemühungen überschaue und ich mir vorstelle, wieviel neue Energie die vor einem Jahr ernannten Bischöfe sicherlich beitragen werden. Ich fordere euch aus ganzem Herzen dazu auf, euren Mut zum Glauben und zum Handeln zu bewahren, um den Weg der Erneuerung weiterzugehen, 1409 AD-LIMINA-BESUCHE wie er in dem Synodensaal, der bisweilen Ähnlichkeit mit dem Abendmahlssaal von Pfingsten hatte, vorgezeichnet wurde. Es ist kein leichter Weg, aber die Kirche eures Landes ist noch immer reich an Lebenskraft. Eure Nation hat auch in unseren Tagen leuchtende Beispiele des Einsatzes um Christi willen gegeben. Es genügt, an die Gestalten des seligen Paters Donders und des bewundernswürdigen Karmeliterpaters Titus Brandsma zu erinnern. Eure Diözesen, mit ihren Möglichkeiten von mutigem Einsatz, sollen mit Unterstützung und unter guter Führung ihrer Hirten - und das seid ihr - allmählich die Hindernisse überwinden und imstande sein, eine wirkliche geistliche Spannkraft auszulösen. Ich fasse zusammen, indem ich wiederhole, was ich schon sooft verkündet habe: „öffnet die Türen dem Erlöser!“ Von Herzen erteile ich euch meinen Segen. „Animation“ in der Pastoralarbeit Ansprache an die Bischöfe Panamas bei ihrem Ad-limina-Besuch am 17. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ihr Bischöfe der Kirche Gottes in Panama seid nach Rom gekommen, um pflichtgemäß euren Ad-limina-Besuch zu machen und steht nun um den Nachfolger Petri versammelt. Ihr vertretet hier eure jeweiligen Ortskirchen und erlebt jetzt mit mir einen besonderen Moment der Glaubenswirklichkeit, der uns alle zutiefst vereint: das Geheimnis der Heiligen Kirche, die sichtbar und spirituell zugleich ist und für die an Christus Glaubenden Sakrament der Erlösung bedeutet (vgl. Lumen gentium, 5,8). In diesem Sinne empfange ich euch mit freundlicher Brüderlichkeit im Geiste inniger Gemeinschaft, die „den obersten Hirten aller Gläubigen“ und „die einzelnen Bischöfe, denen die Sorge für eine Teilkirche anvertraut ist ... unter der Autorität des Papstes“ miteinander verbindet {Christus Dominus, 2, 11). Ich wende mich mit aufrichtiger Zuneigung an alle Mitglieder jener Kirchen, deren „eigentliche, ordentliche und unmittelbare Hirten sie sind“ (ebd. 11). 1410 AD-LIMINA-BESUCHE Ich bitte euch, nach Rückkehr in eure Diözesen den Priestern, Ordensbrüdern und -Schwestern, Seminaristen, Laienmitarbeitern und allen Gläubigen meinen Gruß zu überbringen und sie zu ermutigen, treu in ihrer christüchen Berufung fortzufahren; versichert ihnen ebenfalls, daß ich in meinen Gebeten ihrer Bedürfnisse und apostolischen Tätigkeiten gedenke. 2. Wenn ich nun zu der kirchlichen Wirklichkeit eures Landes komme, denke ich vor allem an die verschiedenen Erfolge, die im Herzen Hoffnung aufkeimen lassen. Nach dem II. Vatikanischen Konzil und den Konferenzen von Medellin und Puebla kam es im Leben der panamesischen Kirche zu einer Phase neuer Aspekte. Die beiden vor einigen Jahren durchgeführten Synoden der Erzdiözese und die Nationale Pastoralkonferenz sind Zeichen innerer Vitalität. So entdeckten die lebendigen kirchlichen Kräfte durch Reflexion und Dialog im Lichte der Lehramtsdokumente die positiven Punkte und erkannten die Bedürfnisse oder Mängel einer Kirche, die hoffnungsvoll in die Zukunft blickt. In diesem Sinne verlief der IV. Bolivianische Eucharistische Kongreß, der im letzten Jahr in Panama mit in der ganzen Nation gepredigten Volksmissionen stattfand. Ich muß auch den Hirtenbrief erwähnen, den ihr im Februar dieses Jahres veröffentlicht habt. In diesem erkennt ihr die Möglichkeiten der Seelsorge, die das Vorgehen der Kirche in Bereichen allgemeinen Interesses bestimmen müssen. Zu diesen kirchlichen Bemühungen wollte ich mit meiner apostolischen Reise, die ich im März letzten Jahres in die mittelamerikanischen Länder und eben in eure Heimat unternahm, einen Beitrag leisten. An diese Reise und die mir dabei erwiesene freundliche Aufnahme erinnere ich mich noch dankbar, vor allem an die Begegnung mit den christlichen Familien und der Landbevölkerung. Wenn ich diese verschiedenen Etappen eures kirchlichen Lebens erwähne, dann deswegen, weil ich euch zu weiterer Arbeit anregen und zu 1 neuer Hoffnung und einer im Geist engen Zusammenarbeit mit euren Mitarbeitern in der Pastoralplanung ermutigen möchte. Aus dieser engen Gemeinschaft und diesem brüderlichen Austausch werden dann viele Ergebnisse in der pastoralen Koordination auf nationaler Ebene zum Vorteil für jede eurer Kirchensprengel die apostolische Arbeit insgesamt folgen. 1411 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Wenn wir von Programmen einer christlichen Bildung für eure Gläubigen sprechen, müssen wir von denen reden, die in der Seelsorge arbeiten, diese ausüben oder beseelen müssen. Angesichts dessen muß uns die Tatsache treffen, daß von den 276 augenblicklich in Panama arbeitenden Priestern und Ordensbrüdern über zwei Drittel Ausländer sind, und daß von den 514 Ordensschwestern nur 65 aus Panama stammen. Dies bedeutet eine Dankespflicht gegenüber den Menschen, Diözesen und Orden anderer Länder, die ihre Mitarbeit hochherzig zur Verfügung stellen. Ihr habt diese Dankespflicht erfüllt, denn - wie ihr in eurem Hirtenbrief im Februar 1983 schriebt - „was wir als Kirche sind, verdanken wir zum Großteil ihnen“. Diese Situation muß jedoch zu einer verdoppelten und einmütigen Anstrengung führen, an der alle kirchlichen Kräfte der Kirche teilnehmen, um zu versuchen, mehr einheimische Berufungen zum Priester- und Ordensleben zu gewinnen. Viel kann hier die Erarbeitung richtiger Aktionsprogramme in der Diözese beitragen. Ebenso wünschenswert wäre eine geduldige und gut vorbereitete Arbeit, die die verschiedenen Kräfte der Kirche koordiniert und in Übereinstimmung bringt, damit sie nicht durch Zersplitterung die apostolische Arbeit schwächen. Als wichtiges Ziel ist ferner anzustreben, eine „Tradition“ des Diözesan-klerus zu schaffen, dessen Ausbildung zu Priestern sehr gründlich sein muß, damit sie den heutigen Anforderungen genügt. Das bedeutet Fortbildung auch nach der Weihe, um wertvolle spirituelle und intellektuelle Hilfen zusammen mit den notwendigen Mitteln zu geben und eine gute Pastoralarbeit durchführen zu können. Dabei dürfen nicht andere Möglichkeiten vergessen werden, mit deren Hilfe die Forderungen der Fürsorge oder Sozialversicherung richtig erfüllt werden können. Eine weitere Aufgabe für euch ist es, eure Priester in ihre kirchlichen Aufgaben einzuweisen und sie von zweifelhafter konkreter politischer Tätigkeit fernzuhalten, die sie den dazu in ihrem christlichen Bewußtsein geschulten Laien überlassen müssen. 4. Ein Bereich, den ich eurer besonderen Fürsorge empfehle, ist der der Seminare. Ich freue mich zu hören, daß die Zahl der Schüler im großen Seminar in San Jose wie auch im kleinen in San Liborio gestiegen ist, zu denen das Seminar von „Christus, dem Sämann“ für Landbewohner kommt. Die Tatsache, daß diese Zentren überdiözesane Ausmaße annehmen, bedeutet, daß ihr ein gemeinsames Interesse habt und Zusammenarbeiten müßt, damit die Ausbildung der angehenden Priester besser wird. Das gilt 1412 AD-LIMINA -BES UCHE noch mehr für die Auswahl von guten Ausbildungsgruppen, die die von dem Hl. Stuhl über die Bildungskongregation erlassenen Richtlinien befolgen. Das bedeutet unter anderem eine sofortige Anwendung der „Grundordnung“, die für die verschiedenen Aspekte der Priesterausbildung richtigweisend ist. Was nun die Tätigkeit in diesem Bereich betrifft, so muß man einige Grundprinzipien berücksichtigen wie die Befolgung der von dem Hl. Stuhl für die Beurteilung von Berufungen angegebenen Kriterien, ohne dabei aus Gründen der Dringlichkeit oder Notwendigkeit ungerechtfertigte Konzessionen zu machen, die dann in der Zukunft zu Problemen führen können, oder den Versuch, in allen Gesellschaftsschichten Berufungen anzuregen, besonders aber in Schule und Familie, und eine sorgfältige Ausbildung des Klerus anzustreben, damit er die heute in der Kirche bestehenden Ansprüche erfüllt. 5. Ein anderer Punkt, den ich eurer besonderen Aufmerksamkeit empfehlen möchte, ist die Seelsorge an den Universitäten. Ich weiß, daß ihr diesem wichtigen Bereich kirchlicher Arbeit aufgeschlossen gegenübersteht und deshalb schon vor über zwei Jahrzehnten mit einem Seelsorgsdienst in den panamesischen Universitäten begonnen habt. Die heutigen Umstände erfordern jedoch, daß ihr als verantwortliche Hirten der Christengemeinden kollegial die Initiative in diesem übergreifenden Bereich der Seelsorge ergreift, damit eine katholisch inspirierte Präsenz in den Hochschulen entsteht. Ihr müßt also die Animationsmöglichkeiten in der Pastoralarbeit untersuchen, indem ihr die Universitätskaplaneien durch für dieses Apostolat besonders geschulte Gruppen so gut möglich stärkt. Dieser Weg ist voller Schwierigkeiten, die sich aufgrund der komplexen Umstände auf unserem Weg auftun. Da diese vielen tausend Studenten aber eine enorme spirituelle und menschliche Reserve für die Kirche und die Gesellschaft darstellen und die Zukunft in den Händen halten, muß eure Arbeit in Enthusiasmus und Hoffnung geschehen. Diese muß von religiösen und ethischen Wahrheiten erfüllt sein, im Kontakt mit Studenten und Professoren, um wirkliche menschliche Werte zu fördern, die gemeinsames Erbe jedes aufrechten Gewissens sind, wie auch andere christliche Tätigkeiten unter den Studenten. Es ist augenscheinlich, daß deshalb diejenigen, die diese christliche Präsenz in den Universitäten darstellen, sorgfältig ausgesucht werden müssen, indem man diese Sendung Personen anvertraut, deren Kompetenz, 1413 AD-LIMINA-BESUCHE Verläßlichkeit in der Lehre und Treue in der Befolgung der von der Hierarchie erteilten Richtlinien außer Zweifel stehen. Parallel zu dem, was ich schon anführte, müßt ihr euch sorgfältig und aufmerksam mit der katholischen Erziehung in den Schulen beschäftigen, in denen ihr dank der Hilfe guter Mitarbeiter und richtig koordinierter Verbände eine starke Präsenz erreichen konntet, die schon Ergebnisse zeitigte. 6. Die Familie ist ein weiterer Bereich, mit dem ihr euch als Hirten befaßt, denen die Auflösungserscheinungen auf diesem wichtigen Gebiet und ihre schädlichen Auswirkungen auf die Gesellschaft Panamas mit Grund Sorge machen. Leider beeinflußt die systematische Durchführung von im Ausland geplanten und finanzierten Programmen - von Verhütungsmitteln und Sterilisierung bis zu der beabsichtigten Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs - das Familienwohl negativ. Deshalb möchte ich euch freundlich ermutigen, eure Kräfte und Initiativen für die Familie einzusetzen, der ihr schon in eurem gemeinsamen Brief vom Februar d. J. eine besondere Bedeutung zugeteilt habt. In diesem Sinne sind auch die Richtlinien zu verstehen, die ich anläßlich meines Besuchs in eurem Land bei einer Begegnung mit christlichen Familien nannte. 7. Liebe Brüder! Ich könnte noch über viele andere Themen sprechen, mit denen ihr euch in eurer Sorge und Liebe für die Kirche beschäftigt, aber wir kommen nun leider zum Abschluß unseres Treffens. Ich möchte nochmals meine tiefe brüderliche Hochschätzung aussprechen und danke im Namen Christi für eure Opfer und eure hochherzige Hingabe im Dienste der Kirche. Maria, unserer gemeinsamen Mutter, lege ich alle eure persönlichen und zu eurem Amt gehörenden Gedanken zu Füßen. Möge sie euch in eurem Einsatz für die Sache der Kirche ermutigen, unterstützen und trösten. Als Zeichen meines Wohlwollens erteile ich euch und allen Mitgliedern eurer Kirchen meinen liebevollen Segen. 1414 AD-LIMINA-BESUCHE ,, Trost, mit dem Gott tröstet“ Ansprache an die Bischöfe der portugiesischen Kirchenprovinz Braga bei ihrem Ad-limina-Besuch am 4. Februar Liebe Brüder in Christus! 1. Herzlich begrüße ich euch hier, wo ihr in der Liebe des Heiligen Geistes versammelt seid, und wünsche euch Gnade und Frieden von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Wir wollen das brüderliche, vor einigen Monaten in Fatima begonnene persönliche Gespräch fortsetzen, wie wir es in diesen Tagen bei der persönlichen Begegnung mit einem jeden von euch schon getan haben. Aktuell sind für mich immer noch die tief empfundenen Worte der Wertschätzung und Ermutigung vom Morgen des vergangenen 13. Mai. Und wenn ich mich an euch wende, so denke ich zugleich an die übrigen portugiesischen Bischöfe, mit denen ich in Kürze zusammentreffe. Ich denke ferner an die Gemeinschaften ihrer Diözesen und alle Söhne und Töchter Portugals. Dieser für mich sehr willkommene Augenblick, indem ihr eurer unverbrüchlichen Verehrung und Treue Ausdruck gebt, reicht irgendwie über unsere Personen hinaus und gewinnt eine besondere Bedeutung. Ihr macht euren Ad-limina-Besuch. Ich aber weile mit euch in euren Diözesen, die ihr gewiß aufgefordert habt, die immerw ährende Lebenskraft der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche in den Sprengeln der Kirchenprovinz Braga zu bezeugen, hinter der die Verheißung des Herrn steht: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 20). Während wir hier die Einheit der Kirche in der Liebe sichtbar machen, steigen viele Bilder und Erlebnisse von meinem kürzlichen Pastoralbesuch in eurem Land und der Wallfahrt nach Fatima auf. Nie werde ich den grauen 15. Mai vergessen, als ich voll Freude trotz schlechten Wetters die strahlende Sympathie und die herzliche Begrüßung durch die Menschen eurer schönen Heimat erleben durfte. Ich erlebte sie besonders in Coimbra, Braga und Porto, wo ich wertvolle Begegnungen hatte. Mehr oder weniger hätte sich das gewiß auch an den übrigen Orten abgespielt, die ich gleicherweise hochschätze, aber nicht besuchen konnte. Nehmt aber erneut meinen Dank für die hochherzige freundliche und spontane Aufnahme entgegen, die bei den Portugiesen üblich ist. Ich bin euch sehr verbunden dafür. 1415 AD-LIMINA-BESUCHE 2. Ihr möchtet hier den Glauben bekräftigen, dessen Hüter und Förderer ihr in euren Kirchengemeinschaften seid. Ihr habt deswegen jene Stätten besucht, die gekennzeichnet sind durch das höchste Glaubenszeugnis der Apostel. Ihr habt auch direkten Kontakt aufgenommen mit den Zentralorganen der pastoralen Leitung durch den Bischof von Rom, die im Dienst für die ganze Kirche stehen. Aber vor allem wolltet ihr „Petrus sehen“. Ich bin gewiß, und habe es in vertrauensvollem Gebet bereits dem Herrn gesagt, daß dieser euer Ad-limina-Besuch bei den eurer Hirtensorge anvertrauten Gläubigen schon als solcher reiche Früchte hervorbringen wird. Euer Zeugnis lebendiger Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus schließt in seiner Aufrichtigkeit auch die Bereitschaft ein, die Normen und Weisungen des Apostolischen Stuhles und der Zentralorgane, die ihm dienen, anzunehmen, auch wenn das gelegentlich den Verzicht auf persönliche Meinungen und Auffassungen dort bedeutet, wo man verschiedener Meinung sein kann. Den Vorrang hat dann das Gemeinwohl des ganzen Volkes Gottes in der einen und einzigen Kirche. Mit brüderlichem Vertrauen, echter Zuneigung in Christus und aufrichtigem Herzen möchte ich euch sagen, daß aus euren wertvollen Berichten wie aus unseren persönlichen Gesprächen euer Bewußtsein deutlich wird: Die Zeit, in der wir leben, fordert von uns ein immer neues Bemühen um wirklich lebendiges, unermüdliches und klares tatkräftiges Zusammenstehen, damit wir ihren Anforderungen gewachsen sind. Ja, „die Prüfung eures Glaubens bewirkt Ausdauer“, wie ich festgestellt habe, und ihr seid frohen Mutes bereit, alles zu tun, damit „die Ausdauer zu einem vollendeten Werk führt . . . und euch nichts fehlt“ (Jak 1, 3-4). Jesus selbst ist den Seinen, die schwere Stunden durchzumachen haben, vorangegangen und hat darauf hingewiesen, daß die Menschen „weder den Vater noch ihn erkannt“ haben (vgl. Joh 16, 1 ff.). Unser Herz kann nicht traurig werden, besitzen wir doch den „Tröster“ und in ihm die unfehlbare Verheißung: „Ich bin immer bei euch“ {Mt 28, 20). 3. Ich möchte eurem hochherzigen guten Willen entgegenkommen, der euch für meine Worte heute noch aufgeschlossen macht wie damals in Fatima, als uns alle das Verlangen erfüllte, dem Guten Hirten ähnlich zu werden (vgl. Joh 10, 1 ff.); das bietet zugleich die beste Voraussetzung für das, was ich euch jetzt sagen möchte. Es ist nicht meine Absicht, eurer wohlwollenden Aufmerksamkeit wie damals einige Probleme nahezulegen, die sich verschärft eurer täglichen Hirtensorge stellen, gerade wenn ihr einsatzfreudig bis zu schweren 1416 AD-LIMINA-BESUCHE Opfern und in echter Liebe handelt. Da sich in dieser Gruppe meiner Brüder-Bischöfe ein bedeutender Teil der für die Zielsetzungen der portugiesischen Bischofskonferenz Verantwortlichen befindet, möchte ich nur ein wenig mehr die kurzen Hinweise erklären, die ich euch bereits gegeben habe. Ich weiß gut, wie sehr ihr euch alle und jeder einzelne der drängenden Aufgaben bewußt seid, die unsere Zeit uns stellt, eine Zeit tiefer Wandlungen auch bei euch; sie legt uns den Imperativ des „neuen Gebotes“ nahe, in dessen Licht die Bischöfe seit den ersten Zeiten der Kirche gewirkt haben. „Sie wurden . . . gedrängt, ihre Kräfte und ihren Willen zu vereinen, um sowohl das gemeinsame Wohl wie auch das Wohl der einzelnen Kirchen zu fördern“ (Christus Dominus, 36). Damit bewiesen sie ihre sichere Überzeugung, nur einen Leib zu bilden, in dem die Gnade jedem Glied nach dem Maß der Gnadengabe Christi zuteilte, so daß jedes „zum Aufbau der Kirche“ beitrug, die Einheit des Geistes im Band des Friedens bewahrte, da es nur „einen Gott und Vater aller gibt, der ... über allem und durch alle und in allen ist“ (vgl. 1 Kor 14, 12; Eph 4, 2ff.). 4. Eine Bischofskonferenz hat bekanntlich folgende Aufgaben: Sie soll Raum der Begegnung und des Dialoges sein, in dem die Kollegialität zwischen den Bischöfen effektiv und affektiv gelebt wird: „Daran sollen alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander hebt“ (Joh 13, 35). Sie soll das Sekretariat oder der Arbeitsplatz der Gruppe sein, wo sich die Bischöfe treffen, um die besten Mittel zum Aufbau und zur Verteidigung des Reiches Gottes zu finden (vgl. Lk 14, 28 ff.), gemeinsam zu planen und in eine organische Pastoral umzusetzen. Sie wird damit nach innen und nach außen zur repräsentativen Körperschaft der Kirche. Klarerweise kann sie nur so ihre beiden Hauptziele gemäß dem Willen Gottes und seiner Liebe zum Menschen verwirklichen. Wenn so eine Gruppe von Bischöfen in tieferem Sinn eine evangelisierende Kirche sein will, wird sie nach Wegen suchen, die Christus gefallen, die zwischen der Betonung einer streng legalen Gerechtigkeit und dem Niemandsland eines „engagierten“, „offenen“ und pluralistischen Aktivismus verlaufen, der über kurz oder lang die Kräfte zersplittert, den Willen aufweicht und sich für das Reich Gottes als unfruchtbar, wenn nicht sogar schädlich erweist. Man weiß, daß eine Struktur, die nicht dienlich ist oder nicht ihrer eigenen Identität und Zielsetzung entsprechend funktioniert, schlechter wird, weil sie die Arbeit jener, die auf sie angewiesen sind, irreleitet oder überlastet. 1417 AD-LIMINA-BESUCHE Wenn eine Bischofskonferenz als kirchliche Organisation im Dienst des Volkes Gottes dastehen will, darf sie sich nicht von ihrer ursprünglichen Aufgabe entfernen, denn sonst wird sie zum Bürokratismus. Man darf auch nicht ihre Grundlagen antasten oder vernachlässigen: Gemeinschaft und Teilhabe all der Mitglieder, die bewußt „evangelisierte Kirche“ sein wollen. Mit einer solchen sich selbst treuen Bischofskonferenz, in der jeder Bischof als Mitglied einem lebendigen Stein gleicht, der seinen bestimmten Platz und seine Aufgaben hat, verträgt sich keine Gleichgültigkeit, Interesselosigkeit oder Passivität. Das würde ja eine Gefahr bedeuten, wenn nicht für ihren Zusammenhalt, so doch für eine sichere Kontinuität und solide Ergebnisse. Will man aber gemeinschaftlich handeln, teilhaben und als evangelisierte Kirche überzeugend vor den Menschen dastehen, muß man sich an eine Richtschnur halten, die ein organisches Ganzes bildet und die „Seligpreisungen“ heißt. In jedem dieser acht „Kapitel“ sind großartige Möglichkeiten aufgezeigt, und man vergißt dann auch nicht leicht die ebenso wertvolle wie freundliche Mahnung des Meisters: „Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“ (Mt 12, 30). 5. Das Reich Gottes aufzubauen, zu verteidigen und ständig zu festigen, angefangen mit einer realistischen Sicht und klugen Einschätzung der Situationen und der verfügbaren Mittel - hier müssen wir uns von den Gleichnissen Christi leiten lassen (vgl. Lk 14, 28 ff.) - bis zu wirklich dauerhaften Lösungen, erfordert Scharfsinn und Weitblick. Der Herr hat in diesem Zusammenhang das Reich Gottes, die Kirche mit einem Sauerteig verglichen, der aktiv die Masse durchsäuert, mit einem Acker, der immer sorgfältig bestellt werden muß, auch wenn Schwierigkeiten da sind, die vom ungünstigen Wetter, oder auch vom Feind herkommen, der „Unkraut unter den Weizen sät (vgl. Mt 13, 4ff.; Jak 5, 7 ff.). Umsicht, Geduld und Unterscheidungsvermögen eines guten Bauern, angewandt auf die Arbeiten einer Bischofskonferenz, erinnern uns an das, was mein Vorgänger gesegneten Andenkens Paul VI. zur Evangelisierung sagte: „Sie ist eine reiche, vielschichtige und dynamische Wirklichkeit.“ Sie besteht, wie er schön formulierte, darin, „Zeugnis zu geben von Gott, der sich durch Jesus Christus geoffenbart hat im Heiligen Geist... und die Menschen zum ewigen Leben berufen hat“. Das heißt, sie sollen Christus, dem Erlöser des Menschen begegnen, der „immer Grundlage, Mittelpunkt und Gipfel des Heiles bleibt“ (vgl. Evangelii nuntiandi, 17, 26, 17; Redemptor hominis, 13). 1418 AD-LIMINA-BESUCHE Ich bitte weiter den Herrn darum, daß ihr euch in eurer Aufgabe als in der Bischofskonferenz geeinte Hirten um die Verwirklichung des Ideals bemüht: zu leiten und voranzugehen, um den Weg zu zeigen, Gefahren aufzudecken und den Fortschritt des Volkes Gottes in Portugal zu sichern (vgl. Ansprache in Fatima vom 13. Mai 1982, Nr. 3). Daher gilt es ferner, mit klarem Blick die Zeichen der Zeit zu erkennen, die Ereignisse zu deuten und verstehen zu lehren, denn das ist die Hauptaufgabe des Hirten. Es gilt, dem Ansturm der Wölfe zuvorzukommen, selbst wenn sie verkleidet wären, um die Herde angreifen und zerstreuen zu können. Hier kann ich euch nur für das beglückwünschen, was eure Bischofskonferenz in schweren Stunden für die Portugiesen getan hat, um die echten menschlichen und christlichen Grundsätze herauszustellen und zu verteidigen. Eure Worte fielen auf einen Boden von tiefer und ausgeprägter Religiosität, der dem heben Volk von Portugal eigen ist und in den letzten Zeiten tröstliche Früchte gebracht hat, für die wir dem guten und barmherzigen Gott dankbar sein müssen. 6. Ich weiß, liebe Brüder, daß ihr diese Gedanken teilt und euch sehr wohl der Notwendigkeit bewußt seid, sie ins Leben umzusetzen, damit sie immer noch mehr Frucht bringen. Vor allem wißt ihr um die Notwendigkeit, durch intensive Evangelisierung und christliche Praxis das sakramentale Leben eurer Gemeinden ständig zu fördern und alle Söhne und Töchter Portugals zur Begegnung mit Christus, dem Erlöser des Menschen hinzuführen. Hier wäre es angebracht, in den verschiedenen Bereichen eures Wirkens als Bischofskonferenz besonders konkret zu werden: im liturgischen Leben, in der Katechese, im Verhältnis zu Ordensmännern und -frauen und ihrer Eingliederung in die Pastoral, die Caritasarbeit, die Sozialarbeit als christliches Zeugnis, in die Pastoral der Familie, der Jugendlichen, der Ein- und Auswanderer, der Volksfrömmigkeit, der Ausstrahlung der Kirche nach außen. Dazu kommen die Lücken in all diesen zu betreuenden Gebieten, denn es fehlt vor allem an Mitteln und Personal. Ich vertraue hier auf eure Klugheit und Lebenserfahrung, daß euch dieses konkrete Handeln gelingt und auch die Priorität der so dringlichen Berufspastoral nicht zu kurz kommt. Haltet Augen und Herz auf den himmlischen Vater gerichtet, der wohl weiß, was ihr alles braucht (vgl. Mt 6, 32). Bedenkt wohl: „Ich bin immer bei euch“, hat uns der Herr versprochen. Also Mut, und laßt nicht zu, daß euer Herz sich betrübt, seid vielmehr beharrliche Kraft seines Amtes und stark durch den „Trost, mit dem Gott 1419 AD-LIMINA-BESUCHE tröstet“ (vgl. 2 Kor 1, 4) will euch der Papst nur als seine Brüder in eurer guten Haltung und im Vertrauen auf Gott stärken. Ich empfehle mich eurem Gebet und dem eurer kirchlichen Gemeinschaften. Erneut drücke ich euch meine Verbundenheit in Christus aus, und ihr dürft auch mit meinem ständigen Gebet rechnen, mit dem ich euer Bemühen als Hirten und die Kirche in eurem Land begleite. Möge Maria, die Mutter der Kirche und die Mutter, zu der wir Zuflucht nehmen, unsere Bitten dem Vater des Erbarmens vortragen, zumal im bevorstehenden Heiligen Jahr der Erlösung. Maria wird ja bei euch eifrig angerufen, unter ausdrucksvollen Titeln, wie z. B. „Unsere Liebe Frau von Balsemao“ und „Unsere Liebe Frau von der Immerwährenden Hilfe“, gar nicht zu reden von Sameiro und Fatima. Euch allen und euren Diözesen spende ich meinen Apostolischen Segen. Niemand, besitzt den Schlüssel für alle Lösungen Ansprache an die Bischöfe der portugiesischen Kirchenprovinzen Evora und Lissabon bei ihrem Ad-limina-Besuch am 11. Februar Liebe Brüder in Christus! 1. Mit großer Freude sehe ich euch bei dieser Begegnung vor mir, während meine Gedanken in Portugal weilen. Ich grüße euch herzlich und wünsche euch Gnade und Frieden in Fülle bei diesem Höhepunkt eures Ad-limina-Besuches. Ich brauche seine Bedeutung nicht weiter hervorzuheben, zumal das bereits durch den Herrn Kardinal-Patriarchen von Lissabon geschehen ist. So danke ich Gott für diese besondere Gelegenheit zur Bekräftigung und gemeinsamen Verwirklichung jener effektiven und affektiven Kollegialität, die bis heute die Überlieferung weiterführt, „daß die auf dem ganzen Erdkreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens Gemeinschaft hielten“ (Lumen gentium, 22). Im Namen des Herrn empfange ich euch, ehrwürdige und liebe Brüder und Bischöfe aus Zentral- und Südportugal sowie den Archipelen Madeira und Azoren, die zu den Kirchenprovinzen Lissabon und Evora gehören. Mit großer Hochachtung für jeden von euch und für eure 1420 AD-LIMINA-BESUCHE diözesanen Gemeinschaften heiße ich euch hier willkommen, und wenn es die Zeit erlauben würde, ginge ich gern auf jeden einzelnen ein, um eure hochherzige pastorale Arbeit zu würdigen, zu ermutigen und zugleich zu zeigen, welche Zuneigung ich in Christus für euch empfinde, oder wie sehr ich das kulturelle und christliche Erbe schätze, das eurer Sorge anvertraut ist. Da das also nicht möglich ist, möchte ich wenigstens dem lebhaften Gefühl meiner Dankbarkeit Ausdruck geben im Gedanken an die denkwürdigen Tage meines kürzlichen Besuches in Lissabon, Fatima und Vila Vicosa, der ein Pastoralbesuch und zugleich eine marianische Wallfahrt war. Also wißt noch einmal: Ich bin euch sehr verbunden! Gestattet mir, vor allem die Augenblicke des Abendmahlssaales in Fatima - mit Maria, der Mutter Jesu - in Erinnerung zu rufen. Mit euch und allen Pilgern, zugleich mit der ganzen Kirche, dem mystischen Leib Christi, „möchte ich mich mit unserem Erlöser in seiner Weihe für die Welt und alle Menschen vereinigen“ und unsere Herrin als Mutter der Kirche, der Menschen und Völker anrufen, sie möge uns helfen, in aller Wahrheit die Hingabe Christi für die ganze Menschheitsfamilie im Leben zu verwirklichen (vgl. Homilie in Fatima am 13. Mai 1982). 2. Diese Aufgabe, die ich weiter mit vertrauensvollem Gebet begleite, möchte ich nun zum Thema meiner brüderlichen Worte machen, um damit zugleich die persönlichen Gespräche fortzusetzen, die ich schon früher mit euren Brüder-Bischöfen hatte, die vor euch zum Ad-limina-Besuch hier waren. Um auf die Ansprüche unserer Zeit zu antworten, die durch das nicht ungefährliche Phänomen der „Sozialisation“ gekennzeichnet ist (vgl. Gaudium et spes, 6 und 25), ergab sich die Notwendigkeit, unsere Kräfte zusammenzufassen, vor allem in dem dafür besonders geeigneten Gremium der Bischofskonferenz. Schaut man sich das konkrete Ergebnis eurer klugen Bemühungen an, so treten besonders zwei Schwerpunkte hervor, über die ihr nachgedacht und für die ihr Sorge getragen habt: die Evangelisierung und als Priorität eine intensive Berufs-pastoral. Ich bin sicher, daß euer Können und euer Eifer, die ihr für beide Schwerpunkte unter Beweis gestellt habt, wie es ja auch der Kardinal-Patriarch dargelegt hat, den rechten Weg findet, um diese Aufgaben vereint und zügig aufzugreifen. Heute möchte ich mehr die persönliche Verantwortung eines jeden Bischofs betonen, sich immer der Unterstützung, der Zustimmung und Anregung der Konferenz zu versichern, zu der er gehört und lege euch einige Gedanken vor zur Notwendigkeit, „in aller Wahrheit die Hingabe 1421 AD-LIMINA-BESUCHE Christi für die ganze Menschheitsfamilie im Leben zu verwirklichen“. Es gehört dies zu unserer Berufung als Bischöfe, die, wie alle wissen, darin besteht, in der Kirche dem Menschen treu zu dienen, den wir im Geheimnis der Erlösung betrachten, damit alle „uns als Diener Christi betrachten“ (1 Kor 4, 1). 3. Die persönliche Verantwortung eines jeden Bischofs wird durch die Bischofskonferenz weder aufgehoben, noch ersetzt, noch unterdrückt. Die Konferenz will diese nicht vermindern oder einschränken, sondern ihr lediglich dienen. Jeder einzelne Bischof hat seiner Ortskirche gegenüber die dreifache Sendung zu heiligen, zu lehren und leiten, und zwar an Christi Statt, jedoch vereint mit dem ganzen Bischofskollegium und in Gemeinschaft mit dem Nachfolger des Petrus, den der Herr zum bleibenden sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit und der Gemeinschaft gemacht hat. Immer im Dienst des ganzen Leibes Christi, der „zusammengefügt und gefestigt wird in jedem einzelnen Gelenk. Jedes trägt mit der Kraft, die ihm zugemessen ist. So wächst der ganze Leib und wird in Liebe aufgebaut“ (Eph 4, 16). „Der Bischof muß als oberster Priester seiner Herde gelten, von dem irgendwie das Leben seiner Gläubigen in Christus sich herleitet und abhängt“ (Christus Dominus, 41). In diesem Rahmen der Lehre möchte ich nun das Bild beschreiben, das ihr, liebe Brüder und Bischöfe aus Portugal, der Kirche und der Welt darbietet: ein Bild der Schlichtheit und Einfachheit des Lebens. Es ist für euch eine Ehre, eure Pflicht zu tun, mit Eifer und Hingabe dem Wohl der Seelen zu dienen, dem Apostolischen Stuhl die Treue zu halten und den Papst zu lieben. Ihr wißt, wie in einem Geschichtsablauf, den ihr in Ehren haltet und der euch ehrt, die Schicksale für das Leben der Kirche in eurem Vaterland verlaufen sind, zumal in den letzten Jahrhunderten. Heute bin ich mir bei dieser schlichten, aber herzlichen Begegnung unter Brüdern bewußt, daß ihr die Sorgen und Hoffnungen, die Traurigkeit und Freude der Menschen eures Landes teilt, die eine neue Seite ihrer Geschichte aufschlagen wollen. Ich kann mir auch denken, daß in euren Herzen manchmal die Frage aufsteigt: Was sollen wir tun? 4. Meine Zuneigung zum geliebten portugiesischen Volk war bereits groß, sie wurde aber noch größer infolge meines Pastoralbesuches. Ihr seid ein gutmütiges Volk, von der eigenen Geschichte geprägt, und wenn es gefordert ist, mutig, widerstandsfähig und beharrlich im Meistern von Schwierigkeiten. Ihr seid empfindsam und könnt euch mit anderen zumal in Prüfungen identifizieren, aber auch für große Gedanken begeistern - 1422 AD-LIMINA-BES UCHE hier denke ich besonders an eure Missionare - gastfreundlich und voll Hochachtung, auch auf eine sympathische Weise anderen gegenüber eher zurückhaltend. Vor allem besitzt ihr eine ausgeprägte Religiosität, die sich im Vertrauen auf die Vorsehung äußert, in Hoffnung auf Gott und Ehrfurcht vor ihm. Trotz aller Rückschläge und Fehlentwicklungen blieb euer Volk im Grunde reich an Leben und Kultur, so daß der „gute Same der Botschaft des Evangeliums“ tiefe Wurzeln fassen konnte, die dann auch die Jahrhunderte hindurch Früchte der Gnade und Heiligkeit brachten. 5. Angesichts der neuen weltweiten Verhältnisse, wie sie in den lichtvollen Seiten der Pastoralkonstitituion Gaudium et spes beschrieben sind, und örtlicher Situationen, die sich herausbilden oder wenigstens klären, möchte ich euch, liebe Brüder, sagen: Bleibt dem Menschen treu, mit dem Christus, unser Erlöser, sich verbunden hat und dem er begegnen möchte. Bleibt dem konkreten Menschen treu, wie er unter euch lebt, denn auch er ist „der Weg der Kirche“, wie ich in meiner Enzyklika Redemptor hominis gesagt habe (Nr. 14). Wir wissen auch, wo wir Hilfe für eine solche Treue finden können: „wenn wir an Gottes Stelle der Herde vorstehen, deren Hirten wir sind“ (vgl. Lumen gentium, 20). Wollen wir glaubwürdig bleiben, so hängt unsere Treue zum Menschen von unserer Treue zu Gott ab, denn dann „betrachten uns alle als Diener Christi“ (i Kor 4, 1). Das muß natürlich im Schoß der Kirche selber beginnen, in der Priesterschaft etwa, wo wir „wie Väter und Brüder“ unserer Priester sein und gelten müssen; in unseren Seminarien, einschließlich der „kleinen“, wo wir zu Hause sein müssen; weiter unter den Ordensgemeinschaften, die in unseren Sprengeln leben und arbeiten: unter ihnen müssen wir wie Brüder sein, ohne uns dabei etwas zu vergeben; auch unter den Scharen der Laien, wo unsere Präsenz die des „Vaters im Glauben“ sein sollte, unsere Autorität aber als Dienst willig angenommen wird, der von höherer Warte aus Richtlinien und anregende Hilfe bieten will. Als Abgesandte endlich des Vaters unserer Familie sollen wir diese leiten und immer das Bild des Guten Hirten vor Augen haben, der zu dienen kam, nicht, um sich bedienen zu lassen (vgl. Gaudium et spes, 27). Aber auch außerhalb des kirchlichen Bereiches sollen wir im Dialog mit der heutigen Welt und dem Menschen, der entweder zu unserer Diözese oder zu unserem Land gehört und wenigstens unser Bruder als Mensch ist, allen gegenüber als Diener Christi dastehen, die sich bewußt und ganz wie er der Welt und den Menschen geweiht haben. Unser Hirtenamt gewinnt 1423 AD-LIMINA-BES UCHE hier eine soziale Dimension, wenn wir die menschlichen Werte fördern und am Gemeinwohl mitarbeiten, freilich im Rahmen unserer eigenen Identität. 6. Es ist jetzt nicht der Augenblick, die Frage nach den sozialen Programmen der Kirche aufzugreifen. Für uns als Männer der Kirche ist es immer eine Freude, uns mit den Plänen der Menschen zu beschäftigen, weil wir den Menschen in der Fülle seiner Wahrheit und Würde sehen. Geschieht das bei anderen nicht, setzen wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dafür ein, daß seine Wahrheit und Würde wenigstens immer mehr geachtet wird. Wir tun das, ohne Furcht und ohne Abstriche zu machen, denn uns treibt immer „die Liebe, welche die Frucht vertreibt . . .“, und wir verkürzen auf keinen Fall das Gebot: „Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben“ (2 Joh 4, 18—21). Was aber die Äußerungen der Liebe angeht, so macht sie der Apostel Jakobus zum Imperativ des Glaubens an unseren Herrn Jesus Christus, bei dem es kein Ansehen der Person gibt. Wer keine Werke der Liebe übt, wer kein Mitleid hat mit den Ärmsten, dem gilt: „Das Gericht ist erbarmungslos gegen den, der kein Erbarmen gezeigt hat“ (Jak 2, 13). Im Lichte dieser Glaubensaussage ergeben sich leicht drei Richtlinien für eine Pastoral, die die soziale Lage jener ins Auge faßt, die Christus, den Erlöser der Menschen, erkennen und ihm begegnen möchten: Wahrheit, aktive Präsenz, Anteilnahme und Erbarmen. Zweifellos bleibt es erste Aufgabe der pastoralen Tätigkeit, das Evangelium zu verkünden. Evange-lisieren bedeutet aber auch, „das ganze Leben der Gesellschaft von innen her zu erneuern . . . Mit der Kraft des Evangeliums die Urteilskriterien zu ändern, die entscheidenden Werte und die wichtigsten Interessen, die Denkweisen, die anregenden Kräfte und die Vorbilder für das Leben der Menschen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 18 und 20). Bemerkt man Mißstände in einer Gesellschaft, erheben sich gleich Forderungen radikaler Art nach ihrer Neuordnung, so daß Wege zur Abschaffung dieser Mißstände gesucht werden, denn oft gründen diese im Mangel an Grundnahrungsmitteln, im Gesundheitswesen, im Schulbereich, bei Wohnung und Arbeit. Diese Forderungen aber bestimmen normalerweise u. a. die Politik für die Wirtschaft, den Sozialbereich, die Landwirtschaft, den Lohn, den Kredit, die Steuern. Mit Notmaßnahmen, Caritas, Wohltätigkeit und Hilfeleistungen kann man anregen, etwas in Gang setzen und entfalten, und das ist immer gut und verdienstvoll. Aber kann man damit die Grundprobleme lösen? 1424 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Eine Umgestaltung der Verhältnisse, die allen Strukturen des wirtschaftlichen Lebens Vorteil bringt, ist äußerst schwierig, und es gelingt nichts ohne einen echten Wandel der Herzen und des Willens, der dem Sturm der Gefühle gewachsen ist, die sich in der Tiefe jedes Menschen regen. Sie äußern sich vor allem in den Grundbedürfnissen nach mehr Besitz, mehr Macht und mehr Genuß, wobei nicht selten Freiheit mit persönlichem oder Gruppeninteresse verwechselt wird (vgl. Redemptor hominis, Nr. 16). Niemand besitzt auf wirtschaftlich-sozialem Gebiet den Schlüssel für alle Lösungen. Wir werden dazu mithelfen, daß vereint mit allen Menschen guten Willens jene Lösungen gesucht werden, die am meisten Abhilfe versprechen. Wir besitzen dazu das Privileg der Wahrheit und Gewißheit unseres Glaubens, was Christus, die Kirche und den Menschen betrifft; wir leben und bezeugen ihn als Aufforderung zu brüderlichem Zusammenleben und zur Sorge für das wahre Wohl unserer Nächsten. Der ganze Mensch also, geschaffen nach dem Bild Gottes und neu geschaffen aus Gottes Barmherzigkeit in der Erlösung, die Christus gewirkt hat, ruft uns zu: „Umsonst habt ihr empfangen, umsonst sollt ihr geben“ {Mt 10, 8). Stark und sicher in der Wahrheit, die wir überdies in unserem Inneren im Austausch mit dem austauschen, der sich selbst „die Wahrheit“ genannt hat (vgl. Joh 14, 6), können die Söhne der Kirche eine aktive Präsenz bieten und von ihrem Gewissen her im Konflikt zwischen Wahrheit und Irrtum Stellung beziehen. Es geht ihnen um eine Lebensauffassung, die die Transzendenz der menschlichen Person wahrt gegenüber anderen immanentistischen oder materialistischen Auffasungen vom Menschen, die sich besonders der Medien bemächtigen, zumal der Presse und der audiovisuellen. Die gleiche Präsenz und Beteiligung im Dienst der Wahrheit und für den Menschen in seiner transzendentalen Dimension ist in den Bereichen von Bildung und Erziehung erforderlich sowie in den Kulturzentren. Trotz aller Anstürme des moralichen Permissivismus oder der einfachen Anpassung an einen bequemen Relativismus, der unter dem Deckmantel der Freiheit oder im Namen von „Modeanschauungen“ sich breitmacht - vom Laizismus bis zum Säkularismus - bleiben einige Grundwerte heilig, und sie sind nicht nur ein unbestreitbares Erbstück der christlichen Moral, sondern auch einer schlicht menschlichen Moral und sittlichen Bildung, wie z. B. die Achtung vor dem menschlichen Leben vom Augenblick seiner Empfängnis an, oder die Achtung vor der Ehe und ihrer unauflöslichen Einheit, ferner die Achtung vor der Beständigkeit der Familie. Auf all diesen Gebieten gilt: Wenn die Früchte der geistigen Arbeit und 1425 AD-LIMINA -BESUCHE des guten Willens der Menschen nicht wirklich menschlich aussehen, werden sie leicht zu einer Bedrohung des Menschen, indem sie ihn allein lassen mit Fragen, die weder seine innere Ruhe noch seine Lebensfreude fördern. Hier darf ich nicht ein Wort der Wertschätzung unterlassen für euren Einsatz, zumal in eurer Radiostation und in euren Universitäten. Ihm gilt meine Sympathie, meine Unterstützung und Ermutigung, mit der Hilfe des Herrn immer noch mehr und Besseres zu leisten. 8. Neben Leben, Pflege und Verteidigung der Wahrheit muß die Kirche in aktiver Präsenz und Teilhabe am Leben der Gesellschaft jedem einzelnen ihrer Söhne heute mehr denn je einprägen, daß er Erbarmen zu üben hat, verstanden als „Lebensstil, als wesentliches und immerwährendes Kennzeichen der christlichen Berufung“, als Verwirklichung jenes „wahrhaft evangelischen Prozesses, der ... die Liebe als einigende und zugleich erhebende Kraft - allen psychologisch oder sozial bedingten Schwierigkeiten zum Trotz - zur Geltung kommen läßt“ (vgl. Dives in misericordia, 14). Ich kann jetzt nicht näher auf das eingehen, was ich in meiner Enzyklika Dives in misericordia anführte: „Das Erbarmen wird zu einem unerläßlichen Element, sollen die Beziehungen der Menschen zueinander vom Geist höchster Achtung des wahrhaft Menschlichen und gegenseitiger Brüderlichkeit geprägt werden“ (ebd. Nr. 14). Das Erbarmen muß aber nicht nur gelebt und bezeugt werden, wir müssen auch innig und beharrlich darum beten. Ja, das Gebet! Dieses Wort versetzt uns erneut nach Fatima: „Kraft der Erlösung sind Welt und Menschen geweiht und dem übereignet, der unendlich heilig ist. Sie wurden der Liebe selber, der barmherzigen Liebe aufgeopfert und anvertraut. Und wie sehr schmerzt uns alles, was in der Kirche und in einem jeden von uns sich dieser Heiligkeit und Weihe widersetzt! Wir schmerzt es uns, daß die Einladung zu Buße, Bekehrung und Gebet noch nicht jenes Echo gefunden hat, das sie verdient! Wie schmerzt es uns, daß sich viele dem Erlösungswerk Christi gegenüber so kalt verhalten!“ (vgl. Weiheakt in Fatima am 13. Mai 1982). Doch wir haben Vertrauen zu Maria und rufen sie weiter an. Das tue ich jetzt auch hier gemeinsam mit euch zum Abschluß meiner brüderlichen Worte, und ich möchte euch dadurch vor allem als meine geliebten Brüder stärken. Ich denke dabei an euer Land und an eure Diözesanen und wende mich weiter an alle lieben Söhne und Töchter in 1426 AD-LIMINA-BES UCHE Portugal, dem Ruf der Jungfrau der Botschaft zu folgen, erst recht im bevorstehenden Heiligen Jahr der Erlösung. „Unbeflecktes Herz Mariens, hilf uns, die Drohungen des Bösen zu besiegen, die sich so leicht in unseren Herzen als Menschen von heute einnisten, und die mit ihren unabsehbaren Auswirkungen bereits auf unserer Zeit lasten und die Wege in die Zukunft zu versperren scheinen . . . Möge sich erneut die unermeßliche Macht der barmherzigen Liebe offenbaren! Möge sich für alle in deinem unbefleckten Herzen das Licht der Hoffnung offenbaren!“ (Weiheakt in Fatima am 13. Mai 1982). Mit betendem Herzen und tiefer Verbundenheit in Christus erteile ich euch und all euren Gläubigen, die eurer Sorge als Diener Christi anvertraut sind, den Apostolischen Segen. Priester muß ein Mann des Gebets sein Ansprache an die Bischöfe aus Puerto Rico anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 24. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Durch eure Fünf Jahresberichte und die Gespräche, die ich mit jedem von euch führte, konnte ich mich mit den Problemen vertraut machen, die ihr in der Ausübung eures schweren Amts als Hirten eurer Ortskirchen habt. Es hat mich mit Befriedigung erfüllt zu wissen, daß ihr trotz Personalmangel und unzureichenden materiellen Mitteln und der daraus entstehenden Schwierigkeiten mit Gottes Hilfe beachtliche Ergebnisse in der Heiligung vieler Seelen erreicht habt, die euch anvertraut sind. Fast 500 Jahre nach Beginn der Evangelisierung auf eurer Insel empfange ich mit großer Freude die Nachfolger des ersten Bischofs, der nach Amerika kam, Don Alonso Manso. Die ununterbrochene Evangelisierung, die dieser hochverehrte Prälat begann, ist heute euch, die ihr alle Söhne Puerto Ricos seid, anvertraut. Und es freut mich zu sehen, daß der gleiche Geist eines Kirchenmannes, der den ersten Bischof beseelte, in euch lebt, die ihr vom Heiligen Geist eingesetzt seid, um die von mir so geliebte Kirche zu leiten. In diesem brüderlichen Treffen möchte ich euch auf einige Themen 1427 AD-LIMINA-BESUCHE hinweisen, die ich für sehr wichtig halte und die eure besondere Aufmerksamkeit verdienen. 2. Das erste Thema ist die Familie. Die ihr gewidmete Synode und mein apostolisches Schreiben Familiaris consortio blieben in Puerto Rico nicht unbeachtet und das von euch und euren Mitarbeitern für das besagte Dokument gezeigte Interesse, das in Predigten Studienlehrgängen, Exerzitien, Treffen und anderen Initiativen konkreten Ausdruck fand und die die Institution Familie stärken sollten, wird zweifellos sehr gute Ergebnisse bringen, die jetzt noch nicht überschaut werden können. Ich bitte euch, euren Mitarbeitern, den Priestern, Ständigen Diakonen, Ordensleuten und den engagierten Laien mitzuteilen, welche Freude der Hirte der ganzen Kirche über diese hochherzige Aufnahme des päpstlichen Lehramts empfindet. Ich weiß, daß die privaten und öffentlichen Kräfte, die in Puerto Rico gegen die Familie arbeiten, mächtig und äußerst destruktiv sind. Eure Vorgänger und ihr jetzt habt seit über 80 Jahren mit Zivilehe, Scheidungsgesetz und der sich daraus entwickelnden Scheidungsmentalität zu leben und fertig zu werden. Auf eurer Insel wird seit rund 50 Jahren Geburtenkontrolle durch unmoralische Mittel einschließlich Sterilisierung gefördert. Seit etwas über 10 Jahren ist auch die Schwangerschaftsunterbrechung legalisiert worden. Zweifellos ist die Lehre der Kirche keineswegs abgeschwächt oder verändert worden, um ihre Moral der sogenannten „Mentalität des modernen Menschen“ anzupassen. Das beweisen die von eurer Bischofskonferenz und den einzelnen Bischöfen herausgegebenen Dokumente. Ich fordere euch deshalb auf, die die Familie betreffende Lehre der Kirche weiterhin offen und klar zu lehren, die dieser Einheit eine besondere Bedeutung in der Gesellschaft und Kirche zuschreibt. Unterlaßt es hier auch nicht, die Lehren meines Vorgängers Paul VI. in all ihrem Reichtum und ihrer Vielfalt zu lehren, die in der Enzyklika Huma-nae vitae enthalten sind. Ermutigt die Priester, Ständigen Diakone, Ordensleute und Laien mit besonderen Fähigkeiten und Pflichten, euch zu helfen, eine Umgebung zu schaffen, in der die Heiligkeit der Familie hochgeachtet und geschätzt wird. 3. Auch die Berufungen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Mit Freude habe ich einen Fortschritt in diesem Bereich feststellen können, was sich in den steigenden Schülerzahlen in euren Diözesanseminaren und 1428 AD-LIMINA-BESUCHE den religiösen Ausbildungszentren, wie auch im Anwachsen der Kandidatenzahl für andere Formen des geweihten Lebens widerspiegelt. Es ist notwendig, daran zu erinnern, daß das Priesteramt für das Leben der Kirche unerläßlich ist und daß das geweihte Leben mit seinem ganzen Fächer an Charismen eine unverzichtbare Bereicherung ihrer Vitalität war, ist und sein wird. Ich weiß, daß ihr besonders eifrig die Förderung von Berufungen zum Priester, Diakon und Ordensleben unterstützt. Ebenfalls zufrieden bin ich mit den Gesprächen und Treffen, die eure Konferenz mit den Ordensleuten begonnen hat, um zusammen Dokumente gemeinsamen Interesses wie die „Mutuae relationes“ zu studieren. Ich fordere euch auf, diese Gespräche und Treffen weiterzuführen, um eine hochherzige und übernatürlich motivierte Zusammenarbeit zu erreichen, die all die vielfältigen Charismen in der Schaffung des Gottesvolkes zusammenfließen läßt. Ich weiß auch, daß jeder von euch versucht hat, wenigstens zeitweise einen Priester für die Förderung der Berufungen freizustellen. Obwohl ich diese wichtige Arbeit lobe und segne, so müßt ihr doch eurem Klerus klarmachen, daß die Priester, die eine Pfarrei leiten, selbst die wirksamsten Förderer der Berufungen sein müssen, weil sie viel mit jungen Leuten in Kontakt sind, die in ihnen, mit denen sie in der Pfarrei Zusammentreffen, das Priesterideal verwirklicht sehen (vgl. Presbyterorum ordinis, 11). 4. Die Fortbildung und das Gebetsleben des Klerus sind ein weiterer Punkt, über den ich kurz zu euch sprechen möchte. Denn die Priester sind berufen, ihr Amt der Wortverkündigung und der Spendung der Sakramente, der Begründung ihres Glaubens und ihrer Hoffnung und die Leitung der Seelen auf sicheren Wegen der Heiligung ständig auszuüben. Die treuesten Priester legten deshalb viel Wert auf das Studium der kirchlichen Wissenschaften und die Aneignung größeren Wissens, das zum Eindringen in die Tiefen der Menschenseele befähigt. Die „Wissensexplosion“, deren Zeuge wir heute sind, kann die Priester gegenteilig beeinflussen und sie davon überzeugen, daß eine gute kulturelle Ausbildung ihre eigenen Möglichkeiten übersteigt oder sie ihr Priesteramt aufgeben müssen, um sich ganz dem Studium zu widmen. Die Lösung liegt hier in der goldenen Mitte und in der Setzung von Prioritäten. An sich erwartet man von einem Priester, daß er in erster Linie ein „Lehrer im Glauben“ ist. Auf diesem Gebiet erwarten die Gläubigen von ihrem Priester eine besondere berufliche Kompetenz, und in diesem Bereich ist der Priester berufen, sie zu besitzen. 1429 AD-LIMINA-BESUCHE Ich bitte euch deswegen, die notwendigen Mittel zu finden, damit eure Priester ihre Kenntnisse des Gottesworts vertiefen und das notwendige Wissen erwerben können, das es ihnen erlaubt, die Botschaft der Erlösung und klare geistliche Richtlinien zu vermitteln. Seinerseits muß euer Klerus schnell und eifrig die von euch zur Verfügung gestellten Mittel gebrauchen, aber nicht aus dem einfachen Wunsch, Wissen zur Schau zu stellen, sondern als lebenswichtige Notwendigkeit für das Priesteramt. Periodisch abgehaltene Konferenzen für den Klerus waren immer ein vorzügliches Mittel, um notwendige Kenntnisse, die die Priester zu einer würdevollen und wirksamen Ausübung ihrer Pastoralarbeit brauchen, auf den letzten Stand zu bringen, und um unter dem Vorsitz des Diözesanbi-schofs Einheit in Lehre und Disziplin für die Ortskirche zu erreichen. Nichts deutet darauf hin, daß dieses Mittel in der heutigen Zeit an Aktualität und Wirksamkeit verloren hat. Der Priester muß überdies ein Mann des Gebets sein. Das fordert seine Taufe, sein Amt, das erwarten die Gläubigen, die ihre Priester unterstützen, damit diese für sie beten. Ich bin mir bewußt, daß die großen Anforderungen an die Zeit und Kraft des Priesters eine schreckliche Versuchung darstellen - der leider viele nachgegeben haben - für zweitrangige Aufgaben und einen sterilen Aktivismus das Gebet aufzugeben. Regt also eure Priester dazu an, in ihrem Gebetsleben zu wachsen! Versichert ihnen, daß dadurch die Seelsorge keineswegs an Wirksamkeit verliert, sondern vielmehr ihr Amt fruchtbarer wird (vgl. Presbyterorum ordinis, 13, 18). 5. Die katholischen Schulen sind ein weiterer wichtiger Bereich in eurer Pastoralarbeit. Ihr habt mit großen Anstrengungen katholische Grundschulen, höhere Schulen und Universitäten unterhalten und konntet dabei nur auf die Beitragszahlungen der Eltern hoffen. Wenn eure Schulen zahlenmäßig auch die staatlichen Schulen bei weitem nicht erreichen, so ist es in ihnen doch gelungen, Glauben und menschliches Wissen vorzüglich zu vereinen. In den Artikeln des neuen Kodex des kirchlichen Rechts könnt ihr eine Begründung eurer Verpflichtung für die katholische Schulen in dem Sinne finden, daß nicht nur die schon bestehenden Schulen zu unterhalten und zu verbessern sind, sondern auch dort, wo es keine gibt, im Rahmen des Möglichen solche eröffnet werden sollen. So können eure Mitarbeiter und auch die Eltern die wahrhafte Stellung der Kirche hinsichtlich des besonderen Werts dieser Lehranstalten im Leben der Kirche erfahren. Ich bitte Gott, daß eure Priester, Ständigen Diakone, Ordensleute und die 1430 AD-LIMINA-BESUCHE mit euch arbeitenden beruflich kompetenten Laien die notwendige vollständige Bereitschaft und Treue zum Lehramt zeigen, damit eure eigenen und die von euch als katholisch anerkannten Zentren nicht nur einfache Bildungsanstalten bleiben, sondern vielmehr wirkliche Mittel für eine moralische und evangelische Integration sind, wie sie die Kirche sich vorstellt. Der Geist echter Katholizität, der in eurer katholischen Universität spürbar herrscht, ist ein Grund zur Freude für euren Papst. Ich weiß, daß er Ergebnis einer jahrelang geführten, ernsthaften institutioneilen Suche war und ist, die darauf abzielte, die päpstlichen Weisungen, die in den Richtlinien des zuständigen Führungsorgans zum Ausdruck kamen, kennenzulernen und wirklich willig zu befolgen. Ich ergreife diese günstige Gelegenheit, um euch anzuregen, ein noch wirksameres Instrument der Evangelisierung in der Berufswelt und unter den Intellektuellen zu finden und zu gebrauchen, ohne den kontinuierlichen Evangelisierungsprozeß zu vernachlässigen, ohne den das erste Ziel nicht zu erreichen ist. Meines Erachtens verdienen zwei Ziele eurer Universität besondere Erwähnung und befinden sich in voller Übereinstimmung mit ihrem katholischen Charakter. Ich beziehe mich auf den sooft empfohlenen interdisziplinären Dialog, der dort und im Institut für die Soziallehre der Kirche Wirklichkeit geworden ist. 6. Liebe Brüder! Nach der Rückkehr in eure Diözesen werdet ihr die gleichen Probleme vorfinden, wie sie jeden wirklichen Pfarrer bedrücken. Ich kenne die Schwierigkeiten, mit denen ihr täglich kämpft, um euer dreifaches Amt: zu predigen, zu heiligen und zu leiten, vollständig zu erfüllen. Seid euch dabei aber bewußt, daß der Papst in seinen Gebeten oft an euch denkt und weiß, daß ihr ebenfalls für ihn betet. Ich empfehle euch der mütterlichen Fürsprache Unserer Lieben Frau von der Göttlichen Vorsehung. Durch euch möchte ich freundliche Grüße und einen besonderen Segen an eure Priester, Ständigen Diakone, Ordensleute und Laienmitarbeiter wie auch an alle eurer geistlichen Obhut anvertrauten Gläubigen überbringen lassen. 1431 AD-LIMINA -BESUCHE Begegnung mit der afrikanischen Kultur Ansprache an die Bischöfe des Tschad bei ihrem Ad-limina-Besuch am 3. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wenn ich euch hier gemeinsam empfange, möchte ich euch zunächst einfach sagen, wie sehr mich die Lektüre der Berichte bewegt hat, die ihr für diese Begegnung vorbereitet habt. Ich konnte so besser die Prüfungen verstehen, die eure junge Kirche im Tschad durchgemacht hat. Ich konnte auch besser ermessen, wie groß eure Sorgen, eure wiederholten Ängste, das Ausmaß eurer Mühen waren, der pastorale Eifer, der euch beseelt! Und ich darf in dieses Lob gleichermaßen eure Priester einschließen, die mit den Ordensleuten, Laienmissionaren und Katecheten eure Arbeit voll mitgetragen haben. Allen gilt daher die Anerkennung der Kirche und meine eigene. Die unter Lebensgefahr bewiesene Treue zu dem Volk, das der Herr euch anvertraut hat, ist ein Beispiel für das, was die Gnade Gottes in unseren armen Herzen wirken kann. Ich weiß, daß die Autoritäten des Landes wie auch eure vielen Freunde im Tschad, Christen und Nichtchristen, euch dafür dankbar sind, daß ihr bei ihnen geblieben seid, und jene Mitarbeiter, die zur Flucht gezwungen wurden, baldmöglichst zurückgekehrt sind. 2. Aus euren Berichten kann man auch die Hoffnungszeichen für die Zukunft der Kirche gut erkennen. Denn trotz der allgemeinen Disorganisation sind unsere Gemeinden lebendig geblieben und haben allen in der Drangsal moralische und materielle Hilfe geleistet. Wenn auch die Äußerungen des Heidentums am Leben bleiben, der Glaube hat sich erst recht in allen Prüfungen bewährt. Wenn ihr beklagt, daß die kirchlichen Strukturen noch weiterhin von westlichen Kirchen abhängen, so ist die Zahl der Priester- und Ordensberufe doch gewachsen, und die Jugendlichen zeigen Neigung zu den Studien; und die Mitglieder der Bewegungen, die ihr aufgebaut habt, sind aktiv. All das macht Schritt für Schritt euren Dienst leichter, denn hier wird euch in steigendem Maß und immer spontaner ein Teil Verantwortung abgenommen. Ich wollte kurz diese verschiedenen Dinge erwähnen, die Anerkennung verdienen, damit ihr nicht mutlos werdet angesichts der unermeßlichen Aufgabe, die euch angelastet ist. 1432 AD-LIMINA-BESUCHE 3. Diese Last bleibt in der Tat sehr schwer: zur sozusagen normalen Seelsorgsarbeit kommt die Notwendigkeit hinzu, für den moralischen, geistlichen und materiellen Wiederaufbau eurer Gemeinden in einem Land zu sorgen, das über die Zerstörungen des Krieges hinaus seit etwa zehn Jahren unter den katastrophalen Folgen einer fast endemischen Dürre leidet. Priester, Ordensleute und andere Menschen guten Willens müssen euch dringend zu Hilfe kommen. Was kann der Papst tun, um euch zu helfen? Er kann diese Begegnung benützen zu einem Aspekt, von dem ich hoffe, er möge weithin gehört und verstanden werden. Ich wünsche lebhaft, daß Priester, Ordensleute und auch Laien sich mit der Hilfe des Heiligen Geistes prüfen, ob sie nicht einige Jahre ihres Lebens opfern können, um Gott in euren Brüdern im Tschad zu dienen. Sie werden es nicht bereuen. Ich konnte in euren Fünfjahresberichten ja ebenfalls lesen, daß die Prüfungen die apostolischen Arbeiter mit euch und untereinander noch mehr verbunden haben, so daß sie innerhalb freier wurden und zugleich verfügbarer für die Bedürfnisse der Kirche. So können alle, die eure Reihen verstärken, sicher sein, in eine wahrhaft apostolische Gemeinschaft brüderlich aufgenommen zu werden, die arm und einfach und wahrhaftig ist. Möge der Herr euch so viele Kräfte zuführen, wie ihr braucht! 4. Muß ich noch hinzufügen, daß nach eurer und meiner Vorstellung dieser notwendige Rückgriff auf missionarische Hilfe nicht den dringenden Wunsch ausschließt, es möchten Priester- und Ordensberufe im Schoß der Jugend des Tschad heranwachsen. Diese Hoffnung wird konkret durch eure lobenswerte Sorge, Strukturen zur Aufnahme junger Berufe zu schaffen, durch das kleine Seminar oder andere geeignete Möglichkeiten. Ich möchte hier besonders eure Seminaristen ermutigen, die sich in Garoua oder anderswo auf ihren Dienst vorbereiten. Ich fordere sie auf, auf dem Weg des geistlichen Fortschritts sich eine intellektuelle Bildung anzueignen, die ihnen jetzt und vor allem später hilft, „mit der Kirche zu fühlen“ und sich über alles ein Urteil als Männer der Kirche im Vollsinn des Wortes anzueignen. So werden sie sich auch alle Anforderungen des Priestertums klar zu eigen machen, zumal den Zölibat als Zeichen ihrer Ganzhingabe an ihre Sendung als Verwalter der Geheimnisse Gottes. Denn die heiklen Probleme, die bei der Begegnung des Christentums mit der afrikanischen Kultur im Zusammenhang mit einer überwuchernden Modernisierung entstanden sind, verlangen, daß sie sich vom Wort Gottes und der Überlieferung der Kirche prägen lassen, die universalen Wert besitzen. 1433 AD-LIMINA -BES UCHE 5. Ich ermutige ferner aus ganzem Herzen die Studenten des Tschad, die trotz zahlloser Schwierigkeiten ihre Studien fortzusetzen suchen. Ich wünsche, daß ihnen dort, wohin sie zum Studium gehen, christliche Gemeinschaften begegnen, die sie verstehen und ihnen zu helfen wissen. Mit Recht weist ihr auch auf eure Sorge angesichts der Gefahr hin, die Christen könnten sich mit einem oberflächlichen Glauben und einer bequemen Moral begnügen. Andererseits habe ich mit Freude die Tatsache festgestellt, daß ihr da und dort die Bildung von Gruppen ermutigt habt, in denen die Gläubigen gemeinsam brennenden Glaubens Probleme erörtern können - z. B. die Begegnung mit dem Islam - wie auch Probleme der Moral, hier denke ich unter anderem an Alkoholismus und Korruption. In dieser Richtung gilt es weiterzugehen. Wenn Christen die Schwierigkeiten auf diesen Gebieten miteinander austauschen und darüber im Licht des Evangeliums nachdenken, werden sie einiger und stärker. Wenn sie sich geistig und moralisch entsprechend nachdrücklich einsetzen, werden sie gemeinsam allzu passive Haltungen anprangern können, den Ärmsten helfen und sogar Tendenzen ändern, die unabänderlich scheinen könnten. Dies setzt natürlich voraus, daß eure Priester ihre eigene geistliche Haltung wachsam überprüfen und sich nach der Qualität ihres liturgischen oder persönlichen Betens fragen. Sie müssen auch darauf achten, daß ihre Predigt bei aller notwendigen und häufigen Besinnung auf die Grundlagen des Glaubens zugleich all denen genügend Nahrung bietet, die für mehr empfänglich sind. 6. Abschließend möchte ich erneut die Wichtigkeit eurer vereinten Bemühungen unterstreichen, den Opfern der Dürre jene dringende Hilfe zukommen zu lassen, die sie brauchen, und ganz allgemein der Bevölkerung die Mittel für eine eigenständige Entwicklung zur Verfügung zu stellen. Ob es sich z. B. um das Graben von Brunnen handelt oder um Einführung von wirksameren Methoden für die Landwirtschaft, oder um die Einrichtung von Dorfapotheken, immer zielt euer Wirken auf das Wohl aller ohne Unterschied hin, und daher bringt es der Kirche mit Recht die Sympathie aller ein. Ich möchte hier hinzufügen, daß trotz allen technischen und materiellen Charakters dieser „Diakonia“, diese doch der Evangelisierung dient. Denn was würde die Verkündigung der Seligpreisungen des Evangeliums nützen, wäre sie nicht begleitet von selbstloser Liebe zu allen, vor allem den am meisten Hilflosen? Ich denke speziell an die letzteren, segne euch persönlich und mit euch alle eure unmittelbaren Mitarbeiter, die Priester, die Ordensmänner und 1434 AD-LIMINA-BESUCHE Ordensfrauen, die Katecheten, die Familien, und bis zu den kleinen Kindern all jene, die in der Liebe Christi verbunden sind und eure Gemeinden bilden. Möge der Friedensfürst dem ganzen Volk des Tschad auf seinem Weg zur Versöhnung und echten Freiheit beistehen, nach der es verlangt, damit so sein sozialer und geistlicher Fortschritt gesichert ist! Die Liebe Christi im Bußsakrament Ansprache an Bischöfe aus den Vereinigten Staaten bei ihrem Ad-limina-Besuch am 15. April Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Es ist mir eine große Freude, euch als erste Gruppe der amerikanischen Bischöfe bei Gelegenheit des Ad-limina-Besuchs in diesem Heiligen Jahr der Erlösung begrüßen zu dürfen. Ich möchte euch gleich sagen, wie eng ich mich mit den Gläubigen der Region New York, des Militär-Ordinariates und allen Gläubigen der Vereinigten Staaten verbunden fühle. Ich denke sehr oft an sie und bete für sie. Aber ich möchte vor allem meine geistliche Verbundenheit mit euch, meinen Brüdern im Bischofsamt, betonen. Ich bin sicher, daß ihr euch alle wie ich durch unsere heutige Begegnung gestärkt fühlt, weil wir in der Kraft des Heiligen Geistes die bischöfliche Kollegialität der Kirche ausüben. Ihr sollt darüber hinaus mit Fug und Recht wissen, daß ihr nicht allein arbeitet und euch abmüht. Ihr werdet vom Nachfolger des Petrus und dem gesamten Bischofskollegium unterstützt. 2. Heute möchte ich mit euch über unsere gemeinsame Sendung als Bischöfe nachdenken: nämlich Jesus Christus als den Erlöser und Versöhner der Menschheit zu verkünden. Ich möchte das im doppelten Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr der Erlösung und der kommenden Bischofssynode tun, die „Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche“ zum Thema hat. In meinem Brief vom vergangenen 25. Januar an die Bischöfe der Kirche betonte ich, daß diese beiden Ereignisse innerlich zusammengehören: „Versöhnung - so schrieb ich - ist ja nichts anderes als die Erlösung, die der Vater im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes jedem Menschen angeboten hat und auch heute noch jedem 1435 AD-LIMINA-BESUCHE Sünder anbietet, dessen reuevolle Rückkehr durch Umkehr er wie der Vater im Gleichnis des verlorenen Sohnes erwartet“ (Nr. 2). Die mit dem Heiligen Jahr verknüpfte Synode wird Wege zu einer wirksameren Verkündigung der durch die Erlösung bewirkten Versöhnung suchen und bei den Gläubigen Umkehr und Buße als Antwort auf Gottes Ruf anregen. Wir dürfen sicher sein, daß die Synode eine Fülle von Einsichten für ihre kollegiale Aufgabe mitbringen wird. Doch schon als Bischöfe sind wir täglich beauftragt, Versöhnung gemäß dem reichen apostolischen Erbe der Kirche zu verkünden. Uns ist wirklich nach den Worten des heiligen Paulus „der Dienst der Versöhnung aufgetragen“ (2 Kor 5,18). 3. Heute möchte ich euch gerade diesen Dienst der Versöhnung mit allem, was dazu gehört, zu bedenken geben. Wir sind wirklich berufen, die Versöhnung der Menschheit mit Gott zu verkündigen. Das bedeutet die Verlebendigung des Sinns für Gott, sein Wort und seine Gebote, für die Notwendigkeit des Ja zu seinem Willen als echtes Unterscheidungsmerkmal für menschliches Tun. Versöhnung zu verkünden bedeutet, wieder den Sinn für das, was Sünde ist, unter unserem Volk zu wecken; dies aber kann uns zu der Erkenntnis der Grundlagen menschlicher Verantwortung in den verschiedenen Bereichen wirtschaftlicher, sozialer, geschichtlicher, kultureller und politischer Übelstände hinführen. Wenn der Mensch seine Entfremdung von Gott einsieht, kann er zu verstehen beginnen, wie weit er auch zu seinen Brüdern und Schwestern und zur Schöpfung selbst in Gegensatz steht. Die Verkündigung kann dann ein wirksamer Aufruf zum Frieden zu werden. Versöhnung zu verkünden bedeutet, die Größe von Gottes Verzeihen sowie seine erbar-mungsvolle Liebe herauszustellen. Wenn wir einer Welt, die sich ihrer Sünde bewußt geworden ist, die Antwort der Erlösung anbieten, verkünden wir damit die Offenbarung der Gnade und die Botschaft der Hoffnung, die in „Christus Jesus, unserer Hoffnung“ (1 Tim 1.1) besteht. 4. Versöhnung zu verkünden bedeutet, im besonderen das Bußsakrament zu fördern. Wir betonen dabei die Bedeutung des Sakraments in seinem Verhältnis zur Umkehr, zu christlichem Wachstum und zur wahren Erneuerung der Gesellschaft, die ohne Vergebung der Sünden nicht geheilt werden kann. Unsere Aufgabe als Bischöfe ist, klarzustellen, daß sowohl die Ursünde wie die persönliche Sünde Grundlage aller Übel sind, die die Gesellschaft plagen, und daß ein ständiger Konflikt zwischen Gut und Böse, zwischen 1436 AD-LIMINA-BESUCHE Christus und Satan besteht. Es ist heilsam für unser Volk, sich klarzuwerden, daß es in den österlichen Konflikt - „Tod und Leben rangen in wundersamem Streit“ - einbezogen bleibt, aber gestärkt wird durch die Kraft des auferstandenen Christus. Nur wenn die Gläubigen die Sünde in ihrem eigenen Leben anerkennen, sind sie für das Verständnis der Versöhnung bereit, vermögen ihr Herz der Buße zu öffnen und die persönliche Umkehr zu vollziehen. Nur dann sind sie fähig, zur Erneuerung der Gesellschaft beizutragen, denn persönliche Umkehr ist zugleich der einzige Weg zu dauerhafter Erneuerung der Gesellschaft. Die persönliche Umkehr ist kraft göttlichen Gebotes innerlich mit dem Bußsakrament verknüpft. Es sind gerade fünf Jahre her, seit Papst Paul VI. zu den Bischöfen von New York bei ihrem letzten Ad-limina-Besuch sprach. Mit prophetischem Nachdruck betonte er die Wichtigkeit zur Umkehr wie auch ihr Verhältnis zum Bußsakrament. Er stellte damals fest: „Umkehr ist das Ziel, das durch unseren apostolischen Dienst erreicht werden soll; die Weckung des Bewußtseins von der Sünde, des Bewußtseins von der ewigen und tragischen Wirklichkeit der Sünde, ihrer persönlichen und sozialen Dimensionen, zugleich aber die Vergegenwärtigung der Tatsache, daß dort, wo die Sünde mächtig wurde, die Gnade übermächtig geworden ist!“ “ (Röm 5,20). Seine Sorge um die Umkehr und ihre verschiedenen sakramentalen Aspekte mache ich mir heute zu eigen. Seine Worte behalten ihre volle Bedeutung für die Kirche in den Vereinigten Staaten und in der ganzen Welt. Ich lege sie daher erneut eurem Hirteneifer und eurer Verantwortung nahe. Insbesondere forderte er eine Ermutigung der Priester durch die Bischöfe, dem Dienst des Bußsakramentes doch besondere Priorität zu schenken. Er sagte: „Wenn Priester wirklich begreifen, wie eng sie durch das Bußsakrament mit dem Erlöser in der Aufgabe der Bekehrung Zusammenarbeiten, werden sie sich mit immer größerem Eifer dieser Sendung hingeben. Zugleich werden den Gläubigen mehr Beichtväter zur Verfügung stehen. Man wird aus Zeitmangel andere Werke hintanstellen oder sogar aufgeben müssen - aber auf keinen Fall die Beichte.“ Unser Dienst als Priester und Bischöfe verlangen gewiß, daß wir uns berufen fühlen, die Sünder aufzusuchen, um sie zur Rückkehr in die Fülle der Liebe des Vaters aufzufordern. Laßt uns dabei die Hoffnung hochhalten und Erbarmen verkünden. Laßt uns gemeinsam mit unseren Priestern die Aufmerksamkeit der Gläubigen auf die Person Christi, des Erlösers, konzentrieren, der jedem einzelnen 1437 AD-LIMINA-BESUCHE persönlich verzeiht und ihn versöhnt. Laßt uns zum Ruhm des Vaters unsere Gläubigen zum Verständnis der großen Wahrheit ermuntern, daß „das Blut seines Sohnes uns von allen Sünden reinigt“ (1 Joh 1,7). Ja, hebe Brüder, laßt uns immer wieder den unermeßhchen Wert einer persönlichen Begegnung mit dem Gott der Gnade betonen, die in der Einzelbeichte geschieht. Laßt uns mit unserem Volk einen Lobeshymnus anstimmen auf „das Blut Christi, der sich kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat“ (Hebr 9,14). 5. Als er zur Gruppe der New Yorker Bischöfe sprach, griff Paul VI. ferner die Frage der Generalabsolution und ihrer richtigen Anwendung auf. Die Erfahrung der Gesamtkirche bekräftigt die Notwendigkeit, daß alle Bischöfe weiter pastoral wachsam sind. Der neue Kodex des kanonischen Rechts betont erneut den Ausnahmecharakter dieser Praxis und wiederholt, daß eine Generalabsolution nicht lediglich ins Auge gefaßt werden darf „allein aufgrund eines großen Andrangs von Pönitenten, wie es bei einem großen Fest oder einer Wallfahrt Vorkommen kann“: „Ratione solius magni concursus paenitentium, qualis haberi potest in magna aliqua festivitate aut peregrinatione“ (can. 961,1,2*). Ich möchte hier erneut euren Hirteneifer und eure kollegiale Sorge ansprechen, um sicherzustellen, daß diese Normen ebenso wie jene, die die Erstbeichte der Kinder regeln, recht verstanden und entsprechend angewandt werden. Die Reichtümer der Liebe Christi im Bußsakrament sind so groß, daß auch Kinder zu ihnen hingeführt werden müssen. Das geduldige Bemühen von Eltern, Lehrern und Priestern, das zur Vorbereitung der Kinder auf dieses Sakrament nötig wird, ist für die ganze Kirche von hohem Wert. 6. In diesem Heiligen Jahr der Erlösung möchte ich bitten, das ganze Seelsorgsprogramm auf das Bußsakrament zu konzentrieren und in die Praxis umzusetzen. Dazu gehört auch ein erneuter Einsatz der Katechese, damit das Sakrament ein dynamischer Faktor im Leben von jung und alt wird. Häufige Bußfeiern mit Einzelbeichte und Zusprechung von den Sünden werden für die Gläubigen eine große Hilfe zum besseren Verständnis der Wirklichkeiten von Sünde und Gnade bedeuten und ihnen zugleich die große Freude erfahrbar machen, Christus in einer Atmosphäre der Liebe, der Gnade und des Verzeihens begegnen zu dürfen. Die Verfügbarkeit von Beichtvätern - auf verschiedene Weise betont und mitgeteilt, z. B. in Kirchenblättern - kann den Gläubigen einen starken Anstoß geben, zur Beichte zu gehen, weil die Gnade Gottes schon in 1438 AD-LIMINA-BESUCHE vielen Herzen das Verlangen oder Bedürfnis nach diesem Sakrament geweckt hat. Es stimmt voll zu unserem priesterlichen und apostolischen Dienst, die Gläubigen oft zur Versöhnung mit Gott und der Gemeinschaft der Kirche einzuladen. Als Hirten müssen wir uns demütig unserer Schwächen und Sünden bewußt sein, und doch wurden uns nach Gottes barmherzigem Plan Charisma und Pflicht auferlegt, die Gläubigen zu Buße und Umkehr zu rufen und auf diesem Weg zu führen. Wie im Ordo paenitentiae erwähnt wird, ist die Feier des Bußsakramentes zu jeder Zeit und an jedem Tag gestattet (vgl. Nr. 12). Und doch paßt sie besonders in die Fastenzeit, um die Gläubigen auf eine gute Feier des Paschamysteriums vorzubereiten, dessen Gnade ihnen so wirksam in der Liturgie der Kartage nahegebracht wird. Gewiß müssen die Gläubigen ermutigt werden, ihre Sünden vor den letzten Tagen der Karwoche als geistliche Vorbereitung zu bekennen. Das wird zugleich die schwere Belastung der Beichtväter vermindern. Dennoch möchte ich bitten, daß die Bischöfe ihre Priester auffordern, alles mögliche zu tun, daß ihrem Eifer und ihrer Hochherzigkeit als Seelsorger entsprechend auch während der letzten Tage der Karwoche Beichten möglich bleibt. Unvermeidlich wird es Menschen geben, die trotz allem dieses Angebot der Gnade brauchen. Das hochherzige Opfer der Priester wird sie noch tiefer am Paschamysterium Anteil haben lassen und gewiß von Christus reichlich belohnt werden. Das Heilige Jahr ist ferner eine ausgezeichnete Zeit, unsere Leute zum Nachdenken über den reichen Gehalt des Vaterunsers zu bringen, insofern es ein Gebet der Versöhnung ist: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigem.“ Vielleicht macht das Heilige Jahr durch Gottes Gnade und unseren apostolischen Dienst die Kirche noch mehr zur versöhnenden und versöhnten Gemeinschaft, die aufmerksam das Wort Gottes hört als den Maßstab, nach dem der ganze „Dienst der Versöhnung“ vollzogen wird. 7. Wenn wir unseren Dienst der Versöhnung fortsetzen, laßt uns immer beide Aspekte der Rückkehr einer Person zu Gott beachten: das versöhnende Handeln Gottes und die Antwort des einzelnen durch Buße und Umkehr. Zweifellos erfordern Buße und Versöhnung eine große Anstrengung und sind zuweüen äußerst schmerzhaft. Zweifellos stellt das Wort Gottes hohe Forderungen, und manchmal ist der Mensch in konkrete Situationen verwickelt, die weit mehr als bloß menschliches Bemühen verlangen, nämlich demütiges und beharrliches Gebet. Und doch dürfen wir als Hirten die grenzenlose Macht der Gnade Christi nicht unter- 1439 AD-LIMINA-BESUCHE schätzen, noch dürfen wir auf der anderen Seite die Forderungen des Evangeliums ändern. Wir sind Jesus Christus, dem Guten Hirten, Rechenschaft schuldig für das echte Hirtenmitleid, das wir zeigen, und wir dürfen nicht überrascht sein, wenn die Welt fälschlicherweise Treue zum ewigen Wort Gottes gleichsetzt mit Gefühllosigkeit gegenüber menschlicher Schwäche. Die Erlösung berührt im Gegenteil die Herzen gerade durch die Offenbarung von Gottes Wort. Uns ist aufgetragen, ein prophetisches Beispiel der Versöhnung, Umkehr und Buße in unserem eigenen Leben zu geben, indem wir durch Wort und Beispiel zugleich verkünden, daß Jesus Christus der einzige Erlöser und Versöhner der Menschheit ist. Laßt uns, liebe Brüder, diesen Weg gemeinsam einschlagen, vereint mit Maria, der Mutter Jesu, und vereint miteinander wie mit dem weltweiten Episkopat. In dem großartigen Band der Kollegialität zwischen allen Bischöfen und dem Nachfolger des Petrus liegt Kraft für eure pastoralen Initiativen und eine wichtige Garantie ihrer übernatürlichen Wirksamkeit. Beim Dienst der Versöhnung, bei der Ausspendung des Geheimnisses der Erlösung im Bußsakrament ist übernatürliche Wirksamkeit nämlich von höchster Bedeutung. Seid überzeugt, liebe Brüder, daß, wenn wir zusammen handeln, der Herr Jesus sich uns offenbaren wird. Er wird uns immer mehr zu seiner Liebe bekehren. Und dann wird er uns als seine dienstwilligen Hirten verwenden, die der ganzen Welt die Erlösung bringen. Bedeutung der Sonntagsliturgie Ansprache an Bischöfe aus den Vereinigten Staaten bei ihrem Ad-limina-Besuch am 9. Juli Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Für mich bedeutet es eine große Freude, heute mit euch kollegial Zusammentreffen zu dürfen. Ihr kommt aus Diözesen, die sich über euer ganzes Land verteilen: von Baltimore, dem Primatialsitz der Vereinigten Staaten bis zu Fairbanks in Alaska. Mit euch bringt ihr die Hoffnungen und Erwartungen, die Freuden und Leiden einer großen Zahl von Katholiken in Amerika. Da uns die pastorale Verantwortung für eure Ortskirchen gemeinsam anvertraut ist, können wir sie gleichzeitig Jesus Christus 1440 AD-LIMINA-BESUCHE anvertrauen, dem obersten Hirten der gesamten Kirche. Ich bitte ihn, in euch allen durch die Kraft seiner Auferstehung die Hoffnung eurer Berufung zu festigen: eure Priester, Ordensleute und Laien zu stärken -das ganze Volk Gottes, dem ihr mit Hingabe, Opferbereitschaft und Liebe dient. Bei der Prüfung der zahlreichen wichtigen Punkte, die die Bischofskonferenz mir unterbreitet hat, und wofür ich euch danke, habe ich mir den Punkt, der die Feier des Sonntags betrifft, besonders vorgenommen. So möchte ich kurz mit euch diese wichtige Sache bedenken, vor allem die sonntägliche Eucharistiefeier. Ich bete darum, daß ihr eurerseits euer Volk in einer Sache stärkt, die ihr Leben als einzelne und als Gemeinschaft so tief berührt. In den ganzen Vereinigten Staaten gibt es eine ruhmvolle Geschichte der Beteiligung des Volkes an der Eucharistiefeier, wofür wir alle Gott danken müssen. 2. Für die gesamte Überlieferung der Kirche ist die sonntägliche Eucharistiefeier ein besonderer Ausdruck des Glaubens der Kirche an die Auferstehung Jesu Christi. In der Kraft des Heiligen Geistes ruft die Kirche ihre Gläubigen zusammen, um ihren Glauben an dieses Geheimnis zu verkünden, wie auch ihren Glauben an das Geheimnis „ihrer Geburt zur Hoffnung, die aus der Auferstehung Christi von den Toten ihr Leben bezieht“ (1 Petr 1.13). Die um die Eucharistiefeier aufgebaute liturgische Gemeinde war seit ihrem Ursprung in der Apostelzeit das besondere Kennzeichen dafür, wie die Kirche den Tag des Herrn begeht, und das Zweite Vatikanische Konzil hat die Bedeutung der Sonntagsmesse erneut betont (vgl. Sacrosanctum concilium, 106). Das Volk Gottes ist nämlich aufgerufen, jeden Sonntag das ganze Paschamysterium zu feiern und sich daran zu beteiligen: an Leiden, Auferstehung und Verherrlichung unseres Herrn. 3. Die Lebenskraft der Kirche hängt großenteils von der sonntäglichen Eucharistiefeier ab, in der das Heilsgeheimnis für das Volk Gottes gegenwärtig ist und Teil seines Lebens wird. Wie Lumen gentium es ausdrückt, will Gott uns als ein Volk retten und heiligen (vgl. Nr. 9), nie aber sind wir inniger Gemeinschaft als in der Sonntagsmesse. Hier baut die Eucharistie die Kirche auf und ist gleichzeitig „Zeichen der Gemeinschaft und Ursache ihres Wachstums“, wie ihr selbst in eurem Hirtenbrief „Lehren wie Jesus lehrte“ (Nr. 24) betont habt. Das ganze Leben der kirchlichen Gemeinschaft ist an die sonntägliche Eucharistiefeier gebunden. Hier betet Jesus Christus mit seinem Volk, das 1441 AD-LIMINA-BESUCHE mit ihm ein Volk wird, das dem Vater göttliche Ehre erweist und ihn „im Geist und in der Wahrheit“ anbetet (Joh 4,23). Der gottesdienstliche Aspekt ist wesentlich für das Verständnis der vollen Würde des Volkes Gottes. Jesus Christus stellt seine Brüder und Schwestern seinem Vater als „Gottesdienst feierndes Volk“, als liturgische Gemeinde vor. In dieser Rolle aber erfüllen sie das Anhegen jeder Liturgie, wie es das Zweite Vatikanische Konzil kraftvoll beschreibt: „Sie ist vor allem Anbetung der göttlichen Majestät“ (vgl. Sacrosanctum concilium, 33). Ich bin überzeugt, ehrwürdige und liebe Brüder, daß wir dem Volk einen bedeutsamen pastoralen Dienst leisten können, wenn wir seine liturgische Würde herausstellen und seine Gedanken auf den Gottesdienst hinlenken. Wenn unser Volk sich durch die Gnade des Heiligen Geistes bewußt wird, „ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm“ (1 Petr 2,9) zu sein, berufen, in Vereinigung mit Jesus Christus den Vater anzubeten und ihm zu danken, zieht es daraus eine unermeßliche Kraft für sein christliches Leben. Wenn ihm bewußt wird, daß es ein Lohn- und Sühnopfer besitzt, daß es zusammen ein Lob- und Sühnopfer besitzt, das es zusammen mit Jesus Christus darbringt; daß alle seine Bittgebete zu einem unendlichen Akt des betenden Christus vereint sind, dann faßt unser christliches Volk frische Hoffnung und neuen Mut. Gerade junge Menschen haben für diese Wahrheit besondere Aufgeschlossenheit gezeigt. 4. Wesentlich für die gesamte liturgische Erneuerung in diesem Jahrhundert ist der Grundsatz, den auch die Erfahrung bekräftigt, daß eine volle und aktive Beteiligung des ganzen Volkes an der Liturgie „die erste und unentbehrliche Quelle ist, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen sollen“ (Sacrosanctum concilium, 14). Wir alle — ihr wie ich — wissen aus eigener Erfahrung, wieviel unser Volk tun kann, wie bedeutsam sein christlicher Beitrag für die Welt wird, wenn unser Herr sein Leben berührt und es selbst in sein Opfer eingeht. Liebe Brüder, wir wollen weiter das Verständnis der Gläubigen und ihre Wertschätzung der Rolle fördern, die sie beim eucharistischen Gottesdienst spielen. Wir wollen uns ferner weiter dafür einsetzen, daß es wirklich zu jener vollen und tätigen Teilnahme kommt, die die Kirche von jedem erwartet, freilich immer gemäß den verschiedenen Aufgaben der einzelnen Glieder des einen Leibes Christi. 5. In diesen verschiedenen Rollen bei der Teilnahme an der Eucharistiefeier wird die Einheit des ganzen Leibes gesichert und die Würde eines 1442 AD-LIMINA-BES UCHE jeden geachtet. Für die Laien ist das eine Frage der Aktualisierung ihrer Berufung zum Gottesdienst, die mit ihrer Taufe und Firmung gegeben ist. Für die Priester geht es ebenfalls um die Erfüllung des unersetzlichen Dienstes, Christi Opfer in der Kirche gegenwärtig zu machen. Für alle Glieder der Kirche aber ist die Eucharistiefeier, zumal die am Sonntag, Quelle und Gipfel des christlichen Lebens. Alle Tätigkeiten unseres Volkes - all seine Bemühen, das Evangelium zu leben, für Christus Zeugnis zu geben und sein Wort in Familien und Gesellschaft in die Tat umzusetzen - empfangen Adel und Hilfe durch die Kraft der Eucharistie, zumal bei der Sonntagsfeier. Alles Streben der Laien, ihr Wirken in der Welt Gott zu weihen, findet Inspiration und herrliche Bestätigung im eucharistischen Opfer. Dabei macht die Teilnahme an der Eucharistiefeier nur einen kleinen Teil der Woche eines Laien aus, und doch hängt die ganze Wirksamkeit seines Lebens und alle christliche Erneuerung davon ab: Die Eucharistie ist die erste und unerläßliche Quelle echt christlichen Geistes! 6. Wenn wir die Teilnahme der Gläubigen am Wortgottesdienst und an der Eucharistie fördern, leisten wir einen hervorragenden Hirtendienst und fördern viele Aspekte des kirchlichen Lebens: Ehe und Familie werden gestärkt; die Evangelisierung gefördert; die Menschenrechte finden in der befreienden Botschaft Jesu ihre Bestätigung, die in der sakramentalen Erneuerung des Paschamysteriums voll verkündet wird. Durch die Verkündigung von Gottes Wort wird im christlichen Volk der Eifer für die Katechese genährt; Christus weckt neue Berufungen; die Gläubigen aber schöpfen Licht und Kraft, mit ihren menschlichen Problemen fertig zu werden, auch wenn diese sehr quälend und schwer sind. All das hebt die Bedeutung des Geheimnisses der hl. Eucharistie und seiner Feier für das Volk Gottes hervor. All das bestätigt die Bedeutung der Sonntagsliturgie für das Leben der Gemeinde. 7. Mit großem Nutzen erinnern wir uns ferner, daß das Zweite Vatikanische Konzil, wo es von der christlichen Erziehung spricht, als eines ihrer Ziele herausstellt: „Die Getauften . . . sollen lernen, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit. . . anzubeten“ (Gravissimum educationis, 2). Wie anderes christliches Tun zielt auch die Erziehung auf den Gottesdienst hin. 8. Ich möchte hier all eurer Bemühen unterstützen, den Gläubigen zu helfen, die Sonntagsliturgie entsprechend ihrer Würde als Christen zu 1443 AD-LIMINA-BESUCHE feiern. Möge das Volk Gottes in Amerika zu immer tieferer Überzeugung von der Heiligkeit des Tages des Herrn hingeführt werden. Trotz gewisser Wandlungen in der Gesellschaft und verschiedener Pressionen und Schwierigkeiten mögen sie weiter alles in ihrer Macht Stehende tun, die große in eurem Land gepflegte Überlieferung hochzuhalten, daß der Sonntag und die gebotenen Feiertage heilig sind. Mögen sich alle Gläubigen ihrer Auszeichnung bewußt werden, ein Teil der betenden Kirche zu sein und Gott sagen zu dürfen: „Deine Treue preise ich in großer Gemeinde“ (Ps 22,26). Neben der Eucharistiefeier tragen auch die übrigen Elemente der Sonntagsfeier — Stundengebet, Ausruhen und Freisein von Arbeit, Werken der Liebe und, wo möglich, religiöse Radio- und Fernsehprogramme - dazu bei, die Gesellschaft christlich zu prägen und den Menschen zu helfen, ihre Herzen zu Gott, dem Schöpfer und Erlöser aller Menschen, zu erheben. Liebe Brüder, seid gewiß, daß ich euch in der Liebe Christi ebenso wie all euren Brüdern im Priestertum nahe bin, die mit euch den pastoralen Dienst versehen und dem Volk Gottes immer mehr seine Würde als Volk des Gottesdienstes bewußt machen. Miteinander und mit den übrigen Bischöfen in Amerika und mit der ganzen Kirche wollen wir mit aller Kraft dahin wirken, unserem Volk in seinem hochherzigen Bemühen zu helfen, die apostolische Überlieferung der Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier unverändert beizubehalten. Viele weitere Überlegungen könnten diese Gedanken ergänzen. Laßt uns als Hirten vereint mit unserem Volk unermüdlich den Glauben der Kirche verkünden, der jeder sonntäglichen Eucharistiefeier zugrunde liegt: den Glauben an die Auferstehung unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus von den Toten. Auf ihn warten wir in freudiger Hoffnung, und im Namen des auferstandenen Jesus üben wir alle unseren bischöflichen, pastoralen und kollegialen Dienst aus. Gelobt sei Jesus Christus! 1444 AD-LIMINA-BESUCHE Die universale Disziplin der Kirche in Treue annehmen Ansprache an Bischöfe aus den Vereinigten Staaten bei ihrem Ad-limina-Besuch in Castel Gandolfo am 5. September Ehrwürdige und in unserem Herrn Jesus Christus geliebte Brüder! Die Erfahrung des ganzen nachkonziliaren Lebens der Kirche bestätigt geradezu, wie sehr die vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschte Erneuerung vom Dienstamt der Bischöfe abhängt: so wie dieses Dienstamt verstanden wird, so wird es ausgeübt. Als Bischöfe, die kollegial im Heiligen Geist versammelt sind, wollen wir nun gemeinsam einige Aspekte eures Dienstamtes bedenken. 1. Es ist klar, daß der Heilsplan der Menschwerdung Gottes durch uns als Diener und Hirten fortgeführt wird, da wir ausersehen sind, das Volk Gottes zur Fülle des Lebens zu führen, die in Jesus Christus, dem menschgewordenen Wort Gottes, gegeben ist. Die Kirche des menschgewordenen Wortes, in der alle Gnade durch die heilige Menschlichkeit des Gottessohnes gespendet wird, zu verstehen, heißt auch begreifen, wie wichtig es für jeden Bischof in seiner eigenen Menschlichkeit ist, ein lebendiges Zeichen Jesu Christi zu sein (vgl. Lumen gentium, Nr. 21). Wir, die wir mit dem Auftrag, Gute Hirten zu sein, ausgestattet sind, müssen ihn unserem Volk sichtbar machen. Wir müssen in ganz besonderer Weise auf den Ruf antworten, der aus allen Ecken der Welt ertönt: „Wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12, 21). Und die Welt will ihn in uns sehen. Die Wirkung unseres Bemühens, Jesus der Welt zu zeigen - die entscheidende Wirkung unserer ganzen pastoralen Führung -, hängt in hohem Grad von der Echtheit unserer Jüngerschaft ab. Unsere eigene Verbundenheit mit Jesus Christus bestimmt die Glaubwürdigkeit unseres Zeugnisses. Eben deshalb sind wir aufgerufen, die Rolle der Heiligkeit prophetisch auszuüben: den Stand der Heiligkeit, zu dem wir unser Volk hinzuführen bemüht sind, in unserem eigenen Leben vorwegzunehmen. Um in der Heiligkeit des Lebens ein lebendiges Zeichen Jesu Christi zu sein, erfahren wir Bischöfe die Notwendigkeit der persönlichen Umkehr — tiefer, anhaltender, erneuter Umkehr. Und ich, Johannes Paul II., euer Apostelgefährte und euer bischöflicher Bruder auf dem römischen Stuhl, fühle, wenn ich meinem Auftrag, meine Brüder zu stärken (vgl. 1445 AD-LIMINA-BESUCHE Lk 22, 32), voll nachkommen will, wobei ich mir meiner eigenen Schwäche und Sündhaftigkeit bewußt bin, die dringende Notwendigkeit, zu euch von der Umkehr zu sprechen - der Umkehr, zu der Jesus euch und mich auffordert. Und ihr eurerseits müßt, während ihr nach immer größerer persönlicher Umkehr verlangt, im Namen Jesu euer Volk zur Umkehr aufrufen, und das ganz besonders in diesem Heiligen Jahr der Erlösung. Ich betonte das in meiner Ansprache an die Bischöfe von New York im vergangenen April, und ich unterstrich seine besondere Bedeutung für die Ordensleute in dem Brief, den ich zu Ostern an die Bischöfe der Vereinigten Staaten richtete. Von diesem Aufruf, von dieser Einladung, von dieser Aufforderung zur Umkehr, die vom Herrn Jesus kommt, ist keiner von uns ausgenommen. Nur durch die Umkehr und durch die Heiligkeit unseres Lebens kann es uns gelingen, lebendige Zeichen Jesu Christi zu sein. Unsere ganze Menschheit wird nur dann mit Christus in Verbindung stehen, wenn wir in Einheit und Verbundenheit mit ihm leben, nur dann, wenn wir durch Umkehr „als neues Gewand den Herrn Jesus Christus anlegen“ (Röm 13,14). 2. Der Bischof ist insbesondere ein Zeichen der Liebe Jesu Christi: Er bringt allen einzelnen und Gruppen, welcher Richtung auch immer sie angehören mögen, in allumfassender Liebe die Liebe des Guten Hirten zum Ausdruck. Seine Liebe umfaßt die Sünder mit einer Ungezwungenheit und Natürlichkeit, die die Liebe des Erlösers widerspiegelt. Denen, die sich in Not, in Schwierigkeiten befinden und Schmerzen leiden, bietet er die Liebe des Verständnisses und des Trostes an. In einer ganz besonderen Weise ist der Bischof für seine Priester das Zeichen der Liebe Christi. Er bekundet ihnen gegenüber die Liebe der Freundschaft - so wie er sie einst von seinem Bischof erfahren hat -, einer Freundschaft, die Wertschätzung mitzuteilen versteht und durch herzlichen menschlichen Austausch einem Bruder im Priesteramt helfen kann, selbst Augenblicke der Entmutigung, der Traurigkeit oder Niedergeschlagenheit zu überwinden. 3. Als Zeichen der Liebe Christi ist der Bischof auch Zeichen des Erbarmens Christi, weil er Jesus, den Hohenpriester, vertritt, der mitfühlt mit der Schwäche des Menschen, der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat (vgl. Hebr 4,15). Das persönliche Sündenbewußtsein auf seiten des Bischofs, verbunden mit Reue und mit der vom Herrn erhaltenen Vergebung, macht sein menschliches Mitfühlen immer echter und glaubwürdiger. Aber das Mitgefühl und 1446 AD-LIMINA-BESUCHE Erbarmen, das er im Namen Jesu bekundet und lebt, darf für ihn niemals ein Vorwand dafür sein, Gottes barmherziges Sündenverständnis und seine Liebe zu den Sündern gleichzusetzen mit der Absage an die vollständig befreiende Wahrheit, die Jesus verkündete. Es darf also keinen Zwiespalt zwischen dem Bischof als Zeichen des Erbarmens Christi und als Zeichen der Wahrheit Christi geben. Eben weil er voller Mitgefühl ist und Verständnis für die Schwäche der menschlichen Natur und die Tatsache hat, daß ihre Bedürfnisse und Bestrebungen nur von der ganzen Wahrheit der Schöpfung und Erlösung befriedigt werden können, wird der Bischof furchtlos und eindeutig die vielen angefochtenen Wahrheiten unserer Zeit verkünden. Er wird sie mit pastoraler Liebe verkünden, mit Worten, die seine Hörer niemals unnötig verletzen oder befremden; doch er wird sie mit aller Klarheit verkünden, weil er um die befreiende Kraft der Wahrheit weiß. Folglich verkündet der mitfühlende Bischof die Unauflöslichkeit der Ehe, wie es die Bischöfe der Vereinigten Staaten taten, als sie in ihrem großartigen Hirtenbrief „To live in Christ Jesus“ schrieben: „Der christliche Ehebund zwischen einem Mann und einer Frau ist unauflöslich und unwiderruflich wie Gottes Liebe zu seinem Volk und Christi Liebe zu seiner Kirche.“ Der mitfühlende Bischof wird die Unvereinbarkeit des vorehelichen Geschlechtsverkehrs und der Homosexualität mit Gottes Plan bezüglich der menschlichen Liebe verkünden; und zugleich wird er sich mit aller Kraft bemühen, denen, die sich schwierigen moralischen Entscheidungen gegenübersehen, beizustehen. Mit gleichem Mitgefühl wird er die Lehre von Humanae vitae und Familiaris consortio in ihrer ganzen Schönheit verkünden und dabei die unpopuläre Wahrheit, daß die künstliche Geburtenkontrolle Gottes Gesetz widerspricht, nicht schweigend übergehen. Er wird sich für die Rechte der Ungeborenen, der Schwachen, der Behinderten, der Armen und der Alten aussprechen, wie auch immer die herrschende Volksmeinung diese Probleme beurteilen mag. Mit persönlicher Demut und pasto-ralem Eifer wird der Bischof bestrebt sein, nicht allein, sondern in Verbundenheit mit dem Weltepiskopat, die Zeichen der Zeit und ihre Anwendung auf die moderne Welt zu erkennen. Zusammen mit seinen Brüdern im Bischofsamt wird er darauf hinwirken, die Teilnahme aller Menschengruppen am Leben und an der Sendung der Kirche in Übereinstimmung mit ihrer tatsächlichen Berufung sicherzustellen. Dieser Eifer wird sich kundtun in der Förderung der Würde der Frau und aller berechtigten Freiheiten, die mit ihrer menschlichen Natur und ihrer Fraulichkeit vereinbar sind. Der Bischof ist aufgerufen, jeder Diskrimi- 1447 AD-LIMINA-BESUCHE nierung der Frau aus Gründen ihrer Geschlechtszugehörigkeit entgegenzutreten. In diesem Zusammenhang muß er sich gleichfalls bemühen, so zwingend als möglich klarzustellen, daß die Lehre der Kirche über den Ausschluß der Frau von der Priesterweihe keine Diskriminierung ist und mit Christi eigenem Plan für sein Priestertum zusammenhängt. Der Bischof muß seine pastorale Eignung und Führerschaft dadurch beweisen, daß er einzelnen oder Gruppen, die im Namen von Fortschritt, Gerechtigkeit und Mitgefühl oder aus irgendeinem anderen vorgeblichen Grund die Zulassung von Frauen zur Priesterweihe fördern, jede Unterstützung entzieht. Denn solche Personen oder Gruppen schaden durch ihr Tun in Wirklichkeit der Frauenwürde, die zu fördern und zu heben sie behaupten. Alle Bemühungen gegen die Wahrheit erweisen sich unweigerlich nicht nur als Mißerfolg, sondern lösen auch persönliche Frustration aus. Alles, was der Bischof tun kann, um diesem Fehlschlag und dieser Frustration durch Klarstellung der Wahrheit zuvorzukommen, ist nicht nur ein Akt pastoraler Liebe, sondern prophetischer Führerschaft. 4. Mit einem Wort, der Bischof als Zeichen des Mitgefühls ist zugleich Zeichen der Treue gegenüber der Lehre der Kirche. Zusammen mit seinen Brüdern im Bischofsamt und mit dem Römischen Papst steht der Bischof da als Lehrer des katholischen Glaubens, dessen Reinheit und Unversehrtheit durch die Anwesenheit des Heiligen Geistes in der Kirche garantiert wird. Wie Jesus verkündet der Bischof das Evangelium von der Erlösung nicht als menschliche Übereinkunft, sondern als göttliche Offenbarung. Seine ganze Verkündigung gründet sich auf Jesus, der sagt: „Ich sage nur das, was mich der Vater gelehrt hat“ (Joh 8,28). Der Bischof wird also zum Zeichen der Treue wegen seiner Teilnahme an dem besonderen pastora-len und apostolischen Charisma, mit dem der Geist der Wahrheit das Kollegium der Bischöfe ausstattet. Wenn dieses Charisma von den Bischöfen in kollegialer Einheit ausgeübt wird, dann erfüllt sich das Versprechen, das Christus den Aposteln gab: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16). Indem es die Autorität der Lehren der Bischöfe garantiert und den Gläubigen die Verpflichtung zum Gehorsam auferlegt, läßt das Versprechen Christi kristallklar erkennen, warum der einzelne Bischof ein Zeichen der Treue gegenüber der Lehre der Kirche sein muß. Und mit dieser wichtigen Aufgabe, das Evangelium in seiner ganzen 1448 AD-LIMINA-BESUCHE Reinheit und Kraft, mit all seinen Forderungen zu verkünden, nimmt der Bischof bereitwillig den apostolischen Auftrag an, mit dem Paulus den Timotheus betraute: „Ich beschwöre dich . . Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht; weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2). 5. Und weil bischöfliche Belehrung, die von einem Charisma verbürgt wird, nichts anderes sein darf als das auf das menschliche Leben angewandte Gotteswort, wird der Bischof für sein Volk zu einem Zeichen der Glaubensgewißheit. Dazu berufen, die Erlösung in Jesus Christus zu verkünden und die Herde erfolgreich zu diesem Ziel zu führen, gibt der Bischof den Gliedern des Gottesvolkes, die wissen, daß er sie anhören, ihre zahlreichen Einsichten in die Glaubenswahrheit annehmen und ihrem Leben keine unnötigen Lasten aufbürden wird, Sicherheit. Und doch wissen sie, daß die Lehre der Kirche, die er verkündet, viel mehr ist als menschliche Weisheit. Die Kirche weist durch ihre Bischöfe jeden Triumphalismus zurück; sie erklärt öffentlich, keine gebrauchsfertigen Lösungen für alle einzelnen Fragen bereitzuhaben, aber sie erhebt entschieden den Anspruch, das Licht der geoffenbarten Wahrheit - die über alles menschliche Meinen hinausgeht - zu besitzen, und sie arbeitet mit ganzer Kraft, damit dieses Licht des Glaubens die Erfahrungen der Menschheit erleuchten wird (vgl. Gaudium et spes, Nr. 33). 6. Dem Bischof, der dem Volk Gottes die Glaubensgewißheit und den daraus fließenden Frieden vermittelt, kommt eine besondere Rolle als Lehrer des Gebets zu. Wie eng ist die Rolle des Bischofs hier mit der Jesu verbunden, des Lehrers, der so eifrig dem Verlangen der Jünger nachkam, beten zu lernen. Es gibt sicher Millionen Stimmen, die sich aus jedem Winkel eurer vereinten Diözesen erheben und sich an euch wenden mit der Bitte: „Lehre uns beten“ (Lk 11,1). Mit derselben Antwort, die Jesus gab, erschüeßt ihr eurem Volk die unermeßlichen Schätze unseres Vaters, indem ihr sie in den Heilsdialog einführt, sie über das Geheimnis ihrer Gotteskindschaft belehrt und Zeugnis von der erlesenen Menschlichkeit des Gottessohnes gebt, der besser als irgend jemand sonst die Nöte und Sehnsüchte seiner Brüder und Schwestern kennt. Und durch sein eigenes persönliches Gebet wird der Bischof den Wert des Gebets in überzeugender Weise vermitteln und selbst immer mehr zu einem lebendigen Zeichen des betenden Christus werden, der alle seine pastoralen Initiativen, einschließlich der Wahl seiner Apostel, seinem Vater unterbreitet (vgl. Lk 6,12-13). 1449 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Die Auswahl der Bischöfe, der Nachfolger der Apostel, ist heute für die Kirche ebenso bedeutend wie die Auswahl der Zwölf für Jesus. Die Empfehlung und Auswahl jedes neuen Bischofs verdient eingehendes, von Gebet begleitetes Überlegen bei allen, die mit dem Prozeß der Kandidatenauswahl zu tun haben. Diesbezüglich fällt den Bischöfen selbst eine besondere Rolle dabei zu, diejenigen vorzuschlagen, die sie für die Geeignetsten halten, mit Gottes Hilfe lebendige Zeichen Jesu Christi zu sein: Priester, die sich bereits als Lehrer des Glaubens, wie er vom Lehramt der Kirche verkündet wird, bewährt haben und die sich „an das wahre Wort der Lehre halten“, wie es Paulus in seiner pastoralen Anweisung an Titus ausdrückt (vgl. Tit 1,9). Wenn in dieser nachkonziliaren Zeit, so viele Bischöfe ihr Hirtenamt niederlegen und vor ihren Herden Rechenschaft ablegen, ist es ein großer Trost für ihr Gewissen, sicher zu sein, daß sie dem Römischen Papst nur jene Priester als Kandidaten für das Bischofsamt vorgeschlagen haben, die wahre Hirten sein werden unter jedem Aspekt der einen pastoralen Sendung Jesu, das Volk Gottes zu lehren, zu leiten und zu heiligen. 8. Für den Kandidaten zum Bischofsamt ist es ebenso wichtig wie für den Bischof selbst, daß er ein Zeichen der Einheit der Universalkirche ist. Die Einheit des Bischofskollegiums durch die „collegialitas affectiva“ und die „collegialitas effectiva“ ist ein geeignetes Werkzeug, um der Einheit der Kirche Christi zu dienen. Niemals ist die Einheit der Ortskirche fester und sicherer, niemals ist das Amt des Ortsbischofs wirkungsvoller, als wenn die Ortskirche unter der pastoralen Führung ihres Bischofs in Wort und Tat den universalen Glauben verkündet, wenn sie für alle Nöte der Universalkirche liebevoll offen ist und wenn sie die universale Disziplin der Kirche in Treue annimmt. Der Bischof ist also dazu berufen, ein Zeichen katholischer Solidarität in der Ortskirche zu sein, die das Miniaturbild der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche ist, die in der Ortskirche wirklich und wahrhaftig gegenwärtig ist. 9. Aus all dem wird schließlich offenkundig, daß der Bischof, ein lebendiges Zeichen Jesu Christi, für sich den Titel beanspruchen und die Folgen der Tatsache akzeptieren muß, daß er wie Jesus Christus ein Zeichen des Widerspruchs ist. Trotz aller pflichtgetreuen Anstrengung, den Heilsdialog fortzusetzen, muß der Bischof Jungen und Alten, Reichen und Armen, Mächtigen und Schwachen die Fülle der Wahrheit verkünden, die mitunter irritiert und verletzt, auch wenn sie immer befreit. Die Gerech- 1450 AD-LIMINA-BESUCHE tigkeit und Heiligkeit, die er verkündet, stammen aus dieser Wahrheit (vgl. Eph 4,24). Der Bischof weiß, daß er „Jesus Christus, und zwar als den Gekreuzigten“ (1 Kor 2,2) verkünden muß, den Jesus, der gesagt hat: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ {Mt 16,24). Eben weil der Bischof auf die Verkündigung des Kreuzes nicht verzichten kann, wird er immer wieder gezwungen sein, sich der Kritik auszusetzen, seine Popularität zu opfern und sein Scheitern bei dem Versuch zuzugeben, eine für jeden annehmbare Übereinstimmung in der Lehre zu erreichen. Als ein lebendiges Zeichen Christi muß er mit Christi ein Zeichen der Treue und darum ein Zeichen des Widerspruchs sein. 10. Ehrwürdige und liebe Brüder, diese nur fragmentarischen Überlegungen sprechen zu uns von der Wirklichkeit des Bischofsamtes unseres Herrn Jesus Christus, an dem wir teilhaben. Ich biete sie euch an als Ausdruck unserer gemeinsamen Bemühungen und vielleicht bis zu einem gewissen Grad unserer gemeinsamen Fehler. Als euer demütiger und reuiger Bruder auf dem Stuhl Petri biete ich sie euch an als Herausforderung der Gnade in einem Augenblick der Gnade, einem Augenblick der Kollegialität und einem Augenblick brüderlicher Liebe. Ich biete sie eurer apostolischen Verantwortung an und eurer pastoralen Verantwortung gegenüber Jesus Christus, dem „obersten Hirten“ {1 Petr 5,4), und gegenüber mir, seinem Diener und Stellvertreter. Ich biete sie an als Ausdruck tiefer Dankbarkeit für das, was ihr seid und mit Gottes Gnade immer mehr zu werden strebt: in Christus ein Zeichen der Hoffnung für das Volk Gottes, so stark und unzerbrechlich wie das Zeichen des Kreuzes, das zu einem lebendigen Zeichen des auferstandenen Christus wird. Der auferstandene Christus, das menschgewordene Wort, verkündet durch sein und unser Menschsein das Geheimnis von der Erlösung in seinem Namen. Wenn ich mich heute von euch verabschiede, gehen meine Gedanken wieder zu einem Mann, der vielen von uns ein enger Freund ist, eurem und meinem Bruder im Bischofsamt, Kardinal Cooke. In seinem Leiden habe ich mit ihm gesprochen und ihm geschrieben, um ihm für das zu danken, was er in der Kirche Gottes gewesen ist — ein lebendiges Zeichen Jesu Christi, ein treuer Hirte und Diener seines Volkes, der für die Kirche lebte und bereit war, für sie zu sterben. Ein besonderer Freund, ja; ein hervorragendes Mitglied der Hierarchie der Vereinigten Staaten, ja; ein treuer Mitarbeiter des Hl. Stuhls, ja. Und doch nur einer der vielen heiligmäßigen amerikanischen Bischöfe, die leben und sterben, damit 1451 AD-LIMINA-BESUCHE Jesus Christus, der Gute Hirte, auch weiterhin sein Volk zur Neuheit des Lebens und zur Fülle der Erlösung führen kann. Liebe Brüder, es gibt keine tiefere Bedeutung in unserem Leben als Bischöfe, als lebendige Zeichen Jesu Christi zu sein! Möge uns Maria, die Mutter Jesu, helfen, diese Berufung ganz zu verwirklichen. ,, Gleicht euch nicht der Welt an!“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe Bischöfe aus den Vereinigten Staaten in Castel Gandolfo am 9. September In unserem Herrn Jesus Christus geliebte Brüder! Vor wenigen Tagen hatte ich die Freude, mit einer anderen Gruppe amerikanischer Bischöfe zusammenzutreffen. Dabei haben wir Überlegungen zum Bischofsamt angestellt, das wie die Kirche selbst ein Geheimnis ist, das in Jesus Christus und seiner rettenden Liebe zur Menschheit seinen Ursprung hat. Wir haben nachgedacht über die Berufung des Bischofs, ein lebendiges Zeichen des menschgewordenen Wortes, ein lebendiges Zeichen Jesu Christi zu sein. Heute möchten wir noch einmal die persönliche Rolle des Bischofs für die Lehre, Leitung und Heiligung hervorheben; seine besondere Verantwortung für die Übermittlung des Evangeliums und die einzigartige Aufgabe, die ihm als Baumeister einer Gemeinschaft der Kirche zukommt. Für die Liebe und den Eifer, mit dem ihr euren besonderen Dienst in der Kirche erfüllt, danke ich euch im Namen Christi, unseres Herrn. 1. Doch es gibt noch eine andere große kirchliche Wirklichkeit, die zu unserer Betrachtung über das Bischofsamt gehört, nämlich die Einheit des Priestertums Christi, an dem wir gemeinsam mit unseren Brüdern im Bischofsamt teilhaben. Ihnen sollen heute unsere Gedanken gelten -ihnen, unseren geschätzten und geliebten Mitarbeitern, die mit uns an einem Dienst und einer Sendung teilhaben, die von Christus kommt, zu Christus gehört und zu Christus hinführt. Und einmalig wie die Rolle des Bischofs ist auch das großartige Zeugnis einer einigen Priesterschaft in der Kirche. Einmalig ist auch jene wundervolle Brüderlichkeit der Priester, die um den Bischof versammelt ist und 1452 AD-LIMINA-BESUCHE zusammen mit ihm und unter seiner Leitung am Aufbau der Einheit der Kirche arbeitet, die aber diese Einheit bereits in der machtvollen und dynamischen Einheit priesterlicher Weihe und Sendung zum Ausdruck bringt. Einmalig ist auch die Tiefe der Verantwortung, in die sich der Bischof und seine Priester teilen. Für den Bischof sind die Priester Brüder, Söhne, Freunde, Berater und dringend benötigte Helfer bei der gewaltigen Aufgabe, Jesus Christus und die Erlösung in seinem Namen wirkungsvoll zu verkünden. Die Priester nehmen diese Rollen nicht nur als Einzelpersonen wahr, sondern die Priesterräte stehen dem Bischof in der pastoralen Leitung der Diözese in geeigneter Weise bei und sollen gemäß den Bestimmungen des neuen Kirchlichen Gesetzbuches gefördert werden (vgl. can. 395-502). 2. Wenn wir uns der Wirklichkeit des Priestertums zuwenden, müssen wir eine besondere persönliche apostolische Forderung erfüllen. Wir sind vor allem dazu aufgerufen, das Geheimnis des Priesteramtes als würdige Vorbilder für unsere priesterlichen Brüder zu leben. In dieser Hinsicht sagt unsere Feier der Eucharistie unseren Priestern wie der ganzen Welt sehr viel über unseren eigenen eucharistischen Glauben aus. Auch noch nach Jahren freudiger Erfahrungen im Zusammenhang mit einer Vielzahl von apostolischen Tätigkeiten können wir zurückblickend sagen, daß unsere größte Kraft und die tiefste Quelle der Freude für unsere Herzen die tägliche Feier der heiligen Messe gewesen ist, angefangen von den ersten Tagen nach unserer Priesterweihe. Und wir waren immer davon überzeugt, daß die Eucharistie unser wichtigster Dienst an der Kirche ist, unser größter priesterlicher Dienst am Volk und der tiefste Sinn jener wunderbaren Berufung, die wir mit unseren priesterlichen Brüdern teilen. 3. Erst gestern betonte die Kongregation für die Glaubenslehre, mit meiner Billigung, in einem Schreiben an die Bischöfe der Kirche die entscheidende Rolle des Priesters als Diener der Eucharistie. Nur das Priesteramt kann dem Gottesvolk die Eucharistie bieten. Und nur Priester haben die wunderbare Möglichkeit, dem Volk Gottes zu dienen, indem sie es mit dem Brot des Lebens versorgen. Dieses Dokument des Hl. Stuhles erhielt bereits am Tag seiner Veröffentlichung Unterstützung durch den Kommentar eines eurer Brüder im Bischofsamt. Mit folgenden Worten brachte er viel vom kirchlichen Verständnis des Priesteramtes zum Ausdruck: „Der priesterliche Dienst verlangt von uns viele Dinge: Predigt und Verkündigung des Wortes Gottes, die Verwaltung der Sakramente, Ermutigen, Trösten, dem Menschen in seiner Not 1453 AD-LIMINA-BESUCHE dienen, Dienst bei der Leitung der Kirche, die das Neue Testament unter den Charismen aufzählt, und eine Vielzahl anderer Dinge kraft des Sendungsauftrages, den wir von der Kirche erhalten. Das bedeutet natürlich, daß das Priesteramt nicht ausschließlich in der Feier der Eucharistie besteht. Und doch bedeutet es, wenn wir sorgfältig über den Glauben der Kirche an das wesentliche Band zwischen dem Weihesakrament und der Eucharistie nachdenken, daß die Feier der Eucharistie das Herzstück dessen bildet, was Priestersein bedeutet. Es bedeutet, daß der Priester irgendwie und endgültig seine Identität in diesem Band zwischen Priesteramt und Eucharistie findet“ (Hirtenbrief von Erzbischof John Quinn). Wenn wir uns also bemühen, dieses Geheimnis des Priesteramtes zu leben, haben wir die Aufgabe, die Bedeutung des Priestertums dem christlichen Volk gegenüber herauszustellen. Mit der Erläuterung der Beziehung zwischen Eucharistie und Priesteramt verkünden wir in der Tat das Geheimnis des Lebens der Kirche. 4. Ein weiterer Aspekt unserer apostolischen Aufgabe ist es, unsere Brüder im Priesteramt in ihrer Identität als Diener der Eucharistie und somit als Diener der Kirche zu stärken. In ruhigen Zeiten wie in Augenblicken der Krise müssen wir vor dem Volk und vor unseren Priestern die Prioritäten des Priesteramtes geltend machen. Jeder Bruder im Priesteramt ist mit uns nach den Worten des hl. Paulus dazu bestimmt, „ein Knecht Christi (zu sein), berufen zum Apostel, auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen“ (Röm 1, 1). Gerade bei der Verkündigung machen wir unsere gemeinsame Identität geltend und stärken unsere Brüder. Ja, wenn wir in die Anfangszeit zurückgehen, so war die von den Zwölf getroffene Wahl sehr klar. Die apostolischen Prioritäten für das Priesteramt, wie sie in der Apostelgeschichte formuliert werden, lauten: „beim Gebet und beim Dienst am Wort bleiben“ (Apg 6, 4). Quelle und Höhepunkt aller Evangelisierung 5. Das Zweite Vatikanische Konzil versäumte es nicht, beide Elemente für die heutigen Priester zu betonen. So erklärt es zum Beispiel mit aller Klarheit: „Der Dienst der Priester nimmt in der Verkündigung des Evangeliums seinen Anfang“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Zugleich legt das Konzil dar, daß der Dienst am Wort in der Eucharistie endet, die „Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation ist“ (ebdNr. 5). Ja, wenn wir die Zeichen der Zeit, sofern sie sich auf das Priestertum beziehen, 1454 AD-LIMINA-BESUCHE sorgfältig lesen, werden wir erkennen, daß die Eucharistie den Sinn des Priesteramtes und die Identität unserer Priester bestimmt. Das Konzil drückt sich klar und knapp aus. Sein Zeugnis ist sehr wichtig für die Erklärung der Bedeutung unseres Priesteramtes, für die Erhellung nachkonziliarer Fragen und theologischer Überlegungen. Hören wir es uns also alle wieder an, zusammen mit unseren Priestern. Es ist der Heilige Geist, der durch das Konzil zu uns spricht: „Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmüche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk unserer Erlösung vollzogen“ (ebd., Nr. 13). Es ist also kristallklar, heute und immer: Das Priestertum ist immer mit dem eucharistischen Opfer und mit dem Vollzug der Erlösung verbunden. Aber die Eucharistie steht auch in Beziehung zum Aufbau der Gemeinschaft. Auch hier können alle unsere Priester ihre göttliche Berufung und ihre menschlichen Bestrebungen erfüllen. Durch die Priester wird jede Ortsgemeinde in Glaube und Liebe und in Offenheit für die Universalkirche, deren Spiegelbild im kleinen sie ist, aufgebaut. 6. Im eucharistischen Opfer findet der Priester die Quelle für seine ganze Hirtenliebe (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 14). Die Spiritualität aller Welt- und Ordenspriester ist mit der Eucharistie verbunden. Hier gewinnen sie die Kraft, ihr Leben aufzuopfern zusammen mit Jesus, dem Hohenpriester und Opfer der Erlösung. Durch das eucharistische Opfer wird der Zölibat bestätigt und gestärkt. Vom Kreuz herab spricht der Herr Jesus zu allen seinen Priestern und lädt sie ein, mit ihm vor der Welt Zeichen des Widerspruchs zu sein. Die Bitte Jesu ist in die apostolische Überlieferung eingegangen: „Gleicht euch nicht dieser Welt an!“ (Röm 12, 2). 7. In jeder Epoche der Kirche gibt es viele wichtige Aktivitäten des priesterlichen Dienstes. Was aber könnte, nach der Eucharistie, größeres Gewicht haben als der „Dienst der Versöhnung“ (2 Kor 5, 18), wie er im Bußsakrament ausgeführt wird? Welche größere menschliche Erfüllung kann es geben, als Menschenherzen durch die Macht des Heiligen Geistes und im Namen des barmherzigen und mitfühlenden Erlösers der Welt zu rühren? Wie die Laien müssen auch unsere Priester bemüht sein, jeden Tag auf vielerlei Weise wichtige Dienste zu leisten, aber allein ihnen steht es zu, im Namen des Herrn Jesus Sünden zu vergeben. Und mit der Sündenvergebung ist für das Gottesvolk neues Leben und Hoffnung und Freude verbunden. 1455 AD-LIMINA-BES UCHE In Treue zu Christus, in dessen „Person“ er handelt, verwirklicht der Priester seine Identität und seine Sendung auch durch das Stundengebet, durch verschiedene Gebetsformen, durch das Lesen des Gotteswortes und durch die Aufopferung seines Willens, den er mit dem Willen Christi in Einklang bringt. Die besondere Liebe des Priesters wird immer den Kranken und Sterbenden, den Leidenden und Trauernden sowie den Sündern gelten. Für jeden Bischof und Priester gibt es jedoch ein Ideal -den, der gesagt hat: „Ich bin der gute Hirt. . ., und ich gebe mein Leben hin für die Schafe“ (Joh 10, 14-15). 8. Im Lichte dieses Grundsatzes werden viele andere Aspekte des Priestertums erhellt: Der Wert des Zölibats wird nicht so sehr als praktische Forderung, sondern als Ausdruck vollkommener Hingabe und Gleichgestaltung mit Jesus Christus verkündet. Ein Verständnis der Notwendigkeit für den Priester, mit voller menschlicher Verpflichtung und tiefem Mitempfinden die Aktivitäten auszuüben, die nur geweihte Priester tun können, bestätigt die Weisheit der Bischofssynode von 1971 im Hinblick auf die generelle Ausschließung von Priestern von weltlichen und politischen Aktivitäten. Es ist notwendiger denn je, daß „in der Regel der priester-liche Dienst eine hauptberufliche Betätigung sein soll“ (II. Teil, 2, a). 9. Liebe Brüder im Bischofsamt, da im Leben der Kirche so viel vom Dienstamt der Priester abhängt, wollen wir das Gottesvolk mobilisieren, für Berufe zu beten und zu arbeiten. Und wir wollen unsere priesterlichen Brüder dazu ermutigen, auf jede nur mögliche Weise zu helfen, damit sie dem Ruf Jesu Christi folgen, koste es, was es wolle. Der Herr der Ernte wird seine Kirche nicht im Stich lassen. 10. Bevor ich schließe, darf ich euch noch für den Eifer danken, mit dem ihr das zur Zeit in Amerika unter der Leitung von Bischof John Marshall durchgeführte Programm zur Visitation der Priesterseminare begrüßt und unterstützt habt. Es wird in meinem Auftrag, aber im Geist voller kollegialer Verantwortung durchgeführt. Deshalb lade ich euch ein, eure Seminare bereitwillig diesen Visitationen zu öffnen und alles für ihren Erfolg zu tun. Auf dem Spiel steht die erfolgreiche Ausbildung der heutigen und künftigen Priestergenerationen, so daß sie imstande sind, die Heilsbotschaft ganz rein und unversehrt weiterzugeben, wie es dem Gebot Christi entspricht: „Und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ {Mt 28, 20). Liebe Brüder im Bischofsamt, eines der großartigsten Mittel zum Aufbau 1456 AD-LIMINA-BESUCHE der Priesterschaft Jesu Christi ist die brüderliche Liebe - untereinander und mit unseren Priestern. Aber diese Liebe muß in aller Klarheit bekundet werden, damit unsere Priester ohne jeden Zweifel um die Wertschätzung und Solidarität wissen, die die Liebe in uns hervorbringt. Bei unseren täglichen pastoralen Kontakten mit ihnen wollen wir überzeugend in Wort und Tat wiederholen: Für euch bin ich Bischof, mit euch bin ich Priester. Gelobt sei Jesus Christus, der einzige Hohepriester unserer Erlösung. Und seine Mutter Maria möge unser aller Mutter sein! Aspekte des Ordenslebens Ansprache an Bischöfe aus den Vereinigten Staaten bei ihrem Ad-limina-Besuch am 19. September Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Kürzlich sprach ich zu anderen Gruppen amerikanischer Bischöfe über zwei wichtige Aspekte des großen Geheimnisses der Kirche: über das Bischofsamt und das Priesteramt. Heute möchte ich mit euch über ein anderes besonders Geschenk Gottes für seine Kirche nachdenken, nämlich das Ordensleben. Das Ordensleben ist so sehr ein Teil der Kirche und berührt so tief ihre Verfassung und Heiligkeit, daß es auch einen integralen Teil der Hirtensorge des Papstes und der Bischöfe bilden muß, die eine einzigartige Verantwortung für das ganze Leben der Kirche tragen und Zeichen ihrer Heiligkeit sein sollen. Wenn wir über das Ordensleben sprechen, reden wir von einer kirchlichen Wirklichkeit, die die Bischöfe kraft ihres Amtes angeht. 2. Die Kirche richtet an alle ihre Glieder, zumal aber an die Ordensleute, jederzeit den Ruf zur Umkehr, besonders in diesem Heiligen Jahr der Erlösung. Richtet sich dieser Ruf zur Bekehrung an die Ordensleute, so sind sie aufgefordert, sich die Fülle der Erlösungsgnaden anzueignen und zu immer treueren Zeugen der Erlösung zu werden. Damit werden sie zugleich immer echtere Vermittler der Erlösung für das Volk Gottes durch ihre eigene geistliche Lebenskraft, die in der Gemeinschaft der Heiligen ein übernatürlich wirksamer Kontakt mit der Erlösung wird. 1457 AD-LIMINA -BESUCHE Durch ihre Umkehr aber leben sie treuer die Einheit der Kirche vor, die ihrerseits Wirkung der Erlösung und Teilhabe an ihr ist. Aus diesem Grund schrieb ich an alle Bischöfe und bat um ihren besonderen pastoralen Dienst für die Ordensleute in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Heiligen Jahr der Erlösung. In diesem Brief führte ich aus: „Es ist meine echte Hoffnung, daß das Heilige Jahr der Erlösung für das Ordensleben wahrhaftig ein Jahr fruchtbarer Erneuerung in der Liebe Christi sein wird. Wenn alle Gläubigen - wie es der Fall ist - ein Recht auf die Schätze der Gnade haben, die ein Appell zur Erneuerung in der Liebe bietet, dann haben die Ordensleute besonderen Anspruch auf dieses Recht.“ Der ganze Nachdruck meiner Initiative galt dem Aufruf an die Ordensleute, die Tür ihres Herzens dem Erlöser weit aufzutun. Dazu schrieb ich: „Ich bitte euch, ladet alle Ordensleute in eurem Land in meinem Namen und in eurem Namen als Bischöfe, im Namen der Kirche und im Namen Jesu ein, diese Gelegenheit des Heiligen Jahres zu ergreifen, um als neue Menschen zu leben, in Solidarität mit allen Hirten und Gläubigen, auf dem für uns alle unerläßlichen Weg - dem Weg der Buße und Umkehr.“ 3. Diesem pastoralen Bemühen kommt solche Wichtigkeit zu, daß ihm nur der volle kollegiale Einsatz von seiten aller Bischöfe der Vereinigten Staaten gerecht wird. Damals versprach ich euch meine brüderliche betende Unterstützung. Ich setzte ferner eine Kommission unter Erzbischof John Quinn ein, deren Aufgabe es sein sollte, euch bei der Ausübung der Kollegialität zu unterstützen und eure pastorale Aufgabe zu erleichtern, dadurch, „daß sie den Ordensleuten eures Landes, deren Institute apostolischen Werken dienen, hilft, ihre kirchliche Berufung voll zu leben“. Ich bin der Kommission sehr dankbar für die Hochherzigkeit und den Eifer, mit dem sie an die Aufstellung eines geeigneten Programms gegangen ist, um den Bischöfen, die hier die Hauptverantwortung tragen, wirksam zu helfen. Als Richtlinien für die Kommission und für euch selber bei dieser wichtigen Aufgabe billige ich eine Zusammenstellung der wichtigsten Punkte aus der Lehre der Kirche über das Ordensleben, die von der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute vorbereitet war. Seitdem hatte ich ferner die erhoffte Gelegenheit, persönlich mit zahlreichen Bischöfen über das Ordensleben zu sprechen, mir ihre Gesichtspunkte anzuhören und von ihrem hingebungsvollen pastoralen Dienst für die Ordensleute zu lernen. Ich bin unserem Herrn Jesus Christus tief dankbar, daß diese Initiative von der Kommission und einzelnen Bischö- 1458 AD-LIMINA-BESUCHE fen eifrig aufgegriffen und als das betrachtet wurde, was sie ist, nämlich eine wichtige, äußerst wichtige Anwendung des Grundsatzes der Kollegialität, der ja vom Zweiten Vatikanischen Konzil so kräftig betont wurde. Als ich eurem pastoralen Eifer diese Initiative empfahl, war meine erste Absicht, die kollegiale Verantwortung für den Zustand des Ordenslebens zu bekräftigen, zumal es mit dem Geheimnis der Kirche und dem des Bischofsamtes innerlich verbunden ist. Ordensleute brauchen die Hilfe und Unterstützung der Bischöfe für ihr Leben als gottgeweihte Zeugen für die Heiligkeit Christi und den Primat Gottes. Eure kollegiale Zusammenarbeit stellt daher nicht nur ein Mittel dar, die Ordensleute allgemein zu stützen und ihnen bei der Lösung besonderer Probleme zu helfen, die ihr Leben unvermeidlich berühren. Sie bedeutet auch ein echtes Wirksamwerden der Kollegialität, ein echtes, das Leben prägendes Verhältnis zwischen dem Episkopat und den Ordensleuten. 4. Der kollegiale Dienst, den ihr als Bischöfe den Ordensleuten gerade innerhalb eurer bischöflichen Zuständigkeit leisten sollt, besteht vor allem darin, daß ihr die Berufung zur Heiligkeit verkündet, zur Erneuerung, Buße und Umkehr aufruft. Mit anderen Worten, ihr sollt im Namen des Erlösers den Aufruf des Heiligen Jahres weiter geben und um die größtmögliche Antwort der Liebe bitten. In meinem Brief an euch habe ich erwähnt, daß „dieser Aufruf besonders mit Leben und Sendung der Ordensleute verknüpft ist. . . er geht sie in ganz besonderer Weise an; er stellt an ihre Liebe besondere Forderungen und erinnert sie daran, wie sehr sie von Christus und seiner Kirche geliebt werden“. Diese Initiative pastoraler Sorge für die Ordensleute bildet einen Aspekt des großen Heilsdialogs, der mit der Erkenntnis von Gottes Liebe beginnt, die sich in der Menschwerdung zeigte, und führt zur Fülle des Heiles, die von dieser Liebe gewirkt wurde. Der ganze Heilsdialog zielt auf das volle Ja zur Person Jesu Christi und wird durch Gesinnungsänderung Wirklichkeit. Dabei bleibt der Vorgang für Ordensleute und Gläubige der gleiche: Im selben Augenblick, wo wir Bischöfe anerkennen, daß wir uns bekehren müssen, bittet der Herr uns, in Demut und Reue und doch mutig und furchtlos mit unseren Brüdern und Schwestern in Verbindung zu treten. Christus möchte sein Volk und die Ordensleute durch uns ansprechen und zur Umkehr aufrufen. Jeder Dialog hat die Umkehr des Herzens zum Ziel. 5. Es kann hier nicht meine Absicht sein, alle wesentlichen Elemente der Lehre der Kirche über das Ordensleben zu nennen, wie ich es in meinem 1459 AD-LIMINA-BESUCHE Brief und im Dokument der Kongregation getan habe. Ich bin überzeugt, daß ihr weiter über all diese Punkte nachdenken werdet, die ja aus authentischen Quellen stammen, damit ihr sie alle erklären und empfehlen könnt. Hier möchte ich nun einige Punkte unterstreichen, die innerlich mit dem Thema Umkehr und Heiligkeit des Lebens im Zusammenhang mit dem Ordensleben verbunden sind, aber ebenso zur pastoralen Verantwortung der Bischöfe gehören, „denen auch das Amt anvertraut ist, für die Ordenscharismen Sorge zu tragen, um so mehr als die Unteilbarkeit des Hirtenamtes sie dazu bestimmt, die ganze Herde zu vervollkommnen“ (Mutuae relationes, 9 c). Die Bischöfe müssen als Lehrer des Glaubens und Vertreter der Kirche, die Natur des Ordenslebens verkünden, weil die Kirche das Charisma der Ordensleute garantiert. Diese Verkündigung bedeutet zugleich eine Unterweisung für das Volk Gottes und eine Ermutigung für die Ordensleute selbst. Will man bestimmte Aspekte des Ordenslebens besonders bedenken, so bietet sich unmittelbar das Gebet an. Der neue Kodex des kanonischen Rechtes bestimmt, die erste und Hauptaufgabe aller Ordensleute sei die Betrachtung der göttlichen Dinge und die ständige Verbindung mit Gott im Gebet (can. 663, § 1). Daß Ordensleute im Gebet mit Gott verbunden sind, hat also Vorrang vor der Frage, welche Art von Tätigkeit sie ausüben. Der Gedanke an das Gebet wird erneut unterstrichen, weil er das Apostolat berührt. Der Kodex schärft ein, das Apostolat aller Ordensleute bestehe in erster Linie im Zeugnis ihres geweihten Lebens, das sie durch Gebet und Buße pflegen müssen“ (can. 673). 6. All dies sagt uns etwas sehr Tiefes über das Ordensleben. Es spricht zu uns vom Wert eines Lebens für Gott allein, einem Leben des Zeugnisses für sein Reich und der Weihe an Jesus Christus. Durch die Gelübde der Armut, der Ehelosigkeit und des Gehorsams weihen sich die Ordensleute Gott, indem sie persönlich alle Verpflichtungen aus ihrer Taufe bestätigen und bekräftigen. Noch wichtiger aber ist das Wirken Gottes, die Tatsache, daß Gott sie weiht für die Verherrlichung seines Sohnes; er vollzieht das aber durch Vermittlung der Kirche, die in der Kraft seines Geistes tätig wird. All das unterstreicht die Hochachtung, die wir Bischöfe den Ordensleuten schulden und dem unermeßlichen Beitrag, den sie für die Kirche in den Vereinigten Staaten geleistet haben. Dabei besteht dieser Beitrag mehr in dem, was sie sind, als in dem, was sie getan haben und tun. Wenn wir von 1460 AD-LIMINA-BESUCHE Ordensleuten sprechen, müssen wir sagen, ihre größte Würde besteht darin, daß sie persönlich von Gott berufene Menschen sind und sich durch Vermittlung seiner Kirche Gott geweiht haben. Der Wert ihrer Tätigkeit steht hoch, aber der Wert ihres Ordensdaseins hat noch höheren Rang. Daher besteht eine der Aufgaben des Bischofs darin, die Ordensleute an ihre Würde zu erinnern und vor dem Volk Gottes ihre Identität zu verkündigen. Dies schenkt der Laienschaft ein klareres Verständnis des Geheimnisses der Kirche, zu dem die Ordensleute so viel beitragen. 7. Die kirchliche Dimension ist absolut wesentlich für ein richtiges Verständnis des Ordenslebens. Ordensleute sind das, was sie sind, weil die Kirche ihre Weihe an Gott vermittelt und ihr Charisma als Ordensleute garantiert. Obwohl ihr vorrangiges Apostolat das Zeugnis bildet, ist unter Leitung des Diözesanbischofs eine Koordinierung sämtlicher Werke und Tätigkeiten zu pflegen, die für die Kirche durchgeführt werden (can. 680). Da der Wert der Weihe der Ordensleute an Gott und die übernatürliche Wirksamkeit ihres Apostolates von ihrer Verbindung mit der Kirche abhängt - deren Gesamtheit der pastoralen Sorge und Leitung durch die Bischöfe anvertraut ist (vgl. Apg 20,28) -, leisten die Bischöfe den Ordensleuten einen wertvollen Dienst, wenn sie ihnen helfen, ihre Verbindung mit der Kirche zu wahren und zu vertiefen und ihre verschiedenen Tätigkeiten mit dem Leben der Kirche abzustimmen. Ein fruchtbares Leben des Ordenscharismas setzt das treue Ja zum Lehramt der Kirche voraus, denn es ist ein Ja zur Wirklichkeit und Identität des mit dem Papst vereinten Bischofskollegiums. Das Bischofskollegium erfreut sich als Nachfolger des Kollegiums der Apostel der Leitung durch den Heiligen Geist. Auch heute noch gelten die Worte Jesu: „Wer euch hört, der hört mich, und wer euch ablehnt, der lehnt mich ab; wer aber mich ablehnt, der lehnt den ab, der mich gesandt hat“ (Lk 10,16). 8. Ehrwürdige und liebe Brüder, beim Dialog des Heils sprecht bitte zu den Ordensleuten von ihrer kirchlichen Identität und erklärt dem ganzen Volk Gottes, daß Ordensleute nur das sind, was sie sind, weil die Kirche in ihrer sakramentalen Wirklichkeit das ist, was sie ist. Unterstreicht auch bitte die besondere Rolle der Ordensfrauen: In der Kirche und weil sie die Kirche als Braut Christi personifizieren, sind sie berufen, treu, ausschließlich und beständig für Christus zu leben im Bewußtsein, daß sie den bräutlichen Aspekt der Liebe der Kirche zu Christus sichtbar machen dürfen. 1461 AD-LIMINA-BESUCHE Ferner, jeder möge sich klarmachen, daß das größte Mißverständnis des Ordenslebens und seines Charismas, zugleich die schwerste Beleidigung ihrer Würde und ihrer Personen von denen herkommt, die ihr Leben und ihre Sendung außerhalb der Verbindung mit der Kirche ansiedeln möchten. Ein Betrüger der Ordensleute ist jeder, der versucht, ihnen Lehren gegen das Lehramt der Kirche einzuflüstern, die sie in ihrer Liebe empfangen und in ihrer befreienden Wahrheit geboren hat. Das Ja der Ordensleute zur Wirklichkeit der Kirche und ihre lebendige Verbindung durch sie und in ihr mit Christus ist wesentliche Vorbedingung für die Lebenskraft ihres Gebetes, die Wirksamkeit ihres Dienstes an den Armen, aber auch für die Gültigkeit ihres sozialen Zeugnisses, die Qualität ihrer gemeinschaftlichen Beziehung, das Maß des Erfolges ihrer Erneuerung und die Garantie der Echtheit ihrer Armut und ihres einfachen Lebensstils. Und nur in voller Einheit mit der Kirche wird ihre Ehelosigkeit zu jener vollen und annehmbaren Hingabe, die dem Verlangen ihrer Herzen entspricht, sich selber Christus hinzuschenken und alles von ihm zu empfangen, um in seiner Liebe fruchtbar zu werden. 9. Liebe Brüder, wir wollen durch unser kollegiales Wirken, zumal im Heiligen Jahr der Erlösung, unsere Hirtenliebe den Ordensleuten der Vereinigten Staaten in besonderer Weise zeigen. Und wir wollen selber vorangehen auf dem Weg des Opfers und der Liebe, der Umkehr verlangt. Als Bischöfe müssen wir auch für diese und die kommenden Generationen sicherzustellen suchen, daß der hervorragende Beitrag der Ordensleute der Vereinigten Staaten zur Sendung der Kirche weitergeht. Was beim kollegialen Dienst unserer pastoralen Liebe aber vor allem erreicht werden soll, ist die Bestärkung der Ordensleute Amerikas in ihrem Charisma als Ordensleute, und daß sie damit immer mehr zum Ausdruck der Heiligkeit Christi im Geheimnis seiner Kirche werden. Mögen sie für Christus leben, wie Maria für Christus lebte in Entsagung, Opfer und miterlösender Liebe, um zu ergänzen, „was den Leiden Christi noch fehlt für seinen Leib, die Kirche“ (Kol 1,24). Die erste und grundlegende Pflicht, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zum Ordensstand ergibt, wird immer „die Betrachtung der göttlichen Dinge und ständige Verbindung mit Christus im Gebet“ sein (can. 663, § 1). Wir wollen uns endlich zum Nutzen aller die denkwürdigen Worte Paul VI. in Erinnerung rufen, die für alle Zeiten des Lebens der Kirche gelten: „Vergeßt nicht das Zeugnis der Geschichte: Die Treue im Gebet oder seine Unterlassung sind ein Muster für die Lebendigkeit oder den Verfall des religiösen Lebens“ (Evangelica testificatio, 42). 1462 AD-LIMINA-BESUCHE All dies ist Teil des Dienstes, in dem wir als Bischöfe das Geheimnis der Kirche leben und die Ordensleute ermutigen, die wir lieben, und für die wir leben und zu sterben bereit sind, danach zu streben, immer mehr „Gerechtigkeit Gottes“ (2 Kor 5,21) zu werden. Christliche Ehe und Familienleben Ansprache des Papstes beim Ad-limina-Besuch von vierzehn amerikanischen Bischöfen am 24. September In unserem Herrn Jesus Christus geliebte Brüder! 1. Es ist eine echte Freude für mich, euch zu diesem kollegialen Treffen willkommen zu heißen, zu dem wir im Namen Christi, der der „oberste Hirt“ (2 Petr 5,4) der Kirche und unser aller Herr und Erlöser ist, Zusammenkommen. Und da wir uns hier anläßlich eures Ad-limina-Besuches versammeln, möchte ich mit euch über einen der wichtigsten Bereiche unserer gemeinsamen pastoralen Verantwortung nachdenken: christliche Ehe und Familienleben. In der Pastoralkonstitution Gaudium et spes stellten die Bischöfe des Zweiten Vatikanischen Konzils fest, daß „das Wohl der Person sowie der menschlichen und christlichen Gesellschaft zuinnerst mit einem Wohlergehen der Ehe- und Familiengemeinschaft verbunden ist“ (Nr. 47). Wir alle sind uns mancher moderner Entwicklungen bewußt, die die Stabilität, wenn nicht gar das Bestehen der Familie zu bedrohen scheinen: eine Schwerpunktverlegung hin zum Wohlergehen des einzelnen, das über das Wohlergehen der Familie als sozialer Grundzelle der Gesellschaft gestellt wird, wachsende Scheidungsraten, sexuelle Permissivität, die Behauptung, daß andere Formen von Beziehungen Ehe und Famüie ersetzen könnten. Angesichts dieser Standpunkte und Haltungen haben wir den wichtigen Auftrag, die Frohbotschaft Christi über die christliche eheliche Liebe, die Identität und den Wert der Familie und die Bedeutung ihrer Sendung in der Kirche und in der Welt zu verkünden. Folglich bemerkte ich in Familiaris consortio, daß der Bischof in besonderer Weise Sorge für die Familie tragen müsse: „Dafür muß er Interesse, Fürsorge und Zeit aufbringen sowie Personal und Sachmittel einsetzen. Insbesondere ist jedoch sein persönlicher Einsatz für die Familien gefordert sowie für alle 1463 AD-LIMINA-BES UCHE jene, die ihm in den verschiedenen Strukturen der Diözese beim pastora-len Dienst an den Familien helfen“ (Nr. 73). 2. Diese pastorale Verantwortung beruht auf der Tatsache, daß das christliche Familienleben sich auf das Sakrament der Ehe gründet, die „ureigenste Quelle und Hilfe zur Heiligung für die Gatten und die christlichen Familien“ (ebd., Nr. 56). Es ist unsere Sache, zusammen mit unseren Priestern den Gläubigen den Reichtum der christlichen Lehre über das Ehesakrament darzustellen. Diese Lehre ist, wenn sie richtig erläutert wird, so mächtig und wirksam, stellt sie doch den Bund Gottes mit seinem Volk und die Verbundenheit Christi mit der Kirche dar. Es ist für christliche Ehepaare äußerst wichtig, sich der göttlichen Wahrheit bewußt zu sein, daß sie in ihrer durch die sakramental geschlossene Ehe erhabenen und geheiligten menschlichen Liebe jetzt „das Geheimnis der Einheit und der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche bezeichnen und daran Anteil bekommen“ (Lumen gentium, Nr. 11). Da die christliche Ehe Ausdruck für die Beziehung zwischen Christus und der Kirche ist, besitzt sie die Eigenschaften der Einheit, Dauer und Unauflöslichkeit, Treue und Fruchtbarkeit. Mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils verkünden wir: „Die innige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe in der Ehe, vom Schöpfer begründet und mit eigenen Gesetzen geschützt, wird durch den Ehebund, d. h. durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis, gestiftet. So entsteht durch den personal freien Akt, in dem sich die Eheleute gegenseitig schenken und annehmen, eine nach göttlicher Ordnung feste Institution, und zwar auch gegenüber der Gesellschaft“ (Gaudium et spes, Nr. 48). 3. Die wichtige Verantwortung der Ehepaare wird in Gaudium et spes und in Humanae vitae in Begriffen wie „Entwicklung der ehelichen Liebe“ und „Anstreben einer verantwortungsbewußten Elternschaft“ beschrieben. Grundlegend für die eheliche Beziehung ist die besondere Liebe zwischen einem Mann und einer Frau, die die Ehegatten einander schenken. Die Kirche verkündet diese eheliche Liebe als in hohem Maße menschliche Liebe, die das Wohl der ganzen Person einbezieht und beide, Mann und Frau, in ihrem christlichen Leben bereichert und adelt. Diese Liebe schafft eine besondere Einheit zwischen einem Mann und einer Frau, die der Einheit zwischen Christus und seiner Kirche gleicht. Gaudium et spes versichert uns, daß echte eheliche Liebe in die göttliche Liebe aufgenommen und durch die erlösende Kraft Christi und die Heilsvermittlung der Kirche beeinflußt wird. Die Folge ist, daß die 1464 AD-LIMINA-BESUCHE Ehegatten zu Gott hingeführt und in: ihrer hohen Aufgabe als Vater und Mutter unterstützt und gefestigt: werden (vgl. Nr. 48). Ehe ist auch auf den Aufbau einer Familie ausgerichtet. Die Ehegatten teilen mit Gott die Fortsetzung des Schöpfungswerkes. Eheliche Liebe wurzelt in der göttlichen Liebe, und ist als schöpferisch und lebenserhaltend zu verstehen. Durch die Vereinigung von Seele und Leib erfüllen die Ehepaare ihre Zeugungsaufgabe, indem sie ihren Kindern Leben, Liebe und ein Gefühl der Sicherheit schenken. Ihren Kindern das Leben, zu schenken und ihnen, durch die Erziehung zur Reife zu verhelfen, gehört zu den wichtigsten Vorrechten und Verantwortlichkeiten verheirateter Paare. Wie wir wissen, freuen sich Ehepaare normalerweise auf die Elternschaft, manchmal aber werden sie durch die sozialen Verhältnisse, durch persönliche Umstände oder gar durch die Unfähigkeit, neues Leben zu zeugen, an der Erreichung ihrer Hoffnungen gehindert. Aber die Kirche ermutigt die Ehepaare, hochherzig und hoffnungsfroh zu- sein und sich bewußt zu machen, daß Elternschaft ein besonderes Vorrecht darstellt und daß jedes Kind Zeugnis ablegt von der Liebe der Eheleute zueinander, von ihrer Hochherzigkeit und ihrer Offenheit gegenüber Gott. Sie müssen dazu ermutigt werden, das Kind als eine Bereicherung ihrer Ehe und als ein Geschenk Gottes an sie selbst und ihre anderen Kinder anzusehen. 4. Ehepaare sollten mit Besonnenheit und im Gebet ihre Entscheidungen über den Abstand der Geburten und der Größe ihrer Familie treffen. Bei diesen Überlegungen müssen sie auf die Lehre der Kirche über den gegebenen Zusammenhang zwischen den vereinigenden und den zeugenden Dimensionen des ehelichen Aktes achten (vgl. Humanae vitae, Nr. 12). Ehepaare müssen dringend dazu auf gef ordert werden, jede Handlung zu unterlassen, die ein bereits empfangenes Leben bedroht, die ihre Zeugungskraft verleugnet oder unterdrückt oder die Unversehrtheit des ehelichen Aktes verletzt. 5. Als Bischöfe seid ihr zusammen mit euren Priestern und anderen im Familienapostolat Tätigen aufgerufen, den Ehepaaren dabei behilflich zu sein, die Gründe für die Lehre der Kirche über die menschliche Sexualität kennenzulernen und zu verstehen. Diese Lehre kann nur im Lichte von Gottes Plan für die menschliche Liebe und Ehe im Bezug auf Schöpfung und Erlösung verstanden werden. Wir wollen unserem Volk immer wieder die erhebende und ermutigende Versicherung menschlicher Liebe vorlegen, indem wir ihnen sagen, daß „Gott der Menschennatur des 1465 AD-LIMINA-BESUCHE Mannes und der Frau die Berufung und daher auch die Fähigkeit und die Verantwortung zu Liebe und Gemeinschaft einprägt. Die Liebe ist demnach die grundlegende und naturgemäße Berufung jedes Menschen“ (Familiaris consortio, Nr. 11). Um jede Trivialisierung oder Entweihung der Sexualität zu vermeiden, müssen wir also lehren, daß die Sexualität über den rein biologischen Bereich hinausgeht und das innerste Sein des Menschen, der menschlichen Person als solcher betrifft. Sexuelle Liebe ist nur dann wahrhaft menschlich, wenn sie einen Wesensbestandteil der Liebe bildet, durch welche ein Mann und eine Frau sich bis zum Tod völlig aneinander binden. Diese völlige Selbsthingabe ist nur in der Ehe möglich. Diese Lehre, die sich auf das Verständnis der Kirche von der Würde der menschlichen Person und auf die Tatsache stützt, daß Geschlecht und Sexualität ein Geschenk Gottes sind, muß den verheirateten und den verlobten Paaren, ja der ganzen Kirche mitgeteilt werden. Diese Lehre muß jeder Sexualerziehung zugrunde gelegt werden. Sie muß den Eltern bekannt gemacht werden, denen, die Hauptverantwortung für die Erziehung ihrer Kinder obliegt, und ebenso den Pfarrern und Religionslehrern, die in der Erfüllung dieser Verantwortung mit den Eltern Zusammenarbeiten. 6. Ein besonderer und wichtiger Teil eures Dienstes an den Familien betrifft die natürliche Familienplanung. Die Zahl der Ehepaare, die von den natürlichen Methoden erfolgreich Gebrauch machen, ist ständig im Steigen begriffen. Aber es bedarf noch einer wesentlich einvernehmlicheren Anstrengung. Wie in Familiaris consortio festgestellt wurde, „muß die kirchliche Gemeinschaft zur gegenwärtigen Zeit die Aufgabe übernehmen, Überzeugungen zu wecken und denen konkrete Hilfen anzubieten, die ihre Vater- und Mutterschaft in einer wirklich verantwortlichen Weise leben wollen . . . Das bedeutet einen umfassenderen, entschlosseneren und systematischeren Einsatz dafür, daß die natürlichen Methoden der Geburtenregelung bekannt, geschätzt und angewandt werden“ (Nr. 35). Diejenigen Ehepaare, die sich für die natürlichen Methoden entscheiden, erkennen den tiefen anthropologischen wie moralischen Unterschied zwischen künstlicher Empfängnisverhütung und natürlicher Familienplanung. Sie können freilich auf Schwierigkeiten stoßen; ja, sie machen nicht selten eine Art von „Bekehrung“, von geistiger Wandlung durch, wenn sie mit dem Gebrauch der natürlichen Methoden vertraut werden, und sie bedürfen sachkundiger Anleitung, Ermutigung und pastoraler Beratung und Unterstützung. 1466 AD-LIMINA-BESUCHE Wir müssen sehr viel Einfühlungsvermögen aufbringen für ihr inneres Ringen und die Not (die Schwierigkeiten), die sie durchmachen. Wir müssen sie dazu ermutigen, ihre Bemühungen hochherzig, voll Vertrauen und Hoffnung fortzuführen. Als Bischöfe haben wir das Charisma und die pastorale Verantwortung, unserem Volk den einzigartigen Einfluß bewußt zu machen, den die Gnade des Ehesakraments auf jeden Aspekt des ehelichen Lebens, einschließlich der Sexualität, hat (vgl. Familiaris consortio, Nr. 33). Die Lehre der Kirche Christi ist nicht nur Licht und Kraft für das Volk Gottes, sie erhebt auch ihre Herzen in Fröhlichkeit und Hoffnung. Eure Bischofskonferenz hat ein eigenes Programm festgelegt, um die Bemühungen in den verschiedenen Diözesen auszuweiten und zu koordinieren. Doch der Erfolg einer solchen Bemühung erfordert das ständige pastorale Interesse und die Unterstützung jedes Bischofs in seiner Diözese, und ich bin euch zutiefst dankbar für alles, was ihr in diesem wichtigen Apostolat leistet. 7. Die Familie wird mit Recht als die Hauskirche beschrieben. Als solche vermittelt sie den Glauben und das christliche Wertesystem von einer Generation auf die nächste. Eltern sind aufgerufen, sich an der Erziehung ihrer Kinder zu jungen Christen aktiv zu beteiligen. Die Familie ist auch das Zentrum der sakramentalen Katechese. Mehr und mehr werden Eltern dazu aufgerufen, eine aktive Rolle bei der Vorbereitung ihrer Kinder auf Taufe, Erstbeichte und Erstkommunion zu übernehmen. Ehepaare beteiligen sich auch an Programmen der Ehevorbereitung. All das betrifft die Rolle der Familie in ihrer Teilnahme am Leben und der Sendung der Kirche. Wir sollten mit ganzem Herzen das Gebet in der Familie und das sakramentale Leben der Familie, das sich um die Eucharistie konzentriert, ermutigen. Denn die Lebenskraft erwächst der christlichen Familie aus ihrer Verbundenheit mit Christus im Leben der Gnade, das durch die Liturgie und das Gebet der Familie genährt wird. 8. Die christliche Familie hat auch die Pflicht, an der Entwicklung der Gesellschaft teilzunehmen. Als Bischöfe in den Vereinigten Staaten habt ihr eine lange Geschichte eines hingebungsvollen Dienstes an Familien mit besonderen Bedürfnissen, insbesondere durch die Organe eures Sozialdienstes. Eure Diözesanorgane haben auch eine besondere Sorge für die Armen, für rassische, ethnische und kulturelle Minderheiten bewiesen. 1467 AD-LIMINA-BES UCHE Aber wie die Bischofssynode von 1980 dringend forderte und wie auch in Familiaris consortio betont wurde, „muß sich der gesellschaftliche Auftrag der Familie auch in Formen politischen Handelns äußern, das heißt, die Familien müssen als erste sich dafür einsetzen, daß die Gesetze und Einrichtungen des Staates die Rechte und Pflichten der Familie nicht nur nicht beeinträchtigen,rsondern positiv stützen und verteidigen“ (Nr. 44). Eure Bisehofskonferenz hat diese Rolle gewissenhaft gefördert: durch ihre Aktion für das Leben und besonders durch das jährliche „Programm der Achtung vor dem Leben“, das für das laufende Jahr in derikommen-den Woche beginnt. 9. Die pastorale Herausforderung ist groß, und sie verlangt eure ständige persönliche Führung, die Mitarbeit von Priestern und Ordensleuten und den hochherzigen, hingebungsvollen Einsatz der katholischen Laienschaft, besonders der Familien. In einem so riesigen Land wie dem euren ist diese Aufgabe sehr umfassend. Aber :ich lege euch noch einmal die Empfehlungen von Familiaris consortio ans Herz, nämlich, daß die Bischofskonferenzen einen Leitfaden für Familienpastoral herausgeben sollen, in dem der Inhalt für Ehevorbereitungskurse enthalten ist, und daß Priester und Seminaristen eine Spezialvorbereitung für die seelsorgliche Arbeit mit Familien erhalten sollen. Eben deshalb wurde an der Päpstlichen Lateranuniversität ein eigenes Institut zum Studium von Ehe und Familienleben errichtet. Ich weiß durchaus um eure vielen anderen pastoralen Verantwortlichkeiten und Sorgen, aber ich bin von meinen Pastoraireisen her tief überzeugt von der Lebenskraft des christlichen Familienlebens, selbst angesichts so vieler Spannungen und Schwierigkeiten. Ich bitte euch dringend, der Familie ganz besondere Liebe und Sorge zu erweisen, bei der Förderung des Familienlebens mit anderen zusammenzuarbeiten und eurem Volk beständig zu verkündigen, daß „die Zukunft der Menschheit über die Familie geht“ (Familiaris consortio, Nr. 86). 10. Wir können einfach nicht das moderne Streben nach übertriebenem Wohlstand und Bequemlichkeit akzeptieren, denn als Christen müssen wir die nachdrückliche Ermahnung des hl. Paulus beachten: „Gleicht euch nicht dieser Welt an“ (Röm 12,2). Wir müssen erkennen, daß wir in unserem Kampf, die negativen Einflüsse der modernen Gesellschaft zu überwinden, mit Christus, dem Herrn, gleichgesetzt werden, der durch sein Leiden und seinen Tod die Welt erlöst hat. So können wir unserem Volk besser die Botschaft des Zweiten Vatikanischen Konzils mitteilen, 1468 AD-LIMINA-BESUCHE daß die Ehegatten, „Christus, dem Ursprung des Lebens, folgend, in den Freuden und Opfern ihrer Berufung durch ihre treue Liebe Zeugen jenes Liebesgeheimnisses werden, das der Herr durch seinen Tod und seine Auferstehung der Welt geoffenbart hat“ (Gaudium et spes, Nr. 52). Ja, liebe Brüder, Ehe und Familie sind aufs engste mit dem Ostergeheimnis des Herrn Jesus verbunden. Und die menschliche eheliche Liebe bleibt für immer ein großartiger sakramentaler Ausdruck der Tatsache, daß „Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25). In der Kraft des Heüigen Geistes wollen wir dieses Geschenk von Gottes Wahrheit der Welt mitteilen. Die Verkündigung dieser Wahrheit ist unser Beitrag an die Ehepaare; sie ist der Beweis unserer pastoralen Liebe für die Familien; und sie wird die Quelle einer ungeheuren Lebenskraft für die Kirche Gottes in dieser Generation und für die kommenden Generationen sein. Laßt uns mit Entschlossenheit, voll Zuversicht und Hoffnung die Frohbotschaft Christi für die eheliche Liebe und das Familienleben verkündigen. Und möge uns Maria, die Mutter Jesu, bei dieser apostolischen Aufgabe beistehen. Bischöfe „inmitten der Gläubigen“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch amerikanischer Bischöfe am 22. Oktober In unserem Herrn Jesus Christus geliebte Brüder! 1. Vor einigen Wochen habe ich bei einem anderen Ad-limina-Besuch über verschiedene Aspekte der Identität des Bischofs als eines lebendigen Zeichens Jesu Christi im Zusammenhang mit der Sakramentalität der Kirche gesprochen. Ich möchte nun in diesem allgemeinen Thema fortfahren, indem ich mit euch Betrachtungen über die Rolle des Bischofs als Diener des Wortes Gottes, als „Diener des Evangeliums“ (Eph 3,7) anstelle. Denn in der Tat macht der Bischof als Diener des Wortes Gottes und als einer, der in der Macht des Heiligen Geistes und durch das Charisma seines bischöflichen Amtes handelt, der Welt Christus kund, macht Christus in der Gemeinde gegenwärtig und teilt allen, die ihr Herz weit aufmachen, Christus in wirksamer Weise mit. 1469 AD-LIMINA-BESUCHE Als Diener des Evangeliums ist der Bischof ein lebendiger Ausdruck Christi, der als das menschgewordene Wort selbst die höchste Offenbarung und Mitteilung Gottes ist. Der Dienst des Wortes bestimmt klar unsere Identität als Diener Jesu Christi, die zu Aposteln berufen sind, „auserwählt, das Evangelium Gottes zu verkündigen“ (Röm 1,1). Durch Verkündigung und Lehre erfüllen wir unsere ganz spezifische Sendung. Jeder von uns bringt so sein besonderes Charisma zur Anwendung, um ein lebendiges Zeichen Christi zu sein, der sagt: „Ich muß auch den anderen Städten das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden“ (Lk 4,43). 2. Das Zweite Vatikanische Konzil trifft genau den Begriff unserer Identität, wenn es erklärt: „Unter den hauptsächlichsten Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz. Denn die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben“ (Lumen gentium, Nr. 25). Als Verkünder und Lehrer müssen die Bischöfe eine äußerst wichtige Rolle wahrnehmen und eine entscheidende Botschaft mitteilen. Bischöfe gibt es, damit sie Gottes Heilsgeschenk verkündigen, das er aus freien Stücken der Menschheit in Jesus Christus anbot und durch sein Ostergeheimnis wirksam werden ließ. Sämtliche Tätigkeiten der Bischöfe müssen auf die Verkündigung des Evangeliums ausgerichtet sein, weil das Evangelium eben „eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). Die Rettung wird im Evangelium gefunden, und das Evangelium wird im Glauben empfangen. Darum sollte alles, was der Bischof tut, darauf ausgerichtet sein, den Menschen behilflich zu sein, um sie „zum Gehorsam des Glaubens“ (Röm 1,5) an das Wort Gottes zu führen, ihnen zu helfen, den vollen Inhalt der Lehre Christi zu erfassen. Die Rolle des Bischofs als Diener des Evangeliums ist zutiefst pastoral, und genauso wie die Verkündigung des Wortes Gottes erreicht sie ihren Höhepunkt in der Eucharistie, in der das Werk unserer Heilsrettung sakramental vollzogen wird. 3. Das Konzil unterstrich, Gott wolle, daß alles, was er zur Rettung der Welt geoffenbart hat, vollständig und unversehrt erhalten und an die kommenden Generationen weitergegeben werden solle. Darum hat Christus seinen Aposteln geboten, das Evangelium zu verkündigen, und seine Apostel haben den Bischöfen als ihren Nachfolgern „ihr eigenes Lehramt 1470 AD-LIMINA-BESUCHE überliefert“ (vgl. Dei verbum, Nr. 7). Das Konzil stellt auch fest, daß das bischöfliche Lehramt in der Kirche durch die Bischofsweihe übertragen wird und nur in der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Haupt und den Gliedern des Bischofskollegiums ausgeübt werden kann (vgl. Lumen gentium, Nr. 21). Ich erwähne diese Wahrheiten deshalb, um zu zeigen, wie sehr der Dienst des Wortes mit unserer eigenen sakramentalen Identität und unserem bischöflichen Sendungsauftrag als ganzem verbunden ist. Unser Leben als Bischöfe kreist um den Auftrag Christi, alles zu lehren, was er den Aposteln befohlen hat. Mehr noch, unser apostolisches Dienstamt ist ausgestattet mit einer Teilhabe an jener vollen Autorität, die Jesus gegeben war und die er selber nachdrücklich beschwor, ehe er seine Jünger aussandte, alle Völker zu seinen Jüngern zu machen, sie zu taufen und zu lehren. Ebenso erfährt unser Dienst Stärkung durch jene besondere dauernde Gegenwart des Herrn unter uns bis zum Ende der Welt (vgl. Mt 28, 18-20). Dies alles macht das bischöfliche Charisma aus, das sakramental übertragen, sakramental empfangen und sakramental ausgeübt wird. Unsere Antwort als Bischöfe auf den Auftrag Christi muß in einer lebendigen, durch Predigt und Lehre vollzogenen Verkündigung sämtlicher Glaubenswahrheiten Ausdruck finden: der Wahrheiten, die unser Volk zum Heil führen, der Wahrheiten, die unser Volk auffordern, Glaubensgehorsam zu leisten. Die Bischöfe üben das Lehramt der Apostel aus, damit „das Evangelium in der Kirche für immer unversehrt und lebendig bewahrt werde“ {Dei verbum, Nr. 7). Aus diesem Grund ermutigt das Konzilsdekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe diese ausdrücklich dazu, in der Macht des Heiligen Geistes „das Geheimnis Christi unverkürzt vorzulegen“ (Christus Dominus, Nr. 12). 4. Es ist unschwer einzusehen, daß die Rolle des Bischofs, zu der die lebendige Verkündigung, die treue Bewahrung des Glaubensgutes und die in Einheit mit dem Papst und dem gesamten Bischofskollegium ausgeübte Lehrautorität gehören, auch die Verpflichtung einschließt, das Wort Gottes gegen alles zu verteidigen, was seine Reinheit und Unversehrtheit gefährdet. Wenn wir das Wesen der Kirche, in der das Ostergeheimnis gelebt wird, verstehen, werden wir nicht erstaunt sein, daß in jeder Generation des Lebens der Kirche, unsere eigene eingeschlossen, nicht nur Sünde, sondern auch Irrtum und Unwahrheit anzutreffen sind. Ein gesunder Wirklichkeitssinn und die Kirchengeschichte werden uns jedoch helfen, unsere Rolle als authentische Lehrer des Wortes Gottes auszüben, 1471 AD-LIMINA-BES UCHE ohne daß wir das Vorhandensein von Irrtum und Unwahrheit, die wir aufgrund unserer pastoralen Verantwortung feststellen und verwerfen müssen, übertreiben oder bagatellisieren. Unsere Treue zum Wort Gottes verlangt von uns auch das Verständnis und die praktische Anwendung jener großartigen Wirklichkeit, die das Konzil verkündete: „Die Aufgabe aber, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes verbindlich zu erklären, ist nur dem lebendigen Lehramt der Kirche anvertraut, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird“ (Dei verbum, Nr. 10). Beim Studium und Hören des Wortes Gottes, bei der Bewahrung und Erklärung des Glaubensgutes, bei Verkündigung und Lehre des Mysteriums Christi sind Wachsamkeit und Treue auf seiten der Bischöfe gleichbedeutend mit pastoraler Liebe. Die Worte, die Paulus an Timotheus richtete, gelten für jeden von uns: „Ich beschwöre dich . . ., verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht, weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung . . . Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst“ (2 Tim 4, 2.5). Wir finden ungeheuren Trost und Kraft in der Erkenntnis, daß wir unseren besonderen Dienst am Wort Gottes aufgrund eines göttlichen Auftrags, mit Hilfe des Heiligen Geistes und kraft eines sakramental übertragenen Charismas ausüben. 5. Die fruchtbare Ausübung des Lehramtes verlangt von uns, daß wir über verschiedene Aspekte des Geheimnisses des Gotteswortes und seiner Weitergabe in der Kirche nachdenken. Wir wissen, daß das authentische Lehramt der Kirche durch Einheit gekennzeichnet ist. Es erhebt keinen Anspruch, über dem Wort Gottes zu stehen; es sucht vielmehr in aller Demut durch sein besonderes, im Namen Christi und durch seine Autorität ausgeübtes Charisma diesem Wort zu dienen. Das Lehramt als solches hat nicht seinesgleichen in der Kirche. Es gibt nur ein einziges authentisches kirchliches Lehramt, und das ist Sache der Bischöfe. Auf seiten der einzelnen Bischöfe ist die Gemeinschaft in der Lehre mit dem Papst und dem gesamten Kollegium äußerst wichtig, weil sie die Garantie für eine authentische Lehre und die übernatürliche Wirksamkeit jeder pastoralen Initiative ist. Das Lehrcharisma der Bischöfe ist in seiner Verantwortung einzigartig. Es muß als solches persönlich ausgeübt und kann nicht übertragen werden. Der Bischof hat durch die Bischofsweihe eine einzigartige Beziehung zu Jesus Christus, dem Lehrer; durch die Autorität Christi wird er ermächtigt und ist imstande, mit besonderer Wirksamkeit zu lehren. In einzigartiger 1472 AD-LIMINA-BESUCHE Weise ist er ein lebendiges Zeichen Jesu Christi, der Gottes Wort mit besonderer Macht verkündet. Die Priester sind innig verbunden mit dem sakramentalen Dienstamt des Bischofs, und mit dem Bischof üben sie als Mitarbeiter des Bischofsstandes ihre eigene Verantwortung für das Wort Gottes aus. Diese unsere Verbundenheit mit unseren Priestern im Wort Gottes ist für uns ein besonderer Beweggrund für eine tiefe pastorale und brüderliche Liebe zu ihnen und ebenso Anlaß, Gott für ihre Partnerschaft im Evangelium zu danken. 6. Zugleich sind die Bischöfe dienende Hirten in ihren Ortskirchen, wo die ganze kirchliche Gemeinde - Priester, Diakone, Ordensleute und Laien - gemäß der Verfassung der Kirche mit ihnen zusammenarbeitet, um Gottes Wort zu verkündigen und zu leben. Der sakramentale Dienst der Bischöfe am Wort Gottes wird zum Wohl der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen ausgeführt. Die Bischöfe führen die Gläubigen zum Verständnis des Gotteswortes. Die wahre Verkündigung des Wortes Gottes durch die Bischöfe hat eine Macht, die zur Glaubenszustimmung führt. Und nachdem diese Glaubenszustimmung erfolgt ist, tragen die Gläubigen ihrerseits zur weiteren Zunahme des Verständnisses des Wortes Gottes in der Kirche bei (vgl. Dei verbum, Nr. 8), und in diesem Sinne entfaltet sich der Glaube in jeder nachfolgenden Generation der Kirche. Aber nach den Worten des hl. Vinzenz von Lerins, „muß es wahrhaftig eine Entwicklung und Entfaltung des Glaubens, nicht eine Veränderung des Glaubens geben . . . Das Verständnis ... der einzelnen Menschen und der ganzen Kirche sollte dann im Laufe der Jahre und Jahrhunderte großen und kräftigen Fortschritt bewirken, doch nur längs ihrer eigenen Entwicklungslinie, das heißt mit derselben Lehre, derselben Bedeutung und demselben Sinn“ {erste Einführung, Kap. 23). Wenn wir die Entwicklung der Lehre so verstehen, erkennen wir, daß die augenblickliche oder gängige Lehre der Kirche keine Entwicklung zuläßt, die auf Aufhebung oder Unvereinbarkeit hinausläuft. 7. Die Bischöfe leisten durch das ihnen eigene Charisma den Gläubigen einen großen Dienst und helfen ihnen, damit sie ihre Rolle, zum Wachstum des Glaubens beizutragen, erfüllen können. Was das betrifft, so möchte ich wiederholen, was ich seinerzeit in Chikago vor allen Bischöfen der Vereinigten Staaten gesagt habe: „In der Gemeinschaft der Gläubigen — die stets die katholische Einheit mit den Bischöfen und dem Apostolischen Stuhl bewahren müssen - gibt es tiefe Glaubenseinsichten. Der 1473 AD-LIMINA-BESUCHE Heilige Geist erleuchtet fortwährend den Verstand der Gläubigen mit seiner Wahrheit und durchglüht ihre Herzen mit seiner Liebe. Diese Glaubenseinsichten und dieser Sensus fidelium sind nicht unabhängig vom Lehramt der Kirche, welches ein Instrument desselben Heiligen Geistes ist und durch ihn unterstützt wird. Nur dann, wenn die Gläubigen durch das Wort Gottes, wie es rein und vollständig überliefert worden ist, genährt worden sind, wirken sich die ihnen eigenen Charismen aus und bringen sie ihre Frucht. Wenn das Wort Gottes der Gemeinschaft in Treue verkündet und ebenso angenommen worden ist, bringt es Früchte der Gerechtigkeit und Heiligkeit des Lebens in Fülle. Die Kraft der Glaubensgemeinschaft, das Wort Gottes zu verstehen und zu leben, hängt davon ab, daß sie das Depositum fidei vollständig aufnimmt; und gerade hierfür ist der Kirche ein besonderes apostolisches und pastorales Charisma gegeben worden. Es ist ein und derselbe Geist der Wahrheit, der die Herzen der Gläubigen lenkt und der Garant für das Lehramt der Hirten der Herden ist“ (Ansprache des Papstes an die Bischöfe der USA am 5. Oktober 1979 in Chikago, Nr. 7, in: O.R., dt., 12. 10. 1979, S. 3). 8. Ich möchte bei dieser Gelegenheit so, wie ich es anläßlich meines Besuches in der Katholischen Universität von Amerika getan habe, ein besonderes Wort der Anerkennung und Wertschätzung für die Rolle der Theologen in der Kirche und im besonderen zu der Unterstützung sagen, die sie den Bischöfen gewähren, und dem Dienst, den sie an den Gläubigen leisten. Da die Theologie den Gegenstand ihrer Forschung vom Glauben empfängt und da sie sich im wesentlichen mit dem geheiligten Glaubensgut der Offenbarung beschäftigt, gibt es eine ganze Reihe von Elementen, die der Rolle der Bischöfe und jener der Theologen gemeinsam sind. Beide, Bischöfe und Theologen, sind, wenn auch auf verschiedene Weise, dazu berufen, das Wort Gottes zu bewahren, es tiefgehender zu studieren, es zu erklären, zu lehren und zu verteidigen. Bischöfe wie Theologen sind aufgerufen, für dasselbe große Anliegen zu leben, zu arbeiten und zu beten, nämlich: „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). Theologen verfügen über spezielle Voraussetzungen, um die Begründungen der Dogmatik und Morallehre der Kirche zu studieren und zu erläutern. Aufgrund ihrer Ausbildung und Gelehrsamkeit und durch Anwendung ihrer eigenen Methode sind Theologen in der Lage, die Glaubenstatsachen zu erforschen und erläuternd zu veranschaulichen und ebenso die Interpretation, die das Lehramt von diesen Fakten in Dogmatik und Sittenlehre gibt. 1474 A D-LIMINA-BESUCHE In ihrer Rolle als Lehrer der Theologie sind die Theologen aufgerufen, die Schatztruhe des Glaubens immer weiter zu öffnen und Achtung für das kirchliche Lehramt einzuprägen, das seinerseits die Interpretation des Gotteswortes gewährleistet. „Die Respektierung des kirchlichen Lehramtes ist ein grundlegendes Element der theologischen Methode“ (vgl. Paul VI., Ansprache beim Ad-limina-Besuch französischer Bischöfe am 20. Juni 1977, in: Wort und Weisung, 1977, S. 345). Die Bischöfe ihrerseits wissen, daß die Ausübung ihres sakramentalen Charismas mit Lesen, Studium, Konsultation und vor allem mit Gebet verbunden ist. Aber es bleibt immer ein Charisma im Dienst am Glauben der ganzen Kirche. Ehrwürdige und liebe Brüder! Wenn ich euch auffordere, mit mir zusammen darüber nachzudenken, wieweit wir in unserem Dienst am Wort der Gestalt Jesu Christi gleichkommen, möchte ich euch aus ganzem Herzen in eurer Identität als Bischöfe der Kirche Gottes bestätigen und festigen. Das Wort Gottes ist unser Leben und unser Dienst, unsere Freude und unsere Kraft, unsere Weisheit und unsere Hoffnung. Aber mehr noch ist es die Rettung unseres Volkes, sein lebendiger Kontakt zum Herrn. Unsere Verkündigung des Wortes Gottes ist mit einer besonderen sakramentalen Kraft verknüpft, und unsere Lehre des Wortes Gottes wird von der Autorität Christi, des Lehrers, garantiert. Als Diener des Evangeliums sind wir tatsächlich lebendige Zeichen Jesu Christi. Das Konzil versichert uns: „In den Bischöfen ... ist also inmitten der Gläubigen der Herr Jesus Christus, der Hohepriester, anwesend“ (Lumen gentium, Nr. 21). Und Maria, die Mutter Jesu, des fleischgewordenen Wortes, stehe uns bei, wenn wir der Welt das Evangelium ihres Sohnes mitzuteilen versuchen. 1475 AD-LIMINA -BESUCHE Katholische Erziehung als wirksame Dimension der Evangelisierung Ansprache beim Ad-limina-Besuch amerikanischer Bischöfe am 28. Oktober Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Wiederum freut es mich sehr, das intensive Erlebnis kirchlicher Gemeinschaft mit einer weiteren Gruppe amerikanischer Bischöfe zu teilen. Ihr kommt aus verschiedenen Gegenden der Vereinigten Staaten, und die pastorale Situation in euren einzelnen Lokalkirchen weist große Unterschiede auf. Und doch bin ich sicher, daß ein tiefes gemeinsames Interesse an dem Thema besteht, das ich heute aufgreifen möchte: die katholische Erziehung. Der eigentliche Gedanke der katholischen Erziehung steht in engem Zusammenhang mit der wesentlichen Sendung der Kirche, nämlich Christus mitzuteilen. Er ist verbunden mit unserem eigenen bischöflichen Auftrag zu lehren — alles zu lehren, was Christus geboten hat (vgl. Mt 28,20). Und als Lehrer sind wir aufgerufen, durch Wort und Beispiel von dem Christus Zeugnis zu geben, den zu verkündigen, sich die Kirche bemüht. Einfach gesagt, das Ziel katholischer Erziehung ist es, „den Menschen zu helfen, daß sie zur Fülle des christlichen Lebens zu gelangen vermögen“ (can. 794 § 1). Es ist identisch mit dem großen Ideal des hl. Paulus, der nicht zufrieden ist, „bis Christus (in den Galatern) Gestalt annimmt“ (Gal 4,19); er sehnt sich danach, diesen Prozeß vollendet zu sehen. Das Zweite Vatikanische Konzil stellte das Ziel aller katholischen Erziehung in verschiedenen Aspekten dar, die einschließen, „daß die Getauften ... der empfangenen Gabe des Glaubens immer mehr bewußt werden. Sie sollen lernen, Gott den Vater im Geist und in der Wahrheit (vgl. Joh 4,23) vornehmlich durch die Mitfeier der Liturgie anzubeten und ihr eigenes Leben nach dem neuen Menschen in Gerechtigkeit und wahrer Heiligkeit (vgl. Eph 4,22—24) zu gestalten. So sollen sie zur Mannesreife gelangen ... und zum Aufbau des mystischen Leibes ihren Beitrag leisten“ (Gravissimum educationis, Nr. 2). Das sind Elemente mit weitreichenden Konsequenzen; sie tragen der Tatsache Rechnung, daß katholische Erziehung tatsächlich den ganzen Menschen, seine ewige Bestimmung und das Gemeinwohl der Gesell- 1476 AD-LIMINA-BESUCHE schaft angeht, um dessen Förderung sich die Kirche selbst bemüht. Dies erfordert praktisch, daß die körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen der Kinder und Jugendlichen so ausgebildet werden, daß sie ein Verantwörtungsbewußtsein und den rechten Gebrauch der Freiheit erwerben und am sozialen Leben aktiv teilnehmen (vgl. can. 795). 3. Alle diese Faktoren wurden von der katholischen Erziehung in eurem Land gefördert. Denn katholische Erziehung bildet ein bevorrechtetes Kapitel in der Geschichte der Kirche in Amerika. Katholische Erziehung stellte eine sehr wirksame Dimension der Evangelisierung dar, indem sie das Evangelium in allen Lebensbereichen zur Geltung brachte. Sie hat. verschiedene Einzelpersonen und Gruppen in den Erziehungsprozeß hineingezogen, und es ist ihr gelungen, Generationen von Menschen dahin zu bringen, daß sie sich zugehörig fühlen zur kirchlichen und sozialen Gemeinschaft. Trotz Grenzen und Unvollkommenheiten kann durch Gottes Gnade der katholischen Erziehung in Amerika in hohem Maße die Ausbildung der hervorragenden katholischen Laienschaft Amerikas zugeschrieben werden. Die katholische Erziehung verfügt selbst über das Fundament für das Verständnis und die Aufnahme der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, das eine konsequente Erläuterung und Entwicklung von Grundsätzen war, welche die Kirche Jahrhunderte lang eingehalten und gelehrt hat. Die Segnungen des Konzils wurden im Leben vieler wirksam zur Geltung gebracht, weil eine jahrelange fruchtbare katholische Erziehung den Weg vorbereitet hatte. Die katholische Erziehung hat in eurem Land im Laufe der Jahre auch zahlreiche Berufungen gefördert. Ihr selbst schuldet jener katholischen Erziehung, die euch dazu befähigte, den Ruf des Herrn zu verstehen und anzunehmen, große Dankbarkeit. Zu anderen Beiträgen der katholischen Erziehung gehört auch die besondere Eigenschaft des Staatsbürgers, die ihr zu erwirken vermochtet: aufrechte Männer und Frauen, die zum Wohlergehen Amerikas beitrugen und aufgrund christlicher Nächstenliebe im Dienst ihrer Brüder und Schwestern tätig waren. Die katholische Erziehung hat ein hervorragendes Zeugnis geliefert für die dauernde Verpflichtung der Kirche zu jeder Art von Kultur. Sie hat eine - in einzelnen Fällen vielleicht bescheidene, aber insgesamt höchst wirksame - prophetische Rolle dabei ausgeübt, dem Glauben bei der Durchdringung der Kultur beizustehen. Die Leistungen katholischer Erziehung in Amerika verdienen unseren großen Respekt und unsere Bewunderung. 1477 AD-LIMINA-BESUCHE 4. Da gibt es aber vor dem Zeugnis der Geschichte noch eine Dankesschuld abzutragen gegenüber den Eltern, die ein ganzes System katholischer Erziehung unterstützt haben; gegenüber den Pfarrgemeinden, die diese Bemühungen koordiniert und unterstützt haben; gegenüber den Diözesen, die Erziehungsprogramme gefördert und, besonders in armen Zonen, durch Geldmittel ergänzt haben; gegenüber den Lehrern - zu denen immer eine bestimmte Anzahl hochherziger Männer und Frauen aus dem Laienstand gehörte -, die durch ihre Hingabe und ihre Opferbereitschaft für das Anliegen eintrat, jungen Menschen dabei zu helfen, daß sie zur Reife in Christus gelangten. Vor allem aber gebührt den Ordensleuten Dank für ihren Beitrag zur katholischen Erziehung. In meinem Schreiben an die Bischöfe der Vereinigten Staaten zum vergangenen Osterfest über das Ordensleben sagte ich unter anderem: „Ordensleute gehörten zu euren Pionieren. Sie waren in der katholischen Erziehung auf allen Ebenen bahnbrechend und halfen beim Aufbau eines großartigen Erziehungssystems von der Elementarschule bis zur Universität“ (Schreiben vom 3. April 1983, Nr. 2). Eine ganze besondere Dankesschuld gebührt den Ordensfrauen für ihren speziellen Beitrag zum Gebiet der Erziehung. Ihr echtes erzieherisches Apostolat verdiente und verdient größtes Lob. Es ist ein Apostolat, das große Selbstaufopferung verlangt; es ist durch und durch human als ein Ausdruck religiösen Dienstes: ein Apostolat, das sich aufs engste dem menschlichen und geistig-geistlichen Wachstum widmet und Kinder und Jugendliche geduldig und liebevoll durch die Probleme der Jugend und der Unsicherheit des Jugendalters hin zu christlicher Reife begleitet. Wie viele Ehepaare eurer Generation konnten - und taten das auch tatsächlich - auf Ordensfrauen hinweisen, die ihr Leben beeinflußten und ihnen halfen, jene Stufe persönlicher Entwicklung zu erreichen, wo sich ihre Berufung zu ehelicher Liebe und Elternschaft verwirklichen ließ! Und wie viele Priester, Brüder und Schwestern fanden in dem Zeugnis opferbereiter Liebe, wie es im Ordensleben veranschaulicht wird, Erbauung und die für sie nötige Ermutigung, um sich auf die Vorbereitung auf ihre eigene Berufung einzulassen! 5. Die bedeutendsten Faktoren in der katholischen Erziehung, über die wir sprechen, schließen ein: den katholischen Lehrer, die katholische Lehre und die katholische Schule. Während der Gesamtauftrag der katholischen Erziehung wesentlich mit dem Glaubensleben der Kirche verknüpft ist und als solcher einen Teil des Dienstamtes der Bischöfe bildet, sind die Ersterzieher der einzelnen 1478 AD-LIMINA-BESUCHE Kinder die Eltern. Im neuen Kodex des kanonischen Rechts beginnt die Gesamtbehandlung des Themas Erziehung mit dem Wort „Ehern“. In den Augen der Kirche und vor Gott sind ihre Verpflichtungen und Rechte ohnegleichen, so wie die sie unterstützenden Gnaden, die sie im Ehesakrament empfangen. Von diesem Sakrament „empfängt die Erziehungsaufgabe die Würde und Berufung, ein echtes und wirkliches ,Amt‘ der Kirche zur Auferbauung ihrer Glieder zu sein“ (Familiaris consortio, Nr. 38). Aber alle katholischen Lehrer sind mit großer Würde ausgestattet und werden aufgefordert, „sich durch Rechtgläubigkeit und rechtschaffenen Lebenswandel auszuzeichnen“ (can. 803 § 2). Das gesamte Struktursystem der katholischen Erziehung wird in dem Maße von Wert sein, als die von den Lehrern vermittelte Bildung und Erziehung mit den Grundsätzen katholischer Lehre übereinstimmt. In der religiösen Erziehung besteht eine neue Dringlichkeit zur Erläuterung der katholischen Lehre. Viele junge Leute heute sagen mit Blick auf die katholischen Lehrer mit Recht: „Ihr braucht uns nicht zu überzeugen, erklärt es gut!“ Und wir wissen, daß Gottes Wort, in welchem Forum immer es vermittelt wird, die Macht besitzt, den Geist zu erleuchten und die Herzen zu beeindrucken: „Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). 6. Ein äußerst wirksames Instrument der katholischen Erziehung ist in der Geschichte eures Landes stets die katholische Schule gewesen. Sie hat ungeheuer zur Verbreitung des Wortes Gottes beigetragen und die Gläubigen dazu befähigt, „alles menschliche Geschehen und Handeln mit den Werten unseres Glaubens in einen organischen Zusammenhang zu bringen“ (Sapientia christiana, Nr. 1). In der von der katholischen Schule gebildeten Gemeinschaft wurde die Macht des Evangeliums in den Denkmodellen, in den Urteils- und Entscheidungsmaßstäben und in den Verhaltensnormen zur Geltung gebracht. Als Institution muß die katholische Schule äußerst günstig beurteilt werden, wenn wir das gesunde Kriterium anwenden: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,16), und noch einmal: „An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,20). Im kulturellen Milieu der Vereinigten Staaten läßt sich daher leicht die weise Aufforderung erklären, die im neuen Kodex enthalten ist: „Die Gläubigen haben die katholischen Schulen zu fördern, indem sie nach Kräften zu ihrer Gründung und Erhaltung beitragen“ (can. 800 § 2). Euer katholisches Schulwesen genießt schon lange die Anerkennung des 1479 AD-LIMINA-BESUCHE Heiligen Stuhles. Pius XII. schrieb gleich zu Beginn seines Pontifikats an die damaligen amerikanischen Bischöfe, wobei er u. a. sagte: „Mit gutem Grund bewundern also Besucher aus anderen Ländern die Organisation und das System, nach dem eure Schulen der verschiedenen Typen und Stufen geführt werden“ (Sertum laetitiae, Nr. 8, 1. November 1939). Jahre später verspürte Paul VI. das Verlangen, anläßlich der Heiligsprechung von Mutter Seton die Vorsehung Gottes zu preisen, der diese Frau dazu anspornte, in eurem Land die Arbeit der-katholischen Schule einzurichten (vgl. Ansprache am 14. September 1975, in Wort und Weisung, 1975, S. 367-371). Und zwei Jahre später, bei der Heiligsprechung von John Neumann, sprach PauFVI. von dessen „rastlosem Bemühen“ um das katholische Schulwesen in den Vereinigten Staaten (Homilie am 19. Juni 1977, in: Wort und Weisung, 1977, S. 337). Die Bedeutung des katholischen Lehrers und der katholischen Lehre ist auf jeder Stufe katholischer Erziehung zu spüren. Auf jeder Stufe bis hinauf zur und einschließlich der Universität besteht die Notwendigkeit einer institutioneilen Bindung der katholischen Schule an das Wort Gottes, wie es von der katholischen Kirche verkündet wird. Und diese institutionelle Bindung ist ein Ausdruck der katholischen Identität jeder katholischen Schule. 7. Was die Gewährung von Hilfe und Anleitung für das gesamte Anliegen der katholischen Erziehung betrifft, kommt es ganz zentral auf die pastorale Führung des Bischofs an. Es ist Sache des Bischofs, zusammen mit seinen Priestern alle katholischen Erzieher zu ermutigen, sich von dem großen Ideal, Christus mitzuteilen (zu vermitteln, weiterzugeben), inspirieren zu lassen. Nur der Bischof kann den Ton angeben, die Prioritäten setzen und die Bedeutung der Sache dem katholischen Volk wirksam darlegen. Zugleich findet der Eifer des Bischofs eine nicht endende Herausforderung in der Sicherung der Studentenseelsorge, in der Wahrnehmung der besonderen geistlichen Bedürfnisse der Hochschulstudenten innerhalb und außerhalb katholischer Universitäten, deren Entwicklung aufs engste mit der Zukunft der Gesellschaft und der Kirche selbst verknüpft ist (vgl. Gravissimum educationis, Nr. 10). 8. Eine besondere Dimension katholischer Erziehung, die zugleich ein Stadium der Evangelisierung darstellt, ist die Frage der Katechese, und zwar sowohl in bezug auf die katholischen Erziehungsinstitute als auch wie sie außerhalb katholischer Schulen durchgeführt bzw. direkt von den 1480 AD-LIMINA-BESUCHE Eltern ausgeübt wird. Von jedem Standpunkt aus verfolgt die Katechese das Ziel, „den wahren Jünger Christi durch eine vertiefte und mehr systematische Kenntnis der Person und Botschaft unseres Herrn Jesus Christus weiterzubilden“ (Catechesi tradendae, Nr. 19). Besonders unter diesem katechetischen Aspekt der Vermittlung der katholischen Lehre in vertiefter und systematischer Weise bleibt die katholische Schule ein wahrhaft bedeutsames Instrument im Dienst am Glauben, das jungen Menschen hilft, in das Geheimnis Christi einzudringen. Aus diesem und aus den anderen bereits genannten Gründen wiederhole ich den prophetischen Appell Pauls VI. an die amerikanischen Bischöfe: „Wir wissen freüich um die Schwierigkeiten bei der Weiterführung der katholischen Schulen, und wir sehen mit euch, Brüder, die Ungewißheit der Zukunft. Dennoch vertrauen wir auf Gottes Hilfe sowie auf eure unermüdliche Mitarbeit und große Tatkraft, damit die katholischen Schulen trotz aller Hindernisse weiterhin ihre von der Vorsehung ihnen zugedachte Rolle im Dienst einer wahrhaft katholischen Erziehung und im Dienst eures Landes erfüllen können“ (Ansprache an die amerikanischen Bischöfe vom 15. 9. 1975, in: O.R. dt., Nr. 40, vom 3. Oktober 1975, Seite 4). 9. Bei alldem hängt unser eigenes Amt im Dienst des Wortes von der Ausgießung des Heiligen Geistes ab. Er ist es, ehrwürdige, liebe Brüder, den wir heute anrufen und bitten, euch bei euren pastoralen Initiativen beizustehen und die Bemühungen so vieler hingebungsvoller Priester, Diakone, Ordensleute und Laien in den von euch vertretenen Lokalkirchen zur Erfüllung zu bringen. Er allein befähigt uns hier und jetzt dazu, Christus mitzuteilen; denn „keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12,3). Nur durch sein Wirken läßt sich christliche Reife gewährleisten und somit das Ziel aller katholischen Erziehung erreichen. Während wir die Souveränität des heiligenden Wirkens des Heiligen Geistes verkünden, wollen wir ihn bitten, unser Amt ganz völlig seinem Willen zu unterwerfen. Und wir wollen um diese Gnade der Fügsamkeit bitten durch die Fürsprache Mariens, unter deren Herz das Wort Gottes Mensch und zum ersten Mal der Welt mitgeteilt wurde. Veni Sancte Spiritus! 1481 AD-LIM1NA-BES UCHE Die Liturgie im Leben der Kirche Ansprache beim Ad-limina-Besuch amerikanischer Bischöfe am 3. Dezember Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! Mit tiefer brüderlicher Zuneigung heiße ich euch herzlich am Stuhl des hl. Petrus willkommen und teile gern mit euch diese besondere Stunde kollegialer Einheit und kirchlicher Gemeinsamkeit. Durch euch sende ich meine Grüße der Liebe und des Friedens an die Ortskirchen, die ihr vertretet und denen ihr dient: allen Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Seminaristen und Laien, die sich unter eurer Hirtenleitung bemühen, das Geheimnis Christi und seiner Kirche voll zu leben. Und in eurer Person möchte ich Jesus Christus ehren, den Hirten und Bischof unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2,25). 1. Ich hatte bereits Gelegenheit, zu einer anderen Gruppe amerikanischer Bischöfe über den Sonntagsgottesdienst in der Kirche und insbesondere die sonntägliche Eucharistiefeier zu sprechen. Heute möchte ich in einem weiteren Rahmen auf die heilige Liturgie und das Gebet in bezug auf das Amt des Bischofs und das Leben der Kirche zu sprechen kommen. Unmittelbar vor seiner Himmelfahrt versicherte Jesus seinen Aposteln, daß sie den Heiligen Geist empfangen und mit Macht erfüllt würden. Als sie auf die Erfüllung der Verheißung Christi warteten, „waren sie immer im Tempel und priesen Gott“ (Lk 24,53). Als Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe aufgefordert, durch die Liturgie der Kirche die große apostolische Tätigkeit des Löbens und Preisens Gottes fortzusetzen. Gerade bei der Liturgie ist jeder Bischof ein Zeichen des betenden Christus, ein Zeichen jenes Christus, der zu seinem Vater sagt: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde“ (Lk 10,21). Die Liturgie ist das großartigste Instrument des Lobes, der Bitte, Fürbitte und Wiedergutmachung, das die Kirche besitzt. In keinem anderen Augenblick seines Amtes ist die Aktivität des Bischofs für das Volk Gottes wichtiger oder nützlicher, als wenn er das Lobopfer der Kirche darbringt. Als Hirte der Herde Christi erfährt der Bischof persönlich das Bedürfnis, Gott für das Geheimnis des Kreuzes und der Auferstehung Christi zu danken, wie es Tag für Tag in der pilgernden Kirche, der er vorsteht und dient, tatsächlich erfahren wird. Der Bischof lobt und preist den „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ (2 Petr 1,3) für die Wunder der 1482 AD-LIM1NA-BESUCHE Gnade, die im christlichen Volk durch das Blut Christi vollbracht wurden: für die von so vielen Priestern und Ordensleuten und zahllosen Familien in der Welt gelebte Treue zu Christus; für die großartigen Bemühungen junger Menschen, der Lehre Christi zu folgen; für das Geschenk der Umkehr, das den Gläubigen im Bußsakrament ständig gewährt wird; für jede Berufung zum Priester- und Ordensleben; für den österlichen Kampf gegen und für den Sieg über das Böse, den der Herr beständig in seinem Leib, der Kirche, vollbringt; für das Gute, das jeden Tag im Namen Jesu vollbracht wird; für das Geschenk des Ewigen Lebens, das allen zuteil wird, die Christi Leib essen und sein Blut trinken, und für alles, das Gott seinem Volk dadurch geschenkt hat, daß er ihm seinen Sohn gab. 2. Die Liturgie nimmt im Leben der Kirche einen wichtigen Platz ein. Auf volle und aktive Teilnahme an der Liturgie ist daher vom Zweiten Vatikanischen Konzil mit Recht als auf „die erste und unentbehrliche Quelle, aus der die Christen wahrhaft christlichen Geist schöpfen“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 14), hingewiesen worden. Das ist ein für das echte Verständnis der konziliaren Erneuerung entscheidender Grundsatz, der immer wieder betont werden muß. Ebenso entscheidend ist es, die Liturgie „vor allem als Anbetung der göttlichen Majestät“ zu verstehen (ebd., Nr. 33). Als solcher müssen sich ihr unsere Priester und das Volk mit jenem Gefühl tiefer Ehrfurcht nähern, die den tiefsten Regungen ihres katholischen Glaubens entspricht. Die Liturgie enthält in sich eine besondere Kraft, um Erneuerung und Heiligkeit zu bewirken, und das wird noch größere Wirklichkeit, wenn sich die Menschen dieser Macht bewußt sind und im Glauben darüber nachsinnen. Ich habe das vor kurzem amerikanischen Bischöfen gegenüber so ausgedrückt: „Wenn euer Volk durch die Gnade des Heiligen Geistes erkennt, daß es dazu berufen ist, ,ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm4 zu sein (2 Petr 2,9), und daß die Gläubigen auf gef ordert sind, den Vater zusammen mit Jesus Christus anzubeten und ihnen zu danken, dann wird in ihrem Leben eine ungeheure Kraft freigesetzt. Wenn sie erkennen, daß sie tatsächlich zusammen mit Jesus Christus ein Opfer des Lobpreises und der Sühne (ein Lob- und Sühneopfer) darbringen müssen, wenn sie erkennen, daß alle ihre Bittgebete sich einem unendlichen Gebetsakt Christi anschließen, dann gibt es neue Hoffnung und Ermutigung für das christliche Volk“ (Ansprache beim Ad-limina-Besuch am 9. Juli 1983). 1483 AD-LIMINA-BES UCHE 3. Der wahre christliche Geist, den die Gläubigen aus der Liturgie ableiten, garantiert auf vielfache Weise den Aufbau der Kirche. Wenn sich ihre Mitglieder diesen Geist aneignen, wird die Kirche immer mehr zu einer Gemeinschaft der Anbetung und des Gebets, die sich bewußt ist, „daß sie allezeiten beten und darin nicht nachlassen sollten“ {Lk 18,1). Dieses Wesensmerkmal des ständigen Gebets, wie es sich für den Leib Christi ziemt, wird im offiziellen Gebet der Liturgie offenbar: in der Eucharistie, in der Feier der anderen Sakramente und im Stundengebet. Bei all diesen Handlungen wird die Rolle Christi, des Hauptes, als Mittler fortgesetzt und die ganze Kirche dem Vater dargebracht: Der ganze Leib Christi legt Fürsprache ein für das Heil der Welt. Gleichzeitig wird die Kirche gewahr, daß sich ihre entscheidende Tätigkeit und damit ihre Verpflichtung zum Gebet nicht auf das liturgische Gebet beschränkt. Das Konzil hat ausdrücklich festgestellt: „Das geistliche Leben deckt sich aber nicht schlechthin mit der Teilnahme an der heiligen Liturgie“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 12). Christus verlangt außerdem das persönliche Gebet von jedem von uns, indem er sein Gebot wiederholt: „Bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist“ {Mt 6,6). Unter den nichtliturgischen Formen des Gebets verdient der Rosenkranz der Allerseligsten Jungfrau Maria besondere Wertschätzung. Darüber hinaus verdient jedes Bemühen, die christliche Familie zu einem Ort des Gebets zu machen, unsere Ermutigung und volle Unterstützung. 4. Die Liturgie ist eminent wirksam, um die Kirche zu einer immer dynamischeren Gemeinschaft der Wahrheit zu machen. In der Liturgie wird die Wahrheit Gottes gefeiert, und sein Wort wird zur Nahrung derer, die seinen Namen preisen. Die Liturgie hilft uns durch ihre Kraft, das anzunehmen, was unter uns verkündet und gefeiert wird. Mit den Worten des Jeremia: „Kamen Worte von dir, so verschlang ich sie; dein Wort war mir Glück und Herzensfreude; denn dein Name ist über mir ausgerufen, Herr, Gott der Heere“ (Jer 15,16). Durch die heilige Liturgie erhält das Volk Gottes die Kraft, das Wort Gottes in seinem Leben zu leben: das Wort nicht nur zu hören, sondern danach zu handeln (vgl. Jak 1,23). 5. Die heilige Liturgie und insbesondere das eucharistische Opfer ist die Quelle der inneren Einheit der Kirche - „jener Einheit, die auf dem menschlichen Antlitz der Kirche durch jede Form der Sünde getrübt wird, die aber in der katholischen Kirche unzerstörbar weiterbesteht“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 8; Unitatis redintegratio, Nr. 2,3). Und während die Feier des Meßopfers und die Teilnahme am Abendmahl des Herrn bereits 1484 AD-LIMINA-BESUCHE diese katholische Einheit fordern, sprechen wir darin Gott unseren ernsthaften Wunsch nach jener vollkommenen Einheit in Glaube und Liebe aus, die Christus für alle, die ihm folgen, so sehnlich gewünscht hat. In der Eucharistie erklärt die Kirche ihr Verlangen nach vollkommener Befolgung des Willens Christi: nach immer größerer Läuterung, Umkehr und Erneuerung. 6. Das Verhältnis von Anbetung und Gebet zu Dienst und Aktion ist für die Kirche von tiefer Bedeutung. Die Kirche betrachtet sich selbst als von der Anbetung zum Dienst berufen; zugleich sieht sie ihren Dienst verbunden mit dem Gebet. Äußerste Bedeutung mißt sie dem Beispiel Christi bei, dessen sämtliche Handlungen vom Gebet begleitet und im Heiligen Geist vollbracht wurden. Derselbe Grundsatz gilt für alle Jünger Christi, und wir als Bischöfe müssen unserem Volk helfen, daß es diesen wesentlichen Aspekt seines Dienstes niemals vergißt; er ist eine spezifisch christliche und kirchliche Dimension des Handelns. Tatsächlich wird im Gebet ein soziales Bewußtsein genährt und gleichzeitig beufteilt. Im Gebet sinnt der Bischof zusammen mit seinem Volk über die Notwendigkeit und die Erfordernisse des christlichen Dienstes nach. Vor sieben Jahren sprach Paul VI. in seiner Botschaft an die „Call to Action-Konferenz“ in Detroit wichtige Grundsätze aus, wenn er feststellte: „Der Herr Jesus will, daß wir niemals vergessen, daß das Merkmal unserer Jüngerschaft die Sorge für unsere Brüder ist. . . Ja, die Sache der menschlichen Würde und der Menschenrechte ist die Sache Christi und seines Evangeliums. Jesus von Nazaret hat sich für immer mit seinen Brüdern solidarisch erklärt.“ Durch das Gebet erkennt die Kirche die volle Bedeutung des Wortes Christi: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Im Gebet begreift die Kirche die vielfältigen Folgen der Tatsache, daß Gerechtigkeit und Erbarmen zum „Wichtigsten im Gesetz“ {Mt 23,23) gehören. Durch das Gebet findet der Kampf für die Gerechtigkeit seine angemessene Motivierung und Ermutigung, entdeckt und vertritt wahrhaft wirksame Mittel. Nur eine anbetende und betende Kirche ist imstande, sich hinreichend empfänglich zu zeigen für die Nöte der Kranken, der Leidenden, der Einsamen - besonders in den Stadtzentren - und der Armen überall. Die Kirche als eine „Gemeinschaft des Dienstes“ muß zuerst die Last, die von so vielen einzelnen Menschen und Familien getragen wird, spüren und sich dann bemühen, diese Lasten zu erleichtern helfen. Die Jüngerschaft, die die Kirche im Gebet entdeckt, drückt sich in tiefem Interesse für die 1485 AD-LIMINA-BESUCHE Brüder Christi in der heutigen Welt und ihre vielfachen Nöte und Bedürfnisse aus. Ihre Sorge, die sich in verschiedener Weise äußert, umfaßt -unter anderem - die Bereiche Wohnung, Erziehung, Gesundheitsfürsorge, Arbeitslosigkeit, Rechtswesen, die besonderen Bedürfnisse alter und behinderter Menschen. Im Gebet wird die Kirche in ihrer Solidarität mit den Schwachen bestärkt, die unterdrückt werden, mit den Ungeschützten, die Manipulationen ausgesetzt sind, mit den Kindern, die ausgebeutet werden, und mit jedem Menschen, der in irgendeiner Weise benachteiligt ist. Der Dienst der Kirche auf diesen Gebieten muß besondere und konkrete Formen annehmen, und das erfordert Verständnis und Kompetenz auf seiten der verschiedenen Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft. Aber das Programm der Diakonie als ganzes muß vom Gebet getragen werden, vom lebendigen Kontakt mit Christus, der auf der Verbindung von Jüngerschaft und Dienst besteht. Aus diesem Grund schloß Paul VI. seine Botschaft an die Konferenz in Detroit mit folgenden Einblicken: „In der Tradition der Kirche ist jeder Appell zum Handeln vor allen Dingen ein Appell zum Beten. Und darum werdet ihr zum Beten und vor allem zu einer größeren Teilhabe am eucharistischen Opfer Christi aufgefordert ... In der Eucharistie findet ihr den wahren christlichen Geist, der euch dazu befähigen wird, hinauszugehen und im Namen Christi zu handeln.“ 7. Darüber hinaus besteht eine echte Beziehung zwischen dem in der Eucharistie verkündeten und verwirklichten Frieden und sämtlichen Initiativen der Kirche, um der ganzen Welt den Frieden Christi zu bringen. Eure eigenen Bemühungen, den Frieden zu fördern und zu Bedingungen in der Welt beizutragen, die den Frieden begünstigen, hängen wie der Friede selbst ganz von der Gnade Gottes ab. Und diese Gnade, diese Kraft, diese Hilfe ist Gottes Geschenk an uns, das uns frei und zwanglos zuteil wird, aber auch, weil wir es durch das Gebet, durch die Eucharistie im Namen Jesu suchen. Eure Ortskirchen stehen im Ruf, Gemeinden zu sein, die den Frieden fördern, den Frieden leben, den Frieden herabflehen. 8. Auch auf jedem anderen Gebiet christlichen Lebens verwirklicht die Kirche ihr Wesen und erreicht ihre Ziele durch Gebet und Anbetung. Dadurch wird sie tatsächlich immer mehr zu einer „Gemeinschaft der Liebe“. Und wir als Bischöfe in der Kirche Gottes sind aufgerufen, durch unsere eigene Übung der Kollegialität, durch jede persönliche Anstren- 1486 AD-LIMINA-BESUCHE gung zur Förderung, Verteidigung und Festigung der Einheit von Glauben und Disziplin zwischen den Ortskirchen und der Universalkirche unseren besonderen Beitrag zum Aufbau dieser Gemeinschaft der Liebe zu leisten. Und alle diese Bemühungen werden im Gebet geboren und durch die Vereinigung mit dem betenden Christus verwirklicht. Es ist höchst bezeichnend, daß gerade in der Handlung — der Darbringung des eucharistischen Opfers -, in der eure Ortskirchen ihre tiefste Identität als eine Gemeinschaft der Anbetung und eine Gemeinschaft der Liebe finden, ihr und ich namentlich erwähnt werden. Die Identität unseres katholischen Volkes und die Authentizität seiner Anbetung sind für immer mit unserem Amt verknüpft, das nichts anderes ist als das Amt Jesu Christi, durch den und mit dem und in dem alle Herrlichkeit und Ehre dem Vater zuteil wird und jedes Gebet zu seiner Wirksamkeit gelangt. Die Anbetung, die eure Ortskirchen beseelt, die Inspiration für die Diakonie und der ganze echt christliche Geist, der aus der Liturgie der Kirche fließt, sind ihrem Wesen nach christozentrisch und auf den Vater gerichtet in der Einheit des Heiligen Geistes. Denn jedes Gebet, das wir für unser Volk darbringen, wird mit Christus, dem Herrn und Hohenpriester unserer Erlösung, gesprochen. Und weil unser Gebet als Bischöfe auch apostolisch ist, sprechen wir es zusammen mit Maria, der Mutter Jesu (vgl. Apg 1,14). Liebe bischöflichen Brüder, im Gebet mit Maria werden wir immer klarer die Bedeutung unseres pastoralen Amtes der Anbetung, des Gebets und des Dienstes an der Kirche Christi und an der heutigen Welt erkennen. Das ganze Evangelium leben Ansprache beim Ad-limina-Besuch einer Gruppe zairischer Bischöfe am 12. April Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich danke Kardinal Joseph Malula für die Worte und Gefühle der vertrauensvollen Verbundenheit, die er mir soeben in euer aller Namen zum Ausdruck gebracht hat, während er meine Aufmerksamkeit auf einige Punkte lenkte, die euch sehr am Herzen liegen. 1487 AD-LIMINA-BESUCHE Wie ihr gerade gesagt habt, erinnere ich mich in der Tat bei unserem jetzigen Wiedersehen in Rom mit großer Freude an die Begegnungen, die ich vor fast drei Jahren bei euch haben durfte; mit euch, mit dem ganzen Gottesvolk, mit den Priestern, den Ordensleuten, den Familien, den Zivilbehörden, mit der Landbevölkerung, mit den Missionsstationen. Ich konnte die schöne christliche Vitalität der Kirche in Zaire erfahren. Und heute seid ihr es, die gewissermaßen meinen Besuch erwidern, gleichsam um die enge Verbundenheit eurer Kirche mit der Kirche zu festigen, die von Anfang an beauftragt ist, der Liebe vorzustehen in der Nachfolge der Apostel Petrus und Paulus, die vom Herrn einen einzigartigen Sendungsauftrag erhalten hatten, bevor sie hier ihr höchstes Zeugnis gaben. Es ist in der Tat Aufgabe des Apostolischen Stuhls - mit der entsprechenden Autorität -, dazu beizutragen, daß der Glaube der Christen in dem Maße, wie er verkündet, gefeiert und gelebt wird, authentisch bleibt, daß ihre Einheit durch die Gemeinschaft der Bischöfe bewahrt wird und daß die Kirche inmitten der Prüfungen und neuen Situationen ihren Weg mit der notwendigen Eintracht, Klugheit und Kühnheit fortsetzt. 2. Wir haben also zusammen die Hundertjahrfeier der zweiten Evangelisierung von Zaire begangen, der entscheidenden Evangelisierung. Obgleich ich mir der Schwierigkeiten und der unermeßlichen Arbeit, die noch zu bewältigen ist, klar bewußt bin, halte ich es für angemessen, zunächst und immer wieder Gott Dank zu sagen für das wunderbare Werk, das diejenigen vollbracht haben, die in glühender Liebe zu euch und zu Christus von weit her gekommen sind, um mit euren Vätern den Glauben zu teilen, den sie selbst empfangen hatten, und ihr, Bewohner Afrikas, die ihr so gut die Nachfolge angetreten und eure Verantwortung übernommen habt, jedoch auch weiterhin unter Mitwirkung der anderen Ortskirchen oder der religiösen Ordensgemeinschaften. Man stellt mit höchstem Erstaunen fest, daß im Laufe eines Jahrhunderts auf dem ganzen Territorium eures unermeßlich großen Landes im Herzen Afrikas so viele Fortschritte erzielt, so viele Seelen bekehrt und getauft, so viele Gemeinschaften gegründet wurden. Das heißt, es ist wichtig, zunächst den positiven Aspekt dieser Lebenskraft in Betracht zu ziehen, mit Wohlwollen das Verdienst und die Anstrengungen eurer Kirche anzuerkennen, ihr eifriges Suchen, ihr allgemein begeistertes - wenn auch in manchen Bereichen angesichts der Schwierigkeiten und der einstweiligen Unvollkommenheiten noch tastendes - Fortschreiten, kurz, die Verheißungen einer jungen Kirche, der die Weltkirche und im besonderen 1488 AD-LIMINA-BES UCHE der Hl. Stuhl Hochachtung, Liebe und Vertrauen entgegenbringen, indem sie die herzlichsten Wünsche für sie hegen und auch die Hoffnung auf einen fruchtbaren Austausch und auf gegenseitige Hilfe. 3. Die zweite Etappe der Evangelisation, die - wie ich in Kinshasa sagte -nicht auf hören darf, eine Zeit der missionarischen Verkündigung für die noch nicht vom Evangelium berührten gesellschaftlichen Gruppen zu sein, sollte zugleich die Etappe der Beharrlichkeit oder vielmehr der Festigung des Glaubens sein, des Reifungsprozesses der Kirche, der inneren Bekehrung der Seelen und der Mentalitäten, des charakteristischen Ausdrucks eines Lebens aus dem Glauben heraus auf allen Ebenen. Ja, das ist das Ziel, das ins Auge gefaßt werden muß, bevor wir über Mittel, Technik, Methoden und Strukturen sprechen, die gewiß auch von Bedeutung sind: daß diese ganze Bevölkerung von Zaire das Evangelium lebt, das ganze Evangelium. 4. Das ist ein geheimnisvolles Werk, das Gnade, tiefe Bereitschaft der Überbringer und der Empfänger des Evangeliums erfordert. Die Verpflichtung, die dem Gottesvolk vorgelegt werden muß, ist die Verpflichtung zu einem heiligmäßigen Leben, die eine Verkündigung, eine Katechese, eine Ermahnung, eine pastorale Tätigkeit voraussetzt, die den Personen und dem Wirkungskreis angepaßt sind, aber noch mehr das gelebte Vorbild einer solchen Heiligkeit in den verschiedenen Bereichen, die Jesus als charakteristisch für das christliche Verhalten bezeichnet hat, vor allem durch die Seligpreisungen: Liebe, Vergebung, Opferbereitschaft, Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit, Reinheit des Herzens. Ist es nicht das, was ihr fortwährend vom christlichen Volk verlangt und besonders von denen, die mit euch zusammen einen besonderen Sendungsauftrag in der Gemeinschaft haben: Priester, Ordensleute und Katecheten? Darum müssen die Christen den Sinn für ihre Grenzen, ihre Schwächen, ihre Sünden bewahren, also für die Umkehr, die fortwährend vollzogen werden muß, verbunden mit dem Verlangen, im Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes vor allem das ethische und spirituelle Fortschreiten zu fördern; sonst würden sie der Gefahr der Illusion und der Hypokrisie erliegen. Doch sie müssen zugleich eine große Hoffnung und evangelische Kühnheit an den Tag legen: Wie ich hier am Osterfest dieses Jahres sagte, darf man sich nicht davor fürchten, alles der Macht Christi zu unterwerfen, dem nichts unmöglich ist, wenn es darum geht, unsere Seelen, unsere Mentalitäten, unsere Lebensstrukturen zu erneuern. 1489 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Dieser authentische Glaube an Christus muß also vertieft, gefestigt und ausgestrahlt werden, indem man die dazu erforderliche Kraft aus der Kirche schöpft, der „Stätte“, an der sich unaufhörlich die Macht des Geistes Christi entfaltet hat und weiter entfaltet in einer ununterbrochenen Tradition, durch eine Relexion über den Glauben, die bereits für viele schwierige Probleme Lösungen ausgearbeitet hat, und durch Formen des Gebets und des Gemeinschaftslebens, die in Übereinstimmung mit ihrer Umgebung aufblühten und deren Wert von der Kirche bestätigt wurde. Wie sollte es einem so gereiften, tiefen und überzeugten Glauben daher nicht gelingen, sich in einer Sprache, einer Katechese, einer theologischen Relexion, einem Gebet, einer Liturgie, einer Kunst, in Institutionen auszudrücken, die wirklich der afrikanischen Seele eurer Landsleute entsprechen? Hier befindet sich der Schlüssel des wichtigen und komplexen Problems, das ihr mir bezüglich der Liturgie unterbreitet habt, um heute nur dieses zu erwähnen. Ein zufriedenstellender Fortschritt in diesem Bereich kann nur die Frucht eines fortschreitenden Reifungsprozesses im Glauben sein, der die spirituelle Erkenntnis, die theologische Verstandesschärfe und den Sinn für die Gesamtkirche in einer weitgehenden konzertierten Aktion einbezieht. Dazu braucht man Zeit. Das Gebet soll zwar aus den Herzen eurer zairischen Landsleute hervorsprudeln können mit der Ungezwungenheit, der Wärme und der Spontaneität, die ihrer Kultur entsprechen. Sie sollen zugleich die ganze Tiefe des christlichen Ritus verstehen, der seine von Christus erhaltene ursprüngliche Bedeutung bewahren muß und seine wesentliche Beziehung zur katholischen, universalen Liturgie. Ihr festlicher Charakter, der eines Gemeinschaftsfestes, ist ganz besonders lebendig und muß bestärkt werden; ist es nötig hinzuzufügen, daß er in der christlichen Liturgie nicht von dem Aspekt des Mysteriums getrennt werden kann, der die Gemeinschaft und jede einzelne Person mit dem Leiden und der Auferstehung ihres Herrn vereint? Das alles erfordert wiederum Reifung und Reflexion, in Verbundenheit mit den zuständigen Dikasterien des Hl. Stuhls. 6. Ich sagte es bereits in Kinshasa, in diesem Bereich, wie in all den anderen, wird der Hl. Stuhl euch von keiner Verantwortung entlasten; er wird euch, im Gegenteil, bitten und euch helfen, eure Verantwortung bis zum äußersten wahrzunehmen. Dieser Weg führt notwendigerweise über die Zusammenarbeit, den Zusammenhalt, die Einheit. Die Kirche gewinnt diese Überzeugung aus ihrer Botschaft und aus ihrer Erfahrung. 1490 AD-LIMINA-BESUCHE Ich brachte es vor kurzem noch in Zentralamerika, u. a. in Managua, in Erinnerung. Es muß eine Einheit ins Leben gerufen und vollendet werden, zunächst auf der Ebene eures Presbyteriums, zwischen afrikanischen Priestern und solchen, die aus den anderen Kirchen gekommen sind, Ordens- oder Weltpriestern, die alle dazu berufen sind, an demselben Sendungsauftrag mitzuwirken und brüderliche gegenseitige Hilfe im Geist des Dienens zu bezeugen; und diese Einheit beruht natürlich auf der ursprünglichen Einheit zwischen jedem Bischof und seinen Priestern. Diese verwirklicht sich um so besser, als die Priester sich dem Hirten ihrer Diözese näher fühlen, der sie besucht und sich nach ihren Meinungen erkundigt, und wenn sie außerdem bereit sind, einen Bischof zu akzeptieren, der aufgrund seiner verschiedenen intellektuellen, spirituellen oder pastoralen Fähigkeiten ernannt wurde, selbst wenn er einer anderen ethnischen Gruppe angehört. Die Aufnahme eines von auswärts kommenden Bischofs, der sich anzupassen und die Sprache zu sprechen versucht, ist auch eine Chance zur Aufgeschlossenheit und ein Austausch, der die katholische Kirche immer ausgezeichnet hat. Ich weiß, daß eure Konferenz auf nationaler Ebene mit Strukturen ausgestattet ist, die eine gute kollegiale Zusammenarbeit ermöglichen. Diese Arbeit, die in einem nie erlahmenden Rhythmus Zusammenkünfte oder zumindest Generalversammlungen erfordert, muß vor allem die der Bischöfe selber bleiben mit der eventuellen Hilfe von Sekretariaten, die in ihrem Dienst stehen — an ihrer untergeordneten Stelle — und ich sage: aller Bischöfe von Zaire, insbesondere wenn sie sich in pastoraler Verantwortung mit schwerwiegenden Fragen im Bereich der Theologie, der Liturgie, der Familienethik und der Entscheidungen bezüglich des Schulunterrichts befassen müssen. Diese Verantwortung der zuständigen bischöflichen Kommissionen und vor allem des gesamten Episkopats kann zunächst die Lösungen für solche Probleme zur Reife bringen, ganz anders als Projekte, die in abstrakter Form von Experten erarbeitet werden. Ich meine auch, daß hinsichtlich der erwähnten wichtigen Probleme die Zusammenarbeit mit den benachbarten Episkopaten in Afrika eine zusätzliche Garantie für Weisheit und Klugheit bedeutet, während sie zugleich ein gleichlaufendes oder übereinstimmendes pastorales Wirken auf demselben Kontinent vorbereitet. Bedarf es im Blick auf die Dynamik der Einheit noch des Hinweises auf die Notwendigkeit, sich in die Gesamtkirche hineinzustellen, deren Beiträge für jeden überzeugend sind, wie man es in den sehr repräsentativen Synoden in Rom erkennen kann? Und wenn ich von der Gesamtheit der 1491 AD-LIMINA-BESUCHE Kirche spreche, meine ich die heutigen kirchlichen Gemeinschaften der verschiedenen Länder, aber auch diejenigen der Urkirche, deren Erfahrung unersetzbar ist. Was den Hl. Stuhl betrifft, könnte man sagen, daß er genau dafür da ist, den Einsatz all dieser Möglichkeiten der vertieften Reflexion, der langfristigen Perspektiven, der weitgehenden Übereinstimmung zu gewährleisten. Seine universale Betrachtungsweise bekundet nicht nur seine Sorge um die Treue und die Einheit der ganzen Kirche - für die der Nachfolger Petri in erster Linie verantwortlich ist -, sondern sie bietet eine Garantie für den Wert der Erfahrungen zugunsten des Landes, das diese macht, und für die volle Verantwortung der Ortsbischöfe. Ihr wißt, daß der Papst sich für diesen Dienst und insbesondere für die Bestimmung der Kriterien zur Beurteilung dieser Erfahrungen ganz selbstverständlich auf die Dika-sterien der Kurie verläßt; er lädt euch ein, mit diesen immer vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Die Studie und die praktische Anwendung der Dokumente des Hl. Stuhls sind auch Wege zur Förderung der Einheit des Handelns und Denkens in den grundlegenden Bereichen. Ich denke z. B. an den neuen Kodex des kanonischen Rechts, den ich nach einer sehr umfangreichen Konsultation der Bischöfe und Experten der ganzen Kirche promulgiert habe, oder an das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, in dem ich die Ergebnisse der Bischofssynode näher ausgeführt habe. Liebe Brüder, unter diesen Voraussetzungen wird die Kirche in Zaire mit Hilfe unseres Herrn und in Einheit mit den anderen Gemeinden der Kirche ihren Weg bahnen können, den Weg, der ihr zusagt, damit ihre Söhne von Grund auf evangelisiert werden und ihren Glauben, ihren Gottesdienst, ihr Gemeinschaftsleben aus dem innersten Kern ihres Wesens und ihrer kulturellen Traditionen heraus gestalten können, die das Christentum läutern und emporheben wird, so wie es alle Kulturen zu einer höheren Ebene führt. Und sie werden zugleich ihren Teil zum vielgestaltigen Fortschreiten der Kirche beitragen zum Ruhm unseres Herrn. Überbringt euren Priestern, euren Gläubigen, den Katecheten, den Familien, den Kindern, der Jugend, den Ordensleuten, allen, die unter Schicksalsprüfungen leiden, den herzlichen Gruß des Papstes, der sich ihrer mit bewegtem Herzen erinnert. Und auch meinen Apostolischen Segen, den ich euch selbst mit besonderer Zuneigung erteile, mit großem Vertrauen und mit meiner aufrichtigen Ermutigung, die guten Hirten zu sein, von denen der hl. Petrus in seinem Apostelbrief sprach. Möge der Heilige Geist euch mit seinem Licht, seiner Kraft und seiner Liebe stärken! 1492 AD-LIMINA-BES UCHE Zeugnis oblegen von der Lebenskraft und vom Reichtum der Kirche Ansprache an eine Gruppe Bischöfe aus Zaire anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 21. April Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nachdem ich jeden von euch einzeln empfangen habe, begegne ich jetzt euch allen zusammen, mit großer Freude. Ich weiß die Empfindungen zu schätzen, die ihr mir gegenüber zum Ausdruck bringt, und ich danke eurem Sprecher, Msgr. Fataki, herzlich. Alle eure Worte werde ich in meine Überlegungen und mein Gebet einschließen. Es trifft in der Tat zu, wie ihr selbst unterstrichen habt, daß ich mir ein deutlicheres Bild von euren Lebensbedingungen machen kann, denn ich habe meinen allzu kurzen Besuch in Kisangani, wo ihr mich am Abend des 3. Mai 1980 und am folgenden Tag so vortrefflich empfangen habt, noch in lebhafter Erinnerung. Ich sehe all diese begeisterten Menschen, die zu einer ersten Begegnung und dann zur Eucharistiefeier auf den Vorplatz der Kathedrale von Notre-Dame du Rosaire geströmt sind, noch deutlich vor mir. Ich denke auch an die Mission Saint-Gabriel, wo ich eine Grußbotschaft, Glückwünsche und Zuspruch an alle jene richtete, die missionarische Aufgaben erfüllen. Die meisten von euch waren dort, mit ihren Landsleuten. Mit Freude habe ich den Herrn Erzbischof, den ich in Krakau kennengelernt hatte, wiedergesehen; kurz zuvor hatte ich einen der Euren in Kinshasa zum Bischof geweiht, Msgr. Bam’ba Gongoa, Bischof von Bondo. Und heute seid ihr hierhergekommen, um eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri am Grab der Apostel erneut zu bekräftigen, wohl wissend, daß diese Gemeinschaft für die katholische Kirche ein wesentliches Kennzeichen, eine Gewähr der Aufrichtigkeit und eine Quelle der Fruchtbarkeit ist. 2. Bei euch also, mehr als bei anderen, habe ich das Werk der Missionare gewürdigt, nicht weit vom Friedhof von Makiro entfernt. Für mich war, wie für euch, der Gedanke sehr bewegend, daß diese Wegbereiter alles hinter sich gelassen und sich in das größte Abenteuer begeben hatten, um ihre Brüder in Zaire an dem einzigen Volk der Gläubigen, an dem gleichen Erbe Jesu Christi, teilhaben zu lassen. Und das war sehr wichtig, denn es ist üblich, diesen Vätern im Glauben und in Gott, von dem jede Gabe dieses Glaubens stammt, ständig dankbar zu sein; es ist auch 1493 AD-LIMINA-BESUCHE wichtig, einen glühenden missionarischen Eifer zu wahren: Gibt es doch noch viel zu tun, um Jesus Christus zu verkünden und ihm Eingang in die Seelen und in die Lebensweise zu verschaffen. 3. Heute habt ihr mir euer Anliegen dargelegt: lebendige kirchliche Gemeinden aufzubauen. Dieses Anliegen teile ich gern. Dies ist fürwahr das Ziel der Evangelisierung. Das Zweite Vatikanum brachte dies in einem Kapitel des Dekrets Ad gentes, das wir noch einmal gründlich lesen sollten, klar zum Ausdruck (vgl. Nr. 15-18). Der Heilige Geist ist die Seele derartiger Gemeinden, die Quelle ihres Elans und ihrer vielfältigen Gaben; unter seinem Wirken gestalten die Verkündung der Lehre, die Erkenntnis und die Entscheidungen der verantwortlichen Oberhirten das Denken und Handeln dieser Gemeinden. Um ihre Eigenschaften zu begreifen, sollte man sich, zwar ohne buchstäbliche Nachahmung, aber der gleichen Eingebung folgend, die Gemeinden der Zeiten der Apostel zum Vorbild nehmen, wie sie in der Apostelgeschichte oder in den Briefen des hl. Paulus (an die Korinther, z. B.), in denen des hl. Petrus oder auch in den Briefen beschrieben sind, die in der Offenbarung am Ende des ersten Jahrhunderts an die Gemeinden in Kleinasien (Offb 2-3) gerichtet wurden. Anhand der gesamten Überlieferung der Kirche läßt sich erkennen, wie eine christliche Gemeinde aufgebaut wird und auch wie sie sich nach Krisenzeiten wieder festigt und erneuert. Schließlich bieten die Texte des Zweiten Vatikanums (insbesondere die Konstitution über die Kirche, die Dekrete über die Hirtenaufgabe der Bischöfe, über Dienst und Leben der Priester, über das Laienapostolat, über die Missionstätigkeit) und die späteren Dokumente des Lehramts, besonders die Exhortation Evangelii nuntiandi (Nr. 12, 15, 18-20, 23, 41) hierzu Ansatzpunkte und Orientierungen, die es ermöglichen, den Aufbau einer christlichen Gemeinde vorzubereiten und zu erkennen, was ihren Wert ausmacht (vgl. Ad gentes, Nr. 15). 4. Es ist ganz klar, daß eine derartige „Gemeinschaft der Gläubigen durch ihre Ausstattung mit den kulturellen Reichtümern der eigenen Heimat tief im Volk verwurzelt sein soll“ (a. a. O.), aber es geht nicht nur um eine einfache Entfaltung, um eine Übertragung dieser kulturellen Reichtümer. Am vergangenen Samstag sagte ich dem Katholikos Karekin, im Gedanken an die schöne Kultur der armenischen Christen: „Wenn ein Volk das Licht Christi empfängt, werden seine tiefverwurzelten Überzeugungen geläutert und gekräftigt; auf dem Boden der überlieferten Kultur keimt eine neue, und der Mensch findet darin ein festeres Gleichgewicht und eine freiere und befreiendere Haltung gegenüber der Wirklichkeit.“ 1494 AD-LIMINA-BESUCHE Bereits der erste Brief des Apostels Petrus war reich an Beispielen derartigen christlichen Zuspruchs: „... So soll auch euer ganzes Leben heilig werden (1, 15) ... Hört nicht auf, einander von Herzen zu lieben (1, 22) ... Legt also alle Bosheit ab, alle Falschheit und Heuchelei, allen Neid (2, 1) ... Gebt den irdischen Begierden nicht nach, die gegen die Seele kämpfen (2, 11) ... Endlich aber: Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig (3, 8)... Dient einander als gute Verwalter der vielfältigen Gnade Gottes (4, 10) ... “ Und noch andere Worte kommen in dieser Epistel häufig vor: die Festigkeit des Glaubens, die Liebe Christi, die lebendige Hoffnung, das Gebet, das Streben nach Gerechtigkeit, die Teilhabe an den Leiden Christi, die Standhaftigkeit in Freude und Frohsinn. Fügte man sämtliche paränetischen Stellen aus den Briefen des Paulus oder des Jakobus zusammen, insbesondere jene, in denen die Sorge um die Ärmsten zum Ausdruck kommt - wir würden heute von Randgruppen oder ethnischen Minderheiten sprechen -, so würde man einen Gesamtüberblick über die Wesenszüge der christlichen Moral in allen Zeiten gewinnen, von denen die Gemeinschaften durch eine unablässige Bekehrung mit Eifer Zeugnis geben müssen und aus denen sie ihre Ursprünglichkeit und ihre Lebenskraft schöpfen. 5. Diese Lebenskraft wird um so gesicherter sein, je besser jedes Glied des Leibes Christi seine Aufgaben erfüllt. „... Zum Wachstum der christlichen Gemeinschaft aber sind verschiedene Dienste notwendig; durch göttliche Berufung werden sie in der Gemeinde der Gläubigen selbst geweckt, und sie müssen von allen sorgfältig gefördert und gepflegt werden“ bekräftigte das Konzil (Adgentes, Nr. 15 a. E.), und es führte das Amt des Priesters, der Diakone, der Katecheten, die Aktion der Laien, die Aufgabe der Ordensmänner und Ordensfrauen auf. Erlaubt mir, ein Wort zu jedem dieser Dienste zu sagen. Auf die Bedeutung der Liturgie und der feierlichen Gebetsversammlungen, über die ich mit euren Mitbrüdern in der vergangenen Woche gesprochen habe, brauche ich nicht zurückzukommen. Soweit die christlichen Laien aus dem Geist ihrer Taufe leben, ist zu hoffen, daß sich ihr Glaube und ihre Barmherzigkeit in einer großen Anzahl von Charismen äußert, in Gaben, die sie zur geistigen Unterstützung ihrer Brüder erhalten haben, wie die vom hl. Paulus in seinem Brief an die Korinther genannten Gaben (7 Kor 12). Es hängt von der Gnade Gottes ab — und folglich vom Gebet, vom Großmut der Gläubigen und 1495 AD-LIMINA-BESUCHE auch von der Erkenntnis, ob diese Charismen echt sind und dem Wohl der Gemeinschaft dienen. Deren Oberhirten können auch verschiedene Aufgaben, ja sogar nicht ordinierte „Dienste“, die von der Kirche geschaffen wurden, Gliedern anvertrauen, die dazu berufen und fähig sind, damit den verschiedenen Bedürfnissen entsprochen wird. Ich denke dabei insbesondere an die unverzichtbare Aufgabe der Katecheten und der Laienhelfer der Gemeinden, deren Dienst eine gute Ausbildung und eine besondere Unterstützung seitens der Priester erfordert (vgl. Adgentes, Nr. 17). Ich freue mich mit euch über die Evangelisierungstätigkeit, die oft von den Pfarrgemeinden zugeordneten kleineren kirchlichen Gemeinschaften ausgeübt wird. Mehrere von euch haben jedoch darauf hingewiesen, daß sie darauf achten, daß diese Gemeinschaften nicht nach ethnischen oder stammesmäßigen Grundsätzen aufgebaut werden. Die unter anderem in der Exhortation Evangelii nuntiandi genannten Kriterien (Nr. 58) bleiben weiterhin gültig. Die Erwachsenenkatechese sollte mit einer gewissenhaften Katechese der Kinder und Jugendlichen einhergehen: In letzterem Punkt empfindet ihr das Bedürfnis, die Lehrkräfte besser auszubilden, damit eine umfassendere weltliche Erziehung in den Schulen nicht zu einer Ablehnung des Glaubens führt. Ganz allgemein denke ich an die Rolle der Eheleute, der Familienväter und -mütter. Die Familie ist die Urzelle und das Fundament eurer christlichen Gemeinden. Es ist mir bekannt, daß ihr in diesem Zusammenhang das Vorhandensein etlicher Hindernisse, die sich der christlichen Eheschließung entgegenstellen, bedauert, die ihre Wurzel in bestimmten Aspekten der von den Vorvätern überlieferten Bräuche oder in einer modernen, einem neuen Laizismus oder Materialismus entspringenden Denkweise des Neuheidentums haben. Ihr möchtet die hier angesprochenen menschlichen und soziologischen Probleme eingehend untersuchen. Aber gleichzeitig und ohne Verzögerung solltet ihr die Ehe und Familie, wie sie dank dem christlichen Mysterium gelebt werden können, fördern und zugleich daran glauben, daß eure christlichen Landsleute, wie ich in Kinshasa sagte, fähig sind, diese Werte zutiefst zu begreifen und sie mit ihrer ganzen afrikanischen Seele zur Entfaltung zu bringen. Mehrere von euch haben eine großartige Ehekatechese unternommen, und ich bin sicher, daß sie Früchte tragen wird. Schließlich gibt es Zeugnisse, Aktionen, Bewegungen des Laienapostolats jeder Art, die den Bedürfnissen eurer Landsleute angepaßt sind und zum Ziel haben, dem Geist des Evangeliums in die Menschen, Gesinnungen und Einrichtungen Eingang zu verschaffen. Ich denke an alles, was die 1496 AD-LIMINA-BES UCHE Frömmigkeit fördert, und auch an das Streben nach Gerechtigkeit. Ihr könnt euch daran erinnern, daß ich in Kisangani die Laien eindringlich ermahnt habe, sich der Herausforderung des Elends der ländlichen Welt zu stellen und für Lebensbedingungen zu sorgen, die des Menschen und Gottes würdig sind. Gemeinsam mit euch wünsche ich, daß in diesem Bereich die Überlegungen vertieft und die beharrlichen, gemeinsam abgestimmten Bemühungen verstärkt werden. Dies ist ein Bereich, in dem die christliche Gemeinschaft den Sinn ihrer Lebenskraft und eine größere Glaubwürdigkeit zeigen kann. 6. Das kontemplative oder aktive Ordensleben stellt ein unvergleichliches Charisma dar, dessen ihr euch sehr wohl bewußt seid, denn ihr habt insbesondere und mit Erfolg versucht, örtliche Gemeinschaften von Ordensfrauen zu schaffen, wobei ihr euch auf die weltweiten Kongregationen stützt. Die völlige Hingabe dieser Männer und dieser Frauen an die Liebe Christi, ihre völlige Bereitschaft zum Gebet oder zum apostolischen, erzieherischen oder karitativen Dienst, der an sie ergangene Ruf, die Seligpreisungen zu leben, d. h. ihr Gelöbnis der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams, stellen ein herrliches Zeugnis vom Reich Gottes dar. Natürlich muß man darauf achten, daß dieses Juwel seinen Glanz nicht verliert, daß die Forderungen und die Eigenart des Ordenslebens nicht stumpf werden, daß gut ausgebildete Vorgesetzte dieser Gemeinschaften ihre Rolle voll entfalten. Dies scheint mir leichter zu sein, wenn die Gemeinschaften einen gewissen Umfang bewahren, über die Grenzen und die beschränkten Bedürfnisse einer Diözese oder eines Bezirks hinaus. Schon das Konzil sprach diese Empfehlung aus: „Die Bischöfe sollen in ihrer Konferenz darauf achten, daß nicht Kongregationen mit dem gleichen apostolischen Zweck vervielfacht werden, zum Schaden des Ordenslebens und des Apostolats“ (Ad gentes, Nr. 18). Wer denkt in diesem Zusammenhang nicht an Schwester Maria Clementine Anwarite, von der ihr mir in Kisangani erzählt habt! Ich wünsche mit euch, daß sie bald seliggesprochen wird und daß ihr Beispiel für das Ordensleben und das christliche Leben aller Zairer ein Ansporn sein möge. Ich weiß, daß die zuständige Kongregation die Sache zur Zeit aktiv prüft. 7. Schließlich - und darüber brauche ich heute keine längeren Ausführungen zu machen - wären die christlichen Gemeinden ohne das unverzichtbare Amt des Priesters wie Schafe ohne Hirten. Meine lieben Brüder, 1497 AD-LIMINA-BESUCHE widmet einen beträchtlichen Teil eurer Tätigkeit der Unterstützung des Eifers eurer zairischen oder ausländischen Priester, verschafft ihnen die Mittel zur geistigen und spirituellen Ausbildung, besucht sie. Es ist mir bekannt, daß einige von euch ein gutes Schreiben über das Priesterleben an sie gerichtet haben. Mögen sie in immer stärkerem Maße die Nähe eures Herzens verspüren, Nutzen aus euren verständnisvollen und zugleich festen Mahnungen ziehen und eurem Beispiel folgen, denn, nach den Worten des hl. Petrus, ihr müßt als die Ältesten „Vorbilder für die Herde sein“ (1 Petr 5, 3)! Mögen sie die Würde des Lebens immer besser begreifen, zu dem sie durch ihre hohe Berufung als „Freunde“ des Herrn und als Spender seiner Mysterien erkoren wurden! 8. Ich weiß, daß ihr alle euch um die Förderung von Berufungen bemüht, und ich freue mich mit euch über die zahlreichen Gesuche um Aufnahme in das Priesterseminar, die in manchen Diözesen zu verzeichnen sind. Jedoch machen sich manche von euch zu Recht Gedanken um die Qualität dieser Anwärter auf das Priesteramt. Ich meine, daß ihr in der Tat zusammen mit euren Erziehern und Seminarleitern sehr genau auf die sittlichen und geistigen Anlagen ebenso wie auf die Beweggründe dieser Seminaristen achten und deshalb mutig eine Auswahl treffen solltet, damit das Seminar seine Aufgabe erfüllt, wahrhaft mit apostolischem Geist gesegnete Zöglinge zur Ordination zu führen, die sich ohne Zwiespalt in einer geeigneten Umgebung darauf vorbereiten. 9. Ich habe mich nicht unmittelbar zu eurer lehramtlichen Aufgabe bei der Erziehung und der Vertiefung des Glaubens, bei der Entwicklung der Theologie im Rahmen Zaires geäußert. Ich gedenke, im Gespräch mit euren Mitbrüdern darauf zurückzukommen. Im übrigen habe ich bereits gesagt, daß ich eine Angleichung unter allen Bischöfen Zaires für unerläßlich halte. Ferner bin ich der Meinung — und damit entspreche ich einem Wunsch, den ihr in bezug auf sämtliche Kirchen Afrikas zum Ausdruck gebracht habt -, daß eine Konzertierung auch auf dieser Ebene in der einen oder anderen Form erforderlich ist, um die religiösen Fragen zu prüfen, die sich für den gesamten Kontinent stellen. Natürlich muß dies in Verbindung mit der Weltkirche und dem Hl. Stuhl geschehen. Aber die Verantwortung jedes einzelnen Bischofs für seine Diözese bleibt dabei ungeschmälert. Ich habe euch also ermutigt, alles in euren Kräften Stehende zu tun, damit eure gut aufgebauten und mit den notwendigen Mitteln versehenen Gemeinden sicheren Schrittes auf dem Weg zu einer echt christlichen 1498 AD-LIMINA-BESUCHE Prägung, Entwicklung und Ausstrahlung vorankommen; die Lebenskraft wird sich dann zusätzlich einstellen. Ich weiß, daß es euch nicht an Eifer mangelt und daß ihr angesichts der Schwierigkeiten und der kargen Mittel oft großen Mut aufbringen müßt. Aber ist dies nicht das übliche Los der Kirche? Der auferstandene Herr ist mit euch. Wie er es an den Gestaden des galliläischen Sees tat, so hat er auch euch aufgefordert, das Netz auszuwerfen. Und Petrus ist mit euch, in der Person seines Nachfolgers. Möge der Heilige Geist euch seinen Frieden, seine Freude und seine Kraft geben! Ich segne euch aus ganzem Herzen sowie all jene, die mit euch arbeiten, die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Christen eurer Diözesen. Das Problem der „afrikanischen Theologie“ Ansprache an eine Gruppe Bischöfe aus Zaire anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 30. April Meine lieben Brüder im Bischofsamt! 1. Dieses brüderliche Treffen stellt einen der Höhepunkte eures Ad-limina-Besuches dar. Ich selbst freue mich besonders, euch alle zusammen hier zu begrüßen. Ich danke eurem Sprecher, Msgr. Kabanga Songasonga, für das Vertrauen, das er mir ausgesprochen hat, und ich danke euch allen für die offenen Gespräche, die ihr schon mit mir und, ich hoffe es, auch mit den Dikasterien während dieser Tage in Rom geführt habt. Ich versuche, mir die Zeichen der Hoffnung und die Probleme eurer 16 Diözesen der Provinzen Lubumbashi und Kananga zu vergegenwärtigen. Einige davon habe ich schon mit euren bischöflichen Mitbrüdern angesprochen, die vor euch hier gewesen sind. Heute erscheint es mir angebracht, über eines der Schlüsselprobleme etwas gründlicher nachzudenken, das mir eure Konferenz im übrigen als vorrangiges Problem unterbreitet hat, nämlich das Problem der „afrikanischen Theologie“, d. h. des Beitrags Afrikas zur theologischen Forschung. 2. Unter seinen allgemeinen Aspekten ist dieses Problem für die Kirche übrigens nicht neu. Die ersten Kapitel der Apostelgeschichte zeigen sehr gut, wie Petrus und die anderen Apostel zuerst in einer Symbiose mit der 1499 AD-LIMINA-BESUCHE jüdischen Atmosphäre Jerusalems gelebt haben. Aber bald stellte sich ihnen die Frage der Hellenisten, d. h. der Jünger - Juden oder Heiden die griechischer Kultur waren. Es waren keine zwei Jahrhunderte vergangen, da entstand schon eine dritte Form des Christentums, die lateinischen Kirchen. Jahrhundertelang haben somit die jüdisch-christlichen, die orientalischen und die lateinischen Kirchen nebeneinander bestanden. Diese Vielfalt steigerte sich manchmal zu Spannungen und Schismen. Jedoch bleibt die Koexistenz der verschiedenen Kirchen der typischste und in mancher Hinsicht beispielhafteste Ausdruck eines legitimen Pluralismus im Kult, in der Disziplin, in den theologischen Ausdrucksweisen, wie es das Dekret Unitatis redintegratio des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. Nr. 14/18) darlegt. 3. Zwei Züge kennzeichnen die Einheit der Ortskirchen überall in der Welt: ihre Treue zu Christus, dem Gründer, und ihre hierarchische Struktur, die sowohl die Kontinuität mit Christus als auch die Verbindung der Teilkirchen untereinander gewährleisten. Wenn man an die Bande unserer christlichen Versammlungen mit unserem Herrn Jesus denkt, so kommt man immer wieder auf die wesentlichen Worte des Evangeliums zurück. In welchem Ritus die Bischöfe und die Priester die Eucharistie auch feiern mögen, sie rufen nach der Wandlung die Worte Jesu beim Letzten Abendmahl in Erinnerung: „Hoc facite in meam commemorationem“ (Lk 22, 19). Allgemeiner gesehen, läßt sich der Aufrag der Kirche in den letzten Anweisungen Christi an die Elf zusammenfassen: „Euntes ergo docete omnes gentes, bapticantes eos in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, docentes eos servare omnia quaecumque mandavi vobis“ (Mt 28, 19-20). Hier findet man die drei wesentlichen Bedingungen für die ständige Anwesenheit des Herrn („et ecce ego vobiscum sum omnibus diebus...“): den gemeinsamen Glauben, das sakramentale Leben, das mit der Taufe beginnt, und eine Lebensführung, die den Erfordernissen des Glaubens entspricht. Hier begegnen wir gleichzeitig den Gegebenheiten, die von Glaube, Kultur und Geschichte herrühren. Die Unterscheidung zwischen diesen drei Ebenen ist sicherlich notwendig, wenn man die Inkulturation des christlichen Lebens aus der Nähe studieren will. Nichtsdestoweniger wird das Christentum in seinen Ursprüngen durch diese drei eng miteinander verbundenen Elemente bestimmt. 4. Unter diesem Gesichtspunkt der Apostolizität möchte ich noch eine andere Bedingung des legitimen Pluralismus unterstreichen: den hierar- 1500 AD-LIMINA-BESUCHE chischen Charakter der Kirche Christi, aus dem sich die grundlegende Rolle der Hierarchie in ihrem doppelten Auftrag als Lehramt und Priesteramt ergibt. Es ist offensichtlich, daß nicht alle Christen Afrikas in der gleichen Weise an der Entwicklung einer Theologie teilnehmen. Ebenso muß man den Gedanken entschieden ablehnen, daß alle Glieder der christlichen Gemeinden den heiligen Ämtern und den Sakramenten gegenüber die gleichen Pflichten und die gleichen Befugnisse haben. Schon seit der Zeit der Apostel erscheint die Kirche als strukturiert: Neben den Gläubigen gibt es die Apostel, die „viri apostolici“, mit ihren Nachfolgern, den Bischöfen, den Priestern, den Diakonen. Sowohl in der Verkündigung und der Pastoral als auch in der Eucharistiefeier sind die Aufgaben unterschiedlich. Es geht nicht um Herrschaft, sondern um Dienst, um einen ganz besonderen Auftrag, der die Anwesenheit des Herrn Jesus bei einer Gruppe von Gläubigen sichert, der aber auch die Gemeinschaft aller Ortskirchen in der einen und vollkommenen Kirche, der Braut Christi, verankert. Es gab vielleicht eine Zeit, in der manche allzu ausschließlich auf die Autorität des Lehramts in der Gestaltung des Glaubenslebens gepocht haben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit Recht gesagt: „Es wächst das Verständnis der überlieferten Dinge und Worte durch das Nachsinnen und Studium der Gläubigen, die sie in ihrem Herzen erwägen (vgl. Lk 2, 19, 51), durch innere Einsicht, die aus geistlicher Erfahrung stammt, durch die Verkündigung derer, die mit der Nachfolge im Bischofsamt das sichere Charisma der Wahrheit empfangen haben“ (Dei verbum, Nr. 8). Den Theologen wiederum ist ein bedeutender Platz in der Kirche zuerkannt worden. Sie sind die formellen „Koadjutoren“ des Lehramts, insbesondere in der Betrachtung der neuen Fragen und in der technischen Vertiefung der Untersuchung der Glaubensquelllen. Das ändert aber nichts daran, daß Papst und Bischofskollegium die Organe des Lehramts sind und dieses Lehramt nicht delegiert werden kann (vgl. Paul VI., Ansprache an die Internationale Theologenkommission vom 6. Oktober 1969, AAS LXI [1969], 714). Im Lebensdrang, im Gärungsprozeß der geistigen Forschung wie auch in den soziologischen Überlegungen über die Inkulturation des Glaubens können viele Gedanken zum Ausdruck gebracht, viele Erfahrungen gemacht werden. Vergeßt jedoch nicht, daß es euch, den Bischöfen, gemeinsam mit dem Nachfolger Petri zukommt, letzten Endes über die christliche Authentizität der Gedanken und der Erfahrungen zu urteilen. Das Charisma unserer Priesterweihe kommt hier zum Tragen, denn wir sind Lehrer und Väter im Glauben. Eines der Kriterien eures Urteüens 1501 AD-LIMINA-BESUCHE wird übrigens die Möglichkeit sein, mit den anderen Ortskirchen in Verbindung zu stehen. Zu Recht stolz auf eure afrikanische Eigenart, habt ihr nichtsdestoweniger die Pflicht, mit den anderen christlichen Gemeinden Austausch zu pflegen in eurer Ausdrucks- und Lebensweise. Dabei seid ihr die Garanten für die Einheit der Kirche und tragt zur gegenseitigen Bereicherung bei. 5. Wenn einige Auslegungen des Sensus fidelium, den das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat, dieses Maß überschritten haben, so geschah dies auch in bezug auf das gemeinsame Priestertum der Gläubigen. Indem es den Wortlaut des ersten Briefs Petri übernahm, erklärte das Konzil, daß das Volk Gottes eine priesterliche und königliche Gemeinschaft sei. Es unterstrich aber auch den ganzen Unterschied zwischen dem Priesteramt und dem allgemeinen Priestertum. Um die Eucharistie zu feiern, die Sünden zu vergeben, die Erfüllung des sakramentalen Lebens zu sichern, sind geweihte Priester notwendig. Christus hat die Zwölf auserwählt und sie mit besonderen Befugnissen ausgestattet. Daran habe ich wieder in dem Schreiben erinnert, das ich zum Gründonnerstag dieses Jahres an alle Priester gerichtet habe (vgl. O. R., dt., vom 1. April 1983). Entsprechend den Anweisungen Christi haben die Apostel Ämter geschaffen, die mit ganz bestimmten Pflichten und Befugnissen ausgestattet waren. Einige haben leider diese wesentlichen Bestandteile des Glaubens in den Jahren nach dem Konzil vergessen. Schnell wollten einige Theologen die heiligen Ämter „umgestalten“. Aber, wer sieht es nicht? Ein Amtsinhaber, den die Gemeinschaft oder, wie man es manchmal nennt, die „Basis“, bestimmt hat, kann nicht der legitime Mitarbeiter der Bischöfe und Priester sein. Er gehört nicht der ehrwürdigen apostolischen Tradition an, die von uns zurück bis zu den Zwölf und dann zu dem Herrn die historische Fortdauer der Handauflegung für die Weitergabe des Geistes Christi kennzeichnet. 6. Alle diese Ausführungen sollen nichts Negatives an sich haben. Es geht darum, gültige Grundlagen für einen authentischen Beitrag Afrikas zur theologischen Forschung zu schaffen, nach den Bedingungen zu suchen, unter denen die afrikanische Inkulturation des Christentums - worum ihr euch zu Recht sorgt - fruchtbar und segensreich sein wird. Es geht dabei nicht um das christliche Leben Afrikas, es geht auch darum, die gesamte Kirche durch neue Erkenntnisse über die Mysterien Gottes sowie durch 1502 AD-LIMINA-BESUCHE einen geistlichen und moralischen Fortschritt zu bereichern, der alle Anforderungen des Christentums an unseren Handlungen zeigt. Welche sind nun die großen Aufgaben, die die „afrikanische Theologie“ erwarten? Sieht man sich die Bücher und die Artikel an, die zu diesem Thema schon veröffentlicht worden sind, oder auch die Anträge dieser oder jener Tagung, so eröffnen sich zwei große Gedankengänge: eine doktrinäre Überlegung über die afrikanische Identität und ein Lesen der Grundgegebenheiten des Christentums. Was das Problem der afrikanischen Identität betrifft, so sind schon ausführliche Werke über das Wesen, die Persönlichkeit, die Freiheit, die Weltanschauung der verschiedenen Stämme veröffentlicht worden. Diese Bücher unterstreichen das, was jedem dieser Stämme eigen ist, und das, was allen gemeinsam ist. Dieses Moment der Synthese verstärkt sich noch, wenn man Werke über die „Philosophie Afrikas“ liest. Hier besteht die Gefahr, sich einzukapseln. Aber der zairische Episkopat hat es verstanden, seine Theologen, Priester und Laien zu einer richtigen Zusammenarbeit mit den Forschungsstätten anderer Länder zu führen. Von einer solchen Synthese ausgehend, befindet ihr euch, ihr und eure Gläubigen, in derselben Situation wie alle anderen Kulturen. Hier ist der Raum für viele unterschiedliche, mehr oder wenige legitime Lehrmeinungen. Ihr seid euch sicher einer Gefahr bewußt, nämlich, daß man zuläßt, daß sich eine Philosophie und eine Theologie der „Afrikanität“ entwickelt, die rein autochthon und ohne wirkliche und tiefe Bindung an Christus wäre; und in diesem Fall wäre das Christentum nur noch ein verbaler Bezug, ein künstlich hinzugefügtes Element. Auch das Europa des Mittelalters hat Aristoteliker gekannt, die mit den Christen nur noch den Namen gemein hatten, wie z. B. die Averroisten, die Thomas von Aquin und der hl. Bonaventura heftig bekämpfen mußten. In der heutigen Zeit kann man dieselbe Gefahr in den Versuchen erkennen, einen angeblich christlichen Hegelianismus oder Marxismus auszubilden. „Dem Pluralismus der Forschung und der Auffassungen, der auf verschiedene Weise das Dogma untersucht und darlegt, ohne aber seine eigentliche objektive Bedeutung zu ersetzen, räumen wir in der Kirche eine Daseinsberechtigung ein. Er ist ein natürlicher Bestandteil ihrer Katholi-zität wie auch Zeichen kulturellen Reichtums und persönlicher Verpflichtung für alle, die ihr angehören“ (Paul VI., Apostolisches Schreiben über die Versöhnung in der Kirche, in: O.R., dt., Nr. 51—52/1976). Aber in Anbetracht der engen Verbindung von Theologie und Glauben würde ein theologischer Pluralismus, der das gemeinsame Erbe des Glaubens und die gemeinsamen Grundlagen menschlichen Denkens - die die Möglich- 1503 AD-LIMINA-BESUCHE keit eines gegenseitigen Verstehens schaffen - nicht in Rechnung stellt, für die Einheit des Glaubens zur Gefahr: „Ceterum nos omnes fidem accepimus per continuatam planeque constantem traditionem“ (Paul VI., Schlußansprache bei der Bischofssynode, in: O. R., dt., Nr. 44/1976). Anderseits - so habe auch ich den Professoren und Studenten der Päpstlichen Gregorianischen Universität in Erinnerung gerufen - muß die theologische Forschung mit dem notwendigen Unterscheidungsvermögen geführt werden, denn „es gibt ja philosophische Perspektiven, Sichtweisen und Ausdrucksformen, die entschieden unzureichend bleiben. Es gibt so armselige oder in sich verschlossene wissenschaftliche Systeme, daß jede befriedigende Übertragung oder Deutung des Wortes Gottes unmöglich wird“ (Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Universität Gregoriana vom 15. 12. 1979; in: O. R., dt, Nr. 4/1980). 7. Eine Sache ist es, das Christentum in einen „Kulturalismus“ zu verwandeln, eine andere ist es, sich einer Kultur zu bedienen, um mit neuen Worten und neuen Blickrichtungen das überkommene biblische Erbe neu zu vermitteln. Bei dieser Aufgabe kann die theologische Forschung, die in Afrika unternommen wird, manche Dienste leisten, vorausgesetzt, daß sie sich in der Auslegung auf die Bibel, die Konzilien, die bekannten authentischen und vollständigen Dokumente des Lehramts stützt. In diesem Sinne hat der hl. Irenäus, am Ende des 2. Jahrhunderts, diesen gemeinsamen Ursprung und das Ziel der Einheit deutlich unterstrichen: „Diese Verkündigung, die sie empfangen hat, und diesen Glauben, den wir gezeigt haben, die Kirche, obwohl in der ganzen Welt verbreitet, bewahrt sie sorgfältig, als lebte sie in einer einzigen Wohnstatt. Weder die Kirchen, die in Germanien, in Iberien oder bei den Kelten gegründet wurden, noch die des Orients, Ägyptens oder Libyens, noch die im Mittelpunkt der Welt (in Jerusalem) unterscheiden sich im Glauben oder in der Tradition“ (vgl. Adversus haereses, PG 7, S. 550-554). Es ist diese Treue, die ich in meiner Ansprache vor der theologischen Fakultät in Kinshasa als Bedingung für eine wertvolle Förderung der Forschung und Lehre der Theologie in ihrem Lande empfohlen habe. Ich habe mit Freude vernommen, daß zur Zeit zahlreiche theologische Kolloquien, die aus afrikanischer Sicht veranstaltet werden, der Offenbarung in ihren biblischen und kirchlichen Ausdrucksformen einen wichtigen Platz einräumen. 1504 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Im Lichte dieser allgemeinen Überlegungen können viele andere konkrete Probleme unsere Aufmerksamkeit wecken, wie z. B. die der christlichen Familie, der Gerechtigkeit auf der Ebene der gemeinschaftlichen Einrichtungen, der Entwicklung und des wirtschaftlichen Fortschritts. Ich denke auch an die Evangelisierung und die christliche Treue der Intellektuellen und führenden Kreise, um die ihr euch mit Recht sorgt. Und im übrigen berichtet ihr mir oft von den Sekten, die hier und da die katholische Einheit untergraben, was u. a. die Notwendigkeit eines reiferen, vernünftigen, lebensvollen Glaubens, der sich vor allem des notwendigen apostolischen Bezuges besser bewußt ist, zu unterstreichen scheint. Dieses gesamte apostolische Werk verlangt eine große Einheit unter allen Bischöfen Zaires. Ihr sollt wissen, daß ich für meinen Teil von ganzem Herzen die verdienstvollen und konzertierten Bemühungen unterstütze, die ihr täglich unternehmt, um das Volk Gottes zu belehren und es zur Heiligkeit zu führen und auch um den seelsorgerischen Eifer, die Urteilskraft und das geistliche Leben eurer Priester zu unterstützen. Mögen diese sich voll und ganz dem widmen, was ihrem Priesteramt eigen ist, ohne sich direkt an der Politik zu beteiligen, die Sache der Laien ist. Gemeinsam mit ihnen sollt ihr weiterhin die Laien für ihre verschiedenen kirchlichen und sozialen Pflichten formen; spornt sie alle an auf diesem Weg der Bekehrung und der Sühne, den das Heüige Jahr der Erlösung vorzeichnet, und bestärkt sie alle in der Hoffnung, die das Paschamysterium uns eröffnet hat. Ich werde weiterhin eure Meinungen dem Herrn und seiner heiligen Mutter Vorbringen. Und ich empfehle eurem Gebete das Amt, das mir anvertraut worden ist, für die Einheit und die Treue der gesamten Kirche. Von ganzem Herzen segne ich euch und bitte euch, meinen herzlichen päpstlichen Segen jeder eurer christlichen Gemeinden zu vermitteln. 1505 Erklärungen der Kongregationen INSTRUMENTUM LABORIS zum Thema „ Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ der Bischofssynode 1983 „Jubiläums]ähr und Synode - Zeiten des Heils und außerordentlicher Gnade“ Schreiben an alle Bischöfe anläßlich der Veröffentlichung des „Instrumentum laboris“ für die 6. Vollversammlung der Bischofssynode vom 25. Januar 1509 KONGREGA TIONEN Vorbemerkungen Zur Wahl des Themas 1. Die Entscheidung, in der sechsten Vollversammlung der Bischofssynode das Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ zu behandeln, hat der Papst getroffen, nachdem er ausführlich den Rat der Synode der Orientalischen Kirchen, der Bischofskonferenzen, der Dikasterien der römischen Kurie sowie der Vereinigung der Generaloberen der Ordensgemeinschaften gehört und alle vom Rat des Sekretariats der Bischofssynode gesammelten Vorschläge geprüft hatte. Damit folgte er den Empfehlungen einer großen Anzahl kirchlicher Gemeinschaften. Das gewählte Thema ist von großer Bedeutung, ganz besonders in dieser Zeit. Denn es rührt an das innerste Leben der Kirche selbst und es geht alle Menschen guten Willens an, die auf der Suche sind nach Kraft und nach dem innersten Sinn ihres Daseins. Für die Kirche als eine Gemeinschaft, die sich dauernd in einem Zustand der Umkehr und der Versöhnung befindet, bedeutet das gründliche Studium dieses Themas heute, da die Buße im Leben der Kirche sowohl hinsichtlich der Häufigkeit des Empfangs des Bußsakramentes als auch der Bußgesinnung überhaupt abnimmt, nichts anderes als ein wohlüberlegtes Urteil im Licht der Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils darüber, was zum Leben und Heilsauftrag der Kirche gehört. Für die gesamte Menschheit aber ist dieses Thema eine eindringliche Aufforderung zum Frieden, den es nur auf der Grundlage der Bekehrung des Herzens und der Versöhnung geben kann. Die Formulierung des Themas enthält drei Begriffe: Die beiden ersten bringen zwei voneinander abhängige Aspekte ein und desselben Ereignisses, nämlich des Heilsgeschenkes Gottes zum Ausdruck. Diese beiden Aspekte, Versöhnung und Buße1, werden bedacht, insofern sie Grundlage jeglicher übernatürlicher Gerechtigkeit in der Kirche und durch die Kirche in der Welt sind, d. h. sie werden in ihrem Verhältnis zum Heilsauftrag der Kirche gesehen. Es geht also bei dem gewählten Thema immer um ein und dieselbe Sache, die jedoch verschiedene Merkmale aufweist. Durch die sorgfältige Auseinandersetzung mit diesem Thema will die Synode vor allem den Versöhnungsdienst der Kirche als wesentlichen Teil ihres Sendungsauftrages neu bekräftigen, um so den Zusammenhang zwischen der Bedeutung der Bekehrung der 1510 KONGREGA TIONEN Herzen und der Versöhnung in der Gesellschaft deutlicher zu machen. Sodann will sie Grundsätze angeben für eine richtige und fruchtbare Ausübung dieses Dienstes innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft selbst, in der ganzen Christenheit oder auch in der Gesellschaft außerhalb der Kirche. Dadurch soll die Kirche Christi, der das Licht der Völker ist, wahrhaft sichtbar und für die von so vielen und so großen Spaltungen zerrissene Welt unserer Tage zu einem glaubwürdigen Zeichen und Sakrament der Versöhnung des ganzen Menschengeschlechtes werden. Die kommende Versammlung der Bischofssynode wird im eintausendneunhundertfünfzigsten Jahr nach der Erlösungstat Jesu Christi stattfinden, der diese für uns vollzogen hat und uns ihre Frucht darbietet, in einem Jahr, das aus diesem Grund auch vom Papst zum Jubeljahr ausgerufen wurde. Das Thema der Synode hängt mit dem Zweck dieses Heiligen Jahres auf das engste zusammen. Eine breite und eingehende Beschäftigung mit dem Thema der Synode in den Ortskirchen wird gleichzeitig zu einer besseren Feier des Heiligen Jahres beitragen. Gründe für das Interesse an diesem Thema 2. Schon bei seiner ersten Bekanntgabe hat das Thema in verschiedenen Teilen der Welt große Aufmerksamkeit erregt. Tatsächlich gibt es viele drängende Gründe, sich gerade jetzt mit diesem Thema auseinanderzusetzen, Gründe, die im Leben der Kirche selbst liegen, und Gründe, die sich aus dem Verhältnis der Kirche zur Welt ergeben. Unter den Gründen, die im Leben der Kirche selbst liegen, sind zu nennen: - Es ist notwendig, die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils wieder aufzugreifen, damit die vom Konzil gewollte Umkehr des Geistes und des Herzens von Tag zu Tag tiefer werde. - Ebenso muß die Kirche sozusagen eine Haltung des „Advents“ anle-gen, um sich durch innere Erneuerung auf das anbrechende dritte Jahrtausend vorzubereiten2. - Notwendig ist es, daß das Bewußtsein von der Gemeinschaft das kirchliche Leben Tag für Tag tiefer durchdringe; die wahrhaft grundlegende Bedingung dafür ist die Bekehrung des Herzens. - Die Jugend, auf der die Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft ruht, muß das Evangelium der Versöhnung zutiefst leben und mit allen Kräften dafür Zeugnis ablegen. Für das Interesse am Thema sind auch folgende Gründe zu erwähnen, die im Verhältnis der Kirche zur Welt liegen: 1511 KONGREGATIONEN - die Notwendigkeit, den Menschen zu heilen, ihm seine eigene Würde vor Augen zu führen und sie wirksam zu sichern; - die Spaltung der Menschheit, die tagtäglich drückender wird und die die Kirche herausfordert zu noch größeren Anstrengungen, um die Wurzel der Spaltung selbst, nämlich die Sünde, durch Buße und Versöhnung auszureißen; - die Erwartung des Friedens, auf den die meisten Menschen, vor allem die Armen, harren. Sie wollen den Frieden allerdings als ein Werk der Gerechtigkeit; darum aber sind so viele „Utopien“, die nur auf die Kräfte des Menschen vertrauen, zum Scheitern verurteilt. Daher dringt die Bischofssynode mit der Erörterung des vorgeschlagenen Themas bis ins innerste Herz der Menschheit in unserer bewegten Zeit vor und versucht, ihr die Botschaft von einer tragenden Hoffnung zu bringen. Werdegang des „Instrumentum laboris“ 3. Zur Erreichung des Zieles der Bischofssynode hat sich das Verfahren bewährt, der Versammlung selbst eine sorgfältige Vorbereitung in zwei Schritten vorausgehen zu lassen. In einem ersten Schritt hat das Generalsekretariat der Synode ein kurzes Dokument, die sogenannten „Lineamenta“ zum geplanten Thema, erarbeitet. Sie dienten dazu, die Meinungsbildung in den Ortskirchen zu fördern und Anregungen, Ratschläge und Informationen, die für die kommende Erörterung in der Synode nützlich sind, zu sammeln und möglichst früh die geistige Zusammenarbeit und das Gebet für das Anliegen anzuregen. Alle diese Bemühungen und das Gebet hatten den Zweck, alle zu jener „Metanoia“ oder Buße zu führen, welche dem Thema der Synode zugrunde liegt. Auf der Grundlage dieser Anregungen, Ratschläge und Informationen, welche die kirchlichen Organe gesammelt und an das Sekretariat der Synode gesandt hatten, wurde dieses ausführlichere „Instrumentum laboris“ erstellt. Dabei blieb ein Großteil der „Lineamenta“ erhalten, da diese auf ausreichend breite Zustimmung gestoßen waren. Wesen und Ziel des „Instrumentum laboris“ 4. Dieses „Instrumentum laboris“ wurde auf der Grundlage dessen erarbeitet, was die Synoden und Versammlungen von Bischöfen der Orientalischen Riten, die Bischofskonferenzen, die Dikasterien der römischen Kurie und die Vereinigung der Ordensoberen zur Frage von Versöhnung 1512 KON GREGA TIONEN und Buße im Heilsauftrag der Kirche an Beiträgen eingebracht haben. Es versucht, deren Meinung, wie sie in den Antworten auf die „Lineamenta“ zum Ausdruck kam, zusammengefaßt möglichst getreu wiederzugeben. Das Dokument ist vor allem für die Väter bestimmt, die an der Generalversammlung der Bischofssynode teilnehmen werden, aber auch für die übrigen Bischöfe und die Ortskirchen. Das Dokument, das keinen Anspruch auf Vollkommenheit erhebt, soll veröffentlicht werden, damit es allen - den Teilnehmern der Synode, den übrigen Bischöfen und allen Gläubigen - zum Nachdenken diene, ganz besonders in diesem Heiligen Jahr der Erlösung. Aufbau des „Instrumentum laboris“ 5. Das „Instrumentum laboris“ ist in drei Teile gegliedert: 1. Teil: „Welt und Mensch auf der Suche nach Versöhnung“ Dieser Teil soll unsere Aufmerksamkeit auf die aus dem Gleichgewicht geratene Situation unserer Umwelt und des menschlichen Herzens lenken. Denn daraus wird deutlich, daß die innere Erneuerung durch Bemühen um Versöhnung und Buße unbedingt notwendig ist, aber auch zutiefst von den Menschen ersehnt wird. 2. Teil: „Die Botschaft von Versöhnung und Buße“ Dieser Teil hat vorwiegend lehrhaften Charakter. Er beschreibt, wie Gott in seiner erbarmenden Liebe für jene Situation ein Heilmittel geschaffen und damit einen neuen Anfang gesetzt hat. Der Mensch ist gerufen, mit Umkehr und Buße auf diesen Anfang zu antworten. 3. Teil: „Die Kirche - die Dienerin der Versöhnung“ Dieser Teil stellt die pastorale Aufgabe der Kirche dar, in der und durch die Veröhnung geschieht und Buße getan wird. 1513 KONGREGA TIONEN Erster Teil Welt und Mensch auf der Suche nach Versöhnung Spannungen und Spaltungen 6. Dem, der die Welt von heute betrachtet, mag es schwierig erscheinen anzunehmen, was die Offenbarung lehrt: Gott habe alles in Weisheit geschaffen3, alle seine Werke seien gut und ein bleibendes Zeichen seiner Liebe4. Diese Lehre kann jemand für allzu optimistisch halten, denn vieles an der heutigen Lage der Menschheit widerspricht ihr. Die Welt zeigt sich den Völkern, die den Frieden von Herzen herbeisehnen, den einzelnen Menschen, den Gemeinschaften und den verschiedenen Gruppen, die sich für die Sache des Friedens einsetzten, Tag für Tag als eine Pflanzstätte von Kriegen, die allenthalben auf lodern, von Gewalt verschiedenster Art und von Terror - für verbrecherische Menschen ein Mittel, von dem sie sich die Befreiung von den Strukturen der menschlichen Gesellschaft erhoffen - und schließlich eine Pflanzstätte der Unterdrückung der armen Völker. So scheinen beherrschender Wesenszug unserer Zeit Spannungen und Spaltungen zu sein, die immer weitere Kreise ziehen: Es streiten sich und zerbrechen Familien, verschiedene wirtschaftliche und soziale Gemeinschaften, ganze Völker, schließlich die ganze Menschheit, die gleichsam in zwei feindliche Blöcke gespalten ist. - Wie die Väter der letzten Synode vielfach berichteten, gibt es im Bereich der Familie zahlreiche Spaltungen. Unter ihnen werden die Schwierigkeiten zwischen den Generationen, aber auch zwischen den Ehepartnern genannt. Sie scheinen den verschiedensten Ursachen zu entspringen, von denen als wichtigste aufgezählt werden: demographische, ökonomische und soziale Probleme, vor allem die Arbeitslosigkeit; der Wechsel vom Leben auf dem Land in die Großstadt; eine ambivalente Unabhängigkeit der Ehepartner voneinander; das Fehlen elterlicher Autorität und Streit zwischen Kindern; das Versagen beim Überliefern kultureller Werte. Dazu kommen noch andere Ursachen, wie das allzu schnelle Eingehen einer Ehe, oder, in gewissen Gebieten, die Unvereinbarkeit heidnischer Gebräuche mit christlichen Sitten in bezug auf Brautzeit und Ehe. Auch werden als Gefahr für die Festigkeit der Familien Angriffe auf das menschliche Leben überhaupt und auf das ungeborene Leben genannt, die sich gegen die Wertschätzung des Lebens selbst richten. 1514 KONGREG.A TIONEN - Im Bereich der Gesellschaft werden am häufigsten folgende Konflikte genannt: der zunehmende Abgrund zwischen den Reichen, die immer reicher, und den Armen, die immer ärmer werden; der gewalttätige Klassenkampf; Stammesfehden; böswillige Kämpfe zwischen politischen Parteien;- Unausgewogenheit in wirtschaftlichen Belangen; fruchtlose Auseinandersetzungen zwischen sogenannten Traditionalisten und Pro-gressisten. Dazu kommen in manchen Gebieten Kämpfe zwischen Volksgruppen oder zwischen einflußreichen Familien oder zwischen Kasten, der Raub und der Handel von Mädchen oder auch Knaben für die Prostitution. - Im Bereich der Staaten und der Staatenbünde ist der Gegensatz zwischen West und Ost, seit neuestem auch zwischen Nord und Süd, allgemein bekannt. Wenn es um eine genaue Aussage über die Gründe dieser Spannungen in ökonomischen und politischen Fragen geht, gehen die Meinungen der Fachleute auseinander. Häufig werden zusammen genannt: allgemeine Energiekrise; Egoismus und Fehlen von Moral in der internationalen Politik, so daß der eigene Vorteil des einzelnen dem Allgemeinwohl vorgezogen wird; gegensätzliche Ideologien, die meist auf den gleichen Materialismus hinauslaufen; eine verstümmelte Anthropologie, die die menschliche Person auf ein materielles oder ökonomisches Substrat reduziert; mitunter auch Zwietracht aufgrund verschiedener Religionen. Zu alldem kommt die ungeheure und furchtbare Macht der heutigen Waffen. - Mitunter gibt es auch Konflikte zwischen Jüngern Christi selbst, die im Namen desselben Herrn getauft sind. Dies ist der Welt ein Ärgernis und steht in offenem Gegensatz zum Glaubenszeugnis. Es widerspricht dem Gebet Christi, so daß manche offen von einer „objektiv sündhaften Situation“ sprechen. Noch unerträglicher sind für uns Spaltungen innerhalb des Raumes der katholischen Kirche selbst, sei es auf dem Gebiet der Lehre, dem der Disziplin, der Liturgie oder der Pastoral5. Wer solche Verwirrrung fördert, untergräbt bewußt oder unbewußt von innen her die Kirche Christi und fügt dem Leib Christi größte Schmach zu. Spaltungen im Menschen selbst 7. Man könnte noch lange nach Erklärungen für die so unheilvollen und bedrohlichen Spaltungen in unserer Welt suchen. Ganz gleich, wieweit man im ökonomischen, sozialen, politischen, geschichtlichen und kulturellen Bereich nach diesen Wurzeln sucht, man wird immer ausschließlich an 1515 KONGREGA TIONEN der Oberfläche der Wahrheit bleiben. Das Zusammentragen von derartigen Gründen kann sogar leicht zu einer Art Fatalismus verführen, zum Schaden der Freiheit, da man dann aufhört, sich um Verbesserungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und der Welt selbst zu mühen, wie es das Gesetz der Gerechtigkeit und die Tugend der Liebe verlangen. Man darf nicht beim Äußeren stehenbleiben, sondern muß mutig die Tatsache sehen, daß Streit und Spannungen mit dem Menschen selbst Zusammenhängen. Nur so stößt man zur eigentlich menschlichen Wurzel dieser Übel vor. Tatsächlich ist der Mensch selbst zwar immer ein Objekt von Spannungen und Spaltungen, aber er ist ebenso deren Subjekt. Denn der Mensch erfaßt, und zwar oft sofort und mit einzigartiger Klarheit, daß vieles um ihn herum ungerecht ist, so ungerecht, daß die natürlichen Grundrechte des Menschen verletzt werden, die unabdingbar notwendig und unaufgeb-bar sind. Er wendet sich geggn diese Übel und im Kampf gegen die Ungerechtigkeit und im Bemühen um eine gerechte Ordnung wendet er zuweilen Gewalt an. Da aber Gewalt neue Gewalt hervorbringt und so weitere Spannungen und weitere Spaltungen entstehen, wird der Mensch mit der Zeit die Sinnlosigkeit des Unterfangens einsehen müssen, zur Einführung einer sozialen Ordnung oder zur Korrektur des Laufs der Geschichte Gewalt anzuwenden. Vor allem aber ist eine Revolution mit Gewalt darum abzulehnen, weil sie die moralische Ordnung verletzt. Manchmal wird der Mensch zum Nachgeben gezwungen gegenüber übermächtigen Strukturen und anderen Faktoren, die ihn selbst unterdrücken und mißbrauchen und ihm so die Freiheit rauben und sein Handeln in eine bestimmte Richtung zwingen. Dadurch verliert er das Vertrauen darauf, daß er die Verhältnisse verändern könne. Dann verliert er entweder den Mut, da er doch nichts zu tun vermag, oder er verbittert in seinem Zorn gegen alle und alles oder er neigt dazu, dieselben Mittel und Methoden anzuwenden, die er in seiner Umwelt ablehnt. Von daher erhebt sich für viele die Frage: Ist der Mensch tatsächlich frei und für sein Handeln verantwortlich? Daraus entsteht leicht die Versuchung - der viele erliegen -, entweder die Freiheit gänzlich zu leugnen und zu behaupten, der Mensch sei nichts anderes als ein notwendiges Ergebnis blinder psychologischer, sozialer und kultureller Kräfte, oder zumindest der Freiheit - wenn man sie noch als gegeben sieht — jeden Sinn und Wert abzusprechen. Was der Spannungen und Spaltungen unterworfene Mensch tut und erleidet, hat das Zweite Vatikanische Konzil in der Konstitution „Gaudium et spes“ treffend mit den Worten beschrieben: „In Wahrheit hängen 1516 KON GREGA TIONEN die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tieferliegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprüchliche Elemente gegeben. Einerseits erfährt er sich nämlich als Geschöpf vielfältig begrenzt, andererseits empfindet er sich in seinem Verlangen unbegrenzt und berufen zu einem Leben höherer Ordnung. Zwischen vielen Möglichkeiten, die ihn anrufen, muß er dauernd unweigerlich eine Wahl treffen und so auf dieses oder jenes verzichten. Als schwacher Mensch und Sünder tut er oft das, was er nicht will, und was er tun wollte, tut er nicht (vgl. Röm 7,14 ff.). So leidet er an einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft.“6 Tatsächlich ist ein gewisser psychologischer Determinismus weit verbreitet, der im Namen der heutigen Humanwissenschaften dem Menschen die Fähigkeit der freien Entscheidung abzusprechen versucht. Denn diesen Wissenschaften zufolge gibt es eine Reihe von Elementen - Erbanlagen, Temperament, Geschlechtstrieb, das persönliche und das kollektive Unbewußte, Umwelt und Lebensumstände -, die das Handeln des Menschen so nachdrücklich beeinflussen, daß sie seine Freiheit praktisch aufheben. Diese Elemente haben ohne Zweifel in der Geschichte Einfluß auf den Willen und müssen uns darum Anlaß zur Klugheit sein, wenn wir über menschliche Taten urteilen. Sie zerstören jedoch die menschliche Freiheit nicht, so daß der Mensch für das, was er tut, wirklich verantwortlich bleibt. „Gott hat am Anfang den Menschen erschaffen und ihn der Macht der eigenen Entscheidung überlassen. . . . Feuer und Wasser sind vor dich hingestellt; streck deine Hände aus nach dem, was dir gefällt. Der Mensch hat Leben und Tod vor sich; was er begehrt, wird ihm zuteil.“7 Heute sehen gewisse Leute das Böse eher als eine rätselhafte Wirklichkeit an denn als Sünde. Während aber das Böse als schmerzliche Erkenntnis der eigenen Grenzen, Schwächen und Irrwege, allzu oft zu einem Gefühl der Unfähigkeit oder einer angeborenen neurotischen oder pathologischen Schuld, zu Fatalismus, zu Passivität und Mutlosigkeit, ja zur Verzweiflung führt, ist die Sünde im Gegensatz dazu eine Frucht freier Entscheidung, niemals jedoch eines verhängnisvollen Geschicks. Die tiefste Wurzel der Sünde 8. Die Erfahrung äußerer Spaltungen und Gegensätze und innerer Zerrissenheit drängt den Menschen zur Frage nach der Wurzel, aus der die so zahlreichen und so tiefgreifenden Spannungen und Spaltungen in der 1517 KONGREGA TIONEN heutigen Welt hervorgehen. Damit die Ungerechtigkeit, von der Menschen und Welt so stark angesteckt sind, beseitigt und eine gerechte Ordnung aufgerichtet werden kann, ist es unabdingbar, daß die tiefste Wurzel des moralisch Bösen offengelegt wird. Wer sich vom Wort Gottes belehren läßt, wird leicht als diesen Ursprung die Sünde entdecken: nicht irgendein Übel psychologischer oder sozialer Art, sondern die Sünde, d. h. ein Böses, das der Mensch in Freiheit vor Gott und gegen Gott begeht, indem er seine Liebe zurückweist. Die Erfahrung zeigt dasselbe, was die göttliche Offenbarung deutlich lehrt, daß nämlich der Mensch der Urheber der Sünde ist und Schuld auf sich lädt. Denn er tut das Böse mit Wissen und in Freiheit, auch wenn man sich den möglichen Einfluß psychologischer oder soziologischer Umstände auf seinen Willen und damit auf seine Verantwortlichkeit vor Augen halten muß. Darum wird der Gläubige die Schuld nicht auf den Schöpfer und auf seine Schöpfung abwälzen. Wenn der sündige Mensch aus Angst seine eigene Schuld leugnen will, ist er versucht, die Sünde selbst zu leugnen. Zur Erklärung des Bösen wird er anstelle der Sünde die Strukturen der menschlichen Gesellschaft anführen. Infolgedessen ist eine ständige Verminderung des individuellen Sündenbewußtseins festzustellen, während gleichzeitig, vor allem in gewissen Gebieten, ein Anwachsen des Bewußtseins für Sünden in bezug auf Strukturen oder für soziale Sünden zu bemerken ist. Dem steht die Tatsache gegenüber, daß eine ungerechte Gesellschaftsstruktur ein Ergebnis persönlicher Sünden und zugleich eine Verführung zu weiteren Sünden ist. Sie ist daher ihrerseits Element und Ursache eines Zustandes, der nicht hingenommen werden kann, weil durch ihn Menschen Gott und ihren Mitmenschen Unrecht tun und so die Majestät des Schöpfers und die Würde der Brüder schmähen. Die Spaltungen, die die Welt in Unordnung bringen, sind einerseits ein furchtbares Zeichen jener inneren Spaltung, welche die Sünde im Menschen hervorgerufen hat und die ihn von Gott, von sich selbst und von den übrigen Menschen entfremdet, und andererseits die bittere Frucht, die diese Spaltung bis zum äußersten Ende führt. Das Zweite Vatikanische Konzil schließt seine Ausführungen über die Sünde mit den Worten: „So ist der Mensch in sich selbst zwiespältig. Deshalb stellt sich das ganze Leben der Menschen, das einzelne wie das kollektive, als Kampf dar, und zwar als ein dramatischer, zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis. Ja, der Mensch findet sich unfähig, durch sich selbst die Angriffe des Bösen wirksam zu bekämpfen, so daß ein jeder sich wie in Ketten gefesselt fühlt.“8 1518 KONGREGATIONEN Die Notwendigkeit der Versöhnung 9. Der Mensch kann nicht ein Gefangener bleiben. In seinem Innersten, in seinem Menschsein selbst hat er die unauslöschliche Sehnsucht nach Freiheit. Der Mensch will frei sein und unter dem Antrieb Gottes sein Leben in Freiheit führen. Nur so kann er die Vollkommenheit erlangen, die der menschlichen Natur eigen ist. Auch durch die tägliche Erfahrung von Spannungen und Spaltungen wird der Mensch von einer immer heftigeren und tieferen Sehnsucht nach Freiheit von allen inneren und äußeren Fesseln der Sünde ergriffen. Mit der Sehnsucht nach Freiheit entbrennt in ihm auch das Verlangen, ganz Mensch zu sein und ganz als Mensch zu leben. Das verhindert jedoch die Sünde als eine Entfremdung des Menschen von Gott und von sich selbst. Denn wo die Sünde herrscht, wird der Sinn des menschlichen Lebens verdunkelt, und seine grundlegenden Werte wie Würde und Echtheit werden geringgeschätzt. Da der menschliche Geist zwingend darauf ausgerichtet ist, nach dem Guten zu streben, vermag sich der Mensch für die Versöhnung mit Gott bereit zu machen, die Gott ihm in seiner barmherzigen Liebe in Christus reich geschenkt hat: „Der Herr selbst aber ist gekommen, um den Menschen zu befreien und zu stärken, indem er ihn innerlich erneuerte und ,den Fürsten dieser Welt1 {Joh 12,31) hinauswarf, der ihn in der Knechtschaft der Sünde festhielt (vgl. Joh 8,34).“9 Die Versöhnung mit Gott verlangt vom Menschen Umkehr und Buße, sie stellt in seinem Innern die Einheit wieder her und versöhnt ihn mit anderen Menschen und mit der Welt. Dabei handelt es sich um verschiedene, untereinander innerlich zusammenhängende Aspekte ein und derselben Versöhnung. In unseren Tagen erfahren die Menschen überaus stark die Notwendigkeit dieser Versöhnung. Denn auf der ganzen Welt droht so sehr Todesgefahr, daß mit Recht zu fragen ist, ob nach einem Weltkrieg überhaupt noch menschliches Leben möglich wäre. Der Kirche geht es auf der kommenden Synode entsprechend ihrer Aufgabe und Zielsetzung um die Welt, die sich in unsern Tagen oft ganz bewußt nach der Versöhnung sehnt, von der wir hier handeln, und um den Menschen, der heute nach dieser Versöhnung verlangt. Zusammen mit allen, die an Christus glauben, wird sie im Wort Gottes und in der Heilsgeschichte nach Licht für das ganze Menschengeschlecht suchen. Auf die Frage, was für eine Versöhnung und Buße die Kirche denn bringen wird, kann aus der Offenbarung geantwortet werden. 1519 KONGREGATIONEN Der Sendungsauftrag der Kirche 10. Das Thema der nächsten Vollversammlung der Bischofssynode lautet: „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche.“ Durch diese Festlegung des Themas liegen alle jene Fragen außerhalb des Rahmens und sind daher von der Synode nicht zu behandeln, die nicht den Auftrag Jesu Christi an die Kirche betreffen. Umgekehrt ist mit aller Sorgfalt zu fragen, welche Aufgaben die Kirche als hierarchisch gegliedertes Volk Gottes in der heutigen Situation des Menschen in der Welt leisten muß, damit Buße und Versöhnung geschieht, und in welcher Ordnung diese Aufgaben angegangen werden sollen entsprechend ihrem größeren oder geringeren Gewicht innerhalb des ganzen Lebens und der apostolischen Tätigkeit der Kirche. Ferner richtet sich der Sendungsauftrag der Kirche sowohl nach innen auf sie selbst als auch nach außen auf andere christliche Gemeinschaften, auf Nichtgläubige und auf die ganze Menschheit, die die Kirche umgibt. Das Synodenthema schließt beide Seiten der Tätigkeit der Kirche ein. 1520 KONGREGA TIONEN Zweiter Teil Die Botschaft von Versöhnung und Buße Einleitung: ,, Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen“ 11. Im Auftrag Christi, ihres Bräutigams, verkündet die Kirche dem Menschen, der sich von Gott entfernt hat und der deswegen in sich selbst zerrissen und seinen Brüdern und der ganzen Welt zum Feind geworden ist, das Evangelium, d. h. die frohe Botschaft von der Versöhnung. Sie hat der Vater in seinem Sohn, einzig aus Liebe, ein für allemal mit der ganzen Menschheit ins Werk gesetzt, und er bietet sie weiterhin allen an, um sie durch die Eingießung seines Geistes zu erneuern. Bei der Verwirklichung dieser Versöhnung, die konstitutiver Teil des ganzen christlichen Mysteriums ist, hat die Kirche die Worte des Apostels Paulus vor Augen: „. . . Gott (hat) uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen. Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute. Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“10 Die Versöhnung ist eine Gabe, die der Vater den Sündern in seiner Barmherzigkeit schenkt, damit alle Anteil erhalten können an der Reinigung, Heiligung und persönlichen wie sozialen Erneuerung in der Gemeinschaft der Liebe. Diese Gemeinschaft wird vollkommen hergestellt sein, wenn „die ganze Kirche der Heiligen in der höchsten Seligkeit der Liebe Gott und das ,Lamm, das geschlachtet ist1 (Offb 5,12) anbeten“ wird11. Im Lauf der Jahrhunderte spricht die Kirche, „an Christi Statt“ zum Sünder und lädt ihn eindringlich ein zu glauben12, sein Herz zu öffnen, das Werk der Barmherzigkeit Gottes zu erkennen und anzunehmen, damit der neue Mensch geschaffen und eine „auf die Liebe gegründete Kultur“, eine „Zivilisation der Liebe“ (civiltä dell’amore) gefördert werde13. Die wichtigsten Punkte der Versöhnung seien kurz angedeutet, damit alle Christen, Katholiken und jene, die noch nicht in voller Gemeinschaft mit uns stehen, alle, die „den alleinigen Gott anbeten“14 oder wenigstens jene verborgene Macht, „die dem Lauf der Welt und den Ereignissen des 1521 KONGREGATIONEN menschlichen Lebens gegenwärtig ist“15, die Versöhnung erkennen, das Herz zu Gott erheben und miteinander in Frieden umgehen können. I. Versöhnung: Gott kommt dem durch die Sünde entfremdeten Menschen zuvor Gott hat den Menschen geschaffen und in den Stand der Gnade gesetzt 12. „Obwohl in Gerechtigkeit von Gott begründet, hat der Mensch unter dem Einfluß des Bösen gleich von Anfang der Geschichte an durch Auflehnung gegen Gott und den Willen, sein Ziel außerhalb Gottes zu erreichen, seine Freiheit mißbraucht. Obwohl sie Gott erkannten, haben sie ihn nicht als Gott verherrlicht, sondern ihr unverständiges Herz wurde verfinstert, und sie dienten den Geschöpfen statt dem Schöpfer.“16 Das Buch Genesis erzählt uns, wie der Mensch Zweifel an Gottes Liebe zu ihm hegt17, wie er seine eigene Würde und die Herrschaft, die ihm aus freien Stücken über alle Dinge aufgetragen ist, nicht erkennt, wie er sein Hingeordnetsein auf Gott als die Quelle seines wahren Seins und seines Glücks ablehnt und sich und die geschaffene Welt für absolut erachtet18 und Gottes Liebe und den Bund seiner Freundschaft zurückweist und sein Ziel in sich selbst setzt. Indem er sich anmaßt, von Gott unabhängig und ihm ähnlich zu sein, entdeckt er seine Nacktheit19 und erfährt die allein aus seiner freien Entscheidung gegen Gott hervorgehende Zerrissenheit in seinem eigenen Innern, in der ganzen Gesellschaft, in der gesamten Ordnung der Dinge. Der Gott und der eigenen Wirklichkeit entfremdete Mensch wird in der Tat für seine Brüder zum Fremdling und Feind, denn er handelt ihnen gegenüber ungerecht und gewalttätig, da er ihre Würde als Person herabsetzt und die friedliche Gemeinschaft zerstört20. Indem er in den geschaffenen Dingen sein Glück sucht, unterwirft er sie der Vergänglichkeit, der Sklaverei und der Verlorenheit21, und, da die Erde wegen seiner Tat verflucht ist22, muß er im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen, bis er zurückkehrt zum Ackerboden, von dem er genommen ist23. Dennoch sündigt der Mensch . . . 13. Gott kommt dem Menschen in seiner Barmherzigkeit entgegen. Indem er ihm väterlich zuruft: „Adam, wo bist du?“24, macht er ihm den Zustand des Verderbens bewußt, in den er mit seiner gesamten Nachkom- 1522 KONGREGA TIONEN menschaft durch seine eigene Schuld geraten ist. Zugleich erinnert er ihn an seine frühere Würde und Berufung und verheißt ihm Versöhnung. Die göttliche Offenbarung belehrt uns nicht nur über diesen Zustand der Sünde, der zwar nicht aus einer freien Übertretung der Kinder Adams hervorgeht, aber doch seine Wurzel in der Auflehnung der menschlichen Freiheit gegen Gott am Anfang der Geschichte hat und der daher Erbsünde genannt wird. Sie lehrt uns auch, daß die Freiheit verletzt ist und eine verkehrte Neigung besitzt, aufgrund deren sich der Mensch verführen läßt und sich durch aktuelle Sünden gegen Gott stellt. Sicher ist die Sünde nicht nur eine Grenze, die dem Menschen notwendigerweise durch sein Geschaffen- und damit Begrenztsein gesteckt ist, und auch nicht nur ein physischer oder psychischer Fehler, der wie eine Art Krankheit die menschlichen Pläne erfaßt, sondern sie ist frei begangene Schuld, durch die der Mensch Gott gegenüber eine ablehnende Ffaltung einnimmt, auch wenn er direkt seinen Brüdern Unrecht zufügt. Daher ist er Gott gegenüber verantwortlich. Seit der Erbsünde besteht die Neigung zum Bösen und wird in aktuellen Sünden noch vertieft. Sie hat Einfluß auf die sozialen Strukturen, die gleichsam von der menschlichen Sünde gezeichnet sind25. Dabei geht es um eine objektive soziale, politische, ökonomische und kulturelle Situation, die dem Evangelium entgegengesetzt ist. Für sie sind Menschen verantwortlich, denn ohne Zweifel entspringt sie dem freien Wülen einzelner Menschen oder menschlicher Gemeinschaften. In diesem Sinn kann man mit Recht von sozialer Sünde sprechen: manche verwenden den Ausdruck „strukturelle Sünde“. Überdies hat jede Sünde eine soziale Dimension, weil die Freiheit jedes einzelnen Menschen von Natur aus in einer Beziehung zur menschlichen Gesellschaft steht. Im gläubigen Menschen bleibt auch nach seiner Bekehrung und seinem Eintritt in die Kirche durch Glauben und Taufe wenigstens zum Teil eine Neigung zum Bösen und damit verbunden die Fähigkeit zur Sünde, der oft auch die sündige Tat folgt. So ist die Kirche als die Braut, die Christus ,,im Wasser und durch das Wort rein und heilig“26 gemacht hat, zwar in ihrem ersten Ursprung heilig und bleibt dies in ihrer Wurzel immer; sie besteht aber auch aus Sündern: „(Sie) umfaßt Sünder in ihrem eigenen Schoße. Sie ist zugleich heilig und stets der Reinigung bedürftig, sie geht immerfort den Weg der Buße und Erneuerung.“27 Die freie Auflehnung gegen Gott wiegt nun bei einem Getauften schwerer, wenigstens objektiv. Denn der Getaufte, der sündigt, widersetzt sich wissentlich Gott, der sich in Jesus Christus geoffenbart und den er in der Taufe des Glaubens frei angenom- 1523 KON GREGA TIONEN men hat. Indem er die Sünde wählt, trennt er sich von der Gemeinschaft des Geistes und der Liebe, auch wenn er in der Kirche bleibt. Durch sein Tun verletzt er die Ordnung im Umgang mit der Schöpfung, aus der einst das kommende Reiche erstehen soll28. Er schmälert die Gestalt jener Liebe, die der Heilige Geist in das Innere der neuen Schöpfung einpflanzt, damit sie immer vollkommener werde29. Erschaffen als Abbild Gottes ist der Mensch von Grund auf frei — als Herr seines Tuns trägt er die Verantwortung für sein Handeln 14. Zwar ist die Neigung zum Bösen, die aus der Erbsünde hervorgegangen ist und durch persönliche Sünden vertieft wird, etwas Bleibendes, und der Mensch ist durch seine natürliche Veranlagung und durch die Erziehung stark festgelegt und durch äußere Umstände gebunden, dennoch aber ist er für gewöhnlich einer freien Entscheidung über Gut und Böse fähig. Darum ist die Behauptung, die menschliche Person unterliege einer unabwendbaren Bestimmung, entschieden abzulehnen. Denn hätte der Mensch kein freies Urteil und keine Entscheidungsfähigkeit, so wäre er nur ein unterschiedsloser Teil eines vorbestimmten Ganzen und, noch schlimmer, er würde jener grundlegenden Eigenart entbehren, als von Gott Angerufener ihm antworten zu können. Damit aber wäre die Lehre Christi wertlos, da er die Menschen zur Umkehr ruft und auf ihre freie Antwort wartet. Ja sogar die Erlösung selbst wäre sinnlos, denn sie wurde dazu ins Werk gesetzt, daß wir von der Sünde befreit werden und durch den Herrn Jesus Christus, der gestorben und auferstanden ist, die Gabe des neuen Lebens, die Gabe des Heiligen Geistes empfangen. Der Mensch trifft seine Wahl aufgrund von Werten und Handlungsnormen 15. Im Gegensatz zu dieser pessimistischen Auffassung vom Menschen und zur Leugnung seiner Entscheidungsfreiheit ist heute unter Gebildeten eine allzu optimistische Sicht von der menschlichen Freiheit weit verbreitet. Diese Leute überschätzen die Freiheit, da sie behaupten, durch sie bestimme der Mensch darüber, ob Dinge gut sind, und durch sie begründe er die moralischen Gesetze. Extreme Vertreter dieser Idee gehen soweit, zu behaupten, es hänge vom Menschen ab, ob es Werte und Gesetze gibt und welche. Sie wollen, daß der Mensch und nur der Mensch entscheiden kann, was gut und was böse sei. Durch diesen Wahn unterliegt der Mensch 1524 KONGREGATIONEN von neuem jener ersten Versuchung, in die Adam und Eva gefallen sind: „Die Schlange sagte zur Frau: ,Nein, ihr werdet nicht sterben. Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse1.“30 Nicht so maßlos in der Formulierung, aber ebenfalls unannehmbar ist die Ansicht, die verschiedenen Kulturen seien für die menschliche Person Handlungsnorm. Derlei Sittenlehren gehen von der Leugnung der Universalität und Absolutheit moralischer Normen - manchmal sogar der „Werte“ selbst - aus und führen wiederum zu einer solchen Leugnung. Denn durch die Behauptung, Gesetze und Werte seien vom Urteil einzelner oder von der Meinung vieler oder schließlich von veränderten Zeitumständen abhängig, werden allgemeingültige und absolute Normen geleugnet. In Wirklichkeit ist eine moralische Norm unabdingbar notwendig, damit die Werte des Menschen als Menschen gewahrt und verwirklicht werden, so daß die Norm als Hüterin und Mittlerin dieser Werte bezeichnet werden kann. Es sind dies die Werte, die in der menschlichen Natur selbst liegen und noch über jener inneren Kraft stehen, die den Menschen zur Vervollkommnung seiner selbst drängt. Diese Güter prägt Gott selbst dem Menschen ein, da er ihn als sein Abbild schafft und in Christus Jesus zum Heil ruft. So wird das, was der Mensch ist, das „Sein des Menschen“, das im Schöpfungsakt ganz Gott zum Urheber hat, zum moralischen Gebot, zur Regel, an die sich der Mensch in seinem freien Handeln zu halten hat. Denn für dieses Handeln ist er verantwortlich, und das um so mehr, als er in Christus zum übernatürlichen Ziel der vollen Glückseligkeit gerufen ist. Der Mensch findet also die moralische Norm in seinem „Sein“, in seinem „Herzen“. Er erkennt sie, indem er eintritt in jenes „Heiligtum“, wo er „allein ist mit Gott, dessen Stimme (d. i. das moralische Gewissen) in seinem Inneren widerklingt“31: „Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes. Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird (vgl. Röm 2,14-16).“32 Das aber erfordert eine Bildung des Gewissens, damit es in jedem Fall die richtige Entscheidung zu treffen vermag. Bei ihrer Gewissensbildung müssen die Gläubigen stets die heilige und sichere Lehre der katholischen Kirche sorgfältig vor Augen haben. Denn Aufgabe der Kirche als der Lehrerin der Wahrheit ist es, die Wahrheit, die 1525 KONGREGA TIONEN Christus ist, zu verkündigen und authentisch zu lehren. Sie hat Fragen der Sittlichkeit, die sich aus dem Wesen des Menschen selbst ergeben, aufgrund ihrer von Gott empfangenen Autorität zu entscheiden, zu erklären und zu bestätigen33. Freiheit, Werte und Gesetze stehen untereinander nicht im Widerspruch, sondern in einem Zusammenhang, denn die Freiheit bedarf, um echt zu sein - verstanden nicht nur als Befreiung von einer Fessel, sondern als Fähigkeit zu etwas -, der Werte und der Gesetze. Sinn und rechte Ordnung der Freiheit hängen von Werten ab, und um diese zu erreichen, bedarf es der Norm des Gesetzes. Wenn es wahr ist, daß „die Würde des Menschen verlangt, daß er in bewußter und freier Wahl handle“, ist es auch wahr, daß „der Mensch eine solche Würde erwirbt, wenn er sich aus aller Knechtschaft der Leidenschaften befreit und sein Ziel in freier Wahl des Guten verfolgt sowie sich die geeigneten Hilfsmittel wirksam und in angestrengtem Bemühen verschafft“34. Der Mensch verwirklicht und vervollkommnet sich im freien Entscheiden 16. Durch sein freies Handeln entscheidet der Mensch über sein letztes Ziel und verwirklicht damit den Entwurf seiner selbst. Denn so erfüllt er seine Pflicht vor Gott, Antwort zu geben von der Ordnung her, unter die er sein ganzes Leben gestellt hat und die er in seinen einzelnen Willensakten zum Ausdruck bringt und im Werk vollendet. Das Leben des Menschen ist unter allen Umständen nach seiner fundamentalen Einstellung zu Gott einzuschätzen: ob nämlich der Mensch ihm als dem höchsten Gut anhängt oder umgekehrt ihn zurückweist. Eine solche „Fundamentaloption“ besteht nicht nur in einer Absicht, ohne entsprechende Akte, oder, mit anderen Worten, sie besteht in einer Absicht, welche die zur Erfüllung der sittlichen Pflichten notwendigen tatkräftigen Anstrengungen miteinschließt. Der Mensch steht mit seinem Sein und mit seiner Entwicklung im Rahmen der ganzen Geschichte und hat darin seine Rolle. Daher muß der freie Mensch mit Rücksicht auf den eigenen Standpunkt und im Blick auf seine Stellung zum Ganzen sich für gewisse Dinge entscheiden. Bei jeder einzelnen Entscheidung kann es um das Streben der Freiheit nach dem Ganzen gehen, so daß der Mensch entweder Gott zurückweist oder umgekehrt zu ihm zurückkehrt. Je nach dem Gewicht und dem Rang der sittlichen Werte ist die Verpflichtung einzuschätzen, durch die eine Person gehalten ist, in ihren moralischen Entscheidungen darauf einzugehen. Diese Sicht fehlt im Laufe der Jahrhunderte nie, auch wenn in der kirchlichen Überlieferung die Sünde auf ganz verschiedene Weise defi- 1526 KONGREGA TIONEN niert worden ist. Berücksichtigt man sowohl die innersten moralischen Werte wie auch das „Gesetz der Abstufung“, nach dem die Verantwortlichkeit einer Person in ihren ethischen Entscheidungen zu beurteilen ist, so ist eine schwere Sünde ein Akt, durch den der Mensch sich frei außerhalb seiner wahren und echten Beziehung zu Gott stellt, der sich ihm in Christus als die Liebe geoffenbart hat, und durch den er sich weigert, sich voll und ganz auf Gott zu verlassen. Das geschieht nicht nur durch ein formales und direktes Zurückweisen der Liebe Gottes, sondern auch durch jede beliebige freiwillige Verletzung einer Norm und eines moralischen Wertes in einer schweren Sache35. Eine läßliche Sünde ist ein Akt, der die Gemeinschaft mit Gott zwar nicht zerstört, aber belastet und schwächt und der das Feuer der Liebe allmählich erkalten läßt. Durch jede freie Entscheidung wächst die Person in ihrer Freiheit, diese Entscheidungen aber wirken über sich hinaus auf die folgenden weiter, sei es zum Guten, sei es zum Bösen. Wie aus dem wiederholten Tun des Guten eine Tugend entsteht, d. h. eine Haltung, durch die die Person selbst gut und zur Ursache anderer guter Taten wird, so kann eine Person auch durch eine läßliche Sünde in der Überwindung moralischer Schwierigkeiten nachlässiger werden und so bereit zur Todsünde, die die Wiederholung des Fehlers schließlich einpflanzt. Die Todsünde entsteht zwar nicht dadurch, daß die Zahl der läßlichen Sünden zunimmt, aber dadurch, daß sich allmählich auch der Zustand der Seele verschlechtert. Die Sehnsucht nach Befreiung von der Sünde 17. Die Sünde verdirbt den Menschen jedoch nicht so weit, daß er den andauernden Ruf Gottes in seinem Gewissen nicht hören würde. Die Stimme Gottes ruft nämlich jeden Sünder wie einst Adam nach seiner Sünde an: „Gott, der Herr, rief Adam zu und sprach: ,Wo bist du?‘ “36. Die Wahrheit der menschlichen Person bleibt auch nach der Sünde bestehen und verlangt, daß er umkehrt. Der sündige Mensch ist gleichsam in einem Dilemma gefangen: Als Mensch kann er nicht gegen die Wahrheit leben, als Sünder aber weigert er sich, die Wahrheit anzunehmen und aus ihr zu leben. Wie aber kann der Mensch die Befreiung von der Sünde erlangen? Zu allen Zeiten haben sich die Menschen in den Religionen diese Frage gestellt, und haben angesichts dieser Frage sich um ihren Glauben gemüht. Denn bei allen Völkern und in jeder Kultur, auch außerhalb der biblischen Offenbarungsreligion, ist das Bewußtsein - und zwar sehr 1527 KONGREGA TIONEN lebendig - da, daß der Mensch Schuld auf sich geladen hat. Zwar verstehen die einzelnen das eigentliche Wesen dieser Schuld je nach ihren religiösen Grundauffassungen (Dualismus, kosmischer Monismus, Theismus) auf sehr unterschiedliche Weise, aber alle sind von der Gegebenheit der Sünde überall und zu allen Zeiten überzeugt. Ebenso eindringlich läßt das Gewissen die religiösen Menschen bekennen, daß Befreiung von Schuld notwendig ist. Die Menschen wenden religiöse Mittel und Methoden an, die zwar sehr verschieden sind, die aber alle dazu dienen sollen, die Menschen von Sünde zu reinigen und zu befreien. Das alles zeigt, wie tief im Menschen das Bedürfnis und die Sehnsucht ist nach etwas, durch das die von der Sünde ausgehende und die Sünde zum Ausdruck bringende Entfremdung aufgehoben wird. Jesus Christus hat sich als jene Wahrheit erwiesen, nach der die Menschen aller Zeiten in den Religionen verlangt haben, da sie den lebendigen und wahren Gott suchten, ob sie sie ihn ertasten könnten37. Das fleischgewordene Wort, unser Erlöser, bringt das Eieil allen, die darauf gewartet haben, und er befreit von der Sünde alle schuldig gewordenen Menschen, die - auch außerhalb der sichtbaren Glaubensgemeinschaft seiner Kirche — um sie gebeten haben. „ Voll Erbarmen hast du allen geholfen ..." 18. Der Mensch kann aus eigener Kraft keine tragfähige Antwort auf die unruhige Frage nach seinem Heil geben, weil er das Heil nicht aus sich heraus zu erreichen vermag. Gott allein vermag es ihm zu geben. Er ist aus seiner unendlichen Liebe heraus dem Menschen zum Nächsten geworden und ruft ihn aus seiner Entfremdung zu sich zurück. Wenn der Mensch seine Einladung demütig und bußfertig annimmt und sich bekehrt, versöhnt ihn Gott mit sich und zugleich mit den anderen Menschen und mit der ganzen Schöpfung38. Die ganze göttliche Offenbarung in der Heiligen Schrift gipfelt darin, daß Gott den sündig gewordenen Menschen nicht im Stich läßt, sondern ihn zur Gemeinschaft mit sich zurückführen will. Diese frohe Botschaft erklingt bereits unmittelbar nach dem Fall des ersten Mannes und der ersten Frau, als Gott die Verheißung gibt, daß der Nachwuchs der Frau den Versucher am Kopf treffen werde39. Weil jede Generation von neuem in die Sünde fällt und so den Bund und die Gemeinschaft mit Gott zurückweist, erneuert Gott von einer Generation zur anderen das Werk seiner Barmherzigkeit. Die Heilige Schrift ist ein einziges leuchtendes Zeugnis des versöhnenden Handelns des barm- 1528 KONGREGA TIONEN herzigen Gottes an der Menschheit. Die grenzenlose Geduld des Herrn, seine unermüdliche Treue zum Angebot der Versöhnung und seine Liebe bei der Erziehung der Generationen von Menschen sind Hauptpunkte seiner Offenbarung und zugleich ihre bewegendste Kraft. Gott erweist sich als „ein barmherziger und gnädiger Gott, langmütig, reich an Huld und Treue: Er bewahrt Tausenden Huld, nimmt Schuld, Frevel und Sünde weg, läßt aber (den Sünder) nicht ungestraft; er verfolgt die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln, an der dritten und vierten Generation.“40 Wenn Gott die Sünde straft, so tut er es, um sein Volk zur Einsicht zu bringen, daß es durch die Sünde die Gemeinschaft mit ihm gebrochen habe und in der Folge davon Böses erleide, er tut es, um es zu beschwören, aufgrund dieser Einsicht von neuem den Bund der Gemeinschaft mit ihm zu schließen. Die Propheten sprechen in ihrer Predigt unablässig vom Gericht, das das Böse vernichten und das Volk reinwaschen wird. In seiner zuvorkommenden: Barmherzigkeit bietet Gott die Gabe der Versöhnung nicht nur den Söhnen Abrahams, also dem auserwählten Volk an, sondern, wie wir vor allem aus dem Buch Jona wissen, allen Völkern. Gott ist der Urheber der Versöhnung; er bietet sie allen an, ohne Ausnahme, denn alle sind Sünder, Juden wie Heiden: „Es gibt keinen Unterschied: Alle haben gesündigt, und die Herrlichkeit Gottes verloren. Ohne es verdient zu haben, werden sie gerecht, dank seiner Gnade, durch die Erlösung in Christus Jesus.“41 Gott führt das Werk der Versöhnung durch die Patriarchen des Volkes Israel und durch die Propheten aus, die er zu „Dienern der Versöhnung“42 macht. Dieser Dienst bestand schon zur Zeit Abrahams, denn Abraham betete, daß Sodom geschont werden möge43; vor allem aber haben seit Moses von Gott Auserwählte diesen Dienst ausgeübt. Schon im Alten Bund erkannten die Gläubigen, wie wichtig es ist, daß Gott im Menschen sein Werk vollbringt, damit der Mensch von der Sünde befreit wird. Es ist notwendig, ein „neues Herz“44 von Gott geschenkt zu erhalten, ein Herz nicht aus Stein, sondern aus Fleisch, in das Gott seinen Geist legt. „Ich gieße reines Wasser über euch aus, denn werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen. Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch.“45 Durch diese Worte wird prophetisch verkündet, der neue Bund werde in der Vergebung der Sünden und in der Gabe des vom Heiligen Geist erneuerten Herzens gipfeln46. 1529 KONGREGA TIONEN Jesus Christus, der Friede und die Versöhnung 19. Im vollen Licht zeigt sich das Werk der Versöhnung von seiten Gottes durch die Ankunft Jesu in der Welt, und durch sie wird es vollendet: Er, „der zugleich der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist“47, macht den Heilswillen des Vaters auf vollkommene Weise sichtbar und bringt ihn für alle Zeiten zur Erfüllung. „Ihn hat Gott dazu bestimmt, Sühne zu leisten mit seinem Blut, Sühne, wirksam durch den Glauben. So erweist Gott seine Gerechtigkeit.“48 „Der menschgewordene Gottessohn hat unter den Menschen gelebt, um sie aus der Knechtschaft der Sünde zu befreien (vgl. Joh 8,34-36) und aus der Finsternis in sein wunderbares Licht zu rufen (vgl. 1 Petr 2,9). Darum hat er sein Wirken auf Erden mit der Verkündigung der Buße begonnen und gesagt: ,Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium1 (Mk 1,15) . . . Jesus selbst hat die Menschen nicht nur zur Buße gemahnt und sie aufgefordert, nicht mehr zu sündigen und sich mit ganzem Herzen Gott zuzuwenden (vgl. Lk 15), sondern auch die Sünder aufgenommen und mit dem Vater versöhnt {Lk 5,20.27-32; 7,48). Außerdem hat er Kranke geheilt zum Zeichen seiner Vollmacht, Sünden zu vergeben (vgl. Mt 9,2-8).“49 Jesus verkündet also nicht nur Umkehr und Versöhnung, sondern gleichzeitig verwirklicht er in seiner eigenen Person die vollkommene Gemeinschaft der menschlichen Natur mit Gott. Er selbst ist der lebendige neue und ewige Bund50. Er ist Zeuge der Versöhnung, ja, er ist selbst die Versöhnung und der Friede51. Das Werk der Versöhnung, dessen Ursprung in der Vereinigung des Wortes Gottes mit der aus der Jungfrau stammenden menschlichen Natur liegt, gipfelt im Paschamysterium Christi. Darauf weist das Zweite Vatikanische Konzil hin: „Er, der Sohn Gottes, hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt“52. „Denn seine Menschheit war in der Einheit mit der Person des Wortes Werkzeug unseres Heils. So ist in Christus ,hervorgetreten unsere vollendete Versöhnung in Gnaden, und in ihm ist uns geschenkt die Fülle des göttlichen Dienstes1 (Sacramentarium Veronense (Leonianum): ed. C. Mohlberg, Rom 1956, n. 1265, S. 162). Dieses Werk der Erlösung der Menschen und der vollendeten Verherrlichung Gottes, dessen Vorspiel die göttlichen Machterweise am Volk des Alten Bundes waren, hat Christus, der Herr, erfüllt, besonders durch das Pascha-Mysterium: sein seliges Leiden, seine Auferstehung von den Toden und seine glorreiche Himmelfahrt. In diesem Mysterium ,hat er durch seinen Tod unseren Tod vernichtet und 1530 KON GREGA TIONEN durch seine Auferstehung das Leben neu geschaffen' (Osterpräfation im Meßbuch).“53 „ Wegen unserer Verfehlungen wurde er hingegeben“ 20. „Wegen unserer Verfehlungen wurde (Jesus Christus) hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung wurde er auferweckt.“54 Die Versöhnung, dieses Geschenk der unermeßlichen Liebe Gottes zu uns, erreicht den Menschen durch den Tod Christi am Kreuz: „Das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat. ... Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden.“55 Daher hat Jesus Christus „in der Nacht, da er verraten wurde“ und sein heilbringendes Leiden begann, das Opfer des Neuen Bundes eingesetzt, das Opfer, durch das sein „Leib hingegeben“ und sein „Blut vergossen“ wird zur Vergebung der Sünden56. In diesem Opfer hat Christus „sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht.“57 Im gekreuzigten Christus steigt die versöhnte Menschheit zu Gott empor, sie wird ihm zum Nächsten und Freund: „Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.“58 Im Paschamysterium wird Jesus Christus zum einzigen lebendigen und allgemeinen Heil, d. h. er gewährt allen und jedem einzelnen das Heil59. Die Erhöhung Christi am Kreuz, die nach dem Apostel Johannes seinen Tod und seine Auferstehung bezeichnet, ist das Ereignis oder der Höhepunkt, in dem sich auf endgültige Weise das Schicksal Israels und das der ganzen Menschheit erfüllen, und zwar so, daß es nie eine vollkommenere Ordnung der Dinge geben wird oder geben könnte. Durch Christus, unser Osterlamm, wird der Zustand von uns genommen, daß wir Gott, uns selbst und den anderen Menschen entfremdet waren, es wird uns die Freiheit im Heiligen Geist geschenkt, die zu einer stufenweisen Befreiung vom Mysterium des Bösen und seinen Strukturen führen wird.60 Aus diesem Grund hat der Herr Jesus „nach seiner Auferstehung den Aposteln den Heiligen Geist mitgeteilt, um ihnen Vollmacht zu geben, Sünden zu erlassen oder nicht zu erlassen (vgl. Joh 20,19-23), und den Aufrag, in seinem Namen allen Völkern Buße und Vergebung der Sünden zu verkünden (vgl. Lk 24,247).“61 1531 KON GREGA TIONEN Die Frucht der Versöhnung: die „neue Schöpfung“ 21. Aus Tod und Auferstehung Christi geht durch das Wirken des Heiligen Geistes die „neue Schöpfung“62 hervor, der neue Mensch63, die neue Gemeinschaft64, die neue Ordnung der ganzen Schöpfung65, in der sich der Mensch im Überfluß des Friedens (Shalom) mit Gott und den Brüdern erfreut. So wird die innerste Wahrheit im Menschen wiederhergestellt, und er wird fähig, seiner natürlichen Würde entsprechend zu leben, da er wahrhaft frei geworden ist. Versöhnt mit Gott hat der Mensch am neuen Leben in Christus Jesus Anteil, zwar noch nicht in der Fülle wie am Ende der Zeiten, aber doch anfanghaft. Dieses Leben macht den Dienst vor Gott und für Gott an den Brüdern zu etwas Heilshaftem: „Die Freiheit des Menschen, die durch die Sünde verwundet ist, kann nur mit Hilfe der Gnade Gottes die Hinordnung auf Gott zur vollen Wirklichkeit bringen.“66 Versöhnt wird nicht nur der einzelne Mensch, sondern auch die menschliche Gesellschaft. Indem die Menschen ihre tiefe persönliche Würde als lebendige Abbilder Gottes gegenseitig anerkennen, gewinnen sie kraft der Erlösung eine neue Beziehung zueinander und bilden so eine neue Art menschlicher Gemeinschaft, die aufgebaut ist auf Gerechtigkeit und die lebt aus der Liebe67. Die vollkommene Versöhnung aller Menschen betrifft auch die ganze Schöpfung68, denn mit dem Menschen wird die Schöpfung erlöst. Wie die Sünde des Menschen die Schöpfung der Sklaverei und Verlorenheit unterworfen und mit einem Makel gezeichnet hatte69, so geht auch die vollkommene Erlösung aller Menschen die ganze Schöpfung an: mit dem Menschen wird die Schöpfung erlöst. Eine Frucht der Versöhnung ist also auch die Möglichkeit und Notwendigkeit einer neuen Beziehung des Menschen zu den irdischen und zeitlichen Gütern, insbesondere zur Natur. Dazu sagt das Zweite Vatikanische Konzil: „Als von Christus erlöst und vom Heiligen Geist zu einem neuen Geschöpf gemacht, kann und muß der Mensch die von Gott geschaffenen Dinge heben. Von Gott empfängt er sie, er betrachtet und schätzt sie als Gaben aus Gottes Hand. Er dankt seinem Wohltäter für die Gaben; in Armut und Freiheit des Geistes gebraucht und genießt er das Geschaffene; so kommt er in den wahren Besitz der Welt als einer, der nichts hat und doch alles besitzt (vgl. 2 Kor 6,10). ,Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus und Christus Gott1 (1 Kor 3,22-23).“70 1532 KONGREGATIONEN In der Versöhnung stellt Gott aus reiner Gnade die Gemeinschaft zwischen sich und den Menschen wieder her und enthüllt so sein Angesicht vor den Menschen im Licht der Wahrheit. Durch Gottes Vergebung wird der Mensch zu einer vollkommeneren Erkenntnis Gottes geführt, ja, er erfährt darin etwas von dem Geheimnis Gottes, der und insofern er die barmherzige Liebe ist. Je mehr jemand Liebe empfängt, desto tiefer erkennt er den Liebenden71. Wenn also der Mensch Gott als die Liebe erfährt, wird er von dieser Offenbarung ergriffen und gibt sich ganz Gott hin. Dadurch lernt er sich selbst vollkommener kennen, er findet zu seiner innersten Wahrheit, die in seiner Berufung liegt, sich selbst seiner menschlichen Natur entsprechend in Freiheit ganz Gott zurückzugeben. Offensichtlich hat also die Versöhnung Einfluß auf das geistliche und sittliche Leben. Gott schenkt dem Menschen durch sein versöhnendes Handeln einen neuen Sinn dafür, daß er der lebendige Gott ist, der durch die Zeiten herrscht, der immer gegenwärtig wirkt und das Tun des Menschen in der Zeit lenkt. Das Handeln Gottes zeigt ganz deutlich, daß die Sünde eine Beleidigung ist, die den Bund der Liebe mit Gott verletzt. Es führt den Menschen dazu, sich selbst, seine Güter und Bedürfnisse klar zu sehen und vor allem anzuerkennen, daß er ganz von der Liebe Gottes, des Schöpfers und Erlösers, abhängig ist und, da er mit einem moralischen Gewissen ausgestattet ist, für seine Freiheit Rechenschaft ablegen muß. II. Buße als Antwort des Menschen auf das Angebot der Versöhnung Der Ruf zur Umkehr 22. Der Mensch muß auf die Versöhnung, die Gott ihm anbietet, antworten. Dazu muß er umkehren, den Weg, den er gegangen ist, zurückgehen (vgl. das hebräische Wort „shub“, das griechisch mit „epistrephein“ wiedergegeben wird und das „zurückgehen“ bedeutet), er muß sein Tun und seine Lebensweise ändern, denn darin liegt ein Zeichen und eine Frucht der inneren Wandlung (das Umkehren heißt griechisch „metanoein“). Mit einem Wort, er muß Buße tun. Versöhnung ohne Buße ist undenkbar, sie widerspräche der Würde des Menschen, dem in diesem Fall eine rein passive Rolle zukäme. Buße aber ist undenkbar, ohne daß zuvor Gott die Versöhnung schenkt. Ohne dieses Geschenk wäre sie vollkommen sinnlos, sie müßte Verzweiflung hervor-rufen, ja sie würde sogar die Wahrheit Gottes selbst leugnen, da sie Gott 1533 KONGREGA TIONEN als Urheber der ganzen Entfremdung und Spaltung des Menschen hinstellen würde. Der Ruf zu Umkehr und Buße gehört also wie die Botschaft von der Versöhnung zum Kern der Offenbarung. Besonders die Propheten predigen die Buße nachdrücklich. So fordert Nathan David auf, seine Sünde zu bekennen und den Weg der Buße zu beschreiten72. Vom sechsten vorchristlichen Jahrhundert an rufen die großen Propheten das ganze Volk zur Umkehr, und zwar vor allem von den Sünden, die gegenüber der Gemeinschaft Unrecht sind73 oder die direkt den Bund brechen und zur Heiligkeit Gottes im Widerspruch stehen74. Notwendig ist nach der Lehre der Propheten eine Bekehrung des Geistes; das Leben und die Lebensumstände einzelner Propheten bringen diese Bekehrung zeichenhaft zum Ausdruck75. Zum Höhepunkt kommt diese Predigt bei Johannes dem Täufer: Er ruft die Menschen zur Umkehr des Herzens und fordert sie auf, die Ankunft des Reiches Gottes zu erwarten. Er kommt, um die „Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden“76 zu verkünden. Jesus Christus selbst verkündet, daß das Reich Gottes, die Gabe des Heiles, gekommen ist. Er ruft Sünder und Sünderinnen zur Umkehr und offenbart so Gott als den barmherzigen Vater. Wir alle kennen das Gleichnis vom verlorenen Sohn, eines der schönsten Gleichnisse im Evangelium77. So stellt die Barmherzigkeit Gottes, wie Johannes Paul II schreibt, „den Grundinhalt der messianischen Botschaft Christi dar und den eigentlichen Impuls seiner Mission“78. Der Weg der Buße: ein Tun des Menschen 23. Wenn ein Mensch die Botschaft vom Angebot der Versöhnung hört, sie ernst nimmt und sich ganz auf sie einläßt, so erwacht in ihm das Verlangen, in einer neuen Art zu leben, Gott ganz anzuhangen. Zum ersten Mal oder von neuem schließt sich der Sünder dem Reich Gottes an, der „neuen Welt“, dem neuen Stand der Dinge, der neuen Existenz und Lebensweise nach dem Evangelium. Diese neue Weise kommt aus ihrer Natur heraus in der menschlichen Gesellschaft und vor allem in der kirchlichen Gemeinschaft zum Ausdruck79. Daher trifft der Sünder bei seiner ersten Bekehrung vor der Taufe oder bei der zweiten nach schwerer Schuld, bewegt vom Heiligen Geist, in seinem uneigensten Willen und absolut seine Entscheidung, indem er sein Herz auf Gott ausrichtet, um das Leben ganz nach seinem Willen zu gestalten. 1534 KONGREGA TIONEN Da es um eine Entscheidung geht und zwar um eine Entscheidung, die den Menschen in seinem innersten Wollen angeht, gründet die Umkehr in der Verfügung des Menschen über sich selbst, also in einem Akt der Freiheit; zugleich bringt sie einen solchen Akt mit sich. Die Umkehr liegt in der Tiefe des menschlichen Herzens, in seinem geheimsten und heiligsten Kern, wo der Mensch „allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist.“80 Die Umkehr betrifft den Menschen, insofern er eine Person ist, die in ihrem Sein und Wesen durch ihre Beziehung zu Gott gekennzeichnet ist. Daher geht es bei der Umkehr nicht nur darum, eine Lehre zu glauben oder eine sittliche Vorschrift zu beachten, sondern die Umkehr ist die Rückkehr zum lebendigen und wahren Gott, die Rückkehr des verlorenen Sohnes zum Vater, der immer auf uns wartet. Die Rückkehr zu Gott aber bringt es mit sich, daß der Mensch seine Brüder umarmt und bereit ist, seine Sünden zu bekennen, um Gnade zu bitten, für die Sünden Genugtuung zu leisten, ihre Folgen in ihm selbst, in der Kirche und in der Gesellschaft wiedergutzumaehen und dem Willen des Vaters entsprechend Christus nachzufolgen. Andererseits ist das Sich-Aufmachen des Sünders, der umkehrt, trotz seiner personalen Freiheit ein Gnadengeschenk Gottes. Denn Gott selbst kommt dem Menschen zuerst entgegen, er rührt sein Herz an und weckt in ihm das Bewußtsein von der Sünde, er gibt ihm den Anstoß, sich auf den Weg zu machen und zu ihm zurückzukehren. Mit Recht sagt der Prophet: „Kehrt um zu mir, dann kehre ich um zu euch.“81 Man könnte fragen, warum die Buße für den Empfang der Versöhnung und ihre Umsetzung in das Leben notwendig sei. Darauf ist zu antworten, daß Gott die Freiheit gegeben hat. Gott respektiert diese Freiheit, so daß er vom freien Menschen eine freie Antwort fordert. Darum kann der Mensch nur neu geschaffen werden, wenn er frei und als Herr seines Tuns dem Handeln Gottes an ihm zustimmt. Die wahre Freiheit erfordert, daß der Mensch „seinen Schöpfer aus eigenem Entscheid suche und frei zur vollen und seligen Vollendung in Einheit mit Gott gelange.“82 Der Weg der Buße: personaler und sozialer Gesichtspunkt 24. Hinsichtlich der Struktur der Buße gibt es, insbesondere heute, zwei entgegengesetzte Meinungen. Auf der einen Seite wird gefragt, warum Schuld, die zum Innersten und Eigensten jedes einzelnen gehört, in einem Bekenntnis, nämlich im Bußsakrament, der Institution Kirche zu unter- 1535 KONGREGA TIONEN werfen ist oder - was auf dasselbe herauskommt - warum sie zur Beurteilung dem Priester eröffnet werden muß. Auf der anderen Seite wird nach Bedeutung und Sinn einer christlichen Lehre gefragt, die alles Menschliche auf das Innere des Menschen zurückführt. Vertreter dieser Meinung wollen Sünde lediglich im sozialen Bereich in ungerechten Verhältnissen sehen und halten eine Veränderung dieser Verhältnisse für die einzig nützliche, ja notwendige Umkehr. Es wird also entweder nur der personale Aspekt der Sünde oder nur der soziale betont. Christliche Buße trifft wesentlich die menschliche Person, aber sie ist hingeordnet auf die sakramentale Versöhnung und hat Folgen im Leben der menschlichen Gesellschaft. Tatsächlich zeigt die im Lauf der Zeit zunehmende Offenbarung der Heiligen Schrift immer deutlicher, daß die moralische Ordnung mehr die einzelne Person angeht: So stellen die ersten Seiten der Offenbarung mehr das Volk als Träger der Sünde und der Sühne dar, während dann Ezechiel Schuld und Strafe jeweils bestimmten einzelnen Personen zuweist. Schuld aber wird nur mit Gottes Hilfe vergeben. Darum hat Jesaia den Gottesknecht besungen, einen Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Er „wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“83 Johannes der Täufer zeigte den Scharen das „Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt, . . . (ihn,) der mit dem Heiligen Geist tauft.“84 Paulus bekannte auf sehr persönliche Weise, er lebe „im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“85 Die Versöhnung gehört zur Heilsordnung, die Christus im Auftrag des Vaters in der Geschichte vollendet hat und an der die Menschen auf sichtbare und sakramentale Weise weiterhin Anteil haben. Christus ist als Fleisch gewordenes Wort86 ein sichtbares Sakrament der Barmherzigkeit seines Vaters. Er hat nach seiner Rückkehr zum Vater über die Zwölf, die er erwählt und ausgesandt hatte, um zu predigen87, den Heiligen Geist ausgegossen. „So bildeten die Apostel die Keime des neuen Israel und zugleich den Ursprung der heiligen Hierarchie.“88 Christus, „für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heiles“89, hat die versprengten Kinder Gottes wieder gesammelt90, und zwar in ihm selbst als dem einen Nachkommen (Abrahams)91, um sie zur Gemeinschaft mit dem Vater und untereinander zu führen. Auf den zwölf Aposteln hat er also die Kirche gegründet, damit sie das „in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes geeinte Volk“92 sei und „gleichsam das Zeichen und 1536 KONGREGA TIONEN Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“93. Christus, der unsichtbar in seiner Herrlichkeit zur Rechten des Vaters sitzt, wird durch den Mittlerdienst der Kirche der ganzen Gemeinschaft der Glaubenden und in ihr den einzelnen Personen gegenwärtig und wirkt in der Verkündigung des Wortes Gottes, in der Feier der Sakramente und im Liebesdienst gegenüber allen. Christus hat dem ganzen Volk Gottes, das durch die Taufe mit dem prophetischen, priesterlichen und königlichen Amt ausgezeichnet ist, den Auftrag erteilt, Versöhnung und Buße zu üben. Darum sagt Augustinus: „Die Liebe der Kirche, die durch den Heiligen Geist ausgegossen wird, vergibt die Sünden derer, die an ihr Anteil haben.“94 Den besonderen „Dienst der Versöhnung“95 hat Christus seinen Aposteln und ihren Nachfolgern übertragen zusammen mit der Vollmacht, in seinem Namen zu binden und zu lösen, Sünden zu vergeben oder die Vergebung zu verweigern96. Darum schlossen von Anfang an die Hirten der Kirche vom vollen Leben der Gemeinschaft und von der Teilnahme an der Eucharistie jene Getauften aus97, die in Sünden gefallen waren, welche dem Leben, das Gott schenkt, entfremden98 und darum vom Reich Gottes ausschließen. Erst nach einer langen und beschwerlichen Buße ließen sie solche Sünder wieder zu. So galt der „Friede mit der Kirche“ als „Friede mit Gott“. Im Lauf der Jahrhunderte gewann die Kirche ein tieferes Verständnis der Worte Christi: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“99 Darum konnte sie, um jedem Irrtum vorzubeugen, verkünden, „diese Worte seien zu verstehen von der Vollmacht, im Sakrament der Buße Sünden zu vergeben oder die Vergebung zu verweigern, wie sie die katholische Kirche von Anfang an immer verstanden hat.“100 Im Bußsakrament finden die Umkehr des Sünders und das Handeln Christi, der den Sünder durch seinen Diener in der Kirche mit dem Vater im Heiligen Geist versöhnt, ihren geschichtlichen Ausdruck. Wer sich nach einer Todsünde außerhalb des Bußsakramentes und ohne die Absicht es zu empfangen mit dem Vater versöhnen möchte, entzieht sich damit nicht nur einer Verpflichtung, die Christus auferlegt hat, sondern lehnt die (christologische, ekklesiologische, sakramentale) Heilsordnung selbst ab, die der Vater als einziges Mittel zur Erreichung des Heils gewollt hat. Der einzige Weg zum Vater ist Christus; durch den Dienst der sichtbaren Kirche, die sein Sakrament ist, ist er sichtbar gegenwärtig und handelt wirkmächtig. 1537 KONGREGA TIONEN Da aber die Versöhnung mit dem Vater notwendigerweise die Versöhnung mit den anderen Menschen und zugleich den aufrichtigen Vorsatz zur Wiedergutmachung auch der sozialen zerstörerischen Folgen der Sünde erfordert und bewirkt, kann niemand übersehen, wieviel das Bußsakrament zum Seelenfrieden, zum sozialen Frieden, zu einer eifrigen und unablässigen Hingabe an die Brüder, zur Beseitigung ungerechter Strukturen und zur Errichtung einer gerechten Ordnung beiträgt. Die Kirche — das Sakrament der Versöhnung und der Buße 25. Die Kirche ist als universales Sakrament des Heiles ein Zeichen der Versöhnung, denn nur durch den Dienst seines mystischen Leibes versöhnt uns Christus im lebendigmachenden Geist mit dem Vater, und gießt er von neuem den Geist, der die „Vergebung der Sünden“ ist, über uns aus. Daher muß die Kirche mit Nachdruck die Barmherzigkeit Gottes verkünden, Umkehr wecken und fördern und in reichem Maß Versöhnung im Namen Christi gewähren, damit alle, die sie zur „Mutter“ haben, Gott „zum Vater haben können“101. 1538 KON GREGA TIONEN Dritter Teil Die Kirche — die Dienerin der Versöhnung Einleitung: Der Dienst der Kirche bei der Versöhnung 26. „Als priesterliches Volk wirkt die ganze Kirche auf verschiedene Weise beim Werk der Versöhnung mit, das ihr von Gott anvertraut worden ist. Denn sie ruft nicht nur durch die Verkündigung des Wortes Gottes zur Buße, sondern tritt auch für die Sünder ein und kommt dem, der umkehrt, mit mütterlicher Sorge und Aufmerksamkeit zu Hilfe, damit er seine Sünden einsehe und bekenne und von Gott, der allein die Macht hat, Sünden zu vergeben, Barmherzigkeit erlange. Darüber hinaus wird die Kirche durch den von Christus den Aposteln und ihren Nachfolgern anvertrauten Dienst zum Werkzeug der Bekehrung und der Lossprechung für den, der Buße tut (vgl. Mt 18,18; Joh 20,23).“102 Die Kirche übt den Dienst der Versöhnung, den sie von Christus, dem Herrn, empfangen hat, darum aus, weil sie für die Zeiten das prophetische, priesterliche und königliche Volk Gottes ist. Als solches hat sie die Gnade und den Auftrag: 1) prophetisch die Versöhnung zu verkündigen; 2) im Leben und in den Sakramenten die Buße zu feiern; 3) das Zeugnis eines versöhnten Lebens zu geben und die Versöhnung in den verschiedenen Bereichen des persönlichen und sozialen Lebens zu fördern. I. Die prophetische Verkündigung der Versöhnung 1. Das Wort Gottes von der Versöhnung 27. Wenn die' Kirche die Botschaft von der Versöhnung verkündet, legt Gott sein Wort auf ihre Lippen. Durch die Stimme seiner Diener spricht Gott selbst103. Auf diese Weise mahnt Christus heute wie am Anfang seiner Lehrtätigkeit: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“104. Diese frohe Botschaft vom Heil, die die Kirche zu verkünden hat, erweist sich als die „Kraft Gottes, die jeden rettet, der glaubt“105, denn Christus selbst ist es, der spricht, er ist „gegenwärtig in seinem Wort“106. Vor allem wenn sich die Kirche zur Feier der Mysterien des Herrn versammelt, 1539 KONGREGA TIONEN erfährt sie die Erfüllung der Verheißung Jesu Christi: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.“107 Weil das Wort Gottes „Geist und Leben“ ist, führt es alle Menschen zusammen, um sie zu heilen und aufzurichten: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen.“108 Das Wort Christi ist so wirksam, daß es bis zum innersten Herzen vordringt: „es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist.“109 Es vermag das Bewußtsein der Menschen zu ändern und zu reinigen: „Ihr seid schon rein durch das Wort, das ich zu euch gesagt habe.“110 Diese Wirkmächtigkeit des Wortes zum Heil der Menschen offenbart sich in den Sakramenten, vor allem weil dort, wo ein solches Wort durch Zeichen in das Leben des Menschen eingreift, etwas geschieht, dessen Ursache und Schöpfer Gott selbst ist. Denn im Sakrament der Taufe handelt Christus „im Wasser und durch das Wort“111. Im Aposteldienst hat Christus dieses gleiche Wort, ausgestattet mit der Kraft des Heiligen Geistes, um zu binden und zu lösen, Petrus und seinen Brüdern übergeben, als er ihnen „die Schlüssel des Himmelreichs“ gab112. Das Wort Christi verkündet, daß die Endzeit schon angebrochen ist, denn es richtet113, aber es bewahrt jene Menschen vor Verdammnis, die die Wahrheit tun und im Licht des Glaubens leben114. Nach der Verheißung Christi hört der Tröster nicht auf, in der Kirche dieses Wort zu „reden“, es zu „verkünden“, es zu „verherrlichen“; er selbst „wird die Welt überführen (und aufdecken), was Sünde, Gerechtigkeit und Gericht ist.“115 Daher zeigt die Kirche überall, wo sie für die Gerechtigkeit und das Gericht Zeugnis gibt und Sünder anklagt, auch die Versöhnung auf. Sie verkündet, daß die alles übersteigende Heiligkeit zum Wesen Gottes und die Berufung zur Heiligkeit durch den Bund zum Wesen des Menschen gehört. 2. Die Wahrheit über den Menschen und für den Menschen 28. Wenn die Kirche nach dem Beispiel Christi zur Umkehr ruft und die Versöhnung verheißt, verkündet sie, was Gott für den Menschen ist. Dagegen hindert die Sünde, die diese Wahrheit leugnet, den Menschen daran, im Bund der Freundschaft mit Gott zu leben, so daß Gott als Gott im Menschen gegenwärtig wäre und in ihm nach seinem eigenen Rat handeln würde. Die Sünde macht, da sie die Bande des Bundes zerreißt, den Menschen unglücklich. Wenn das Wissen um die Sünde verlorengeht, geht auch das 1540 KONGREGA TIONEN Verständnis von Gott und dem Menschen verloren. Umgekehrt ist es beim Menschen, der seine Sünde einsieht: er bekehrt sich und kommt so zu einer Erkenntnis Gottes, der ihn zutiefst liebt. Ebenso bedeutet das Annehmen der Sündenvergebung durch den einen Mittler des neuen Bundes, den Menschen neu von Gott her zu verstehen. Wenn die Kirche in prophetischer Weise Buße und Versöhnung verkündet, folgt sie Christus, dem Gott-Menschen nach. Sie erweist sich dabei als treue Dienerin im Geheimnis Gottes, da sie sich wie er und mit ihm um das Wohl des Menschen müht. Da der Ruf zur Umkehr den Menschen drängt, sich seiner Würde als Person bewußt zu werden, fördert die Kirche damit das Wohl des Menschen: „Die Fähigkeit, nach ehrlicher Umkehr die Gabe Gottes anzunehmen, ist ein Zeichen oder ein Ausdruck der Würde des Menschen.“116 Indem Christus unsere von der Sünde verwundete Freiheit heilt, bewahrt er „das Menschlichste im Menschen“117 vor dem Untergang. Indem Christus so die Freiheit der menschlichen Person und ihre Würde wiederherstellt, eröffnet er einen Weg zu allgemeiner Befreiung und Versöhnung. Denn „jeder wird von Christus dort geheilt, wo der schlechte Einfluß jseinen Sitz hat, der die ganze Welt durcheinanderbringt und zerstört, nämlich Egoismus, Neid, Herrschsucht.“118 Daher hegt das Mittel zum Frieden für unsere Zeit, die von so grausamen Spaltungen, Kämpfen, Ungerechtigkeiten und Gewalt zerrissen ist, im Innersten des Menschen. Wenn also die Kirche im Namen Christi Versöhnung durch Buße verheißt, verkündet sie auf prophetische Weise Heil und Frieden für Zeit und Ewigkeit. Ihre prophetische Botschaft schließt die Versöhnung im Inneren des Menschen und in der Gemeinschaft wie auch unter den verschiedenen Völkern ein. Zu dieser Versöhnung ist das Zusammenwirken aller und jedes einzelnen durch die Bekehrung des Herzens und einen geistigen Neuaufbruch notwendig. Diese Botschaft gewährt uns auf dem beschwerlichen Weg durch die Zeit bereits einen Blick auf die eschatologische Versöhnung, die wir in christlicher Hoffnung erwarten. Was die Kirche noch nicht zu sehen vermag, erwartet sie fest von dem, auf den sie ihre Hoffnung setzt119. Sie selbst erhofft und verkündet die eschatologische Versöhnung, den messiani-schen Frieden, der in einem neuen Himmel und einer neuen Erde zur Vollendung kommen wird. 1541 KONGREGA TIONEN II. Die Feier der Buße im Leben und in den Sakramenten 1. Die Taufe — erstes Sakrament und Fundament der Versöhnung 29. Die erste im eigentlichen Sinn sakramentale Versöhnung bewirken Glaube und Taufe. Die Taufe ist das wirksame Zeichen des Eintritts in die Kirche Christi und der Gabe des neuen Lebens. Die in der Taufe vollzogene Umkehr durchdringt den Menschen bis zur innersten Wurzel, sie betrifft das Wesen des Menschen. Denn durch die Taufe wird der Mensch wiedergeboren120 in Christus, er wird in ihm eine „neue Schöpfung“, er erhält Anteil an seinem Tod und seiner Auferstehung121. Die Taufe zeigt in aller Deutlichkeit, daß die Vergebung absolut ungeschulde-tes Geschenk Gottes ist. Der Sieg Christi über die Sünde leuchtet vor allem in der Taufe auf. „Durch sie wird der alte Mensch mit Christus gekreuzigt, ,damit der Leib der Sünde vernichtet wird und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben“, sondern mit Christus auferstehen und fortan für Gott leben (vgl. Röm 6,4-10). Deswegen bekennt die Kirche ihren Glauben an ,die eine Taufe zur Vergebung der Sünden“.“122 Durch die Taufe wird die Versöhnung geschenkt, die von sich aus vollkommen ist und nie endet. Von daher ist der Christ ein Heiliger123, also einer, der von seinem Wesen her nicht sündigt124, weil er ein „Kind des Lichts“125 ist, „von Gott geliebt,. . . sein auserwählter Heiliger“126, „nicht mehr Sklave, sondern Sohn“127. Der Mensch, der zum Kind Gottes wiedergeboren ist, muß, um Christus gleichförmiger zu werden und um den Glauben, den er von der Kirche empfangen hat, vor den Menschen zu bekennen, sich die Worte des Apostels Petrus vor Augen halten und sie in die Tat umsetzen: „. . . umgürtet euch, und macht euch bereit! Seid nüchtern, und setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die euch bei der Offenbarung Jesu Christi geschenkt wird. Seid gehorsame Kinder, und laßt euch nicht mehr von euren Begierden treiben wie früher, in der Zeit eurer Unwissenheit. Wie er, der euch berufen hat, heilig ist, so soll auch euer ganzes Leben heilig werden. Denn es heißt in der Schrift: ,Seid heilig, denn ich bin heilig“.“128 Wer in der Taufe des Glaubens Anteil an der göttlichen Natur erhalten hat, muß von da an die empfangene Heiligung in seinem Leben festhalten und vollenden: „Ihr seid von Gott geliebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld“129 und bringt die Früchte des Geistes hervor130. Die Sünde steht zum Stand des getauften und geheiligten Menschen in direktem Gegensatz. Wenn jemand, der „aus der Finsternis in sein 1542 KONGREGA TIONEN wunderbares Licht“131 gerufen ist, die Gabe des Heils geringschätzt und sich schuldhaft weiter von Gott wendet, kann er nicht ein zweites Mal getauft werden. Dennoch verliert das Erstlingsgeschenk der schon in der Taufe angenommenen Umkehr, die Berufung und Erlösung durch Christus, der „treu bleibt“132, seinen Wert nicht, und so bietet der Vater in seinem Erbarmen in seinem Sohn die Gnade der Umkehr und der Versöhnung immer an. Durch neuerliche Umkehr und Versöhnung kommt der sündige Christ wiederum zu jenem „neuen Leben“, zu dem er „aus Wasser und Geist“133 gelangt war, und verpflichtet sich von neuem, es zu bewahren und zu vollenden. Es muß also gesehen werden, welche Bedeutung der Ursprung der christlichen Buße aus der Taufe hat - in der Taufe empfängt ja der Christ das „Erstlingsgeschenk der Metanoia“134 -, denn weil eine Sünde, die jemand begeht, der „eine neue Schöpfung“ ist, schwerer wiegt, hat auch jede weitere sakramentale Versöhnung eine eigene Bedeutung und eine eigene Kraft. 2. Die zweite Versöhnung durch die Buße 30. „Wenn in allen, die wiedergeboren sind, die Dankbarkeit gegen Gott so groß wäre, daß sie beharrlich die durch seine Wohltat und Gnade in der Taufe empfangene Gerechtigkeit bewahren würden, dann wäre es nicht notwendig gewesen, ein anderes Sakrament als die Taufe selbst zur Vergebung der Sünden einzusetzen. Weil aber ,Gott, der voll Erbarmen ist“ (Eph 2,4), ,weiß, was wir für Gebilde sind1 (Ps 103,14), gab er auch denen ein Heilmittel des Lebens, die sich nachher wieder der Knechtschaft der Sünde und der Herrschaft des Dämons übergeben, nämlich das Sakrament der Buße, durch das denen, die nach der Taufe fallen, die Wohltat des Todes Christi zugewandt wird.“ 135 Von daher kommt das Geschenk der zweiten Versöhnung. Gott bietet sie jenen Christen an, die aus menschlicher Schwachheit ihre erste Liebe verlassen136 und durch die Sünde die Freundschaft mit Gott und ihren Brüdern brechen. Die neue Hinkehr des Sünders zu Gott entspricht ganz der anthropologischen Struktur der Versöhnung. Auch wenn sie unter verschiedenen Formen Schritt für Schritt vollzogen wird, bleibt sie immer die gleiche und wird im Fall der schweren Sünde nur im Bußsakrament vollendet. Vor allem erfordert die Rückkehr zu Gott immer Büßfertigkeit oder Reue; diese ist „der Schmerz der Seele und der Abscheu über die begangene Sünde mit dem Vorsatz, fortan nicht mehr zu sündigen.“137 „Es ist“ 1543 KON GREGA TIONEN nämlich „nur durch Metanoia, d. h. durch die innere Umwandlung des ganzen Menschen, möglich, zum Reich Christi Zugang zu finden. Durch sie beginnt der Mensch, der erschüttert ist von der Heiligkeit und Liebe Gottes, welche uns in dieser Endzeit durch den Sohn offenbar und in Fülle zuteil geworden ist (vgl. Hebr 1,2; Kol 1,19ff.; Eph 1,23 u. ö.), nachzudenken, zu urteilen und sein Leben zu ordnen.“138 „Von dieser inneren Reue hängt die Echtheit der Buße ab. Die Bekehrung muß nämlich den Menschen innerlich erfassen, um ihn zu immer tieferer Einsicht zu führen und ihn Christus immer mehr gleichzugestalten.“139 Zu einer echten Buße gehört notwendig, daß der Mensch seine Sünden aufrichtig vor Gott und der Kirche anerkennt, das heißt in einem äußeren Akt, dem, wie es personalem Handeln gebührt, die innere Gesinnung entsprechen muß (Bekenntnis). Der Sünder muß außerdem sein Leben vor Gott und der Kirche überdenken und es von neuem Gott und seinem gütigen Plan hingeben, und er muß zugleich Schaden, den er der Kirche oder der Gesellschaft zugefügt hat, wiedergutmachen (Genugtuung). Schließlich muß der Mensch in Demut und Dankbarkeit das Geschenk der Vergebung annehmen, nämlich das „neue Leben“ und die geistliche Heilung. Vor diesem Weg der Bekehrung darf der Sünder nicht zurückschrecken, auch wenn er auf den ersten Blick mühsam erscheint. Vielmehr muß er sich im Licht des Glaubens vor Augen halten, daß er den früheren Zustand der Liebe und die Freude des Heiligen Geistes nur dann wieder empfangen kann, wenn er der Gnade gehorcht und Gott wieder wie ein Sohn Antwort gibt. Im Gesamtwerk der Versöhnung der Gläubigen feiert die Kirche auch die Krankensalbung, damit der Herr den Kranken in seinem reichen Erbarmen in der Kraft des Heiligen Geistes helfe, sie von Sünden befreie und in seiner Gnade aufrichte. So sorgt sie auch für kranke und alte Menschen, und, wenn Gott es so will, vollendet sie in diesem Sakrament den Weg der Bekehrung und der Reinigung des Getauften140. Die Verbindung von Bekehrung und Versöhnung entspricht ganz der menschlichen Natur. Die Elemente dieses gleichzeitigen Zusammenwirkens Gottes und des Menschen finden ihren Ausdruck in den Riten, unter denen der Vater die Vergebung durch die Kirche und in der Kirche schenkt. Schattenhaft gibt es diese Elemente in gewisser Weise auch in anderen Religionen und Kulturen. Das zeigt um so deutlicher, daß die Menschen durchaus auf die Versöhnung warten, die in Christus Jesus geoffenbart ist und die das Verlangen der Menschen über ihre Hoffnung hinaus stillt. 1544 KONGREGA TIONEN Alltägliche Formen der Buße in der Kirche 31. Bei ihrer Verkündigung von Christus ruft die Kirche den Menschen aller Zeiten seine Worte zu: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium“141, damit das Alte vergehe und die Menschen sowie die verschiedenen Güter und Einrichtungen dieser Welt, die gekennzeichnet sind von der Sünde des Menschen und zugleich vom Segen Gottes, mehr und mehr zum neuen Leben gelangen können. Niemand kann sich selbst von der Sünde befreien, niemand von Grund auf sich von seiner Schwachheit und von der Knechtschaft lösen. Darum verkündet die Kirche nicht nur, daß alle Christus als Vorbild, Lehrer, Erlöser und Lebensspender brauchen, sondern auch, daß alle dem leidenden Christus in der Liturgie, im persönlichen Gebet, in der Buße und in der freien Annahme der Mühseligkeiten und Bedrängnisse des Lebens gleichförmig werden müssen142. Nur so vermögen sie rein zu werden, die Folgen der Sünden zu heilen und zur Erneuerung der ganzen Welt beizutragen. Daher empfiehlt die Kirche verschiedene, auch nichtliturgische Formen der Buße, unter denen sich ihre Kinder unaufhörlich Gott und ihren Brüdern zuwenden können. Zu bestimmten Zeiten (Advent, Fasttage, Fastenzeit, Freitag) ermahnt sie die Gläubigen in besonderer Weise, durch Gebet, Fasten und Almosen Buße zu tun und damit auch den Menschen in ihren geistlichen und zeitlichen Nöten zu Hilfe zu kommen. Die traditionellen Formen der Buße müssen den verschiedenen Lebensaltern angepaßt werden. Ihre „Glieder, die von Schwächen und Krankheiten, von Armut und mannigfachem Elend heimgesucht sind oder die Verfolgung leiden um der Gerechtigkeit willen, ermahnt die Kirche, sie möchten lernen, ihre Schmerzen in Geduld mit Christus vereint zu tragen; so erfüllen sie nicht bloß in vollerer Weise die Pflicht der Buße, sondern verdienen für die Brüder ein von der göttlichen Gnade erfülltes Leben und für sich die im Evangelium verheißene Seligkeit.“143 Männer und Frauen können die ihrem Geschlecht eigenen Aufgaben heiligen, indem sie diese sorgfältig und treu erfüllen und Schwierigkeiten des Zusammenlebens mit Geduld ertragen. Ähnliche Verhaltensweisen sollen den jungen Menschen vorgeschlagen werden, die sich auf einen Beruf oder auf die Ehe vorbereiten. Auch das Erwecken eines guten Vorsatzes am Morgen und die tägliche Gewissenserforschung am Abend dienen einer fruchtbaren Buße und der Selbstheiligung. Leider sind derartige Formen der Buße in unseren Tagen mehr oder weniger verschwunden. Die Bußzeiten werden entweder nicht mehr ein- 1545 KONGREGA TIONEN gehalten oder haben ihre bewegende Kraft durch die vielfältigen Dispensmöglichkeiten verloren. Einzelpersonen und geistliche Gemeinschaften beten vielerorts seltener. Gefastet wird dagegen vor allem von Hungernden und von Reichen, jedoch nicht aufgrund des Glaubens. Formen der Buße und der Reinigung, die das Evangelium und die Kirche sehr empfehlen und die viel zur Formung großer Heiliger beigetragen haben, scheinen heute in nichtchristlichen Religionen in höherem Ansehen zu stehen. In der heutigen Zeit des Überflusses fasten manche unter allgemeiner Bewunderung um der Schlankheit willen streng, andere treiben mit größtem Einsatz und äußerster Disziplin Sport, viele erfüllen ihre Aufgabe mit großer Hingabe, und Jugendliche sind gerne bereit, sich für ökologische Fragen und für die Nöte der Dritten Welt einzusetzen. Daß Hingabe und Einsatz notwendig sind, wenn man zeitliche Ziele erlangen will, wird auch heute anerkannt, jedoch fehlt in den meisten Fällen den hohen Anforderungen, die gestellt werden, die religiöse Dimension. Darum fehlt auch ein Gespür dafür, daß das Reich Gottes, das ein Schatz ist und eine Perle, für die man alles verkaufen muß144, Bekehrung und Ganzhingabe erfordert. Die Mehrzahl der Menschen läuft im Stadion, „um einen vergänglichen Siegeskranz zu gewinnen“145, ohne die religiöse Dimension der Buße zu sehen. Nun aber dienen Fasten und das Ertragen von Strafen und der täglichen Mühsal des Lebens nicht nur der körperlichen Gesundheit und einer Stärkung des Geistes, sondern sie haben auch Heilswert. Ein Almosen aufgrund des Glaubens ist mehr als nur eine Hilfe aus Menschenfreundlichkeit. Der Vollsinn der Buße erscheint im Licht des Kreuzes des Herrn; es offenbart entgegen jeder immanenten Aszese, welches Opfer der Preis für das Heil der Menschen war, das Christus gebracht hat; es bewahrt vor allzu großem Vertrauen auf sich selbst und mildert die Last der Buße durch die Freude der Liebe zu Gott und den Brüdern. Daraus ergeben sich von selbst spezifisch christliche Verhaltensweisen wie Selbstverleugnung, Demut, Geduld. Die traditionellen Bußformen sollen, aus dem Geist des Evangeliums neu belebt, von den einzelnen wie auch in den Familien und in der Kirche gepflegt werden. Man soll die Gläubigen sorgfältig unterweisen und einladen, sich zu den von der Kirche festgesetzten Bußzeiten zu einem gemeinsamen Bußgottesdienst zu versammeln, um sich darauf vorzubereiten, mit erhobenem und offenem Herzen am Paschamysterium teilzunehmen, und um das eigene sittliche Verhalten zu reinigen und zu beherrschen und den Brüdern in ihren Nöten zu Hilfe zu kommen. Es ist eine 1546 KONGREGA TIONEN einfachere Lebensweise zu empfehlen, die beispielsweise einen sachgemäßen Gebrauch der Medien und die Reinhaltung der Natur begünstigt. Auch soll man auf jene aszetischen Werte achten, die in der Volksfrömmigkeit und manchmal in den Gebräuchen der Völker selbst vorhanden sind. Nichtsakramentale liturgische Formen der Buße 32. Neben den Werken der Buße und der Liebe gibt es mehrere liturgische Formen der Buße und der Versöhnung, die nicht im eigentlichen Sinn sakramental sind. Unter ihnen nehmen die Bußgottesdienste einen besonderen Rang ein: Die Gemeinschaft der Gläubigen versammelt sich zum Hören des Wortes Gottes. Dabei wird sie eingeladen, die Botschaft der Erlösung von der Sünde durch Christi Tod und Auferstehung anzunehmen, umzukehren und das Leben zu erneuern und mit dem Gebet des Herrn und anderen Gebeten für sich und die anderen um Versöhnung mit Gott und den Brüdern zu flehen. In diesen Gottesdiensten gehören die Verkündigung des Wortes und das Gebet auf das Innigste zusammen146. Der Wert dieser Gottesdienste besteht nicht nur in der Erziehung zu einer tieferen und lebendigeren Feier des Bußsakramentes und zum Umsetzen der Wirkungen des Sakramentes in das Leben; sie haben auch einen heilshaften Wert. In ihnen handelt die Kirche wahrhaft als Mittlerin. Bußgottesdienste sind also von großem Nutzen: - zu einer sorgfältigen Gewissenserforschung; - zu einem richtigen Sündenverständnis und zur Erweckung einer übernatürlichen Reue; - zum Erkennen der Verantwortung gegenüber Gott, Kirche und Gesellschaft; - zur Bekehrung, Reinigung und Heiligung des Herzens; - zur Förderung des Geistes der Buße in der christlichen Gemeinschaft; - als Hilfe für die Gläubigen zur Vorbereitung der Feier des Bußsakramentes mit Einzelbekenntnis; - zur Erziehung der jungen Menschen zu einem wachsenden Bewußtsein von der Sünde im menschlichen Leben und von der Erlösung von der Sünde durch Christus; - zur Erweckung der vollkommenen Liebesreue, durch die — wenn kein Priester zur sakramentalen Lossprechung zur Verfügung steht - die Gläubigen die Gnade Gottes erlangen können, wenn sie sich vornehmen, das Bußsakrament zu empfangen147. 1547 KONGREGA TIONEN Im Blick auf diese Wirkungen sollen die Hirten der Kirche öfters Bußgottesdienste feiern, dabei jedoch die Gläubigen auf die Notwendigkeit des Bußsakramentes zur Vergebung schwerer Sünden aufmerksam machen. Die Eucharistie „zur Vergebung der Sünden“ 33. Der Gipfel der Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander in der Kirche ist die Feier der Eucharistie, denn sie ist das Sakrament der realen Gegenwart Jesu Christi und vergegenwärtigt sein Leiden und seinen heilbringenden Tod. Denn „im Meßopfer wird das Leiden Christi vergegenwärtigt, und der für uns hingegebene Leib und das zur Vergebung der Sünden vergossene Blut werden Gott von der Kirche stets neu zum Heil der ganzen Welt dargebracht. Denn in der Eucharistie ist Christus gegenwärtig und wird als ,Opfer unserer Versöhnung“ (Meßbuch, Hochgebet III) dargebracht, damit wir durch seinen Heiligen Geist ,zur Einheit zusammengeführt werden“ (Meßbuch, Hochgebet II).“148 Die Kirche hat allerdings, vom Glauben geführt, im Lauf der Zeit nicht nur gelehrt, in der Eucharistie hege die Kraft der Versöhnung, sondern sie hat auch erklärt, vor der Feier oder vor dem Empfang der Eucharistie sei für den in schwere Sünde gefallenen Christen das Bußsakrament notwendig. Auf diese Tatsache bezieht sich das, was Papst Paul VI. in der Instruktion „Eucharisticum mysterium“ schrieb, wobei er die Lehre des Konzils von Trient wieder aufgriff: „Die Eucharistie soll den Gläubigen auch gedeutet werden ,als Heilmittel, das uns von der täglichen Schuld befreit und vor Todsünden bewahrt“. Es soll ihnen die rechte Weise aufgezeigt werden, wie sie die Teile der Meßliturgie, die Bußcharakter haben, nutzen können, demjenigen, der kommunizieren will, soll das Gebot ins Gedächtnis gerufen werden: Es prüfe sich der Mensch (1 Kor 11,28). Aus der kirchlichen Gewohnheit ergibt sich, daß diese Prüfung notwendig ist; denn niemand, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, darf ohne vorausgegangene sakramentale Beichte zur heiligen Eucharistie hinzutreten, auch wenn er Reue zu haben glaubt. . . Wenn eine dringende Notwendigkeit zum Kommunionempfang vorliegt und keine Möglichkeit zur Beichte besteht, soll vorher ein Akt vollkommener Reue erweckt werden“.“149 Das Konzil von Trient lehrt auch: „Dieses Opfer ist ein wirkliches Sühneopfer, und es bewirkt, daß ,wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit“150, wenn wir mit geradem Herzen, mit rechtem Glauben, mit Scheu und Ehrfurcht, voll Reue und bußfertig vor 1548 KONGREGA TIONEN Gott hintreten. Versöhnt durch die Darbringung dieses Opfers gibt der Herr die Gnade und die Gabe der Buße, und er vergibt die Vergehen und Sünden, mögen sie noch so schwer sein.“151 In diesem Fall wird die Sünde nicht durch die Eucharistie direkt vergeben, sondern durch die vollkommene Reue. Die vollkommene Reue aber schließt die Absicht ein, das Bußsakrament zu empfangen152, und damit auch die Mittlerschaft der Kirche, die nach dem Willen Christi zum Empfang jeder Gnade notwendig ist. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, Todsünden später zu beichten. Als Opfer und Gastmahl des empfangenen Friedens ist die Eucharistie ein Sakrament der kirchlichen Einheit, die ständig zu schaffen und zu vermehren ist, nicht aber ein Sakrament, das dazu dient, die durch schwere Sünde zerstörte Lebensgemeinschaft direkt wiederherzustellen. „Durch den Leib Christi in der heiligen Eucharistiefeier gestärkt, stellen „die Gläubigen die Einheit des Volkes Gottes, die durch dieses hocherhabene Sakrament sinnvoll bezeichnet und wunderbar bewirkt wird, auf anschauliche Weise dar.“153 Das Bußsakrament 34. Das eigene Sakrament zur Versöhnung Getaufter, die in Sünde gefallen sind, ist die Buße: „Unser Erlöser Jesus Christus (hat) in seiner Kirche das Bußsakrament gestiftet, als er seinen Aposteln und deren Nachfolgern die Vollmacht übertrug, Sünden zu vergeben, damit die Gläubigen, die nach der Taufe in Sünde fallen, in der Gnade erneuert und so mit Gott versöhnt werden (vgl. Konzil v. Trient, 14. Sitzung, Kap. I, can. 1). Denn in der Kirche gibt es ,Wasser und Tränen: das Wasser der Taufe und die Tränen der Buße1 (Ambrosius, Ep. 41,12: PL 16,1116).“154 Christus ist es, der losspricht, nicht nur weil er das Bußsakrament eingesetzt hat, sondern weil er durch den Dienst des Priesters als seines Mittlers in der Kirche auch die Vergebung der Sünden und die Eingießung der Gnade in der Zeit und sichtbar bewirkt. Das Wirken Christi ist nicht mittelbar (als ob er an dem Priester und dieser an dem Sünder handeln würde), und es ist das gleiche, mit dem er auch außerhalb des Sakramentes an dem, der Buße tut, handelt. Es geht um die sakramentale (Handlung und Wort umfassende) Dimension jenes umfassenden Wirkens, mit dem unser Erlöser das Heil des Sünders von der Geburt bis zum Tod betreibt. 1549 KONGREG.A TIONEN „Bei der Ausübung dieses Dienstes handeln die Priester in Gemeinschaft mit dem Bischof, der die Bußdisziplin regelt, und haben Anteil an dessen Amt und Vollmacht.“155 Wie bei den anderen Sakramenten ist Christus im Bußsakrament durch die Kirche gegenwärtig und handelt durch sie, die Kirche aber handelt durch den Bischof und die Priester156. In der Feier des Bußsakramentes bekennt der Beichtende seine Sünden dem Vater, und der Vater gewährt ihm durch Christus und durch den Diener der Kirche in der sakramentalen Lossprechung Vergebung und Gnade. Diese Heilsordnung zeigt die Formel der Lossprechung sehr deutlich157. Der Vater, dessen „Gericht über alle“, die tun, was ihnen nicht zukommt, „der Wahrheit entspricht“158, hat die sündigen Menschen so sehr geliebt, daß er für sie „seinen einzigen Sohn hingab“159. Er schenkt ihnen neues Leben aus dem Wasser und dem Heiligen Geist, indem er seine Liebe in ihre Herzen ausgießt160. Wenn sie dann nicht wie Kinder in der Gemeinschaft der Liebe leben und schwer fallen, richtet er über ihre Sünden durch den Dienst der Kirche, damit sie zu ihm zurückkehren und von neuem die Gnade erlangen. Daher mahnt schon seit dem 3. Jahrhundert die Didaskalia Apostolorum den Bischof, der die Bußdisziplin regelt: „Bischof, richte mit Macht so wie Gott, aber nimm den, der Buße tut, in Liebe auf so wie Gott (der Allmächtige) und schelte, bitte und lehre, denn Gott, der Herr, hat mit einem Eid geschworen, er werde den Sündern Vergebung schenken, wie er durch Ezechiel verheißen hat: ,So wahr ich lebe, ... ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, daß er auf seinem Weg umkehrt und am Leben bleibt. Kehrt um, kehrt um auf euren bösen Wegen! Warum wollt ihr sterben?1161 Damit gab er den Sündern, die Buße tun, Hoffnung, daß sie durch ihre Buße das Heil erlangen, damit sie nicht ohne Hoffnung in ihren Sünden bleiben und diesen noch weitere hinzufügen, sondern Buße tun für ihre Sünden und sich aus ganzem Herzen bekehren.“162 Paulus richtete in Korinth einen Blutschänder „im Namen Jesu, unseres Herrn“ und mit seiner „Kraft“, „damit sein Geist am Tag des Herrn gerettet wird“163. Der Priester, der im Dienst der Kirche ebenfalls den Sünder aufnimmt und zum Licht der Wahrheit führt, offenbart ihm das Herz des Vaters, der zwar die Sünde als Beleidigung gegen ihn und als Ursache des Untergangs für die Menschen und für die Gemeinschaft verurteilt, dem Sünder jedoch die Vergebung anbietet. Wie Christus, der gute Hirt, deckt der Priester brüderlich auf, wie schwer die Seele krank ist, und gibt ihm in der Kraft des Sakramentes geeignete Hilfe164. Er tut dies durch die Unterscheidung 1550 KONGREGA TIONEN der Geister, die nichts anderes ist als die tiefe Erkenntnis des Wirkens Gottes im Herzen der Menschen, eine Gabe des Heiligen Geistes und eine Frucht der Liebe165. Daher ist, wie Johannes Chrysostomus schreibt, „hier der Ort der Heilung, nicht des Gerichts; hier wird nicht Strafe gefordert, sondern Vergebung der Sünden gewährt“166. Darum ist das Bekenntnis der Sünden notwendig, denn „wenn der, der verwundet ist, schwiege und nicht Buße täte und wenn er seine Wunde nicht dem Bruder und dem Lehrer bekennen wollte, könnten der Lehrer und der Bruder, die das heilende Wort haben, ihm nicht leicht eine Hilfe sein. Denn wenn der Kranke sich schämt, dem Arzt seine Wunde zu bekennen, die dieser nicht kennt, bringt die Medizin keine Heilung.“167 Das Einzelbekenntnis 35. Das Bekenntnis ist immer im Gesamtzusammenhang des Heilshandelns Gottes in der Heilsgeschichte und in der Lebensgeschichte des einzelnen, sowie im Licht der freien und notwendigen Antwort von seiten des Sünders zu sehen. Gott verläßt den Menschen in seiner Sünde niemals. Er macht ihm nach und nach seinen unheilvollen Zustand bewußt und lädt ihn väterlich zur Umkehr ein. Er leitet ihn auf dem Weg der Buße und gewährt ihm Versöhnung. Er hilft ihm unablässig auf dem nie vollendeten Weg der fortschreitenden Läuterung. Er unterstützt ihn bei dem schuldigen, beschwerlichen Bemühen, die Ordnung wiederherzustellen. Denn dieses Bemühen verlangt Gott als eine freiwillige Geste, damit der Mensch sich als freie Person vollende, die in Gemeinschaft mit dem Vater und seinen Brüdern verantwortlich die Gesellschaft und ihre Geschichte mitbaut. Der Sünder aber muß Gott aus freiem Willen gehorchen. Im Neuen Testament bilden das zuvorkommende Handeln Gottes und die Antwort des Menschen zusammen einen sakramentalen Vorgang, der dem Willen Christi gemäß im Leben der Kirche in der Geschichte auf menschliche, d. h. auf persönliche und verantwortliche Weise verwirklicht werden muß. Folglich wird der Sünder, der sich im Licht des Wortes Gottes und vom Heiligen Geist bewegt seiner schweren Übertretung bewußt geworden und wieder zum Vollbesitz seiner Freiheit gekommen ist, ein Bekenntnis seiner Sünden ablegen. Dieses ist freilich nur eines der konstitutiven Elemente des ganzen Werkes der Umkehr und der Versöhnung. Der Sünder wird dankbar und froh: 1551 KONGREGA TIONEN - wenigstens implizit die Heiligkeit Gottes bekennen, vor der er das Böse getan hat168, und die Gerechtigkeit, die er mit jeder schweren Sünde verletzt hat, so daß er sich selbst, der Kirche und der Gesellschaft Unheil gebracht hat. Diese Gerechtigkeit muß zur Wahrung der Menschenwürde des einzelnen und der Gemeinschaft sowie des zeitlichen 'und ewigen Glücks des Menschen die von Gott festgesetzte Ordnung unbedingt wiederherstellen. Der Sünder wird auch das Erbarmen bekennen, dem „lauterer Sinn im verborgenen“ gefällt und das „im geheimen“ den Menschen „Weisheit lehrt“169; - traurig seine Sünden und seine Undankbarkeit gegen Gott bekennen und beklagen, daß er von dem abgewichen ist, was Gott in seiner Liebe gewollt hat, wobei er mit seinen menschlichen Kräften die Folgen nicht wiedergutzumachen vermag; - sich vornehmen, alles Notwendige zu tun, um den entstandenen Schaden wiedergutzumachen und nicht wieder rückfällig zu werden; - seiner eigenen Gebrechlichkeit und Unwürdigkeit bewußt die Hilfe annehmen, die Christus in der Feier des Bußsakramentes in der Kirche durch den Dienst der priesterlichen Lossprechung anbietet. Diese Feier mit ihrer vielfältigen Bedeutung geschieht: - im Licht des Glaubens, der den Sinn des Tuns Christi erschließt. Denn Christus wünscht aus reiner Liebe, daß durch den Dienst des Priesters, der an seiner Stelle als Hirt, Arzt und Führer über die Sünden urteilt, der gefallene Mensch das Heil erlangt; - auf geschichtliche Weise. Sie trifft direkt die Person in ihren konkreten Umständen, um sie zu bekehren, zu bessern und zu jener Heiligkeit zu führen, zu der alle berufen sind; - in einem persönlichen seelsorglichen Gespräch. Das aufrichtige Bekenntnis der einzelnen schweren Verfehlungen vor Gott bricht die Fesseln der Sünden und reißt ihre Wurzeln aus. Im sakramentalen Gespräch stärkt es durch den Priester, der im Dienst Christi und der Kirche handelt, den Vorsatz, die Sünden zu meiden, durch die Gabe des Heiligen Geistes. Durch jedes einzelne schwere Vergehen verletzt der Sünder überdies die Kirche170 und trennt sich von sich aus von der inneren Lebensgemeinschaft mit ihr. Nur von den Hirten der Kirche kann er sichtbar und auf menschliche Weise in sie wiederaufgenommen werden. Das Haupt der kirchlichen Gemeinschaft, der Bischof oder in seinem Namen der Priester, muß die Schuld kennen, die er vergibt. Nur so kann er entscheiden, ob er die Sünden vergeben oder die Vergebung verweigern muß171, und festsetzen, welche Bedingungen zu erfüllen sind, damit die Wunden der Kirche 1552 KONGREGA TIONEN geheilt werden und der Sünder seine Pflichten gegen Gott und gegen die Gemeinschaft, deren Glied er ist, tiefer erfaßt. Die Kirche hat im Lauf der Jahrhunderte ununterbrochen, wenn auch unter verschiedenen Formen, eine Bußpraxis ausgeübt. Im Rückblick auf diese hat sie erkannt, daß Christus die Versöhnung getaufter Sünder nicht nur darum den Priestern anvertraut hat, damit diese generell von Sünden lossprechen, sondern auch, daß sie, wenn sie einen entsprechenden Grund feststellen, dazu beitragen, die vielfältigen Wurzeln der Sünde aus dem Herzen der Menschen auszureißen. Das ist nur möglich, wenn der Beichtende sein Gewissen durch den Priester Christus eröffnet, um vom Priester, der an Christi Statt handelt, von den Fesseln der Sünde befreit zu werden und sich von ihm nach und nach ganz zur Ablehnung des Bösen und zu der Heiligkeit führen zu lassen, zu der Christus seine Jünger zieht, um in der Kirche sein Reich der Heiligkeit und der Gnade zum Heil der Welt aufzurichten. Im persönlichen sakramentalen Gespräch wird das Wort der Versöhnung über den Sünder in seiner konkreten Situation gesprochen. Christus selbst kommt ihm im Beichtvater entgegen. Er erinnert ihn wie zur Zeit seines irdischen Wandels brüderlich an die Forderungen seiner Nachfolge. Er gewährt ihm die sakramentale Gnade. So erfährt der Sünder, daß er - auch wenn er schon gerechtgemacht ist - stets der Reinigung bedarf. Wenn aufgrund besonderer Umstände, die nicht vom Willen der Menschen abhängen, nicht alle konstitutiven Elemente des Bußsakramentes möglich sind, muß das Fehlende selbstverständlich und notwendigerweise ergänzt werden, und zwar zum Wohl des Beichtenden selbst wie auch zu dem der kirchlichen Gemeinschaft und der ganzen Gesellschaft. Zu all dem kommen aus der humanwissenschaftlichen Forschung Erfahrungen psychologischer Art. Diese zeigen ganz klar einen inneren und unlösbaren Zusammenhang zwischen der Sprache, dem inneren Denken des Menschen und dem Leben. Sie weisen hin auf die eminente Bedeutung des verbalen Ausdrucks für das bewußte, geordnete und konkrete Überdenken vergangener Handlungen, für ihre Überprüfung und Wertung, gegebenenfalls ihre Korrektur. Sie stellen auch fest, wie wichtig es ist, dem Menschen von neuem ein wirklich lohnendes Ziel vor Augen zu stellen. Daraus wird deutlich, wie sehr die vorgeschriebene Feier des Bußsakramentes und in ihrem Rahmen das persönliche Bekenntnis mit dem Priester Christi und der Kirche tiefen psychologischen Erfordernissen entspricht und beitragen kann zur Reifung, zum Seelenfrieden und zu 1553 KONGREGA TIONEN guten zwischenmenschlichen Beziehungen. Wie notwendig der mündliche Ausdruck ist, geht auch aus einer Feststellung hervor, die vielerorts gemacht wird: Es gibt Menschen, die zwar die Feier des Bußsakramentes mit dem Einzelbekenntnis aufgegeben haben, die aber ihre Seelenängste und über kurz oder lang ihre Schuld Psychologen und in maßloser Leichtgläubigkeit selbst Astrologen oder anderen auf verschiedenste Weise offenbaren. Dankbar wird der Christ, vom Glauben getragen, lesen, was dazu Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika „Redemptor hominis“ schreibt: „In den letzten Jahren ist viel unternommen worden, um - im Einklang übrigens mit der ältesten Tradition der Kirche - den gemeinschaftlichen Aspekt der Buße und vor allem des Bußsakramentes im praktischen Leben der Kirche gebührend herauszustellen. Diese Initiativen sind nützlich und werden gewiß zur Bereicherung der Bußpraxis in der Kirche von heute beitragen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß die Bekehrung ein innerer Akt von besonderer Tiefe ist, bei dem der Mensch nicht durch andere ersetzt werden kann noch sich durch die Gemeinschaft,vertreten1 lassen kann. Wenn auch die brüderliche Gemeinschaft der Gläubigen, die an der Bußfeier teilnehmen, für den Akt der persönlichen Bekehrung von großem Nutzen ist, muß sich schließlich doch der einzelne selbst in diesem Akt äußern mit der ganzen Tiefe seines Bewußtseins, in voller Einsicht seiner Schuld und mit Gottvertrauen, indem er wie der Psalmist vor Gott hintritt, um zu bekennen: ,Gegen dich habe ich gesündigt1 (Es 51,6). Die Kirche verteidigt also, indem sie die jahrhundertealte Praxis des Bußsakramentes bewahrt - die Praxis der individuellen Beichte in Verbindung mit dem persönlichen Akt der Reue und dem Vorsatz, sich zu bessern und wiedergutzumachen -, das besondere Recht der menschlichen Seele. Es ist das Recht zu einer mehr persönlichen Begegnung des Menschen mit dem gekreuzigten Christus, der verzeiht, mit Christus, der durch den Spender des Sakramentes der Versöhnung sagt: ,Deine Sünden sind dir vergeben1 (Mk 2,5), ,Geh und sündige von jetzt an nicht mehr1 (Joh 8,11). Offenkundig ist es gleichzeitig auch das Recht Christi selbst hinsichtlich eines jeden Menschen, der von ihm erlöst worden ist. Es ist das Recht, jedem von uns in jenem entscheidenden Augenblick des Lebens der Seele, nämlich dem der Bekehrung und des Verzeihens, zu begegnen.“172 Die Lossprechung mit Einzelbekenntnis kann je nach den Erfordernissen des Alters, der Seelen, der Zeit und des Ortes innerhalb der „Feier der Versöhnung für einzelne“ oder innerhalb der „Gemeinschaftlichen Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der einzelnen“ geschehen. 1554 KONGREGA TIONEN Vielerorts ist die Feier der Buße, sehr zum Schaden der Gläubigen, quantitativ und oft auch qualitativ zurückgegangen. Die Bußpraxis ist aus pastoralen Gründen im Lauf der Jahrhunderte auf sehr verschiedene Weise geregelt und angepaßt worden. Dabei sind jedoch nie die dogmatischen Elemente des Sakramentes aufgegeben worden, deren Wert, Notwendigkeit und gegenseitigen Zusammenhang die Kirche nach und nach durch ihre eigene Glaubenserfahrung und ihre Erkenntnis tiefer erfaßt hat. Von den ersten Jahrhunderten an wurde die Bußpraxis in ihren verschiedenen aufeinanderfolgenden Phasen vom Hirten der betreffenden Gemeinschaft geregelt. Denn er war es, der das Schuldbekenntnis vom gläubigen Sünder persönlich entgegennahm, ihm ein Werk der Buße, die sogenannte Genugtuung, für seine Sünde auferlegte, über die geistliche Wandlung oder den Fortschritt des Büßers wachte und ihn, wenn dieses Ziel erreicht war, mit der Kirche versöhnte. In bezug auf das Sündenverständnis ist zu bemerken, daß es in der Kirche immer das Bewußtsein von einer Verschiedenheit der Sünden gegeben hat, daß die Sünden jedoch niemals auf die Trias von Ehebruch, Glaubensabfall und Mord beschränkt waren. Das geht deutlich aus den Sündenkatalogen des Neuen Testaments hervor wie auch aus den Aufzählungen, die es von Anfang an in den Schriften der Väter gibt. Um die genannten grundlegenden Elemente der sakramentalen Buße zu bewahren und noch besser zum Ausdruck zu bringen, hält die Kirche daran fest, daß das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Lossprechung „der einzige ordentliche“ sakramentale „Weg“ ist, auf dem die Gläubigen sich mit Gott und mit sich selbst versöhnen173. Die Bischöfe der Kirche haben die Aufgabe, zusammen mit ihren Priestern und Laien sorgfältig nach den theologischen, liturgischen, pastoralen und kulturellen Gründen des Zurückgehens einer solchen Praxis zu forschen. Sie müssen sich die aus der Heiligen Schrift und der Tradition stammenden Gegebenheiten des Glaubens, die Glaubenserfahrung der Kirche vergangener Jahrhunderte, die Früchte und den Schaden, der aus der jetzigen pastoralen Praxis entstanden ist, vor Augen halten und sich mit Klugheit und angemessenem Eifer um das Wohl der Seelen sorgen. Die Generalabsolution 36. Das Bußsakrament kann mitunter aufgrund besonderer Umstände nicht mit vollständigem Bekenntnis und Lossprechung der einzelnen gefeiert werden. Das kommt vor allem vor, wenn Todesgefahr besteht und 1555 KONGREGA TIONEN die Zeit nicht reicht, daß der oder die anwesenden Priester die Beichte der einzelnen hören. In diesem Fall kann jeder Priester mehreren zusammen die Generalabsolution erteilen. Dabei soll, wenn die Zeit es erlaubt, der Generalabsolution eine kurze Ermahnung vorausgehen, damit jeder sich um einen Akt der Reue bemüht174. Vor allem in Missionsländern, aber auch an anderen Orten ist es in schwerwiegenden Notfällen erlaubt, mehreren, die nur ein allgemeines Schuldbekenntnis abgelegt haben, aber für die Buße in rechter Weise vorbereitet sind, zusammen die sakramentale Lossprechung zu erteilen. Ein solcher Notfall liegt vor, wenn angesichts der Zahl der Beichtwilligen nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen, um innerhalb einer angemessenen Zeit die Beichte der einzelnen auf rechte Weise zu hören, so daß diese - ohne ihre Schuld - die Gnade des Sakraments oder die heilige Kommunion lange entbehren müßten. Eine rechte Vorbereitung liegt vor, wenn jeder Sünder seine schweren Verfehlungen wahrhaft bereut und den Vorsatz hat, gegebenes Ärgernis sowie allenfalls zugefügten Schaden gut zu machen. Er muß sich zugleich vornehmen, zu gegebener Zeit die schweren Sünden einzeln zu beichten, die er jetzt nicht in dieser Weise bekennen kann175. Ohne eine solche Vorbereitung, die notwendig unter anderem den Vorsatz einer vollständigen Beichte einschließen muß, gibt es keine echte Umkehr und wird daher auch das Bußsakrament nicht gültig gefeiert. Diese Forderungen ergeben sich aus dem Gesamt jener Akte, aus denen das Sakrament besteht, damit Bekehrung, Versöhnung und Besserung des Sünders geschieht. Was aufgrund konkreter Umstände und unabhängig vom Willen des Menschen fehlt, muß der, der das Sakrament empfängt, nachträglich so erfüllen, wie er es sich bei der Feier der Buße mit Generalabsolution vorgenommen hat. Nur so erlangt er die volle Wirkung des Sakramentes zum eigenen Wohl und zum Wohl der Gemeinschaft. Die Kirche hilft den Gläubigen, die Bedingungen des Bußsakramentes in bezug auf schwere Sünden zu erfüllen, aber sie kann von ihnen nicht dispensieren. In den letzten Jahren haben Priester manchmal diese Tatsache nicht genügend beachtet und nicht selten außerhalb schwerwiegender Notfälle die Generalabsolution erteilt, und die Gläubigen sehen entweder nicht, daß es zur Erfüllung dessen, was bei der Feier des Sakramentes mit Generalabsolution gefehlt hatte, notwendig ist, schwere Sünden zu beichten, oder sie kommen dieser Forderung nicht immer nach. Während in schwerwiegenden Notfällen durch die Generalabsolution ein großes Gut für die Gläubigen gewahrt wird, richtet die Erteilung der 1556 KONGREGA TIONEN Generalabsolution ohne Notwendigkeit schweren Schaden an und fördert ein magisches Verständnis des Sakramentes. Nach einem sorgfältigen Studium dieser Situation werden die Hirten nach Wegen suchen, wie sie das echte Wohl der Seelen fördern können. Die Andachtsbeichte 37. Die Andachtsbeichte hat sich nach und nach aus der geschichtlichen Praxis der Privatbuße entwickelt. Seit dem 13. Jahrhundert wurde sie in gleichbleibender Weise häufig praktiziert. Im 16. Jahrhundert hat die Kirche erklärt, sie sei nicht notwendig, da man läßliche Sünden „auch ohne Schuld verschweigen und mit vielen anderen Heilmitteln sühnen kann“176, sie sei aber erlaubt und nützlich. Es handelt sich um eine echte, sakramentale Feier des Paschamysteriums, das die Quelle der Versöhnung und des Lebens für die ganze Kirche und ihre einzelnen Glieder ist. Die häufige Feier ist sehr nützlich: — zur Vergebung läßlicher Sünden, die zwar die Gemeinschaft der Liebe mit Gott und den Brüdern nicht zerstören, weil sich in ihnen der Mensch nicht formal gegen Gott stellt, die aber doch eine ungeordnete Einstellung gegenüber Gott zur Folge haben; — um die Wurzeln der Sünden auszureißen und ungeordnete Neigungen in die richtigen Bahnen zu lenken; — zur Fortsetzung der ersten Bekehrung; — um das in der Taufe empfangene Leben zu vervollkommnen und zu vermehren; — damit wir tiefer Christus gleichförmig werden und Jesu Todesleiden immer an unserem Leib tragen, damit sein Leben an unserem Leib mehr und mehr sichtbar wird177; — um die Stimme des Heiligen Geistes aufmerksamer zu hören und seiner Führung in größerer Freiheit und Treue zu folgen; gerade auch durch die Hilfe des Priesters, der anstelle Christi, des guten Hirten, des Lehrers und Arztes der Seele, handelt; — um standhafter und einzig aus Liebe Gott und den Brüdern zu dienen. Tatsächlich hat diese Praxis durch viele Jahrhunderte hindurch reiche Früchte der Heiligkeit gebracht, und daher hat die Kirche sie auch in jüngster Zeit empfohlen178. Falsche Frömmigkeit, Skrupulosität und eine gleichsam mechanische Gewohnheit in bezug auf die Andachtsbeichte haben bei gewissen Gläubigen nicht die Häufigkeit der Feier der Buße zur Ursache, sondern eine zu 1557 KONGREGA TIONEN geringe Teilnahme an ihr. Die richtige Art der Feier kann durch entsprechende Unterweisung, durch Schriftlesung, durch eine klare und ständig wachsende Erfahrung des Pascha-Mysteriums und durch die Einbindung in das persönliche, kirchliche und gesellschaftliche Leben gefördert werden. Auch bei der Andachtsbeichte verkündet und verwirklicht die Kirche durch ihre einzelnen Glieder die Versöhnung, die Christus vollzogen hat, „dankt Gott für die in Christus geschenkte Freiheit und bringt sich zum Lob der Herrlichkeit Gottes als geistliches Opfer dar, indem sie Christus entgegengeht. “179 Erstbeichte vor der Erstkommunion 38. Seit Jahrhunderten gilt in der Kirche die Praxis, daß Kinder vor der Erstkommunion zur Feier des Bußsakramentes zugelassen werden. Dieser Brauch verhilft den Kindern zu einer schrittweisen, persönlichen Glaubenserfahrung, wenn sie in das Alter der Unterscheidung gekommen sind. Sie trägt dazu bei, in ihnen ein Bewußtsein für das sittlich Gute und Böse zu wecken und sie durch vollere Erkenntnis, Reife und Heiligkeit auf eine glückliche Begegnung mit Christus in der Eucharistie vorzubereiten. Auch Kinder können schon sündigen. Die tiefe Überzeugung von der Notwendigkeit, sich für einen würdigen Empfang der Eucharistie so gut wie möglich rein zu machen, wird, wenn sie schon von der Erstkommunion an klug und kindgemäß vermittelt wird, die Kinder sicher durch ihr ganzes Leben begleiten und zu einer viel höheren Wertschätzung und zu einer häufigeren Feier des Sakramentes der Versöhnung beitragen. Darum muß im frühen Alter die Bußerziehung beginnen, die später eine festere und bewußtere Grundlage für einen lebendigen Glauben ergibt, und zwar einmal dadurch', daß die Kinder das Sakrament empfangen, vor allem aber dadurch, daß sie ihr Leben als Christen richtig ordnen. Das Kind hat ein Recht darauf, alle diese Wohltaten im Bußsakrament rechtzeitig zu empfangen, während die kirchliche Gemeinschaft das Recht und die Pflicht hat, sie zu gewähren, um so mehr, wenn die Eltern nicht wollen, daß die Kinder vor der Erstkommunion das Bußsakrament empfangen. Der Zutritt zum Bußsakrament schon vom Beginn des Alters der Unterscheidung an verletzt die Seele der Kinder an sich nicht, wenn ihm, wie es gebührt, eine gütige und kluge katechetische Vorbereitung vorausgeht. In der Fortführung der katechetischen Unterweisung auch nach der Erstkommunion könnte aber der Geist der Buße weiter entwickelt werden, 1558 KONGREGA TIONEN und ebenso könnten die Kinder das große Geschenk noch mehr kennen und schätzen lernen, das Christus den sündigen Menschen im Sakrament der Vergebung, die sie empfangen können, und der Versöhnung mit der Kirche gemacht hat180. Dennoch bleibt die praktische Frage nach den Mitteln, mit denen Eltern, Priester und die ganze christliche Gemeinschaft den Kindern, die vor der Erstkommunion zum Bußsakrament zugelassen werden, zu einer immer tieferen Erkenntnis und Erfahrung des Pascha-Mysteriums helfen können, so daß sie Christus mehr und mehr gleichförmig werden und Zeugnis für ihn ablegen können. III. Das Zeugnis eines versöhnten Lebens und die Förderung der Versöhnung in verschiedenen persönlichen und sozialen Verhältnissen Durch Umkehr des Herzens und Buße, vor allem durch die sakramentale Buße, bekämpft der Christ die Wurzel des sittlich Bösen und der Spaltungen und tut etwas für die Erneuerung und Versöhnung in Gesellschaft und Welt. Einen weiteren Beitrag dazu leistet er durch das Zeugnis seines Lebens und durch die oft mühsame und schrittweise Förderung der Versöhnung. 1. Das Zeugnis eines versöhnten Lebens Die neue Schöpfung 39. Die Furcht der Versöhnung ist das Gnadenleben, das in der Taufe empfangen oder im Bußsakrament von neuem empfangen oder vermehrt wird. Der Christ wird erstmals oder von neuem durch die Gabe Christi und der Kirche eine „neue Schöpfung“181. Durch die Einwohnung des Heiligen Geistes wird er Christus gleichförmig. So wird er fähig, mit Hilfe des Geschenkes der Gnade und der Tugenden, vor allem der Liebe zum Vater und der Nächstenliebe, sein Leben nach dem Evangelium auszurichten. Denn in dieser Liebe öffnet sich der Christ völlig dem Wirken Gottes und gibt sich ganz Gott als seinem Vater und den anderen Menschen als seinen Brüdern hin. Er vereinigt sich aber auch mit der ganzen Schöpfung, die in Christus als ihrem Haupt erneuert werden wird. Das Sakrament der Versöhnung gewährt darüber hinaus eine besondere 1559 KON GREGA TIONEN Gnade, die den Sünder mit Christus vereinigt im Kampf gegen die Sünde und im Gehorsam gegenüber dem Vater, dem zuliebe Christus am Kreuz sein Leben für das Heil der Menschen hingegeben hat. So ist das ganze Leben des Christen, der Sünder und Büßer zugleich ist, nach der Versöhnung mit Gott und der Kirche gekennzeichnet durch fortwährende Buße: „Die Bekehrung setzt sich fort in einem nach dem Evangelium Christi erneuerten und von immer größerer Liebe erfüllten Leben und findet darin ihren Ausdruck: denn ,die Liebe deckt viele Sünden zu‘ (1 Petr 4,8).“182 Die fortwährende Buße ist vor allem eine Geisteshaltung; als solche wächst und entfaltet sie sich durch andauernde Büßfertigkeit des Herzens. Ihre Echtheit und Tiefe drängen den Christen, in einem wahrhaft christlichen Leben nicht nur im persönlichen Bereich, sondern auch in den Belangen der Kirche und der Gesellschaft Buße zu verwirklichen. So bringt er „würdige Früchte der Buße“. Die Gnade als Ursprung des Handelns 40. Das in der Versöhnung empfangene Gnadenleben ist einerseits ein Geschenk, das die erbarmende Liebe Gottes in Christus gewährt, und andererseits ein Ursprung, aus dem der Christ sein ganz neues Sein und neue Kraft zum Handeln schöpft. Darum erhält der Christ durch Taufe und Versöhnung die Gabe und die Pflicht, ein Leben in Buße und Freude zugleich zu führen. Durch diese Geschenke begreift er im Glauben von Tag zu Tag mehr seine vollkommene Abhängigkeit von Gott, der heilig, gerecht und barmherzig ist, und legt als Sohn in dankbarer Liebe ein Bekenntnis dafür ab. Er empfängt auch Demut, die ihn zum Handeln ermutigt, und er nimmt darum echtes Fasten auf sich, das aus seinem ganzen Leben das Böse verbannt. Er läßt sich ein auf eine geistliche Zucht, die das ganze Leben im Geist der Seligpreisungen versteht und diese zur Regel nimmt. Zu einem Leben im Geist der Buße gehören auch: die Armut (die nicht nur im Verzicht auf äußere Güter, sondern auch und noch mehr in einem einfachen und strengen Leben besteht), die Milde, der Wille zu Frieden und Versöhnung. Mit allen diesen Eigenschaften sind bestimmte Werke verbunden. Davon schreibt die Kirche wenigstens ein Mindestmaß als verpflichtend vor (z. B. Freitagsfasten, Einhalten der Fastenzeit usw.), für das Tun des einzelnen und der Kirche aber gibt es viele weitere Möglichkeiten, den radikalen Forderungen des Evangeliums gemäß zu handeln. 1560 KONGREGATIONEN 2. Förderung der Versöhnung in verschiedenen persönlichen und sozialen Verhältnissen 1. Unterweisung über Versöhnung und Buße 4L In fast allen Teilen der Erde stehen heute die Christen inmitten einer profanen Welt, deren Leben und Denken das Evangelium nicht: kennen und manchmal im Gegensatz dazu stehen: Materialismus, Hedonismus, Permissivität, Konsumsucht und Ungerechtigkeit gegenüber den Armen widersprechen den Seligpreisungen durch und durch. Darum bedürfen junge Menschen wie Erwachsene dringend einer ständigen Bildung, damit sie die auf Versöhnung und Buße ausgerichteten Überzeugungen und Lebenshaltungen einer christlichen Existenz annehmen und besser verstehen. Darum werden im folgenden einige Punkte genannt, die weiter zu entwickeln und zu vervollständigen sind. Bewußtsein von der Versöhnung. - Es geht darum, in methodisch geeigneter Weise und biblisch begründet über die Botschaft Christi und die Lehre der Kirche von der Versöhnung zu unterrichten, d. h. darüber, was aus der Heiligen Schrift ganz allgemein und aus der Verkündigung Christi im besonderen hervorgeht und was die Kirche dazu sagt. In jüngster Zeit haben die Dokumente Pauls VI. für das Heilige Jahr 1975 und die Studien der früheren Synoden dem christlichen Volk schon Vieles dazu gesagt. Studien und andere Bemühungen in diesem Jahr 1983 werden weiteres dazu beitragen. Dabei bleibt allerdings die Aufgabe bestehen; diese Ideen unmittelbar in die ganze katechetische Arbeit einzubringen, so- daß sich alle Gläubigen des Volkes Gottes zu eigen machen können, was Gott für sie und zusammen mit ihnen inr Volk der Versöhnung bedeutet, und was es um den Menschen ist, der, schon auf dem Weg der Versöhnung, im Zusammenwirken mit Gott und anderen Menschen die volle Versöhnung sucht. Ohne anfanghafte Umkehr und ohne ihre tägliche Erneuerung gibt es keine Versöhnung. Bußgesinnung. — Tägliche Umkehr ist ohne Buße nicht möglich. Darum mahnt uns der Geist Gottes täglich, uns nicht von Götzen verführen zu lassen,, um die „Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und das Prahlen mit dem Besitz“183 zu überwinden. Unter kluger Berücksichtigung von Geschlecht, Alter, Beruf und Tätigkeit, gewerkschaftlichen oder politischen Ämtern sowie kirchlichen Diensten müssen wir gegen Trägheit 1561 KONGREGA TIONEN und Nachlässigkeit184 eine brauchbare Unterweisung bieten, „die den Grund legt mit der Belehrung über die Abkehr von toten Werken, über den Glauben an Gott“185. Diese Unterweisung ist ganz konkrete Erziehung zur Buße als einem Sakrament der Umkehr und der Vergebung und zur Buße als einer Lebensweise, die dem Sakrament und dem Ruf zur Heiligkeit in der Taufe entspricht. Umfeld dieser Unterweisung. - In allen Abschnitten dieser Unterweisung muß die grundlegende Wahrheit zum Ausdruck kommen: Ohne Bekehrung zu Christus im Geist der Demut und mit zerknirschtem Herzen kann der Mensch die schwerwiegenden Probleme seiner Existenz nicht lösen und die Hindernisse, die sich der Kraft eines versöhnten Lebens entgegenstellen, nicht überwinden. Eine wirksame Unterweisung dieser Art muß die Zusammenhänge aufzeigen, die zwischen der Sünde einerseits und den Spaltungen und Existenzängsten andererseits bestehen. Ebenso muß sie deutlich machen, auf welche Weise uns Gott durch die Gnade in Stand setzt, vor allem in den im folgenden genannten Bereichen zu einer wirksamen Versöhnung beizutragen. Persönliche Existenz. - Für den Kampf zwischen dem Trachten des Fleisches, das zum Tode führt, und dem Trachten des Geistes, das zu Leben und Frieden führt186, zeigt die Unterweisung von der Versöhnung Wege auf, durch die der Gott des Friedens den Menschen ganz und gar heiligt, da er den Menschen, seinen Geist, seine Seele und seinen Leib unversehrt bewahrt, damit er ohne Tadel sei187. Der Weg der Versöhnung ist in diesem Fall auch der Weg der Kraft und der Mäßigkeit. Familienleben. - Durch den Empfang der Gnade der Versöhnung bewegt können alle Gläubigen in ihrer Familie in Liebe dem guten Einvernehmen und der Eintracht dienen. Denn die Familiengemeinschaft ist ein Ort täglichen Vergebens. In ihr sind die engen Bande ständig Verletzungen durch Zorn, Ungeduld, Mißtrauen und allgemeine Schwachheit ausgesetzt. Darum wird der, der in den kleinen Dingen der Versöhnung die Treue wahrt, in seinen bescheidenen Verhältnissen zugleich dem großen Gut einer ganz an ihre Aufgaben in der Gesellschaft dieser Zeit hingegebenen, wahrhaft christlichen Familie treu sein188. Gesellschaft. - Hier stellt sich der Katechese die weitere Aufgabe, deutlich zu machen, auf welche Weise und mit welchen Mitteln sich der von Christus geheilte Mensch mit aller Kraft dafür einsetzen kann, daß das, 1562 KON GREGA TIONEN „was im Menschen am Menschlichsten ist“, geheilt und gepflegt wird. Wo in der Gesellschaft die Menschenwürde mißachtet wird, z. B. aufgrund von Rassismus, Rassentrennung, ideologischen Konflikten, Verletzungen des Eigentums, Folterungen und willkürlichen Verhaftungen, muß der Jünger Christi sich mit allen Mitteln als „Friedensstifter, als Baumeister der Liebe“ erweisen. Vor allem in der Arbeitswelt fehlt es nicht an Konflikten, deren Lösung vor allem im Geist der Versöhnung und in der Bekehrung der Herzen zu suchen ist189. Weg und Mittel der Versöhnung. — Die Unterweisung über Versöhnung muß für die ganze Kirche wie für die Ortsgemeinden gefördert werden. Sie muß jederzeit zeigen, wie Spaltungen und Spannungen eine Umkehr des Herzens notwendig machen und auf welche Weise lebendige Gemeinschaften ihre Glieder zur Zusammenarbeit im Bemühen um Versöhnung bewegen können. Unter dieser Rücksicht bietet die Synode eine außerordentliche Gelegenheit zum Austausch von Erkenntnissen, Erfahrungen, Bitten, Vorsätzen und Plänen. Sie ist eine wirküch hervorragende Zeit, um vor allem innerhalb der Kirche selbst gründlich das Gespräch zu pflegen, um anschließend mit der Welt in einen echten Dialog des Heils zu kommen190. Ein paar Beispiele können dies verdeutlichen. Es gibt bereits eine außergewöhnliche geistige Offenheit und mancherorts auch ein deutliches Signal für ein Zusammenkommen und ein Gespräch zwischen den benachbarten Gemeinschaften, die sonst durch Unterschiede in der Rasse, in der Sprache oder in den Sitten getrennt sind oder die zumindest miteinander nicht im Gespräch stehen. Religiöse Gemeinschaften, deren Mitglieder auf der ganzen Welt die gleiche Spiritualität leben, können ein Beispiel und ein Ansporn für brüderliches Zusammenleben sein. Ein ganz wichtiges Mittel zur Verbreitung des Gedankens der Versöhnung liegt in den sozialen Kommunikationsmitteln, die heute gleichsam das Nervensystem der ganzen Menschheit sind. Das Motto für den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel für das Jahr 1983 zeigt beispielhaft, wie ein mit der kommenden Synode zusammenhängendes Thema unter das Volk gebracht wird. Verschiedene Formen der Buße. - Bußkatechese ist heute um so mehr notwendig, als das Verständnis für den Bußcharakter von Gebet, Fasten, Almosen, Werken der Barmherzigkeit und aszetischen Übungen mitunter verlorengegangen ist oder stark abgenommen hat. Manchmal stellt hier die Lebensweise von Nichtchristen Fragen an uns. Es müssen auch die konkreten Elemente der Bußunterweisung wieder in 1563 KONG REGA TIONEN Erinnerung gerufen und, unter Berücksichtigung der Eigenart der verschiedenen Nationen und Menschen, der Wert von Kreuz und Opfer für den einzelnen wie für die Gemeinschaft in angemessener Weise deutlich gemacht werden. Mit großem Nachdruck muß das Verlangen nach dem Empfang des Bußsakramentes und nach einem wirklich maßvollen Leben geweckt werden. Z. B. muß mit aller Klarheit gesagt werden, daß es absolut untragbar und mit der Würde des Menschen und des Christen unvereinbar ist, daß wesentliche Güter des Lebens maßlos vernichtet werden, während viele Arme nicht einmal das zum Leben Notwendigste haben. Das Antlitz Christi finden wir nur im Antlitz der Armen und Verfolgten. Nur so werden wir zum Sinn des Kreuzes Vordringen, denn der Weg der Liebe zur Vereinigung der Brüder ist der Weg des Kreuzes. Die Liebe zum Kreuz läßt uns auch die Gebote Christi erkennen und heben: die Demut, die Selbstbeherrschung, die Beherrschung der Leidenschaften, die erlösende Liebe, die Weihe zum Dienst am Reich Gottes, die eheliche oder jungfräuliche Keuschheit. Zur Bußunterweisung gehören auch: die Wahl der Mittel selbst bei kleinen und bescheidenen Dingen, die Organisation geistlicher Zusammenkünfte und von Exerzitien, die Schaffung entsprechender Bedingungen zur Erleichterung des häufigen Empfangs des Bußsakramentes, die Verkündigung bei Pilgerfahrten, eine entsprechende Feier der Liturgie und der Homilie, die Praxis der täglichen und nächtlichen Anbetung, der Geist des Gebetes, nicht zuletzt die Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu oder der Kreuzweg und anderes dieser Art. 2. Aufgaben im Volk Gottes beim Dienst der Versöhnung und der Buße 42. Die vielen und mit Recht verschiedenen kirchlichen Gemeinschaften bedürfen bei ihrem Beitrag zum gemeinsamen Werk der Versöhnung und der Buße der Unterstützung. Mit größter Liebe und zugleich mit Festigkeit muß man brüderlich helfen, jene Vereinigungen und Gemeinschaften zur rechten Ordnung zurückzurufen, die von den gewohnten Wegen der Kirche abgeirrt sind - vielleicht weil sie zuwenig Kraft hatten, um mit den äußeren Umständen und Einflüssen fertig zu werden - und die darum eine gewisse Nachsicht verdienen. Ebenso ist dort alle Mühe aufzuwenden, wo die Praxis der sakramentalen Versöhnung außer Übung gekommen ist oder auch wo unrechtmäßig mißbräuchliche Gewohnheiten bei der Verwaltung des 1564 KONGREG.A TIONEN Bußsakramentes eingeführt wurden. Möchten sich doch diese Gemeinschaften anläßlich der Synode demütig prüfen und sehen, ob ihre Praxis wirklich dem Evangelium entspricht, und nicht davor zurückschrecken, nötigenfalls ihre Gewohnheit zum Besseren zu ändern. Die Familie ist, wie die Synode von 1980 gezeigt hat, die erste Zelle, wo durch gegenseitige Erziehung die christliche Existenz in Liebe aufgebaut wird. Das Vorbild der Eltern und ihre Erziehung sind von größter Bedeutung. Die Kinder aber können ihrerseits als Zeugen des Evangeliums bei ihren Eltern sehr viel tun. Sie können beispielsweise ihren eigenen Eltern eine Stütze sein schon allein durch ihr Dasein und wegen der verbindenden Kraft der Liebe, wenn es nach einem Streit der Liebe bedarf. Es muß auch die Rede sein von der Einzigartigkeit, die die Familie ihrem Leben verleiht durch einen Lebensstil, der zwar unserer Zeit entspricht, der aber geprägt ist von Armut, Barmherzigkeit und Güte. Gemeinsames Gebet und lebendige Familiengottesdienste scheinen mit ihrer einfachen Sprache ein gutes Mittel dazu zu sein, daß im Familienleben das Evangelium von der Versöhnung auch in Feiern zur Geltung kommt und daß damit die gegenseitige Vergebung gefördert und in täglichen Werken der Buße und in einem echten Gespräch zwischen den Generationen geübt wird. Gruppen und Vereinigungen, die sich im Namen Jesu Christi zusammenfinden, erfüllen für ihren Teil eine weitere Aufgabe: Der Zusammenschluß verleiht dem einzelnen mehr Kraft. Diese Vereinigungen sollen es zulassen, daß ihre Mitglieder im Bemühen um redliche Beziehungen untereinander und im Streben nach einem ganz den Forderungen des Evangeliums geweihten Leben häufiger die liturgische und sakramentale Versöhnung suchen. Eigens zu erwähnen sind die Jugendgruppen, weil sie in den jungen Menschen den Geist der Versöhnung fördern und sie zu einem Leben nach dem Evangelium erziehen können. Religiöse Gemeinschaften kommen ihrem Ruf in der Kirche gemäß ihren verschiedenen kanonischen Konstitutionen nur nach, wenn ihre Glieder feststehen im Gebet, in der Aszese und in der sakramentalen Versöhnung. Zu ihrer Aufgabe gehört es auch, ohne Unterlaß für die Versöhnung in Kirche und Welt einzutreten. Die Pfarrgemeinden sind ein ganz besonderer Ort der Versöhnung, da sie bedingungslos alle Getauften an Christi Tisch aufnehmen müssen. Sie 1565 KONGREGA TIONEN müssen für die Integration aller von der heutigen Gesellschaft Ausgestoßenen in der Kirche sorgen und ihnen behilflich sein, ihre christliche Identiät wiederzuerlangen. Da sich die Gläubigen für gewöhnüch zur Feier der Sakramente an die Pfarreien wenden, ist es deren Sache, Beichtwillige brüderlich aufzunehmen. Auch müssen sie die Haltung der Buße pflegen und in jedem christlichen Werk zum Ausdruck bringen. Wenn eine Pfarrei, sei sie klein oder groß, den Gläubigen nicht in geeigneter Weise die Möglichkeit zum Empfang des Bußsakramentes gibt, vernachlässigt sie damit einen Dienst, zu dem sie streng verpflichtet ist. In Pfarreien, kirchlichen Schulen, Erziehungsstätten und Jugendseelsorgestellen müssen die verantwortlichen Seelsorger dem Dienst des „Katechisten“ Aufmerksamkeit schenken. Wo die Zahl der Priester gering ist, vor allem in Missionsgebieten, haben die „Katechisten“ aufgrund ihrer Verantwortung das Recht auf eine sorgfältige Ausbildung sowie die Pflicht, sich um diese Aufgaben zu kümmern191. Die Kirche hat die große Aufgabe, die Katechumenen auf die Taufe als das erste und grundlegende Sakrament der Versöhnung vorzubereiten und sie in die Praxis eines versöhnten Lebens ganz einzuführen, in der dann die Früchte des Geistes wachsen können. Die Diözesen: Die Aufgabe der Bischöfe in den Diözesen in bezug auf den Dienst der Versöhnung und der Buße hat das Zweite Vatikanische Konzil so ausgedrückt: (Lumen gentium, Nr. 26): Die Bischöfe „regeln die Bußdisziplin“. Sie üben bei diesem Dienst als Hirten das „Priesteramt der Kirche“ aus, indem sie durch die Taufe dem Leib Christi neue Glieder einfügen, durch den Dienst der Vergebung Sünden vergeben und täglich das eucharistische Opfer „zur Vergebung der Sünden“ darbringen. Gleichzeitig sind sie an erster Stelle in das prophetische Amt eingesetzt, die frohe Botschaft von der Versöhnung zu verkünden. Um diese Aufgabe wahrzunehmen, erwählt der Bischof als weise Mitarbeiter am bischöflichen Amt Priester. Weise, das heißt kluge, gläubige, verständige, gewissenhafte Mitarbeiter. Das Amt dieser Mitarbeiter ist etwas Grundlegendes. Der bedauerliche Priestermangel in vielen Ländern läßt heute spüren, wieviel Gutes Gott seinem Volk tut, wenn er aus ihm Priesterberufe nach seinem Herzen weckt: Diener der Sakramente der Versöhnung, Lehrer des christlichen Volkes, getragen vom Geist der Buße, Baumeister der Einheit im Leib Christi und Träger der kirchlichen Einheit um den Bischof. Sie geben sich ohne jeden Vorbehalt hin - und das müssen sie auch - als Knechte der Versöhnung mit allen oben genannten Aufgaben und Pflichten. Es sei erinnert an berühmte Beispiele von Priestern, die 1566 KONGREGATIONEN sich ganz dem Dienst des Bußsakramentes geweiht haben, und vor allem an Heilige wie Johannes Nepomuk, Alfons Maria Liguori, Leonardus a Portu Mauritio, Johannes Maria Vianney, Joseph Cafasso und B. Leopol-dus Castelnuovo. Vor allem in einer Zeit der Schwierigkeiten und tiefgreifender sozialer und kultureller Wandlungen hat das eigene vorbildliche Leben großen Einfluß darauf, wie die Priester ihren Dienst der Versöhnung und der Buße ausüben. Stellungnahmen aus allen Teilen der Welt zeigen deutlich: Wo das Volk wegen Uneinigkeiten oder aus anderen Gründen ein eher dunkles Bild vom Klerus hat, dort erscheint auch sein Vertrauen in die Praxis des Bußsakramentes geschwächt. Unter dieser Rücksicht erwarten die Priester mit Recht von ihren Bischöfen Hilfen und Mittel zu einer geeigneten Weiterbildung und zu einer wohlgeordneten Pastoral. Außerdem ist die Einheit des Presbyteriums mit dem Bischof in der Ortskirche eine unabdingbare Voraussetzung für eine echte Sorge um den Vollzug der Versöhnung. 3. Die Ausbildung der Diener und Helfer der seelsorglichen Bemühungen um Versöhnung und Buße 43. Die Ausbildung der Priester. - Die Bischöfe (und die Ordensoberen, zu deren Pflichten dies gehört) sind vor allen anderen gehalten, für die Bildung der Priester zu sorgen, sowohl im Rahmen der ersten Ausbildung im Seminar, im Noviziat, im Scholastikat, an Theologischen Fakultäten oder Universitäten als auch im Rahmen einer ständigen Weiterbildung in den Jahren des Dienstes. So haben z. B. viele Schwierigkeiten im Umgang mit der neuen „Feier der Buße“. Diese „Feier“ kann nur dann voll zur Geltung kommen, wenn die vorhandene große Neigung zum Beichtgespräch und der selbstverständliche Umgang mit der Heiligen Schrift fruchtbar gemacht werden. Von daher, aber auch ganz allgemein im Blick auf den ganzen priesterlichen Dienst, sind alle Elemente der Priesterbildung gründüch zu überdenken: das Wissen in Fragen der Moraltheologie und der geistlichen Theologie, die Praxis der Seelenführung, ausreichende Kenntnisse der Psychologie und, im weiteren Umkreis, das persönliche Gleichgewicht, das sich vor allem in den Mühsalen des Lebens bestätigen und bewähren muß. Daher sollen die Priester regelmäßig Gelegenheit haben, ihr theologisches Wissen auf den neuesten Stand zu bringen und sich als Beichtväter und Erzieher nach dem Geist der Buße auszurichten. 1567 KONGREGA TIONEN Die Bischöfe selbst werden angesichts der schnellen Veränderungen in unserer Zeit, angesichts der Fortschritte in der Wissenschaft, aufgrund der Notwendigkeit von Entscheidungen und Antworten zu neuen Problemen mit Gewinn an Sitzungen und Studientagungen vor allem zu Fragen unserer Zeit teilnehmen. Die Theologen sind gerufen, mit ihrer Lehre und Kompetenz ihren Beitrag zur Erfüllung der genannten Aufgaben zu leisten. Aus dem gemeinsamen Erbe sollen sie Altes und Neues hervorholen, damit man im Licht Christi auf neue Fragen antworten kann und damit die überlieferten Wahrheiten neu überdacht werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen sicheren Wahrheiten und dem, was lediglich auf Meinungen und Auseinandersetzungen zwischen Fachleuten beruht192. Für die Fragen der Versöhnung und der Buße bleibt gültig, was Paul VI. in bezug auf die Verkündigung angeordnet hat: Man soll sich der Sprache, der Zeichen und Symbole des Volkes bedienen, an das sich die Verkündigung richtet, so daß auf seine Fragen eingegangen wird und sein konkretes Leben berührt ist; man soll übertragen, aber nicht zerstören, anpassen, aber nicht die Einheit opfern, ohne die es keine Universalität mehr gibt193. 4. Versöhnung als Dienst an der Gerechtigkeit und am Frieden 44. Die Dankbarkeit gegenüber Gott für die empfangene Versöhnung und das treue Bewahren dieses Geschenkes läßt die Christen zu Zeugen der Versöhnung werden, die diese in ihrem Lebensraum an andere weitergeben. So strömt aus der Versöhnung mit Gott Versöhnung unter den Brüdern sowohl innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft wie auch innerhalb der Menschheit. Der Versöhnung ist ein Gnadengeschenk Gottes, zugleich aber müssen die Christen der Welt gegenüber ihr Mittler sein. Die Welt, d. h. alle Länder und alle Gemeinschaften, in denen Christen einzeln oder in Gemeinschaften leben, leidet bis heute an Spannungen und Spaltungen. Dieser Zustand der Welt verpflichtet alle, welche die Gnade der Versöhnung von Gott empfangen haben, sich mit aller Kraft um eine entsprechende Bewußtseinsbildung zu bemühen: „So schaffen sie, durch die Gnade Christi befreit, gemeinsam mit allen Menschen guten Willens in dieser Welt Gerechtigkeit und Frieden.“194 ökumenismus. - Gott, der die Welt in Christus Jesus mit sich versöhnen will, kennt in seiner Liebe keine Grenzen. Er mahnt, Streit und Spaltungen zu schlichten und Rivalitäten abzubauen. 1568 KONGREGA TIONEN Dafür bedarf es dringend der Geduld und Ausdauer, jedoch dürfen Schritte, die schon heute geschehen können, nicht auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben werden. Unter dieser Rücksicht müssen wir den Ernst der Spaltung, die ohne Zweifel eine Frucht der Sünde ist, zur Kenntnis nehmen. Wer Christus in seiner ganzen Wahrheit finden will, muß sich durch Buße bereit machen, die Einheit unter den getrennten Jüngern wiederherzustellen. Die innere Reinigung läßt alle, die am ökumenischen Gespräch teilnehmen, so nach der Einheit streben, wie Gott sie will und wann er sie will. Wenn sich beide Seiten der Reinigung von allem Sauerteig der Spaltung in ihrem Inneren durch Gott nicht verschließen, werden wir von sozialen, politischen und kulturellen Elementen der Zwietracht, die nur Schlacken der Geschichte sind und bis heute den Weg zur christlichen Einheit schwer behindern, schneller frei werden. Versöhnung mit Nichtchristen und Nichtgläubigen. - Das Erbarmen Gottes steht in Jesus Christus allen Menschen offen. Durch den geliebten Sohn „haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater.“195 Der Geist der Versöhnung aller läßt darum die katholische Kirche keinen von all den Menschen abweisen, die — sei es durch eine nichtchristliche Religion oder außerhalb jeder Religion - von weitem darauf hingeordnet sind, den Leib Christi zu bilden. Unter dieser Rücksicht ist zu wünschen, daß die besonderen kirchlichen Verhältnisse in Gebieten, wo die Katholiken eine Minderheit bilden und tagtäglich mit Anhängern anderer Religionen Zusammenleben, in den anderen Gebieten besser bekannt werden. Denn gerade dort macht man in besonderer Weise die Erfahrung, daß Strenge in der Praxis der Buße und des aszetischen Lebens wie auch in Formen traditioneller Weisheit und Meditation sowie in der Unterwerfung unter Gott und seine erbarmende Vorsehung auch im Hinblick auf den Sieg über alle Ängste und auf die Begegnung mit dem Tod für alle fruchtbar ist. Ferner dient es der Versöhnung, überall auf der Welt den Samen des Wortes zu erkennen und zu würdigen und in Jesus Christus die Ansätze für das Evangelium, die der Geist der Liebe freigebig über die Erde ausgegossen hat, zur vollen Reife zu bringen. Denn aus der Ganzhingabe des Herzens an Christus geht durch täglich neue Umkehr die geistliche Unterscheidungsfähigkeit hervor, die man braucht, um das in anderen Religionen vorhandene Gute aufzunehmen, zu vollenden und zu reinigen, um „in Christus alles zu vereinen, alles was im Himmel und auf Erden ist.“196 1569 KON GREGA TIONEN Die Pflicht der Kirche, sich in der heutigen Welt um Versöhnung zu mühen. Durch Christus im innersten Wesen neu geworden und von der Knechtschaft falscher Götter, des Reichtums, der Machtgier und der Lust befreit wird der Mensch zum „Bruder aller“, zum Gefährten aller Menschen guten Willens überall auf der Welt und in allen Verhältnissen, wo es um Gerechtigkeit und Frieden geht. Dieser Pflicht kann sich der Christ nicht entziehen; sonst würde er preisgeben und verraten, was Christus von ihm erwartet. Angesichts der ökonomischen, kulturellen und politischen Probleme früher unbekannten Ausmaßes hängt die Zukunft aller, ja sogar das Überleben heute von einer allgemeinen Einigung ab. Auf diesem Gebiet stimmen Evangelium und Geschichte in einer Weise und in einem Umfang miteinander überein wie nie zuvor. Für das Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden gibt es zahllose Gelegenheiten, die man nicht alle nennen kann. Jedoch ist es von größter Bedeutung, daß sich jeder einzelne Christ bewußt ist, daß jede tiefe Erneuerung mit einer Umkehr des Herzens beginnt, durch die jeder für seinen Teil einen Anfang zur Versöhnung in der Gemeinschaft macht. Eine Situation darf jedoch nicht verschwiegen werden. Leider gibt es Länder, in denen es Christen als Unterdrücker und als Unterdrückte gibt. Dort müssen christliche Gemeinschaften Wege zum Frieden Christi suchen, damit das Ärgernis der Ungerechtigkeit und der Gewalt beseitigt wird und die Unterdrücker von heute und die Unterdrückten von heute versöhnt als Brüder zum Tisch der Eucharistie hintreten können. Unter anderem entsprechen ökologische Studien in besonderer Weise der christlichen Offenbarung: Für die Menschen gibt es keine Versöhnung untereinander ohne Versöhnung in einem allgemeinen Sinn mit der ganzen Natur. Das ist sicher ein Zeichen für den unverfälschten Willen des Schöpfers: „Den Menschen hast du nach deinem Willen geschaffen und ihm die Sorge für die ganze Welt anvertraut. Über alle Geschöpfe sollte er herrschen und allein dir, seinem Schöpfer, dienen.“197 Das Vorbild des heiligen Franz von Assisi gilt auch heute. Versöhnung und Friede - Der Friede unserer Welt ist zerbrechlich, erbitterte Kämpfe an einzelnen Orten gefährden ihn. Der Umfang der Vernichtung, die ein Atomkrieg mit sich brächte, ist schrecklich. Der messianische Friede ist ein anderes Wort für Versöhnung. „Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile.“198 Darum muß unser beharrlisches Gebet die Vorbereitung, die Feier und die Ergebnisse der Synode begleiten. Wir müssen Gott um den Frieden anflehen, den die Welt nicht geben kann. Aber das Gebet ist sinnlos, ja 1570 KONGREGA TIONEN Heuchelei, ohne die Bekehrung des Herzens im Geist der Seligpreisungen: „Selig, die Frieden stiften . . „Das Werk des Friedens beginnt damit, daß wir uns dem eindringlichen Ruf Christi öffnen: „Kehrt um, und glaubt an das Evangelium.“199 Dieses Wort enthält für die Arbeit der Synode die Mahnung, den Christen auf geeignete Weise bewußt zu machen, daß sie in ihrem Herzen umkehren und Buße tun müssen. Dadurch soll aus ihrem Herzen der Sauerteig des Hasses und der Gewalt, der zu Kriegen reizt, ausgerissen und in ihnen neu das Feuer des Geistes entflammt werden, damit die Jünger Jesu als „standhaft im Glauben und tätig in den Werken“200 erfunden werden. Schluß 45. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend soll sich die Kirche durch die Feier der Erlösung im Heiligen Jahr innerlich erneuern. Indem sie sich durch Buße um Versöhnung und Frieden müht, leistet die Kirche ihren Dienst an der Menschheit, da sie ihr die verheißene Heilung anbietet, die der bringt, der als Arzt für die Kranken gekommen ist201. Denn die Kirche ist „in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“202. Die Gebete aller Kirchen müssen die Vorbereitung der Synode begleiten, und in diesen Gebeten verbindet sich der Dank für die schon ein für alle Mal vollendete Versöhnung im Blut Christi mit der Bitte um jene Versöhnung, die durch Bekehrung unserer Herzen und durch aufrichtige und fruchtbare Buße erst kommen wird. In dieser Zeit des „Advent“ erschallt von neuem die prophetische Botschaft des Vorläufers: „Bringt Früchte hervor, die eure Umkehr zeigen.“203 Es ist dies das gleiche Gebet wie in der eucharistischen Versammlung: „Mach deine Kirche zu einem Ort der Wahrheit und der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens, damit alle in ihr eine Quelle der Hoffnung finden können.“204 Dem wandernden Gottesvolk leuchtet als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes die Mutter Jesu voran, Bild und Anfang der gegenwärtigen Kirche und der kommenden Zeit, ein leuchtendes Zeichen der vollkommen versöhnten Welt205. „Denn inmitten einer Menschheit, die gespalten und zerrissen ist, erfahren wir, daß du Bereitschaft zur Versöhnung schenkst. Dein Geist bewegt 1571 KONGREGA TIONEN die Herzen, wenn Feinde wieder miteinander sprechen, Gegner sich die Hände reichen und Völker einen Weg zueinander suchen. Dein Werk ist es, wenn der Wille zum Frieden den Streit beendet, Verzeihung den Haß überwindet und Rache der Vergebung weicht. Darum können wir nicht aufhören, dir zu danken und dich zu preisen.“206 Anmerkungen 1 Hinsichtlich der doppelten Bedeutung des Wortes „Buße“ ist genau zu beachten, daß die erste Bedeutung „Buße“ im weiteren Sinn, also „Versöhnung“ meint und vor allem die Initiative Gottes zum Ausdruck bringt, die aber für die Antwort des Menschen den Anstoß gibt; die zweite Bedeutung meint „Buße“ im strengeren Sinn, also mehr die Antwort des Menschen. Das Wort „Buße“ wird verwendet für das Bußsakrament und für die verschiedenen nichtsakramentalen Formen der Buße. Die Bedeutung dieser Ausdrücke weiter festzulegen ist selbst in der lateinischen Sprache schwierig, in den Volkssprachen aber noch mehr. 2 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika „Redemptor hominis“, Nr. 1: AAS 71 (1979) 258. 3 Vgl. Weish 9, lff. 4 Vgl. Gen 1,31. 5 Vgl. Paul VI., Apostol. Mahnschreiben „Paterna cum benevolentia“, III: AAS 67 (1975) 11. 6 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 10: AAS 58 (1966) 1032. 7 Sir 15,14-18. 8 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 13: AAS 58 (1966) 1035. 9 Ebd. 10 2 Kor 5,18-20. u Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 51: AAS 57 (1965) 58. 12 Vgl. Mk 1,15. 13 Paul VI., „In anni iubilaei conclusione“ (25. Dezember 1975): AAS 68 (1975) 145. 14 Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate“, Nr. 3: AAS 58 (1966) 741. 15 Ebd. Nr. 2: AAS 58 (1966) 740. 16 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 13: AAS 58 (1966) 1034—1035. Vgl. Röm 1,21-25. 17 Vgl. Gen 3,2-5. 18 Gen 3,6. 19 Gen 3,7. 20 Gen 4-8. 21 Röm 8,19-21. 1572 KON GREGA TIONEN 22 Vgl. Gen 3,17. 23 Vgl. Gen 3,19. 24 Gen 3,9. 25 Vgl. Dritte Vollversammlung der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz, Puebla, Teil II, Nr. 281. 2« Eph 5,26. 27 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 8: AAS 57 (1965) 12. 28 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 38-39: AAS 58 (1966) 1065-1067. 29 Vgl. Röm 8,5-12. 30 Gen 3,4-5. 3t Vgl. Pius XII,, Nuntius radiophonicus de conscientia christiana in iuvenibus recte efformanda (23. März 1952): AAS 44 (1952) 271; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 16: AAS 58 (1966) 1037. 32 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 16: AAS 58 (1966) 1037. 33 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, Nr. 14: AAS 58 (1966) 940. 34 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 17: AAS 58 (1966) 1037-1038. 35 „Der Mensch sündigt also nicht nur dann schwer, wenn seine Handlung aus der direkten Verachtung der Liebe Gottes und des Nächsten hervorgeht, sondern auch, wenn er bewußt und frei aus irgendeinem Grund sich für etwas entscheidet, was einen schweren Verstoß gegen die sittliche Ordnung darstellt. In diese Entscheidung ist bereits die Verachtung des göttlichen Gebotes miteingeschlossen: Der Mensch wendet sich von Gott ab und geht seiner Liebe verlustigt“, Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre zu einigen Fragen der Sexualethik (29. Dezember 1975), Nr. 10: AAS 68 (1976) 88-89; „wer sich . . . von der Gemeinschaft der Liebe Gottes getrennt hat“, Ordo Paenitentiae, Typis Polyglottis Vaticanis 1974, S. 15. 36 Gen 3,9. 37 Vgl. Apg 17,27. 38 Diesen Glauben bekennt die Kirche mit den Worten des Eucharistischen Hochgebetes: „Als er im Ungehorsam deine Freundschaft verlor und der Macht des Todes verfiel, hast du ihn dennoch nicht verlassen, sondern voll Erbarmen allen geholfen, dich zu suchen und zu finden. Immer wieder hast du den Menschen deinen Bund angeboten und sie durch die Propheten gelehrt, das Heil zu erwarten“, Missale Romanum, Prex Euchari-stica IV. 39 Gen 3,15. 40 Ex 34,6-7. 41 Röm 3,23-24; vgl. Röm 1,18-3,31. 42 Dieser Dienst ist ein Vorspiel dessen, von dem 2 Kor 5,18 handelt. 43 Vgl. Gen 18,16-33. 44 ps 51,12. 45 Ez 36,25-26. 46 Vgl. 2 Kor 3,6. 47 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei Verbum“, Nr. 2: AAS 58 (1966) 818. 1573 KONGREGA TIONEN 48 Röm 3,25. 49 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 1, ed. cit., S. 9. so Mt 26,28. st Vgl. Eph 2,14 ff. 52 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 22: AAS 58 (1966) 1042. 53 Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie, „Sacrosanctum Concilium“, Nr. 5: AAS 56 (1964) 99. 54 Röm 4,25. 55 2 Kor 5,18.21. 56 Vgl. Mt 26,26-28. 57 Hebr 9,14. 5B Eph 2,18-19. 59 Vgl. Apg 4,12. 60 Vgl. Röm 8,19-23. 61 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 1, ed. cit., S. 9. 62 2 Kor 5,17. 63 Vgl. Gal 6,15. 64 Vgl. Eph 2,14-18. 65 Vgl. Kol 1,20. 66 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes, Nr. 17: AAS 58 (1966) 1038. 67 „Gott, der väterlich für alle sorgt, wollte, daß alle Menschen eine Familie bilden und einander in brüderlicher Gesinnung begegnen. Alle sind ja geschaffen nach dem Bild Gottes, der ,aus einem alle Völker hervorgehen ließ, die das Antlitz der Erde bewohnen1 (Apg 17,26), und alle sind zu einem und demselben Ziel, d. h. zu Gott selbst, berufen. Daher ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten das erste und größte Gebot.... Ja, wenn -der Herr Jesus zum Vater betet, ,daß alle eins seien . . . wie auch wir eins sind1 (Joh 17,20-22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe. Dieser Vergleich macht offenbar, daß der Mensch, der auf Erden die einzige von Gott um ihrer selbst willen gewollte Kreatur ist, sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden kann (vgl. Lk 17,33)“, Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 24: AAS 58 (1966) 1044-1045. 68 Vgl. Kol 1,20. 69 Vgl. Röm 8,19-22. 70 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 37: AAS 58 (1966) 1055. 7t Vgl. Lk 7,40-42. 72 Vgl. 2 Sam 12,13. 73 Vgl. Am. 74 Vgl. Jes. 75 Vgl. Hos, Jer, Ez. 76 Mk 1,4. 77 Vgl. Lk 15,11-32; vgl. Johannes Paul II., Enzyklika „Dives in misericordia“, Nr. 5-6: AAS 72 (1980) 1193-1199. 78 Johannes Paul II., Enzyklika „Dives in misericordia“, Nr. 6: AAS 72 (1980) 1199. 1574 KONGREGA TIONEN 79 Vgl. Paul VI., Apostol. Mahnschreiben „Evangelii nuntiandi“, Nr. 23: AAS 68 (1969) 21. 80 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 16: AAS 58 (1966) 1037. 81 Sach 1,3; vgl. 1er 31,18; Klgl 5,21. 82 Zweites Vatikanisches Konzil, Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“, Nr. 17: AAS 58 (1966) 1037. 83 Jes 53,5. 84 Joh 1,29.33. 85 Gal 2,20. 86 Joh 1,14. » Vgl. Mk 3,13. 88 Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes divinitus“, Nr. 5: AAS 58 (1966) 951. 89 Hebr 5,9. 90 Vgl. Joh 11,52. 9t Vgl. Gal 3,16. 92 Cyprian, De Orat. Dom., 23: PL 24,553. 93 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 1: AAS 57 (1965) 5. 94 In Ev. Jo., 121,4: PL 35,1958. 95 2 Kor 5,18. 96 Vgl. Mt 16,19; 18,18; Joh 20,23. 97 Vgl. Gal 5,21; 1 Kor 6,9. 98 Vgl. Eph 4,18. 99 Joh 20,22-23. too Konzil v. Trient, 14. Sitzung, Can. 3; DS 1703. 101 Cyprian, De unitate Ecclesiae, 6: CSEL 3/1, 214. 102 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 8; ed. cit., S. 14. 103 2 Kor 5,19-20. 104 Mk 1,15. los Röm 1,16. 106 Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie, „Sacrosanctum Concilium”, Nr. 7: AAS 56 (1964) 101. 10 Joh 12,32. los Mt 11,28. 109 Hebr 4,12. 110 Joh 15,3. in Eph 5,26. 112 Darin hegt der Grund für die Bedeutung, die der Ordo Paenitentiae dem Verkünden und Hören des Wortes Gottes zuschreibt. Vgl. ebd., Praenotanda, Nr. 17.22.36 usw. 113 Vgl. Joh 12,48. 114 Vgl. Joh 18,21. ns Joh 16,8. 116 Johannes Paul II., Allocutio ad Consilium Secretariae Generalis Synodi Episcoporum (30. Oktober 1982): L’Osservatore Romano vom 31. 10. 1982, S. 2. 11 Ebd. ns Ebd. ns Ps 130. 1575 KONGREGA TIONEN 120 Vgl. Joh 3,5. 121 Vgl. Röm 6,1-11. 122 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 2; ed. cit., S. 10. 123 Vgl. Eph 5,3; Kol 3,12. 124 Vgl. 1 Joh 3,6-9. 125 Vgl. Eph 5,8. 126 Vgl. Kol 3,12. 127 Vgl. Gal 4,7. 128 1 Petr 1,13-16. 129 Kol 3,12. 130 Vgl. Gal 5,22; Röm 6,22. 131 1 Petr'2,9. 132 2 Tim 2,13. 133 Joh 3,5. 134 Paul VI., Apostol. Konstitution „Paenitemini“, I: AAS 58 (1966) 180. 135 Konzil von Trient, 14. Sitzung: De paenitentia, c. 1, DS 1668. 136 Vgl. Offb 2,4; vgl. DS 1668. 137 Konzil v. Trient, 14. Sitzung: De Paenitentia, c. 4, DS 1676. 138 Paul VI., Apostol. Konstitution „Paenitemini“, I: AAS 58 (1966) 479. 139 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 6a: ed. cit., S. 12. 140 Vgl. Ordo Unctionis Infirmorum eorumque pastoralis curae, Typis Polyglottis Vaticanis 1972, S. 76. 141 Mk 1,15. 142 Vgl. 2 Kor 4,10; Kol 4,24. 143 Paul VI., Apostol. Konstitution „Paenitemini“, Illb: AAS 58 (1966) 182. 144 Vgl. Mt 13,44 ff. 145 1 Kor 9,25. 146 Vgl. Mt 18,19ff.; Jak 5,16ff. 147 Vgl. Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 37; ed. cit., S. 23-24. 148 Ebd., Praenotanda, Nr. 2, S. 10. 149 Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“ (25. Mai 1967), Nr. 35: AAS 59 (1967) 560-561. iso Hebr 4,16. 151 Konzil von Trient, 22. Sitzung, c. 2, DS 1743. 152 Vgl. Konzil v. Trient, 14. Sitzung, c. 4, DS 1677. 153 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 11: AAS 57 (1965) 15. 154 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 2; ed. cit., S. 10. 155 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 9a; ed. cit., S. 15; vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 26: AAS 57 (1965) 31-32. 156 Vgl. Ordo Paenitentiae, ebd. 157 Ordo Paenitentiae, Nr. 46; ed. cit., S. 27. iss Röm 2,2. 159 Joh 3,16. iso Vgl. Röm 4,5. 161 Ez 33,11. 162 Didascalia Apostolorum, II 12, ed. F. X. Funk, I, S. 48. 163 1 Kor 5,4-5. 1576 KONGREGA TIONEN 164 Vgl. Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 10; ed. cit., S. 15. 165 Vgl. Phil 1,9-10. 166 De paenitentia homilia, 3,4: PG 49,297. Der Autor schließt ein Verdammungsurteil aus. 16? Hieronymus, In Eccl. comm. 10,11: PL 23, 1096. 168 Ps 51,6. 169 Ps 51,8. 170 Vgl. Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 11: AAS 57 (1965) 15. ni Vgl. Mt 16,19; Joh 20,21. 172 Johannes Paul II., Enzyklika „Redemptor hominis“, Nr. 20: AAS 71 (1979) 314; vgl. „Dives in misericordia“, Nr. 13: AAS 72 (1980) 1219. 173 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, „Normae pastorales circa absolutionem generalem sacramentalem generali modo impertiendam“ (16. Juni 1972): AAS 64 (1972) 511. 174 Vgl. ebd. 175 Vgl. ebd., S. 511-512. 176 Konzil v. Trient, 14. Sitzung, can. 5 und can. 7; DS 1680.1707. 177 Vgl. 2 Kor 4,10. 178 Vgl. Pius XII., Enzyklika „Mystici Corporis“: AAS 35 (1943) 235; DS 3818; „Mediator Dei“: AAS 39 (1947) 585; Zweites Vatikanisches Konzil, Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis“, Nr. 18: AAS 58 (1966) 1019. 179 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 7b; ed. cit., S. 14. 180 Directorium Catechisticum Generale, Add. „De primo accessu ad Sacramentum Paenitentiae et Eucharistiae“, Nr. 4: AAS 64 (1972) 175. - Pius X. verwarf in seinem Dekret „Quam singulari“ die „Gewohnheit, Kinder nicht zur Beichte zuzulassen oder sie nicht loszusprechen“: AAS 2 (1910) 585. Am 11. April 1971 entschied der Heilige Stuhl, daß es sich ziemt, „daß die in der Kirche geltende Gewohnheit, der Erstkommunion die Beichte vorausgehen zu lassen, bestehen bleiben soll“: Directorium catechisticum generale, Add. Nr. 5: AAS 64 (1972) 176. Es wurde nur erlaubt, Experimente, die bereits im Gang waren, fortzusetzen „nach Absprache mit dem Heiligen Stuhl und in Übereinstimmung mit diesem“ (ebd.). Die Sakramentenkongregation und die Kleruskongregation erklärten mit Zustimmung Pauls VI. am 24. März 1973, „nach zweijähriger Dauer seien diese Experimente mit Ende des Schuljahres 1972/73 zu beenden“: AAS 65 (1973) 410. Die Rückkehr zum Geist des Dekretes „Quam singulari“ wurde noch durch ein Responsum der Sakramentenkongregation und der Kleruskongregation vom 20. Mai 1977, das den Litterae circulares vom 31. März 1977 beigefügt war, gefördert: AAS 69 (1977) 427. ist Vgl. 2 Kor 5,17; Offb 21,5. 182 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 20; ed. cit., S. 18. 183 1 Joh 2,16. 184 Vgl. Hebr 6,11. 185 Hebr 6,1. 186 Vgl. Röm 8,6. 187 Vgl. 1 Thess 5,23. 188 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Mahnschreiben „Familiaris consortio“, Nr. 58: AAS 74 (1982) 150-151. 189 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Mahnschreiben „Laborem exercens“, Nr. 11: AAS 73 (1981) 602-605. 190 Vgl. Paul VI., Enzyklika „Ecclesiam suam“: AAS 56 (1964) 637-659. 1577 KONGREGA TIONEN 191 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Mahnschreiben „Catechesi tradendae“, Nr. 23.24.25.65.66.67: AAS 71 (1979) 1296-1298.1330-1333. 192 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Mahnschreiben „Catechesi tradendae“, Nr. 61: AAS 71 (1979) 1327-1328. 193 Vgl. Paul VI., Apostol. Mahnschreiben „Evangelii nuntiandi“, Nr. 63: AAS 68 (1976) 53. 194 Ordo Paenitentiae, Praenotanda, Nr. 5, ed. cit., S. 12. 195 Eph 2,18. 196 Eph 1,10. 197 Missale Romanum, Eucharistisches Hochgebet IV. 198 Eph 2,14; vgl. ebd. 15-16. 199 Vgl. Ansprache (Anm. 116). 200 Missale Romanum. 201 Vgl. Mt 9,12. 202 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 1: AAS 57 (1965) 5. 203 Lk 3,8. 204 prex Eucharistica pro magnis coetibus. 205 Zweites Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Nr. 68: AAS 57 (1965) 66. 206 Hochgebet zum Thema „Versöhnung“. 1578 KON GREGA TIONEN Gemeinsames Kommunique des Sekretariats für die Einheit der Christen und des Sekretariats des Katholikats des Großen Hauses von Kilikien vom 19. April 1. Die Begegnung zwischen dem Katholikos von Kilikien und dem Bischof von Rom im Osterlicht des Heiligen Jahres der Erlösung 1983 leitet einen neuen Abschnitt in den Beziehungen unserer Kirchen ein. Seit über zwanzig Jahren hatte der brüderliche Dialog Fortschritt gemacht im Geist der Liebe und der Wahrheit und in guter Weise: fruchtbare Teilnahme der Beobachter des Katholikats an den Arbeiten des Zweiten Vatikanischen Konzils, Begegnung Papst Pauls VI. und des Katholikos Khoren I. seligen Angedenkens, gemeinsame theologische Forschungen, örtliche pastorale Zusammenarbeit, positive Beiträge zur Einheit der Christen und sozialen Gerechtigkeit im Rahmen der verschiedenen Instanzen der ökumenischen Bewegung auf internationaler, regionaler und lokaler Ebene. Aber heute sind unsere Kirchen auf gerufen, gemeinsam auf immer dringendere Appelle zu antworten, und diese Begegnung im Namen des einen Herrn bestärkt sie in ihrem gemeinsamen Willen, darauf zu antworten. 2. Es gibt zunächst die Dringlichkeit der vollen Gemeinschaft unserer Kirchen im Hinblick auf die wesentliche Sendung: das Heil der Menschheit von heute. An diesem 3. Sonntag der Osterzeit, an dem die armenische Kirche das Fest der „Kirche des Weltalls“ (Ashkharhamadour) feiert, bezeugt die Begegnung zwischen den Hirten unserer Kirchen die Wichtigkeit direkter und persönlicher Beziehungen zwischen Brüdern, Dienern des einen Erlösers der Menschen, die sich in Zukunft fortsetzen sollen. Im übrigen ist es wichtig, daß die gemeinsame theologische Forschung - der Dialog des Glaubens - weitergeführt wird, beseelt von dem klaren und geschärften Bewußtsein, daß die Verschiedenheit, eingebettet in die Einheit des Glaubens, ein göttlicher Reichtum und eine unerläßliche Bedingung der Einheit der kirchlichen Gemeinschaft ist. Unsere Kirchen haben auch ein weites Feld der Zusammenarbeit finden können durch gegenseitiges Kennenlernen, Achtung, Vertrauen und echte Liebe: die theologische Büdung der Kleriker und Laien, die Zusammenarbeit in der Jugend- und Erwachsenenkatechese, die positive Lösung gemeinsamer pastoraler Situationen, die Sozialarbeit, die kulturelle Förderung, die humanitären Dienste. In all diesen Bereichen, wo der Geist 1579 KONGREGA TIONEN des Herrn uns treibt, Christus, den Sohn des Retter-Gottes, zu bezeugen, muß, ohne die Strukturen der Zusammenarbeit auf internationaler und regionaler Ebene zu vernachlässigen, die Priorität auf der Ebene der Ortskirchen abgestimmt werden. So wie sich der auferstandene Christus „in unserer Mitte offenbart hat“ bei der Feier der göttlichen Liturgie (vgl. den Friedenskuß in der Eucharistiefeier nach armenischer Tradition), so offenbart er sich inmitten aller durch die göttliche Diakonie seiner den Menschen dienenden Kirche. 3. Wenn in der Welt von heute alle Kirchen „Frontkirchen“ geworden sind in existentieller Beziehung zu anderen religiösen und ideologischen Welten, dann ist das besonders bei Ortskirchen des Nahen Orients Tatsache. Das war von Anfang an die besondere Berufung der armenischen Kirche, und sie ist dem in unseren Tagen im Rahmen des christlichen Zeugnisses in dieser Region und in den anderen Ländern ihrer Diaspora verpflichtet. Aber der Weg, auf dem unsere Kirchen auf der Suche nach der Einheit fortschreiten, gibt in diesem Jahrzehnt den Blick frei auf eine weitere Dringlichkeit zum Heil aller Menschen: die Rechte des Menschen, besser, die göttliche Würde des Menschen, des ganzen Menschen. Hier müssen wir Zusammenarbeiten, nicht nur mit allen Menschen guten Willens, sondern auch in der Klarheit unseres Glaubens und der Gewißheit unserer christlichen Hoffnung. Das schließt unseren gemeinsamen Dienst an der Würde der Personen ein wie an dem Recht der Völker auf ihre berechtigten nationalen Erwartungen und ihre kulturelle Ursprungsidentität. Damit die Menschheit von heute die göttliche Würde des Menschen und die Gerechtigkeit für die Völker anerkennen und fördern kann, dürfen unsere Kirchen nur einen einzigen Weg. gehen: nicht den der „Machthaber dieser Welt“ (1 Kor 2), sondern den, der der Weg des Lebens durch die Wahrheit ist (Joh 1). So sind in all ihren Prüfungen unsere Kirchen nicht in dieser Welt, außer um zu dienen, und offenbaren dadurch ihren Herrn, den einen Diener und Retter aller. Besonders in diesem Monat April, in dem das armenische Volk seiner Märtyrer gedenkt, lebendiger Zeugen des christlichen Glaubens und der menschlichen Grundrechte, gesellen sich unsere Kirchen allen Kirchen und allen Völkern zu, die dem Dienst an den gleichen heiligen Idealen verpflichtet sind. 4. Diesen Appell, diesen Schrei nach mehr Gerechtigkeit, der aus der Tiefe der Menschheit am Ende des zweiten Jahrtausends auf steigt, wollen unsere Kirchen hier durch ein wirksames Zeugnis beantworten, in Zusam- 1580 KON GREGA TIONEN menarbeit mit den anderen Kirchen. Besonders in der Nahost-Region, wo Kennenlernen, Achtung und Zusammenarbeit von Menschen, gleich welcher Religionszugehörigkeit, erst in Entwicklung begriffen sind, ist es zwingend, dafür zu arbeiten, daß allen Völkern der Region die harmonische Entfaltung ihrer Identität, ihrer Freiheit und ihrer Kultur in Frieden und Gerechtigkeit gewährleistet ist. Besonders im Libanon, wo sich der entscheidende Kampf der Hoffnung gegen die Verzweiflung im Hinblick auf seine Einheit, seine Integrität und seine Souveränität erhebt, sind unsere Kirchen verpflichtet, die brüderlichen Bande, die nicht nur die Christen unter sich, sondern diese auch mit ihren Brüdern der anderen Gemeinschaften ihres gemeinsamen Vaterlandes verbinden, zu stärken. Es geht hier um fundamentale Werte ihres Lebens und der anderen Länder der Welt. Die österliche Begegnung des „Sonntags der Kirche des Weltalls“, an dem sich unsere Kirchen an der Quelle des Gebets, des Lichts und der Liebe vereinigt haben, hat teil am Tag, der nicht endet, der Auferstehung ihres Herrn: Sie öffnet sich zu anderen Anfängen. „Christ ist vom Grab erstanden! Gepriesen sei die Auferstehung Christi!“ (Chrisdos hariav i meremotz! orhnial e haroutioun’n Chrisdossi!) 1581 KON GREGA TIONEN Schreiben der Kongregation für die Glaubenslehre an die Bischöfe der Katholischen Kirche über einige Fragen bezüglich des Dieners der Eucharistie 1583 KON GREGA TIONEN I. Einführung 1. Bezüglich Aufgabe und Dienst der Priester hat das Zweite Vatikanische Konzil die Lehre bestätigt, daß das hierarchisch gegliederte Priesteramt sich nicht nur dem Rang, sondern dem Wesen nach vom gemeinsamen Priestertum der Gläubigen unterscheidet, und hat damit zur Glaubensgewißheit erklärt, daß allein Bischöfen und Priestern die Vollmacht zukommt, das eucharistische Geheimnis zu vollziehen. Denn obwohl alle Gläubigen am einmaligen und einzigartigen Priestertum Christi teilhaben und bei der Darbringung der Eucharistie mitwirken, ist allein der zum heiligen Dienst bestellte Priester kraft des Weihesakramentes bevollmächtigt, das eucharistische Opfer „in persona Christi“ zu vollziehen und es im Namen des ganzen christlichen Volkes darzubringen. <35> <35> II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 10, 17, 26, 28; Konst. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7; Dekret Christus Dominus, Nr. 15; Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 2 u. 3. Vgl. auch Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei, vom 3. 9. 1965; AAS 57 (1965), S. 761. 2. In den letzten Jahren wurden jedoch mehr und mehr Ansichten verbreitet und zuweilen auch schon in die Praxis übertragen, die die oben erwähnte Lehre leugnen und so das kirchliche Leben in seinem Innersten verletzen. Diese Ansichten, die unter verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Begründungen vorgetragen werden, finden bei den Gläubigen mehr und mehr Anklang zum Teil, weil behauptet wird, solche Meinungen stützten sich auf wissenschaftliche Fundamente, zum Teil auch unter dem Vorwand, nur so könne den pastoralen Notwendigkeiten in den christlichen Gemeinden und deren sakramentalem Leben entsprochen werden. 3. Es ist daher der Glaubenskongregation ein dringliches Anliegen, den Oberhirten in brüderlichem Geist beizustehen. Sie möchte hier einige wesentliche Gesichtspunkte der kirchlichen Lehre bezüglich des Dieners der Eucharistie in Erinnerung rufen, so wie sie uns durch die lebendige Tradition übermittelt wurden und wie sie auch in früheren Dokumenten des Lehramts zum Ausdruck kamen. <36> Sie setzt die vom Zweiten Vatikani- Professoris loannis Küng, vom 15. 2. 1975; AAS 67 (1975), S. 204; Erklärung Inter insigniores, vom 15. 10. 1976, Nr. 5; AAS 69 (1977), S. 108-113; Johannes Paul II., Schreiben Novo incipiente nostro an alle Priester der Kirche, vom 8. 4. 1979, Nr. 2-4; AAS 71 (1979), S. 395-400; Schreiben Dominicae Cenae an alle Bischöfe der Kirche, vom 24. 2. 1980, Nr. 1-11; AAS 72 (1980), S. 115-134. 1584 KONGREGA TIONEN sehen Konzil gebotene umfassende Darstellung des priesterlichen Dienstes voraus, hält es aber in der gegenwärtigen Situation für dringend geboten, das Besondere und Wesentliche der priesterlichen Aufgabe noch deutlicher herauszustellen. II. Irrige Meinungen 1. Von den Vertretern der neuen Meinungen wird behauptet, daß jede christliche Gemeinde schon aufgrund der Tatsache, daß sie sich im Namen Christi versammelt und somit den Vorrang der ungeteilten Gegenwart Christi genießt (vgl. Mt 18, 20), mit allen Vollmachten ausgestattet sei, die der Herr seiner Kirche zuteilen wollte. Es wird ferner erklärt, die Kirche sei in dem Sinn apostolisch zu nennen, daß alle, die in der Taufe wiedergeboren, in die Kirche eingegliedert wurden und am Priestertum, Prophetenamt und Königtum Christi teilnehmen, auch als wirkliche Nachfolger der Apostel zu gelten haben. Da die gesamte Kirche zunächst in den Aposteln vorgebildet war, sei daraus zu folgern, daß auch die Einsetzungsworte der Eucharistie, die zunächst an die Apostel gerichtet waren, für alle bestimmt seien. 2. Der Dienst der Bischöfe und Priester sei infolgedessen für eine geregelte Ordnung der Kirche zwar notwendig, doch unterscheide er sich vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen nicht durch das, was die Teilhabe am Priestertum Christi im strengen Sinn betrifft, sondern allein hinsichtlich dessen Vollzug. Deshalb sei die sogenannte Aufgabe der Gemeindeleitung — die den Auftrag zur Predigt und zum Vorsitz der liturgischen Versammlung einschließt - nichts anderes als eine Beauftragung, um die rechte Ordnung in der Gemeinde aufrechtzuerhalten, die deshalb aber nicht sakralisiert werden dürfe. Die Beauftragung zu solchem Dienst füge keine neue und im eigentlichen Sinn „priesterliche“ Fähigkeit hinzu - der Ausdruck „Priester“ wird in diesem Zusammenhang meist vermieden -noch präge sie ein besonderes Kennzeichen ein, wodurch der Betroffene ontologisch betrachtet für sein Amt in einen neuen Zustand erhoben wird. 1585 KON GREGA TIONEN Die Beauftragung bedeute letztlich nichts anderes, als daß nun vor der Gemeinde die von Anfang an im Sakrament der Taufe grundgelegte Fähigkeit zur Geltung komme. 3. Infolge der Apostolizität der einzelnen Ortsgemeinden, in denen Christus nicht weniger gegenwärtig ist als in der bischöflichen Struktur, könne jede Gemeinde, sei sie auch noch so klein, die ihr ursprünglich übertragene Vollmacht in Anspruch nehmen, wann immer sie über längere Zeit jenes wesentliche Element entbehren müßte, das die Eucharistie darstellt. Es komme ihr also das Recht zu, ihren eigenen Vorsteher und Leiter zu ernennen und ihm alle Fähigkeiten zu übertragen, die zur Leitung der Gemeinde notwendig sind einschließlich des Vorsitzes bei der Eucharistie und der Vollmacht zu deren Konsekration. Gott selbst - so wird behauptet - könne unter derartigen Umständen auch ohne Sakrament die Amtsvollmachten nicht verweigern, die er im Normalfall allein durch das Weihesakrament gewährt. Zu dieser Schlußfolgerung trägt auch die Tatsache bei, daß die Feier der Eucharistie oft lediglich als ein Akt der Ortsgemeinde verstanden wird, die sich versammelt, um im Brechen des Brotes des Letzten Abendmahles zu gedenken. Sie beinhalte daher mehr ein brüderliches Mahl, in dem die Gemeinde sich zusammenfindet und sich so zum Ausdruck bringt, als daß sie eine sakramentale Erneuerung des Opfers Christi darstellt, dessen erlösende Kraft sich auf alle Menschen erstreckt, auf Anwesende und Ferne, auf Lebende und Tote. 4. Auf der anderen Seite haben in manchen Gegenden die irrigen Ansichten über die Notwendigkeit geweihter Priester zur Feier der Eucharistie einige dazu verleitet, im Rahmen der Glaubensverkündigung die Sakramente der Eucharistie und Priesterweihe in ihrem Wert mehr und mehr zu schmälern. III. Die Lehre der Kirche 1. Auch wenn die oben genannten Meinungen in oft abgestuften und unterschiedlichen Formen vorgetragen werden, so münden sie doch alle in die eine Schlußfolgerung ein: die Vollmacht, das Sakrament der Eucharistie zu vollziehen, sei nicht notwendigerweise mit dem Weihesakrament verbunden. Es liegt auf der Hand, daß eine solche Schlußfolgerung in 1586 KONGREGATIONEN keiner Weise mit dem überlieferten Glauben in Einklang gebracht werden kann, denn auf diese Weise wird nicht nur die den Priestern anvertraute Amtsvollmacht verworfen, sondern die gesamte apostolische Struktur der Kirche verletzt und die Heilsökonomie der Sakramente zerstört. 2. Nach der Lehre der Kirche wird die Teilnahme am Wort des Herrn und an dem von ihm geschenkten göttlichen Leben von Anfang an in dem einen, einzigen Leib gewährt, den sich der Herr selbst die Zeiten hindurch auferbaut. Dieser Leib, das heißt die Kirche Christi, wird von ihm selbst beständig durch die Gaben der Dienste und Ämter geordnet; „er wird durch Gelenke und Bänder versorgt und zusammengehalten und wächst so durch Gottes Wirken“ (Kol 2, 19). <37> Diese Struktur der Ämter wird in der Tradition der Kirche mittels der dreifachen Gewalt entfaltet, die den Aposteln und deren Nachfolgern anvertraut wurde, nämlich der Gewalt zu heiligen, zu lehren und die Kirche im Namen Christi zu leiten. <37> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 7, 18, 19, 20; Dekret Christus Dominus, Nr. 1 u. 3; Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 2. Die Apostolizität der Kirche ist nicht so zu verstehen, daß alle Gläubigen Apostel wären, <38> auch nicht in kollektiver Form. Keiner Gemeinde kommt die Vollmacht zu, ein apostolisches Amt zu verleihen, denn dies wird grundsätzlich vom Herrn selbst zugeteilt. Wenn also die Kirche in den Glaubensbekenntnissen apostolisch genannt wird, so kommt damit zum Ausdruck, daß ihr Lehramt in Übereinstimmung mit der Glaubenslehre der Apostel steht und daß darüber hinaus eine wirkliche Fortführung des Auftrags der Apostel in der Struktur der Nachfolge zur Geltung kommt, kraft derer die den Aposteln übertragene Sendung bis ans Ende der Zeiten fortdauern soll. <39> Die derart strukturierte Nachfolge der Apostel, in der die Apostolizität der ganzen Kirche gründet, gehört zur lebendigen Tradition, die für die Kirche von Anfang an zur prägenden Gestalt wurde und es weiterhin sein wird. Deshalb führen alle Versuche vom rechten Weg ab, die dieser lebendigen Tradition einzelne Teile der Hl. Schrift entgegenstellen, um daraus das Recht auf andere Strukturen abzuleiten. <38> Vgl. Konzil von Trient, Doctrina de sacramento ordinis, Kap. 4; DS 1767. <39> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 20. 3. Die Katholische Kirche, die in Jahrhunderten gewachsen ist und aufgrund des Lebens, das ihr vom Herrn durch die Ausgießung des Hl. Geistes geschenkt wurde, immer weiterwächst, hat stets ihre apostolische Struktur bewahrt getreu der Tradition der Apostel, die in ihr lebt und 1587 KONGREGA TIONEN fortdauert. Wenn sie den Erwählten unter Anrufung des Hl. Geistes die Hände auflegt, so ist sie sich dessen bewußt, in der Kraft des Herrn zu handeln, der die Bischöfe als Nachfolger der Apostel in besonderer Weise an seiner dreifachen Sendung als Priester, Prophet und König teilhaben läßt. Ihrerseits übertragen die Bischöfe ihr Dienstamt in unterschiedlicher Abstufung an verschiedene Personen in der Kirche. <40> Wenn daher auch alle Getauften sich vor Gott der gleichen Würde erfreuen, so wollte der göttliche Lehrmeister doch die christliche Gemeinde hierarchisch gegliedert wissen. Deshalb bestehen von den Anfängen an in ihr besondere apostolische Ämter, die aus dem Weihesakrament hervorgehen. <40> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 28. 4. Unter jenen Aufgaben, die Christus ausschließlich den Aposteln und deren Nachfolgern übertragen hat, ragt in besonderer Weise die Vollmacht heraus, die Eucharistie zu feiern. Allein den Bischöfen und den Priestern, denen die Bischöfe selbst Anteil an ihrem Amt gegeben haben, ist daher die Vollmacht Vorbehalten, im eucharistischen Geheimnis neu zu vollziehen, was Christus beim Letzten Abendmahl getan hat. <41> Damit jene ihre Aufgaben - speziell den wichtigen Dienst, das eucharisti-sche Geheimnis zu vollziehen - recht erfüllen können, bezeichnet Christus der Herr all jene, die er zum Bischofs- oder Priesteramt beruft, kraft des Weihesakraments mit einem besonderen Zeichen, das auch in den feierlichen Dokumenten des Lehramts „Character“ genannt wird. <42> Er selbst nimmt sie nämlich dadurch in eine solche Gleichgestaltung mit sich hinein, daß sie beim Sprechen der Wandlungsworte nicht im Auftrag der Gemeinde, sondern „in persona Christi“ handeln, was mehr bedeutet als „im Namen“ oder „in Stellvertretung“ Jesu Christi, . . . nämlich „die spezifische sakramentale Identifizierung mit dem , ewigen Hohenpriester1, der Urheber und hauptsächliches Subjekt dieses seines eigenen Opfers ist, bei dem er in Wahrheit von niemandem ersetzt werden kann“. <43> Es gehört also zum Wesen der Kirche selbst, daß die Vollmacht zum Vollzug der Eucharistie allein den Bischöfen und Priestern anvertraut wird, die durch den Empfang des Weihesakraments zu deren Dienern <41> Dies bestätigt der in der Kirche geübte Brauch, die Bischöfe und Priester „sacerdotes sacri cultus“ zu nennen, besonders deshalb, weil nur diesen die Vollmacht zuerkannt wurde, das eucharistische Geheimnis zu vollziehen. <42> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 21; Dekret Presbyterorum Ordinis, Nr. 2. (Anmerkung des Übersetzers: character indelebilis, d. h. „unauslöschliches Weihemal.“) <43> Papst Johannes Paul II., Schreiben Dominicae Cenae, Nr. 8; AAS12 (1980), S. 128-129. 1588 KONGREGATIONEN bestellt wurden. Aus diesem Grund erklärt auch die Kirche, daß das eucharistische Geheimnis in keiner Gemeinde gefeiert werden kann, es sei denn durch die Hände eines geweihten Priesters, wie das Vierte Laterankonzil ausdrücklich gelehrt hat. <44> <44> IV. Laterankonzil, Const. de fide catholica Firmiter credimus: „Una vero est fidelium universalis Ecclesia, extra quam nullus omnino salvatur, in qua idem ipse sacerdos est sacrificium Iesus Christus, cuius corpus et sanguis in sacramento altaris sub speciebus panis et vini veraciter continentur, transsubstantiatis pane in corpus et vino in sanguinem potestate divina: ut ad perficiendum mysterium unitatis accipiamus ipsi de suo, quod accepit ipse de nostro. Et hoc utique sacramentum nemo potest conficere, nisi sacerdos, qui rite fuerit ordinatus, secundum claves Ecclesiae, quas ipse concessit Apostolis eorumque successoribus Iesus Christus“ (DS 802). Die einzelnen Gläubigen oder Gemeinden, die aufgrund von Verfolgungen oder durch den Mangel an Priestern über kürzere oder längere Zeit der Eucharistiefeier entbehren müssen, gehen deshalb der Gnade des Erlösers keineswegs verlustig. Wenn sie, zutiefst vom Wunsch nach dem Sakrament geleitet und im Gebet mit der ganzen Kirche vereint, den Herrn anrufen und ihre Herzen zu ihm erheben, haben sie in der Kraft des Hl. Geistes Gemeinschaft mit der Kirche, die der lebendige Leib Christi ist, und mit dem Herrn selbst. Durch ihr Verlangen nach dem Sakrament mit der Kirche vereint, sind sie, wenn auch äußerlich von ihr getrennt, zuinnerst und wirklich ganz mit der Kirche verbunden und empfangen daher die Früchte des Sakraments; das Verhalten jener aber, die unrechtmäßig für sich das Recht zur Feier der Eucharistie in Anspruch nehmen, führt schließlich dahin, daß sich ihre Gemeinschaft in sich selbst verschließt. <45> Solches Wissen befreit jedoch die Bischöfe, Priester und alle Glieder der Kirche nicht von der schweren Pflicht, darum zu beten, daß der „Herr der Ernte“ je nach den Bedürfnissen der Menschen und der Zeit Arbeiter sende (vgl. Mt 9. 37 ff.), noch mindert es die Verpflichtung, sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, daß der einladende Ruf des Herrn zum priesterlichen Dienst in Demut und Großmut des Herzens gehört und angenommen werde. <45> Vgl. Johannes Paul II., Schreiben Novo incipiente nostro, Nr. 10; AAS 71 (1979), S. 411—415. Bezüglich der Wirksamkeit des Wunsches nach dem Sakrament vgl. Konzil von Trient, Dekret De iustificatione, Kap. 4; DS 1524; Dekret De sacramentis, can. 4; DS 1604; II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 14; S. Officium, Epist. ad archiep. Bostoniensem, vom 8. 8. 1949; DS 3870 u. 3872. 1589 KONGREGA TIONEN IV. Einladung zur Wachsamkeit Die Hl. Kongregation für die Glaubenslehre ist von dem Wunsch geleitet, den Bischöfen der Kirche eine Hilfe anzubieten, wenn sie auf diese Schwerpunkte der Lehre aufmerksam macht. Sie möchte den Bischöfen helfen, damit sie ihrer Aufgabe gemäß die Herde des Herrn mit der Speise der Wahrheit stärken, den Schatz des Glaubens behüten und die volle Einheit der Kirche bewahren. Es ist notwendig, daß wir - stark im Glauben - den Irrtümern widerstehen, auch wenn sie unter frommem Anschein sich darbieten, allein von der Absicht geleitet, die Wahrheit in Liebe zu tun (vgl. Eph 4, 15), um so die Irrenden in der Liebe des Herrn umfangen zu können. Die Gläubigen nämlich, die den Versuch unternehmen, die Eucharistie außerhalb des geheiligten Bandes der apostolischen Nachfolge, die durch das Weihesakrament begründet ist, zu feiern, schließen sich damit von der Teilhabe an dem einen Leib des Herrn aus und tragen daher nicht zur Stärkung und zum Aufbau der Gemeinde, sondern zu deren Zerstörung bei. Den Bischöfen kommt folglich die Aufgabe zu, darüber zu wachen, daß die genannten Irrtümer nicht weiter in Katechese und theologischer Lehre um sich greifen oder gar in den Alltag christlichen Lebens übertragen werden. Bei Vorfällen dieser Art kommt ihnen die heilige Pflicht zu, solche Irrtümer öffentlich zurückzuweisen, weil sie unvereinbar sind mit der Feier des eucharistischen Opfers und die kirchliche Gemeinschaft zutiefst verletzen. Die gleichen Maßnahmen sind angezeigt gegen jene, die die wesentliche Bedeutung, die dem Weihe- und Altarssakrament für die Kirche zukommt, schmälern. Denn auch uns gilt das Wort: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein zu gelegener und ungelegener Zeit; weise zurecht, tadle, ermahne in unermüdlicher und geduldiger Belehrung . . . Du aber sei in allem nüchtern, ertrage das Leiden, verkünde das Evangelium, erfülle treu deinen Dienst!“ (2 Tim 4, 2—5). Die gemeinsame Sorge findet so unter den gegebenen Umständen eine konkrete Anwendung, indem die ungeteilte Kirche, die zwar in verschiedene Ortskirchen gegliedert ist, dennoch auf ein einziges Ziel hinarbeitet <46> und so den ihr von Gott durch die Apostel anvertrauten Schatz des Glaubens zu behüten vermag. <46> Vgl. II. Vat. Konzil, Dogm. Konst. Lumen Gentium, Nr. 23. Die Treue zum Willen Christi und die Würde der Christen erfordern nämlich, daß der überlieferte Glaube derselbe bleibt und so die Gläubigen Frieden finden läßt in ihrem Glauben (vgl. Röm 15, 13). 1590 KONGREGA TIONEN Dieses Schreiben, dem ein Beschluß der Ordentlichen Sitzung dieser Kongregation zugrundeliegt, hat Papst Johannes Paul II. im Rahmen einer dem Unterzeichneten Kardinal-Präfekten gewährten Audienz approbiert und seine Veröffentlichung angeordnet. Gegeben am 6. August 1983, dem Fest der Verklärung des Herrn, am Sitz der Hl. Kongregation für die Glaubenslehre in Rom. Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt t Fr. Hieronymus Hamer, O. P. Tit. Erzbischof von Lorium Sekretär 1591 KON GREGA TIONEN Dem „ewigen Hohenpriester“ gleichförmig Kardinal Joseph Ratzinger zum neuen Dokument der Glaubenskongregation Zweck dieses Schreibens ist, die Hirten des Gottesvolkes zu unterstützen, wenn sie sich mit Meinungen auseinandersetzen müssen, die wesentliche Gesichtspunkte der Lehre der Kirche über den Diener der Eucharistie betreffen. Diese Meinungen laufen unter verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Begründungen alle auf die gleiche Schlußfolgerung hinaus: die Vollmacht, das Sakrament der Eucharistie zu vollziehen, sei nicht notwendigerweise mit dem Weihesakrament verbunden, das durch Handauflegung des Bischofs übertragen wird. Auf dieser Meinung fußend, gibt man vor, den mancherorts bestehenden Mangel an geweihten Priestern zu beheben, so daß eine Gemeinde, die längere Zeit die Eucharistiefeier entbehrt, aus ihrer Mitte einen Vorsteher bestellen könnte, der kraft dieser Bestellung alle Fähigkeiten besitzen würde, die er zur Gemeindeleitung braucht, einschließlich jener, die Eucharistie zu feiern. Das Schreiben hebt nun den Schweregrad einer solchen Auffassung hervor, wenn es sagt, daß „eine solche Schlußfolgerung in keiner Weise mit dem überlieferten Glauben in Einklang gebracht werden kann, denn auf diese Weise wird nicht nur die den Priestern anvertraute Amts Vollmacht verworfen, sondern die gesamte apostolische Struktur der Kirche verletzt und die Heilsökonomie der Sakramente zerstört“ (III, 1). Und da solche Ansichten bereits bei den Gläubigen Anklang finden und mitunter auch schon in der Praxis übertragen werden, mahnt das Schreiben: „Die Gläubigen, die den Versuch unternehmen, die Eucharistie außerhalb des geheiligten Bandes der apostolischen Nachfolge, die durch das Weihesakrament begründet ist, zu feiern, schließen sich damit von der Teilhabe an dem einen Leib des Herrn aus und tragen daher nicht zur Stärkung und zum Aufbau der Gemeinde, sondern zu deren Zerstörung bei“ (IV). Es war also notwendig, die falschen ekklesiologischen Grundsätze, auf die sich diese Meinung und diese Praxis zu stützen vorgeben, aufzuzeigen und mit Nachdruck und Klarheit die geoffenbarte Lehre über die apostolische Struktur der Kirche und die unersetzliche Rolle des durch das Weihesakrament bestellten Dieners der Eucharistiefeier zu bekräftigen. Genau diese Absicht bestimmt den Aufbau und die Grenzen dieses Schreibens. Es handelt sich nicht um eine vollständige Abhandlung über das Priesteramt, und auch Fragen zum priesterlichen Zölibat und zur Nichtzulassung von Frauen zum Priesteramt, die bereits in früheren 1592 KONGREGAT/QNEN Dokumenten behandelt wurden, werden hier nicht wieder aufgegriffen. Es geht darum, den oben erwähnten Meinungen gegenüber; die Lehre der katholischen Kirche in Erinnerung zu rufen. Im ersten der beiden Hauptteile des Schreibens (II, III) werden-in einer Ordnung, die ihre innere Logik herauszustellen beabsichtigt - gewisse Behauptungen über die Vollmachten zusammengefaßt, die den:christlichen Gemeinden schon aufgrund der Tatsache zugehörten, daß sie im Glauben, der Apostel und der von all ihren; Mitgliedern, empfangenen Taufe vereint seien. Infolgedessen sei der Dienst der. Priester und Bischöfe für eine geregelte Ordnung der Kirche zwar normalerweise notwendig, doch unterscheide er sich nicht wesentlich vom gemeinsamen Priestertum der Gläubigen, und die Beauftragung mit diesem Dienst sei nichts anderes, als vor der Gemeinde die von Anfang an im Sakrament der Taufe grundgelegte Fähigkeit zur Geltung zu bringen, ohne jedoch eine neue und im eigentlichen Sinn „priesterliche“ Fähigkeit hinzuzufügen. Deshalb könne jede Gemeinde in außergewöhnlichen Fällen - zum Beispiel, wenn ihr für längere Zeit ein geweihter Priester fehlt;- die „ihr ursprünglich übertragene Vollmacht“ in Anspruch nehmen und selbst ihren Vorsteher bestellen, dem damit auch die Fähigkeit zum Vorsitz bei der Eucharistiefeier übertragen werde. Diesen Meinungen gegenüber bekräftigt das Schreiben in III erneut mit der gesamten Tradition die Struktur der Dienste, mit denen Christus die Kirche in den Aposteln ausgestattet hat, als er ihnen die dreifache Gewalt, nämlich zu heiligen, zu lehren und zu leiten, an vertraute;, die durch das Weihesakrament auf deren Nachfolger, die Bischöfe und Priester, übertragen wird. Sie allein, die geistlich mit einem besonderen Zeichen („character“) besiegelt sind, das sie Christus, dem „ewigen Hohenpriester“, gleichförmig macht, haben die Weihevollmacht zum Vollzug der Eucharistie. Nur so wird das apostolische Amt übertragen und dauert fort. Außerhalb der sakramentalen Ordnung hat keine Gemeinde die Vollmacht, es zu verleihen. Das Schreiben bedenkt auch die Situation der Gemeinden, die durch Verfolgungen oder andere Umstände über keinen, geweihten Amtsträger verfügen, um die Eucharistie zu feiern. Eines muß klar sein: Die Kirche kann nicht Lösungen in Erwägung ziehen, die der Lehre und der vom Herrn eingesetzten Ordnung widersprechen. Was solche bedauerlichen Fälle betrifft, so erinnert die Kirche die Gläubigen daran: „Durch ihr Verlangen nach dem Sakrament mit der Kirche vereint, sind sie, wenn auch äußerlich von ihr getrennt, zuinnerst und wirklich ganz mit ihr verbunden und empfangen daher die Früchte des Sakraments“ (III, 4). Es 1593 KON GREGA TIONEN fordert sie dann auf, darum zu beten, daß Gott, „der Herr der Ernte“, je nach den Bedürfnissen Arbeiter sende (vgl. Mt 9, 37 ff.), und sich mit allen Kräften dafür einzusetzen, daß der Ruf des Herrn zum priesterlichen Dienst in Großmut gehört und angenommen werde. Im übrigen werden die unabdingbare Erfüllung all dessen, was der Herr zum Aufbau seiner Kirche angeordnet hat, und der entschiedene Hinweis auf die geoffenbarte Lehre vom unersetzlichen Platz des Priesters auch dazu beitragen, die Priester im Wissen um ihre „Identität“ und ihre hohe Sendung zu bestärken, im christlichen Volk aber Berufungen zu diesem Dienst zu wecken. Das Schreiben ist aufgrund von Informationen durch Ortsbischöfe sowie aufgrund des Studiums von Schriften zu diesem Thema, die in verschiedenen Ländern veröffentlicht wurden, erarbeitet worden. Man kann hervorheben, daß es sich nur mit gewissen irrigen Meinungen befaßt und keinen besonderen Autor nennt. Es fällt unter die Aufgaben, die der Kongregation für die Glaubenslehre eigen sind (vgl. Integrae servandae, Nr. 4), und ist von dem Verfahren zu unterscheiden, das die Werke betrifft, die irrige und gefährliche Lehren enthalten, und das die Fühlungnahme mit den betroffenen Autoren einschließt (vgl. ebd. Nr. 5). Die Glaubenskongregation legt mit diesem Schreiben keine Neuerungen vor, sondern ruft die katholische Lehre in Erinnerung, die in früheren Dokumenten des kirchlichen Lehramtes definiert oder gelehrt worden ist. Da es sich sodann um ein von der Kongregation für die Glaubenslehre -einem Hilfsorgan des höchsten Lehramtes - erlassenes und vom Römischen Papst approbiertes Dokument handelt, soll es von allen Gläubigen mit dem religiösen Gehorsam, den sie dem authentischen Lehramt der Kirche schulden, angenommen und befolgt werden. Da das Dokument mit aller Klarheit auf die katholische Position in der behandelten Frage hinweist, wird es auch Bedeutung für den ökumenischen Dialog besitzen. 1594 KONGREGA TIONEN Charta der Familienrechte vom Heiligen Stuhl allen Personen, Institutionen und Autoritäten vor gelegt, die mit der Sendung der Familie in der heutigen Welt befaßt sind (22. Oktober 1983) 1595 KON GREGA TIONEN Einführung Die „Charta der Familienrechte“ geht zurück auf eine Bitte, der Bischofssynode, die im Jahre 1980 über das Thema „Die Rolle der christlichen Familie in der modernen Welt“ in Rom stattgefunden hat (vgl. „Propo-sitio“ 42). Papst Johannes Paul II. hat sich in seinem Apostolischen Schreiben Familiäris consortio (Nr. 46) diesem Wunsch der Synode angeschlossen und den Heiligen Stuhl beauftragt, eine Charta der Familienrechte zu erarbeiten, um sie dann den zuständigen Behörden und Autoritäten vorzulegen. Es ist wichtig, Natur und Stil tder hier vorliegenden Charta richtig zu verstehen. Das D.okument ist keine Darlegung der Dogmatik und Moraltheologie von Ehe und Familie, obgleich es die kirchliche Auffassung zu diesem Bereich widerspiegelt. Auch ist es kein Verhaltenskodex für Personen und Institutionen, die mit solchen Fragen befaßt sind. Die Charta unterscheidet sich ferner von einer bloßen Erklärung theoretischer Prinzipien bezüglich der Familie. Seine Absicht ist vielmehr, den heutigen Menschen — ob Christen oder .nicht - eine möglichst vollständige und geordnete Zusammenstellung der grundlegenden Rechte vorzulegen, die mit jener naturgegebenen und universellen Gemeinschaft verbunden sind, wie sie die Familie darstellt. Die in dieser Charta verkündigten Rechte sind im Gewissen des Menschen und in den gemeinsamen Werten der ganzen Menschheit enthalten. Der christliche Aspekt ist hierbei durch das Licht der göttlichen Offenbarung gegeben, welche die naturgegebene Wirklichkeit der Familie erhellt. Letztlich erwachsen diese Rechte jenem Gesetz, das vom Schöpfer dem Herzen jedes Menschen eingeschrieben worden ist. Die Gesellschaft ist aufgerufen, diese Rechte gegen alle Verletzungen zu verteidigen und sie in ganzem Umfang zu achten und zu fördern. Die Rechte, die hier dargelegt werden, müssen im spezifischen Sinn einer „Charta“ verstanden werden. In einigen Fällen verweisen sie auf echte, juristisch verbindliche Normen; in anderen Fällen enthalten sie grundlegende Forderungen und Prinzipien für eine entsprechende Konkretisierung durch die Gesetzgebung und für die Entwicklung einer Familienpolitik. In jedem Falle sind sie ein prophetischer Aufruf zugunsten der Familie, die geachtet und gegen jeden widerrechtlichen Zugriff verteidigt werden muß. 1596 KONGREGA TIONEN Fast alle diese Rechte sind bereits in anderen Dokumenten sowohl der Kirche wie auch der internationalen Gemeinschaft enthalten. Die vorliegende Charta versucht, sie weiter zu entfalten, klarer zu definieren und in einer zusammenhängenden, geordneten und systematischen Form darzustellen. Dem Text sind Angaben von „Quellen und Bezugsstellen“ beigefügt, denen einige der Formulierungen entnommen sind. Die „Charta der Familienrechte“ wird nun vom Heiligen Stuhl vorgelegt, dem zentralen und höchsten Leitungsorgan der katholischen Kirche. In diesem Dokument sind zahlreiche Anmerkungen und Gedanken verwertet worden, die in Beantwortung einer breiten Konsultation der Bischofskonferenzen der ganzen Kirche sowie von dafür zuständigen Fachleuten aus verschiedenen Kulturbereichen eingegangen sind. Die Charta richtet sich hauptsächlich an Regierungen. Indem die Charta zum Wohl der Gesellschaft das gemeinsame Bewußtsein von den wesentlichen Rechten der Familie erneut bekräftigt, bietet sie allen, die für das Gemeinwohl Verantwortung tragen, ein Modell und eine Grundlage für die Erarbeitung einer entsprechenden Gesetzgebung und Familienpolitik sowie eine Handreichung für konkrete Programme und Aktionen an. Zugleich legt der Heilige Stuhl dieses Dokument vertrauensvoll den überstaatlichen internationalen Organisationen vor, die in ihrer Zuständigkeit und Sorge für die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte die Verletzungen der fundamentalen Rechte der Familie nicht übersehen oder zulassen dürfen. Die Charta richtet sich natürlich auch an die Familien selbst. Sie möchte unter den Familien das Bewußtsein von der unersetzlichen Rolle und Stellung der Familie wieder stärken; sie will die Familien dazu anregen, sich zur Verteidigung und Förderung ihrer Rechte zusammenzuschließen; sie ermutigt die Familien, ihre Aufgaben so zu erfüllen, daß die Rolle der Familien in der heutigen Welt besser gewertet und anerkannt wird. Schließlich richtet sich die Charta an alle Männer und Frauen, damit sie sich mit allen Kräften dafür einsetzen, daß die Rechte der Familie geschützt werden und die Institution der Familie zum Wohl der heutigen und der zukünftigen Menschheit gestärkt werde. Durch die Vorlage dieser von den Vertretern des Weltepiskopates gewünschten Charta richtet der Heilige Stuhl einen besonderen Appell an alle Glieder und Institutionen der Kirche, die Überzeugung von der unersetzlichen Sendung der Familie klar kundzutun und darauf zu achten, daß Familien und Eltern die notwendige Unterstützung und Ermutigung erhalten, ihre gottgegebene Aufgabe zu erfüllen. 1597 KONGREGA TIONEN Charta der Familienrechte Präambel Im Bewußtsein, daß A. die Rechte der Person, selbst wenn sie als Rechte des einzelnen formuliert sind, eine grundlegende soziale Dimension haben, die ihren natürlichen und vitalen Ausdruck in der Familie findet; B. die Familie ihre Grundlage in der Ehe hat, dieser innigen Lebensgemeinschaft in gegenseitiger Ergänzung von Mann und Frau, die durch das frei übernommene und öffentlich bekundete unauflösliche Eheband gebildet wird und offen ist für die Weitergabe des Lebens; C. die Ehe die naturgegebene Institution ist, der allein die Aufgabe, das Leben weiterzugeben, anvertraut ist; D. die Familie, eine natürliche Gemeinschaft, vor dem Staat und jeder anderen Gemeinschaft besteht und aus sich heraus Rechte besitzt, die unveräußerlich sind; E. die Familie, die viel mehr ist als eine bloße juridische, soziale und ökonomische Einheit, eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität bildet, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft; F. die Familie der Ort ist, wo verschiedene Generationen Zusammenkommen und einander helfen, an menschlicher Weisheit zu wachsen und die Rechte des einzelnen mit den anderen Forderungen des sozialen Lebens zu verbinden; G. Familie und Gesellschaft, die in vitaler und organischer Weise miteinander verbunden sind, bei der Verteidigung und Förderung des Wohls der Menschheit und jeder einzelnen Person eine komplementäre Funktion haben; H. die Erfahrung verschiedener Kulturen im Laufe der Geschichte gezeigt hat, daß die Gesellschaft die Institution der Familie anerkennen und verteidigen muß; 1598 KONGREGA TIONEN I. die Gesellschaft und insbesondere der Staat und internationale Organisationen die^ Familie durch politische, ökonomische, soziale und juristische Maßnahmen schützen müssen, die dahin zielen, die Einheit und Festigkeit der Familie zu stärken, damit sie ihre besondere Funktion erfüllen kann; J. die Rechte, die grundlegenden Bedürfnisse, das Wohlergehen und die Werte der Familie, obwohl in einigen Fällen in zunehmendem Maße gesichert, doch oft nicht beachtet und nicht selten durch Gesetze, Institutionen und gesellschaftlich-wirtschaftliche Programme untergraben werden; K. viele Familien gezwungen sind, in ärmlichen Verhältnissen zu leben, die sie daran hindern, ihre Aufgaben in Würde zu erfüllen; L. die katholische Kirche in der Erkenntnis, daß das Wohl der Person, der Gesellschaft und der Kirche selbst auf dem Weg über die Familie erreicht wird, es immer für einen Tel ihrer Sendung angesehen hat, allen den Plan Gottes, wie er für Ehe und Familie der menschlichen Natur eingeschrieben ist, zu verkünden, diese beiden Institutionen zu fördern und sie gegen alle zu verteidigen, die sie angreifen; M. die Bischofssynode des Jahres 1980 ausdrücklich empfohlen hat, eine Charta der Familienrechte zu erarbeiten und allen zuständigen Stellen zuzuleiten, legt der Heilige Stuhl nach Einholung des Rates der Bischofskonferenzen nun diese Charta der Familienrechte vor und bittet alle Staaten und internationalen Organisationen, alle interessierten Institutionen und Personen dringend, die Achtung vor diesen Rechten zu fördern und ihre tatsächliche Beachtung und Einhaltung zu gewährleisten. Artikel 1 Alle Personen haben das Recht, ihren Lebensstand frei zu wählen und so entweder zu heiraten und eine Familie zu gründen oder ehelos zu bleiben. a) Jeder Mann und jede Frau, die das heiratsfähige Alter erreicht und die notwendige Eignung hat, hat das Recht, ohne jegliche Diskriminie- 1599 KONGREGA TIONEN rang zu heiraten und eine Familie zu gründen; gesetzliche Einschränkungen für die Ausübung dieses Rechtes, ob von dauerhafter oder zeitlich begrenzter Art, dürfen nur eingeführt werden, wenn schwere und objektive Erfordernisse der Eheinstitution selbst und ihrer sozialen und öffentlichen Bedeutung dies verlangen; solche Einschränkungen müssen dabei auf jeden Fall die Würde und die Grundrechte der Person respektieren. b) Diejenigen, welche heiraten und eine Familie gründen möchten, haben das Recht, von der Gesellschaft die moralischen, erzieherischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen zu erwarten, die es ihnen ermöglichen, ihr Recht auf Heirat in aller Reife und Verantwortlichkeit auszuüben. c) Der Wert der Ehe als Institution soll von den staatlichen Autoritäten hochgehalten werden; die Situation nichtverheirateter Paare darf nicht mit einer gültig geschlossenen Ehe gleichgesetzt werden. Artikel 2 Eine Ehe darf nur geschlossen werden aufgrund der freien und vollen Zustimmung, die die Brautleute in gebührender Form bekunden. a) Bei allem schuldigen Respekt vor der traditionellen Rolle der Familien in einigen Kulturen, die Kinder bei ihrer Entscheidung anzuleiten, muß doch jeder Druck, der die Wahl einer bestimmten Person als Ehepartner behindern würde, vermieden werden. b) Die zukünftigen Eheleute haben das Recht auf ihre religiöse Freiheit. Darum ist es eine Verletzung dieses Rechtes, als vorgängige Bedingung für eine Eheschließung eine Verleugnung des Glaubens oder das Bekenntnis eines Glaubens, der ihrem Gewissen widerspricht, zu verlangen. c) Die Eheleute haben im Rahmen der natürlichen Komplementarität, wie sie zwischen Mann und Frau besteht, dieselbe Würde und gleiche Rechte im Hinblick auf ihre Ehe. Artikel 3 Die Eheleute haben das unveräußerliche Recht, eine Familie zu gründen und über den zeitlichen Abstand der Geburten und die Zahl ihrer Kinder 1600 KONGREGA TIONEN zu entscheiden; dabei müssen sie ihre Verpflichtungen gegenüber sich selbst, den bereits geborenen Kindern, der Familie und der Gesellschaft voll berücksichtigen, und dies in einer rechten Hierarchie der Werte und in Übereinstimmung mit der objektiven moralischen Ordnung, die Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung ausschließt. d) Die Aktivitäten öffentlicher Autoritäten und privater Organisationen, die in irgendeiner Weise versuchen, die Freiheit der Ehepaare in der Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder einzuschränken, stellen eine schwere Verletzung der menschlichen Würde und Gerechtigkeit dar. b) In den internationalen Beziehungen darf Wirtschaftshilfe für die Entwicklung der Völker nicht an die Annahme von Programmen für Empfängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung gebunden werden. c) Die Familie hat ein Recht auf Unterstützung durch die Gesellschaft bei der Geburt und Erziehung von Kindern. Jene Ehepaare, die eine große Familie haben, haben ein Recht auf angemessene Hilfe und sollten keiner Diskrimination ausgesetzt werden. Artikel 4 Menschliches Leben muß vom Augenblick der Empfängnis an absolut geachtet und geschützt werden. a) Abtreibung ist eine direkte Verletzung des grundlegenden Lebensrechtes des Menschen. b) Die Achtung vor der Würde des Menschen schließt alle experimentelle Manipulation und Verwertung des menschlichen Embryos aus. c) Alle Eingriffe in das genetische Erbe der menschlichen Person, die nicht auf die Korrektur von Anomalien abzielen, stellen eine Verletzung des Rechtes auf körperliche Integrität dar und widersprechen dem Wohl der Familie. d) Kinder haben vor und nach der Geburt ein Recht auf besonderen Schutz und Beistand, wie die Mutter sie ihnen während der Schwangerschaft und einer angemessenen Zeitspanne nach der Geburt leistet. e) Alle Kinder, ob ehelich oder außerehelich geboren, haben dasselbe Recht auf sozialen Schutz für ihre volle persönliche Entfaltung. 1601 KONGREGA TIONEN f) Waisen oder Kinder, die des Beistandes ihrer Eltern oder Pflegeeltern entbehren, müssen von seiten der Gesellschaft einen besonderen Schutz erhalten. Im Hinblick auf ein Pflegeverhältnis oder auf Adoption muß der Staat für eine Gesetzgebung sorgen, die es geeigneten Familien erleichtert, Kinder in ihr Heim aufzunehmen, die dauernde oder zeitweilige Sorge brauchen, und die zugleich die natürlichen Rechte der Eltern achtet. g) Behinderte Kinder haben das Recht, zu Hause und in der Schule eine für ihre Entwicklung günstige Umgebung zu finden. Artikel 5 Weil sie ihren Kindern das Leben geschenkt haben, besitzen die Eltern das ursprüngliche, erste und unveräußerliche Recht, sie zu erziehen; darum müssen sie als die ersten und vorrangigen Erzieher ihrer Kinder anerkannt werden. a) Eltern haben das Recht, ihre Kinder in Übereinstimmung mit ihren moralischen und religiösen Überzeugungen zu erziehen und dabei die kulturellen Traditionen ihrer Familie zu berücksichtigen, die Wohl und Würde des Kindes fördern; sie sollten auch die notwendige Hilfe und Unterstützung der Gesellschaft erhalten, um ihre Erziehungsaufgabe richtig zu erfüllen. b) Eltern haben das Recht, Schulen und andere Hilfsmittel frei zu wählen, die notwendig sind, um die Kinder in Übereinstimmung mit ihren Überzeugungen zu erziehen. Staatliche Autoritäten müssen sicherstellen, daß die staatlichen Unterstützungen so zugeteilt werden, daß die Eltern dieses Recht wirklich frei ausüben können, ohne ungerechtfertigte Lasten tragen zu müssen. Es dürfte nicht sein, daß Eltern direkt oder indirekt Sonderlasten tragen müssen, die die Ausübung dieser Freiheit unmöglich machen oder in ungerechter Weise einschränken würden. c) Eltern haben das Recht auf Gewähr, daß ihre Kinder nicht gezwungen werden, Schulklassen zu besuchen, die nicht in Übereinstimmung stehen mit ihren eigenen moralischen und religiösen Überzeugungen. Insbesondere die Geschlechtserziehung - die ein Grundrecht der Eltern darstellt — muß immer unter ihrer aufmerksamen Führung geschehen, ob zu Hause oder in Erziehungseinrichtungen, die von ihnen ausgewählt und kontrolliert werden. 1602 KONGREGA TIONEN d) Die Elternrechte werden verletzt, wenn der Staat eine verpflichtende Erziehungsform auferlegt, bei der alle religiöse Bildung ausgeschlossen ist. e) Das vorrangige Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, muß in allen Formen des Zusammenwirkens zwischen Eltern, Lehrern und Schulleitung gewahrt bleiben, insbesondere bei Mitwirkungsformen, die den Bürgern in praktischen Schulfragen und in der Formulierung und Konkretisierung von Erziehungsprogrammen eine Stimme geben wollen. f) Die Familie hat das Recht zu erwarten, daß die Kommunikationsmittel als positive Instrumente für den Aufbau der Gesellschaft wirken und die grundlegenden Werte der Familie stärken. Zugleich hat die Familie das Recht, vor allem im Hinblick auf ihre jüngsten Mitglieder, vor den negativen Einflüssen und den Mißbräuchen der Massenkommunikationsmittel angemessen beschützt zu werden. Artikel 6 Die Familie hat das Recht, als Familie zu leben und sich zu entfalten. a) Die staatlichen Autoritäten müssen die Würde, gesetzliche Unabhängigkeit, Privatsphäre, Einheit und Festigkeit jeder Familie achten und fördern. b) Ehescheidung ist ein Angriff auf die Institution selbst von Ehe und Familie. c) Dort, wo das System der Großfamilie existiert, sollte es weiterhin hochgeschätzt und darin unterstützt werden, seine traditionelle Rolle der Solidarität und des gegenseitigen Beistandes noch besser zu verwirklichen; gleichzeitig sollten jedoch die Rechte der Kernfamilie und die Personwürde jedes Familienmitgliedes geachtet werden. Artikel 7 Jede Familie hat das Recht, unter Anleitung der Eltern zu Hause ihr eigenes religiöses Leben zu führen, sowie das Recht, den Glauben öffentlich zu bekennen und zu verbreiten, am öffentlichen Gottesdienst und an frei gewählten Programmen religiöser Unterweisung teilzunehmen, ohne dadurch benachteiligt zu werden. 1603 KONGREGA TIONEN Artikel 8 Die Familie hat das Recht, ihre soziale und politische Funktion beim Aufbau der Gesellschaft auszuüben. a) Familien haben das Recht, Vereinigungen mit anderen Familien und Institutionen zu bilden, um die Aufgaben der Familie in geeigneter und wirksamer Weise zu erfüllen sowie ihre Rechte zu schützen, ihr Wohlergehen zu fördern und ihre Interessen zu vertreten. b) Auf wirtschaftlichem, sozialem, juristischem und kulturellem Gebiet muß die rechtmäßige Rolle der Familien und Familienverbände für die Planung und Entwicklung von Programmen, die das Familienleben berühren, anerkannt werden. Artikel 9 Familien haben ein Recht, von den staatlichen Autoritäten eine angemessene Familienpolitik auf juristischem, wirtschaftlichem, sozialem und steuerrechtlichem Gebiet erwarten zu können, die jedwede Benachteiligung ausschließt. a) Familien haben ein Recht auf wirtschaftliche Bedingungen, die ihnen einen Lebensstandard sichern, der ihrer Würde und ihrer vollen Entwicklung entspricht. Sie sollten nicht daran gehindert werden, privates Eigentum zu erwerben und zu besitzen, um ein stabiles Familienleben zu fördern; die Gesetze über Erbschaft und Eigentumsübertragung müssen die Bedürfnisse und Rechte der Familienmitglieder beachten. b) Familien haben ein Recht auf soziale Unterstützung bei besonderen Bedürfnissen, wie besonders beim vorzeitigen Tod eines oder beider Elternteile, im Falle, daß ein Ehepartner im Stich gelassen wird, bei Unfall, Krankheit oder Invalidität, bei Arbeitslosigkeit oder wenn immer die Familie aus Gründen des hohen Alters, von körperlicher oder geistiger Behinderung oder wegen der Kindererziehung Sonderlasten für ihre Mitglieder tragen muß. c) Die älteren Menschen haben das Recht, in ihrer eigenen Familie oder, wenn dies nicht möglich ist, in geeigneten Einrichtungen eine Umgebung zu finden, die es ihnen ermöglicht, ihre späten Lebensjahre in 1604 KONGREGA EIGNEN Ruhe und Gelassenheit zu verbringen und dabei solche Dinge zu tun, die mit ihrem Alter vereinbar sind und die sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen lassen: d) Die Rechte und Bedürfnisse der Familie, vor allem der Wert der Einheit der Familie, müssen im Strafrecht und in der entsprechenden Politik berücksichtigt werden, und zwar derart, daß ein Strafgefangener im Kontakt mit seiner Familie bleibt und die Familie während der Zeit der Strafverbüßung angemessen unterstützt wird. Artikel 10 Familien haben ein Recht auf eine soziale und wirtschaftliche Ordnung, in der die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse es den Familienmitgliedern gestattet; zusammenzuleben, und nicht die Einheit, das Wohlergehen, die Gesundheit und den Zusammenhalt der Familie behindert, sondern sogar die Möglichkeit gemeinsamer Erholung bietet.1 a) Der Arbeitslohn muß hinreichend sein, um eine Familie in würdiger Weise gründen: und unterhalten zu können, und dies entweder durch eine angemessene Bezahlung, „Familienlohn“ genannt, oder durch andere soziale Maßnahmen wie Familienzuschüsse oder ein Entgelt für die Hausarbeit eines Elternteils;■ der Arbeitslohn sollte so bemessen sein, daß Mütter nicht zur Arbeit außerhalb des Hauses genötigt werden, zum Nachteil des Familienlebens und vor allem der Kindererziehung. b) Die Arbeit der Mutter im Haus muß wegen ihres Wertes für Familie und Gesellschaft anerkannt und geachtet werden. Artikel 11 Die Familie hat das Recht auf eine menschenwürdige Wohnung, die für das Familienleben geeignet ist und der Zahl der Familienmitglieder entspricht, in einer äußeren Umgebung, in der die Grunddienste für das Leben von Familie und Gemeinschaft gewährleistet sind. 1605 KONGREGA TIONEN Artikel 12 Eingewanderte Familien haben das Recht auf denselben Schutz, wie er den anderen Familien gewährt wird. a) Die Familien der Einwanderer haben das Recht, daß ihre eigene Kultur geachtet wird und daß sie Unterstützung und Beistand erhalten für ihre Integration in die Gesellschaft, zu deren Wohl sie beitragen. b) Gastarbeiter haben das Recht, so bald wie möglich mit ihrer Familie Zusammenleben zu können. c) Flüchtlinge haben das Recht auf Unterstützung durch staatliche Autoritäten und internationale Organisationen, damit die Zusammenführung ihrer Familien erleichtert wird. 1606 KONGREGATIONEN Quellen und Bezugsstellen Präambel A. Rerum Novarum, 9; Gaudium et Spes, 24. B. Pacem in Terris, Teil I; Gaudium et Spes, 48 und 50; Familiaris Consortio, 19; Codex Iuris Canonici, 1056. C. Gaudium et Spes, 50; Humanae Vitae, 12; Familiaris Consortio, 28. D. Rerum Novarum, 9 und 10; Familiaris Consortio, 45. E. Familiaris Consortio, 43. F. Gaudium et Spes, 52; Familiaris Consortio, 21. G. Gaudium et Spes, 52; Familiaris Consortio, 42 und 45. I. Familiaris Consortio, 45. J. Familiaris Consortio, 46. K. Familiaris Consortio, 6 und 77. L. Familiaris Consortio, 3 und 46. M. Familiaris Consortio, 46. Artikel 1 Rerum Novarum, 9; Pacem in Terris, Teil I; Gaudium et Spes, 26; Universal Declaration of Human Rights, 16,1. a) Codex Iuris Canonici, 1058 und 1077; Universal Declaration, 16, 1. b) Gaudium et Spes, 52; Familiaris Consortio, 81. c) Gaudium et Spes, 52; Familiaris Consortio, 81 und 82. Artikel 2 Gaudium et Spes, 52; Codex Iuris Canonici, 1057; Universal Declaration, 16, 2. a) Gaudium et Spes, 52. b) Dignitatis Humanae, 6. c) Gaudium et Spes, 49; Familiaris Consortio, 19 und 22; Codex Iuris Canonici, 1135; Universal Declaration, 16, 1. Artikel 3 Populorum Progressio, 37; Gaudium et Spes, 50 und 87; Humanae Vitae, 10; Familiaris Consortio, 30 und 46. 1607 KONGREGATIONEN a) Familiaris Consortio, 30. b) Familiaris Consortio, 30. c) Gaudium et Spes, 50. Artikel 4 Gaudium et Spes, 51; Familiaris Consortio, 26. a) Humanae Vitae, 14; Kongregation für die Glaubenslehre, Erklärung zur Abtreibung, 18. November 1974; Familiaris Consortio, 30. b) Papst Johannes Paul II., Grußwort an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften, 23. Oktober 1982. c) Universal Declaration, 25, 2; Convention on the Rights of the Child, Präambel und 4. d) Universal Declaration, 25, 2. e) Familiaris Consortio, 41. f) Familiaris Consortio, 77. Artikel 5 Divini Illius Magistri, 27-34; Gravissimum Educatiönis, 3; Familiaris Consortio, 36; Codex Iuris Canonici, 793 und 1136. a) Familiaris Consortio, 46. b) Graviisimum Educatiönis, 1; Dignitatis Humanae, 5; Papst Johannes Paul 11.,'Religious Freedom'ähd the Helsinki Final Act (Brief an die Staatsoberhäupter der Staaten, die die Schlußakte von Helsinki Unterzeichneten), 4 b; Familiaris Consortio, 40; Codex Iuris Canonici, 191. c) Dignitatis Humanae, 5; Familiaris Consortio, 37 und 40. d) Dignitatis Humanae, 5; Familiaris Consortio, 40. e) Familiaris Consortio, 40; Codex Iuris Canonici, 796. f) Päpst Paul VI., Botschaft zum III. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel, 1969; Familiaris Consortio, 76. Artikel 6 Familiaris Consortio, 46. a) Rerum Novarum, 10; Familiaris Consortio, 46; International Covenant on Civil and Political Rights, 17. b) Gaudium et Spes, 48 und 50. 1608 KONGREGA TIONEN Artikel 7 Dignitatis Humanae, 5; Religious Freedom and the Helsinki Final Act, 4 b; International Covenant on Civil and Political Rights, 18. Artikel 8 Familiaris Consortio, 44 und 48. a) Apostolicam Actuositatem, 11; Familiaris Consortio, 46 und 72. b) Familiaris Consortio, 44 und 45. Artikel 9 Laborem Exercens, 10 und 19; Familiaris Consortio, 45; Universal Declaration, 16, 3 und 22; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 10, 1. a) Mater et Magistra, Teil II; Laborem Exercens, 10; Familiaris Consortio, 45; Universal Declaration, 22 und 25; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 7, a, ii. b) Familiaris Consortio, 45 und 46; Universal Declaration, 25, 1; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 9, 10, 1 und 10, 2. c) Gaudium et Spes, 52; Familiaris Consortio, 27. Artikel 10 Laborem Exercens, 19; Familiaris Consortio, 77; Universal Declaration, 23, 3. a) Laborem Exercens, 19; Familiaris Consortio, 23 und 81. b) Familiaris Consortio, 23. Artikel 11 Apostolicam Actuositatem, 8; Familiaris Consortio, 81; International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, 11, 1. Artikel 12 Familiaris Consortio, 77; European Social Charter, 19. 1609 KONGREGA TIONEN ,, Urteil der Kirche unverändert“ Erklärung der Glaubenskongregation zur Freimaurerei Es wurde die Frage gestellt, ob sich das Urteil der Kirche über die Freimaurerei durch die Tatsache geändert hat, daß der neue CIC sie nicht ausdrücklich erwähnt wie der frühere. Diese Kongregation ist in der Lage zu antworten, daß diesem Umstand das gleiche Kriterium der Redaktion zugrunde liegt wie für andere Vereinigungen, die gleichfalls nicht erwähnt wurden, weil sie in breitere Kategorien eingegliedert sind. Das negative Urteil der Kirche über die freimaurerischen Vereinigungen bleibt also unverändert, weil ihre Prinzipien immer als unvereinbar mit der Lehre der Kirche betrachtet wurden und deshalb der Beitritt zu ihnen verboten bleibt. Die Gläubigen, die freimaurerischen Vereinigungen angehören, befinden sich also im Stand der schweren Sünde und können nicht die heilige Kommunion empfangen. Autoritäten der Ortskirche steht es nicht zu, sich über das Wesen freimaurerischer Vereinigungen in einem Urteil zu äußern, das das oben Bestimmte außer Kraft setzt, und zwar in Übereinstimmung mit der Erklärung dieser Kongregation vom 17. Februar 1981 (vgl. AAS 73/ 1981; S. 240-241). Papst Johannes Paul II. hat diese Erklärung, die in der ordentlichen Sitzung dieser Kongregation beschlossen wurde, bei der dem Unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz bestätigt und ihre Veröffentlichung angeordnet. Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, 26. November 1983 Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt Erzbischof Jerome Hamer, O.P. Sekretär 1610 KONGREGA TIONEN Die Spaltungen und Spannungen dieser Welt überwinden Botschaft der Bischofssynode zum Thema „Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche“ vom 27. Oktober Aus der Tiefe des menschlichen Herzens steigt unablässig ein Flehen um Befreiung von der Angst und der Suche nach voller Selbstverwirklichung empor. Wir Bischöfe aus allen Teilen der Welt, mit dem Heiligen Vater in der Synode versammelt, sind euch in Schmerz und Hoffnung verbunden. In unseren Überlegungen haben wir die Übel dieser Welt nicht übersehen, die dem Menschen wahre Befreiung und die Fülle menschlichen Lebens vorenthalten. Insbesondere bedauern und verurteilen wir: - daß Menschenrechte verweigert, die Menschenwürde beeinträchtigt und Hilflose in ihrer Freiheit bedroht werden; - daß die Religionsfreiheit eingeschränkt ist und den Gläubigen nicht erlaubt wird, ihre Pflichten und Aufgaben zu erfüllen; - daß Menschen wegen ihrer Rasse diskriminiert werden; - daß kriegerische Aggression, Gewalt und Terrorismus um sich greifen; - daß Rüstungsmaterial, insbesondere Kernwaffen angehäuft werden und ein skandalöser Waffenhandel stattfindet; - daß Strukturen bestehen, die die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer machen. In unserer Welt bereitet sich die Ungerechtigkeit aus, und der Friede wird immer unsicherer. Doch niemals sollte die Hoffnung verlöschen. Trotz der Tiefe dieser Wunden hört das menschliche Herz nie auf, sich nach Leben und Liebe zu sehnen. Aber das menschliche Herz ist in sich selbst gespalten und von der Sünde gezeichnet. Grausamkeit und Ungerechtigkeit unserer Gesellschaft haben nicht zuletzt darin ihre Ursache. Das Wort Gottes spricht zur Menschheit über deren Nöte und Hoffnungen. Es ruft dazu auf, uns zu besinnen und zu Gott zurückzukehren. Das Wort des Herrn, das er zu Beginn seines Heilswirkens sprach, richtet sich gerade in diesem Heiligen Jahr der Erlösung mit besonderer Dringlichkeit an Glaubende und Nichtglaubende: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1, 15). Dieses Wort ruft uns auf zu Buße und Bekehrung des Herzens, zur Bitte um Vergebung und so zur Versöhnung mit dem Vater. Der Plan und 1611 KONGREGA TIONEN Ratschluß des Vaters für uns Menschenkinder ist, daß wir wie eine Familie in Gerechtigkeit und Wahrheit, in Freiheit und Liebe leben. Das Wort Gottes führt uns ein in das Geheimnis seiner Liebe und damit in; das Verständnis des Herrengebotes im Evangelium: Wir sollen ihn und unseren Nächsten lieben wie uns selbst. So erfüllen wir gemeinsam mit der ganzen Kirche den uns von Christus übertragenen Sendungsauftrag, eine gespaltene und zerrissene Welt zu heilen, zu. versöhnen, zu einigen und so eine Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufzubauen. Als Christen bitten wir zunächst um Vergebung unserer eigenen Sünden und Verfehlungen, die Ursache so vieler Spaltungen sind. Hirten und Gläubige gemeinsam erfüllen diesen Sendungsauftrag im Namen Christi. Nach seinem Beispiel identifizieren wir uns mit den Armen, den Leidenden, den Unterdrückten, mit der ganzen Menschheit. Die ganze Welt muß mehr und mehr zu einer versöhnten Völkergemeinschaft werden. Als Sakrament der Versöhnung für die Welt muß die Kirche ein echtes und wirksames Zeichen des göttlichen Erbarmens sein. Das göttliche Vergeben feiern und empfangen wir vornehmlich im Sakrament der Versöhnung; es läßt uns seine heilende Liebe erkennen. Dieses Sakrament stellt die persönliche Verbundenheit des einzelnen mit Gott wieder her und festigt sie; es macht uns frei für seinen Dienst. Die persönliche Heiligung wächst mit Beten, Fasten und Almosengeben. Sie braucht als unerläßliche Ergänzung das gläubige und geduldige Ertragen der täglichen Mühsal. Die Kraft des Heiligen Geistes ist gerade in der heutigen Zeit spürbar. Er ruft zu radikaler Erneuerung des Herzens und zur Einheit im Glauben; Das Zweite Vatikanische Konzil hat klar gesagt, was getan werden muß, damit sich der Plan Gottes für sein Volk in dieser unserer Zeit erfüllt. Wenn wir diesem Sendungsauftrag entsprechen wollen, müssen wir ein Herz und eine Seele sein. Deswegen rufen wir alle Getauften auf, gemeinsam den Weg zur sichtbaren christlichen Einheit zu suchen, indem sich alle nach der Wahrheit des Evangeliums richten. Wir möchten mit den anderen Religionen und mit allen Menschen guten Willens zum Wohl der gesamten Menschheit Zusammenarbeiten. Dazu rufen wir nicht in eigenem Namen auf. „Wir sind Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt; wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5, 20). Die Kirche möchte helfen, die Spaltungen und Spannungen dieser Welt zu überwinden. Auch wir werden uns unermüdlich für Frieden und Abrüstung und insbesondere für die Entspannung zwischen Ost und West einsetzen. Wir haben keine politische Macht; dennoch kann auch durch 1612 KONGREGA TIONEN uns die bange Sehnsucht ihrer Völker nach einer sicheren und friedlicheren Welt zu den Verantwortlichen der Nationen getragen werden. Die Kirche kann sich nicht mit wirtschaftlichen und politischen Strukturen abfinden, die Unrecht andauem lassen. Wir werden z. B. unseren ganzen Einfluß geltend machen, die Ungleichheit zwischen Nord und Süd auszugleichen. Die Kirche fordert, vor allem durch die Stimme des Heiligen Vaters, unaufhörlich Gerechtigkeit und Frieden in unserer Gesellschaft. Die Bischofssynode weiß sehr wohl, daß viele Menschen den Willen, aber nicht die Macht haben, die Dinge zu ändern. Deswegen appellieren wir an die Machthaber, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um uns das Leben in einer gerechteren und friedvolleren Gesellschaft zu ermöglichen. 1613 KONGREGA TIONEN Orientierung zur Erziehung in der menschlichen Liebe Hinweise zur geschlechtlichen Erziehung Kongregation für das katholische Bildungswesen (1. Dezember 1983) 1615 KONGREGA TIONEN Einleitung Verwirklichung der Weisungen des Konzils 1. Die harmonische Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit läßt die Gottebenbildlichkeit des Menschen immer deutlicher aufscheinen. „Die wahre Erziehung erstrebt die Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel.“1 Im Zusammenhang mit der christlichen Erziehung spricht das II. Vatikanische Konzil von der Notwendigkeit, die Kinder und Jugendlichen „durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung zu unterweisen“2. Die Kongregation für das katholische Bildungswesen hält es für ihre Pflicht, im Rahmen ihrer Zuständigkeit ihren Beitrag für die Verwirklichung der Konzilserklärung zu leisten, wie ihn einige Bischofskonferenzen für ihr Gebiet bereits geleistet haben. Thema des Dokumentes 2. Dieses Dokument entstand mit Hilfe von Fachleuten in Erziehungsfragen und wurde vielen zur Begutachtung vorgelegt. Sein Ziel ist, die pädagogische Seite der geschlechtlichen Erziehung zu beleuchten und geeignete Hinweise für die ganzheitliche Formung des Christen, je nach seiner Berufung, zu geben. Überall sind die jeweils zutreffenden Grundsätze der Glaubens- und Sittenlehre vorausgesetzt, auch wenn sie nicht jedesmal ausdrücklich genannt werden. Anpassung an die verschiedenen Länder 3. Die Kongregation für das katholische Bildungswesen ist sich der kulturellen und sozialen Unterschiede zwischen den verschiedenen Ländern bewußt. Darum bedürfen diese Hinweise der Anpassung an die pastoralen Erfordernisse der Ortskirche durch die Bischofskonferenzen. 1616 KONGREGA TIONEN Die Bedeutung der Geschlechtlichkeit Wichtige Rolle der Geschlechtlichkeit in der Erziehung 4. Die Geschlechtlichkeit ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit; sie ist eine ihrer Weisen zu sein, sich kundzutun, in Beziehung zu anderen zu treten, menschliche Liebe zu empfinden, auszudrücken und zu leben. Sie gehört zur Entfaltung der Persönlichkeit und ihrem Reifungs-weg in der Erziehung: „Aus dem Geschlecht nämlich ergeben sich die besonderen Merkmale, die die menschliche Person im biologischen, psychologischen und geistigen Bereich als Mann und Frau bestimmen. Diese haben somit einen sehr großen Einfluß auf ihren Reifungsprozeß und ihre Einordnung in die Gesellschaft.“3 Geschlechtlichkeit und geschlechtliche Vereinigung 5. Die Geschlechtlichkeit kennzeichnet Mann und Frau nicht nur im Biologischen, sondern auch im Psychologischen und Geistigen und prägt sie in jedem Vollzug ihres Lebens. Diese Verschiedenheit zusammen mit der gegenseitigen Ergänzung der beiden Geschlechter entspricht voll und ganz dem Plan Gottes je nach der Berufung eines jeden. Die geschlechtliche Vereinigung, hingeordnet auf die Weitergabe des Lebens, ist auf der Ebene des Leiblichen der höchste Ausdruck der Einheit in der Liebe zwischen den Ehegatten. Herausgerissen aus diesem Zusammenhang gegenseitigen Schenkens, welches für den Christen durch die Gnade Gottes besonders getragen und bereichert ist, verliert diese Vereinigung ihren Sinn, verfällt der Ichsucht des einzelnen und stellt eine sittliche Unordnung dar4. Ausrichtung der Geschlechtlichkeit an der Liebe 6. Die Geschlechtlichkeit, welche Ausrichtung, Überhöhung und Ergänzung von der Liebe erfährt, wird zu etwas wahrhaft Menschlichem. Im Rahmen der biologischen und psychologischen Entwicklung kommt sie zu harmonischem Wachstum und erfüllter Verwirklichung nur bei allmählicher Erlangung der affektiven Reife, deren Ausweis selbstlose Liebe und Hingabe ohne jeden Vorbehalt ist. 1617 KON GREGA TIONEN Die gegenwärtige Lage Gefahr der Orientierungslosigkeit 7. Im Denken über die geschlechtliche Erziehung lassen sich heute, auch unter Christen, beachtliche Unterschiede feststellen. In der gegenwärtigen Orientierungslosigkeit auf sittlichem Gebiet besteht sowohl die Gefahr eines schädlichen Konformismus wie auch von Vorurteilen, welche das innerste Wesen des Menschen, das aus der Hand des Schöpfers unversehrt hervorging, verkennen. Notwendigkeit der geschlechtlichen Erziehung 8. Als Antwort auf diese Lage wird von verschiedenen Seiten eine geeignete geschlechtliche Erziehung befürwortet. Aber wenn man auch theoretisch von deren Notwendigkeit weitgehend überzeugt ist, so bleiben im Praktischen noch beträchtliche Unsicherheiten und Unterschiede sowohl hinsichtlich der Person und Einrichtungen, welche die Verantwortung in der Erziehung übernehmen sollen sowohl hinsichtlich des Inhalts und der Methoden. Oft nicht vorbereitet 9. Erzieher und Eltern sehen sich oft nicht hinreichend vorbereitet, eine angemessene geschlechtliche Erziehung zu geben. Die Schule ist häufig nicht in der Lage, eine Gesamtschau des Themas zu bieten; eine bloß naturwissenschaftliche Information bliebe unvollständig. Besondere Schwierigkeiten in manchen Ländern 10. Schwierigkeiten bestimmter Art finden sich in Ländern, in denen man sich der Dringlichkeit des Problems noch nicht bewußt ist oder meint, es löse sich von selbst — ohne besondere Erziehung. Schwierige Aufgabe 11. Ganz allgemein muß man zugeben, daß es sich um eine schwierige Aufgabe handelt, weil die im Erziehungsgeschehen zu berücksichtigenden Faktoren so vielfältig sind (physiologische, psychologische, pädagogische, sozio-kulturelle, juristische, sittliche und religiöse). 1618 KONGREGA TIONEN Lobenswerte Initiativen 12. Unter Billigung und Ermutigung der Ortsbischöfe haben katholische Einrichtungen vielerorts eine wertvolle Tätigkeit auf dem Gebiet der geschlechtlichen Erziehung begonnen. Ihr Ziel ist es nicht nur, den Kindern und Jugendlichen auf dem Weg zu psychischer und geistiger Reife zu helfen, sondern auch vor allem, sie auf die Gefahren einer oft orientierungslosen und herabziehenden Umwelt vorzubereiten. Mit wissenschaftlichem Emst 13. Lobende Erwähnung verdient auch das Bemühen jener, die sich dem Problem mit wissenschaftlichem Ernst gewidmet haben und, ausgehend von den Humanwissenschaften, die Ergebnisse solcher Untersuchungen in einen Lösungsvorschlag einbrachten, welcher der Würde des Menschen, wie sie im Evangelium aufleuchtet, gerecht wird. Die Erklärungen des Lehramts Der rechte Gesamtzusammenhang der geschlechtlichen Erziehung 14. In den Erklärungen des Lehramts zur geschlechtlichen Erziehung zeigt sich ein Fortschritt, der sowohl den berechtigten Erfordernissen der Geschichte als der Treue zur Überlieferung entspricht5. Das II. Vatikanische Konzü zeigt in der „Erklärung über die christliche Erziehung“ den Zusammenhang auf, in den sich die geschlechtliche Erziehung einordnen muß6 und betont das Recht der Jugend auf eine den persönlichen Bedürfnissen entsprechende Erziehung. Das Konzil erklärt: „Unter Verwertung der Fortschritte der psychologischen, der pädagogischen und der didaktischen Wissenschaft sollen also die Kinder und Jugendlichen in der harmonischen Entfaltung ihrer körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen so gefördert werden, daß sie allmählich ein tieferes Verantwortungsbewußtsein erwerben für ihr eigenes Leben und seine im Streben zu leistende Entfaltung und für das Wachsen in der wahren Freiheit, in der tapferen und beharrlichen Überwindung der widerstreitenden Kräfte. Nach den jeweiligen Altersstufen sollen sie durch eine positive und kluge Geschlechtserziehung unterwiesen werden.“7 1619 KONGREGATIONEN Die Familie: erste Stätte der Erziehung 15. Die Pastoralkonstitution „Gaudium et spes“ spricht von der Würde der Ehe und der Familie und bezeichnet die letztere als die vorzügliche Stätte der Erziehung der Jugendlichen zur Keuschheit8. Da diese aber ein Teil der Gesamterziehung ist, fordert sie die Zusammenarbeit der Erzieher mit den Eltern in der Erfüllung ihrer Sendung9. Diese Erziehung muß den Kindern und Jugendlichen in der Familie10 stufenweise und immer im Blick auf die Gesamtformung der Person zuteil werden. ... und der Erschließung wesentlicher Werte 16. Im Apostolischen Schreiben über die Sendung der christlichen Familie in der heutigen Welt spricht Papst Johannes Paul II. der geschlechtlichen Erziehung eine bedeutende Rolle zu, weil es da um einen Wert der Person geht. „Die Erziehung zur Liebe als Hingabe seiner selbst ist auch die unerläßliche Voraussetzung für die Eltern in ihrer Aufgabe, den Kindern eine klare und taktvolle Geschlechtserziehung zu vermitteln. Angesichts einer Kultur, die in weiten Kreisen die menschliche Geschlechtlichkeit ,banalisiert1, weil sie diese in verkürzter und verarmter Weise interpretiert und lebt, indem sie sie einzig mit dem Leib und dem egoistisch verstandenen Vergnügen in Verbindung setzt, muß der erzieherische Dienst der Eltern entschieden auf eine Kultur der Geschlechtlichkeit hinzielen, die wahrhaft und voll menschlich ist; die Geschlechtlichkeit ist ja ein Reichtum der ganzen Person — Leib, Gemüt und Seele — und zeigt ihre tiefste Bedeutung darin, daß sie die Person zur Hingabe ihrer selbst in der Liebe führt.“11 Unterstützung durch die Schule 17. Gleich anschließend spricht der Papst von der Verantwortung der Schule für diese Erziehung, die den Eltern dienen und mit ihnen abgestimmt sein muß. „Die Geschlechtserziehung, Grundrecht und -pflicht der Eltern, muß immer unter ihrer sorgsamen Leitung erfolgen, sei es zu Hause, sei es in den von ihnen für die Kinder gewählten Bildungsstätten, deren Kontrolle ihnen zusteht. In diesem Sinn betont die Kirche das Prinzip der Subsidiarität, das die Schule beobachten muß, wenn sie sich an der Geschlechtserziehung beteiligt; sie hat sich dabei vom gleichen Geist leiten zu lassen wie die Eltern.“12 1620 KONGREGA TIONEN Erziehung zur Keuschheit 18. Damit der Wert der .Geschlechtlichkeit zu seiner vollen Verwirklichung kommt, „ist die Erziehung zur Keuschheit völlig unverzichtbar“, welche die Person „befähigt, die bräutliche Bedeutung des Leibes zu achten und zu entfalten“13. Sie besteht in der Herrschaft über sich selbst, in der Fähigkeit, den Geschlechtstrieb auf den Dienst der Liebe hinzulenken und ihn in die Entfaltung der Person einzufügen. Die Keuschheit, eine Frucht der Gnade Gottes und unserer Mitwirkung, ist darauf ausgerichtet, die verschiedenen Bereiche der Person harmonisch zu verbinden und die Schwäche der von der Sünde gezeichneten menschlichen Natur zu überwinden, so daß jeder der ihm eigenen göttlichen Berufung zu folgen vermag. Im Bemühen um eine gute Erziehung zur Keuschheit werden „die christlichen Eltern ... - sollten sie die Zeichen einer göttlichen Berufung erkennen - der Erziehung zur Jungfräulichkeit eine besondere Aufmerksamkeit und Sorge widmen und in ihr die höchste Form jener Selbsthingabe sehen, welche den Sinn der menschlichen Geschlechtlichkeit bildet“14. Notwendiger Bezug zur sittlichen Norm 19. In den Lehräußerungen von Papst Johannes Paul II. hat die positive Betrachtung von Werten, die es zu entdecken und zu schätzen gilt, Vorrang vor einer Norm, die nicht verletzt werden darf. Dennoch deutet und formuliert die Norm die Werte, welche der Mensch erstreben muß. „Auf Grund der engen Verbindungen zwischen der geschlechtlichen Dimension der Person und ihren ethischen Werten“, so fährt der Papst fort, „muß die Erziehung die Kinder dazu führen, die sittlichen Normen als notwendige und wertvolle Garantie für ein verantwortliches persönliches Wachsen in der menschlichen Geschlechtlichkeit zu erkennen und zu schätzen. Deshalb wendet sich die Kirche entschieden gegen eine gewisse, vielfach verbreitete Art sexueller Information; losgelöst von sittlichen Grundsätzen, ist sie nichts anderes als eine Einführung in die Erfahrung des Vergnügens und ein Anreiz, der den Kindern — schon in den Jahren der Unschuld — ihre Unbefangenheit nimmt und den Weg des Uasters öffnet.“15 1621 KONGREGA TIONEN Adressaten des Dokumentes: die Erzieher 20. Dieses Dokument, das von der christlichen Sicht des Menschen ausgeht und die Grundsätze berücksichtigt, die in letzter Zeit vom kirchlichen Lehramt hervorgehoben wurden, möchte den Erziehern einige grundlegende Orientierungslinien anbieten über die geschlechtliche Erziehung sowie über Bedingungen und Verhaltensweisen, die in der Praxis zu berücksichtigen sind. 1622 KON GREGA TIONEN I. Einige grundlegende Prinzipien Christliche Erziehung im Glauben gegründet 21. Alle Erziehung ist von einem ganz bestimmten Menschenbild geprägt. Die christliche Erziehung zielt darauf ab, die umfassende Selbstverwirklichung des Menschen, der leibgebundener Geist ist, durch die Entfaltung seines Seins, seiner Natur- und Geistesgaben, mit denen er von Gott ausgestattet ist, zu fördern. Die christliche Erziehung ist im Glauben gegründet, der „alles mit neuem Licht überstrahlt und die Absichten Gottes mit der ganzheitlichen Berufung des Menschen offenbart“16. Christliche Auffassung von der Geschlechtlichkeit Der Leib offenbart den Sinn des Lebens 22. Die christliche Auffassung vom Menschen erkennt dem Leib eine einzigartige Funktion zu, verhilft er doch dazu, den Sinn des Lebens und der menschlichen Bestimmung offenzulegen. Die Leiblichkeit ist ja jene besondere Weise des Seins wie des Handelns, die dem menschlichen Geist eigentümlich ist. Diese Bedeutung ist zumal anthropologischer Natur: Der Leib erschließt den Menschen17, „er ist Ausdruck der Person“18, und ist darum die ursprünglichste Botschaft Gottes an den Menschen, gleichsam eine Art „Ursakrament, verstanden als ein Zeichen, welches inmitten der sichtbaren Welt das unsichtbare Geheimnis vermittelt, das von Ewigkeit her in Gott verborgen ist“19. ... die Liebe Gottes 23. Daneben gibt es eine zweite Bedeutung, die theologaler Natur ist: Der Leib trägt dazu bei, Gott und seine Liebe als Schöpfer zu offenbaren, insoweit sie die Geschöpflichkeit des Menschen, seine Abhängigkeit von einem ursprünglichen Geschenk, welches Geschenk der Liebe ist, kundgibt. „Das ist der Leib: Zeugnis der Schöpfung als eines ursprünglichen Geschenks, Zeugnis also der Liebe als eines Quellgrundes, der alles Sich-Verschenken aus sich heraus entläßt.“20 1623 KONGREGA TIQNEN ... die Berufung zu gegenseitiger Hingabe 24. Der Leib, insoweit geschlechtsbestimmt, drückt die Berufung des Menschen zur Gegenseitigkeit aus, also zur Liebe und zum gegenseitigen Sich-Schenken21. ... und zur Fruchtbarkeit Schließlich erinnert der Leib Mann und Frau an ihre wesenhafte Berufung zur Fruchtbarkeit als einer der grundlegenden Bedeutungsgehalte ihrer Geschlechtlichkeit22. Mann und Frau verschieden zur gegenseitigen Ergänzung 25. Die Geschlechtsunterscheidung, welche als eine nähere Bestimmung des Menschseins erscheint, bedingt zwar Unterschiedlichkeit, dies aber in gleicher Natur und Würde23. Die menschliche Person fordert aufgrund ihrer innersten Natur eine Beziehung zum anderen: Das schließt Gegenseitigkeit der Liebe ein24. Die Geschlechter ergänzen einander. Sie sind einander ähnlich und unähnlich zur gleichen Zeit. Zwar sind sie nicht identisch, wohl aber gleichwertig im Blick auf die Würde der Person; gleichgeartet zu gegenseitigem Verstehen, sind sie doch verschieden zur gegenseitigen Ergänzung. Sie bilden eine Gemeinschaft der Liebe 26. Mann und Frau verwirklichen je auf ihre Weise eine bestimmte Teilhabe des menschlichen Geschöpfes am göttlichen Sein: Sie sind geschaffen nach „Gottes Gleichnis und Ebenbild“ und leben diese Berufung nicht nur als einzelne, sondern als Paar, als Gemeinschaft der Liebe25. Ausgerichtet auf Vereinigung und Fruchtbarkeit, haben Mann und Frau als Ehepartner an der schöpferischen Liebe Gottes teil; sie haben Lebensgemeinschaft mit Gott durch den anderen26. Die Sünde als Hindernis ehelicher Erfahrung 27. Die Sünde verdunkelt die ursprüngliche Unschuld, erschwert dem Menschen das Wahrnehmen dieser Botschaft. Deren Aufschlüsselung ist zum sittlichen Auftrag geworden, zum Gegenstand einer hochgradigen Leistung, die dem Menschen anvertraut ist: „Mann und Frau verloren 1624 KONGREGATIONEN nach der Ursünde die Gnade der ursprünglichen Unschuld. Den bräutlichen Sinngehalt des Leibes wahrzunehmen wurde nicht mehr einfachhin durch Offenbarung und Gnade gewährleistet. Trotzdem blieb dieser Sinngehalts dem Menschen als: Auftrag übertragen, und zwar vom sittlichen Anspruch jenes Geschenkes, das im Innersten des menschlichen Herzens eingeschrieben ist, gleichsam als entferntes Echo der ursprünglichen Unschuld.“27 In dieser Fähigkeit des Leibes, zugleich Zeichen und Weg sittlicher Berufung zu sein, kann man eine Ähnlichkeit zwischen diesem Leib und der sakramentalen Ordnung entdecken, die ihrerseits der konkrete Weg ist, auf dem Gnade und Heil den Menschen erreichen. Tendenz'zur -Abwertung des Geschlechtlichen 28. Weil der „geschichtliche“ Mensch versucht ist, Geschlechtlichkeit auf die sexuelle Erfahrung einzuschränken, gab es verständlicherw.eise Reaktionen, deren Anhegen es war, die Geschlechtlichkeit abzuwerten, so als ob sie natürlicherweise des Menschen unwürdig sei. Die vorhegenden Orientierungslinien wenden sich bewußt gegen eine derartige Entwertung. Christus: der vollkommene Mensch 29. „Nur im Geheimnis des menschgewordenen Wortes wird das Geheimnis des Menschen erhellt28, ergreift die menschliche Existenz in der Berufung zum ewigen Leben ihren vollen Sinngehalt. Nur in der Nachfolge Christi antwortet der Mensch auf diese Berufung und wird so im Vollsein Mensch; er schreitet fort, bis er den vollkommenen Menschen erreicht, nach dem Maß der vollen Reife in Christus.“29 Im Licht Christi: Ehe 30. Im Licht des Christusgeheimnisses erscheint uns die Geschlechtlichkeit als eine Berufung, jene Liebe zu üben, die der Geist Gottes in den Herzen der Erlösten ausgießt. Jesus Christus hat diese Berufung erhöht durch das Sakrament der Ehe. ... und Jungfräulichkeit 31. Zudem hat Jesus durch sein Wort und sein Beispiel die Berufung zur Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen aufgezeigt30. Die Jungfräulich- 1625 KONGREGA TIONEN keit ist Berufung zur Liebe: Sie macht das Herz freier, Gott zu lieben31. Das jungfräuliche Herz, frei von den Verpflichtungen ehelicher Liebe, kann darum verfügbarer sein für die selbstlose Bruderliebe. Die Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen drückt darum angemessener die Hingabe Christi an den Vater um der Brüder willen aus, sie bildet besser die Wirklichkeit des ewigen Lebens ab, welches ganz von Liebe durchdrungen ist32. Gewiß bedeutet die Jungfräulichkeit Verzicht auf den typischen Erweis ehelicher Liebe, aber dies mit dem Ziel, sich auf die Kraft selbstloser Hingabe an die anderen, welche der Geschlechtlichkeit eingestiftet ist, noch tiefer einzulassen und sich zugleich von der Kraft des Geistes bestärken und umwandeln zu lassen, der die Liebe zum Vater und zu den Brüdern lehrt, wie dies Jesus getan hat. Werte der Geschlechtlichkeit 32. Zusammenfassend läßt sich sagen: Die Geschlechtlichkeit ist eine Berufung, um eine Vielzahl von Werten auszudrücken, deren spezifische sittlichen Forderungen entsprechen. Ausgerichtet auf den zwischenmenschlichen Dialog, verhilft sie zur ganzheitlichen Reifung des Menschen, indem sie ihn offen macht für die liebende Hingabe seiner selbst. Im Rahmen der Schöpfungsordnung an die Fruchtbarkeit und Weitergabe des Lebens gebunden, ist sie dazu gerufen, auch dieser inneren Bestimmung treu zu sein. Liebe und Fruchtbarkeit sind gemeinhin Sinngehalte und Werte der Geschlechtlichkeit, die sich gegenseitig einschließen und einander fordern, die darum nicht getrennt noch in Gegensatz zueinander gebracht werden können. ... in den verschiedenen Berufungen 33. Das Gefühlsleben, das der jeweiligen geschlechtlichen Bestimmtheit eigen ist, drückt sich auf bezeichnende Weise in den unterschiedlichen Lebensständen aus: in der ehelichen Verbindung, in der gottgeweihten Jungfräulichkeit um des Himmelreiches willen, in der Situation des Christen, der noch vor der Übernahme ehelicher Verpflichtungen steht, der unverheiratet blieb oder diesen Stand gewählt hat. In jedem Fall muß das Gefühlsleben in die Ganzheit der Person integriert werden. 1626 KONGREGA TIONEN Wesen, Ziel und Mittel der geschlechtlichen Erziehung Ziel der geschlechtlichen Erziehung: Kenntnis 34. Ziel dieser Erziehung ist eine hinreichende Kenntnis des Wesens und der Bedeutung der Geschlechtlichkeit und der harmonischen und ganzheitlichen Entfaltung der Person zu ihrer seelischen Reifung im Sinne der vollen „geistlichen“ Reife, zu der alle Gläubigen berufen sind33. Zu diesem Zweck wird der christliche Erzieher die Grundsätze des Glaubens und die verschiedenen Methoden des Mitwirkens bedenken sowie die positive Wertung der Geschlechtlichkeit in der heutigen Pädagogik berücksichtigen. ... Bildung, Reifung und ... 35. In der Sicht der christlichen Anthropologie muß die Erziehung im geschlechtlichen Bereich und des mit ihm verbundenen Gefühlslebens die Ganzheit der Person in Betracht ziehen und folglich die Einbeziehung der biologischen, seelisch-gefühlsmäßigen, gesellschaftlichen und geistlichen Komponenten verlangen. Diese Einbeziehung ist schwieriger geworden, weil auch der Glaubende an den Folgen der Erbsünde trägt. Eine wirksame „Bildung“ kann sich nicht auf die Vermittlung von Kenntnissen beschränken, die sich nur an den Verstand wenden, sondern sie muß der Erziehung des Willens, der Gefühle und Regungen besondere Aufmerksamkeit schenken. In der Tat, um zur Reife des geschlechtlichen Gefühlslebens zu kommen, braucht es Selbstbeherrschung, welche Tugenden wie Schamhaftigkeit, Zucht und Maß, Achtung vor sich selbst und den anderen sowie Aufgeschlossenheit für den Nächsten voraussetzt. All das ist nur möglich kraft des Heils, das von Jesus Christus kommt. ... Fähigkeit zur Selbsthingabe 36. Auch wenn es verschiedene Weisen gibt, in denen sich die Geschlechtlichkeit in den einzelnen Personen verwirklicht, muß die Erziehung vor allem jene Reife fördern, die „nicht nur die Aufnahme des Wertes der Geschlechtlichkeit in das Gesamtgefüge der Werte beinhaltet, sondern auch die Bereitschaft zur Hingabe, also die Fähigkeit, sich in selbstloser Liebe anderen zu schenken. Ist diese Fähigkeit in hinreichendem Maße entwickelt, dann kann der Betreffende spontane Kontakte 1627 KONGREGA TIQNEN aufnehmen, seine Gefühle beherrschen und sich ernsthaft auf andere einlassen“34. Von Werten beseelte Kenntnis 37. Die heutige christlich inspirierte Pädagogik sieht im zu Erziehenden, in seiner Ganzheit und Komplexität, die Hauptperson der Erziehung. Man muß ihm, vor allem durch ein Vertrauensverhältnis, 'helfen, seine Anlagen zum Guten zu entwickeln. Das vergißt man sehr leicht, wenn man der bloßen Information zu viel Bedeutung auf Kosten der anderen Dimensionen der geschlechtlichen Erziehung beimißt. In der Tat ist in der Erziehung die Vermittlung .neuer Erkenntnisse von größter Bedeutung, aber nur wenn sie verlebendigt wird durch die Aneignung der entsprechenden Werte und durch ein waches Bewußtsein der mannigfaltigen persönlichen Verantwortung, die mit dem Erwachsenenalter verbunden ist. Auswirkungen der Geschlechtlichkeit auf die Person 38. Bei den Auswirkungen der Geschlechtlichkeit auf die ganze menschliche Person muß man sich vielfältige Gesichtspunkte gegenwärtig halten: die gesundheitliche Situation, die Einflüsse der familiären und sozialen Umwelt, die Eindrücke, die die Person aufnimmt, und ihre Reaktionen darauf, die Erziehung des Willens, die Entwicklungsstufe des geistlichen .Lebens, das durch die Hilfe der Gnade gestützt wird. Der Jugend wertvolle Ideale vorstellen 39. Was bisher ausgeführt wurde, dient den Erziehern als Hilfe und Leitlinie bei der Persönlichkeitsbildung der Jugend. Sie müssen diese zum kritischen Nachdenken über die empfangenen Eindrücke anregen und, während sie ihr Ideale vor Augen stellen, müssen sie persönlich und als Gemeinschaft das Zeugnis eines echt geistlichen Lebens geben. Klare Begründungen 40. In Anbetracht des engen Zusammenhangs zwischen Sittlichkeit und Geschlechtlichkeit muß die Vermittlung der sittlichen Normen von klaren Begründungen getragen sein, so daß eine echte persönliche Zustimmung heranreifen kann. 1628 KONGREGA TIONEN Unterschiedliche Bedeutung der Geschlechtlichkeit je nach Alter 4L Die moderne Pädagogik ist sich der Tatsache voll bewußt, daß das menschliche Leben stets von Entwicklung gekennzeichnet und die Persönlichkeitsbildung ein ständiger Prozeß ist. Das gilt auch für die Geschlechtlichkeit, die sich in den einzelnen Lebensphasen in verschiedener Weise ausdrückt. Sie trägt offenkundig zu jedem Reifestadium Bereicherungen und bemerkenswerte Schwierigkeiten bei. Entwicklungsstadien der Geschlechtlichkeit 42. Die Erzieher müssen sich die Grundstadien dieser Entwicklung gegenwärtig halten: den frühen Instinkt, der sich zunächst im unentwik-kelten Zustand kundtut und in der Folgezeit der Ambivalenz von Gut und Böse begegnet; dann - mit Hilfe der Erziehung - stabilisieren sich die Gefühle, und gleichzeitig wächst der Sinn für Verantwortung, die Ichsucht verschwindet allmählich, eine gewisse Selbstzucht greift Platz, der andere wird angenommen und um seiner selbst willen geliebt. Die Komponenten der Geschlechtlichkeit integrieren sich: Sexualität, Erotik, Liebe und Gutsein. Auch wenn das vollständige Ergebnis nicht immer erreicht wird, gibt es doch viel mehr Menschen, als man meint, die sich dem ersehnten Ziel nähern. Volle Erziehung nur in gläubiger Umwelt 43. Die christlichen Erzieher sind überzeugt, daß geschlechtliche Erziehung sich nur in gläubiger Umwelt voll verwirklicht. Durch die Taufe in den auferstandenen Christus eingegliedert, weiß der Christ, daß auch sein Leib vom Geist, den Jesus ihm mitteilt, beseelt und geläutert ist35. Der Glaube an das Geheimnis des auferstandenen Christus, der durch seinen Geist in den Gläubigen das Geheimnis der Auferstehung verwirklicht und fortführt, läßt den Gläubigen die Berufung zur Auferstehung des Fleisches entdecken, die durch den Geist, der im Gerechten wohnt, schon als Unterpfand und Same der völligen und endgültigen Auferstehung begonnen hat. Sünde und andere negative Faktoren 44. Die von der Sünde ausgelöste Unordnung, die im Einzelmenschen wie in der Kultur, die die Gesellschaft kennzeichnet, vorhanden und 1629 KONGREGA TIONEN wirksam ist, übt einen starken Druck aus, die Geschlechtlichkeit entgegen dem Gesetz Christi in einer Weise zu verstehen und zu erleben, die der heilige Paulus das Gesetz der Sünde nennt36. Manchmal sind es die wirtschaftlichen Strukturen, die staatlichen Gesetze, die Massenmedien, die Lebensverhältnisse der großen Städte, die den Menschen negativ beeinflussen. Davon nimmt die christliche Erziehung Kenntnis und gibt Wegweisungen, um sich verantwortlich solchen suggestiven Einflüssen zu widersetzen. Gnadenhilfe 45. Diese ständige Bemühung wird unterstützt und ermöglicht von der göttlichen Gnade, die durch das im Glauben angenommene Wort Gottes, das vertrauensvolle Gebet und durch Teilhabe an den Sakramenten vermittelt wird. Vor allem ist es die Eucharistie, die Gemeinschaft mit dem sich selbst opfernden Christus, in welcher der gläubige Jugendliche wirklich das Brot des Lebens empfängt wie eine „Wegzehrung“, um die Hindernisse auf seinem irdischen Lebensweg angehen und überwinden zu können. Das Bußsakrament stärkt durch die ihm eigene Gnade und den Rat bei der geistlichen Führung nicht nur die Fähigkeit zum Widerstand gegen das Böse, sondern auch den Mut, sich vom Fall wieder zu erheben. Diese Sakramente werden in der kirchlichen Gemeinschaft angeboten und gefeiert. Wer am Leben einer solchen Gemeinschaft teilhat, erhält von den Sakramenten die Kraft, in seinem Stand keusch zu leben. Inneres Leben ohne allen Moralismus 46. Das persönliche und gemeinsame Gebet ist ein unersetzliches Mittel, von Gott die notwendige Kraft zu erhalten, dem Taufversprechen treu zu bleiben, den Antrieben der von der Sünde verwundeten menschlichen Natur zu widerstehen und die von den negativen Einflüssen der Umwelt ausgelösten Regungen ins Gleichgewicht zu bringen. Der Geist des Gebets hilft, die evangelischen Werte der Treue und Aufrichtigkeit des Herzens, der Armut und Demut in der täglichen Mühe der Arbeit und des Einsatzes für den Nächsten konsequent in die Praxis umzusetzen. Das innere Gebetsleben führt zur christlichen Freude, die ohne allen Moralismus und über jegliche psychologische Hilfe hinaus den Kampf gegen das Böse gewinnt. Der häufige und innere Kontakt mit dem Herrn wird allen und besonders der Jugend Kraft und Begeisterung für ein reines Leben geben. So werden 1630 KON GREGA TIONEN sie ihre menschliche und christliche Berufung in ausgeglichener Selbstbeherrschung und hochherziger Hingabe an den anderen verwirklichen. Die Bedeutung dieser Überlegungen kann niemandem entgehen. In der Tat sind heute viele mehr oder weniger pessimistisch hinsichtlich der Fähigkeit der menschlichen Natur, eine endgültige Bindung für das ganze Leben einzugehen, zumal in der Ehe. Die christliche Erziehung muß das Vertrauen der Jugendlichen stärken, und zwar so, daß ihr Verstehen und ihre Vorbereitung im Hinblick auf eine Bindung für das ganze Leben begleitet sind von der Gewißheit, daß Gott ihnen mit seiner Gnade hilft, damit jeder das zu erreichen imstande ist, was Gott mit ihm vorhat. Beispiel Christi und Mariens 47. Die von den Heiligen gelebte und weitergegebene Nachahmung Christi und Verbundenheit mit ihm sind die tiefsten Beweggründe für unsere Hoffnung, das hohe Ideal keuschen Lebens zu verwirklichen, welches mit menschlichen Kräften allein unerreichbar ist. Die Jungfrau Maria ist das herausragende Vorbild christlichen Lebens. Durch jahrhundertelange Erfahrung ist die Kirche davon überzeugt, daß die Gläubigen, besonders die Jugendlichen, die Maria verehren, dieses Ideal zu verwirklichen gewußt haben. 1631 KONGREGA TIONEN II. Verantwortlichkeit bei der geschlechtlichen Erziehung Aufgabe der Familie Erziehung geht vor allem die Familie an 48. Die Erziehung geht vor allem die Familie als eine „Schule reich entfalteter Humanität“ an37. In der Tat ist die Familie das beste Umfeld, um der Pflicht, eine stufenweise Erziehung des geschlechtlichen Lebens sicherzustellen, nachzukommen. Sie hat einen Gefühlsreichtum, der geeignet ist, ohne seelische Wunden zu hinterlassen, auch die heikelste Wirklichkeit annehmbar zu machen und sie harmonisch in eine ausgeglichene und reife Persönlichkeit zu integrieren. Gegenseitiges Vertrauen und Gespräch mit den Kindern 49. Liebe und gegenseitiges Vertrauen in der Familie fördern die harmonische Entwicklung des Kindes von seiner Geburt an. Damit die natürlichen Gefühlsbeziehungen, die Eltern und Kinder verbinden, sich möglichst positiv auswirken, müssen die Eltern auf der Grundlage klarer geschlechtlicher Ausgeglichenheit eine Vertrauens- und Gesprächsbeziehung zu den Kindern schaffen, die ihrem Alter und ihrer Entwicklung entspricht. Beispiele der Lebensführung seitens der Erwachsenen 50. Um den Kindern wirksame Orientierungen geben zu können, die sie zur Lösung ihrer Augenblicksprobleme brauchen, müssen die Erwachsenen noch vor jeglicher Wissensvermittlung durch ihr Verhalten beispielhaft sein. Die christlichen Eltern müssen wissen, daß ihr Beispiel den wichtigsten Beitrag zur Kindererziehung darstellt. Diese ihrerseits werden so die Gewißheit finden können, daß das christliche Ideal eine im Schoß der Familie gelebte Wirklichkeit ist. Zusammenarbeit von Eltern und Erziehern 51. Die offene Zusammenarbeit der Eltern mit den anderen für die Bildung verantwortlichen Erziehern hat einen positiven Einfluß auf die 1632 KONGREGA TIONEN Reifung des jungen Menschen. Die theoretische Vorbereitung und die Erfahrung der Eltern helfen den Kindern, den Wert und die Rolle, die Mann und Frau im täglichen Leben eigen sind, zu verstehen. Bleibender Einfluß der erlebten Werte auf Eltern und Kinder 52. Die volle Verwirklichung des ehelichen Lebens sowie als deren Folge die Heihgkeit und Festigkeit der Familie hängen von der Gewissensbildung der Eltern und den in ihrem ganzen Bildungsverlauf angeeigneten Werten ab. Die von der Familie wirklich gelebten sittlichen Werte lassen sich den Kindern leichter vermitteln38. Unter diesen sittlichen Werten sind von großer Bedeutung die Achtung vor dem Leben vom Mutterleibe an und, ganz allgemein, die Achtung vor der menschlichen Person jeden Alters und in jeglicher Lage. Man muß den Jugendlichen helfen, diese grundlegenden Werte der Existenz zu erkennen, zu schätzen und zu achten. Wegen der Bedeutung dieser Werte für das christliche Leben sowie auch im Hinblick auf einen göttlichen Ruf an Jugendliche zum Priestertum oder zum geweihten Leben erhält die geschlechtliche Erziehung auch eine kirchliche Dimension. Die kirchliche Gemeinschaft Kirchliche Dimension der geschlechtlichen Erziehung 53. Als Mutter der Gläubigen, die sie in der Taufe zum Glauben geboren hat, kommt der Kirche auch ein ihr von Christus anvertrauter Erziehungs-auftrag zu. Sie erfüllt ihn vor allem durch die Verkündigung, die volle Gemeinschaft mit Gott und den Brüdern sowie in der Möglichkeit bewußter und aktiver Teilnahme an der eucharistischen Liturgie und am Apostolat39. Die kirchliche Gemeinschaft bildet von der ersten Öffnung auf das Leben hin jenen Raum, der das Einleben in die christliche Ethik ermöglicht und so die Gläubigen das Zeugnis der Frohbotschaft einüben läßt. Zusammenarbeit zwischen Familie und kirchlicher Gemeinschaft 54. In der Familie stößt die geschlechtliche Erziehung häufig auf Schwierigkeiten. Das verlangt einen größeren Einsatz der christlichen Gemeinschaft, insbesondere der Priester, bei der Erziehung der Getauften mitzu- 1633 KONGREGA TIONEN helfen. In diesem Bereich sind zur Unterstützung der Familie die katholische Schule, die Pfarrgemeinde und andere kirchliche Gruppen aufgerufen. Mitverantwortung der christlichen Gemeinde 55. Aus dem kirchlichen Charakter des Glaubens ergibt sich die Mitverantwortung der christlichen Gemeinde in der Hilfe für die Getauften, die konsequent und bewußt die Tauf Verpflichtungen leben sollen. Den Bischöfen ist es aufgetragen, den Notwendigkeiten der Einzelkirchen durch geeignete Vorschriften und Hinweise zu entsprechen. Katechese und geschlechtliche Erziehung Die positiven Werte der Geschlechtlichkeit 56. Die Katechese soll fruchtbarer Nährboden für die Erneuerung der ganzen kirchlichen Gemeinschaft sein. Um die Gläubigen zur Reife des Glaubens zu führen, muß sie darum die positiven Werte der Geschlechtlichkeit verdeutlichen und diese im Lichte des Geheimnisses Christi und der Kirche in engstem Zusammenhang mit den Werten der Jungfräulichkeit und der Ehe darstellen. Diese Katechese sollte unterstreichen, daß die erste Berufung des Christen die Liebe ist und daß sich die Berufung zur Liebe auf zwei unterschiedlichen Wegen verwirklicht: in der Ehe oder in der Ehelosigkeit um des Himmelreiches willen40. „Ehe und Jungfräulichkeit sind die beiden Weisen, das eine Geheimnis des Bundes zwischen Gott und seinem Volk darzustellen und zu leben.“41 Katechese in Übereinstimmung mit dem Lehramt 57. Damit die Familien sicher sein können, daß sich die Katechese nicht gar vom Lehramt der Kirche entfernt, müssen die Hirten sich bei der Auswahl und Vorbereitung des verantwortlichen Personals sowie bei der Bestimmung von Inhalten und Methoden alle Mühe geben. Einzelerziehung 58. Nach dem unter Nr. 48 Gesagten bleibt stets gültig, daß bei intimen Fragen biologischer oder affektiver Natur der Einzelerziehung möglichst im Rahmen der Familie Vorrang gebührt. 1634 KONGREGA TIONEN Der Familie helfen 59. Sicherlich kommt der Katechese innerhalb der Familie eine besondere Rolle zu. Sollten sich indes die Eltern nicht in der Lage sehen, ihrer Verpflichtung nachzukommen, können sie sich an andere Personen ihres Vertrauens wenden. Eine kluge, zurückhaltende, dem Alter entsprechende und die Umwelt berücksichtigende Einführung kann den Kindern seelische Wunden ersparen und ihnen die Lösung geschlechtlicher Probleme erleichtern. Bloße Wissensvermittlung kann niemals genügen. Damit alles innerüch wirklich angeeignet wird, wird man die vielfältigen Anlässe des täglichen Lebens nutzen. Voreheliche Katechese Zutreffende Sicht der christlichen Ethik über die Geschlechtlichkeit 60. Ein grundlegender Aspekt in der Vorbereitung der Jugendlichen auf die Ehe liegt darin, ihnen eine zutreffende Sicht der christlichen Ethik über die Geschlechtüchkeit zu vermitteln. Der Vorteil der Katechese bei der Vorbereitung auf die Ehe ergibt sich aus der Möglichkeit, über die Geschlechtlichkeit in unmittelbarem Blick auf die Ehe zu sprechen. Doch um vollen Erfolg zu haben, bedarf diese Katechese entsprechender Weiterführung, so daß sie zum wahren und wirklichen Katechumenat wird. Außerdem soll sie die Keuschheit, die Verlobten eignet, unterstützen und vertiefen sowie auf ein christlich geführtes Eheleben und auf die besondere Aufgabe der Eheleute im Volk Gottes vorbereiten. Vorbereitung auf die eheliche Keuschheit 61. Die künftigen Ehepartner sollen die tiefe Bedeutung der Ehe kennen, verstanden als Einheit in der Liebe zur Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft und zur Weitergabe des Lebens. Die Festigkeit der Ehe und der ehelichen Liebe verlangt als unerläßliche Bedingung die Keuschheit und die Selbstbeherrschung, die Charakterbildung und den Geist des Opfers. Im Blick auf einige Schwierigkeiten des ehelichen Lebens, die sich unter den Bedingungen unserer Zeit verschärft haben, wird die Keuschheit der Jugendlichen als angemessene Vorbereitung auf die Keuschheit in der Ehe eine entschiedene Hilfe für die Ehepartner sein. Außerdem brauchen sie klare Kenntnisse über die Normen des göttlichen Gesetzes, wie sie vom kirchlichen Lehramt vorgelegt werden und die sie sich bei der Bildung ihres Gewissens vor Augen halten müssen42. 1635 KONGREGATIONEN Wissen um den Wert der Ehe 62. In klarem Wissen um den Wert und Größe des Ehesakramentes, in dem sich für sie die Taufgnade und Taufberufung konkretisiert, sollen die christlichen Eheleute ganz bewußt die Werte und Aufgabe ihres sittlichen Lebens als Forderung und Frucht der Gnade und Wirkung des Geistes leben. Sie sind darin „bestärkt und gewissermaßen geweiht durch ein eigenes Sakrament für die Pflichten und die Würde ihres Standes“43. ... und der mit ihr verbundenen Pflichten In der Absicht, ihre Geschlechtlichkeit so zu leben, daß sie ihre Verantwortung in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes erfüllen44, ist es überdies für die Eheleute wichtig, die natürlichen Methoden der Familienplanung zu kennen. Nach den Worten Johannes Paul II. „... ist es nötig, alles zu tun, damit diese Kenntnis allen Eheleuten und in erster Linie den jüngeren zugänglich wird durch klare Information und Erziehung, die frühzeitig und ernsthaft durch Ehepaare, Ärzte und Fachleute zu vermitteln ist“45. Es ist jedoch hervorzuheben, daß die heute so nachdrücklich propagierte Empfängnisverhütung im Widerspruch steht zu diesen christlichen Idealen und sittlichen Werten, deren Lehrmeisterin die Kirche ist. Diese Tatsache macht es noch dringender und notwendiger, daß den Jugendlichen im entsprechenden Alter die Lehre der Kirche mitsamt ihren Gründen hinsichtlich der Mittel der Empfängnisverhütung dargelegt wird, um sie auf ein verantwortliches eheliches Leben vorzubereiten, das ganz von der Liebe getragen und für das Leben offen ist. Orientierung für Erwachsene Gespräch zwischen den Generationen 63. Eine gründliche katechetische Vorbereitung der Erwachsenen über die menschliche Liebe legt die Grundlage für die geschlechtliche Erziehung der Kinder. Nur so wird die Erlangung jener vom Glauben erleuchteten menschlichen Reife gewährleistet, die entscheidend ist für das Gespräch mit der neuen Generation, zu welchem die Erwachsenen berufen sind. Außer Hinweisen und Methoden, die dabei angewandt werden können, wird diese Katechese einen wünschenswerten Gedankenaustausch über besondere Probleme ermögüchen, mit erzieherischen Hilfsmitteln vertraut machen und gegebenenfalls Treffen mit Fachleuten erlauben, deren Mitarbeit in schwierigen Fällen besonders nützlich sein kann. 1636 KONGREGATIONEN Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft' Sorge um das Gemeinwohl besonders in der Schule 64. Der Mensch sollte in der Gesellschaft schon ausdrücklich und gelebt jene Werte vorfinden, die einen nicht nebensächlichen Einfluß auf seinen ■ Bildungsprozeß haben. Deswegen ist es Aufgabe der bürgerlichen Gesellschaft, so weit es um das Gemeinwohl46 geht, darauf zu achten, daß eine physisch und sittlich gesunde Umgebung in den Schulen gegeben ist und daß jene Bedingungen gefördert werden, die den ausdrücklichen Wünschen der Eltern entsprechen oder von ihnen frei gebilligt werden. .... und Schutz der öffentlichen Sittlichkeit 65. Aufgabe des Staates ist es, die Bürger gegen sittliche Ungerechtigkeiten und Unordnungen zu schützen, wie Mißbrauch Jugendlicher, jede Form sexueller Gewalt, das Verkommen guter Sitten, die Permissivität, die Pornographie und unsachliche Verwendung bevölkerungspolitischer Informationen. Verantwortung in der Erziehung zum Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel Mitprägender Einfluß der Massenmedien 66. In der Welt von heute üben die sozialen Kommunikationsmittel mit der Überfülle ihres suggestiven Angebots auf die Jugend und die Kinder auch und vor allem im Bereich der geschlechtlichen Erziehung durch Information und Belehrung einen ständigen prägenden Einfluß aus, der oft größer ist als jener der eigenen Familie. Johannes Paul II. hat die Situation beschrieben, in der sich die Kinder angesichts der sozialen Kommunikationsmittel befinden: „Fasziniert und der Welt und den Erwachsenen schutzlos ausgeliefert, sind Kinder von Natur aus bereit, alles anzunehmen, was ihnen geboten wird, mag dies nun gut oder schlecht sein. ... Die Kinder werden vom Büdschirm wie von der Leinwand gefesselt, folgen jeder dargestellten Handlung und erfassen früher und besser als jeder andere die darin ausgedrückten Gefühle und Gemütsbewegungen.“47 1637 KON GREGA TIONEN Maßvolle Nutzung der Massenmedien 67. Indes ist darauf zu verweisen, daß die notwendige rechtzeitige Kontrolle infolge der technologischen Entwicklung immer schwieriger wird. Auch im Hinblick auf eine rechte geschlechtliche Erziehung ergibt sich daraus die Dringlichkeit, daß „besonders die Jugendlichen ... sich im Gebrauch dieser sozialen Kommunikationsmittel an Zucht und Maß gewöhnen. Ferner sollen sie sich um ein tieferes Verständnis dessen bemühen, was sie gesehen, gehört oder gelesen haben. Mit Erziehern und Fachleuten mögen sie sich darüber besprechen, um selbst richtig urteilen zu lernen“48. Gesundes Urteil im Gebrauch der Medien 68.' Zur Verteidigung der Rechte des Kindes in diesem Bereich appelliert Johannes Paul II. an das Gewissen aller verantwortlichen Christen, insbesondere der Eltern und der Mitarbeiter in den sozialen Kommunikationsmitteln, unter dem Anschein von Neutralität und Achtung vor der spontanen Entfaltung des Kindes nicht etwas zu verbergen, was in Wirklichkeit besorgniserregende Interesselosigkeit ist49. Pflichten der öffentlichen Gewalt „Die öffentliche Gewalt hat hier mit Rücksicht auf das Gemeinwohl ... besondere Verpflichtungen“50: Es erfordert, daß eine rechtliche Regelung für die sozialen Kommunikationsmittel die öffentliche Sittlichkeit und insbesondere die Jugend schützt, vor allem im Hinblick auf Illustrierte, Filme, Hörfunk- und Fernsehprogramme, Ausstellungen, Theateraufführungen und Werbung. Aufgabe der Schule in der geschlechtlichen Erziehung Rolle der Schule 69. Unter Wahrung dessen, was über die vorrangige Pflicht der Familie gesagt wurde, besteht die Rolle der Schule darin, die Bemühungen der Eltern zu fördern und zu vervollständigen durch Vermittlung einer Sicht der „Geschlechtlichkeit als Wert und Aufgabe der ganzen Person, die als Mann und Frau nach dem Bild Gottes geschaffen wurde“51. 1638 KONGREGA TIONEN Gespräch zwischen Erzieher und Schüler 70. Das in der geschlechtlichen Erziehung erforderliche persönliche Gespräch ist darauf ausgerichtet, im Schüler eine innere Bereitschaft zu wecken, die geeignet ist, das Verhalten der Person zu motivieren und zu leiten. Solch eine Haltung ist natürlich eng verknüpft mit den Werten, die sich an der Sichtweise des Lebens orientieren. Die geschlechtliche Erziehung darf nämlich nicht verengt werden auf einen bloßen Unterrichtsgegenstand oder auf rein theoretische Kenntnisse. Sie besteht auch nicht in der Vermittlung eines Programms, das schrittweise zu erfüllen wäre, sondern sie erstrebt die Erreichung eines besonderen Zieles: die affektive Reifung des Schülers sowie die Erlangung der Herrschaft über sich selbst und des rechten Verhaltens in den sozialen Beziehungen. Gelegenheiten zu Hinweisen in der Gruppe 71. Zur Verwirklichung dieses Zieles kann die Schule in verschiedener Weise beitragen. Alle Unterrichtsfächer können gegebenenfalls Gelegenheit bieten, Themen aufzugreifen, die einen Bezug zur Geschlechtlichkeit haben; der Lehrer wird das immer in positiver Weise und mit großer Behutsamkeit tun, jeweils sorgfältig bedacht auf den geeigneten Augenblick und die rechte Weise. Individuelle Erziehung Die geschlechtliche Erziehung des einzelnen hat immer Vorrang und kann nicht unterschiedslos jedem Mitglied des Lehrerkollegiums anvertraut werden, denn neben richtigem Urteil, Verantwortungsbewußtsein, fachlicher Zuständigkeit, affektiver Reife und Schamgefühl verlangt diese Erziehung vom Lehrer, wie nachher weiter ausgeführt wird, auch eine ausgeprägte Feinfühligkeit bei der Einführung des Kindes und des Jugendlichen in Fragen der Liebe und des Lebens, um Störungen seiner seelischen Entwicklung zu vermeiden. Erziehung in der Gruppe 72. Auch wenn der Erzieher über die nötige Eignung für eine geschlechtliche Erziehung in einer Gruppe verfügt, so ist doch stets die konkrete Situation der Gruppe zu beachten. Das gilt vor allem für gemischte Gruppen, bei denen besondere Vorkehrungen erforderlich sind. In jedem Fall müssen die verantwortlichen Vorgesetzten zusammen mit den Eltern 1639 KON GREGA TIONEN prüfen, ob ein Vorgehen in dieser Weise angebracht ist. Angesichts der Vielfalt der Probleme ist es gut, dem Kind oder Jugendlichen Zeit für persönliche Gespräche anZübieten, um die Möglichkeit zu Fragen um Rat oder Klärung zu fördern, die sonst aus einem natürlichen Schamgefühl heraus in Gegenwart anderer nicht gestellt würden. Nur ein enges Zusammenwirken von Schule und Familie kann einen fruchtbaren Erfahrungsaustausch zwischen Eltern und Lehrern zum Wohl der Schüler gewährleisten52. Es ist Aufgabe der Bischöfe, unter Berücksichtigung der jeweiligen Schulgesetzgebung und örtlichen Verh'ältnisse Richtlinien über die geschlechtliche Erziehung in Gruppen, vor allem in gemischten Gruppen, zu erlassen. Beteiligung der Eltern in besonderen Fällen 73. Besondere Vorkommnisse im schulischen Leben können manchmal die rechtzeitige Beteiligung der Eltern erforderlich machen. Entsprechend dem Grundsatz des Zusammenwirkens werden die Verantwortlichen der Schule mit den interessierten Eltern Verbindung aufnehmen, um eine geeignete Lösung zu vereinbaren. Fachleute für private Gespräche 74. Besonders geeignete Fachleute, die sich durch Ausgewogenheit auszeichnen und das Vertrauen der Eltern'besitzen, können zu privaten Gesprächen mit den Schülern eingeladen werden, um ihnen bei der Entfaltung ihrer affektiven Reifung zu helfen und sie zur Ausgeglichenheit in ihren sozialen Beziehungen zu führen. Solche Bemühungen um persönliche Orientierung sind vor allem in schwierigen Fällen.geboten. In besonders ernsten Situationen wird man sich an einen entsprechenden Spezialisten wenden müssen. Zusammenwirken der Verantwortlichen 75. Die Bildung und Entfaltung einer harmonischen Persönlichkeit verlangen eine freundliche Atmosphäre, die durch Verständnis, wechselseitiges Vertrauen und Zusammenwirken zwischen den Verantwortlichen entsteht. Das wird erreicht durch gegenseitige Beachtung der besonderen Zuständigkeiten, Aufgaben und Verantwortlichkeiten der verschiedenen Erzieher sowie der Entscheidung über die ihnen jeweils möglichen Maßnahmen. 1640 KONGREGA TIONEN Geeignetes Lehrmaterial Bemühungen um Lehrmaterial 76. Um eine rechte geschlechtliche Erziehung zu ermöglichen, kann geeignetes Lehrmaterial hilfreich sein. Zur Erstellung solchen Materials ist die Mitwirkung von Fachleuten der Moral- und Pastoraltheologie und Katechetik sowie von katholischen Pädagogen und Psychologen erforderlich. Besondere Sorgfalt gelte dem Material, das für den Gebrauch der Schüler selbst bestimmt ist. Einige schulische Texte über die Geschlechtlichkeit sind wegen ihres naturalistischen Charakters für das Kind und den Jugendlichen schädlich. Noch schädlicher kann zeichnerisches oder audiovisuelles Material sein, wenn geschlechtliche Wirklichkeiten, auf die der Schüler noch nicht vorbereitet ist, in grober Weise dargestellt werden, so daß er traumatische Schäden davonträgt oder durch Weckung ungesunder Neugier auf den Weg des Bösen gerät. Mit allem Ernst mögen die Erzieher daran denken, daß durch eine unverantwortliche Haltung auf diesem empfindlichen Gebiet den Schülern schwerer Schaden entstehen kann. Jugendgruppen Wichtigkeit der „Gruppen“ 77. Es gibt in der Erziehung einen nicht zu übersehenden Faktor, der sich zum Wirken der Familie und der Schule hinzugesellt und oftmals einen größeren Einfluß bei der Bildung der Person ausübt: die Jugendgruppen, die sich zur Freizeitbeschäftigung bilden und das Leben des Heranwachsenden und des Jugendlichen stark ausfüllen. Die Humanwissenschaften halten „Gruppen“ für eine positive Voraussetzung für die Bildung, da keine Reifung der Persönlichkeit ohne wirksame zwischenmenschliche Beziehung möglich ist. 1641 KONGREGA TIONEN III. Voraussetzungen und Weisen der geschlechtlichen Erziehung Die Eigenart dieser Erziehung 78. Die Vielfalt und Eigenart der Aufgabe erfordert eine sorgfältige Vorbereitung der Erzieher, spezifische Eigenschaften für die Erziehung und eine besondere Aufmerksamkeit auf einige Punkte. Die Vorbereitung der Erzieher Die Gefühlsreife des Erziehers 79. Die reife Persönlichkeit der Erzieher, ihre Vorbereitung und ihr seelisches Gleichgewicht üben einen bedeutenden Einfluß auf die zu Erziehenden aus. Eine genaue und umfassende Kenntnis der Bedeutung und des Wertes der Geschlechtlichkeit und eine ausgewogene Integration in die eigene Persönlichkeit sind für die Erzieher unverzichtbar, damit eine aufbauende Erziehungstätigkeit möglich wird. Ihre Befähigung hängt von theoretischen Kenntnissen und ihrer Gefühlsreife ab. Dies befreit aber nicht vom Erwerb wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche für ihre Erziehungstätigkeit geeignet sind, die gerade in unseren Tagen besonders schwierig ist. Hier können Begegnungen mit den Familien besonders hilfreich sein. Über die fachliche Vorbereitung hinaus ... 80. Die den Erzieher auszeichnenden Voraussetzungen sind das Ergebnis einer Allgemeinbildung, die sich auf einer positiven und aufbauenden Lebensauffassung und einem beständigen Bemühen um deren Verwirklichung gründet. Eine solche Ausbildung geht weit über die rein fachlich notwendige Vorbereitung hinaus und berührt die innersten Bereiche der Persönlichkeit, den religiösen und spirituellen eingeschlossen. Der letztgenannte garantiert den Rückgriff sowohl auf christliche Grundprinzipien als auch auf übernatürliche Gaben, die die Erziehungstätigkeit unterstützen müssen. Eine psycho-pädagogische Vorbereitung 81. Der Erzieher, der seine Aufgabe außerhalb der Familie wahrnimmt, hat eine geeignete und ernsthafte psycho-pädagogische Vorbereitung 1642 KONGREGA TIONEN nötig, die es ihm erlaubt, in besondere Situationen einzugreifen, wo eine spezielle Sorge erforderlich ist. So ist er in der Lage, auch die Eltern selbst zu beraten, insbesondere wenn der Junge oder das Mädchen einen Psychologen benötigen. Skala von Problemfällen 82. Zwischen dem Bereich des Normalen und den pathologischen Fällen gibt es eine Skala von mehr oder weniger ausgeprägten und hartnäckigen Problemfällen, bei denen das Risiko unzureichender Fürsorge besteht, obwohl sie Hilfe wirklich nötig hätten. Bei diesen Fällen geht es zwar auch um medizinische Behandlung, noch mehr aber um eine beständige Unterstützung und Führung durch die Erzieher. Qualität der Erziehungsmethoden Kenntnis der Situation und der entsprechenden Methode 83. Es ist eine klare Einschätzung der Situation notwendig, da die angewandte Methode nicht nur in großem Ausmaß den Erfolg dieser höchst besonderen Erziehung bestimmt, sondern auch die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Verantwortlichen. Tatsächlich beziehen sich die normalerweise erhobenen Kritiken eher auf die von einigen Erziehern angewandten Methoden als auf die Tatsache ihres Eingreifens. Diese Methoden müssen eine bestimmte Qualität haben, sei es in Hinsicht auf den zu Erziehenden als auch bezüglich der Erzieher selbst sowie im Blick auf den Zweck, den eine solche Erziehung erreichen will. Erfordernisse des zu Erziehenden und die Erziehungstätigkeit Eine dem einzelnen angepaßte Erziehung 84. Da die affektiv-geschlechtliche Erziehung vor allem vom physischen und psychologischen Entwicklungsstand des zu Erziehenden abhängt, muß sie stets dem einzelnen angepaßt sein. In bestimmten Fällen ist es notwendig, dem Betroffenen zuvorzukommen, indem man ihn auf besonders schwierige, ihm nahende Situationen vorbereitet, oder indem man ihn auf unmittelbar bevorstehende oder fortdauernde Gefahren aufmerksam macht. 1643 KONGREGA TIONEN Abstufung und ... 85. Es ist jedoch stets der fortschreitende Charakter dieser Erziehung zu beachten. Eine sachgemäße Abstufung der Eingriffe muß die Momente der physischen und psychischen Entwicklung beachten, die eine sorgfältigere Vorbereitung und eine länger dauernde Reifung erfordern. Man muß sich vergewissern, ob der zu Erziehende die dargelegten Werte, Kenntnisse und Motivationen innerlich auf genommen oder die Veränderungen und Entwicklungen, die er bei sich selbst bemerken konnte und deren Gründe, Beziehungen und Zweck der Erzieher entsprechend aufzeigt, verarbeitet. Qualität der erzieherischen Maßnahmen Behutsamkeit der Eingriffe 86. Um einen gültigen Beitrag zur harmonischen und ausgewogenen Erziehung der Jugendlichen zu leisten, müssen die Erzieher ihre Eingriffe entsprechend ihrer besonderen Rolle ordnen. Der Betroffene nimmt die ihm von seiten der verschiedenen Erzieher gegebenen Informationen und Motivationen weder in der gleichen Weise wahr noch auf, weil sie in unterschiedlicher Weise sein Innerstes berühren. Objektivität und Behutsamkeit müssen solche Eingriffe charakterisieren. Wahre Informationen 87. Die fortschreitende Information macht Teilerklärungen erforderlich, die aber stets der Wahrheit entsprechen müssen. Die Erklärungen dürfen weder von absichtlichem Verschweigen noch von fehlender Offenheit verzerrt werden. Die Klugheit erfordert jedoch vom Erzieher nicht nur die gebotene Anpassung des Stoffes an die Erwartungen des Betroffenen, sondern auch eine bestimmte Wahl der Sprache, der Art und Weise seines Vorgehens und des Zeitpunktes, zu dem er tätig wird. Sie erfordert ferner, daß man die Scham des Kindes berücksichtigt. Der Erzieher beachte außerdem den Einfluß der Eltern, ihre Sorge für diesen Bereich der Erziehung, den besonderen Charakter der Erziehung in der Familie, ihre Lebensauffassung sowie den Grad ihrer Öffnung gegenüber anderen Erziehungsträgern. 1644 KONGREGA TIONEN Vertrauen in die Erziehung 88. Es gilt, besonderen Nachdruck auf die menschlichen und christlichen Werte der Geschlechtlichkeit zu legen, damit sie geschätzt werden können und so das Bedürfnis geweckt wird, sie im eigenen Leben und in den Beziehungen zu den anderen zu verwirklichen. Ohne die Schwierigkeiten, die die geschlechtliche Entwicklung mit sich bringt, zu übersehen, aber auch ohne eine Art Besessenheit zu erzeugen, muß der Erzieher dem erzieherischen Bemühen vertrauen: Sie kann auf den Widerhall bauen, den die wirklichen Werte bei den Jugendlichen finden, wenn sie mit Überzeugung vorgetragen und vom Zeugnis des eigenen Lebens bestätigt werden. Ganzheitliche Sicht der Person 89. Angesichts der Bedeutung der Geschlechtserziehung in der gesamt -heitlichen Bildung der Person sollen die Erzieher, indem sie die verschiedenartigen Aspekte der Geschlechtlichkeit und ihren starken Einfluß auf die Gesamtpersönlichkeit beachten, vor allem darum bemüht sein, die Kenntnisse nicht von den entsprechenden Werten zu trennen, die den biologischen, psychologischen und sozialen Informationen Sinn und Richtung verleihen. Wenn sie die sittlichen Normen vorstellen, müssen sie aufzeigen, worin diese ihre Existenzberechtigung finden und welche Werte mit ihnen verbunden sind. Erziehung zur Schamhaftigkeit und zur Freundschaft Achtung vor der Würde der Person 90. Die Schamhaftigkeit, grundlegender Bestandteil der menschlichen Persönlichkeit, kann auf der Ebene des Sittlichen als das wachsame Bewußtsein angesehen werden, welches die Würde des Menschen und die echte Liebe wahrt. Sie neigt dazu, auf bestimmte Verhaltensweisen zu reagieren und ein Benehmen zu bremsen, welches die Würde der Person verdunkelt. Sie ist ein notwendiges und wirkungsvolles Mittel zur Beherrschung der Instinkte, läßt die echte Liebe wachsen und fügt das affektivgeschlechtliche Leben harmonisch in das Ganze der Persönlichkeit ein. Die Schamhaftigkeit hat eine große pädagogische Bedeutung und muß deshalb geschätzt werden. Kinder und Jugendliche lernen so, den eigenen Leib als Gabe Gottes, als Glied Christi und als Tempel des Heiligen 1645 KON GREGA TIONEN Geistes zu achten. Sie lernen so, dem Bösen zu widerstehen, das sie umgibt; sie lernen, einen klaren Blick und eine klare Vorstellung zu haben, um in der gefühlsmäßigen Begegnung mit anderen Personen eine wahrhaft menschliche Liebe mit all ihrer geistigen Vielfalt zu suchen und zum Ausdruck zu bringen. Anregende Beispiele der Tugend 91. Zu diesem Zweck muß man ihnen konkrete und anregende Beispiele der Tugend darbieten, die das ästhetische Gefühl entwickeln, den Geschmack für das Schöne in der Natur, der Kunst und im sittlichen Leben wecken und so die Jugend dazu führen, ein Gefüge von sinnenhaften und geistigen Werten in einem aus Glauben und Liebe genährten selbstlosen Bemühen in sich aufzunehmen. Freundschaft ist mehr als Kameradschaft 92. Die Freundschaft ist der Höhepunkt der gefühlsmäßigen Reifung. Sie unterscheidet sich von der einfachen Kameradschaft durch ihre innere Tiefe, durch eine gegenseitige Mitteilung, die wirkliche Gemeinschaft erlaubt und fördert, durch wechselseitige Großzügigkeit und durch Beständigkeit. Die Erziehung zur Freundschaft kann ein außerordentlich bedeutsamer Faktor für den Aufbau der Persönlichkeit in ihrer individuellen und sozialen Dimension werden. Bedeutung der Freundschaft für die gefühlsmäßige Reife 93. Die freundschaftlichen Bindungen zwischen Jugendlichen verschiedenen Geschlechts tragen mit bei zum gegenseitigen Verstehen und zur gegenseitigen Hochachtung, sofern sie sich im Bereich normaler gefühlsmäßiger Ausdrucksformen bewegen. Wenn sie sich jedoch zur geschlechtlichen Vereinigung hin entwickeln oder darauf hinzielen, verlieren sie die echte Bedeutung gereifter Freundschaft, verfälschen die bestehende Beziehung sowie die Aussichten auf eine mögliche zukünftige Ehe und mindern die Aufmerksamkeit für eine mögliche Berufung zum gottgeweihten Leben. 1646 KON GREGA TIONEN IV. Einige Einzelprobleme Bei der Erfüllung seines Auftrags kann der Erzieher an Einzelprobleme geraten, die besondere Beachtung verdienen. Voreheliche Beziehungen 94. Die geschlechtliche Erziehung muß die Jugendlichen dahin führen, sich der verschiedenen Ausdrucksformen und des Dynamismus der Geschlechtlichkeit sowie der zu respektierenden menschlichen Werte bewußt zu werden. Die wahre Liebe besteht in der Fähigkeit, sich dem Nächsten gegenüber in großherziger Hilfe zu öffnen. Sie besteht in der Hingabe an den anderen zu dessen Wohl, achtet dessen Persönlichkeit und Freiheit, ist nicht egoistisch und sucht auch nicht sich selbst im anderen53, ist hingebend und nicht besitzend. Der geschlechtliche Instinkt hingegen, wenn er sich selbst überlassen bleibt, führt zur bloßen leiblichen Vereinigung und versucht, den anderen zu beherrschen, indem man unmittelbar eine persönliche Befriedigung sucht. Nur in der Ehe sind Intimbeziehungen legitim 95. Nur in der Ehe dürfen sich Intimbeziehungen entwickeln. Denn nur hier bewahrheitet sich die von Gott gewollte untrennbare Verbindung der Sinnfülle von Vereinigung und Fortpflanzung in solchen Beziehungen, die darauf hingeordnet sind, eine endgültige Lebensgemeinschaft zu bilden, zu befestigen und zum Ausdruck zu bringen: „ein Fleisch“54. Dies geschieht durch die Verwirklichung einer Liebe, die „menschlich“, „total“ und „fruchtbar“55 ist, das heißt der ehelichen Liebe. Daher sind geschlechtliche Beziehungen außerhalb der Ehe eine schwere Verirrung, weil sie ausschließlich Ausdrucksform einer Wirklichkeit sind, die noch nicht besteht56. Sie sind ein Zeichen, dem in der Lebenswirklichkeit der beiden Personen die objektive Grundlage fehlt, da sie keine endgültige Gemeinschaft bilden mit der erforderlichen Anerkennung und Garantie durch die bürgerliche und, für katholische Eheleute, die religiöse Gesellschaft. Verworrene geschlechtliche Ausdrucksformen 96. Unter Heranwachsenden und Jugendlichen verbreiten sich mehr und mehr gewisse geschlechtliche Verhaltensweisen, welche an und für sich 1647 KON GREGA TIONEN zur vollen geschlechtlichen Beziehung führen, ohne daß es jedoch dazu kommt. Solche Formen der Sexualität sind eine sittliche Unordnung, da sie außerhalb des ehelichen Bereichs stattfinden. Tiefe Werte der Liebe 97. Die geschlechtliche Erziehung hilft den Heranwachsenden, die tiefen Werte der Liebe zu entdecken sowie zu verstehen, welchen Schaden bloß sexuelle Beziehungen der Reifung ihrer Gefühle zufügen. Allenfalls führen sie zu einer unpersönlichen, bloß instinktiven Begegnung, die oft noch weiter verzerrt wird durch egoistische Reserven und Berechnungen, so daß sie fast nichts vom Charakter einer wahrhaft persönlichen und noch weniger einer endgültigen Beziehung an sich hat. Eine ernsthafte Erziehung führt die Jugendlichen zu Reifung und Selbstbeherrschung als Frucht einer bewußten Wahl und einer persönlichen Anstrengung. Selbsterotik 98. Ziel einer echten geschlechtlichen Erziehung ist es, einen beständigen Fortschritt in der Beherrschung der Triebe zu fördern, um sich zu gegebener Zeit einer wahren und hingebungsvollen Liebe öffnen zu können. Da kann sich ein besonders verwickeltes und delikates Problem stellen: die Selbstbefriedigung und deren Rückwirkungen auf das ganzheitliche Reifen der Person. Die Selbstbefriedigung ist nach katholischer Lehre „eine schwere sittliche Verfehlung“57, weil allem voran die Geschlechtskraft in einer Weise gebraucht wird, die ihrem inneren Ziel wesentlich widerspricht; sie steht nicht im Dienst der Liebe und des Lebens gemäß dem Plane Gottes58. Ursachen ... 99. Ein tiefblickender Erzieher und Ratgeber muß sich bemühen, die Ursachen dieser Verirrung festzustellen, um dem Heranwachsenden zu helfen, die Unreife zu überwinden, welche in dieser Gewohnheit liegt. Der Erzieher muß wissen, daß die Selbstbefriedigung und andere Formen der Selbsterotik Zeichen für viel tiefere Probleme sind. Diese führen zu einer geschlechtlichen Spannung, die der Betreffende durch das erwähnte Verhalten zu lösen sucht. Deshalb muß das erzieherische Bemühen mehr auf die Gründe als auf die direkte Unterdrückung solcher Verhaltensweise gerichtet sein59. 1648 KONGREGA TIONEN Auch wenn mit Recht die Selbstbefriedigung als objektiv schwere Verirrung angesehen wird, so ist doch Vorsicht geboten bei der Bewertung der subjektiven Verantwortlichkeit60. Hilfe gegen die Selbsterotik 100. Um dem Jugendlichen zu helfen, sich in eine Gemeinschaft der Liebe aufgenommen und dem Eingeschlossensein in das eigene Ich entrissen zu fühlen, muß der Erzieher „die Tatsache der Selbstbefriedigung entdramatisieren und nicht nachlassen, dem Betreffenden seine Achtung und sein Wohlwollen zu bezeigen“61. Er muß ihm helfen, sich sozial einzuordnen, sich anderen gegenüber zu öffnen und sich für sie zu interessieren. So kann sich der Betroffene von dieser Form der Selbsterotik befreien und einer hingehenden Liebe zuwenden, die zu einem gereiften Gefühlsleben gehört. Zugleich soll der Erzieher dazu ermutigen, die von der christlichen Aszese empfohlenen Mittel wie Gebet und Sakramente zu Hilfe zu nehmen und sich in Werken der Gerechtigkeit und der Liebe einzusetzen. Homosexualität 101. Die Homosexualität, welche die Person am Erreichen der geschlechtlichen Reife sowohl in sich als auch in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen hindert, ist ein Problem, das vom Betreffenden wie vom Erzieher in aller Objektivität aufgegriffen werden muß. „Sicher muß man sich bei der seelsorglichen Betreuung dieser homosexuellen Menschen mit Verständnis annehmen und sie in der Hoffnung bestärken, ihre persönlichen Schwierigkeiten und ihre soziale Absonderung zu überwinden. Ihre Schuldhaftigkeit wird mit Klugheit beurteilt werden. Es kann aber keine pastorale Methode angewandt werden, die diese Personen moralisch rechtfertigen würde, weil ihre Handlungen als mit ihrer persönlichen Verfassung übereinstimmend erachtet würden. Nach der objektiven sittlichen Ordnung sind die homosexuellen Beziehungen Handlungen, die ihrer wesentlichen und unerläßlichen Regelung beraubt sind.“62 ... Ursachen 102. Es ist Aufgabe der Familie und des Erziehers, zunächst die Gründe zu finden, die zur Homosexualität führen, also festzustellen, ob sie im 1649 KONGREGA TIONEN physiologischen oder psychologischen Bereich ihren Ursprung hat, ob sie Folge einer falschen Erziehung oder des Ausbleibens einer normalen geschlechtlichen Entwicklung ist, ob sie einer erworbenen Gewohnheit, schlechtem Beispiel63 oder anderen Gegebenheiten entspringt. Mehr im einzelnen müssen Familie und Erzieher bei der Suche nach den Ursachen dieser Unordnung den Urteilskriterien des kirchlichen Lehramtes Rechnung tragen und die Erkenntnisse nutzen, die verschiedene Wissenschaften anzubieten vermögen. In der Tat haben sie Dinge unterschiedlichster Art zu bewerten: Gefühlsmangel, Unreife, Triebbesessenheit, Verführung, gesellschaftliche Isolierung, Sittenverfall, Freizügigkeit im Schaugeschäft und im Schrifttum. Letztlich steht jedoch hinter allem die dem Menschen als Folge der Erbsünde angeborene Schwäche, die zum Verlust des Gespürs für Gott und den Mitmenschen führen und Auswirkungen im Bereich des Geschlechtlichen haben kann64. Angebot wirksamer Hilfe notwendig 103. Sind die Ursachen gefunden und verstanden, werden Familie und Erzieher eine wirksame Hilfe zum ganzheitlichen Wachstumsprozeß anbieten, indem sie Verständnis entgegenbringen, eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen; Mut machen zur Befreiung von sich selbst und zum Voranschreiten in der Selbstbeherrschung, ein echtes sittliches Streben nach Umkehr zur Liebe zu Gott und zum Nächsten fördern und, falls nötig, die Mithilfe eines Arztes oder Psychologen anraten, der die Lehre der Kirche kennt und respektiert. Rauschgift und geschlechtliche Unordnung 104. Eine permissive Gesellschaft, die keine gültigen Werte bietet, auf die man das Leben gründen kann, begünstigt entfremdende Fluchterscheinungen, denen in besonderer Weise die Jugendlichen ausgesetzt sind. Mit ihren idealistischen Vorstellungen stoßen sie sich an der rauhen Wirklichkeit des Lebens und geraten so in Spannungen, die bei Mangel an Willenskraft zur selbstzerstörerischen Flucht ins Rauschgift verleiten können. Dieses Problem wird immer ernster und nimmt für den Erzieher dramatische Formen an. Einige psychotropische Substanzen steigern die Empfindlichkeit für die geschlechtliche Lust und schwächen im allgemeinen die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und damit zur Abwehr. Der längere Mißbrauch mit Rauschgift führt zur physischen und psychischen Selbst- 1650 KON GREGA TIONEN Zerstörung. Rauschgift, mißverstandene Freiheit und geschlechtliche Unordnung finden sich oft zusammen. Die psychologische Situation und das zwischenmenschliche Klima der Selbstisolierung, der Verlassenheit und der Rebellion, in dem die Rauschgiftsüchtigen leben, schaffen Bedingungen, die leicht zum Mißbrauch des Geschlechtlichen führen. Umerziehung und Vorbeugen 105. Die Umerziehung, die eine tiefgehende innere und äußere Änderung der Person erfordert, ist mühsam und lange, da sie helfen muß, die Persönlichkeit und ihre Beziehungen zur Welt der Menschen und der Werte neu aufzubauen. Wirksamer ist die vorbeugende erzieherische Tätigkeit. Sie trachtet danach, tiefgehende Mängel im Bereich des Gefühlslebens zu vermeiden. Liebe und Umsicht erziehen zur Wertschätzung und Achtung der Würde des Lebens, des Leibes, des Geschlechtlichen und der Gesundheit. Die bürgerliche und die christliche Gemeinde muß es verstehen, rechtzeitig einzugehen auf Jugendliche, die auf Abwege geraten, allein und unsicher sind, und ihnen zu helfen, durch Studium und Arbeit sich gesellschaftlich einzufügen; sie wird ihnen Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung erschließen, indem sie ihnen heilen Raum für Begegnung, für Muße und aktive Einsätze schafft und ihnen Gelegenheit bietet für neue zwischenmenschliche Beziehungen der Freundschaft und Solidarität. In besonderer Weise kommt dem Sport, wenn er im Dienste des Menschen steht, hoher erzieherischer Wert zu, und zwar nicht nur zur Beherrschung des Körpers, sondern auch als Gelegenheit zu gesunder Entspannung, bei der sich der Mensch darauf einübt, seinem Egoismus zu entsagen und sich mit anderen zu messen. Nur eine Freiheit, die echt und in einem Prozeß der Erziehung geleitet und gefördert worden ist, bietet Schutz gegen die illusorischen Freiheiten des Rauschgiftes und des Geschlechtlichen. 1651 KONGREGA TIONEN Schluß Dringlichkeit der Geschlechtserziehung 106. Aus den vorausgehenden Überlegungen geht hervor, wie dringend es in der gegenwärtigen gesellschaftlich-kulturellen Lage ist, den Kindern, den Heranwachsenden und Jugendlichen unter Berücksichtigung der vom Konzil gegebenen Richtlinien eine positiv ausgerichtete, stufenweise Erziehung auf affektivem und geschlechtlichem Gebiet zu geben. Schweigen auf diesem Gebiet kann nie Verhaltensnorm sein, vor allem, wenn man an die zahlreichen „geheimen Verführer“ denkt, die sich einer einschmeichelnden Sprache bedienen. Ihr Einfluß ist heute nicht mehr zu leugnen. Daher ist es Aufgabe der Eltern, nicht nur darum besorgt zu sein, die durch unglückliche und abträgliche Einflüsse verursachten Schäden wiedergutzumachen, sondern vor allem die eigenen Kinder durch eine positive, überzeugende Erziehung gebührend vorzubereiten. Vorrangige Pflicht der Eltern 107. Die Verteidigung der fundamentalen Rechte des Kindes und des Heranwachsenden auf eine harmonische und ganzheitliche Entwicklung der Persönlichkeit, die der Würde der Gotteskindschaft Rechnung trägt, ist in erster Linie Sache der Eltern. Das personale Reifen erfordert nämlich eine Kontinuität- im Erziehungsprozeß; dieser muß durch das Liebes- und Vertrauensverhältnis, das dem Familienbereich eigen ist, gewährleistet sein. Rechte und Pflichten der Kirche Beitrag der Schule ... im Einklang mit der Familie 108. In Erfüllung ihres Auftrages hat die Kirche die Pflicht und das Recht, für die sittliche Erziehung der Getauften zu sorgen. Was die Schule im Bereich der Erziehung insgesamt, besonders aber auf diesem so heiklen Gebiet unternimmt, muß im Einklang mit der Familie geschehen. Auf seiten der Erzieher und aller, die direkt oder indirekt mitwirken, setzt dies voraus, daß sie die richtige Auffassung vom Ziel ihres Tuns haben und vorbereitet sind, dieses Problem mit Sorgfalt und vertrauensvollem Optimismus anzugehen. 1652 KONGREGA TIONEN Individuelle Erziehung 109. Damit Aufklärung und Erziehung im affektiv-geschlechtlichen Bereich wirksam seien, müssen sie rechtzeitig und klug, mit angemessenen Formulierungen und möglichst individuell erfolgen. Der Erfolg dieser Erziehung wird zum größten Teil davon abhängen, wie der Erzieher die Werte des Lebens und der Liebe darzustellen versteht. Erziehung im Lichte des Glaubens 110. Der christliche Erzieher, seien es Vater oder Mutter, Lehrer, Priester oder wer immer diesbezüglich verantwortlich ist, kann vor allem heute versucht sein, diese Aufgabe, die auf seiten des Erziehers so viel an Feingefühl, Unterscheidungsvermögen, Geduld und Mut, aber auch auf seiten des zu Erziehenden viel guten Wülen erfordert, auf andere abzuwälzen. Daher ist es notwendig, zum Abschluß nochmals festzustellen, daß Erziehen für einen Christen vor allem ein Handeln aus dem Glauben und im Vertrauen auf die Gnade ist: Jeder Aspekt der geschlechtlichen Erziehung richtet sich nämlich am Glauben aus und schöpft aus ihm und aus der Gnade die unentbehrliche Kraft. Der Brief des heiligen Paulus an die Galater reiht die Selbstbeherrschung und die Mäßigung unter die Gaben ein, die der Geist und nur Er im gläubigen Menschen wirken kann. Gott ist es, der Licht gibt, und Gott ist es, der die ausreichende Kraft schenkt65. Einladung an die Bischofskonferenzen 111. Die Kongregation für das katholische Bildungswesen wendet sich an die Bischofskonferenzen mit der Bitte, sie möchten das Zusammenwirken zwischen Eltern, christlichen Gemeinden und Erziehern fördern im Hinblick auf ein gemeinsames Handeln in einem für die Zukunft der Jugendlichen und für das Wohl der Gesellschaft so bedeutenden Bereich. Sie lädt dazu ein, diese Erziehungsaufgabe in gegenseitigem Vertrauen und unter höchstmöglicher Achtung der jeweiligen Rechte und Zuständigkeiten zu übernehmen, um eine durchgreifende und umfassende christliche Erziehung zu erreichen. Rom, 1. November 1983, am Fest Allerheiligen William Kardinal Baum, Präfekt + Antonio M. Javierre Ortas, Sekretär Titularerzbischof von Porto und S. Rufina 1653 KONGREGA TIONEN Anmerkungen 1 2. Vat. Konzil: Erklärung über die christliche Erziehung, Gravissimum educationis, Nr. 1 2 Ebd. 3 Kongregation für die Glaubenslehre: Erklärung über einige Fragen der Sexualethik, Persona humana, 29. Dezember 1975, AAS 68 (1976), S. 77, Nr. 1 4 Vgl. Johannes Paul II., Apostol. Schreiben Familiaris consortio, 22. November 1981, AAS 74 (1982), S. 128, Nr. 37; vgl. auch unten Nr. 16 5 Pius XI. erklärte in seiner Enzyklika Divini illius Magistrivom 31. Dezember 1929 eine geschlechtliche Erziehung, wie sie zu seiner Zeit gehandhabt wurde, nämlich als frühzeitig und unterschiedslos erteilte naturalistische Information, für verfehlt (AAS 22 [1930] SS. 49-86). Aus dieser Sicht muß man das Dekret des Hl. Offiziums vom 21. März 1931 lesen (AAS 23 [1931] SS. 118-119). Doch Pius XI. zog die Möglichkeit einer positiven Geschlechtserziehung des einzelnen „durch diejenigen“ in Betracht, „die von Gott den erzieherischen Auftrag und die Gnade des Standes erhalten haben“ (AAS 22 [1930] S. 71). Dieser positive Wert der Geschlechtserziehung, auf den Pius XI. hingewiesen hatte, wurde von den nachfolgenden Päpsten schrittweise entwickelt. Pius XII. bestimmt in seiner Ansprache an den V. Internationalen Kongreß für klinische Psychotherapie und Psychologie am 13. April 1953 (AAS 45 [1953] SS. 278-286) und in der Rede vor den italienischen Frauen der Katholischen Aktion am 26. Oktober 1941 (AAS 33 [1941] SS. 450-458) sehr klar, wie die geschlechtliche Erziehung im Rahmen der Familie durchgeführt werden solle (vgl. auch Pius XII., an die Karmeliter: (AAS 43 [1951] SS. 734—738); an französische Eltern: (AAS 43 [1951] SS. 730-734). Das Lehramt Pius’ XII. bereitet den Weg für die Konzilserklärung Gravissimum educationis vor. 6 Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 1 7 Ebd. 8 Vgl. 2. Vat. Konzil: Konstitution über die Kirche in der Welt von heute, Gaudium etspes, Nr. 49 9 Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 5 10 Ebd., Nr. 3; vgl. Gaudium et spes, Nr. 52 11 Familiaris consortio, Nr. 37 12 Ebd. 13 Ebd. 14 Ebd. is Ebd., vgl. Anm. Nr. 38 16 Gaudium etspes, Nr. 11 17 Johannes Paul II.: Generalaudienz am 14. November 1979, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., II - 2 (1979), S. 1156, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 47, 23. 11. 1979, SS. 1-2) is Johannes Paul II.: Generalaudienz am 9. Januar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., III - 1 (1980), S. 90, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 3, 18. 1. 1980, SS. 1-2) 19 Johannes Paul II.: Generalaudienz am 20. Februar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., III - 1 (1980), S. 430, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 9, 29. 2. 1980, S. 2) 1654 KONGREGA TIONEN 20 Johannes Paul II.: Generalaudienz am 9. Januar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., III - 1 (1980), S. 90, Nr. 4 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 3, 18. 1. 1980, SS. 1-2) 21 „Aus der Tiefe jener ursprünglichen Einsamkeit steigt der Mensch nun auf zur Dimension des gegenseitigen Sich-Schenkens, dessen Ausdruck — und daher auch dessen Ausdruck als Person - der menschliche Leib in der ganzen ursprünghchen Wahrheit seiner Männlichkeit und Weiblichkeit ist. Der Leib, der die Weiblichkeit für die Männlichkeit und umgekehrt die Männlichkeit für die Weiblichkeit zum Ausdruck bringt, bekundet die Gegenseitigkeit und Gemeinschaft der Person. Er bringt sie durch das Sich-Schenken als das grundlegende Merkmal der personalen Existenz zum Ausdruck.“ Ebd. 22 Vgl. Johannes Paul II.: Generalaudienz am 26. März 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., III - 1 (1980), SS. 737-741 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 14-15, 4. 4. 1980, S. 2) 23 Gaudium et spes, Nr. 49 24 Ebd., Nr. 12 25 Ebd., wo die soziale Bedeutung von Gen. 1,27 erläutert wird. 26 Ebd., NNr. 47-52 27 Johannes Paul II.: Generalaudienz am 20. Februar 1980, Insegnamenti di Giovanni Paolo II., III - 1 (1980), S. 429, Nr. 2 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 10. Jg., Nr. 9, 29. 2. 1980, S. 1) 28 Gaudium et spes, Nr. 22 29 Vgl. Eph 4,13 30 Vgl. Mt 19, 3-12 31 Vgl. 1 Kor 7, 32-34 32 Ebd., 13, 4-8; vgl. Familiaris consortio, Nr. 16 33 Vgl. 2. Vat. Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium, Nr. 39 34 Kongregation für das katholische Bildungswesen: Erziehungsrichtlinien für die Ausbildung zum Priesterzölibat, 11. April 1974, Nr. 22 35 Vgl. 1 Kor 6, 15. 19-20 36 Vgl. Röm 7, 18-23 37 Gaudium et spes, Nr. 52; vgl. Familiaris consortio, Nr. 37 38 Vgl. Familiaris consortio, Nr. 37 39 Vgl. Gravissimum educationis, Nr. 3—4; vgl. Pius XI., Divini illius Magistri, AAS 22 (1930), S. 53 f., 56f. 40 Vgl. Familiaris consortio, Nr. 11 41 Ebd., Nr. 16 42 Vgl. Paul VI., Enzyklika Humanae vitae, 25. Juli 1968, AAS 60 (1968), S. 493 ff., Nr. 17 ff. 43 Gaudium et spes, Nr. 48 44 Vgl. Humanae vitae, Nr. 10 45 Familiaris consortio, Nr. 33. Bezüglich der heute weitverbreiteten Werbung für Empfängnisverhütung, vgl. Humanae vitae, NNr. 14-17 46 Vgl. Gaudium et spes, Nr. 26; vgl. Humanae vitae, Nr. 23 47 Johannes Paul II.: Botschaft zum 13. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 23. Mai 1979, AAS 71 (1979 - II) S. 930 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 21, 25. 5. 1979, S. 1) 48 2. Vat. Konzil: Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel, Inter mirifica, Nr. 10; vgl. Päpstliche Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel: Pastoralinstruktion Communio et progressio, AAS 63 (1971) S. 619, Nr. 68 1655 KON GREGA TIONEN 49 Vgl. Johannes Paul II.: Botschaft zum 13. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, 23. Mai 1979, AAS 71 (1979 - II) SS. 930-933 (deutsch: Oss. Rom., deutsche Ausgabe, 9. Jg., Nr. 21, 25. 5. 1979, S. 1) so Inter mirifica, Nr. 12 51 Familiaris consortio, Nr. 32 52 Vgl. oben Nr. 58 53 Vgl. 1 Kor 13,5 54 Mt 19,5 55 Humanae vitae, AAS 60 (1968), S. 486, Nr. 9 56 Vgl. Persona humana, AAS 68 (1976), S. 82, Nr. 7 57 Ebd., SS. 85-87, Nr. 9 58 Ebd. 59 Ebd. 60 Ebd. 61 Erziehungsrichtlinien für die Ausbildung zum Priesterzölibat, Nr. 63 62 Vgl. Persona humana, AAS 68 (1976), SS. 84-85, Nr. 8 «3 Vgl. ebd. 64 Vgl. Rom 1, 26-28; vgl. auch Persona humana, AAS 68 (1976), Nr. 9 65 Vgl. Gal 5, 22-24 1656 VI. Anhang ANHANG In Freiheit für das Heil der Menschen sorgen Schreiben von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli an den Erzbischof von Prag, Kardinal Frantisek Tomasek, vom 14. Februar Eminenz, hochwürdigster Herr Kardinal! Von verschiedenen Seiten sind dem Stuhl Petri Nachrichten über die Lage zugekommen, in der sich der Klerus in der Tschechoslowakei im Hinblick auf die Frage befindet, wie er sich nach der Erklärung Quidam Episcopi, die am 8. März vergangenen Jahres von der Kongregation für den Klerus veröffentlicht wurde, für die Förderung des Friedens einsetzen kann. Wie aber Eurer Eminenz bekannt ist, stand und steht die Frage des Friedens noch immer in der aufmerksamen Beachtung der Kirche wie des Papstes und des Hl. Stuhls, und das mit immer größerer Sorge und Dringlichkeit. Was diese sehr ernste Frage betrifft, so ist mir im Namen und Auftrag des Heiligen Vaters die Aufgabe übertragen worden, Ihnen und den übrigen Bischöfen und Ortsordinarien dieser Nation neuerlich die aus der Quelle des Evangeliums abgeleiteten grundlegenden Elemente des Lehramtes der Kirche wie auch die Initiationen der Nachfolger des hl. Petrus in Erinnerung zu rufen, die in der Tat Zeugnis geben von ihren Bemühungen um die Förderung des Friedens, im Sinn der Seligpreisung des Evangeliums: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“ (Mt 5, 9). Auf der Grundlage des Evangeliums 1. Die Friedenslehre der christlichen Religion beruht in der Tat auf dem Evangelium, das die Kirche von Christus übernommen hat. Denn als Erlöser der Menschheit hat er durch das Kreuzesopfer bereits Gott mit den Menschen versöhnt. Diese Botschaft des Evangeliums berücksichtigt also vor allem die geistliche Seite, und sie leuchtet dann im Leben der Christen, wenn diese das Gebot Christi befolgen, das da lautet: „Liebet einander“ (Joh 13, 34-35; 15, 17). Das heißt, daß sie den Tag herbeisehnen, an dem sie nach der Vorhersage des Propheten Jesaja „Pflugscharen aus ihren Schwertern schmieden und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert, Volk gegen Volk, und übt sich nicht mehr für den Krieg“ (Jes 2, 4). 1659 ANHANG Im einzelnen aber halten Sie sich an das Folgende: a) Das Lehramt der Kirche hat mehrfach den Frieden behandelt. Die eindringliche Stimme Papst Pius’ XII. sowohl vor dem Zweiten Weltkrieg als auch während dieser Krieg tobte und nach seinem Ende; die Enzyklika Papst Johannes’ XXIII. Pacem in terris (aus dem Jahr 1963); die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils, die in der Konstitution Gaudium et spes (1965) dargelegt ist; die ernsten Worte Papst Pauls VI. vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen (1964): Das alles sind Beweise der außerordentlichen und unermüdlichen Anstrengung, die die Päpste zur Festigung des Friedens in unserer Zeit aufgewandt haben. Mit voller und neuer Kraft folgte den Spuren seiner Vorgänger Papst Johannes Paul II., der die Kirche weise leitet. Von seiner ersten Enzyklika Redemptor hominis (1979) an stellte er allen die bedenkenswerten Gefahren vor Augen, die unheilvoll die Menschheit bedrohen, wenn sie nicht die Pläne zur Zerstörung, ja zur Auslöschung der menschlichen Gesellschaft durch Waffengewalt aufgibt. Erneuert aber wurde diese Mahnung dann in der Ansprache, die derselbe Papst am 2. Oktober 1979 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen gehalten hat. Im übrigen brach die ungeheure Sorge des Papstes nicht nur einmal bei verschiedenen Anlässen und Gelegenheiten hervor, von denen als die wichtigste die am Sitz der UNESCO am 2. Juni 1980 erwähnt werden soll wie auch, als ihm am 25. Februar 1981 die Möglichkeit eingeräumt wurde, vor den Vertretern der Universität der Vereinten Nationen zu sprechen. In beiden Ansprachen wurde vom Papst betont, wie hoch, wie schwer die Verpflichtung und Aufgabe der Experten der Physik bei der Förderung des Friedens ist. Übergangen werden kann auch nicht der diesbezügliche Appell an die ganze Menschheit von Hiroshima aus (am 25. Februar 1981) oder die an die zweite außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen gerichtete Botschaft (11. Juni 1982), in der der Friede als möglich hingestellt und deshalb verlangt wird, mit allen Kräften danach zu streben. Im übrigen tritt die unermüdliche Sorge Papst Johannes Pauls II. um den Frieden nicht nur auf seinen Pastoraireisen an die Öffentlichkeit, sondern auch in Rom, an seinem Sitz, jedesmal, wenn er mit Staatsoberhäuptern oder beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomaten zusammentrifft. b) Wie ich aber oben andeutete, haben verschiedene Unternehmungen, die natürlich die Friedensbestrebungen der Kirche deutlicher heraussteilen, die Lehre über den Frieden offenkundiger gemacht. Um von diesen Unternehmungen immerhin einige anzuführen, erscheinen, vor allem nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, folgende besonders erwähnenswert: die Errichtung der sogenannten Päpstlichen Kommission „Justitia et 1660 ANHANG Pax“, die dazu geschaffen wurde, alles genau zu erwägen, was den Frieden, den Fortschritt, die Menschenrechte betrifft, die Soziallehre der Kirche zu verkünden und auf diese Weise den Einsatz der Christen unter den Menschen zur Unterstützung des Wirkens der Bischofskonferenzen für die Förderung des Friedens anzuspornen und zu steigern. Außer dieser Einrichtung, die zur Förderung des Friedens geschaffen wurde, setzte Papst Paul VI. fest, daß am ersten Tag des Jahres der Weltfriedenstag begangen werden soll, in der Absicht, daß das Volk Gottes jedes Jahr durch Darlegung eines neuen besonderen Aspekts dieses Themas, den eine Botschaft des Papstes erläutert, durch Gebet, Meditation und Aktion zum Frieden erzogen wird. Frieden in Freiheit Dieser Tag, der zum ersten Mal am 1. Januar 1968 begangen wurde, hat sich wirklich als äußerst nützlich zur Durchsetzung des Vorhabens erwiesen, das zu verwirklichen sich die Kirche mit größter Geduld und Ausdauer bemüht, wobei sie ganz davon überzeugt ist, daß nur dort gerechte Mittel und Wege zur Herstellung friedlicher Verhältnisse unter den Menschen eingeschlagen werden können, wo das Gewissen der Bürger richtig gebildet worden ist. Im übrigen hat der Hl. Stuhl nicht nur für diese Gewissensbildung gesorgt, sondern war auch bestrebt, an den internationalen Vereinigungen teilzunehmen, wo bedeutsame Friedensthemen behandelt werden. Das ist in der Tat der Grund, warum der Hl. Stuhl von Anfang an einer Organisation als Mitglied angehört, die den Namen „International Atomic Energy Agency“ (Internationale Atomenergiebehörde) trägt; und ebenso, warum er dem Vertrag über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen beitrat (25. Februar 1971), der trotz aller Mängel doch für einen nicht unbedeutenden Schritt auf dem Weg zur gänzlichen Beseitigung dieser Waffenart gehalten werden muß. In ähnlicher Weise hat der Hl. Stuhl, um für den Frieden zu arbeiten -freüich nicht in technischer oder politischer, sondern in ethischer Hinsicht gemäß den tiefer erkannten Prinzipien, auf denen die Beziehungen der Nationen und Völker untereinander beruhen müssen -, an der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa teilgenommen (1975) und die Schlußakte von Helsinki unterzeichnet, und er nimmt in gebührender Weise an den Treffen teil, die entsprechend dem Tenor dieses Dokuments gehalten werden. Deshalb ließ Papst Johannes Paul II. am 1. September 1980 an die Staatsmänner, die den Akt mit ihrer Unterschrift bekräftigt 1661 ANHANG hatten, ein Schreiben übersenden, in dem er wohlüberlegt über die Würde und das Wesen der Gewissens- und Religionsfreiheit handelt, wobei er mit einzigartiger Begründung erläutert, wie eng und notwendig die Beachtung dieser Freiheit mit dem Frieden zusammenhängt. Dasselbe beabsichtigte der Papst, als er im Dezember 1981 Abgesandte der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften zu den führenden Staatsmännern der Vereinigten Staaten von Amerika, der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, Frankreichs und Großbritanniens entsandte, die ein von dieser Akademie ausgearbeitetes streng wissenschaftliches Schriftstück über die unheilvollen Folgen der Atomwaffen erläutern sollten. Außerdem hat diese Akademie der Wissenschaften kürzlich einen Kongreß abgehalten, an dem die Präsidenten der Akademie der Wissenschaften der ganzen Welt und mit ihnen andere gelehrte Männer verschiedener Nationen teilnehmen sollten (Rom, 23.-24. Sept. 1982); auf diesem Kongreß wurde von allen eine Erklärung gebilligt über die Art und Weise, wie man einen Atomkrieg verhindert. Nach Erwähnung dieser Unternehmungen wird es nützlich sein, auch daran zu erinnern, daß Beobachter des Hl. Stuhls an mehreren Konferenzen teilgenommen haben, die von Anhängern verschiedener Religionen zur Förderung des Friedens abgehalten wurden, z. B. die Treffen der Weltkonferenz der Religionen für den Frieden (Kyoti, 1970; Loewen, 1974; Princetown, 1979); und der Kongreß aller Völker zur Erörterung des Themas: „Was die religiösen Menschen tun können, um das heilige Geschenk des Lebens vor einer Atomkatastrophe zu bewahren“ (Moskau, 1982). 2. Natürlich muß die Kirche ihre Pflicht, für das Heil zu sorgen und den Frieden unter den Völkern zu schaffen, in einer Weise erfüllen, die mit ihrem Wesen wie mit ihrer hierarchischen Verfassung übereinstimmt. Auf dem Felsen Petri und dem Fundament der Apostel von ihrem göttlichen Stifter errichtet, wird sie daher vom Nachfolger Petri und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet, wie das Zweite Vatikanische Konzil mit den folgenden Worten lehrt: „Wie nach der Verfügung des Herrn der hl. Petrus und die übrigen Apostel ein einziges apostolisches Kollegium bilden, so sind in entsprechender Weise der Bischof von Rom, der Nachfolger Petri, und die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, untereinander verbunden“ (Lumen gentium, Nr. 22). Die Bischöfe aber, die mit ihrem Haupt, dem Bischof von Rom, verbunden sind, folgen den Aposteln im Lehr- und Hirtenamt nach; und zusam- 1662 ANHANG men mit dem Bischof von Rom üben sie volle und höchste Gewalt über die ganze Kirche aus (vgl. ebd.). Außerdem üben nach dem Willen des göttlichen Stifters der Kirche die einzelnen Bischöfe, die den Teilkirchen vorstehen, volle Gewalt über den ihnen anvertrauten Teil des Gottesvolkes aus. Und wie der römische Papst sichtbares Prinzip und Fundament der Einheit der Universalkirche ist, sind das auch die einzelnen Bischöfe in ihren Teilkirchen. Aus diesem Grund also lehren, heiligen und leiten die von Christus eingesetzten und durch die Kraft des Heiligen Geistes gestärkten Bischöfe, wenn sie in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Stellvertreter Christi bleiben, ihre Teilkirchen. Die einzelnen Bischöfe wiederum übertragen - in untergeordnetem Maß - ihr Dienstamt den Priestern; die Priester bilden als seine Mitarbeiter zusammen mit dem Bischof ein einziges Presbyterium. Das Sakrament der Priesterweihe überträgt ihnen die Salbung des Heiligen Geistes (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 2) und weiht sie zum Bild Christi, des höchsten und ewigen Priesters, zur Verkündigung der Frohbotschaft, zur Feier des Gottesdienstes und zur Versöhnung des Menschen mit Gott (vgl. Lumen gentium, Nr. 28). Kraft der gemeinsamen heiligen Weihe und Sendung verpflichtet ein heiliges Band der Liebe, des Gehorsams und gegenseitiger Verehrung die Priester dem Bischof; ja, es verbindet auch die Priester untereinander in gegenseitiger Brüderlichkeit, die in gegenseitiger Hilfe, in der Gemeinschaft des Lebens und in der Liebe leuchtet (vgl. ebd.). Diese Gemeinschaft des Lebens aber bezeichnete das Zweite Vatikanische Konzil, ohne zu zögern, als „innige sakramentale Bruderschaft“ (Presbyterorum ordinis,Nt. 8);dortheißtesauch: „Alle Priester haben zusammen mit den Bischöfen so an ein und demselben Priestertum und Amt Christi teil, daß diese Einheit der Weihe und Sendung ihre hierarchische Gemeinschaft mit dem Stand der Bischöfe erfordert“ (ebd., Nr. 7). Diese Gemeinschaft des ganzen Presbyteriums ist also notwendig für die Heilssendung der Kirche, woran Christus sie in seinem Gebet beim Letzten Abendmahl erinnert hatte (vgl. Joh 17, 11 f.). Die Kirche, treueste Hüterin des Willens ihres Stifters, ist wahrhaftig mit einzigartiger Sorge darum bemüht, daß Bischöfe, Priester und Diakone glühenden Herzens dem entsprechen, was ihre heilige Berufung von ihnen verlangt; und darauf bezieht sich auch die kürzlich erschienene Erklärung Quidam Episcopi, die die Kleruskongregation zu dem Zweck herausgebracht hat, daß die Inhaber geistlicher Ämter sich ganz der hierarchischen Struktur der Kirche anpassen. 1663 ANHANG 3. Was aber den Hl. Stuhl selbst betrifft, so bekennt er offen, daß er nicht nur die Dringlichkeit des Friedens feierlich bekräftigt und in Erinnerung ruft, sondern immer bereit ist und von dem Wunsch erfüllt, mit den zivilen Mächten, die das wünschen, gemeinsame Angelegenheiten zu behandeln, die den Dienst am Frieden wie die Förderung all dessen betreffen, was diese Zusammenarbeit möglich macht oder ihr nützen kann. Die Kirche verlangt daher wie jede allen sichtbare Gesellschaft zunächst das Recht, überall auf Erden zu leben und tätig zu sein, während sie sich darum bemüht, freundschaftliche Beziehungen zu den verschiedenen politischen Gemeinschaften herzustellen, wobei die Handlungsfreiheit jeder Seite auf ihrem Gebiet sichergestellt sein muß. Doch verlangt die Kirche keinerlei Privilegien, sondern lediglich die berechtigte Möglichkeit, unter jedem Regime ungehindert ihr Ziel zu verfolgen, d. h. in wahrer Freiheit ihren Auftrag, für das Heil des Menschen zu sorgen, erfüllen zu können (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76). Obendrein erfordert der wahre Friede zwischen den Völkern, daß die Rechte und Freiheiten der Menschen beobachtet werden, und unter diesen ist an erster Stelle die Gewissens- und Religionsfreiheit anzuführen, die der Hl. Stuhl auch durch geschlossenen Verträge ständig fördert, von denen die freie Glaubens- und Kultausübung der katholischen Bürger öffentlich und privat sichergestellt wird. Was die Tschechoslowakei betrifft, so ist Eurer Eminenz sehr wohl bekannt, daß der Hl. Stuhl ihr gegenüber immerdar seine Zuneigung bewiesen hat. Denn er hat sie im Jahre 1919 als ersten der aus der aufgelösten Österreichisch-Ungarischen Monarchie entstandenen Staaten anerkannt; er hat dann öffentliche Beziehungen hergestellt und im Jahre 1928, als sie sich noch in Entwicklung befand, die vertragliche Grundlage für einen Modus vivendi gelegt. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aber hat er, sobald es die Lage erlaubte, seinen Vertreter nach Prag entsandt, der sich einige Jahre, das heißt, solange es ihm gestattet war, dort aufhielt. Als in der Folge das Zweite Vatikanische Konzil einberufen wurde, hielt es der Hl. Stuhl für angemessen, den Regierungsverantwortlichen der Tschechoslowakischen Republik zu eröffnen, daß er durchaus zur Abhaltung gegenseitiger Gespräche bereit sei, die allerdings offen und fruchtbar sein müßten. Und in der Tat haben diese Gespräche mit den Autoritäten der Tschechoslowakei, die im Mai 1963 aufgenommen wurden, einige Probleme zum gemeinsamen Vorteil gelöst. Andere äußerst wichtige Fragen, die dem Papst sehr am Herzen liegen, sind jedoch noch zu klären. Ein Beweis dafür ist die Ansprache, die der 1664 ANHANG Papst am 22. März vergangenen Jahres an euch, Bischöfe der Tschechoslowakei, anläßlich eures Ad-limina-Besuches gehalten hat. In dieser Rede gab er offen seinem Wunsch Ausdruck, daß alle Diözesen mit Bischöfen versehen werden, daß die Jugend und die christlichen Familien in würdiger Weise in ihrem Glauben unterwiesen werden können und daß Priesterberufe in Freiheit blühen und reifen können, damit dem Priestermangel wirksamer gegengesteuert werde. Dies allen Priestern verkünden Im übrigen hat der Papst bereits am 31. Dezember 1981, besorgt über die geringe Anzahl von Priestern und den Zustand der Seminarien, an euch Bischöfe appelliert und ist in einem Schreiben am 14. Januar 1982 an euren Staatschef auf die Sache zurückgekommen, fest darauf vertrauend, daß das ernste Problem möglichst bald eine glückliche Lösung finde. Was aber den Hl. Stuhl angeht, so ersucht dieser die Autoritäten der Tschechoslowakei immer wieder darum, daß nach Wiederaufnahme der Gespräche auch andere ungeklärte Fragen gelöst werden, und zwar in der Absicht, daß die Kirche das ihr eigene Leben vollständig leben kann, das heißt, daß die Bischöfe ihre heilige Amtsgewalt frei ausüben und zugleich in der Bischofskonferenz gemeinsame Beschlüsse fassen können; daß Orden und Kongregationen Lebensrecht haben: daß die Laien frei und ungehindert an allem teilnehmen können, was sie als Glieder der Kirche betrifft, insbesondere am sakramentalen Leben und am Gottesdienst. Wenn all dies geklärt und festgelegt ist, kann die Kirche in geeigneterer Weise auch ihren Teil zur Förderung des Friedens beitragen. Während ich das auf Anordnung des Papstes äußere, sage ich noch klar und offen folgendes: Er wünscht, daß die Bischöfe und Ordinarien, denen die Grundsätze über die hierarchische Verfassung der Kirche natürlich bestens bekannt sind und denen sie anhängen, zusammen mit Ihnen in brüderlicher Verbundenheit im täglichen Gebrauch diese Grundsätze getreu den Priestern aller eurer Diözesen verkünden. Sie alle segnet er zusammen mit den ihnen anvertrauten Gläubigen. Ich nehme gern die Gelegenheit wahr, Ihnen die Gefühle meiner Verehrung auszudrücken. Eurer Eminenz ergebenster Agostino Kardinal Casaroli Aus der Vatikanstadt, 14. Februar 1983 1665 ANHANG Die Katastrophe muß verhindert werden Erklärung einer Gruppe von Wissenschaftlern nach Abschluß einer Tagung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften über die Vermeidung eines Atomkrieges (23. bis 24. September 1983) I. Die Menschheit sah sich während ihrer ganzen Geschichte mit dem Krieg konfrontiert, aber seit 1945 hat die Art der militärischen Operationen eine so tiefgreifende Veränderung erfahren, daß die Zukunft der Menschheit und der kommenden Generationen in Gefahr ist. Zugleich haben die gegenseitigen Kontakte und die Mittel der Verständigung zwischen den Völkern der Welt zugenommen. Heute muß sich die Menschheit aufgrund der massiven und wettlaufartigen Anhäufung von nuklearen Sprengköpfen einer Bedrohung entgegenstellen, die ohne Beispiel in ihrer Geschichte ist. Die bestehenden Waffenarsenale könnten, wenn sie in einem großen Krieg zur Anwendung gelangen würden, den augenblicklichen Tod von einigen hundert Millionen Menschen hervor-rufen, und eine unvorhersehbare Zahl von weiteren Millionen würde in der Folgezeit als Opfer verschiedener Sekundärwirkungen sterben. Zum ersten Mal ist es möglich, Zerstörungen von so katastrophalem Ausmaß hervorzurufen, daß ein Großteil der Zivilisation ausgelöscht und ihr Überleben gefährdet sein würde. Der massive Einsatz solcher Atomsprengköpfe könnte derart schwerwiegende und irreversible ökologische und genetische Veränderungen auslösen, daß deren Tragweite sich nicht voraussehen läßt. Die Wissenschaft kann der Welt keine reale Verteidigung gegen die Folgen eines Atomkrieges anbieten. Es besteht zum Schutz der Städte keine Möglichkeit, hinreichend wirksame Verteidigungsmaßnahmen zu schaffen, weil das Eindringen eines einzigen Kernsprengkopfes eine massive Zerstörung verursachen kann. Man sieht keine Möglichkeit, wie die Masse der Bevölkerung gegen einen schweren atomaren Angriff geschützt werden könnte, noch wie sich die Zerstörung der Grundlagen von Kultur, Wirtschaft und Industrie vermeiden ließe. Der Zusammenbruch des Gesellschaftsgefüges und die Zahl der Opfer wären von solchem Ausmaß, daß keine ärztlich-medizinische Struktur mehr als nur in einem Bruchteil der erforderlichen Fälle Hilfe leisten könnte. Bis heute gibt es ungefähr 50 000 Kernsprengköpfe, manche davon mit einer Sprengkraft, die tausendmal größer ist als die Bombe, die Hiroshima 1666 ANHANG zerstörte. Die Gesamtsprengkraft dieser Sprengköpfe kommt einer Million der Bombe von Hiroshima gleich, was drei Tonnen herkömmlichen Sprengstoffes (TNT) pro Erdenbewohner entspricht. Diese Masse von Bomben nimmt ständig zu. Außerdem stehen wir der wachsenden Gefahr gegenüber, daß andere Nationen Kernwaffen erwerben oder die Fähigkeit zu ihrer Herstellung entwickeln. Gegenwärtig gibt es eine nahezu lückenlose Serie von Sprengladungen, von den kleinsten Kernsprengköpfen zum Einsatz auf dem Gefechtsfeld bis hin zu den verheerenden Megatonnen-Sprengköpfen. Das erhöht die Gefahr eines Atomkrieges und läßt die Trennungslinie zwischen einem mit konventionellen Waffen ausgetragenen Konflikt und einem Atomkrieg immer fließender werden. Die Kernwaffen stellen nicht nur Mittel der Abschreckung dar, denn es bestehen heute Pläne für ihren taktischen Einsatz und ihre Anwendung in einem allgemeinen Krieg unter dem Vorwand, ihn dadurch unter Kontrolle zu halten. Die Menge und das Anwachsen der bereits bestehenden Masse von Atomsprengköpfen und ihre weitere Verbreitung in den Armeen steigern die Wahrscheinlichkeit ihres Gebrauchs aufgrund irgendeines Zufalles, aufgrund einer irrtümlichen Lageeinschätzung in Zeiten großer politischer oder militärischer Spannung. Das Risiko ist groß, daß auch der begrenzte Einsatz von Kernwaffen zu einem allgemeinen Atomkrieg führen kann. Die Weltlage hat sich verschlechtert. Mißtrauen und Verdächtigung zwischen den Nationen nehmen zu. Ein ernsthafter Dialog zwischen West und Ost, zwischen Nord und Süd ist gescheitert. Schwerwiegende Ungleichheiten, zwischen den Nationen und innerhalb dieser selbst, nationalistische oder kurzsichtige Parteibestrebungen und der Drang zur Macht sind die Keime für Konflikte, die zu einem allgemeinen und nuklearen Zusammenstoß führen können. Die Skandale der Armut, des Hungers und der Erniedrigung stellen an sich eine wachsende Bedrohung für den Frieden dar. Es scheint ein fatalistisches Hinnehmen zu wachsen: Der Krieg ist unvermeidlich, und der Krieg wird ein Nuklearkrieg sein. In einem solchen Krieg wird es keinen Sieger geben. Die ständige Ansammlung neuer Kenntnisse vermehrt das Potential der atomaren, chemischen, biologischen und konventionellen Waffen. Es gibt deshalb Grund zu der Annahme, daß die ohnehin schon fürchterlichen Kriegsmittel noch zerstörerischer werden können, wenn nichts getan wird, dies zu verhindern. Im Gegenteil, die menschliche Vernunft bleibt verhältnismäßig begrenzt, in drastischem Gegensatz zu dem scheinbar unaufhaltsamen Anwachsen 1667 ANHANG der Zerstörungsmittel. Es ist Pflicht der Wissenschaftler, die entartete Anwendung ihrer Entdeckungen zu verhindern und zu bekräftigen, daß die Zukunft der Menschheit von der Annahme der über alle anderen Erwägungen hinausgehenden moralischen Prinzipien seitens aller Nationen abhängt. Weil der Mensch das natürliche Recht hat, zu überleben und unter menschenwürdigen Bedingungen zu leben, muß die Wissenschaft dazu verwendet werden, um der Menschheit zu helfen und nach der Fülle des Lebens und dem Frieden zu streben. Angesichts der ungeheuren Gefahren, denen wir begegnen müssen, ist es Pflicht jedes Menschen guten Willens, sich der bestehenden Bedrohung zu widersetzen. Alle anderen Streitfragen - wirtschaftlicher, politischer, ideologischer und religiöser Art die uns täglich Sorgen bereiten, sind nicht leicht zu nehmen, doch im Vergleich zu den Gefahren eines Atomkrieges scheinen sie an Dringlichkeit zu verlieren. Abbau des Mißtrauens, stufenweise Vermehrung der Hoffnung und des Vertrauens sind dringend gebotene Aufgaben, um die Entwicklung, die Experimente, die Produktion und die Installierung von Waffensystemen mit Nuklearsprengköpfen zu reduzieren, sie wirksam auf ein geringeres Niveau zu senken in der Hoffnung, sie schließlich ganz abbauen zu können. Um Kriege zu vermeiden und echten Frieden zu schaffen, müssen nicht nur die Fähigkeiten des Verstandes, sondern auch das Potential der Ethik, der Moral und der Weltanschauung eingesetzt werden. Die Katastrophe eines Atomkrieges kann und muß verhindert werden. Die Staatsmänner und Regierungen tragen in dieser Hinsicht eine schwere Verantwortung. Aber es ist die Menschheit in ihrer Gesamtheit, die handeln muß, um zu überleben. Wir haben es hier mit der größten moralischen Herausforderung zu tun, mit der die Menschheit je konfrontiert wurde, und es ist keine Zeit zu verlieren. II. Angesichts der Bedrohungen durch eine weltweite nukleare Katastrophe erklären wir: - Die Kernwaffen unterscheiden sich substantiell von den konventionellen Waffen. Man kann sie nicht als Mittel für einen annehmbaren Krieg betrachten. Der Atomkrieg wäre ein Verbrechen gegen die Menschheit. - Es ist von extremer Bedeutung, daß es wegen der Gefahr des Einsatzes von Kernwaffen nicht zu einem bewaffneten Konflikt zwischen Atommächten kommt. - Die Anwendung von Waffengewalt bei der Regelung internationaler 1668 ANHANG Konflikte schließt die Gefahr militärischer Zusammenstöße zwischen Atommächten ein. - Die Verbreitung von Atomsprengkörpern in andere Länder vermehrt ernsthaft die Gefahr eines atomaren Krieges und könnte zum Atomterro-rismus führen. - Der gegenwärtige Rüstungswettlauf erhöht die Gefahr eines Atomkrieges. Diesem Wettrüsten muß Einhalt geboten werden; die Entwicklung noch zerstörerischerer Kernwaffen muß verhindert und die Nuklearstreitkräfte müssen reduziert werden mit dem Endziel der vollständigen atomaren Abrüstung. - Der einzige Zweck der Kernwaffen, solange sie bestehen, muß die Abschreckung vor einem Atomkrieg sein. III. Weil wir erkennen, daß das Übermaß an konventionellen Streitkräften das Mißtrauen erhöht und zu Konfrontationen mit dem Risiko eines Atomkrieges führen könnte, und weil wir erkennen, daß sich sämtliche Differenzen und territorialen Streitfragen durch Verhandlungen, durch Schiedsspruch oder andere friedliche Mittel lösen lassen müssen, richten wir einen Appell an alle Nationen: - niemals als erste die Kernwaffen einzusetzen; - jede Anstrengung zu unternehmen, um in dem tragischen Fall, daß es zum Einsatz von Kernwaffen käme, sämtliche Feindseligkeiten sofort einzustellen; - sich den Grundsatz zu eigen zu machen, daß Gewalt bzw. die Drohung mit Gewalt nicht gegen die territoriale Integrität und Unabhängigkeit eines anderen Staates angewandt werden darf; - die Anstrengungen im Hinblick auf kontrollierte Abkommen zu erneuern und zu vermehren, um den atomaren Rüstungswettlauf zu begrenzen und die Zahl der Sprengköpfe und der Trägersysteme zu vermindern. Diese Abkommen sollen mit den wirksamsten technischen Mitteln kontrolliert werden. Man darf nicht zulassen, daß politische Gegensätze oder territoriale Streitigkeiten mit dieser vorrangigen Zielsetzung verflochten werden; - wirksamere Wege und Mittel zu finden, um der Verbreitung der nuklearen Sprengkörper zuvorzukommen. Die Atommächte und vor allem die Supermächte haben die Hauptverpflichtung, ein Beispiel zu geben, indem sie die Rüstung reduzieren und ein Klima schaffen, das der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen günstig ist. Darüber hinaus haben alle Nationen die Pflicht zu verhindern, daß die friedliche Nutzung der Atomenergie in eine Verbreitung von Kernwaffen umgekehrt wird; 1669 ANHANG - alle praktischen Maßnahmen zu ergreifen, um die Möglichkeit eines atomaren Krieges durch Unfall, Irrtum oder absurde Initiative herabzusetzen; - die bestehenden Abkommen über Rüstungsbegrenzung einzuhalten und zugleich zu versuchen, weitreichendere und wirksamere Abkommen abzuschließen. IV. Schließlich richten wir einen Appell: 1) an die Staatsmänner der Nationen, auf daß sie die Initiative ergreifen, das Risiko eines Atomkrieges schrittweise zu verringern, indem sie über die allzu begrenzten Sorgen nationaler Vorteile hinwegblicken und jeden militärischen Konflikt als Mittel zur Lösung ihrer Gegensätze ausschließen; 2) an die Wissenschaftler, daß sie ihre schöpferische Kraft dazu verwenden mögen, die Lebensbedingungen des Menschen zu verbessern, und daß sie im vorliegenden Fall ihre Begabung auf die Erforschung brauchbarer Mittel zur Vermeidung eines Atomkrieges und zur Entwicklung praktischer Methoden für die Rüstungskontrolle verwenden mögen; 3) an die religiösen Oberhäupter und an alle Hüter moralischer Prinzipien, daß sie mit Kraft und Nachdruck den Ernst der menschlichen Probleme verkünden, die auf dem Spiel stehen, damit sie von der Gesellschaft voll und ganz verstanden und erfaßt werden; 4) an die Völker eines jeden Landes, daß sie ihren tiefen Glauben an die Bestimmung der Menschheit bekräftigen und darauf bestehen mögen, daß die Vermeidung des Krieges zur Verantwortung aller gehört, daß sie der Meinung entgegentreten, ein Atömkrieg sei unvermeidlich, und sich unaufhörlich dafür einsetzen, die Zukunft der kommenden Generationen sicherzustellen. Es folgen die Unterschriften: E. Amaldi (Italien); I. Badran (Ägypten); A. Balevski (Bulgarien); A. Bekoe (ICSU); F. Benvenuti (Italien); C. Bernhard (Schweden); O. Bikov (UdSSR); B. Bilinski (Polen); C. Chagas (Brasilien); E. De Giorgi (Italien); B. Dinkov (Bulgarien); G. Hambraeus (Schweden); T. Hesburgh (USA); H. Hiatt (USA); D. Hodgkin (Georgetown-Univ., Washington); S. Hsieh (Taipei); A. Huxley (England); S. Iijima (Japan); S. Isaev (UdSSR), P. Jacquinot (Frankreich); W. Kalweit (DDR); M. Kazi (Pakistan); S. Keeny (USA); K. Komarek (Österreich); F. König (Österreich); J. Labarbe (Belgien); J. Lejeune (Frankreich); L. Leprince-Ringuet (Frank- 1670 ANHANG reich); R. Levi Montalcini (Italien); S. Mascarenhas (Brasilien); M. Lora-Tamayo (Spanien); T. Malone (USA); G. Marini-Bettolo (Italien); M. Menon (Indien); G. Montalenti (Italien); M. Peixoto (Brasilien); J. Peters (Belgien); G. Porter (England); F. Press (USA); G. Puppi (Italien); B. Rifai (Indonesien); W. Rosenblith (USA); P. Rossano (Italien); P. Rudo-min (Mexiko); B. Rysavy (Tschechoslowakei); I. Saavedra (Chile); V. Sardi (Venezuela); T. Shin (Korea); E. Simpson (Südafrika); J. Sirotkovic (Jugoslawien); L. Sosnovski (Polen); A. Stoppani (Argentinien); J. Szenta-gothai (Ungarn); S. Tannenberger (DDR); C. Townes (USA); E. Velikhov (UdSSR); W. Watts (Irland); V. Weisskopf (USA); Carl Friedrich von Weizsäcker (Bundesrepublik Deutschland). Der Hl. Stuhl und der Frieden Ansprache von Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroü bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde in Literaturwissenschaften durch die Jesuiten-Universität in San Francisco am 18. November Ich wurde gebeten, aus diesem Anlaß über das Thema „Der Hl. Stuhl und der Frieden“ zu sprechen. 1. Ich entspreche dieser Bitte gern, wenn auch - das muß ich gestehen -mit einer gewissen Befürchtung. Über den Frieden wird immer wieder und seit langem, überall und bei so vielen Gelegenheiten, auf so verschiedene Weise und in so unterschiedlichen Tonarten gesprochen, daß einer vernünftigerweise fürchten muß, zumindest als nicht sehr originell zu erscheinen, wenn er ein so breit erforschtes Thema behandelt, zu dem etwas zu sagen, was nicht schon wiederholt gesagt wurde, schwierig scheint. Auch zu den Erklärungen und Aktivitäten des Hl. Stuhls in bezug auf den Frieden und für den Frieden ist viel gesagt worden, besonders aufgrund des Echos, das die Worte und Handlungen jenes Mannes finden, der seit fünf Jahren den Stuhl Petri innehat: Papst Johannes Paul II. Doch das Problem von Krieg und Frieden ist so bedeutsam und wichtig -vor allem heute; mit seinem lastenden Gewicht der Angst und mit den Hoffnungen und Befürchtungen so vieler Millionen von Männern und 1671 ANHANG Frauen kann es niemals banal erscheinen, wenn es nur mit dem Ernst behandelt wird, den es verdient. Ich meine, wenn es nicht rhetorisch oder einseitig, sondern objektiv und im Bemühen, konkret zu werden, behandelt wird, wie sich das für einen Gegenstand gebührt, der von lebenswich-tiger Bedeutung für alle Völker und die ganze Menschheit ist. Schöne Worte und erhabene Gefühle reichen da nicht aus. Was erforderlich ist, sind Klarheit des Verstandes und Willensstärke (obwohl man leider erkennen muß, daß auch diese nicht immer genügen, um Kriege zu verhindern und den Frieden zu sichern: sie sind nicht immer ausreichend, gewiß, aber man kann niemals auf sie verzichten). Ich möchte also diese Gelegenheit benutzen, die mir diese angenehme und bedeutsame Begegnung bietet, um zu versuchen, Ihnen irgendwie die Haltung des Hl. Stuhls zum Problem von Krieg und Frieden darzulegen, das sich heute mit einer unmittelbaren und dramatischen Dringlichkeit stellt, die keine Epoche der älteren und jüngeren Geschichte der Menschheit jemals kennengelernt, ja vielleicht nicht einmal erahnt hat. Ich brauche wohl nicht eigens zu betonen, daß das, was ich zu sagen habe, keine offizielle Erklärung des Hl. Stuhls ist, sondern nur längst bekannte Dinge. 2. Das Wirken des Hl. Stuhls auf dem Gebiet von Krieg und Frieden entfaltet sich im wesentlichen in drei Richtungen: 1) auf der Ebene der Sittenlehre, die die katholische Kirche - wie übrigens auch andere christliche Kirchen und Gemeinschaften - als eine ihrer spezifischen und grundlegendsten Aufgaben und Pflichten betrachtet; 2) in der Beeinflussung und Orientierung der öffentlichen Meinung, besonders unter den Katholiken, durch die nachdrückliche Aufforderung zur Reflexion, zum Gebet, zum richtigen Gebrauch der Rechte und Möglichkeiten der Bürger als einzelne und als Gemeinschaft für den Frieden zu wirken (wie auch auf anderen Gebieten, wo sich die Politik im weitesten Sinne des Wortes mit der Moral verbindet); 3) im direkten Tätigwerden bei den Entscheidungszentren der Regierungen und internationalen Organisationen, und zwar sowohl als anerkannte moralische Kraft von weltweiter Bedeutung wie auch als Inhaberin eines legitimen Platzes in der internationalen Gemeinschaft: Diese letzte Tatsache ermöglicht es dem Hl. Stuhl, im direkten Kontakt mit den beteiligten Parteien und stets unter dem sittlichen Aspekt, in dem er kompetent ist, konkret in Fragen bezüglich Krieg und Frieden einzugreifen. Diese Fragen sind immer schwierig und komplex, auch wenn es scheinen könnte, sie beträfen nur „kleinere“ Probleme. 1672 ANHANG 3. Dokumente, in denen der Hl. Stuhl und direkter die Päpste ihre Gedanken zu den Problemen des Friedens dargelegt haben, gibt es in großer Zahl; nicht alle von ihnen besitzen dasselbe Niveau und dieselbe Bedeutung wie die von mir genannen Lehräußerungen. Wenn wir uns auf unsere jüngere Zeit beschränken und beim Pontifikat Pius’ XII. beginnen, müssen wir besonders seine verschiedenen Weihnachtsansprachen im Rundfunk erwähnen, in denen er versucht hat, trotz des zeitlichen Abstandes zwischen ihnen eine systematische „Friedenslehre“ zu entwerfen in Antwort auf die durch den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit entstandene neue Situation mit ihrer entsprechenden Entwicklung in Zeiten politischer Spannungen und neuer Aufrüstung. Man kann sagen, daß zumindest für den Mann auf der Straße, aber auch in der öffentlichen Weltmeinung die klaren Analysen Pius’ XII. und seine wiederholten Appelle, in denen gewiß auch Erschütterung mitschwang, irgendwie überschattet wurden von der strahlenden, warmen und zugleich sachlichen Klarheit des Wortes Johannes’ XXIII., insbesondere in der Enzyklika Pacem in terris, deren Erscheinungsdatum sich zum 20. Mal jährt. Das Pontifikat Pauls VI. ist besonders reich an Lehranstößen und Entwicklungen mit zahlreichen öffentlichen und diplomatischen Interventionen für den Frieden in einer Welt, die zunehmend der Gefahr ausgesetzt war, die Schrecken des letzten großen Krieges zu vergessen und sich von der Logik leiten zu lassen, die trotz des erklärten Willens zur Abrüstung schrittweise zu der quantitativ und qualitativ ungeheuren Aufstockung gegeneinander gerichteter Waffenpotentiale geführt hat. Nicht zu vergessen ist, daß unter der großen Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium et spes zuerst die Unterschrift Pauls VI. steht, und ebenso ist seine Ansprache vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen vom 4. Oktober 1965 zu nennen; denn die Enzyklika Populorum progressio mit der bekannten Feststellung, daß „Entwicklung der neue Name für Frieden ist“; die verschiedenen Botschaften und Predigten zu den jährlichen Weltfriedenstagen, durch die er die Gewissen der Menschen aufrütteln und das Volk zum Dienst am Frieden ermutigen wollte. Diese wiederholen sich seit dem 1. Januar 1968 zu jedem Jahresbeginn. Die jährlichen Begegnungen mit dem beim Hl. Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps boten ihm Gelegenheit, immer wieder auf ein Thema zurückzukommen, das so eng mit den höchsten Funktionen der Diplomatie verbunden ist. Seine letzte große Intervention gegen das Gespenst des Krieges war die feierliche Botschaft, die er an die zu einer Abrüstungssondersitzung einberufene UNO-Vollversammlung 1673 ANHANG richtete (27. Mai 1978). Knapp zwei Monate später beendete Paul VI. sein arbeitsreiches Leben. Umfangreiche Literatur Nach dem kurzen Pontifikat Johannes Pauls I. hat sein Nachfolger Johannes Paul II. die intensive Aktivität Pauls VI. in Lehre und Engagement für die Sache des Friedens wieder aufgenommen und weitergeführt. Wie Paul VI. hat der derzeitige Papst sein Wort im Oktober 1979 an die Vollversammlung der Vereinten Nationen gerichtet. Als im Juni 1982 die zweite Sondersitzung über die Abrüstung zusammentrat, richtete er an sie eine ausführliche und wohlüberlegte Botschaft. Wie Paul VI. wendet er sich am Weltfriedenstag an die ganze Menschheitsfamilie. Sein Besuch in Hiroshima und Nagasaki im Februar 1981 bot ihm eine einzigartige Gelegenheit, die ganze Welt feierlich vor der Gefahr eines atomaren Holocaust zu warnen. Johannes Paul II. hat auch versucht, das Gewissen der Männer und Frauen der Wissenschaft im Hinblick auf ihre Verantwortung auf diesem Gebiet zu wecken, und hat sich des wertvollen Beitrages ihrer Erfahrungen und ihrer Ideen bedient. Es genügt, hier an die jüngste Ansprache vom 12. November an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften zu erinnern, in der der Papst „in diesem ernsten Augenblick der Geschichte . . . die Liebe zu dem Wissen, das den Frieden aufbaut“, gefordert hat. 4. Wenn wir nun aus der soeben angeführten umfangreichen „Literatur“ die wesentlichen Grundlinien der Stellung des Hl. Stuhls in der fraglichen Materie ableiten wollen, könnten wir sie, so meine ich, in einigen grundliegenden Punkten zusammenfassen, die natürlich genauer definiert und entwickelt werden müssen: 1) Der Frieden ist eines der höchsten Güter für die Menschheit. 2) Der Frieden ist notwendig. 3) Der Frieden ist möglich. 4) Der Frieden ist eine Pflicht. 5) Der Frieden hat verschiedene unerläßliche Voraussetzungen oder Vorbedingungen. Insbesondere kann der wahre Frieden niemals ohne wahre Gerechtigkeit aufgebaut werden, in der die unermeßlichen Reserven der Welt für alle Völker und zum Wohl der Menschheit verwendet, anstatt zur Herstellung von Waffen mißbraucht werden. 6) Aufs engste verbunden mit dem Problem des Friedens ist das der Rüstung. Der Rüstungswettlauf und das Ausmaß, das er in den verschie- 1674 ANHANG denen Teilen der Welt erreicht hat - besonders, was die Großmächte und die zugehörigen Blockbildungen betrifft stellen a) ein Übel (besonders im Hinblick auf die Verwendung des Menschenpotentials und der Materialreserven) und b) eine sehr ernste Gefahr für den Frieden dar. 7) Eine gesonderte Betrachtung erfordert mit absoluter Dringlichkeit das Problem der Kernwaffen. Sie verlangen eine besonders erschöpfende und ernste Prüfung einer ganzen Reihe von allgemeinen und spezifisch ethischen Problemen, die diese Waffen dem menschlichen und christlichen Gewissen stellen. Tatsächlich war die Sorge der Päpste in den letzten Jahrzehnten - und sie standen dabei nicht allein - tief gekennzeichnet von dem Auftauchen dieser neuen Situation, die die herkömmlichen Lehren über den Krieg in Frage stellt. Sie hat sie aber nicht das Problem der Existenz anderer besonders grausamer und schädlicher Waffen wie der chemischen, bakteriologischen und biologischen vergessen lassen. 8) Es ist daher die sittliche Pflicht jedes einzelnen, im Rahmen der jeweiligen Verantwortlichkeiten alles zu tun, um stufenweise, aber ohne Verzug eine tatsächliche Abrüstung, besonders auf dem Gebiet der Kernwaffen zu erreichen: eine vollständige Abrüstung von seiten aller Nationen, natürlich in ausgewogener Weise und mit der gegenseitigen Garantie der notwendigen Kontrollen - das ist es, was die Päpste erhoffen. 9) Das Problem der atomaren und nichtatomaren Abrüstung kann tatsächlich und darf grundsätzlich nicht, auch wenn es vorrangig und dringlich ist, als eine Frage für sich betrachtet werden; mit ihm ist das Problem des Friedens, das viel weiter reichende Verflechtungen und Forderungen nach sich zieht, nicht erschöpfend beantwortet. Es gibt keine realen Erfolgsmöglichkeiten, wenn für die Lösung der Fragen, die Völker und Länder entzweien oder entzweien können, keine anderen Wege als die des Krieges gefunden werden können. Allgemeiner gesagt, es kann keine Abrüstung geben, wenn die internationalen Beziehungen nicht auf gegenseitigem Vertrauen und einer Zusammenarbeit basieren, die zur Überwindung oder zumindest zur Korrigie-rung der Kluft zwischen reichen und armen Ländern führt, indem sie die Entwicklung aller Völker, als Mitglieder der einen großen Menschheitsfamilie, die im Guten und im Bösen untrennbar miteinander verbunden und voneinander abhängig sind, fördert. 5. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, scheint mir dieser kurze Abriß einigermaßen getreu die wesentlichen Linien des Denkens 1675 ANHANG wiederzugeben, das man in der Lehre und in den Erklärungen der uns zeitlich am nächsten liegenden Päpste findet. Lehre und Praxis Johannes’ XXIII., Pauls VI. und Johannes Pauls II. im Bereich von Frieden, Abrüstung und internationaler Zusammenarbeit waren und sind Gegenstand positiver Stellungnahmen aus sehr verschiedenen, oft einander entgegengesetzten Lagern. Das Wort dieser Päpste, das von Abermillionen von Menschen, auch Nichtkatholiken, mit so großem Respekt aufgenommen wurde, ist wiederholt von Politikern und Staatsmännern als in hohem Maße „inspiriert“ anerkannt und gepriesen worden. Man kann fragen, ob sie es auch für „realistisch“ genug halten. Das Wort „Realismus“ läßt sehr verschiedene Bedeutungen und Interpretationen zu. Diejenigen, die sich primär mit dem sittlichen Apsekt des Problems beschäftigen und diesem mit Recht vor jeder anderen Betrachtung den Vorrang geben, empfinden instinktiv eine gewisse Furcht vor diesem Wort: als ob „Realismus“ dazu führe, im Widerspruch nicht nur zu einem sentimentalen und abstrakten Idealismus, sondern auch zur Anerkennung des Vorrangs der sittlichen Werte im Urteil und den daraus folgenden Handlungen zu stehen. Man würde jedoch Politikern, Staatsmännern und anderen Verantwortlichen für das öffentliche Leben, die tagtäglich mit der Realität schwieriger und komplexer Probleme, einschließlich jener, die die Sicherheit der jeweiligen Länder betreffen, konfrontiert werden und in diesem Sinne sozusagen zu einem strengen und wachsamen Realismus „verurteilt“ sind, Unrecht tun, wollte man ihnen von vornherein und unterschiedlos eine verminderte Empfänglichkeit für die sittlichen Forderungen zur Last legen; so als akzeptierten sie eine früher verbreitete Idee, die sich heute niemand ausdrücklich zu unterstützen bereit fände, nämlich, daß die sittlichen Normen für den einzelnen Gültigkeit haben, während die Staaten ausschließlich vom Gesetz der Selbstverteidigung und des Sieges im „Kampf ums Dasein“ regiert werden. Arroganz löst Konflikte aus Es ist verständlich, daß sie eine gewisse, wenn auch unausgesprochene Ratlosigkeit empfinden können gegenüber der Behauptung, die Erhaltung des Friedens, die Vermeidung von Kriegen sei immer möglich, wenn auch schwierig: oder, was dasselbe ist, die notwendigen Bedingungen, um Frieden zu erreichen, ließen sich immer verwirklichen. An einer wohlbekannten Stelle der Enzyklika Pacem in terris werden vier 1676 ANHANG Werte, die sich aus den Forderungen des Moralgesetzes für die Beziehungen zwischen Völkern und Staaten ergeben, aufgeführt und dargelegt: Wahrheit, Gerechtigkeit, echte Solidarität und Freiheit. Diese werden von den Nachfolgern Johannes’ XXIII. wieder auf gegriffen und weiterentwik-kelt. Gewiß wäre dort, wo diese Bedingungen erfüllt sind, eine friedliche und harmonische internationale Koexistenz gesichert. Aber wie läßt sich erreichen, daß Völker und Staaten — die sich durch Herkunft, Geschichte, Macht und Interessen so stark voneinander unterscheiden - sich überall und immer an jene sittlichen Normen halten, daß sie nicht jene tranquilli-tas ordinis (Ruhe der Ordnung) zerstören, in der nach dem hl. Augustinus der Friede besteht? Selbst die Gerechtigkeit, die erste Vorbedingung für die Erhaltung des Friedens zwischen den Nationen - Opus iustitiae pax! (Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit) -, wird eine Konfliktquelle, wenn die Arroganz eines Staates gegenüber einem anderen eine gerechtfertigte Reaktion der angegriffenen Seite auslöst. 6. Johannes XXIII. war sich dieser Schwierigkeit sehr wohl bewußt. Und er empfahl als Lösung die Einsetzung einer politischen Gewalt, die in der Lage ist, ihre Wirksamkeit über den ganzen Erdkreis zu erstrecken“ (Nr. 137), und „voll und ganz unparteiisch“ ist (Nr. 138). Der Wunsch nach Einrichtung einer „von allen anerkannten internationalen öffentlichen Autorität, die mit entsprechender Machtbefugnis ausgestattet werden soll, um allen Völkern Sicherheit, Einhaltung der Gerechtigkeit und Respektierung der Rechte zu garantieren“, wurde auch vom Zweiten Vatikanischen Konzil (Gaudium et spes, Nr. 28) und von Paul VI. in seiner Ansprache an die Vereinten Nationen (Nr. 3) ausgesprochen. Die Idee bildet gleichsam eine Konstante in der Haltung des Hl. Stuhls und der katholischen Kirche - aber nicht nur dieser - zur Friedensfrage. Aber eine solche Lösung scheint vorläufig noch weit entfernt und sehr schwierig zu sein; wobei die Tatsache nicht vergessen werden sollte, daß auch dort, wo eine höhere Autorität errichtet wurde, wie es die Staatsgewalt in einem Land ist, gelingt, kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und sozialen Gruppen oder selbst Revolten gegen die Autorität des Staates selbst zuvorzukommen. Auch nicht das Wirken der verschiedenen internationalen Organe, einschließlich der UNO, die nichtsdestoweniger mit der aufrichtigen Unterstützung des Hl. Stuhls rechnen können. Vorläufig stellt sich also das Problem, was in einer Situation getan werden kann, in der die Erfüllung der Bedingungen, die den Frieden zwischen den 1677 ANHANG verschiedenen Staaten oder Machtblöcken sicherstellen können, dem guten Willen der Parteien und ihrer Fähigkeit oder Unfähigkeit anheimgestellt bleibt, ihre Differenzen auf friedlichem Weg beizulegen, auch weiterhin in seiner ganzen Schärfe. Eben aufgrund dieser nur zu oft unüberwindlich erscheinenden Schwierigkeiten wurde die Überzeugung von der Legitimität des bewaffneten Einsatzes noch nicht aufgegeben, wenn dieser notwendig scheint, „um die Völker rechtmäßig zu verteidigen“, wie es in Gaudium et spes (Nr. 79) heißt. Das ist die klassische Theorie vom „gerechten Krieg“, die Prinzipien, die oft benutzt werden, um verschiedene Aspekte des Problems zu unterscheiden, und die auch der Hl. Stuhl im Grundsatz nicht absolut und bedingungslos verwerfen kann, solange die Menschheit über kein anderes wirksames Mittel verfügt, für die Wahrung der Gerechtigkeit in den Beziehungen zwischen den Völkern zu sorgen. Im Grundsatz, habe ich gesagt, und das heißt unter den strengen Bedingungen, die die Päpste seit Beginn des Ersten Weltkrieges unaufhörlich und immer nachdrücklicher unterstrichen haben. Insbesondere ist es erforderlich, daß in jedem Fall sämtliche möglichen ehrlichen, beharrlichen und hochherzigen Bemühungen um eine friedliche Lösung, auch mit Hilfe der Verbündeten und der bestehenden internationalen Verfahrensweisen ausgeschöpft werden. Es muß eine gewisse Proportion bestehen zwischen dem zu verteidigenden Guten und den Übeln des Krieges unter den konkreten Gegebenheiten jedes einzelnen Falles. 7. Diese letzte Bedingung hat im Hinblick auf den ständigen Fortschritt bei der Entwicklung der neuen Waffen größeres Gewicht gewonnen. Das gilt vor allem für die Atomwaffen mit ihren schrecklichen Möglichkeiten, Zerstörung und Leiden zu verbreiten, die über den aktuellen Konflikt der Waffen weit hinausreichen. Diese Tatsache, die bestätigt wird durch die tragische Erfahrung von Hiroshima und Nagasaki sowie durch die Feststellungen der Wissenschaft selbst, die durch ihre Unerbittlichkeit noch beeindruckender sind als die Emotionen der Massen, löst Angst aus und appelliert an unser Verantwortungsbewußtsein. All das zwingt uns, wie ich schon gesagt habe, die traditionellen Bewertungskriterien einer gründlichen Revision zu unterziehen, einer Revision, die der Schwierigkeit, manche würden sagen, der Unmöglichkeit Rechnung trägt, die ungeheuren Kräfte unter Kontrolle zu halten, die der Mensch entfesseln kann, die zu bändigen und nach seinen Wünschen und in Übereinstimmung mit seinem Gewissen zu lenken, er aber anscheinend nicht in der Lage ist. 1678 ANHANG 8. Die besonderen Probleme und der Schrecken, der von den Atomwaffen und ihrer raschen und immer bedrohlicheren Entwicklung ausgelöst wurde in einem Wettlauf, der kein Ende zu haben scheint, haben uns die Schrecken anderer Waffen und anderer Kriege vergessen lassen, zu denen es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges in vielen Teilen der Welt gekommen ist und die immer größere Verheerungen und Zerstörungen anrichten. Diese Situationen sind nicht nur höchst ungerecht gegenüber dem davon betroffenen Volk, sie sind auch äußerst gefährlich: Denn ein begrenzter Krieg, besonders an gewissen strategischen Punkten rund um den Erdball, kann immer ausgedehntere Verwicklungen auslösen, die eventuell zu einem Konflikt von regionaler oder weltweiter Tragweite führen. In jedem Fall ist es begreiflich, daß die Angst, die die immer bedrohlichere Stationierung von Atomwaffen auslöst, die in der Lage sind, einen Großteil des Lebens auf der Erde oder wenigstens in weiten Regionen -wie heute z. B. in Europa - zu zerstören, viel größer ist als die von anderen Vernichtungs- und Todeswerkzeugen ausgelöste, die im Vergleich dazu, was Umfang und Folgen betrifft, weniger schrecklich erscheint. Wissenschaftler warnen vor den Folgen eines Atomkrieges. Männer der Kirche untersuchen angstvoll die vielen sittlichen Probleme, vor die der eventuelle Einsatz solcher Waffen nicht nur das religiöse und christliche, sondern das menschliche Gewissen stellt. Massenbewegungen bilden sich gegen die atomare Gefahr. Politiker und Staatsmänner fragen sich, was zu tun sei. Der Hl. Stuhl seinerseits hat diese umfassende Problemeatik zum Gegenstand ständiger Aufmerksamkeit gemacht (ohne deshalb jene Fragen beiseite zu stellen, die andere Waffenarten, z. B. die schon erwähnten bakteriologischen und biochemischen Waffen, betrifft). 9. Die Stellungnahmen Pius’ XII., Johannes’ XXIII., Pauls VI. und Johannes Pauls II. betonen erneut, wenn auch auf einer quantitativ und qualitativ höheren Ebene, so könnte man sagen, die Grundsätze, die gegenüber allen Rüstungssystemen und besonders den gefährlichsten unter ihnen gelten. Hoffnung und Traum Während als wesentlicher Bezugspunkt bestehen bleibt, was vom Zweiten Vatikanischen Konzil feierlich erklärt worden ist, nämlich daß „jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter 1679 ANHANG Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen ist“ (Gaudium etspes, Nr. 80), sind die Auswirkungen und Folgen eines Atomkrieges in jedem Fall derartig, daß sie jeden Gedanken, auf sie zurückzugreifen, verbieten. Sie würden in der Tat eine Art von kollektivem Selbstmord sein - trotz der unternommenen Bemühungen, Schäden und Folgen dadurch einzuschränken, daß die Kernwaffen präziser konstruiert und ihre Auswirkungen begrenzter werden. Uber diesen Punkt scheint andererseits allgemeine Übereinstimmung zu bestehen. Ebenso scheint es eine allgemeine Übereinstimmung darum zu geben, daß die Kernwaffen, die zum ersten Mal eingesetzt wurden, um einen langwierigen Krieg zu gewinnen, nunmehr, da die Wissenschaft und die Technik diese Waffen gegnerischen Nationen oder Bündnisblöcken zur Verfügung stellen, produziert und aufgestockt werden können, nicht um eingesetzt zu werden, sondern um ihren Einsatz von der anderen Seite zu verhindern und ihm zuvorzukommen. Manche Leute meinen, Atomwaffen bezeichneten das Ende der Epoche des Krieges: des Krieges in Großbuchstaben, wenn auch nicht der „begrenzten“ Kriege. Da die Menschheit ja nicht den kollektiven Selbstmord wünschen kann, wird sie gezwungen sein, nach Wegen der Koexistenz, vielleicht des Friedens, zu suchen. Trotz dieser These oder dieser Hoffnung bleibt jedoch das ernste menschliche und moralische Problem der Gefahr, daß solche Waffen, weil sie vorhanden sind, in einem bestimmten Augenblick auch eingesetzt werden können. Und es bleibt das unter dem moralischen Gesichtspunkt nicht minder ernste Problem bestehen, wie man reagieren soll, wenn eine der Seiten Ziel eines atomaren Angriffes wird: den Angriff erwidern und sich mit denselben selbstmörderischen Waffen „verteidigen“? Und wie soll man sich verhalten im Falle eines Angriffs mit überwiegend konventionellen Waffen oder sogar mit biochemischen und bakteriologischen Genocidwaffen? 10. Das Spektrum des eventuellen Übergangs von der „Abschreckung“ zum Einsatz schließt auch andere Hypothesen ein. Diese erscheinen immer unwahrscheinlicher, je ernster die internationalen Spannungen werden und je mehr einander feindliche Nationen und Blöcke ihre eigene Sicherheit oder ihre für lebenswichtig gehaltenen Werte gefährdet sehen. Die Gesamtheit dieser Probleme ist weiter Gegenstand ernster und sorg- 1680 ANHANG fältiger Untersuchsung und Diskussion nicht nur von seiten der Politiker, der Experten und der öffentlichen Meinung, sondern insbesondere von Moraltheologen und ganzer Bischofskonferenzen in verschiedenen Teilen der Welt. Hoffnung und Traum der Menschheit ist die Befreiung vom Alptraum eines drohenden atomaren Holocaust, der auf ihr lastet wie eine Rache an denen, die die rätselhaften Geheimnisse des innersten Aufbaues der Materie dadurch verletzt haben, indem sie ihre unvorstellbaren Kräfte entfesselten. Die fortgesetzten Massendemonstrationen in verschiedenen Teilen der Welt sind sicher Ausdruck des innersten Empfindens der Völker, auch wenn sie bisweilen von Einseitigkeiten oder unbegründeten Simplifizierungen belastet sein können. Wir alle wissen, daß an der gegenwärtigen Situation nicht die Wissenschaft die Schuld trägt, die für ihre Erfindungen zu bewundern und in ihrer Arbeit zu ermutigen ist, sondern der Mißbrauch, den der Mensch mit wissenschaftlichen Errungenschaften treiben kann. Mehr als um ein Problem der physikalischen Kräfte — so furchterregend sie in ihrer Entfesselung sein mögen — geht es hier um ein sittliches Problem: das Problem der Weisheit und des Willens. 11. Das heißt, nur der freie Mensch, der trotz der Bedingungen, denen er von den Kräften oder Widerständen der physikalischen Welt, die er entdeckt hat, unterworfen wird, Herr seiner Entscheidungen ist, ist derjenige, der über seine Zukunft und über die Zukunft der Erde, die ihm als Wohnstätte übergeben worden ist, entscheiden kann und muß. Der Mensch: ein kleines und unermeßlich großes Wesen, schwach und zugleich fähig, Kräfte zu beherrschen, die unendlich größer sind als er! Der Mensch: der König des Alls! Die Päpste werden nicht müde, an seine Souveränität zu erinnern und sie zu betonen im Gegensatz zu den immer wiederkehrenden Versuchungen, von einer Würde, die zugleich eine fast erschreckende Verantwortung darstellt, mehr oder weniger deutlich abzudanken. Aber wenn man „Mensch“ sagt, meint man in Wirklichkeit „Menschen“: Millionen und Milliarden von Männern und Frauen, die in voneinander verschiedenen, zu oft einander feindlichen ethnischen und politischen Gruppen zusammengeschlossen sind. Auf sie alle verteilt sich die gemeinsame Verantwortung. So stellt sich wiederum das Problem, wie man eine gemeinsame Willensharmonie gewährleisten kann, um die gemeinsame Vernichtung zu vermeiden. 1681 ANHANG Berücksichtigt man die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, so scheint die Menschheit vorläufig keine andere Wahl zu haben als den Weg der Vereinbarung und den der Angst oder Abschreckung. Die Atomwaffe wird geradezu als die typische und wirksamste „Abschreckungswaffe“ angesehen, die es heute gibt. Manche zögern nicht, ihr das „Verdienst“ zuzuschreiben, nahezu vier Jahrzehnte lang den Ausbruch eines neuen Weltkrieges verhindert zu haben. Tatsächlich hätte die Kernwaffe, wenn sie Monopol einer einzigen Macht geblieben wäre, dieser gestatten können, unangefochten über die ganze Welt zu herrschen. Nachdem sie aber auch in den Besitz anderer gekommen ist, zerstört sie jeden Traum von absoluter Vorherrschaft, außer vielleicht über eine Erde, die zur Wüste geworden ist, und das könnte eine Ermutigung dazu sein, nach einem vernünftigen Übereinkommen zu suchen. Natürlich ist die atomare Bedrohung nicht das einzige Mittel der Abschreckung: doch sie scheint jene Mittel zusammenzufassen und zu symbolisieren, die seit den ersten Tagen des unruhigen Menschenlebens in Gesellschaft in ihren verschiedenen Formen einen Bestandteil unserer Geschichte ausgemacht haben. Diese Bedrohung unterstreicht in ihrer Radikalität die essentielle Vernunftswidrigkeit einer Beziehung zwischen Menschen und Völkern, die nicht auf dem Vorrang von Recht und Gerechtigkeit - die oft auf der Seite des Schwächeren stehen -, sondern auf dem Vorrang der Stärke gründet, die nicht weniger oft den unterstützt, der im Unrecht ist oder die anderen unterdrücken will, wie es im Buch der Weisheit heißt: „Unsere Stärke soll bestimmen, was Gerechtigkeit ist; denn das Schwache erweist sich als unnütz“ (2, 11). Die Kirche und die Päpste treten immer für eine Weise des Zusammenlebens ein, die auf der gegenseitigen Verpflichtung zur loyalen Respektierung des Rechts und der Gerechtigkeit gründet. Aber angesichts einer Wirklichkeit, die sich unglücklicherweise erst nach langer Zeit ändern kann, räumen sie ein, daß der Rückgriff auf eine bedingte Abschreckung als Mittel zur Verteidigung der eigenen Sicherheit und zum Widerstand gegen einen ungerechten Angriff und somit als Mittel der Vorbereitung der Veränderung der Situation, die die Abschreckung vorläufig gerechtfertigt, nicht verworfen werden kann. Jeder kennt die Feststellung Papst Johannes Pauls II. in seiner Botschaft an die 2. außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen vom 14. Juni 1982: „Unter den gegenwärtigen Bedingungen kann eine auf dem Gleichgewicht beruhende Abschreckung - natürlich nicht als ein 1682 ANHANG Ziel an sich, sondern als ein Abschnitt auf dem Weg einer fortschreitenden Abrüstung - noch für moralisch annehmbar gehalten werden“ (Nr. 8; in: O.R. dt. vom 30. 7. 82, S. 11). Abschreckung hat instrumentalen Charakter 12. Die Feststellung besitzt allgemeinen Charakter, und was die konkreten Möglichkeiten zur Anwendung dieser Abschreckung betrifft, muß man sich an die bekannten Prinzipien der Sittenlehre halten: unter gebührender Berücksichtigung dessen, was auf dem Spiel steht, das heißt der Werte, die in Gefahr sind und die es zu schützen gilt. Die Abschreckung verlangt an sich kein mathematisches „Gleichgewicht“ der Kräfte oder des Schreckens, da sich diese auch auf andere Weise als wirksam erweisen kann. Aber praktisch wird das Gleichgewicht heute von beiden die Menschheit trennenden Blöcken für notwendig gehalten. Auf der anderen Seite ist das Prinzip des politischen oder militärischen Gleichgewichts ein klassisches Element in den Beziehungen zwischen Staaten und Bündnissen; und jeder Versuch, das Gleichgewicht zum eigenen Vorteil zu zerstören, wird als sicheres Zeichen des Wunsches nach Übermacht ausgelegt. Aber — so warnte Paul VI. in seiner Botschaft an die erste Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen (6. Juni 1978) - „die dem Streben nach dem Gleichgewicht der Kräfte innewohnende Logik treibt jeden Gegner zum Versuch, sich ein gewisses Maß an Überlegenheit zu verschaffen aus Angst, einmal in eine benachteiligte Lage zu geraten“ (in: Wort und Weisung, 1978, 1. Teil, S. 222). Diese Logik führt statt zu tatsächlichem Gleichgewicht zu nachfolgendem Ungleichgewicht - oder zumindest zur Angst davor -, was bei der Suche nach Wiederherstellung des Gleichgewichtes eine Eskalation auslöst, die wachsende Ausgaben und steigende Gefahren hervorruft. Die Abschreckung kann nach päpstlicher Lehre jedenfalls nicht als „Ziel an sich“ betrachtet werden: Sie hat ihrer Natur nach provisorischen und sozusagen instrumentalen Charakter. So, wie sie das Schlimmste verhüten will, so muß sie dazu dienen, Zeit zu geben für die Suche nach Einvernehmen und Verständigung, die nicht nur auf sittlicher Ebene, sondern auch auf jener der wirklichen Interessen der Völker und der Menschheit die, so würde ich sagen, eine „realistisch ideale“ Bedingung für das Leben des Menschen in Gesellschaft darstellen. Ein Ideal, dem immer näher zu kommen, wir uns alle Mühe geben müssen. 1683 ANHANG 13. Das Einvernehmen hat in der Auffassung der Päpste zwei Ziele. Das erste, das man als negativ bezeichnen könnte, ohne daß diese Definition ihr etwas von ihrer vitalen Bedeutung nehmen würde, ist die Beseitigung oder wenigstens Begrenzung der Mittel, die dem Menschen für den Krieg dienen und ihn irgendwie dazu ermutigen könnten, mit anderen Worten: die Abrüstung. Die Erklärungen und Botschaften der letzten Päpste zu diesem Gegenstand sind durch ihre Zahl und ihre Eindringlichkeit einer der beredtesten Beweise ihrer Sorge um die Verhinderung blutiger Konflikte zwischen den Völkern. Die eindringliche Aufforderung und Ermutigung zum ehrlichen Dialog, ohne sich davon erschöpfen oder entmutigen zu lassen, betrifft hauptsächlich diese erste Bedingung, um den Gefahren für den Frieden zuvorzukommen. Das letzte Beispiel dafür ist das Schreiben, das Papst Johannes Paul II. am 26. Oktober 1983 an den Präsidenten der Vereinigten Staaten und an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion gerichtet hat, um sie zu zwingen, trotz der großen Schwierigkeiten die Genfer Gespräche über den Abbau der strategischen Waffen (START) und über die Mittelstreckenraketen (INF) nicht abzubrechen. Wie der Hl. Stuhl, unter Verbleiben auf der ihm eigenen streng religiösen und sittlichen Ebene, das Abkommen über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen unterstützt hat und ihm beigetreten ist, so nimmt er nun an den Vorbereitungssitzungen der „Konferenz über Maßnahmen zur Stärkung von Vertrauen und Sicherheit und Abrüstung in Europa“ teil, die im Januar 1984 in Stockholm stattfinden soll. Aber wie auf dieses „negative“ Ziel, ja, in einer weiteren historischen Sicht richtet der Hl. Stuhl darüber hinaus seinen Blick auf die positiven Aspekte des Friedens, der nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils „nicht darin besteht, daß kein Krieg ist“ (Gaudium et spes, Nr. 78). Der Freiraum, der durch die Hoffnung, daß es keinen Krieg gibt, geschaffen wurde, muß gefüllt werden durch das Zusammenwirken für das gemeinsame Wohl und den Fortschritt; dafür sollen die ersparten Energien und Mittel eingesetzt werden, vor allem aber die Hochherzigkeit und der Opfergeist, für die die Menschheit sooft glänzende Beispiele auf den Schlachtfeldern gegeben hat. Den echten Frieden zu gewinnen, verlangt nicht weniger Tüchtigkeit und nicht weniger Einsatz, als einen Krieg zu gewinnen. Der Fortschritt aller Völker, ein gerechteres und konstruktiveres Verhältnis zwischen entwickelten Nationen und Entwicklungsländern, zwischen 1684 ANHANG Nord und Süd, zwischen Staaten mit unterschiedlichem politischen und sozialen Regime, sind Gegenstand der Aufmerksamkeit und Handlungsweise des Hl. Stuhls: In diesem Geiste wünschte der Hl. Stuhl mit allen Rechten und Verantwortlichkeiten an der Konferenz von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa teilzunehmen. 14. Wir alle wissen um die Schwierigkeiten des Dialogs über die Abrüstung oder die Suche nach politischen Lösungen für die Probleme, die die Völker entzweien, oder die Sicherstellung einer harmonischen internationalen Zusammenarbeit. Die Komplexität und die Schwierigkeit der Probleme, die nahezu unlösbar miteinander verknüpft sind und vitale Rechte und Interessen, tiefreichende Gefühle und festverwurzelte Überzeugungen berühren, bilden bereits ein Hindernis, das nur zu oft als praktisch unüberwindlich erscheinen mag. Andererseits verlangt der Dialog Aufrichtigkeit, Offenheit, Verständnisbereitschaft, entschiedenen und geduldigen Willen, wie Papst Johannes Paul II. in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 ausführte. Er verlangt vor allem, daß es jeder Seite gelingt, Vertrauen in die Offenheit und den guten Willen der anderen Seite zu haben: was - zumindest heute - aufgrund unüberwindlicher ideologischer Gegensätze nahezu unerreichbar scheint. Zur Erleichterung des Dialogs zwischen den Regierungen kann sicherlich viel getan werden durch die Unterstützung oder den Druck einer öffentlichen Meinung, die sich selbst im Verständnis und in der Hochherzigkeit gegenüber anderen geübt hat, die empfänglich ist für die Bedürfnisse der Benachteiligten und sich nicht in nationalistische Egoismen oder rassische und kulturelle Vorurteile einkapselt. Daher die Bedeutung der Erziehung zum Frieden: eine Aufgabe von primärer Wichtigkeit für den einzelnen und für die Gesellschaft. Die Päpste haben sie immer zu einer der wichtigsten Sorgen ihres Lehramtes gemacht - das sich über die Grenzen der Kirche hinaus an alle Menschen wendet, die fähig sind, die Stimme des Gewissens zu hören, die ihnen das Lehramt deuten will. Das ist ein guter Teil ihres Dienstes an den Söhnen und Töchtern der Kirche. Und da es letzten Endes darauf ankommt, daß die Menschen zu „Friedensstiftern“ erzogen werden, ist es dringend geboten, daß in allen höheren Bildungsinstitutionen, besonders in den katholischen Schulen und Universitäten, der Frieden studiert wird und die Friedensforschung immer mehr ein integraler Bestandteil des Engagements und Beitrags der Katholiken in der akademischen Welt wird. 1685 ANHANG Der Frieden ist „Geschenk Gottes“ Der Dialog benötigt oft Vermittler: natürlich nicht immer in dem technischen Sinn, den dieses Wort im internationalen Recht besitzt. Der Hl. Stuhl seinerseits entzieht sich nicht der Pflicht, im Rahmen seiner besonderen Natur und seiner Möglichkeiten Hilfe zu leisten. Sein Interesse an der Sache des Friedens ist so vital, daß weder Schwierigkeiten noch Enttäuschungen des Hl. Stuhl an seinem Willen zum Dienst an der Menschheit oder an einzelnen Ländern hindern können. 15. Alles, was ich zu sagen versucht habe, kann nicht die tief religiöse und gleichsam „prophetische“ Tonart wiedergeben, die die Interventionen der Päpste im Bereich der Friedensproblematik auszeichnet, das tiefe Empfinden, das ihr Bemühen begleitet, die Glaubensstärke und Wärme ihrer Hirtenliebe, die Forderungen des sittlichen Gewissens und des göttlichen Gesetzes, die Prinzipien, die die Beziehungen zwischen den Menschen den sozialen Klassen, Völkern und Staaten leiten sollen. Desgleichen vermittelt es nicht die geradezu schmerzliche Spannung, um Gerechtigkeit, die Grundrechte des Menschen und der Nationen, ihre Freiheit und Würde mit der Notwendigkeit, den Frieden zu retten, in Einklang zu bringen, besonders in der Situation, in der sich die Welt im Atomzeitalter befindet. Nach einer vieltausendjährigen Geschichte sieht sich die Menschheit heute tatsächlich der Gefahr ihrer Selbstvernichtung gegenübergestellt. Von der angstvollen Warnung Pius’ XII. am Vorabend des Zweiten Weltkrieges: „Mit dem Frieden ist nichts verloren, mit dem Krieg kann alles verloren sein“, bis zum Ruf Pauls VI. vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen: „Kein Krieg mehr, nie wieder Krieg!“; von der ergreifenden Verteidigung des Friedens durch Johannes XXIII. bis zu den eindringlichen Appellen Johannes Pauls II. gegen die Atomgefahr und über die Notwendigkeit eines konstruktiven Dialogs zwischen den Völkern und den Führern der Nationen: All das sagt uns, wie sehr die weltweite Friedenssehnsucht im Herzen der Päpste Widerhall und Stimme findet. „Der Frieden auf Erden, nach dem alle Menschen zu allen Zeiten sehnlichst verlangten“ — mit diesen Worten beginnt die Enzyklika Pacem in terris. Diese Sehnsucht findet besonderen Ausdruck in der eindringlichen Aufforderung der Päpste zum Gebet: denn der Frieden ist ein „Geschenk Gottes“. Aber weil dieses Geschenk „uns anvertraut“ ist (Botschaft zum Weltfrie- 1686 ANHANG denstag 1982), weist der Hl. Stuhl ebenso nachdrücklich auf die konkrete Verantwortlichkeit aller hin. Der Hl. Stuhl erinnert alle daran, daß es nicht genügt, lautstark den allgemeinen Wunsch nach Frieden hinauszuschreien, sondern daß es der Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der Bedingungen bedarf, die den Frieden möglich machen. An alle, insbesondere an die Gläubigen, richten die Päpste und die Kirche unaufhörlich die dringende Aufforderung zur „Umkehr“. Sie mahnen warnend, daß Haß, Ungerechtigkeit, Konflikte und Kriege das „soziale“ Ergebnis der Tatsache sind, daß sich der Mensch von der von Gott gewollten sittlichen Ordnung losgesagt hat, d. h. dem Ergebnis dessen, was in der christlichen Sprache „Sünde“ genannt wird. Der Sieg über die Sünde ist die Erlösung. Der Sieger ist Christus, der Erlöser. Daß ihn alle Menschen, in jedem Teil der Welt, in jedem Kontinent kennenlernen - das ist der Wunsch der Päpste und der Kirche, deren erste Diener sie sind. Christus sollen alle hören, ihm sollen alle folgen. Denn sie wissen, daß er ebenso wie das Leben der Welt auch der „Friedensfürst“ (Jes 9, 5) ist, ja, „unser Frieden“ (Eph 2, 14): „der von allen Völkern Ersehnte“ (Hag 2, 8 - Vulgata). Amen. 1687 Wortregister Abendmahl 893 — Fußwaschung beim Letzten 374 Abendmahlssaal 415, 859 Aberglaube(n) 379 — Fesseln des 1336 Abhängigkeit — von Gott 1560 Ablaß 1259 — Erlassung der Sündenstrafen 224 — für die zeitlichen Strafen 433 — Geschenk des 698 — Gewinnung des vollkommenen 700 Abrüstung 241, 903, 1026, 1673 — vollständige 1675 — Dialog über die 1685 Abrüstungskonferenz 1660 Abrüstungsverhandlungen 220, 717 Abschreckung 1667, 1680 Abtreibung 407, 602, 1155, 1273, 1292, 1601 — Verbrechen der 286, 316 Adoption 1308 Advent 565, 1261 — neuer A. für die Kirche Gottes 1217 Adventsgeist 699 Aggression(en) 324 Aggressoren 453 Agrartechnik 318 Albertiner—Gemeinschaft 535 Alkohol — Scheinwelt des 589 Alkoholismus 296, 343, 1330, 1341, 1383, 1391, 1434 Allerheiligstes Altarssakrament 577 Allerseelen 1169 Allgemeinwohl 1515 — Förderung des 1332 Alma mater 527, 531 Alphabetisierung 307, 1081 Altar 542 Altarssakrament 420 Altes Testament 650 Amt — Ausübung ihrer heiligen A. in Kirchen 560 — bischöfliches 630, 633 Amtspriestertum 381, 1407 — sakramentales 1408 Amtsträger 365, 630 Amtsvollmacht(en) 1586, 1592 Analphabeten 1330 Analphabetentum 375, 381, 1336 Anbetung 602 — der drei Könige 4 — eucharistische lllf, 388 — Gottes 599 — des Geldes 599 — der göttlichen Majestät 1442, 1483 — Gemeinschaft der 1487 Andachtsbeichte 1557 Anomalien — Korrektur von 1158 Anthropologie 353f, 1015, 1027, 1236 — die authentische christliche 1238 — verstümmelte 1515 Apartheid 1050 Apokalypse 553, 566 Apologie 350 1689 Apostel — Zeugen des Evangeliums 619 — Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung 619 — des Friedens 637f Aposteldienst 1540 Apostolat 292, 343, 345f, 493, 503, 621, 624, 797, 882, 934, 980, 1051, 1064, 1072, 1204, 1215, 1233, 1291, 1369, 1376, 1478 — im Erzieherberuf 307 — franziskanisches 460 — des Amtes 619 — der Laien 619f — evangelisches 684 — ist Berufung und Verpflichtung 686 — der Familie 797 — der Ordensleute 956, 1460 — der christlichen Eheleute 988 — der christlichen Arbeiter 1223 — der Glaubensverkündigung 1396 Apostolatsformen 619 Apostolizität 1077, 1500, 1586 Arbeit 317, 391, 393/4, 422, 426, 461, 501, 550, 591, 636, 639, 642, 689, 829 — Grunddimension 89 — spezifisches Kennzeichen des Menschen 89 — die Schöpfung vollenden 90 — sozialethische Betrachtung der 318 — gerecht entlohnen 343 — ökumenische 368 — Unterwerfung des Menschen unter seine 393 — Ordnung der 424 — Frage nach dem Sinn menschlicher 465 — Rechte der menschlichen 476 — Wesen der 492 — steht im Mittelpunkt des gesamten sozialen Lebens 509 — von einer gebührenden moralischen Ordnung geleitet 509 — hat ihren grundsätzlichen Wert 510 — Würde der 510,521 — ist des Menschen Schuldigkeit 510 — der wahre Sinn menschlicher 512 — am Bau dieses Gotteshauses 542 — Solidarität in der 644 — Träger der 830 — im Dienst des Menschen 831 — religiöse und übernatürliche Sicht der 831 — Produkt der 832 — Humanisierung der 832 — ein Gut des Menschen 832 — der Mutter 1605 Arbeiter 391, 422, 426, 688, 961 — aus der Fremde 640 Arbeiterapostolat 644 Arbeitersolidarität 644 Arbeiterverbände — katholische 688 Arbeitgeber 422, 1308 A rbeitnehmerbewegung — katholische A. Österreichs 644 Arbeitskräfte — Bedarf an 423 Arbeitslohn 1605 Arbeitslose 320, 642 Arbeitslosigkeit 395, 423, 589, 641f, 804, 962, 1291, 1514, 1604 Arbeitsplatzf—plätze) 424, 591, 641, 644, 1309 — Schaffung neuer 425 Armut — ist eine Tugend 191 Aschermittwoch 820 Astronomie 350 Asyl 611 Atheismus 297, 308, 379, 683, 1050, 1053 Atomkrieg 209, 589, 667, 1248, 1570, 1662, 1666 — Erklärung über die Vermeidung eines 627 — allgemeiner 1667 Atomsprengköpfe 1666 1690 Atomterrorismus 1669 Basisgemeinden 1393 Atomtod 1133 Atomwaffen 1662, 1678 — Nichtweiterverbreitung von 1661, 1669 — Stationierung von 1679 A tom waffengebrauch — voraussehbare Folgen des 439 Attentäter 172 Attentat 434, 552, 1145 Auferstehung 67, 416/7, 481/2, 618, 876 — Bedeutung der 71 — Garantie der 119 — Verheißung künftiger 121 — von den Toten 537 — Christi 564 — der Toten 648, 1169 Augustinermissionare 1051 Ausbeutung — Schutz vor 342 — des Menschen 1047 Ausbildung 642 Autarkie — des Menschen 1074 Authentizität — der apostolischen Entscheidung 291 Autonomie — der Kirche 503 Autonomiestreben 216 Autorität — legitime kirchliche 364 Autoritätsprinzip 807 Barmherzigkeit 585, 592, 609, 775 — Werke der leiblichen 398 — Werke der geistlichen 398 — Werke der 488, 289 — vielfältige Werke der 622 — Gottes 850, 1425, 1489, 1521, 1534, 1538 — göttliche 1199 Begierde — Mensch der 33f Begrenztheit — des Individuums 394 Behinderte 642 Beichte 602 — sakramentale 696 Beichtgespräch 1567 Beichtkapelle 572 Beichtstuhl(e) 474, 536 Bekehrung 537, 554ff, 567, 569, 600, 698, 820, 1554 — Abkehr von Sünde und Schuld 40 — eine Gnade Gottes 47 — ist Aussöhnung 601 Bekenner 561 Bekenntnis 542, 591 — des Simon Petrus 499, 543 — lutherisches 801 — evangelisch—lutherisches 1164 Bergpredigt 26, 31, 34, 381, 622, 769, 840 — Magna Charta des Christen 326 — Seligpreisung aus der 513 Beruf(e) 591, 642 — geistliche 1338 Berufsethik 1154 Berufsethos 196 Berufspastoral 1419, 1421 Berufung(en) 83f, 344, 349, 353, 385, 503, 535f, 573, 610, 620, 644, 654, 656, 658, 661, 681, 743, 915, 958, 980, 1033, 1198, 1303, 1382, 1428, 1429 — aller Christen zur Einheit 147 — zur Gemeinschaft mit Gott 156 — zum Heil 270 — Mannigfaltigkeit der apostolischen 288 — zur Heiligkeit 307, 534, 934, 1540 1691 — zur Transzendenz 322 — zu Gesandten des Wortes 365 — Mangel an B. zum Priestertum 379 — zum Familienleben 501 — eheliche und mütterliche 515 — Fülle christlicher 517 — als Witwe 517 — als Ehefrau 517 — zum Priestertum 528 — des Menschen 543, 550 — Verwirklichung der 560 — allgemeine B. eines jeden Christen 619 — zur Versöhnung mit Gott 694 — im Licht des Glaubens 707 — aller Menschen 838 — im Licht des Erlösungsgeheimnisses 859 — zum Ordensleben 880 — Wort Gottes und 916 — Gebet und 916 — Zeugnis und 916 — persönlicher Anruf und 916 — als Ehegatten und Eltern 1118 — ökumenische 1131 — göttliche 1167 — des Laien 1222, 1223 — der Laienschaft 1224 — der Familie 1341 — zum Priesteramt 1360 — Krise der 1409 — zum Gottesdienst 1443 — und Erlösung durch Christus 1543 — ganzheitliche B. des Menschen 1623 — zur Auferstehung des Fleisches 1629 — des Christen ist die Liebe 1634 — zur Liebe 1634 Berufungsbewußtsein 1398 Besatzungszeit 447, 476 Bestrebungen — ökumenische 443 Beten 1434 — neue Sehnsucht nach rechtem 654 Bevölkerungswachstum 1134 Bevölkerungszuwachs 1137 Bibel — das Wort Gottes 364 Bibelapostolat 904 Bildung 348 — christliche 1412 Bildungsfunktion 1232 Billigkeit — Grundsätze der Gerechtigkeit und 338 Bischof 378, 560, 621, 623 — anspruchsvolle Aufgabe als 378 — Pastorale Tätigkeit des 380 — Baumeister der Einheit 382 — Mitarbeit am Apostolat der 407 — müssen dem Leben der Gläubigen näher sein 630 — Lehrer in der Unterweisung 633 — Priester im heiligen Kult 633 — Diener in der Leitung der Herde 633 — Dienst an Gottes Stelle 633 — Glied des Kollegiums des Gesamtepiskopats 633 — Hirten und Lehrer des Gottes Volkes 1293 — Pastorale Sendung der 1296 — Diener des Evangeliums 1470 — ein Zeichen des betenden Christus 1482 Bischofsamt — das heilige Charisma des 1353 — kollegialer Charakter des 1381 Bischofskollegium 634 Bischofskonferenz(en) 485ff, 634, 924, 1089 — Polnische 511 Bischofssynode 925/6 Bischofsweihe 1471 — Sakrament der 523 Bittgebet(e) 557, 1399, 1442 Botanik 350 Botschaft — eschatologische B. des Christentums 223 — des Friedens 271 — des Kreuzes Christi 871 1692 Botschafter — des Friedens 299 Brautleute 1600 — spenden das Sakrament 5 Brautmesse 1116 Brot — für alle 1121 — brüderliche Nahrung 1121 — Materie des Sakraments der heiligen Eucharistie 1122 — Symbol der Gabe Gottes und der Arbeit des Menschen 1122 Bruderkampf 1123 Bruderkrieg 376 — im Libanon 658 Brüderlichkeit 270, 357, 361, 571, 582, 630, 655, 658, 1311 — evangelische 348 — Christi 516 — der Menschen 516 — der Kirche 836 — Zeugnis der Gerechtigkeit und 1228 — der Priester 1452 Bündnisverpflichtungen 453 Bürgergewissen 392 Bürgerkrieg 877 Bürgerrecht(e) 540, 772 — Fülle der 454 Bürokratismus 14218 Büßermönche 972 Bund — Jahwes mit Israel 15, 768 — zwischen Gott und den Menschen 78, 432, 1129 — mit Gott 132, 740 — neuer und ewiger 419, 869 — Volk des neuen 419 — sakramentaler B. der Seelen und Leiber 1118 — sakramentaler B. der Eheleute 1118 — Ewiger Bund Gottes mit dem Menschen in Jesus Christus 1263 — Gottes mit seinem Volk 1464 — und Gemeinschaft mit Gott 1528 Bundeslade 135 Bußdisziplin 697 Buße 527, 544, 555, 567, 572, 601, 695 — und Umkehr 36 — als Medizin 38 — und Erneuerung 398 — Vorbereitung auf Buße und Kommunion und Ehe 620 — Krise der 1147 — und Bußsakrament 1312/3 — und Versöhnung 1320 — Antwort auf das Angebot der Versöhnung 1533 — Versöhnung ohne B. undenkbar 1533 — Echtheit der 1544 — traditionelle Formen der 1545 — religiöse Dimension der 1546 — Geist der 1558 Bußerziehung 1558 Bußformen — traditionelle 1546 Bußgesinnung 698, 1510, 1561 Bußgottesdienste 1546f Bußhaltung 1148 Bußkatechese 1563 — Grundelemente der 1150 Bußsakrament 125, 169, 285, 488, 593, 693, 783, 863, 1361, 1396, 1437, 1535, 1537, 1549, 1553, 1630 — Quelle der Erneuerung 200 — asketischer Gebrauch des 1060 — die Praxis des 1148 — Würde des 1400 — die Liebe Christi im 1435 — Empfang des 1510 — Notwendigkeit des 1548 — Christus ist im B. durch die Kirche gegenwärtig 1550 1693 Bußunterweisung 1564 Cäcilienverband 1094, 1097 Campesinos 306, 316, 319, 321, Carabinieri 885 Carismatisch(e) — Kirche 304 Caritas 330, 990, 992ff, 1298, 1424 — karitative Tätigkeit 491 — Mitarbeiter der katholischen 622 Caritasarbeit 1419 Caritasverbände 993 Charisma 34Sf, 381, 682, 807, 883, 921, 935, 992, 1002, 1017, 1037, 1062, 1205, 1210, 1255, 1372, 1429 — des Ordenslebens 291 — des Ordens 881 — der Bischöfe 1294 — der Ordensleute 1461 — bischöfliches 1471 — Pastorales 1474 — dem Wohl der Gemeinschaft dienen 1496 — der Priesterweihe 1501 Chirurgie — genetische 1158 Chrisam 542 Christ(en) — Einheit der 16 — Aufgabe der Chr. als Künder und Zeugen der Erlösung 69 — in Jesus Christus zum Sieg berufen 451 — in der Arbeitswelt 689 — aller Konfessionen 924 Christentum — Neuheit des 1257 Christi Himmelfahrt 436 Christianisierung 472 Christkönigsfest 1206 Christologie 278, 1236 Christsein — der christozentrische Charakterzug unseres 450 Christus (vgl. Jesus Christus) Christusereignis 401 Chromosomen — Mißbildung der 1156 Codex — des Kirchenrechts 245 — Gesetzbuch des Volkes Gottes 1218 Colloquium Charitativum 443 Communio 634, 654 Cor Unum 1211 Credo 335, 702, 782, 1169 Dämon 364 Demokratie 1178, 1182, 1226, 1228 — Grundsätze der sozialen 53 Demokratisierung 1047 Demoralisierung 469 Demut 442, 555, 744, 840, 923, 955, 1059, 1472, 1544, 1546, 1560 — Weg der 124 — und Reue 1459 Depositum fidei 328 Determinismus 325 — psychologischer 1517 Diakone 623, 655 Diakonia 1434 — d.h. Dienst der Heiligung und Rettung 1167 Diakonie 1486 — Notwendigkeit der 1365 Dialektik — Freund—Feind—D. 324 Dialog 511 — ehelicher 25 1694 — ehrlicher 274 — der Liebe 276 — Menschen des 311 — um den Frieden 325 — mit der Öffentlichkeit 352 — der Kulturen 355 — mit der Vernunft 413 — Merkmale eines echten 439 — für den Frieden 439 — auf nationaler Ebene 439 — Friedensd. 440 — internationaler 440, 672 — zugunsten des Friedens in der Welt 440 — ökumenischer 444, 1250 — Wege des wechselseitigen 454 — gesellschaftlicher 496 — mit der orthodoxen Kirche 595 — mit der Kirche 613 — Weg des 666 — Wert des 666 — Tugend des 667, 669 — die Suche nach dem Guten mit friedlichen Mitteln 669 — zwischen Regierung und Volk 671 — der Gegenstand des D. für den Frieden 673 — theologischer 1035 — des Glaubens 1165 — mit den Religionen 1222 Dienst — an den Kranken 574 Dienstamt — Vielfalt der 765 — des kirchlichen Richters 806 — bischöfliches 1292 Dienstleistungen — Pastorale 1205 Diktatur 1226 — Rechtsverletzungen der 392 Dimension — konstitutive D. des Menschen 229, 232 — transzendente D. des Menschen 300 — ethische 520 Diözesanpriester 655 Diplomaten — Baumeister des Friedens 615 Diplomatie 716, 979 — Diplamatische Vertretungen, Instrument der 614 — die Kunst des Friedens 614 — des Heiligen Stuhles 616 — kirchliche 980 — Funktion der 1673 Diplomatisches Korps 614 Diskriminierung — der Gläubigen 559f. — Abbau von 640 Dispensmöglichkeiten 1546 Disziplin — moralische 408 Dogma 329 — von der Unbefleckten Empfängnis 248 Dogmatik 1474 Dominikanerorden 1072 Dornenkrone 481 Drang — religiöser 212 Dreieinigkeit 567 Dreifaltigkeit — Liebe der göttlichen 570 Dritte Welt 571 — Not in der 593, — Not der Länder der 642 Droge(n) 296, 402, 589 — Illusion des Glücks 403 Drogenhandel 724 Drogenmißbrauch 1298 Dynamik — der Heilsgeschichte 253 I Egoismen 395 1695 Egoismus 492 — Überwindung des 294 — Gefängnis des 324 — in rücksichtslosem E. seine Mitmenschen mißbrauchen 599 — Verzicht auf E. und Eigensinn 643 Ehe(n) 651 — Sakrament 5ff, 20, 24, 313, 1625 — Vollzug der 6 — als sakramentales Zeichen 12ff, 3 lf — als Bund von Mann und Frau 18 — Unauflöslichkeit der 26, 1447 — E.—bund Geheimnis von tiefer Transzendenz 312 — ursprünglicher Plan des Schöpfers 312 — Bund der Liebe 313 — Gnade der 313 — Segen des Schöpfers über die 313 — Treueverpflichtung zu Christus 313 — und Familie 407 — auf Probe 407 — lebendige Zellen seines Reiches 651 — Strahlungszentrum seiner Liebe 651 — Wesen und Eigenschaft der 809 — Wesensinhalte der kanonischen 809 — Würde der 986, 1355, 1359 — als Sakrament der Schöpfung 1117 — und Familiengemeinschaft 1119 — der institutionelle Wert der 1176 — Ideal der 1177 — als Institution 1182 — Ideal von Ehe und Familie 1328 — Erneuerung der christlichen 1353 — als Lebens— und Liebesgemeinschaft 1356 — Heiligkeit der 1383 — christliche E. und Familienleben 1463 — Ausdruck für die Beziehung zwischen Christus und der Kirche 1464 — Kind als eine Bereicherung der 1465 — naturgegebene Institution 1598 — Wert der Ehe 1600, 1636 Ehebruch 1391 Ehebund — legitimer 1341 Ehekatechese 1496 Ehelosigkeit 655, 1460 — Berufung zur 1625 Ehepartner — Sendung der 1390 Ehesakrament 693, 809, 988, 1355, 1464 — als Frucht der Erlösung Christi 1118 Ehescheidung(en) 407, 602, 1273, 1376, 1603, Eheschließung 1376 Ehespiritualität 315 Eheversprechen 19f, 809, 1118 Ehrenhaftigkeit 310 Eigentümer 422 Eigentum — öffentliches oder kollektives 425 Einheit 442 — Wiederherstellung der 18, 367, 1165 — der Christen 23, 368, 444, 1579 — göttliche 102 — der göttlichen Personen 103 — zwischen Christus und dem gerechtfertigten Menschen 173 — personale 265 — in Christus 276 — Geschenk Gottes in Jesus Christus 302 — Dienst an der 303 — der Universalkirche 367 — der Heiligen Dreifaltigkeit 369 — hängt ab von der Heiligkeit 369 — und Heiligkeit in der Kirche 369 — sichtbares Prinzip der E. der Kirche 371 — und Eintracht 443 — Verlangen nach 444 — kollegiale E. der Bischofskonferenz 487 — seiner Herde 532 — Geheimnis seiner E. mit dem Vater im Heiligen Geist 535 — unter den Brüdern Jesu Christi 586 — und Gemeinschaft der Christen 595 — ist Sache der ganzen Kirche 596 — der Kirche hat ihre Begründung im Geheimnis des dreifältigen Gottes 597 1696 — und Gemeinschaft der drei göttlichen Personen 597 — der Kirche 610, 900, 925, 928 — aus der Bestellung zum Bischof folgt Verpflichtung zur 633 — kollegiale E. mit dem Gesamtepiskopat 634 — als mystischer Leib Christi 839 — der ganzen Menschheit 925, 1026 — eine Forderung des Evangeliums 952 — des Priestertums Christi 1452 Einkommen — effektive Neuverteilung des 1187 Einsamkeit — freiwillige psychologische 218 — Erfahrung der 227f Eintracht — soziale 338 Einzelbeichte 1438 Einzelbekenntnis 1551 Ekklesia 951 Ekklesiologie 278, 750, 933 Elend — moralisches 572, 575 Eltern — Einfluß der 1644 Elternschaft 1117 — vor Gott verantwortete 603 Emigration 456, 648, 714, 785, 832 Empfängnis — das Leben des Menschen vom Augenblick der E. an schützen 402/3 — unbefleckte 459, 562 Empfängnisverhütung 316, 1083, 1466, 1601, 1636 Energiekrise 903, 1515 Engagement — revolutionäres 329 Entchristlichung 1208, 1295, 1311 Entchristianisierung 1389 Entfremdung 1528 — des Menschen 145 Entwicklungshilfe — Beiträge zur 586 — kirchliche 611 Entwicklungsländer 635 Entwicklungsvölker und —nationen 1110 Enzyklika — über die menschliche Arbeit 465 Epiphanie 708 — Offenbarung des Sohnes 11 Erbkrankheiten 1158 Erbschuld — ohne E. Empfangene 566 Erbsünde 249, 553, 709, 1240, 1243, 1523f, 1650 — Folgen der 1627 Erfahrung — der eigenen Freiheit 137 — sittliche 137 — der Wahrheit 204 — der physischen und moralischen Schwäche 246 — sexuelle 1625 Erfüllung — eschatologische 677 Erhöhung — durch die Auferstehung 432 Erlöser 220 Erlösergnaden 693 Erlöserliebe — Fehldeutung der E. Christi 1239 Erlösung 537, 563 — Jubiläumsjahr der 36, 48 — ist Neuschöpfung 138 — Sehnsucht nach der 238 1697 — radikale Wirkung des E.—Werkes Christi 250 — Zeugen umfassender 327 — eine neue Schöpfung 432 — Anfang unserer 525 — durch Jesus Christus 583 — Gnadengabe der 694 — von der Knechtschaft der Sünde 699 — die höchste Erhöhung des Menschen 700 — als Geschenk 849, 1011 — Macht der 876, 1245 — Geheimnis der 1105, 1255 — aller Menschen 1532 Erlösungsbedürftigkeit 1071 Erlösungsgeheimnis 478, 563 Erlösungsopfer — mütterliche Beteiligung am 481 Erlösungsplan 490 Erneuerung — soziale 437 — gesellschaftliche 438 — wahrhafte moralische und gesellschaftliche 455 — religiös—sittliche E. des Menschen 1128 — kosmische 1276 Erniedrigung — des Gottessohnes 432 Erscheinung — des auferstandenen Jesus 71 Erstbeichte 1467 — der Kinder 1438 — vor der Erstkommunion 1558 Erstkommunion 1467, 1558 Erwachsenenkatechese 1496 Erziehung 306ff, 518 — der Jugendlichen 1122 — die religiöse, sittliche und sexuelle 1177 — christliche 1324 — katholische 1354, 1359, 1396, 1476, 1477 — zur Buße 1562 — geschlechtliche 1615 — Notwendigkeit der geschlechtlichen 1618 — zur Schamhaftigkeit und zur Freundschaft 1645 Erziehungskommission 452 Erziehungsprogramme 1478 Erziehungswesen 1298 Ethik 354, 446, 966 — des Dankens 389 — des Gebens 390 — Überwindung jeder individualistischen 427 — und Journalistenberuf 788 — Grenze zwischen Technik und 902 — ärztliche 1154 — Trennung zwischen Wissenschaft und E. überwinden 1158 — parlamentarische 1228 — christliche 1633, 1635 Ethos 15 — der Erlösung 32, 137f — der Erlösung und der Freiheit 156 — christliches und patriotisches 492 — der Gemeinschaft der Personen 987 Eucharistie 321, 357, 365, 417, 432, 514, 556, 570, 621, 632, 690, 693, 905, 951, 954, 999, 1262, 1317, 1453, 1548, 1570, 1630 — Anbetung des Geheimnisses der 54 — Entweihung der E.—feier 54 — Einsetzung der 78, 113, 374, 860 — nicht nur eine Erinnerung 113 — Opfer Christi und Opfer der Kirche 114 — fördert die ökumenische Annäherung aller Christen 115 — vermittelt die Früchte der Erlösung 115 — Verehrung der 116, 388, 390 — Erinnerung an Christi Opfer 117 — Notwendigkeit der euchar. Speise 118 — Erfordernis des christlichen Lebens 119 — Sakrament der Einheit und der Liebe 120 — sakramentale Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers 123 — Mittelpunkt des sakramentalen Lebens 278 — vertieft die Einheit 279 — Zeichen und Ursache der Einheit 304 — erneuert den Liebesbund Christi mit seiner Kirche 312 1698 — Lebensquelle der Gemeinde 330 — Band der Liebe 333 — Zeichen der Einheit 333 — Quelle der Gnade und des Glaubens 339 — bewirkt die Einheit der Kirche 373 — eine geistliche Nahrung 373 — Sakrament des Leibes und Blutes 373 — Sakrament der Liebe und des Dienstes 374 — Verheißung der 374 — Herz der Kirche 388 — Mittelpunkt der Gemeinde 389 — Liebe zur 390, 1060 — Geheimnis der 390 — ruft zu ständiger Bekehrung 390 — Sakrament der 391 — Materie der 392 — Mittelpunkt des gesamten menschlichen Tuns 409 — Kirche wird ständig aus der E. geboren 416 — Zeichen der 417 — sakramentale Fülle in der 527 — schenkt Gemeinschaft mit dem höchsten Gut 602 — Unersetzlichkeit der 1318 — Quelle und Höhepunkt aller Evangelisation 1407 — unerläßliche Quelle echt christlichen Geistes 1443 — und Priesteramt 1454 — Darbringung der 1584 — Vorsitz bei der 1586 — Vollmacht zum Vollzug der 1588 — Weihevollmacht zum Vollzug der 1593 Eucharistiefeier 1212, 1482, 1549 — sonntägliche 1441 — Quelle und Gipfel des christlichen Lebens 1443 Europaparlament 1225 Europarat 800 Euthanasie 1155 Evangelien 632 Evangelisation 463, 473f, 489, 543, 1076, 1149, 1489 Evangelisierung 288, 329, 337, 341, 347, 362, 365, 378, 381, 384, 582, 621, 728, 780, 896, 931, 937, 939, 959, 973, 1011, 1025, 1073, 1090, 1178, 1205f, 1259, 1293, 1297, 1301, 1326, 1333, 1335, 1337, 1340, 1357, 1365, 1386, 1418f, 1421, 1427, 1443, 1454, 1477, 1480, 1505 — Dienst an der Einheit 277 — Dynamik der 307 — Familie Träger der 315 — Zentren der 343 — Re-Evangelisierung 385 — Neu-Evangelisierung 385 — Priester und Laien suchen gemeinsam Wege der 622 — der Kulturen 732, 1223 — und Katechese 895 — der Kirche 1065 — immer im Namen der Kirche 1209 — unter der Einwirkung des Heiligen Geistes 1210 — Ziele der 1334 — und Katechese im Licht der Pastoralrichtli-nien 1340 — in der Berufswelt 1431 Evangelisierungstätigkeit 1233 Evangelisierungswerk 1207 Evangelium 344, 433, 462, 468, 476, 489, 494, 501f, 532, 537, 553, 558, 577, 590f, 594, 598, 610, 619f, 622, 628, 630, 653f, 837 — glaubt an das 44 — Inhalt des 54 — Neuheit des 88 — der Arbeit 89, 492, 513, 540, 544, 550, 643 — Stärke kommt vom 277 — Zeuginnen des 289 — Norm eures Lebens 345 — Werte des 408 — Christi 443, 660 — der Arbeit und des Friedens 465 — Freude der Mühsal 477 — Dienst am 485 — Wahrheit und Gerechtigkeit auf dem Weg des E. anstreben 497 — der sozialen Gerechtigkeit und Liebe 513 — das erste Gebot des 517 1699 — eine Frohe Botschaft 543 — der Verfolgung 558 — nach dem Gebot des 648 — Widerspruch zum 728 — Heilscharakter des 750 — Samen des 840 — Wahrheit des 924, 1221 — missionarische Verkündigung des 1064 — die frohe Botschaft von der Versöhnung 1521 Exegese 1076 Exerzitien 460, 1067 Existenz — Recht auf eine souveräne staatliche 437 — souveräne 438, 453 — persönliche 1562 Experimente — genetische 1292 Extremismus 337 Familie 306, 512, 518, 796, 1223, 1338, 1355, 1414, 1428, 1565 — Vorrangstellung der 308 — Schule sozialer Liebe 512 — Umkehr im Bereich F. und Gesellschaft 602 — Ehe und 602 — betende 603 — Verteidigung der sittlichen Ordnung in F. und Gesellschaft 612 — göttlicher Plan von der 797 — eine Schule der Menschlichkeit 985 — die kirchliche Sendung der 988 — Krise der 1177 — Schule des christlichen Lebens 1223 — Charta der Rechte der 1254 — Sendung der 1356 — Hirtendienst an der 1357 — Unauflöslichkeit der 1383 — Würde der 1388, 1390 — Schule reich entfalteter Humanität 1389 — Einheit der 1391 — soziale Grundzelle der Gesellschaft 1463 — die Hauskirche 1467 — Zentrum der sakramentalen Katechese 1467 — ein Ort des Gebets 1484 — Urzelle und Fundament christlicher Gemeinden 1496 — naturgegebene Wirklichkeit der 1596 — hat die Grundlage in der Ehe 1598 — Werte der 1599 — Wohl der 1601 — Wert der Einheit der 1605 — erste Stätte der Erziehung 1620 — Schule reichentfalteter Humanität 1632 — Erziehung in der 1644 — kinderreiche 1176 — Rechte der 1597 Familienapostolat 1465 Familienethik 1491 Familiengemeinschaft 1562 Familiengottesdienste 1565 Familienkatechese 897 Familienleben 1562 Familienlohn 1605 Familienpastoral 315, 797, 986, 990, 1083, 1302, 1324, 1330, 1468 Familienplanung — natürliche 1466, 1636 Familienpolitik 1604 — Entwicklung der 1596 Familienrechte — Charta der 1595/6 ff. Familienseelsorge 1372, 1389 Familienverbände 1176, 1604 Familienwohl 1414 Fasten — christliche Tradition des 803 Fastenzeit 792 Fatalismus 325, 1517 Feindesliebe — Gebot der 585 1700 Fernsehen 624 Firmung 532, 570, 693, 982, 1296 Flüchtlinge 722, 1125 Flugzeug — Abschuß des koreanischen 658 Fokolar-Bewegung 835 Folterung 557 Forschung 410 — Entwicklung der wissenschaftlichen 411 — Exaktheit der wissenschaftlichen 565 Fortpflanzung 1157 — Vereinigung und 1084 Fortschritt — sozialer F. der Bürger 403 Frau(en) — im aktiven Dienst der Kirche 1318 — Würde der 1447 Freiheit(en) 372, 394, 453, 496, 539, 544, 554, 557, 585, 648, 650, 1535 — als Geschöpf Gottes 145 — und Wahrheit 155 — Berufung zur 159 — der Selbsthingabe an Gott 159 — Teilnahme an der F. Christi 159 — Ausübung der 308, 807 — institutionalisierte 308 — legitime 413 — wahre 436 — Ausübung der demokratischen 440 — polnische 470 — dem Menschen von Gott als Maß seiner Würde gegeben 473 — Leben in 474 — guter Gebrauch der 474 — nationale 474 — der Kirche 491, 658 — ständige Einschränkung der persönlichen 560 — äußere Begrenzung der 560 — Drama der 599 — Drama der schlechtgenutzten 599 — von seinem Schöpfer hat der Mensch die Gabe der F. erhalten 599 — keine F. ohne Bindung 599 — Folgen des Mißbrauchs der 600 — falscher Begriff von 602 — der Meinungsäußerung 611 — demokratische Freiheiten und Pflichten 671 — und brüderliche Liebe 680 — Sicherheit und 754 — der Forschung 943 — rechter Gebrauch der 1477 — Sehnsucht nach 1519 — Auflehnung der menschlichen 1523 — Recht auf religiöse 1600 Freiheitsentzug 434 Freiheitsstreben 372 Freimaurerei 1616 Freundschaft 293, 1646 Friede(n) 9, 110, 272, 322, 325, 333, 337, 382, 437, 465, 490, 516, 571, 581, 585f, 592, 616, 658, 662, 676 — Einsatz der Kirche für den 72 — Kommen des F. unter den Menschen 105 — göttliches Geschenk 262 — Aufbau des 325 — in der Gerechtigkeit 325 — in der Wahrheit 325 — im Interesse des 438 — Appell für den 438 — in der Welt von heute 439 — Welttag des 439 — Dialog für den 439, 665, 715 — sozialer 440, 671, 1112, 1538 — Erhaltung des F. in der Welt 453 — Botschaft des 453 — Sache des 453 — Fülle inneren 550 — und Freiheit 588 — das Anliegen religiösen 586 — Erhaltung oder Wiederherstellung des 614 — der Ruf des Menschen nach 615 — Beitrag zum 665 — die Bestimmung des Menschen 690 — Bewahrung des 754 — grundlegende Sehnsucht des Menschen 754 1701 — Wiederherstellung des 776 — gründet auf Gerechtigkeit 873 — Grundlage echten 901 — der Gewissen 1111 — der Familien 1111 — internationaler 1112 — Förderung des 1137 — Gleichgewicht des 1182 — ein Geschenk Gottes 1193 — und Gerechtigkeit 1245 — Erwartung des 1512 — messianischer 1541 Friedensbemühungen — internationale 616 Friedensbestrebungen — der Kirche 1660 Friedensdialog 670, 716 Friedensforschung 1685 Friedenskatechese 678 Friedenslehre 1659 Friedensmission 1144 Friedensnobelpreis 1108 Friedensproblematik 1686 Friedenssicherung — Beitrag zur F. und zur Verständigung zwischen den Nationen 611 Friedensstifter 310, 1127 Friedenstruppe — multinationale 219 — internationale 1144 Friedensverträge 437 Frömmigkeit 342, 553, 712/3, 1095 — des Volkes 568 — eucharistische und marianische 776 Frohbotschaft 490 Fronleichnamsfest 373, 995 Fruchtbarkeit 1624 — Berufung zur 1624 Fürbittgebet 703 Fürsprache — der Gottesmutter 1107 — der Heiligen Familie 1120 Fürsprecherin 566 Fundamentaloption 1526 Fußwaschung 869 Gastarbeiter 639, 640, 644, 721/2, 1227, 1606 Gebet 494, 526, 567/8, 607, 623, 633, 649, 657f, 714, 742, 762, 782, 958, 1037, 1052, 1060, 1067, 1079, 1090, 1128, 1179, 1205, 1221, 1302, 1335, 1370, 1398, 1416, 1426, 1475, 1482, 1490, 1512, 1545, 1565, 1570, 1630 — für die Einheit 17 — Begegnung mit Gott 121 — Wert des 121,1449 — Zeichen der Solidarität 122 — der menschlichen Solidarität 197 — für die christliche Einheit 368 — Hohepriesterliches 369 — des Herrn 497, 1547 — Freude am 573 — Dienst des Lobes 573 — Gemeinschaft mit dem Vater im 631 — unersetzlicher Bestandteil unserer Berufung 653 — Notwendigkeit der Bekehrung und des 675 — für den Frieden in der Welt 678 — des Kreuzweges 702 — nach Meinung des Papstes 702 — und Fasten 792/3 — und Empfang der Sakramente 795 — um Frieden und Versöhnung 1036 — die grundlegende Bedeutung des 1051 — des Rosenkranzes 1104 — Leben des 1201 — Eifer für das 1276 — der Familie 1357, 1467 — Wichtigkeit des 1360 — Aufruf zum 1360 — Leben im ständigen 1406 1702 — Wesensmerkmal des ständigen 1484 — Verpflichtung zum 1484 — persönliches 1484 — und Anbetung 1486 Gebetsgemeinschaft 495 Gebetsleben 1429 Gebetsversammlungen 1495 Gebot(e) — der Liebe 535 — allgemeines G. der Liebe 769 — zehn 823 Geburtenkontrolle 1447 Gefängnis 559f. Geheimnis — der Erlösung 8, 433 — der Schöpfung 8 — der Gottesmutterschaft 9 — von Schöpfung und Erlösung 20 — des Gottessohnes 433 — des Menschen 433 — des eucharistischen Kelches 457 — der Erwählung 459 — der Unbefleckten Empfängnis 459 — der Menschwerdung 525 — der Menschwerdung Gottes und der Erlösung 625 — des mystischen Leibes Christi 863 — eucharistisches 893 — göttliche 896 Gehorsam 634 — religiös begründeter 634 Geist — unsterblicher 412 — brüderlicher Liebe 443 — der Toleranz 443 — der Offenheit 443 — lebendigmachender 1538 Gelübde 345 Gemeinde — lebendige kirchliche 1494 Gemeindekatechese 963 Gemeinsamkeit 520 — kulturelle G. des europäischen Kontinents 583 — zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist 23 — Koinonia 277 Gemeinschaf't(en) — der Heiligen 538, 849 — messianische und eschatologische 770 — interpersonale 983 — in echter Liebe 655 Gemeinschaftswerte 427 Gemeinwohl 310, 393, 521, 561, 635, 637, 671, 724, 733, 802, 807, 848, 904, 1090, 1179, 1181, 1194, 1228, 1314, 1377, 1416, 1424, 1637f — Förderung des 637 — Garantie für ein 637 — Diener des G. aller Nationen 638 — internationales 672 — der Nation 673 — der internationalen Gemeinschaft 1181 — der Völker 1181 — der ganzen Menschheit 1260 — der Gesellschaft 1476 Gemelli-Klinik 460 Generalabsolution 1438, 1555f — Mißbrauch der 1400 Genossenschaften 319 Gerechtigkeit 45, 143, 321, 326, 333, 337f, 361, 375, 453, 490, 496, 513, 520f, 539, 586, 592, 616, 645, 647, 658, 660, 669, 806, 1179 — Ur-Gerechtigkeit 131 — soziale 274, 427, 585 , 689, 1308, 1403, 1579 — berechtigter Einsatz für 320 — Suche nach einer größeren 320 — Kampf um die soziale 354 — und Gleichheit 382 — Fortschritt in der 395 — Förderung der sozialen 426 — soziale G. und Liebe 509, 510 — Prinzipien sozialer 512 1703 — internationale 516,611 — Hungern und Dürsten nach der 521 — Einsatz für mehr 571 — und Frieden 612, 1570 — Förderung der 801 — Werte der 846 — und Freiheit 900 — entschlossenere Verwirklichung der 1136 Gerechtigkeitssinn 310 Geschichte — des Christentums 500 — des Staates und der polnischen Kultur 500 Geschlechtlichkeit — Bedeutung der 1617 — ist eine grundlegende Komponente der Persönlichkeit 1617 — Kultur der 1620 — Wert der 1621, 1642 — Werte der 1626 — Bedeutung der 1627 — Dynamismus der 1647 Geschlechtserziehung 1616, 1619 — Grundrecht der Eltern 1602 Geschlechtstrieb 1621 Geschöpßichkeit — des Menschen 1623 Gesellschaft — der Gerechtigkeit und des Friedens 320 — kapitalistische 329 — soziale Entwicklung der 395 — als Kampfort 492 — Mängel der 570 — Humanisierung und Personalisierung der 1390 Gesellschaft Jesu 1061/2 Gesetzgebung — ethische Normen bei der 612 Gespräch — ökumenisches 594 Gesundheitsfürsorge 1303 Gewalt 320, 589 — Versuchung der 320 — Anwendung von 329, 376, 382 — Drama der 382 Gewaltlosigkeit — der Kirche 1333 Gewaltmethoden 281 Gewalttätigkeit 335 Gewaltverzicht 322, 326 Gewerkschaft(en) 641, 960, 493, 510 — dynamischer Faktor der Sozialorganisation 425 — sind aus dem Kampf der Arbeitnehmer entstanden 510 — der Landwirte 511 Gewissen 338, 451, 465, 469, 550, 554, 572, 575, 599f, 660, 793, 818, 834, 863, 878, 891, 939, 962, 979, 992, 1011, 1049, 1075, 1109, 1044, 1133, 1149, 1155, 1168, 1180, 1215, 1227, 1243, 1260, 1265, 1270, 1282, 1323, 1341, 1425, 1528, 1553, 1596, 1600, 1638, 1661, 1673, 1675, 1678, 1685 — hl. Raum, in dem Gott zum Menschen spricht 164 — kein autonomer Richter 164 — öffnet den Menschen für die Stimme Gottes 164 — des Schülers 310 — Einsatz des 375 — Erforschung des 601 — Bewahrung des moralischen 612 — Frieden im Innern des 687 — Geheimnis der Gottesbegegnung im 696 — christliches 720 — Freiheit des G. des Richters 808 — Achtung des 842 — Gottesbegegnung im 908 — der Welt 1123 — Neuerweckung der Sensibilität der 1234 — Appell an das G. der Völker 1252 — das den Willen Gottes anerkennt 1265 — Reifung der G. im Lichte des Evangeliums 1276 — moralisches 1525, 1533 — Bildung des 1525, 1635 1704 Gewissensbildung 1273, 1633, 1661 Gewissenserforschung 1021, 1545, 1547 Gewissenserziehung 1314 Gewissensfreiheit 476, 559, 843, 1380 — Respektierung der 1396 Gewissenszwang 584 Gewissenverpflichtung 1391 Gewißheit — moralische 808 Gewohnheitsrecht — internationales 616 Glaube(n) 503, 537, 539, 560 — der Kirche 143 — der Heilsgrundlage ist 334 — der zur Seligkeit führt 334 — freie Ausübung des 342 — katholischer 379 — Vertiefung und Stärkung des 379 — transzendente Dimension des 394 — die Wahrheit des katholischen 397 — muß zur Präsenz und zum Zeugnis werden 402 — apostolischer Glaube an Jesus Christus 442 — Bewahrung des 504 — des Gottesvolkes 542 — der Pfarrei 542 — der Mutter Gottes 563 — an die Liebe Gottvaters 569 — ist ein Wagnis 572 — Stärkung im G. durch den gottverbundenen Zeugen 630 — Forderungen des 713 — Akt höchster Freiheit des Menschen 898 — Wissenschaft und 943 — an Jesus als Messias 1257 Glaubens- und Sittenlehre 381 Giaubensbekenntnis(se) 364, 1031, 1165 — Apostolisches 782 — das nizänokonstantinopolitanische 998 — der Kirche 369, 1294 Glaubensbildung 1374 Glaubenseinheit 1171 Glaubenserfahrung 607, 1058 Glaubenserziehung 1377 Glaubensfundament 594 Glaubensgewißheit 1449, 1584 Glaubensgrundsätze 1074 Glaubensgut — christliches 583 Glaubensinhalt — Verwässern des 370 Glaubenskraft 539 Glaubenslehre — der Kirche 328 Glaubensspaltungen 584 Glaubensüberzeugungen 443 Glaubensunterweisung 343 Glaubensvermittlung — Dienst der 620 Glaubenswahrheit(en) 1449 — fundamentale 896 Gleichheit — aller Menschen und Völker 1047 Gleichnis — vom verlorenen Sohn 50, 598ff., 813, 818, 1534 — vom Gutsherrn 183 — vom Barmherzigen Samariter 196 — für das Reich Gottes 590 — vom Pharisäer und Zöllner 623, 1142 — vom liebenden Vater 813 Gnade 552, 554, 556, 576, 923, 1562 — der eucharistischen Speise 124 — der Erlösung 144, 1127 — des Geistes 314 — Heilsplan der 314 — der Einswerdung mit Christus 328 — priesterliche 328 1705 — der Vergebung und Versöhnung 330 — göttliche 390, 784 — heiligmachende 526, 710 — Gottes 549 — der unbefleckten Empfängnis 553 — Wohltaten der göttlichen 816 — der Sündenvergebung 862 — Sehnsucht nach der G. der vollkommenen Vergebung 898 — der Taufe 1010 — des Priestertums 1019 — des Ehesakramentes 1119 — als Ursprung des Handelns 1560 Gnadenbild 471, 474 — Zeichen des G. von Jasna Gora 467/9 — der Gottesmutter 653 — der Gottesmutter von Mariazell 656 Gnadengaben — Gottes 620 Gnadengesenk — Gottes 1535 Gnadenleben — Wertschätzung des 698 Götter — Knechtschaft falscher 1570 Gott(es) — Schöpfer und Herr 13 — Rückkehr zu 37 — Heilsplan 39, 67, 459, 939 — Oberhoheit 39 — Vertrauen auf das Erbarmen 46 — allein ist der Retter 73 — Heilswillen 90 — Versöhnungsangebot Gottes 97 — Macht 102, 821 — souveräne Herrschaft 102 — Wundertaten 107 — der einzige G. in drei gleichen und verschiedenen Personen 110 — Frieden mit 131 — Schöpfungsakt 131 — Anwesenheit 135 — Gottes Gesetz als Maß 138 — Weisheit 176 — Allmacht 179 — Urheber der Versöhnung 195 — Initiative des Erbarmens 199 — Initiative der barmherzigen Liebe 200 — grundlegende Antwort nach dem Sinn 211 — Verwiesenheit auf 218 — Quelle und Urheber des Heils 243 — Barmherzigkeit 244, 700, 819, 1041 — Geschichtsplan im Alten Bund 244 — Eingreifen 254 — menschgewordener Sohn 262 — Absolutheit 381, 745 — Kraft und Weisheit 435 — hat gesiegt 450 — Gerechtigkeit 472 — der Schöpfung und der Offenbarung 562, 567 — des Bundes und der Erlösung 562, 567 — des Anfangs und des Endes 562, 567 — der die Wahrheit ist 562, 567 — der die Liebe und die Gnade ist 562 — Reich 564 — ist immer Erlöser 569 — gnädige Fügung 580 — der ewige Vater 590 — er ist nicht ein G. der Toten 591 — unsere endgültige Erfüllung 592 — Verantwortung vor 603 — Ursprung und Ziel allen Seins 604 — Beistand 613 — ist Wahrheit 620 — Erfahrung der scheinbaren Abwesenheit 631 — Glaube an die wirksame Anwesenheit 631 — die Proklamation der Herrschaft 632 — Autorität 646 — Verwalter der Erde 648 — das Sprechen 652, 653 — der ewige Ratschluß 656 — Zeichen des unendlichen Erbarmens 659 — Plan 676 — dreifältiger 685 — sakramentales Zeichen 689 — Gnade 768 — grenzenloses Erbarmen 783 — Gerechtigkeit 794 — Sensibilität für die Wirklichkeit 814 — Zeichen der Anwesenheit des Geistes 907 1706 — Transparenz des unendlich mächtigen 946 — das ontologische Wesen 983 — der barmherzige 1126 — transzendente Gegenwart 1191 — Liebe 1263 — Vorrang 1358 — Urheber der Versöhnung 1529 — Heiligkeit 1552 Gottebenbildlichkeit — des Menschen 1616 Gottes- und Nächstenliebe 75 Gottesbewußtsein 740 Gottesbilder — Aufgabe falscher 341 Gottesdienst 1317 — und Gebet 1299 Gottesebenbildlichkeit — des Menschen 583 Gottesgebährerin — mütterliche Liebe der 468 — Königin Polens 475 Gottesgegenwart 154 Gotteshaus 540 Gottesherrschaft 1250 Gotteskindschaft 132, 377, 389, 837, 1027, 1242, 1449, 1652 Gottesknecht 78, 259 Gottesliebe 517, 1160 Gottesmutterschaft 678 Gottessohn 525 — aus dem Heiligen Geist 526 — heilige Menschlichkeit des 1445 Gottessohnschaft 473, 527 Gottesverehrung 1299 Gottesvolk 464, 771 Gottleugnung 683 Großfamilie 1603 Großgrundbesitzer 319 Gründonnerstag 419, 434, 858 Gründungscharisma 972 Grundbedürfnisse — des menschlichen Lebens 318 Grundnahrungsmittel 317, 1121 Grundprinzip(ien) — der Theologie und der Kunst 397 — ethische 423 Grundrechte 672, 1228, 1254, 1307 — des Menschen 375, 1516 — der menschlichen Person 844, 1600 Grundsätze — ekklesiologische 1592 Grundwahrheit — des Glaubens 1320 Grundwerte — Bekenntnis zu den G. des bürgerlichen Zusammenlebens 392 — des Menschen 911 Guerilla 320 Guerillakampf 718 ■ Guerillakrieg 53 Güter — gerechte Verteilung der 318 — gerechter Austausch der 902 Gütergemeinschaft 349 Güterproduktion — Arbeitsleistungen und Kapital dienen der 423 Güterteilung — falsche 465 Güterverteilung 338, 375, 1135 Gutheit — des Seins 155 1707 Häftlinge 560 Handelsaustausch — Kontrolle des 1187 Handelsgesetzgebung 635 Harmonie — zwischen der Person und ihren Werken 144 Haß 323 Hauskirche(n) 286, 603, 1392 Hedonismus 1346, 1359, 1561 Hegemonieinteressen 718 Heiland 259 Heilige — Menschen der acht Seligpreisungen 515 Heilige Dreifaltigkeit 368, 435/6, 459, 471f, 484, 516, 538, 540, 546, 982, 1221 — Geschenk der Liebe der 389 — Anbetung der 415 — Teilnahme an der 656 — Verherrlichung der 1056 — Geheimnis der 1161 — Geheimnis der 1360 Heiliger Geist 419, 451, 527, 546, 571 — vom Hl.G. beseelter mystischer Leib 23 — Wirken des 47, 419, 478, 524, 547, 1385, 1481 — Gaben des 106, 568, 597, 1327, 1524, 1552 — Ausgießung des 107, 109, 226, 1587 — führt zur Erkenntnis der Sünde 107 — wirkt die Versöhnung 107 — Geschenk, das der Erlöser macht 154 — Wiedergeburt im 234 — Handeln des 251 — Tempel des 251, 761 — Gnade des 253, 1085 — Empfang des 357,1107 — Macht des 416, 457 — Kraft des 416 — kann in uns die Liebe und den Glauben beleben 556 — Erwartung des 619 — Geschenk des 698, 1408 — Eingebung des 899 — Beistand des 943, 1040 — Inspiration des 1002 — Hilfe des 1179 — Anwesenheit des Hl.G. in der Kirche 1448 — Einwohnung des 1559 Heiliges Jahr 56, 445, 489, 648, 693 Heiligkeit 532, 534 — beruht auf Liebe 532, 535 — ist besondere Ähnlichkeit zu Christus 535 — Beteiligung an der H. Gottes 538 — des täglichen Lebens 623 Heiligsprechung 456, 459, 461, 497, 522, 534 Heiligstes Herz Jesu 459 Heiligtum All, 524, 549 — von Jasna Gora 478 Heiligung — in der Familie 314 — des Menschen 1159 Heilsauftrag — der Kirche 1170 Heilsdienst 330 Heilsereignis 254 Heilserfahrung 254 Heilsgeheimnis 1441 Heilsgeschichte 565, 618 — Geschichte eines Bundes mit Gott 246 Heilsmysterium 1212 Heilsökonomie 155, 1150 — der Sakramente 1587 Heilsordnung 693, 1537 — sakramentale Heilsordnung der Kirche 878 Heilsplan 1263 — Gottes 322, 1264 Heilssendung — der Kirche 1142 Heilsversprechungen 254 1708 Heimat 494, 639 Heimsuchung — im Haus des Zacharias 563 Hemmungslosigkeit — sexuelle 296 Hermeneutik — des Sakraments 33f Herz-Jesu-Verehrung 407 Hierarchie 346 Himmel — Aufnahme in den 553 Himmelfahrt 482 — des Herrn 363 Hinfälligkeit — metaphysische 233 Hirte 532 Hirtenamt 486, 500, 604 — der Kirche 620 Hirtendienst 433 Hochfest — der Aufnahme Mariens in den Himmel 563 Hochschule(n) 524 — katholische 446 — Bestandselement in der Sendung der Kirche 446 Hoffnung 82, 146, 420, 539, 569, 580, 584, 588, 598, 600, 603, 610, 630, 675, 699 — messianische 255 — christliche 403/4 — auf das ewige Leben 420 — auf ein zukünftiges Leben 485 — im Kreuz ist wahre 587 — Beginn christlicher 605 Hoffnungslosigkeit 633 Holocaust — Gefahr eines atomaren 1674 — atomarer 1681 Homosexualität 1447, 1649 Horizontalismus 1238 Hostie 392 Humanisierung 1332 Humanismus 223, 274, 351, 554, 826, 966, 1015, 1297 — horizontaler 682 Humanwissenschaften 627, 1238, 1517, 1619 Hunger 557, 570, 658 — Verminderung des H. in der Welt 1110 — in der Welt 1122 — und Unterernährung 1184 Hungerbunker 457, 461 Hybris — Überheblichkeit 215 Identität — kirchliche 277 — als geweihte Frauen 288 — eigene 474 — christliche 533, 688 Ideologie(n) 205, 281, 310, 324, 328, 335f, 338, 347, 349, 353, 401, 670 — die zur Gewalt und zum Tod aufwiegeln 342 — des Machthabers 403 — nazistische 408 — politische 1336 Ignoranz — religiöse 379 Immaculata 248, 460, 483, 541, 543, 1240/1 Indifferenz 379 Industrie 635 Industrialisierung — der Entwicklungsländer Industriegesellschaft 425 Inflation 425 Inkarnation 253 1709 Inkulturation 1065 Innerlichkeit — isolierte 218 Inspiration — charismatische 972 Integrität — der Lehre 328 Internierte 469, 560 Intimbeziehungen 1647 Intoleranz 594 Jahwe — Herr des Bundes und Vater Israels 13 — Herr Israels 13 Jesus Christus — hebr. „Gott rettet“ 3 — Ehebund zwischen Chr. und der Kirche 12 — das Leben der Welt 17f — von Chr. geschenkte Erlösung des Leibes 19 — Liebe Chr. zu seiner Braut, der Kirche 24 — Sohn Gottes 39, 59, 646 — Wiederkunft Chr. als König 39 — Quelle des Heils 40 — Erlöser 40, 1001, 1114 — die wahre Pforte 46 — ein Tor und ein Weg der Gerechtigkeit 46 — der Gekreuzigte 47, 364, 581 — Zeichen der Liebe Gottes 47 — der Gute Hirt 54, 538, 1400, 1452 — für unser Heil gestorben und auferstanden 58 — Hauptgestalt im Werk der Erlösung der Menschheit 59 — unser Paschalamm 66 — schenkt uns die Gewähr eines unvergänglichen Lebens 68 — Quell des Lebens 69 — wahrer Gott und wahrer Mensch und Erlöser 73f — der Erste und der Erstgeborene der Toten 83, 1175 — einziger Vermittler des Heils 98 — unser Friede 102 — eint alles in seiner Person 103 — Brot für das Leben der Menschen 112 — heilbringende Macht 114 — in Chr. neu geschaffen 131 — zweiter und wahrer Adam 132, 862 — das Gesetz für das Leben des Menschen 173 — Weisheit Gottes 176 — der Heilige Gottes 221 — höchste Offenbarung Gottes 221 — Initiative 238 — Moses des neuen Gottesvolkes 256 — Fundament, Haupt der Kirche 284 — Weg 320 — Fürst des Friedens 322, 326 — Erlöserliebe 324 — Umkehr zu 326 — Vorbild eures pers. und sozialen Verhaltens 336 — Meister der Wahrheit 358 — wahre Freiheit in 361 — der erste Sämann 362, 364 — eine einzige Herde unter einem einzigen Hirten 364 — zentrales Anliegen des Gebets 367 — Gegenwart unter den Gestalten 373 — unser Osterlamm 388 — Gemeinschaft mit J. im Sakrament 390 — das wahre Licht 398 — Glaube an 400 — Mittelpunkt der Geschichte 401 — Erlöser des Menschen 401, 686, 852, 1256 — wahrer Gott und wahrer Mensch 401 — Menschwerdung und Auferstehung 412 — höchstes Ideal 413 — der Gekreuzigte und Auferstandene 433, 527 — Diener unserer Erlösung 434 — unser Herr und Erlöser 442 — Vereinigung mit 444, 1122 — das Leben der Welt 445 — Erlöser der Welt 449 — Herr des kommenden Zeitalters 449 — Zugang zu Chr. durch Maria 450 — Sieg in 451 — der lebt und erlöst 465 — Königtum 480 — Erlösung 485 — Auferstehung 485 — und seine Herrschaft 485 1710 — Sohn Mariens 526/7 — ist der Eckstein 540 — Messias-Christus-Sohn des lebendigen Gottes 542 — der Heilige Gottes 554 — Glaube an 556, 588 — die von Chr. vollbrachte Erlösung 564 — das alleinige Vorbild der Menschheit 571 — Zeichen des Widerspruchs 572, 757 — mystischer Leib 573 — hat dem Leiden einen Sinn gegeben 575 — das makellose Opferlamm 575 — Mitarbeiter 577 — unser Weg 588 — die neue Hoffnung 589 — Botschaft J. von der beständigen Gegenwart Gottes 590 — einziger Herr und Heilsbringer 596 — die messianische Sendung 618, 822 — Gottes und der Menschen Sohn 629 — Weg zur vollen Menschlichkeit 629 — Geborgenheit beim Vater 633 — Dialog mit 682 — das wahre Licht der Völker 685 — das fleischgewordene Wort 686 — der ewige Hohepriester 693, 1588, 1593 — die Wahrheit über 757 — das ewige Wort des Vaters 851 — in Chr. eine neue Schöpfung 887 — Himmelfahrt 947 — der Schmerzensmann 1005 — der Hymnus des Vaters 1095 — König des Universums 1206, 1212 — der Allherrscher 1251 — J. von Nazareth, der menschgewordene Gott 1256 — Sohn des lebendigen Gottes 501, 1029, 1283 — Fülle der Offenbarung 1292 — der oberste Hirte 1353 — der oberste Hirte der ganzen Kirche 1363 — Erlöser und Versöhner der Menschheit 1435 — das menschgewordene Wort 1451 — der Friede und die Versöhnung 1530 — das Opfer des Neuen Bundes 1531 — Vorbild, Lehrer, Erlöser, Lebensspender 1545 — Opfer unserer Versöhnung 1548 — persönliche Begegnung des Menschen mit dem gekreuzigten 1554 — der vollkommene Mensch 1625 Journalismus 123 lf. — Verknüpfung von J. und Priestertum 1233 Jubiläumsablass 121 Jüngerschaft — Zeichen echter 367 Jugend 81, 348, 361, 400, 402, 409, 466, 470, 569, 572, 588, 612f — Recht auf die Erziehung der 407 — eine neue J., die J. des Glaubens 568 Jugendarbeit — katechetische 1383 Jugendarbeitslosigkeit 832 Jugendliche 425, 466, 560, 642 Jugendpastoral 1302 Jugendzeit 468 Jungfräulichkeit 1625 — Erziehung zur 1621 Jurisprudenz 350 Kalvinisten 443 Kameradschaft 1646 Kampf — um die grundlegenden Rechte der menschlichen Person 502 — für die soziale Gerechtigkeit 511 Kapital — Anhäufung des 424 — absolute Autonomie und Unabhängigkeit des 424 Kapitalbesitzer 423 Kapitalismus 281, 407 Kardinalskollegium — unversalistische Funktion des 760 — Bild für die Einheit 763 1711 Karfreitag 417 Karsamstag 417 Karwoche 855 Katastrophe(n) 625 — von Hiroshima 626 Katastrophenmedizin 975ff. Katechese 329, 330, 373, 380, 546, 621, 738, 740, 773, 780, 891, 895, 896, 962, 969, 1075, 1090, 1205, 1259, 1293f, 1302, 1328, 1331, 1335, 1350, 1359, 1365, 1371, 1387, 1393f, 1406, 1419, 1480, 1489, 1490, 1562, 1590, 1634f — Fastenzeit eine Zeit der 41f — Notwendigkeit der 278, 821 — Initiativen der 358 — Dienstamt der 781 — Aufgabe der Priester 897 — ist ein Akt der Kirche 897 — Geschenk des Heiligen Geistes 898 — Inhalt der 1294 — Kern der 1294 — in der Pfarrei 1299 — der Kinder und Jugendlichen 1346, 1496 — führt Volkserziehung durch 1392 — Objekt der 1394 — Jugend- und Erwachsenenk. 1579 — voreheliche 1635 Katecheten 362, 365, 603, 780, 1303, 1327, 1331, 1340, 1366, 1435, 1495, 1496 — außerordentliche Spender der Eucharistie 286 — Eltern, die ersten K. ihrer Kinder 621 — Ausbildung der 1387 — Weiterbildung der 1393 Katechismen — Veröffentlichung von 897 Katechumenen 1301, 1566 Katholiken 443 Katholikentag 18, 581f, 587, 596, 601, 604f, 610, 650, 652, 658, 1312 — Österreichischer 580, 586, 598, 661 Katholische Alma Mater 447/8 Katholizismus 1165 — sozialer 1314 Katholizität 293, 931, 1431 Kernenergie 636 — friedliche Nutzung der 635 Kernfamilie 1603 Kernreaktoren 636 Kernwaffen 1611 Kerygma — der Apostel 1075 Keuschheit 1635 — Erziehung zur 1621 — eheliche 1635 Kinderkatechese 1301 Kindertaufe 1366 Kirche(n) 552, 572 — Sendung der 26, 657, 1520 — Wirken der 39 — Identität der 51 — Braut Christi /83 — Ausbreitung der 108 — kath. K., die Lehrerin der Wahrheit 165 — Parusie der 166 — Verherrlichung der gesamten 166 — Treue zum Lehramt der 169 — Sakrament des Heiles 235 — Teilhabe der Kirche an der Herrlichkeit 235 — Beginn der entstehenden K. Christi 253 — Ende der messianischen K. Israels 253 — Spiritualität der alttestamentlichen 253 — Sakrament der Gemeinschaft 277 — Schützerin des Menschen 281 — Ursprung der 284 — hierarchische Struktur der 286, 1167 — Ideal der 288 — Familie Gottes 301 — charismatische 304 — Urbild der 357 — Lehre der 363 — hat eine prophetische Mission 373 1712 — Lebenskraf und Volksverbundenheit der 374 — Selbstverständnis der K. in Lateinamerika 385 — Freiheit der 408 — Präsenz der K. in der Kultuswelt 414 — Geburt der 416, 419 — wird durch die Eucharistie zum Maß des Lebens 420 — soziale Denken der 423 — Polens 499 — Haus Gottes 540 — Neubesinnung der K. und Gesellschaft 581 — die kommende Geschichte der K. prägen 592 — Einsatz für die gegenwärtige 592 — Vollversammlung des Ökumenischen Rates der 597 — Dialog mit der 609 — keine politische Instanz 612 — solidarische Unterstützung der 617 — von oben 618f — von unten 618f — Zukunft der 687 — Dienerin der Versöhnung 693, 1539 — Leib Christi 693 — als Ausspenderin der vielfältigen Gnade Gottes 694 — Heilsordnung der 694 — Heilssendung der 697 — als Volk Gottes und Leib Christi 770 — geborene Hüterin der göttlichen Offenbarung 896 — Britische 923 — und Wissenschaft 941 — katholische 951 — orthodoxe 445, 951 — heilige, katholische und apostolische 1061 — Heiligkeit der 1207 — prophetische Stimme der 1259 — Universalität der 1269 — sakramentale Tätigkeit der 1294 — mystischer Leib Christi 1421 — Sakramentalität der 1469 — Gemeinschaft der Anbetung 1484 — Dienerin der Versöhnung 1513 — universales Sakrament des Heils 1538 — Zeichen der Versöhnung 1538 — apostolische Struktur der 1587 — Tradition der 1587 — Apostolizität der 1587 — Einheit der 1590 Kirchenchöre 1093 Kircheneinheit — Bruch der 1165 Kirchenmusik 1096 Kirchenrecht — Reform des 27 Kirchenväter 357 Kirchweihe 541 — Liturgie der 540 Klassenkampf 320, 492, 960, 1515 Klausurschwestern 956/1 Klerus — zölibatärer 1409 Klosterkomitee — von Jana Gora 488 Kodex — Vorstellung des neuen 766 — neuer 805 König — ein gekreuzigter 481 — Erniedrigung des gekreuzigten 481 Königin — der polnischen Krone 482 Königreich 480 Königsherrschaft 482, 1214 Königtum — messianisches 1212 Koexistenz 1124 — friedliche K. mit den anderen Völkern 1339 — der verschiedenen Kirchen 1500 — internationale 1677 Koinonia 597 — ekklesiologisches Kolloquium 595 1713 Kollegialität 736, 927, 1420, 1440 — und Primat 751 — bischöfliche 1151 — zwischen den Bischöfen 1417 — Grundsatz der 1459 Kollektivismus 281 Kollektivschuld 1265 Kolonialismus — politischer 1195 — technologischer 1195 Kolonialmächte 407 Kommission — katholisch-orthodoxe 445 — Caritative 491 Kommunikation — und Werterziehung 965 Kommunikationsmittel 101, 964 Kommunion — würdiger Empfang der 124 — heilige K., das Brot unserer Hoffnung 602 Kommunionempfang 700 Konfessionen — Trennung von 592 Konflikt(e) — zwischen Kapital und Arbeit 424 — soziale K. der Arbeitswelt 641 Konfliktsituationen 393 Konfrontation — zerstörerische Gewalt revolutionärer 354 Kongregation 503 — der Resurrektionisten 646 Kongreß — Eucharistischer 371, 373, 420 — Nationaler Eucharistischer 388, 415 Konkordat 408 Konrad-Adenauer-Stiftung 973 1714 Konsekration — Vollmacht zur 1586 Konsumgesellschaft 683 — Gottvergessenheit in der modernen 1311 Konsumismus 316, 1196, 1346 Konsumsucht 296, 1561 Kontemplation 1038, 1067, 1078f, 1205 Konzentrationslager 456, 461, 559f, 721, 877 Konzil 364, 367f, 388, 399, 442, 444, 534, 595f, 604, 610, 617, 619, 633f, 655 — Ökumenisches 27, 927 Koordination — Pastorale 384 Korruption 557, 1434 — in der Verwaltung 1342 Kosmos — Geschichte des 449 Kranke 574, 606 Krankenpflege 1006 Krankenpflegeorden 574 Krankensalbung 693, 1045, 1544 Kreativität — apostolische 728 Kreuz 433, 564, 618 — Quelle des Lebens — 323 — Werkzeug der Erlösung 63 — Wirklichkeit des 63 — Zeichen Christi 63 — Gewähr des Lebens, der Auferstehung 64 — Siegeszeichen Christi 65, 590 — unser K. als Mittel und Weg zur Erlösung und Auferstehung 65 — Sinn des 71, 1564 — Werkzeug für den Sieg des Herrn 180 — Zeichen der Befreiung 180 — Zeichen der siegenden Liebe 184 — Zeichen unserer Hoffnung 184, 601 — das neue Kapporet (Deckplatte der Bundeslade) 189 — Symbol der Schmach 323 — Christi fordert zur Versöhnung mit Gott auf 496 — und Auferstehung 546 — Jesu Christi 580 — im K. ist Hoffnung und Heil 581 — ist Zeichen der Leid und Tod überwindenden Liebe Gottes 582 — wahre Hoffnung nur im Kreuz 586 — Botschaft des 587 — Kraft des K. Christi 587 — im K. ist die Liebe des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes 601 — Symbol des Sieges 647 — Zeichen des unendlichen Erbarmens 659 Kreuzweg 474 Kreuzzeichen 556 Krieg(e) 264, 323, 438, 453, 503, 570, 583, 638, 665, 1123, 1202, 1248 — Beendigung des 274 — Tragödie absurder K. und brudermörderischer Entzweiungen 353 — Verwüstungen des 557 — Übergang von der Nachkriegs- zu einer neuen Vorkriegsphase 615 — Gewalt und 666 — begrenzter 666 — konventioneller 667 — gerechter 1678 Kriegszustand 440 — Zwangsmaßnahmen des 438 Kriminalität 213 Krise — moralische 398 Krönung 480 Kultur(en) 308, 351, 396, 411, 519, 727 — und Kunst 56 — eingeborene K., wirksames Werkzeug zur Verbreitung des Glaubens 340 — Entfaltung der europäischen 350 — moralische 517 — und Christentum 1258 Kulturalismus 1504 Kulturgrundlage 379 Kunst 396 — und Kultur 56 — Wesen eurer 399 — Definition der K.: Helferin des Menschen 628 — auch die Kirche braucht 628 Kyrios 1249 Laie(n) 278, 362, 380, 382, 385, 406, 546, 577, 619, 621, 634, 656, 1205, 1215, 1222, 1297f, 1335, 1372, 1375, 1428 — christlicher 308 — Verantwortung der 330, 1324 — Platz der L. in der Kirche 385 — Sendung als 620 — Zeichen des Heils in der Welt u. Brücke zwischen Welt und Kirche 620 — Beitrag der 773 — Teilhabe an der Sendung der Kirche 1223 — Ausbildung der 1224 — und ihre Mitverantwortung 1294 — Charisma der 1294, 1297 — im Leben der Kirche 1296 Laienapostolat 546, 617f, 620, 622, 660/1, 787, 992, 1296, 1306, 1365, 1409, 1496 — Förderung des 1098 — Organisation des 1276 Laienbewegung 1366 — im Dienst des Apostolats 1354 Laienbruderschaften 1331 Laienchristen 619, 1309 Laienhelfer 1496 Laienkatecheten 906 Laienmission 1361 Laienmitarbeiter 1340 Laienspiritualität 1366 Laizismus 1425, 1496 Land-Solidarität 502 1715 Landflucht 502 Landwirtschaft 501/2 Leben — neues L. in Christus und in der Kirche 19 — der Ungeborenen 31 — Recht auf 31, 336 — Unantastbarkeit des 31 — moralisches 297 — Sinn des 394, 409, 570, 1623 — Geschenk des 488 — Achtung vor dem 571 — Aussichtslosigkeit, Nutzlosigkeit des 576 — in Gerechtigkeit und Freiheit 643 — ewiges 648, 824, 838, 860, 968, 1170, 1483 — spirituelles 1079 — Gott wohlgefälliges 1127 — das höchste und radikalste Gut des Menschen 1158 — Hinfälligkeit und Flüchtigkeit des menschlichen 1169 — Voraussetzung des sittlichen 1227 — Wertschätzung des 1514 — Weitergabe des 1617 — Berufung zum ewigen 1625 Lebensgemeinschaft — mit Gott 1624 Lebensrecht — des Menschen 1601 Lebensstandard 318, 501, 1007 — menschenwürdiger 375 Legitimität — Überzeugung von der L. des bewaffneten Einsatzes 1678 Lehramt 346, 604 — dynamisches Wirken des 277 — dem L. der Kirche unterwerfen 302 — kirchliches 690 — Treue zum 1209 — Ausübung des 1472 — und Priesteramt 1501 Lehrcharisma — der Bischöfe 1472 Lehrer — Bedeutung des katholischen 1480 Lehrfreiheit — im Erziehungsprozeß 308 Lehrtätigkeit 410 Leid(en) — Übergang zu dauerhafter Freude 87 — eine Realität 575 — physisch, moralisch, persönlich, familiär, apostolisch, kirchlich 576 — wird zum Gebet und zum reichen Quell der Gnade 607 — Sinn des menschlichen 1365 Liebe 539 — Gebot der 33 — hat ihren Quell in Christus 50 — Gottes 73, 467 — Grenzenlosigkeit der L. Gottes 80 — Verwirklichung jeder sittlichen Norm 160 — der Eheleute hat Vorbild in Christus 314 — unersetzbarer Faktor des Friedens 325 — Pastorale 328 — zu Gott und zum Nächsten 345, 568 — zum Nächsten 451 — ist mächtiger als der Tod 457 — an die L. glauben 467 — Christi 467 — der Mutter 467 — inneres Programm der 468 — neue Gefühle der 468 — ist größer als Gerechtigkeit 512 — nur die L. kann die Fülle der Gerechtigkeit gewährleisten 512 — eine Kraft der Wahrheit 519 — zum Vaterland 521 — zur Wahrheit 530 — Zeugnis der 552 — im Sinn Gottes hat keine Grenzen 571 — zum Leben 571 — der Weg der L. im Geist Christi 572 — Christi und der Allerheiligsten Dreifaltigkeit 576 — lebendigmachende 836 — Definition der 860 — eheliche und familiäre 987, 1084 — Pflicht brüderlicher 1203 1716 — Kirche der 1403 — sexuelle 1466 — Gemeinschaft der 1486, 1624 — Tugend der 1516 Liebesbund 768 Liturgie 329, 546, 1319, 1482 — der Kirche 392 — der Fußwaschung 434 — Teilhabe am Glanz und Klang des ewigen Jerusalem 628 Lossprechung 1539 — von den Sünden 1132 — mit Einzelbekenntnis 1554 Lutheraner 443 Machtbeziehungen 393 Märtyrer 458, 500 — erster christlicher 260 — des Beichtstuhls 536 Märtyrerpriester 456 Märtyrertod 460 Magnifikat 654, 656 Mahl — eucharistisches 376, 893 Malteserorden 853 Manipulation(en) — genetische 627, 731, 1153, 1156f — politische und ideologische 309 — des Menschen 341 Maria — Mutter des Heils der Welt 3 — Mutter Jesu 16 — Jungfrau 29 — Zuflucht der Bedrängten 30 — Mutter der Kirche 36, 98, 222, 573, 753, 1225, 1420 — seligste Jungfrau 45 — Gottesmutter, Mutter der Priester 49 — Mutter Gottes, Begnadete, Mutter der Reinheit und der Barmherzigkeit 83 — Jungfrau von Nazaret 90 — Adamstochter 91 — Magd des Herrn 91 — Mitarbeiterin Gottes im Neuen Bund 91 — steht ganz im Dienst des Erlösers 93 — Mutter der Bamherzigkeit 95, 360 — Rosenkranzkönigin von Pompeji 95 — Trösterin der Betrübten 95, 185 — unsere Fürsprecherin 95 — Zuflucht der Sünder 95 — Mutter aller Erlösten 96 — Mutter des Erlösers 96, 564, 619, 1487 — Mutter jedes einzelnen 96 — Mutter der Einheit 98, 156 — Königin Chinas 100 — die Ersterlöste 117, 562 — Tochter Sion 127 — Ausklang des Alten Testament und Beginn der Kirche 128 — Arche des neuen Bundes 135f — Schutzherrin des Libanon 141 — Mutter des Neuen Jerusalem 156 — Mutter der versprengten Söhne 158 — Aufnahme M. in den Himmel 160f — Sitz der Weisheit 176 — Mutter der Versöhnung 177 — die Unbefleckte 248 — Meisterwerk Gottes 252 — Trägerin des Segens Gottes 257f — Königin des Friedens 326, 332, 356, 360 — Mutter aller Ordensleute 349 — Mutter aller Menschen 356 — Mutter Christi 356 — Mutter der Jünger Christi 356 — erste Christin 357 — Mutter und Glaubenserzieherin 357 — Dienerin des Erlösungsgeheimnisses 358 — Vorbild einer grenzenlosen Liebe 358 — ist Vorbild 359, 623 — besondere Gegenwart 449 — Königin Polens 452, 467 — Königtum 482 — Mutter der sozialen Gerechtigkeit 511/2 — Mutter und Königin 522 — Feind des Satans 554 — Gegensatz zur Sünde 554 — Freundin der Sünder 554 — Gegenwart 555 — Verherrlichung 556 1717 — Mutter der Kirche, Königin der Märtyrer 559 — Fest der Aufnahme M. in den Himmel 562 — die Nähe M. ist wie die Seele dieses Heiligtums 562 — Fest M. Namen 649 — mütterliche Liebe 650 — Magna Mater Austriae 652 — Mater Gentium Salvorum 652 — Magna Hungarorum Domina 652 — Vorbild und Hilfe 653 — ist in den Mittelpunkt des göttlichen Heilsplans getreten 656 — durch den Glauben M. ist das Licht Gottes aufgestrahlt 657 — Mutter der Kirche und Mutter der Priester 982 — Zeichen der Hoffnung 1055 — Mutter Gottes und Mutter der Kirche 1380 — Mutter der Barmherzigkeit 1384 Mariä Heimsuchung 436 Marienheiligtümer 583, 740 Marienverehrung 97, 1056 Mariologie 1057 Martyrium 23, 522, 968, 1379 Martyrologium — der Kirche 559 Massenhinrichtungen 721 Massenmedien 546, 964 Materialismus 633, 648, 1027, 1326, 1346, 1359, 1496, 1515, 1561 — theoretischer und praktischer 403 — atheistischer 408 Mathematik 350 Medien 629, Medizin 350, 1153 Meinung — öffentliche 674 Meinungsäußerung — freie M. in den Massenmedien und in der Politik 375 Meinungsbildung — öffentliche 789 Mensch(en) — Krone der Schöpfung /83 — als Ebenbild Gottes geschaffen 132 — Abbild Gottes 312, 336, 637, 643 — Bild und Gleichnis Gottes 322 — Bild Gottes 412, 422, 625, 1155 — soziales Wesen 511 — Sinn der Existenz des 512 — nach dem Bild und Gleichnis Gottes geschaffnes Wesen 517 — Achtung der Würde des 550 — Ebenbild Gottes 624, 626, 647 — Frage nach dem 625 — Zukunft des 625 — Thema aller Wissenschaft und aller Kunst 625 — als Individuum, Mitmensch, Kind Gottes, Thema der Kirche 625 — Herr und Ziel von Wissenschaft und Technik 626 — Primat des M. als Kriterium für unsere Urteile 636 — Subjekt jeder Arbeit 636 — nach Gott, das Maß und Ziel aller Unternehmen 636 — wird nicht erst durch die Arbeit zum Menschen 641 — Würde des 669 — Sozialnatur des 669 — Verbesserung der biologischen Beschaffenheit des 1157 — König der Schöpfung 1158 Menschennatur — Verleugnung der gemeinsamen 642 Menschenraub 557 Menschenrechte 153, 342, 510, 512, 583, 586, 611, 616, 642, 811, 964f, 1048, 1082, 1179, 1181, 1211, 1237ff, 1251f, 1273, 1332, 1443, 1485, 1597, 1611, 1661 — Sensibilität für die grundlegenden M. und Rechte der Nation 476 1718 — Verletzung der 570 — Beachtung und Förderung der 585 — der Arzt und die 1153 — humanozentrische und christozentrische Begründung der 1240 Menschenrechtserklärung 1252 Menschenrechtskommission — Europäische 1251 Menschensohn 558 Menschenwürde 397, 434, 557, 1046, 1563 — Unterdrückung der 274 — Förderung der 285 — Wahrung der 1552 Menschlichkeit — Geist der 583 Mensch werdung — Christi 553 Messias 374, 706, 709, 1030, 1244, 1250 — Sohn Gottes 4 — Tröstung Israels 186 Metanoia 1512, 1543f — die Wahrheit von der M., der Umkehr 600 Metaphysik 1191 Methoden — empfängnisverhütende 407 Militärdienst — als Friedensdienst 1170 Minderheiten — ethnische und religiöse 724 Minderwertigkeit 317 Misereor 803f Mission 407, 573, 657 — Träger der 1143 Missionare 906, 930 Missionsarbeit 728 Missionsberufe 931 Missionstätigkeit — der Kirche 1276 Missionsverpflichtung 1075 Missionswerke — päpstliche 938, 1013 Mitbeteiligung 426 Mitmenschlichkeit 608, 1317 Mittlerschaft — der Heiligen 538 Moral 147, 329, 397, 488, 624, 945 — der Völker 341 — Postulat der internationalen 437 — Verfall der 452 — Grundlagen der menschlichen und christlichen 518 — Verknüpfung zwischen Beruf und 789 — christliche 1425 Moralgesetz(e) 1085 — Ausdruck der Bedürfnisse des Menschen 149 — Gesetz Gottes und Gesetz des Menschen 149 — garantiert die Freiheit 150 — Forderungen des 1677 Moralismus 1630 Morallehre — der Kirche 1474 Moralordnung — elementare Wahrheiten der 474 Moraltheologie 529, 1567 Mordvorsatz 1044 Musica Sacra 1096 Muslime 1352 Mutter Gottes (siehe: Maria) Mutterschaft 22 — Mariens eine neue M. 96 Muttersprache — die Frohe Botschaft in der M. verkündigen 640 1719 Mysterium 563 — der Versöhnung 326 — des lebendigen Gottes 420 — der Kirche 1385 Mystik 1191 Mythos — der Wissenschaft 205 Nachkriegserfahrungen 464 Nachkriegszeit 1111 Nächste 512 Nächstenliebe 75, 295, 337, 339, 365, 375, 469, 491, 560, 571, 608, 696, 720, 795, 815, 834, 841, 853 , 919, 968, 990, 1006, 1059, 1110, 1160, 1162, 1173, 1179, 1191, 1239, 1303, 1334f, 1342, 1359, 1379, 1477, 1559 — Kern des Evangeliums 919 — Gerechtigkeit und 920 — echte Theologie der 1211 Nächster — das Wohl des 660 — Sorge für das wahre Wohl des 1425 Nahrungsmittel — Schenkung überschüssiger 1135 Nahrungsmittelmangel 723 Nahrungsmittelproduktion 723, 1185 — Erhöhung der 1134 Nahrungsmittelselbstversorgung 1186 Nation 498 Nationalheiligtum All Natur — behutsamer Umgang mit der 627 — als Schöpfung Gottes 627 — biologische N. des Menschen ist unantastbar 1157 Naturrecht 511, 670 — Vereinsrecht ist 509 Naturwissenschaften 1053 1720 Neubesinnung — christliche 587 Neue Welt — Bedürfnisse der 350 Neuer Bund 113 Neues Testament 632, 869 Neuheidentum 1496 Neuschöpfung — Erfahrung der inneren 245 Neutralität — keine N. dem Unrecht gegenüber 643 Nihilismus 403 Nordischer Rat 800 Nord-Süd-Dialog 1006, 1026 Norm(en) — Sinn der sittlichen N. ist die Liebe 160 — Leugnung der Universalität und Absolutheit moralischer 1525 — Bezug zur sittlichen 1621 — des göttlichen Gesetzes 1635 Notstandsmaßnahmen 975 Noviziat 560, 1068 Nuklearkrieg 1667 Nuklearmächte 673 Ökologie — des Geistes 398 Ökumene 445, 595, 998 Ökumenischer Rat 442 Ökumenismus 280, 305, 367, 370, 444, 595, 714, 751, 773, 922, 953, 1065, 1113, 1149, 1162, 1195, 1336, 1354, 1568 — eine evangelische Aufgabe 370 — unvereinbar mit aggressiver Proselytenmacherei 370 — geistlicher 742 Ölweihe 867 Offenbarung 102,401,411,414,444,501, 596, 943, 956, 1198 — lebendige O. Christi 23 — der Liebe Gottes 420, 922, 1257 — des ewigen Plans göttlicher Liebe 479 — Kreuz und Auferstehung bilden den Höhepunkt der 601 — Höhepunkt der göttlichen 692 — der Barmherzigkeit des Herrn 696, 949 — grundlegende Wahrheit der 820, 822 — der göttlichen Geheimnisse 1140 — der Gnade 1436 — von Gottes Wort 1440 — göttliche 1523 — Kern der 1534 Okkupation — nazistische 528 Okkupationszeit 528 Opfer — zur Wiedergutmachung der Schuld 74 — der Sühne 75 — der Wiedergutmachung 78 — Deutung des Todes Christi als 188 — des Neuen Bundes 188 — des Paschalammes 188 — Christi 526 Orden — kontemplative 1207 Ordencharismen 1460 Ordensapostolat 957 Ordensberufung 1062 Ordensfamilie — der Karmeliten 535 Ordensfrauen — kontemplative 292 Ordensgelübde 1143 Ordensleben 653, 1457 — besonderer Charakter des 1208 Ordensleute 560, 652, 657 Ordensmänner 344f Ordnung — gerechte soziale 285 — Fülle moralischer 510 — moralische 550, 1516, 1536 Orientierungslosigkeit — auf sittlichem Gebiet 1618 Orthodoxie — Gewissenhaftigkeit der 1053 Ortsgemeinde 364 Ortskirche(n) 364, 367, 558, 634 Osterabend 417 Osterfest 372 Osterglaube 590 Ostermysterium 685, 856 Osternacht 872 Päpstliche Theologische Akademie 546 Pallien — Segnung und Auflegung der 1032 Palmsonntag 855 Papst 634 — Haupt des Bischofskollegiums 634 — Wahl eines 765 Parlament — Europäisches 1179 Parlamentarier — christliche 1180 Pascha 372 — Übergang vom Tod zum Leben 77f Paschageheimnis 697, 900, 907 Paschamahl 868 Paschamysterium 1353, 1363, 1398, 1441, 1530, 1546, — die Verherrlichung des Lebens 77 — Quelle des Lebens 77 — sakramentale Erneuerung des 1443 1721 Paschaopfer 862 Passion — Christi 1276, 183 /83 Passionsspiel 819 Pastoral 329, 493, 630, 773, 1051 Pastoralarbeit 412, 883, 1410 Pastoralassistenten 621 Pastoralbesuch 270, 430 Pastoralgemeinschaften 460 Pastoralinstrument — der neue bischöfliche Leitungsstil wird gewissermaßen zur Verpflichtung, zum vorzüglichen 631 Pastoralkonstitution 604, 617 Pastoraltheologie 1237 Patriotismus 940 Patristik 1076 Patron 461 Permissivismus 891, 1234, 1425, 1561 — ethischer 1196 Permissivität — sexuelle 1463 Persönlichkeitsbildung 1628 Person — Würde der 1307 — Rechte der 1598 Petrusamt 1031 Pfadfinderbewegung 469 Pfarrgemeinden 1565 — Ort der Versöhnung 1565 Pfarrgemeinderäte 622 Pfingsten 419 Pfingstfest 415 — Geist des 556 Philosophie(n) 350, 554 — des Konsumismus 296 — des Egoismus 296 — vom Nichts 296 — Wissenschaft vom Sein und vom Wahren 1257 Physiognomie 379 Pilger 271, 552 Pilgerschaft — des Volkes Gottes 858 Pluralismus 809, 965 — der Ideen und Meinungen 403 — legitimer P. im Kult 1500 — theologischer 1503 Polen — Vormauer des Christentums 516 Politik 587 — Werkzeug der P. oder radikaler Ideologien 363 — des preussischen Kulturkampfes 504 — Existenzberechtigung jeglicher P. der Dienst am Menschen 615 — der Gerechtigkeit und des Friedens 722 Politiker — der Beruf des 613 Pornographie 488 Predigerorden 1072 Predigt 631, 1205 — ungeschmälerte P. des kath. Glaubens 329 — über Christus 1076 Presse 624 — katholische 789 — christlich ausgerichtete 910 Priester 464, 560, 621, 623, 646, 652, 656, 657 — Glaubenserzieher des Volkes 328 — Vermittler der Lehre der Kirche 328 — Diener der kirchlichen Communio 330 — Mann des Dialogs 330 — nicht nur Prediger der Gerechtigkeit 331 — Verkünder des göttlichen Erbarmens 331 1722 — Zeuge der umfassenden Erlösung 331 — Mangel an P. und Diakonen 363, 385 — Gemeinschaft unter den 655 — des Neuen Bundes 859 — des Neuen und Ewigen Bundes 868 — Einheit der 1345 — Amtsfunktion des 1409 — ein Mann des Gebetes 1427 — Diener der Eucharistie 1453 — das unverzichtbare Amt des 1497 — Ausbildung der 1567 — Dienst der 1584 Priesteramt 365, 630, 1017, 1592 — hierarchisches 858 — Geburtstag des 859 — Anwärter auf das 1498 — hierarchisch gegliedertes 1584 Priesteramtskandidaten 377, 654, 1336 Priesterberuf — Unersetzlichkeit des 1318 Priesterberufung(en) 330, 1408 Priesterideal 1429 Priestermangel 330, 655, 1566 Priesterräte 1453 Priestersakrament 862 Priestertum 327, 546, 651, 653, 1398, 1585 — Ausbildung zum 380 — sakramentales 1407 — allgemeines 1502 — allgemeines P. der Gläubigen 1585 — Teilhabe am P. Christi 1585 Priesterweihe 332, 693 — sakramentale 1408 — Zulassung von Frauen zur 1448 Primat 928 — Gottes 1074 Prinzipien — der sittlichen Ordnung 165 — der Vernunft, des Naturrechts, des ewigen Gesetzes 324 — grundlegende 465 — ideologische 492 — ethische 1181, Priorität(en) — ethische 1138 — des Priesteramts 1454 Privatbuße 1557 Privateigentum 319, 425 Produktion 421 — und ihre Planung 424 — Mittel für die 640 Produktionsmittel 310, 422, 425 — Miteigentum an den 425 — Besitzer der 510 — der arbeitende Mensch nicht nur ein 511 Produktionsprozeß 424, 426 Profanierung 632 Profit — Überbewertung des 424 Promotion 528 Promulgation — des neuen kirchlichen Gesetzbuches 805 Propaganda — Techniken der 324 Prophetenamt 1585 Publizisten 629 Räte — evangelische 289, 934 Raketenstationierung 242 Rassendiskriminierung 874, 1046 Rassenhaß 617 Rassentheorie 1048 Rassismus 1046 Rauschgift 1650/1 Rauschgiftkontrolle 635 1723 Rauschgiftsucht 488 Rauschgiftsüchtige 1651 Realismus — politischer 1259 Recht(e) — auf Frieden und Gerechtigkeit 280 — der moralischen Ordnung 475 — auf gerechten Lohn 510 — auf Erholung 510 — vom Schöpfer verliehen 511 — ziviles 806 — des Menschen auf Leben 1154 — des Menschen 9, 454, 489 — der Armen 376 — der Minderheiten 1047 Rechtfertigung 750 — vor Gott 1142 Rechtlichkeit 532 Rechtschaffenheit 310 Rechtsordnung — internationale 672 Rechtsprechung — der Kirche 808 Reform — des gültigen kirchlichen Gesetzbuches 747 — der Gesetze der Kirche 805 Reformationszeit 596, 1164 Reformen 319 — geeignete 53 — ohne Gewalttätigkeit 342 Regime — totalitäre 408 Reich Gottes — Entfaltung des 89 — Umwandlung der Geschichte des Kosmos in das 564 — Verwandlung der Weltgeschichte in das 564 Relativismus 1425 Religiosität 317 1724 Religionsfreiheit 211, 379, 476, 559, 595, 611, 802, 847, 1047, 1377, 1380, 1611, 1662, 1664 — Verletzungen der 725 — Anerkennung der 1254 Religionslehrer 963 Religionsunterricht 620, 1331, 1371, 1395 Religiosität 321, 379, 405, 488, 639, 1419, 1423 — Luthers 1165 Reliquien 500, 514, 545 Rentabilität — der Landwirtschaft 501 Republik 452, 528 Reservate 342 Resignation 576 Reue 601, 1543, 1556 — und Umkehr 814 — innere 1544 — vollkommene 1549 Revolution 329, 1516 Rezession — wirtschaftliche 425 Riten — traditionelle R. und Zeremonien 343 — Vielfalt der 1123 Ritus — byzantinischer 786 Rosenkranz(-gebet) 197, 214, 220, 225, 359, 376, 556, 562, 740, 1035, 1045, 1071, 1105, 1484 — Gedenken an die Erlösung 202 — Sühnezeichen 588 Rosenkranzmadonna — Verehrung der 1107 Rüstung 1196 Rüstungsbegrenzung 902, 1670 / Rüstungsgüter 1282 Rüstungskontrolle 1670 Rüstungsmaterial 1611 Rüstungswettlauf 403, 671, 966, 1149, 1669, 1674 Rundfunk 624 Säkularinstitute — Merkmale der 292 Säkularisierung 379, 1053, 1295, 1299, 1311, 1346 Säkularisierungsprozeß 1389 Säkularismus 631, 1359, 1425 Sakralgebäude 542 Sakrament(e) 330 — der Versöhnung 80, 125, 601, 895, 1132 — der Vergebung und Versöhnung 123 — der Firmung 284, 527 — der Ehe 286 — Empfang der 364f, 488 — der Taufe 369, 527, 872, 1540 — der Eucharistie 400, 601 — der Versöhnung und der Eucharistie 402, 1269 — seines Todes und seiner Auferstehung 418 — der Buße 570, 623, 739f., 1146, 1543 — Materie des 895 — des Leibes und Blutes des Herrn 997 — der Krankensalbung 1006 — der Buße oder Versöhnung 1020 — der Bischofs weihe 1166 — der Barmherzigkeit 1536 — dogmatische Elemente des 1555 — Gnade des 1556 — magisches Verständnis des 1557 — der Priesterweihe 1663 Sakramentenempfang 1380 — Notwendigkeit des häufigen 834 Sakramentenpastoral 739 Samariter — barmherziger 720, 853, 993 Schamgefühl — natürliches 1640 Schamhaftigkeit 1645 Scheidungsraten 1463 Schintoismus 825 Schmerz — die Last des 1004 Schmerzensmann 220 Schöpfer — Gegenwart der Sch. des Universums 391 Schöpfung 590 — neue 73, 1532, 1559 — Unermeßlichkeit der 415 — Tempel der 416 — gerechte Beteiligung an den Gütern der 426 — Erneuerung der ganzen 582 — die Welt ist Gottes 590 — Wert der 1074 Schöpfungsakt — Gottes 1083 Schöpfungsordnung 165 Schöpfungsplan 490 Schule — katholische 1479 Schwangerschaftsabbruch 1330 — Legalisierung des 1414 Schwangerschaftsunterbrechung 1428 Schweizergarde 932 Seele(n) 536 — Disposition der 124 — Unsterblichkeit der 223 — Erschaffung einer S. voll der Gnade 248 — Einfügung der S. in das Leben Gottes 710 — der Völker 731 — das Wohl der Seele und des Leibes 1236 — Recht der menschlichen 1554 — Wohl der 1555 Seelenfrieden 1538 1725 Seelenführung 1205 Seelsorge 491, 493, 546, 621, 631, 646, 988, 1000, 1381, 1390 — im Gastarbeiterbereich 640 — Prioritäten der 1391 Seelsorgearbeit 1349 Seelsorgedienst 630 Seelsorgehelferinnen 621 Seelsorgezentren 1393 Segen 393 — Quelle des Lebens 257 — des Herrn 394/5 Sehnsucht — nach dem Göttlichen 215 Sein — der menschlichen Person 173 — Verwirklichung des 173 — Seinssituation des Gläubigen 174 — unser ideales 174 — Verlangen nach unendlichem 227 — der Wert des 231 Seinsanalogie 1074 Sekten 1342, 1505 Selbstbefriedigung 1648 Selbstbestimmung 93 Selbstentfremdung 217 Selbsterotik 1649 Selbstmord — kollektiver 1680 Selbstverleugnung 1546 Selbstverteidigung — Gesetz der 1676 Selbstverwirklichung 591 — Sehnsucht nach 205 — des Menschen 1623 Selbstwertgefühl 641 Seligkeiten — Fülle der 357 Seligpreisung(en) 310, 345, 558, 571, 787, 815, 854, 888, 1167, 1418, 1489, 1497, 1560f, 1571 — Unbedingtheit der 1207 — des Evangeliums 1336, 1434 Seligsprechung 459, 497, 503, 534, 541 Seminarausbildung 1387 Sendung — prophetische S. der Kirche 26 — kirchliche S. der Ordensleute 884 Sexualerziehung 1466 Sexualität 1083 — Entweihung der 1466 Sieg — moralischer S. über den Tod 457 Sinn — des Leidens 85, 561 — des Schmerzes 85 — von Geburt und Hinfälligkeit 210 — des Lebens 211, 394, 409 — religiöser S. des Menschen 211 — des Suchens nach dem Heil 238 Sittengesetz 818, 902 Sittenlehre 1474, 1672 — Grundsätze der Glaubens- und 1616 Sittenordnung 1298 Sittlichkeit — Grundlagen der 1377 — und Geschlechtlichkeit 1628 — Schutz der öffentlichen 1637 — öffentliche 1638 Sohnschaft — Würde der S. Gottes 543 Soldaten 219 Solidarität 310, 361, 375, 395, 496, 571, 583, 641, 643, 669, 689, 1308 — Sinn für 228 1726 — pflichtschuldige 365 — internationale 375 — grundlegende zwischenmenschliche 469 — der Werktätigen 492 — christliche 544, 585, 639, 644 — Bekenntnis zur europäischen 586 — christliche S. unter den Völkern 586 — aller Völker und Nationen 637 — christliche S. drängt zum Handeln 643 — der Völker 801 Solidaritätsbewußtsein 681 Solidarnosc 961 Sonntagsliturgie — Bedeutung der 1440 Souveränität 455 — des Staates 474 — nationale 531 — und Sicherheit des Staates 670 Sozialarbeit 1419, 1579 — der Kirche 622 Sozialenzyklika 502 Sozialethik — christliche 1394 Sozialfürsorge 1337 Sozialgefüge 395 Sozialgesetze 640 Sozialinstitute 642 Sozialisation 1421 Sozialismus 407 Sozialleben 395 Soziallehre 318, 342, 375, 424, 426, 973 — der Kirche 274, 281, 303, 320, 326, 338, 348, 425, 460, 492, 643, 839 — christliche 641 — Wirtschafts- und Arbeitsordnung im Lichte katholischer 642 — katholische 1314 Sozialpartnerschaft 641 Sozialpastoral 992, 994 Sozialpolitik — des Staates 426 Sozialreform 407 Spaltung 1000 — Tragödie und Skandal der 366 — kein notwendiges Übel 368 — der Christenheit 1320 — der Menschheit 1512 Speise — eucharistische 893 Spiritualität 329, 393, 577, 685, 712, 739, 840, 9074, 1161, 1200, 1314, 1317, 1351, 1374, 1455, 1563 — des Alten Testaments 140 — franziskanische 681 — der Ordensfrauen 955 — Prinzipien der franziskanischen 973 — der Laien 1296 Sport 1651 Staatsunternehmen 319 Sterilisation 316, 1601 Strafgefangene — Achtung vor der Würde des 1286 Strafvollzug — Verbesserung des 1286 Strafvollzugsanstalt 1284 Studentenseelsorge 1480 Studengebet 328, 1456 — Reichtum des St. und der Eucharistie 654 Subsidiarität 1181, 1620 Subsidiaritätsprinzip 1253 Subventionen 584 Subversion 339, 342, 1333 Sühneleiden 1127 Sühneopfer 78, 1129, 1442 1727 Sünde(n) 476, 553, 564, 738, 996, 1512 — des auserwählten Volkes 14 — das sittlich Böse 32 — Last der 73 — Adams 77 — Folgen der 79, 1545 — Knechtschaft der 79, 87, 1256, 1287, 1530, 1543 — Schwere der 80 — Vergebung der 125, 401, 649, 892, 1538 — Schuld der Ursünde 133 — Definition der 194 — Gefangenschaft der 194 — Vernichtung der 194 — Sühnopfer für unsere 401 — Ketten der Knechtschaft der 402 — Sieg über die 451 — Sinn für die 554, 698, 1237 — hat eine persönliche und eine soziale Dimension 600 — Physiker haben die S. kennengelernt 626 — Freisein von der 695 — Abwendung von der 698 — Abwehr des wahren Übels, der 783 — des Götzendienstes 823 — Sklave der 873 — Anklage der 891 — Überwindung der 1149, 1245 — Wahrheit über die 1265 — Lossprechung der 1400 — Bewußtsein für die 1437 — Wirklichkeit der 1437 — Wurzel der 1517, 1553 — Ursprung der 1518 — MenschUrheberder 1518 — Fesseln der 1519 — als Entfremdung des Menschen 1519 — soziale 1523 — Fähigkeit zur 1523 — schwere 1527 — läßliche 1527 — Bewußtsein von der 1535 — personaler Aspekt der 1536 — Wissen um die 1540 — Bekenntnis der 1551 — Verschiedenheit der 1555 Sündenbewußtsein 132, 1400, 1446, 1518 — Rückgewinnung des 740 Sündenfall — Adams und Evas 90 Sündenkatalog 1555 Sündenvergebung 1455 — Annehmen der 1541 Sündenverständnis 1555 — Gottes barmherziges 1447 Sünder 553 Sündhaftigkeit 1446 Sukzession — apostolische 619, 999, 1221 Synkretismus 379 Synode — der Krakauer Kirchenprovinz 545 Tabernakel 373, 392, 623 Taufberufung 1636 Taufe 570, 594, 694, 708, 1296, 1327, 1537 — eine T. zur Umkehr 11 — Quelle geistlicher Kraft 88 — Sakrament der Wiedergeburt 284 — das einigende Band der 596 — Vorbereitung auf Taufe und Firmung 620 — und Firmung 621 — ist eine übernatürliche Gabe 710 — Entfaltung der 1179 — als Zeichen der Buße 1262, 1265 — nicht nur ein Zeichen des Glaubens 1364 — Ursache des Glaubens 1364 — Heiligung durch die 1365 — erstes Sakrament und Fundament der Versöhnung 1542 Tauf gnade 1636 — Gottes 1364 Taufsakrament — Bedeutung des 1363 — Fundament jeder Gemeinschaft in der Kirche 1365 Tauf Spiritualität 781 Tauf Verpflichtungen) 1340, 1634 1728 Technik — seelsorgliche 632 Technologie(n) 423 — Erforschung und Entwicklung der Beziehungen des Menschen zur 636 Teilhabe — am Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit 710 Teilkirche(n) 367, 378 Terror 324 Terrorismus 325, 557, 658, 718, 724 — Utopie des 403 Teufel — Vater der Spaltung 368 Theologe 524, 445 — Pflicht der 1237 Theologie 350, 626, 713, 1051, 1075 — des Leibes 26 — der Propheten 255 — biblische 329 — Erkenntnisse der 329 — vom Tode Gottes 632 — Bedeutung der Th. für Glaube und Kirche 1320 — Stellung der Th. und Theologen 1320 — Entwicklung der 1498 — afrikanische 1499 Theophanie 141 Tod — Realität unseres 224 — Teufelskreis des 382 Todeslager 457 Todesurteil(e) 461, 811 Todsünde 125, 1527, 1537 Tötung 375 Toleranz 592, 640 Tradition(en) 341, 444, 447/8, 501, 568, 580, 768 — der Kirche 363 — katholische 372 — theologische 445 — der apostolischen Kirche 757 Transzendenz 685 — Suche nach 827 — der menschlichen Person 1425 Triebe — Beherrschung der 1648 Tugend(en) 191, 405, 681, 760, 1527, 1559, 1627 — sittliche 408 — des Dialogs 439 — theologische 359 — asketische 1038 Übermenschen 1158 Umkehr — d.h. Buße als Bekehrung 1147 Umwelt 589 Umweltschädigung 731 Unabhängigkeit — Verlust der 452 — Wiedererlangung der politischen 452 — Wiedererlangung der 475 Unauflöslichkeit — der ehelichen Liebe 316 Unfruchtbarkeit 1308 Ungerechtigkeit(en) 465, 492, 589 — Abschaffung der 285 — soziale 1333 — sozio-ökonomische 1134 — wirtschaftlich-soziale 1137 Universalismus — christlicher 1046, 1048 Universalkirche 762, 1291, 1455 Universität 350, 414 — muß zum lebendigen Zeugnis für die Wahrheit und Gerechtigkeit werden 354 Universitätskultur 447/8 1729 Unrecht — Situationen des 490 Unsterblichkeit 223, 1155 Unterdrückung — der armen Völker 1514 Unterernährung 1136 Unternehmen — Gemeinschaft von Personen 423 — ethische Bedeutung des 423 Untemehmensgestaltung 423 Unternehmer 421, 422, 510 Unterschiede — dogmatische 443 Unverletzlichkeit — der menschlichen Person 412 Urkirche 619, 950, 1143 — Gemeinschaft der 275 — Abbild des Volkes Gottes 619 — nach dem Beispiel der 655 Ursakrament 1623 Ursprung — göttlicher U. des Menschen 1238 Ursünde 26, 1105, 1263, 1436, 1625 — der Bruch des ersten Bundes mit dem Schöpfer 1263 Urteil — gesundes moralisches 1328 Vaterland 430, 437, 440, 442, 447, 450, 455, 463 , 475f, 479, 487, 492, 498, 503 , 512, 514, 522, 527f, 532, 534, 545, 548f, 607, 618, 634 — unsere irdische Mutter 430 Vaterlandsliebe 536, 670 Vaterschaft 22 Vaterunser 702, 782 Verantwortung — als Getaufte 307 — für Europa 586 — ökumenische 595 — ethische 627 Verantwortungsbewußtsein 310, 592 Verbände — genossenschaftliche 502 — katholische Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände 642 Verbannte 560 Verbannungen 461 Verehrung — öffentliche 373 Vereinigung — von Gottheit und Menschheit 263 Vereinsrecht — von Menschen 511 Vereinte Nationen 615 Verfassung 475 Verfolgung(en) 559, 561 — der Gläubigen 558 — der Jünger 558 — der Preis des Zeugnisses 558 Vergebung 494, 497, 555, 584 — Gott um V. bitten 48 — und Versöhnung 525 — der Sünden 525 — tröstende V. Christi 572 — ungeschuldetes Geschenk Gottes 1542 Verkündigung 478 Verpflichtung — sittliche 397 Versöhnung 73, 102, 325f, 496, 517, 522, 544, 552, 554, 1541 — der Menschheit 73 — mit Gott 78, 496, 1129/30, 1436 — der Menschen untereinander 102 — Bedürfnis nach 104 — Pflicht zur 104 — der Seelen 310 1730 — mit den Menschen 496/7, 525 — mit Gott selbst in Jesus Christus 525, 537 — durch das Wirken des Heiligen Geistes 525 — unter den Christen der verschiedenen Traditionen 595 — Geschenk der 845 — und Frieden 1128, 1570 — mit Gott und den Menschen 1137 — der Völker 1196 — Suche nach 1513 — Notwendigkeit der 1519 — eschatologische 1541 — anthropologische Struktur der 1543 — in Gesellschaft und Welt 1559 — Bewußtsein von der 1561 — Weg und Mittel der 1563 — mit Nichtchristen und Nichtgläubigen 1569 — Geist der 1569 Verstädterung 502 Versuchung — zur Überheblichkeit und zum Stolz 218 Verteidigung — der Rechte des Menschen 351 — der polnischen Nation 471, 479 — der Ungeborenen 488 Verteilung — der Güter 1138 Vertikalismus 1238 Vertrauen 99, 518, 520, 550 — Mangel gegenseitigen 220 — zwischen Gesellschaft und Staatsmacht 455 — in die Güte des Vaters 633 Vertreibung 557 — aus der Heimat 559 Verwalter — des eigenen Todes 457 Völker Europas 437/8 Völkerfrieden 874 Völkergemeinschaft — Erfordernisse der internationalen 614 Völkerverständigung 585 Vokationisten 1040 Volk Gottes — eine priesterliche und königliche Gemeinschaft 1502 Volkserziehung 1393 Volksfrömmigkeit 54, 329, 347, 694, 1334, 1351, 1377, 1547 — Inspiration christologisch-mariologischer 546 — Reinigung der 1331 Volkskirche 304 Volkskultur 414 Vollendung — Erwartung der V.: die Fülle des Advent 565 Vorbereitung — katechetische 1558 Vorsatz — aufrichtiger Vorsatz zur Wiedergutmachung 1538 Vorsehung — Gottes 149 — Mensch ist Gegenstand der göttlichen 149 Waffen — Sprache der W. ist nicht die Sprache Jesu Christi 585 — Vervollkommnung chemischer, bakteriologischer u. nuklearer 627 — chemische und biologische 721 — konventionelle 1667 Waffenabbau 716 — progressiver 679 Waffenarsenale — tödliche Gefahr gigantischer 589 Waffengewalt — Auslöschung der menschlichen Gesellschaft durch 1660 Waffenstillstand 1144 — taktischer 324 1731 Wahlen — freie und demokratische 613 Wahrhaftigkeit 592 Wahrheit(en) 409, 414, 453 , 490, 519f, 528, 539, 544, 546, 570 — und Unwahrheit 15 — des Mann- und Frauseins 21 — und Freiheit 137f — Liebe zur 138 — Fundament der Liebe 160 — Gleichgültigkeit gegenüber der 167 — Transzendenz der 168 — Liebe zur W. als Ausgangspunkt für die Gewissensbildung 169 — Sehnsucht des Menschen nach der 211 — auf der Suche nach der 350 — Botschaft von der 401 — Suche nach der 410, 412, 1190 — Entdeckung der 410 — Erkenntnis neuer Aspekte der 410 — Leben in 451 — des Evangeliums 456 — von der Macht der Liebe 456 — grundlegende W. über die Freiheit der Nation 475 — die W. und das Gute stärken 478 — des Evangeliums über das Königtum Christi 481 — über das Königtum Mariens 481 — ohne W. kein Dialog 485 — grundlegende Bedingung für die gesellschaftliche Erneuerung 490 — Fundament des Vertrauens 519 — eine Kraft der Liebe 519 — über den Guten Hirten 532 — Sendung für W., Gerechtigkeit und Frieden 574 — Hunger nach W. und Liebe 600 — Diener und Lehrer der 620 — Wert der 660 — evangelische 806 — wissenschaftliche 1191 — Annahme der christlichen 1259 — Charisma der 1501 — der menschlichen Person 1527 Wahrheitserkenntnis 410 Waisen 1176 Wallfahrt 1255 Weihe 328, 345 — heilige W. und Sendung 655 — und Altarssakrament 1590 Weihesakrament 655, 1584, 1588, 1592 Weisheit 532 — menschliche 413 — die aus dem Mund des Höchsten hervorging 624 — das Erbe juridischer 766 Weizenkorn — des Evangeliums fällt in die Erde dieser Arbeit 543 Welt — Dritte 875 Weltbevölkerung 1185 Weltbibelgesellschaft 905 Welterlöser — rettende Kraft des 473 Welternährungssituation 1184 Weltemährungstag 1134 Weltfrieden 734, 1066 — Sicherung des 611 Weltfriedenstag 678, 715, 1049 Weltgebetstag 914 Weltgemeinschaft 627, 1226 Weltkirche 445, 557, 1311 Weltkrieg 406, 434, 437f, 447, 452, 453, 476, 484, 516, 521, 528, 618, 1519 — zweiter 666, 1111, 1172 Weltmissionssonntag 214, 1010, 1139 Weltordnung 847 — christliche 446 Weltrat der Kirchen 445 1732 Weltraumfahrt 627 Weltwirtschaftsordnung 611 Weltwirtschaftssystem 1134 Werke — soziale W., Zeichen der Glaubwürdigkeit 214 Werte — Verwirklichung der christlichen 413 — Entwicklung der menschlichen 413 — des Christentums 689 Wertehierarchie 425 Wertfreiheit 626 Wertneutralität 626 Wertordnung — christliche 448 Werturteile 469 Wesen — der Kirche 147 Wettrüsten — Bannung des gefährlichen 438 Wiederaufbau 464 Wiedergeburt 836 — aus dem Geist 250 Wirtschaft 421 Wirtschaftsbeziehungen 393 Wirtschaftsfaktoren — Abhängigkeit von komplexen 427 Wirtschaftskrise 395 Wirtschaftsordnung — internationale 426, 1184 — brüderliche internationale 1138 Wissenschaft 447, 524 — vollendet sich als W. von Menschen und für den Menschen 626 — Anwendung wissenschaftlichen Fortschritts 626 — Macht und Verantwortung der 945 — von Gott 1053 — vom Menschen 1053 — Errungenschaften der 1190 — Zielsetzung aller 1191 — Fortschritt der göttlichen und menschlichen 351 Wissenschaftspolitik 946 Wohl — das wahre W. des Menschen 411 Wohlfahrt — der Gesellschaft 637 Würde — des Menschen 76, 281, 486 — als Menschen 317 — als Menschen und als Kinder Gottes 318, 342 — der menschlichen Person 411 — wahre W. des Menschen 424 — jedes Menschen 436 Wunder 401 — und große Zeichen 480 — der Gemeinschaft Gottes mit der Menschheit 569 Zehn Gebote 135 Zeichen — des Bundes mit Gott in Christus 8 — des Liebesbundes zwischen Christus und der Kirche 8 — des Bundes und der Gnade 19 — des neuen und ewigen Bundes 419 Zeuge — von Christi Sieg über den Tod 458 — der Auferstehung 458 — wahrer Zeuge Christi 486 Zeugnis — Beispiel und Z. von Ordensleuten 248 — seines Lebens und Martyriums 462 — Verpflichtung zum Zeugnis für das Evangelium 690 — evangelisches Z. der Ordensleute 1209 Zeugungsaufgabe 1465 1733 Zölibat 1327, 1455, 1592 — Wert des 1456 Zölibatspflicht 1018 Zukunft — wirtschaftliche und soziale 642 Zukunftsperspektiven — Mangel an 470 Zwangsarbeit 559 Zynismus 589 1734 Personenregister Abel Sohn Adams und Evas 675 Abraham Nebenform Abram, nach israelitischer Überlieferung der erste der drei Erz- oder Stammväter der Israeliten und verwandter Völker 247, 253, 586, 709, 1536 Achaz König von Juda 258 Adalbert (Wojciech), hl. (um 956-997) Patron Polens 88, 465, 497, 500 Adam hebr. Mensch, biblischer Stammvater der Menschheit 189, 249, 284, 451, 1525 Adenauer, Konrad (1876—1967) erster deutscher Bundeskanzler nach dem zweiten Weltkrieg 975 Agnes von Böhmen, hl. (1205—1282) 969 Ahas König 849 Aichern, Maximilian Bischof von Linz 125 Albertus Magnus, hl. (um 1193—1280) Dominikaner, schol. Theologe, Philosoph und Naturforscher 497, 770 Alfrink, Bernard Jan, Kardinal Erzbischof von Utrecht 219 Altieri, Rinaldo Bürgermeister 828 Amadio, Msgr. Francesco Bischof von Rieti (Italien) 688 Amadou-Mahtar Generalsekretär der UNESCO 1081 Amalek Stammvater der Amalekiter, Enkel Esaus; suchten den einwandernden Israeliten den Weg zu versperren; gelten als Erbfeinde Israels und Jahwes 1132 Ambrosius von Mailand, hl. (um 339—397) 374 Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 374—397, 399, 415, 939, 1269 Arnos um 760 v.Chr. Prophet, vor allem in Betel 1093 Andreas, hl., Apostel 245, 916, 1033, 1220 Anna, hl. hebr. Begnadete; Prophetin, die bei der Darstellung Jesu im Tempel zugegen war 522, 524, 525, 526, 756 Ansgar, hl. (801—865) 1. Erzb. von Hamburg(—Bremen), Apostel des Nordens 30 Antonelli, Ferdinando Guiseppe Kardinal 680 Aquila und Priscilla Paulus nennt sie seine Mitarbeiter 1143 Arrieta, Msgr. Roman Bischof der Erzdiözese San Jose 273 Arrupe, Pedro, ehern. General der Gesellschaft Jesu 1062 Augustinus, hl. (354—430) 395. Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 68, 138f, 206, 411, 413, 710, 939, 1052f„ 1085, 1095f„ 1142, 1268, 1677 Bailly, Pater Gründer von La Croix, kath. Tageszeitung 909 Ballestrero, Anastasio, Alberto Kardinal von Turin 533 1735 Bam’ba Gongea, Msgr. Bischof von Bondo 1493 Baouardy, Mariam Ordensfrau, sei. 1197, 1201ff. Baraniak, Antoni Metropolit in Posen 500 Barragan, Javier Lozano, Bischof 1151 Baum, William, Kardinal 1653 Baziak, Eugeniusz, Erzbischof, verst. 523 Beelaeters, Johan Anthony Niederländischer Botschafter beim hl. Stuhl 734 Beethoven, Ludwig von (1770—1827) dt. Komponist 628, 1071 Bellarmin, Robert, hl. (1542—1621) Kirchenlehrer, Kardinal 944 Benedikt, hl. (um 4580—547) gründete um 529 Monte Cassino, das Ursprungskloster des Benediktinerordens 744, 745, 820, 939, 1142 Benedikt XV., Papst (1914—1922) 405, 503, 772 Bernadette (Soubirous) B. erschien die Muttergottes 1858 in Lour-des 162, 552ff, 562, 566f,568, 570, 572, 574, 577 Bernanos, Georges (1888—1948) franz. Schriftsteller 553 Bernardin, Joseph L. Erzbischof von Chicago 10, 765 Bernhard von Clairvaux, Heiliger (um 1090—1153) brachte den Zisterzienser—Orden zur Blüte; predigte den 2. Kreuzzug 1191f. Betancur, Dr. Jaime Bruder des kolumbianischen Präsidenten 247 Bidagor, Raimondo Pater der Gesellschaft Jesu 28, 749, 774 Birgitta, hl. (um 453—523) gründete in Irland mehrere Klöster 30, 847 Blondei, Maurice 227 Bonaventura, hl. (vor 1221—1274) Ordensgeneral der Franziskaner 1503 Bonifaz VIII., Papst (1294—1303) 62 Brandsma, Titus Karmeliterpater 1410 Bravo, Msgr. Miguel Obando Erzbischof in Managua 299 Bresillac, Marion de, Pater Gründer der Gesellschaft für die Afrikamission 929 Bronisiaw, sei. 523 Brudzewo, Wojciech von 529 Byrne, Damian Aloysius, Pater General der Dominikaner 1072 Cafasso, Joseph, hl. 1567 Caravario, Callisto, sei. Salesianermärtyrer 967, 971 Cardijn, Joseph (1882—1967) Kardinal, Begründer der CAJ 644 Casariego, Mario Kardinal in Guatemala 1329 Casaroli, Agostino Kardinalstaatssekretär 487, 524, 533, 1025, 1659, 1665 Casoria, Guiseppe Titularerzbischof von Vescovio, Kardinaldiakon 10, 765 Castelnuovo, Leopoldus, hl. 1567 Celano, Tommaso de 682 Chagas, Carlos Professor, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften 1189 Champagnat, Marcelino, sei. 327 1736 Chmielowski, Albert Adam, Bruder, sei. 126, 134, 532, 534ff, 538 Christiansen, Torbjörn Kristoffer erster Botschafter Norwegens beim Hl. Stuhl 800 Christine (1626—1689) Königin von Schweden 847 Chrysostomus, Johannes, hl. (um 350—407) Patriarch von Konstantinopel, Kirchenlehrer 1276 Cicero, Marcus Tullius (106—43 v.Chr.) röm. Redner, Schriftsteller und Staatsmann 807 Cicognani, Amleto Giovanni Kardinal, verst. 43 Ciriaci, Pietro Kardinal, verst. 749 Ciriaci, Pietro, Kardinal 774 Clemens von Rom, hl. 1031 Comte, Auguste (1798—1857) frz. Philosoph 1191 Confalonieri, Carlo Kardinal, Dekan des Heiligen Kollegiums 405, 406 Cooke, Terence Kardinal von New York 1451 Corea, Gamani Generalsekretär der UNCTAD 1006 Cossiga Parlamentspräsident der EG 1225 Couesnongle, Vincent, Pater 1072 Cusmano, Giacomo, sei. 1159 Cyprian, hl. (um 200/210—258) Bischof von Karthago, 248/249—258 197 Cyrill, hl. Kirchenlehrer 939 Czaplinski, Bernard Bischof von Kulm, verst. 486 Czartoryski, August 536 Czeslaw, sei. 523 D’Acquisto, Salvo Vizebrigadier der Carabinieri im zweiten Weltkrieg 886 Dabrowski, Bronislaw, Titularerzbischof Sekretär der polnischen Bischofskonferenz 487 Damas, Msgr. Arturo Rivera Erzbischof von San Salvador 333 Danneels, Godfried Erzbischof von Mecheln—Brüssel 10, 28, 765 Dante (1265—1321) italienischer Dichter 770 Darida, Minister 680 Daufresne de la Chevalerie, Xavier französischer Botschafter beim Hl. Stuhl 841 David König über Israel (1000—960) 127, 244, 255, 258, 849, 1281, 1534 De Lubac, Henri, Kardinal 10 Mitglied der Gesellschaft Jesu, Kardinaldiakon 766 Deskur, Andrzej Maria Erzbischof, Präsident der Päpstlichen Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation 487 Deuterojesaja Prophet gegen Ende des Exils in Babylon 12 Diabolos (Verleumder) Satan 1101 Dimitrios I., Erzbischof Patriarch in Konstantinopel 246, 1220 Dimitros Patriarch, Metropolit von Chalkedon 1035 1737 Domin, Czeslaw Bischof, Vorsitzender der Caritativen Kommission der Polnischen Bischofskonferenz 491 Dominikus, Bruder, hl. 1072, 1073, 1074, 1078, 1079 Don Caravario Priester, Missionar in China, Märtyrer 100 Donders, Pater, sei. 1410 Donze, Henri Clement, Msgr. Bischof von Tarbes und Lourdes 552 da Vinci, Leonardo 399 de Bethancourt, Pedro 1331 de Foucauld, Charles (1858—1916) 623 de Marroquin, Francisco, Bischof do Nasciemento, Alexandre Erzbischof von Lubango 10 Einstein, Albert (1879—1955) Physiker 628 Elias hebr. mein Gott ist Jahwe, größter Prophet im Nordreich des 9. Jh. v. Chr. 182, 709 Elisabeth hebr. mein Gott ist Fülle, Frau des Priesters Zacharias, aus Aarons Geschlecht, eine Verwandte Marias; sie wurde in hohem Alter Mutter Johannes’ des Täufers 214, 563, 570, 653f, 994, 1262 Emmanual, hebr. Gott mit uns 258 Emmanuel, d’Alzon, Pater 909 Emmerich, hl. (um 1000/1007—1031) 1115 Esra Priester im AT 1319 Eva Name, den Adam seiner Frau gibt, kann als Mutter der Lebendigen gedeutet werden 249, 284, 566, 1525 Ezechiel, Prophet hebr. Gott ist oder macht stark, wirkte zwischen 594 und 571 v.Chr. unter den Exulanten in Babylon 12, 14, 1550 Fagiolo, Vincenzo, hl. Erzbischof und Mönch 828 Falcucci, Franca ital. Unterrichtsminister 820 Fataki, Msgr. Bischof von Kisangani (Zaire) 1493 Felici, Pericle, Kardinal, verst. 28, 749, 774 Ferrini, Contardo, sei. 413 Fra Angelico 60, 1076 Fra Angelo de Majana di Cologna Fürst und Großmeister des Malteserordens 855 Fracchia, Emilio ehern. Vorsitzender der Caritas Internatio-nalis 991 Franz Josef II. von Liechtenstein Fürst 1126 Franz von Assisi, hl. (um 1181/82—1226) wählte als reicher ital. Kaufmannssohn den Weg der Armut u. reiner Christusnachfolge, Gründer des Franziskanerordens 456ff, 536, 592, 637f, 680/1, 680, 682, 688, 815, 972, 972, 1036ff. Franz von Sales, hl. (1567—1622) Mitbegründer des Salesianer—Ordens 788, 790, 791 Franz Xaver, hl. (1506—1552) Missionar in Indien, auf den Molukken u. in Japan 1012, 1225 Frassati, Pier Giorgio 815 Fürstin Dobrawa Frau Mieszkos 505 Gabel, Pater 909 Gabriel, Erzengel 59 Erzengel, hebr. Mann Gottes 130, 248, 1105, 1108 1738 Gajowniczek, Franciszek für ihn ging Pater Kolbe in den Hungerbunker von Auschwitz 457 Galilei, Galileo (1564—1642) ital. Astronom und Physiker 941/2 Gallina, Msgr. Ernesto Bischof von Trevi, Trebia (Italien) 1025 Gargitter Erzbischof von Bozen—Brixen 234 Gaspari, Remo ital. Minister 828 Gelamur kath. Tageszeitung La Croix 909 Gemelli, P. Agostino 1921 Gründer der Katholischen Universität Sacro Cuore 413 Gerhard, hl. 854, 1115 Gijsen, Johannes Baptist, Msgr. Bischof von Roermond 145 Gina von Liechtenstein Fürstin 1126 Glemp, Jozef Kardinal, Primas von Polen 10, 487, 766 Golebiowski, Piotr Apostolischer Administrator der Diözese Sandomierz, verst. 486 Gott, allmächtiger Vater (vgl. Wortregister) Gräber, Rudolf, Dr. Altbischof von Regensburg 1316 Gratianus, Mönch 770 Gregor der Große, hl. (um 540—604) wurde 590 Papst, veranlaßte die Missionierung der Angelsachsen, Kirchenlehrer, ordnete die Vermögensverwaltung der Kirche 899, 1142 Gregor VII., Papst, (1073—1085) 980, 1115 Gregor von Nyssa, hl. (335—394) 261 Gregori, Mirella 1983 entführte ital. Schülerin 171 Grocholewski, Zenon, Bischof Sekretär der Apostolischen Signatur 487 Haakon der Gute König von Norwegen 801 Hamer, Fr. Hieronymus OP Titularerzbischof 1591 Hananias hebr. Jahwe ist gnädig; Judenchrist in Damaskus, zu dem Paulus geführt wird 742, 743 Hanryk, Erzbischof Metropolit von Breslau 514 Haraldson, Olaf König von Norwegen 801 Hardy, Joseph, Pater Gesellschaft für die Afrikamission 929 Harrington, Patrick, Pater General der Gesellschaft f.d. Afrikamission 929 Hazim, Ignatios Patriarch von Antiochien 1123 Hedwig von Schlesien, hl. (1174—1243) 513, 514ff, 517f, 522, 526, 779 Heiliger Geist (vgl. Wortregister) Heinrich der Bärtige 515 Heinrich der Fromme 515, 518 Heinrich, hl. (973—1024) Herzog von Bayern 30 Herodes (37—4 v.Chr.) König von Judäa 707 Hippokrates (etwa 460—377 v.Chr.) griech. Begründer der wissenschaftlichen Heilkunde 1154 1739 Hiro—Hito Kaiser von Japan 827 Hlond, August, Kardinal Primas von Polen, verst. 499 Höffner, Joseph, Kardinal Erzbischof von Köln; Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 803, 815, 1310 Hofbauer, Clemens Maria, hl. (1751—1820) Redemptorist 597, 622 Hofmannsthal, Hugo von (1874—1945) österreichischer Dichter 1070 Honorius III. Papst (1216—1227) 684, 1072, 1073, 1079 Hosea hebr. Jahwe hat gerettet, Prophet zw. 750 und ca. 725 v.Chr. 12, 14 Hozjusz, Stanislaw, Kardinal 484, 530 Hüssler, Msgr. Georg ehern. Vorsitzender der Caritas Intematio-nalis 991 Ignatius, hl. (1491—1556) ehern, span. Offizier, gründete 1534 die Gesellschaft Jesu 1065, 1067 Ignatius IV. Hazim griechischer Patriarch von Antiochien 95, 949f„ 951, 1381 Ijob hebr. wo ist der Vater? 63 Ilcewicz, Edmund Weihbischof in Lublin, verst. 486 Immanuel (Emmanuel) hebr. Gott mit uns 374,849, 1281 Innozenz II., Papst (1130—1143) 1072 Innozenz III., Papst (1198—1216) 684, 972 Innozenz XI., Papst (1676—1689) 184, 588 Irenäus von Lyon, hl. Kirchenvater, gest. um 202 1023, 1316, 1320, 1504, Isidor von Kiew Metropolit 786 Israel 255 Jacek, hl. 523 Jadwiga, Königin, sei. 523, 534, 547 Jahwe Eigenname des Gottes Israels 13, 129, 632 Jakiel, Stanislaw Weihbischof in Przemysl, verst. 486 Jakobus, Apostel, hl. 298, 336, 365, 872, 968, 583 Jan III. Sobieski König von Polen; befreite Wien 1683 von der Belagerung durch die Türken 451, 495, 530, 538, 584, 647, 650, 1266 Jan Kanty, hl. 530 Jan von Kety, hl. 530 Jaroszewicz, Jan Bischof von Kielce, verst. 484, 486 Jerzy Erzbischof in Posen 500 Jesaja hebr. Rettung ist Jahwe, 742 v. Chr. im Tempel von Jerusalem zum Propheten berufen 185, 220, 243, 258, 374, 570, 575, 652, 688, 709, 849, 889, 1193, 1262, 1659 Jesus Christus (vgl. Wortregister) Jesus Sirach deuterokanonisches Buch, zu Beginn des 2. Jh.v.Chr. von Jesus, dem Sohn Eleasars, dem Sohn Sirachs in Jerusalem verfaßt 210 Johanna 872 Johannes, Apostel Evangelist 74, 103, 157, 301, 356, 372, 374, 402, 436, 449, 456, 467, 482, 558, 620, 631, 1287, 1531 1740 Johannes Bosco, hl. (1815—1888) Gründer der Kongregation der Salesianer 968 Johannes der Täufer, hl. 11, 128, 441, 555, 822, 931, 1250f„ 1262, 1534 Johannes, hl. 434, 1067 Johannes Paul I., Papst, 33 Tage (gest. am 28.9.1978) 171, 172, 790, 1062, 1090, 1098f., 1674 Johannes Paul II. Papst (seit 1978) 429, 531, 547, 551, 579, 651, 676, 692, 748, 811, 875, 964, 1009, 1035, 1046, 1058, 1070, 1091, 1108, 1139, 1145, 1165, 1225, 1246, 1445, 1596, 1620, 1621, 1636, 1660, 1661, 1671, 1674, 1676, 1679, 1682, 1685, 1686 Johannes von Damaskus, hl. (um 650 angeblich 104 Jahre alt, starb vor 754) 951 Johannes XXIII., Papst (1958—1963) Angelo Giuseppe Roncalli 27, 43, 72, 423, 439, 441, 453, 501, 744, 747, 764, 774, 785, 874, 902, 1001, 1111, 1111, 1112, 1121, 1171, 1173, 1274, 1293, 1660, 1673, 1676, 1677, 1677, 1679, 1686 Jop, Franciszek, Bischof, verst. 523 Jordan von Sachsen, hl. (Ende des 12. Jh. — 1237) wurde 1222 als Nachfolger des Dominikus Ordensmeister 1080 Josaphat von Polozk, hl. (1580—1623) Brasihanermönch, später Erzbischof, bemühte sich um Reformen in seinem Orden u. um Ausbreitung der ruthenischen Kirche 712, 786 Josef, hl. Bräutigam Mariens 60, 90, 222, 756, 827, 830, 835, 1282 Judas (Iskariot), Mann aus Kariot oder Dolchmann, hat Jesus auf Be treiben des Satans verraten 124 Juritsch, Pater Martin Generaloberer der Pallottiner 1204 Justinus, hl. (starb um 165 in Rom als Märtyrer) fand nach langem Suchen im Christentum die ihn überzeugende Philosophie 1257 Kabanga, Songasonga, Msgr. Erzbischof von Lubumbashi 1499 Kain Sohn Adams und Evas, erschlug seinen Bruder Abel 673 Kalinowski, Jozef 536 Kalinowski, Rafael, Pater, sei. 134, 126, 532, 534ff, 538 Källay, Christophe de, Botschafter des Souveränen Malteserordens 853 Karekin II. Sarkissian armenischer Kathohkos von Kihkien 84, 899 Karl Gustaf XVI. König von Schweden 847 Karl Borromäus, hl. (1538—1584) Kardinal und Erzbischof von Mailand 415 Kasimir, hl. Fürst; Patron des kath. Litauen 1380, 1384 Katharina von Siena, hl. (um 1347—1380) Dominikanerin vom 3. Orden, Mystikerin 30, 121, 847 Katholikos von Kilikien 1123 Kazimierz Bischof der Diözese Stettin—Cammin 463 Kazimierz, Jan 475 Kelly, Thomas C. Erzbischof von Louisville 883 Khoraiche, Antoine Pieree maronitischer Patriarch von Antiochien 10, 758, 765 1741 Khoren I. Vorgänger von Karekin II. 899, 1579 Kitbunchu, Michael Michai Erzbischof von Bangkok 10, 765 Klemensiewicz, Professor 530 Kluz, Josef Kazimierz Weihbischof in Danzig, verst. 486 Knall, Magister Landesbischof 594 Knox, James Robert, Kardinal 986 Knut, hl. (um 1040—1086) wurde 1080 König von Dänemark, drang auf Einhaltung der kirchlichen Vorschriften, wurde in der St.—Alban—Kirche zu Odense ermordet 30 Kochanowski, Jan 530 König, Franz Kardinal, Erzbischof von Wien 598, 645, 1015, 1068, 1111 Kolaczkowskis, Professor 530 Kolbe, Maximilian Maria, hl. Märtyrer in Auschwitz 126, 455, 456ff, 465, 483, 491, 497, 522, 538, 541, 544, 1039 1207, 1307 Kolumbus, Christoph (1451—1506) italienischer Seefahrer in spanischen Diensten, suchte einen westlichen Seeweg nach Indien und entdeckte dabei 1492 die Antilleninsel Guanahani sowie Kuba und Haiti, auf drei weiteren Reisen die Kleinen Antillen, Puerto Rico, Jamaika, Trinidad und die mittelamerikanische Küste; er hielt Amerika für (Ost—)Indien, nannte die Bewohner Indios 378 Kominek, Boleslaw, Kardinal, verst. 514, 516 Komykowsky, Professor 530 Kopemikus, Nikolaus (Kopernik, Mikolaj) (1473—1543) deutscher Naturforscher 529 Koxxataj, Hugon 530 Kozal, Michai, Bischof, verst. 483 Kredel, Elmar Maria Erzbischof von Bamberg, Militärbischof 1170 Krol, Jan Kardinal von Philadelphia 507, 524, 533 Kromer, Marcin 530 Kuharic, Franjo Erzbischof von Zagreb 10, 765, 1343 Kurzeja, Jozef Priester, erster Pfarrer in Mistrzejowice 540, 541 Kyrill, hl. Kirchenvater, 444 gest. Bischof von Alexandrien 820, 1142 Ladislaus, hl. 1115 Landivar, Rafael Dichter aus Guatemala 351 Lara, Msgr. Rosalio Castillo 749, 774 Laurentius, hl. 181, 815 Lazarus 83 Ledochowska, Maria Julia 582 Ledochowska, Maria Theresa (1863—1922) Schwester von Mutter Ursula 503 Ledochowska, Mutter Ursula, sei. 126, 134, 499, 503, 504, 538 Ledochowski, Mieczyslaw Erzbischof von Gnesen und Posen, Onkel der Mutter Ursula und ihrer Geschwister 503 Ledochowski, Wlodzimierz Jesuitengeneral, Bruder von Mutter Ursula 503 Lehmann, Karl Bischof von Mainz 1236 1742 Lekai, Laszlo Kardinal von Esztergom (Ungarn) 1115 Leo der Große, Papst, hl. (440—461) 948 Leo XIII. Papst (1878—1903) 501, 712, 1107 Leonardo von Porto Maurizio, hl. 1057, 1567 Leopold Mandic, hl. Kapuzinerpater 1129, 1130, 1132, 1152 Lessard, Raymond W. Bischof von Savannah 883 Liguori, Alfons Maria von, hl. (1696—1787) gründete Kongregation der Redemptoristen 1567 Lingode, Francois Wolff Erzbischof 1334 Lipnica, Szymon von, sei. 503 Ljungdahl, Gunnar Johan erster schwedischer Botschafter beim Hl. Stuhl 847 Lokietek, Wladyslaw 461 Lombardus, Petrus (1435—1515) Hauptmeister der venezian. Frührenaissance 770 Longo, Bartolo, sei. 94 Louis Marie Grignion de Montfort, hl. 1057 Lourdusamy, Msgr. Simon Sekretär der Kongregation und Präsident der Päpstlichen Missionswerke 937 Lubich, Chiara Fokolar—Bewegung 835 Ludwig der Ungar 523 Ludwig XIII. (1610—1643) König von Frankreich 568 Lukas, hl., Evangelist 50, 146, 373, 480, 524, 558, 618, 794, 1104, 1279, 1285, Lustiger, Jean—Marie Erzbischof von Paris 10, 533, 766 Luther, Martin (1483—1546) Reformator 596, 1164, 1320 Magnus von St. Lambrecht, Pater 652 Majewski, Waclaw Weihbischof in Warschau, verst. 486 Maleachi hebr. mein Bote; Prophet 756 Malula, Joseph Kardinal von Kinshasa 1487 Mandic, Leopold, hl. Kapuziner 209 Manfredini, Enrico Bischof von Piacenza 873 Manni, Corrado Professor, Präsident des Kongresses der Internationalen Gesellschaft für Katastrophenmedizin 975 Manso, Don Alonso, Bischof 1427 Manzoni, Alessandro 397 Maria Mutter des Jakobus 872 Maria Clementine Anwarite, sei. Schwester 1497 Maria Gabriella, sei. 1207 Maria Goretti, hl. (1890—1902) verzieh sterbend ihrem Mörder, Heiligsprechung am 24.6.1950 in Gegenwart ihrer Mutter 969 Maria, Gottesmutter (vgl. Wortregister) Maria Magdalena eine der von Jesus geheilten Frauen, begleitete ihn, stand unter dem Kreuz, begegnete am Ostermorgen als erste dem Auferstandenen 289, 872 1743 Markus, Evangelist 184, 364, 558, 1312 Marshall, John Bischof von Burlington (USA) 1456 Marta Schwester des Lazarus 1043 Martha und Maria Schwestern des Lazarus 289 Martin, Jacques, Bischof Präfekt des Päpstlichen Hauses 487 Martini, Carlo Maria, Kardinal Erzbischof von Mailand 10, 766, 1150 Martins, Jose Saraiva 1150 Marusyn, Miroslaw, Msgr. Sekretär der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 712 Matejko, Jan Alois Maler 1266 Materski, Eduard Bischof von Sandomierz—Radom 487 Matthäus, Evangelist 184, 524, 558, 1031 Matulaitis—Matulewicz, Georg litauischer Bischof, verst. 1381 Maximilian (Kolbe), hl. (vgl. Kolbe) Mayer, Rupert, Pater (1876—1945) Seelsorger in München, mutiger Prediger, unter dem Nat.—Soz. mehrfach verhaftet 81 Meisner, Joachim, Kardinal Bischof von Berlin 10, 524, 533, 766, 779 Melada, Pater Paolo, OFM 1055 Melchisedek hebr. Melek ist gerecht oder König ist Se-dek, König von Salem und Priester des höchsten Gottes 389, 1018 Merloni, Dr. Vittorio Präsident der Italienischen Industriellenver-einigung 422 Method(ius), hl. Apostel der Slawen, Kirchenvater 820, 939 Micha hebr. wer ist wie Jahwe?; Prophet des 9. Jh. v.Chr. 707 Michael hebr. wer ist wie Gott?, Erzengel 1101, Michalski, Konstanty Priester 529 Michelangelo (1475—1564) ital. Bildhauer, Maler, Architekt u. Dichter 1405 Mickiewicz polnischer Dichter 753 Miechowita, Maciej 529 Mikolaj Prälat, zweiter Pfarrer in Mistrzejowice 540 Missionare von der Heiligen Familie 206 Mistrorigo, Antonio Bischof von Treviso 1094 Mitterand, Francois Staatspräsident Frankreichs 843 Miziolik, Wladyslaw Weihbischof der Erzdiözese Warschau 443 Modrzewski, Andrzej Frycz 530 Mohammed (ca. 570—632) Stifter des Islam 586 Monasterio, Ramirez Franziskanerpater, ermordet 231 Moran Mar Baselius Marthoma Mathews I. Katholikos der Syrisch—Orthodoxen Kirche Indiens 998 Moratinos, Jose Ali Lebrun Erzbischof von Caracas 10, 765 1744 Moscicki, Aleksander Weihbischof in Lomza, verst. 486 Moses in den atl. Überlieferungen Gesetzgeber und Begründer Israels, der das Volk aus Ägypten herausgeführt hat 129, 140, 176, 243, 709, 768, 1132 Mutis, Jose Celestino Wissenschaftler vom Kolleg Del Rosaria in Bogota 351 Nakamura, Teruhiko Japanischer Botschafter beim Hl. Stuhl 825 Naker, Bischof 514 Napoleon Kaiser von Frankreich, 1821 auf St. Helena verst. 52 Narzynski, Janusz Bischof der Evangelischen Kirche Augsburger Bekenntnisses 443 Nascimento, Alexander do Erzbischof von Lubango 765, 991 Nathan hebr. (Gott) hat gegeben, Prophet zur Zeit Davids und Salomos 244, 1534 Nathanael Jünger Jesu 916, 1100 Necchi, Vico 413 Nepomuk, Johannes, hl. (um 1350—1393) Generalvikar von Prag, von König Wenzel IV. in der Moldau ertränkt 1567 Nero, (54—68) röm Kaiser; lenkte den Verdacht der Brandstiftung Roms auf die Christen und ließ sie grausam verfolgen 559 Newton, Isaac (1643—1727) engl. Physiker 1191 Nikodemus gelehrter jüdischer Rabbi, Mitglied des Hohen Rates, Pharisäer 204, 232, 234, 238, 631 Nikolaus V., Papst (1447—1455) 1267 Nitsch, Professor 530 Nossol, Alfons Bischof der Diözese Oppeln 443, 524 Oblak, Jan Bischof der Diözese Warmia (Ermland) 484, 487 Oddi, Silvio Kardinal 895 Olaf, hl. (995—1029) einte seit 1015 als König im Kampf gegen die Dänen das norwegische Reich, vollendete die Christianisierung Norwegens mit Hilfe englischer u. deutscher Glaubensboten 30 Olaf V. König von Norwegen 800 Oiesnicki, Zbigniew 530 Olszewski, Karol 530 Onclin, Msgr. Willy 749, 774 Oppenheimer, Jakob Robert (1904—1967), Physiker, ab 1943 Leiter des Laboratoriums in Los Alamos, in dem die ersten Atombomben hergestellt wurden 626 Orlandi, Emanuela 22.6.1983 entführtes italienisches 15jähr. Mädchen 136, 142, 170, 171, 1044 Ortas, Antonio M. Javierre Titularerzbischof 1653 Ostermann, Friedrich Weihbischof aus Münster 65 Otto III., Kaiser (980—1002) erstrebte eine Erneuerung des Röm Reiches im christl. Sinne 500 Otto von Bamberg, hl. (um 1060—1139) Kanzler Heinrichs IV., 1102 Bischof von Bamberg, Missionsreisen nach Pommern 463, 465 Ozanam, Frederic 919 1745 Paetz, Julius Bischof von Lomza 487 Panados del Barrio, Prospero Bischof, Präsident der Bischofskonferenz von Guatemala 811 Pappalardo, Salvatore Kardinal, Erzbischof von Palermo 177 Paradyz, Jakub von 530 Pascal, Blaise (1623—1662) franz. Naturwissenschaftler und Philosoph, 181 Patrylo, Pater Isidor Proto—Archimandrit des Basilianerordens vom hl. Josaphat 712 Paul III., Papst (1534—1549) 1064 Paul VI., Papst (1963—1978) 43, 158, 171, 172, 241, 296, 310, 318, 337f, 345, 363, 388, 396, 399, 422, 430, 437ff, 453, 489, 503, 512, 669, 695, 740, 748, 765, 780, 790, 791, 796, 800, 805ff., 831, 874, 881, 907, 915, 926, 934, 992, 1021, 1045, 1062, 1063, 1065, 1076, 1098f„ 1112, 1142, 1148, 1172, 1219, 1223, 1235, 1297, 1316, 1350, 1394, 1400, 1418, 1428, 1437, 1481, 1485, 1486, 1561, 1568, 1579, 1660, 1661, 1673, 1674, 1676, 1677, 1679, 1683, 1686 Paulus, hl., Apostel 27, 47, 76, 103, 105, 128, 138, 146, 188, 237, 286, 289, 305, 312, 314f, 363, 374, 435, 442, 451, 465, 473, 476, 496, 500, 524, 536, 547, 559f, 564, 647, 656, 676, 728, 766, 896, 1023, 1029, 1033, 1055, 1143, 1170, 1296, 1305, 1343, 1385, 1397, 1450, 1454, 1472, 1488, 1494, 1521, 1536, Petrus, Apostel 40, 67, 68, 104, 128, 178, 237, 334f, 362, 366, 386, 465, 466, 500, 552, 559, 569, 573, 583, 620, 647, 766, 916, 1033, 1071, 1220, 1224, 1246, 1305, 1343, 1367, 1488, 1494, 1495 Petrus Claver, hl. 503 Philippus, Apostel 916 Picard, Pater Gründer von La Croix, kath. Tageszeitung 909 Piccoli italienischer Abgeordneter 788 Pietrangeli, Carlo Professor 1266 Pilatus, Pontius 26—36 n.Chr. Statthalter der Provinz Judäa, entschied den Prozeß Jesu u. ordnete die Kreuzigung an 182, 481, 1213 Pius IX., Papst, (1846—1878) 251, 1202 Pius V., Papst (1566—1572) 1108 Pius VI., Papst (1775—1799) 610 Pius X., Papst (1903—1914) 503, 1218 Pius XI., Papst (1922—1939) (Achille Ratti) 404, 405, 407f, 413, 692, 712, 1193, 1204 Pius XII., Papst (1939—1958) 776, 933, 1091, 1111, 1171, 1172, 1247, 1480, 1660, 1673, 1679, 1686 Platon (427—347) griech. Philosoph, Schüler des Sokrates 410 Poggi, Luigi, Erzbischof Nuntius für Sonderaufgaben 487 Poletti, Ugo Kardinalvikar 1104 Pondolfi, Attilo Industrieminister in Italien 422 Polykarp von Smyrna war Schüler des Apostels Johannes u. Bischof von Smyrna 1325 Prigon, Professor 530 Prodi, Dr. Romano I.R.I.—Präsident 422 1746 Przykucki, Marian Bischof von Chelmno 487 Quinn, John R. Erzbischof von San Francisco 883, 1458 Raffael, sei. 399, 497 Ratzinger, Joseph Kardinal 1591, 1592 Rechowicz, Marian Bischof, Apostolischer Administrator in Lu-baczow 483 Reinhardt, Max (1873—1943) österr. Schauspieler u. Theaterleiter, Mitbegründer der Salzburger Festspiele 627 Rembrandt niederländischer Maler u. Radierer (1606—1669) 735 Rey, Mikolaj 530 Ricci, Pater Matteo Chinamissionar 969 Rilke, Rainer Maria (1875—1926) österr. Dichter 628 Roach, John R. Erzbischof, Präsident der US—amerikanischen Bischofskonferenz 1145 Rodhain, Msgr. Gründer des Secours Catholique und der Cite Saint—Pierre 552 Rojas, Octavio Beras Kardinal 1322 Romero, Msgr. Oscar Arnulf o Erzbischof in San Salvador, ermordet 53, 242, 323, 333, 846 Rossi, Angelo, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker 937 Rossi, Opilio, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 810, 985, 1222 Rozycki, Ignatius, verst. 1235 Rubens, Peter Paul (1577—1640) niederländischer Maler 735 Rubin, Wladyslaw, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 88, 533, 712 Ruhuna, Joachim Bischof in Burundi 1300 Russolillo, Don Giustino 1040 Sabattani, Aurelio Titularerzbischof von Giustiniana prima, Kardinaldiakon 10, 765 Sagheddu, Sr. Maria Gabriella Trappistin, hl. Ordensfrau 23, 742, 745 Saier, Oskar Erzbischof von Freiburg 962 Salomon König von Israel und Juda, etwa 965—926 127 Salvadori, Giulio 413 Samore, Antonio, Kardinal, verst. 775 Saouma, Edouard Generaldirektor der FAO 1134, 1137 Sasinowski, Mikolaj Bischof von Lomza, verst. 486 Satan heißt hebr. urspr. jeder, der sich gegnerisch oder feindlich verhält; S. Feind des Menschen und Gegenspieler Gottes (Teufel) 235 Saulus von Tarsus (Paulus) 742, 743 Schiefmund, Boleslaus (Krzywousty, Boleslaw) 463 Seper, Franjo, Kardinal, verst. 1235 Serrini, Lanfranco, Pater 1036 Severin, hl. Bischof von Köln; lebte um 400 582 1747 Simeon hebr. Erhöhung, Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 91f, 572, 756, 756, 757 Simon Petrus, Apostel 499, 542, 868/9, 872, 1029, 1031 Simon von Cyrene hebr. Erhöhung; er wird gezwungen, Jesu Kreuz nach Golgata zu tragen 607 Simonis, Msgr. Erzbischof — Koadjutor von Utrecht 145 Siri, Giuseppe, Kardinal 1111 Skalbmierz, Stanislaw von 529 Skarga, P. Piotr 527, 542 Slipyj, Josyf, Kardinal 785 Smoluchowski, Marian 530 Sniadecki, Jan 530 Sokrates (469—399) griech. Philosoph 410 Somalo, Martinez Erzbischof, Substitut 487 Spytkowski 530 Sr. Maria Gabriella 744, 746, 743 Stablewski, Florian, Erzbischof 501 Stangl, Josef Bischof von Würzburg, verst. 1316 Stanislaus, hl. (um 1030—1079) Bischof von Krakau, Märtyrer, Schutzpatron Polens 35, 88, 99, 461, 462, 465, 497, 522, 533, 534, 539, 545, 547 Stein, Bernhard, Bischof Altbischof der Diözese Trier 1310 Stensen, Niels (1638—1686) dän. Naturforscher, wurde 1667 kath., 1675 Priester und 1677 Apostol. Vikar der Nord. Missionen 196 Stephan, hl. (um 969—1038) 997 König von Ungarn, einigte das Land im Kampf gegen die heidn. Stammesfürsten 1115 Stephanus, hl. erster Märtyrer der Kirche 237, 261 Stickler, Msgr. Alfons Erzbischof, Präfekt der Biblioteca Apostoli-ca Vaticana 1166 Stoica, Jeremia, sei. 1159 Sustar, Msgr. Alojzij Erzbischof von Lubljana 1348 Szcezepanow, Stanislaw Bischof von Krakau 1072—1079; Märtyrertod 1079 545 Szymecki, Stanislaw Bischof der Diözese Kielce 484, 487 Tack, Pater Theodore V. Generalprior der Augustiner 1050 Tardini, Domenico, Kardinal, verst. 776, 777 Tenhumberg, Heinrich Bischof von Münster, verst. 1310 Teresia, hl. 1207 Teufel Widersacher Gottes 249 Theresia von Lisieux (1873—1897) Karmeliterin, Patronin der Weltmission 577, 623 Thomas, Apostel 998 Thomas von Aquin (um 1225—1274), hl. bedeutendster Theologe u. Philosoph des Hochmittelalters 156, 173, 204, 216, 770, 948, 1073, 1078, 1190, 1277, 1503 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 146, 1023, 1472 1748 Titus begleitete Paulus auf der Reise zum Apostelkonzil nach Jerusalem u. wurde später mit wichtigen Aufgaben von Paulus betraut 1450 Tomasek, Frantisek Erzbischof von Prag 1659 Tomko, JozefMsgr. Generalsekretär der Bischofssynode Rom 1150 Trujillo, Alfonso Lopez, Kardinal Erzbischof von Medellin 10, 54, 765 Tryggvesson, Olaf König von Norwegen 801 Tsiter, Dr., Metropolit 594 Ursula, sei. 497 Vaivods, Julijans Titularbischof von Macriana Maior (Provinz Byzanz), Apostolischer Administrator von Riga 766 Vaivods, Julijans Apostolischer Administrator von Riga und Liepaja 10 Valditara, General Kommandant der Carabinieri 885 Varela, Felix kubanischer Priester 1377 Vasken I. Katholikos und oberster Patriarch aller Armenier 899 Verdi, Giuseppe 397 Versiglia, Luigi, sei. Salesianermärtyrer, Bischof 967, 971 Versiglia, Msgr. Bischof 100 Veuillot, Pierre Erzbischof von Paris, verst. 575 Vianney, Johannes Maria, hl. 1567 Villalobos, Msgr. Roman Arrieta Erzbischof von San Jose 54 Vilnet, Jean, Bischof Präsident der französischen Bischofskonferenz 1145 Vinzenz, hl. 919 Vinzenz Pallotti, hl. (1795—1850) Seelsorger der Jugend, der Kranken u. Gefangenen; er gründete 1834 die Gesellschaft des kath. Apostolats, einen Vorläufer der Kath. Aktion, 1835 als deren Träger eine Priestergemein Schaft, die Pallottiner Vinzenz von Lerin, hl. (gest. vor. 450) gall. Kirchenschriftsteller 897 Vinzenz von Paul (1581—1660); Organisator der Caritas in Frkr.; stiftete 1625 die Kongregation der Lazaristen 574 Violardo, Giacomo, Kardinal 774 Volk, Hermann, Kardinal Bischof em. von Mainz 524, 1305 Walesa, Lech polnischer Gewerkschaftsführer, Friedensnobelpreisträger 1983 1108 Wawrzyniak, Piotr Priester 501 Wesoly, Szczepan, Weihbischof Delegat für die Seelsorge der Auslandspolen 645 Wiesenthal, Simon (geb. 1908) 1941 als Jude von der dt. Besatzungsmacht verhaftet, überlebte mit seiner Frau KZ; gründete 1945 in Linz ein Dokumentations Zentrum über das Schicksal von Juden u. ihrer Verfolger, leitet seit 1961 das jüd. Dokumentationszentrum in Wien 918 Willams, Thomas Stafford Erzbischof von Wellington 766 1749 Willebrands, Jan, Kardinal Vorsitzender der Holländischen Bischofskonferenz; Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen 245, 1164, 1220, 1408 Wincenty, Bischof 514 Wladyslaw II. Herzog von Oppeln 522f, 526 Wladyslaw IV. König von Polen im 17. Jh. 443 Wlodkowic, Pawel 529, 530 Wojciech, hl. 522 Wolfgang, hl. (um 924—994) entfaltete als Bischof von Regensburg eine segensreiche Tätig keit 1316 Wroblewski, Zygmut 530 Wyka, Professor, verst. 530 Wyszynski, Stefan, Kardinal Primas von Polen, verst. 110, 134, 430, 432, 434ff, 452, 455, 483f, 485, 493, 497, 502, 511, 517, 522 Yago, Bernhard Erzbischof von Abidjan 10, 765 Zacchi, Msgr. Cesare Präsident der Päpstlichen Diplomatenakademie 979 Zachäus Oberzöllner in Jericho; Jesus kehrte bei ihm ein 238, 1159 Zacharias hebr. Jahwe hat sich erinnert; Vater Johannes’ des Täufers 563, 1262 Zareba, Jan Bischof der Diözese Wloclawek 483 Zubero, Domingo Iturrate, sei. 1159 Zwingli, Huldrych, (1484—1531) Schweizer Reformator 596 1750 Länder- und Ortsregister Aachen 92, 98, 206, 219 Abidjan — Hauptstadt der Republik Elfenbeinküste (Westafrika) 764, 765 Abruzzen — mittelitalienische Gebirgslandschaft 420, 827/8 Ägypten 11, 129, 202, 254, 372f„ 792, 823, 1202, 1504 Äquatorialafrika 810 Äquatorialguinea 708 Afghanistan 231, 264 Afrika 10, 658, 722, 764, 929, 1134, 1137, 1142, 1491 Ain-Karem — Stadt im Bergland von Judäa 652 Alaska 1440 Altötting — Marienwallfahrtsort 1320 Amerika 371, 453, 864, 1440, 1456, 1477, Amsterdam 735 Angola 763 Annaberg — Wallfahrtsort in Polen 134 Antiochia 950 Antiochien 95, 765, 1381 Aparecida (in Brasilien) 556 Apulien 420 Argentinien 172, 272, 357, 777 Asien 10, 723, 764, 1134, 1137, 1142, 1220, 1225 Assisi — Stadt und Bischofssitz in der italienischen Provinz Perugia; Geburtsort, Wirkungs-und Grabstätte des hl. Franz von A. 534, 972, 1036 Athen — Hauptstadt Griechenlands 237 /83 Auschwitz (heute Niepokalanow) — während der Nazi-Herrschaft Standort eines KZ zur Vernich tung von Menschen 76, 455, 458, 497, 541 Ausros Vartai — Wallfahrtsort in Litauen 1380 Australien 1030, 1291, 1296, 1298 Azoren 1420 Babel — nach dem AT Ort der Sprachenverwirrung 102 Babylon — Hauptstadt von Babylonien, im 19. Jh. v. Chr. gegründet 157, 254 Baltimore 1440 Bamberg 212, 463 Banat 1348 Bangkok — Hauptstadt von Thailand 764 Bangui — Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik 45 Bar (Jugoslawien) 1348 Bardi 777 Basel 181 Basilikata 420 Baskenland (in Spanien) 1160 1751 Bayern 80, 115 Brest 786 Beirut — Hauptstadt des Libanon 82, 264, 1144 Belgien 28, 101 Belgrad — Hauptstadt Jugoslawiens 720, 1343 Belize (Mittelamerika) — früher Britisch—Honduras 52, 273, 275, 288, 312, 325, 333, 366, 367 Berlin — geteilte Hauptstadt des Deutschen Reiches 507, 762, 766, 779 Betlehem — nach dem Evangelium Geburtsstadt Jesu 11, 264, 358, 679, 708, 855, 1277 Betsaida — Ortschaft an der Nordseite des Sees Genesa-ret; Heimat der Apostel Philippus, Andreas u. Simon; 1029 Bithynien 1220 Bmariam — Dorf im Libanon 177 Böhmen 645 Bogota 296, 318, 350 Bolivien 172 Bologna 350, 1080 Bonn — Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland 75 Bozen—Brixen 75, 234 Braga (port. Kirchenprovinz) 1415 Brasilien 172, 272 Brdow 483 Brescia 820 Breslau 134, 500, 514, 516, 520, 548 Brodow 480 Brüssel 28 Bundesrepublik Deutschland 803/4, 1311 Burundi — Republik in Ostafrika 1300, 1303 Cäsarea Philippi — Ort an den östlichen Jordanquellen; nach Mk und Mt Ort des Messiasbekenntnisses Petri 542, 1029, 1031 Cammin 463 Canterbury 112, 922 Cartago — Wallfahrtsort in Costa Rica 287 Castel Gandolfo —Sommerresidenz des Papstes 161, 406, 1042/1045, 1059, 1070 Castelnovo (in der Bucht von Cattaro) 1130 Chalkedon — Kleinasien, Konzil von Ch. 451 1033 Chelmno 487 Chichicastenango — Wallfahrtsort in Guatemala 343 Chikago 765 Chile 139, 357, 777 China 100, 970, 1039 Coimbra 350 Cordoba 350 Costa Rica — Mittelamerika 29, 50f., 273, 280, 325, 356 Cuilapän (Mexiko) 318 Dänemark 30, 715 1752 Damaskus — z.Zt. Davids mächtige Aramäerstadt; Paulus wird auf dem Weg nach D. bekehrt 742, 951, 1140 Danzig 175 Deir El—Kamar — Stadt im Libanon 240, 245, 1125 Delphi — griechisches Orakel 204 Desto (bei Mailand) 405, 408 Detroit 1485 Deutschland 80, 98, 101, 367, 456, 514, 708, 820, 1166/1169, 1170 Dillingen 115 Dominikanische Republik 272, 1321 Dubrovnik 1348 Düren—Jülich 206 Düsseldorf 1312 Ecuador 172 Eindhoven 185, 190 Einsiedeln — Schweizer Wallfahrtsort 24 Eisenstadt 605, 660 Eisleben — Geburtsort Martin Luthers 1164 El Salvador — Mittelamerika 29, 50f„ 264, 273, 288, 325, 327, 356 Emilia—Romagna 420 Emmaus — Ort in Judäa 179 England 112, 439, 1142 Ephesus — antike Weltstadt an der Kaystromündung in Kleinasien; Paulus hat lt. Apg mehr als 2 Jahre in E. gewirkt. — 3. Ökumenisches Konzil in E. 431 555, 951 Esquipulas — Wallfahrtsort in Guatemala 343 Essen 206 Europa 10, 88, 219, 242, 350, 437 , 453 , 456, 569, 582, 586, 639, 735, 764, 820, 1046, 1142, 1225, 1252, 1266, 1503, 1679 Evora (port. Kirchenprovinz) 1420 Fairbanks (Alaska) 1440 Fatima — Wallfahrtsort in Portugal, Marienerscheinungen jeweils am 13. der Monate Mai bis Oktober 1917 229, 271, 498, 555, 1036 Feldkirch 234, 605, 660 Ferrara 786 Feuerland 968 Finnland 30 Florenz 786 Frankreich 439, 552, 568, 841, 1662 Freiburg 87, 219, 229, 962 Fulda 201 Gabun 1324 Gadalupe 1392 Galatien 1220 Galiläa — Landschaft zwischen dem oberen Jordantal und dem Mittelmeer 11, 59, 1034, 1200 1753 Gdansk (Danzig) 486, 487 Genf 24, 726, 1028, 1046 Germanien 1504 Glogowek (Oberglogau) 523 Gnesen (Gniezno) 88, 497, 503, 522, 766, 487, 487, 516 Gorzow (Landsberg) 514 Graz-Seckau 80, 605, 660 Grenada 219 Großbritannien — England — Schottland 112, 367, 715, 922, 1662 Guadalajara 1392 Guadalupe — Wallfahrtsort in Spanien 44, 357, 555, 1392, 1393, 1397 Guadelupe — Hauptwallfahrtsort und Nationalheiligtum von Mexiko 356 Guatemala — Mittelamerika 29, 50f„ 344, 350, 811, 1329, 1331 Guatemala-City — Hauptstadt Guatemalas 333, 344 ;Guatemala de la Asuncion 333 Gurk (Österreich) — Klagenfurt 69, 605, 660 Haiti 52, 273, 275, 288, 312, 325, 333, 356, 366, 371f„ 374, 1334, 1337, Helsinki — Hauptstadt Finnlands 1380, 1608, 1661, 1685 Herne 185 Hilversum 195, 201 1754 Hiroshima — Nagasaki — über diese Städte wurden die ersten beiden Atombomben abgeworfen 453, 626, 825,945, 1660, 1666/7, 1674 Honduras 273, 325, 1338, 1339, 1340, Hongkong — Brit. Kronkolonie 1222, 1223 Iberien 1504 Indien 998 Innsbruck 201, 605, 660 Irak 231, 264, 718 Iran 231, 264, 718 Irland 929 Island 30 Italien 101, 404, 415, 688, 708, 788, 1001, 1097, 1162, 1231 Japan 456, 825 Jasna Gora (Polen) — Kloster bei Tschenstochau 9, 93, 106, 126, 134, 448, 466, 477, 491, 514, 522, 548, 651, 711, 753, 1010 Jerusalem — Hauptstadt Israels Mittelpunkt des jüd. Volkes 127, 157f., 180, 182, 192, 231, 416, 420, 569, 619, 756, 854, 855, 1305 Judäa — Wohnsitz der Juden nach der Babylonischen Gefangenschaft (um Jerusalem), schließlich das Reich Herodes’ des Gr. 652, 949 Jugoslawien 1343, 1348 Kafarnaum 113 Kalabrien 420 Ka/varija — Wallfahrtsort in Litauen 1380 Kamerun 36 Kontiert Slaski (Groß Stein) 523 Kampanien 420 Kana in Galiläa 16, 140, 358, 450, 472f. Kanada 1358, 1368 Kappadozien — antike Landschaftsbezeichnung für das östl. Kleinasien 1220 Katowice (Kattowitz) 134, 487, 505, 533, 545, 548 Kenia 51 Kerkrade 105 Kevelaer — Marienwallfahrtsort 1035 Kielce 484, 487, 533, 546 Kiew 786 Kilikien (Armenien) — Landschaft im SO des antiken Kleinasien 899, 1579 Kinshasa — Hauptstadt der Republik Zaire 1489, 1490 Kisangani 1493, 1497 Knoch (in Irland) 556 Köln 98, 196, 815, 1192 Kolberg 500 Kolumbien 101, 172, 777 Konstantinopel 245, 1029 Korea 708 Korinth — griechische Hafenstadt; Paulus schrieb zwei Briefe an die Gemeinde 23 Krakau 99, 134, 350, 430, 446, 461, 497 500, 505, 514, 522, 527, 542, 545, 548, 799, 1224, 1235 Kreknava — Wallfahrtsort in Litauen 1380 Kuba 1373ff. Kyoto — japanische Stadt 1662 Laos 1152 Lateinamerika 279, 311, 333, 378, 658, 1091, 1134, 1137, 1142 Latium 420, 788 Legnica (Liegnitz) 515 Leon — Stadt in Nicaragua 299, 306 Lepanto 197 Lesnica (Bergstadt) 548 Lettland 1152 Libanon 82, 141, 152, 162, 177, 196f., 231, 240, 264, 658, 718, 954, 1039, 1123, 1144, 1202, 1276 Libyen 1504 Liechtenstein — Fürstentum zwischen Vorarlberg u. den Schweizer Kantonen Graubünden u. St. Gallen 1126 Liepaja (Libau) — Stadt in Kurland a.d. Ostsee 766 Ligurien 420 Lima 350 Limburg 201, 1305 Linz 125, 605, 660 Lissabon — Hauptstadt Portugals 153, 270, 1036, 1420 Litauen 776, 1152, 1379 Lodz 487 1755 Löv/en — belgische Stadt in der Prov. Brabant 1662 Lombardei 404, 420 Lomza 487 Loosdorf (bei Melk) 582 Loreto (Italien) 556 Los Angeles — Stadt in Kalifornien, Westküste der USA 918 Louisville — Stadt in Indiana (USA) 883 Lourdes — Marienwallfahrtsort in Südfrankreich (Marienerscheinung 1858) 162, 201, 551ff., 1275 Lubaczow 480, 483 Lubango — Stadt in Angola 764, 765, 991 Lublin 446f., 483, 486, 487 Lubljana 1348 Lucca — ital. Prov.—Hauptstadt in der Toskana 213 Luxemburg 1225 Lwow (Lemberg) 483, 523 Lyon 1020 Madagaskar 407 Madeira 1420 Madrid — Hauptstadt Spaniens 242, 724 Mailand 100, 387f., 409f., 766, 820 Mainz 201, 507 Malawi — ostafrikanische Republik 1384, 1385 Malta — Insel und Staat im Mittelmeer; Staat auf der gleichnamigen Inselgruppe zwischen Sizilien u. der Aripolitanischen Küste 57f., 177, 854, 1055 Managua — Hauptstadt Nicaraguas 299f., 1491 Manila 534 Mariazell — Marienwallfahrtsort 580, 583, 650 Marija Bistrica — Marienwallfahrtsort in Jugoslawien 1344 Mecheln — Brüssel 765 Medellin — Stadt in Kolumbien 765 Mexiko 272, 319, 347, 350, 357, 1392, 1397, 1398, 1401 Mistrzejowice 540, 542 Mittelamerika 269, 275, 288, 311, 360, 723, 811, 1275 Möhrendorf 181 Molise — Mittelitalien 420, 827/8 Monaco 715 Montecassino — Mutterkloster der Benediktiner (Erzabtei) 829 Monterrey 1392/3 Montserrat — Benediktinerabtei und Wallfahrtsort (schwarze Madonna) bei Barcelona 556 Monza (bei Mailand) 400 Moskau 1662 München u. Freising 181, 445, 1316 Münster 65, 142, 206, 1310 1756 Nagasaki — Hiroshima — über diese Städte wurden die ersten beiden Atombomben abgeworfen 825, 1674 Nazaret — nach dem Evangelium Wohnort der Eltern Jesu 11,61, 190, 339, 623, 889, 1057, 1120, 1197, 1277 Neufundland 1358 Neuschottland 1358 Nevers 574 New Brunswick 1358 New York — Sitz der UNO 635, 1028, 1435, 1438 Nicaragua — Mittelamerika 29, 50f., 273, 311, 325, 356, 1401 Niederlande 70, 81, 98, 185, 201, 1169, 1404 Niederschlesien 514, 520 Niepokalanow (Polen) 134, 448, 456, 522, 548 Nigeria 30, 708 Nordirland 719 Norwegen (Königreich) 30, 715, 800 Nowa Huta (bei Krakau) 540, 543 Nürnberg 115 Oberammergau — Passionsspielort 819 Odenwald — Tauber 87 Österreich 17, 80, 98, 101, 178, 256, 579, 611, 820, 1169, 1266, 1275, Ontario (Kanada) 1353, 1359, 1372 Oosterhout 75 Opole (Oppeln) 134, 443, 487, 505, 514, 522, 548 Oslo — Hauptstadt Norwegens 802, 1108 Oslztyn 487 Osnabrück 190 Oxford 350 Ozeanien 10, 764 Paderborn 185, 206 Padua 1130 Pakistan 722 Palästina 185 Palermo 153, 177, 1160 Pampei 556 Panama (Mittelamerika) 29, 50f., 273, 275, 306, 312, 325, 356, 708, 1330, 1410 Paraguay 172 Paris — Hauptstadt Frankreichs 153, 350, 533, 627, 766, 1028 Patagonien — südamerikanische Großlandschaft 968 Patmos 445 Pavia 820 Pelplin 487 Peru 172 Petersburg 503 Philadelphia 507, 533 Piacenza — Stadt in der Po—Ebene 776, 873 Piekary — Wallfahrtsort in Polen 134 Piemont 420 Piviasiunai — Wallfahrtsort in Litauen 1380 1757 Pniewy (bei Posen) 504 Polen 35, 81, 110, 126, 134, 372, 405, 429f., 437, 439, 441, 455, 466, 495, 520, 533, 548, 645, 708, 753, 763, 1009, 1039, 1275, Pommern 464 Pompeji 94f. Pontus 1220 Port-au-Prince — Hauptstadt Haitis 371, 378 Portugal 101, 272, 1415, 1427 Posen (Poznan) 134, 487, 499, 503, 548 Prag 88, 350, 1659, 1664 Prince Edward Island 1358 Princetown 1662 Przmysl 486 Puebla (Mexiko) 54, 277, 379, 1377, 1392, 1393, 1395 Puerto Rico 1427 Quebec (Kanada) 1368 Quezaltenango (Guatemala) 339 Quito 350 Regensburg 69, 181, 1316 Rhodos — griech. Insel im Ägäischen Meer 854 Ricife (Brasilien) 318 Rieti 4, 680 Riga 766 Rijeka-Senj (Jugoslawien) 1343 Rio de Janeiro (Brasilien) 383 Roermond 75, 145 Rom — Hauptstadt Italiens 24, 127, 415, 501, 507, 548, 559, 702, 767, 785, 796/798, 820, 858, 922, 950, 955, 959, 972, 1070, 1086, 1091, 1127, 1133, 1220, 1231, 1249, 1316, 1334, 1410, Rothenburg 115 Rottenburg-Stuttgart 87 Rotterdam 81, 145 Rumänien 1161, 1162 Rus — Ukraine 786 Russland 503 Sahara 723 Salamanca 350 Salzburg 69, 605, 660, 1070 Samarien — Nordreich Israels 949 San Francisco — Stadt in Kalifornien, Westküste der USA 1671 San Jose (Costa Rica) — Hauptstadt von Costa Rica 272, 275, 283, 287, 293 San Pedro Sula — zweitgrößte Stadt in Honduras 362, 1340 San Salvador — Hauptstadt El Salvadors 322 /83, 327, 846, 1274 Sandomierz—Radom 487 Sankt Annaberg — Wallfahrtsort in Polen 514, 548 Sankt Pölten 605, 660 Santiago de Compostela 583 Santo Domingo 350 1758 Sao Paulo — Stadt an der Ostküste Brasiliens 958 Saragossa (in Spanien) 556 Sarajewo 1348 Sardinien 420 Savannah — Stadt in Atlanta (USA) 883 Schlesien 505 Schottland 112 Schweden 30, 715, 816, 847 Schweiz 80, 98, 101, 201, 820, 932, 940, 960, 1169 Sevilla 534 Sibirien 536 Siena 121, 135 Siluva — Wallfahrtsort in Litauen 1380 Simbabwe — Staat in Afrika 11 Sinai 202 Sizilien 420, 1232 Slowakei 645 Sowjetunion 439, 1149, 1684 Spanien 101, 534, 708 Speyer 1316 Split-Makarska (Jugoslawien) 1343 Springborn (Ermland) 483 Sri Lanka — Inselstaat im Indischen Ozean 153 Stettin 175 , 464 Stockholm — Hauptstadt Schwedens 815, 1684 Stoczek Warminski (Springborn im Ermland) 480 Subotica (Jugoslawien) 1343 Sucre 350 Südamerika 1091 Südostasien 722 Sureste (Mexiko) 370 Suyapa, Honduras — Marienheiligtum in Honduras 52 Szczecin (Stettin) 463 Szczecin-Kamien (Stettin-Cammin) 487 Tarnow 533, 545 Tarsus — türkische Stadt, Geburtsort des Apostels Paulus 76, 1029, 1140 Tegucigalpa — Hauptstadt von Honduras 355f. Tepeyac (Marienwallfahrtsort) 1392 Thailand 122 Thessaloniki — heutiges Saloniki 442 Tilburg 219 Tokio — Hauptstadt Japans 825 Torun (Thom) 443 Toskana 420 Toulouse 1072 Traunstein 69 Trebnitz 517 Treviso 1094 1759 Trient — Konzil von T. tagte 1545/47, 1551/52 u. 1562/63, legte die kath. Lehre in den Hauptpunkten fest und stärkte das Papsttum 1320 Trier 92, 1170, 1310 Tripoli — Hafenstadt im Libanon 240 Tschad 1432 Tschechoslowakei 1152, 1664 Tschenstochau — Marienwallfahrtsort in Polen 372, 406, 463, 464, 471, 485, 494, 533, 546, 548, 555, 647, 1659 Türkei 1039 Turin 37, 533, Tutzing 92 Udine 1130 Uganda 407, 708 Ukraine 785 Umbrien 420 Ungarn 1114 Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) 1662 USA 10, 43 Utrecht 145 Vancouver (Kanada) — Haupthafen Kanadas am Pazifischen Ozean 147, 157f., 445, 597, 925 Vatikan 741 Vechta 142 Venedig 1002 Venetien 420 Vereinigte Staaten von Amerika 272, 367, 439, 777, 878, 1149, 1435, 1440, 1445, 1457, 1480, 1662, 1684, Verona 88 Vescovia 765 Wadowice 537 Walachei 1161, 1164 Wales 112 Wallis 960 Warmia (im Ermland) 487 Warschau — Hauptstadt Polens 76, 134, 342, 430, 437, 442, 453, 455, 486, 487, 487, 531, 548, 766 Wellington 766 Westpommern 463 Wien — Hauptstadt Österreichs 197, 201, 234, 441, 450, 507, 580ff„ 584, 605, 660, 1025, 1068, 1266, Wierzchoslawice 460 Wislica 484 Wloclawek 483, 487 Wollin 463 Wroclaw (Breslau) 454, 513 Zagreb — Hauptstadt von Kroatien (Jugoslawien) 765, 1343 Zaire 1488, 1491, 1493, 1499 Zdunska Wola 483 Zemaiciu — Wallfahrtsort in Litauen 1380 Zentralafrikanische Republik 44 Zentralamerika 360, 833, 1181 Zielenice 480, 484 Zypern — Insel im Mittelmeer 240 1760 Zitierte Bibelstellen Seite Seite Buch Genesis 4,25-27; 28,62-66 157 1,2 7 4,29-31; 30,1-6 157 1,26 1040 10,5 136 1,26-27 312, 1116 30,19 1306 1,27 629 1,28 312 Buch Josua 1,31 132, 1116 24,24 142 2,4b-9.15 830 2,23 228 1. Buch Samuel 2,23-25 12 2,1-10 172 2,24 6, 8, 14, 313, 1116 3,4-5 1573 2. Buch Samuel 3,5 216 6 128 3,6 1572 24,16-25 128 3,7 1572 3,9 199, 1573, 1573 1. Buch der Könige 3,15 90, 249, 1105, 1573 8,6 136 3,19 1122 4-8 1572 Buch Nehemia 12,1-2 520 8,10 1319 14,18 389 Buch Tobias Buch Exodus 13,11-13 157 3,8 324 6,6-7 254 Buch Judit 15,1-18.20-21 172 8,15-17,26 152 18,3-7 142 8,25-29 178 19,4-6a 130 15,9 472 19,8 130, 142 24,3 247 2. Buch der Makkabäer 25-27 135 1,27-29;2,18 157 32,8 823 34,6-7 1573 Psalmen 36,27 154 8,2 982 18,2-3 255 Buch Levitikus 20,8 1300 25,8-10 39 22,2 151 26,11-12 136 22,5-6 152 22,26 1444 Buch Numeri 23,1-2 778 6,24-26 3 23/22,1 532 23/22,2.3 532 Buch Deuteronomium 23/22,4 539 4,6 178 23/24,7 758 4,10 142 23/24,9-10 756 Seite 27,1 1298 27,4 654 27,7—9 1093 30,2.4 1266 33,3 1095 33/32,12 646 34,2—3 503 34.7a 1141 44,24 u. 25 151 44,45,7 564 45,11 1197 45,12 1197 45,14 1197 47,6—9 947 48,2—3.9 471 48,10—11 472 48/37,13—15 478 51,3—6 793 51,6 1554, 1577 51,8 1577 51,12 1573 67,5—8 679 68,31 1193 87 157 89,2 1017, 1145 89,2a 867 89,21—22 867 96,1 1278 96,11—12 1279 96,12—13 1281 103,6 325 103,14 1543 104,1.31 415 104,24 415 104,29—30 415 107,1—42.43 178 113,1 835 116/115,12.16 458 116/115,13—13 457 118,1 u. 29 45 118,19—20 45 118/117/16—17 435 121,lf 649 122/121,1—2 542 122,6—9 1201 130 256, 1575 130,7 Seite 866 136,lff 148 139,13 216 141,8 1043 145,1.3 1163 Buch der Sprichwörter 7,4 178 8,31 57 31,11 518 Buch Kohelet 5,1 983 Das Hohelied r- i VO 00 1199 Buch der Weisheit 2,11 1682 3,1.5—6 458 3,1.9 778 8,2.9.16 178 8,18 178 11,22—12,2 1159 11,26 1164 Buch Jesus Sirach 1—3.6—14 178 2,10;51,8 152 4,17-18; 24,27; 15,2; 178 15,14—18 1572 18,8 210, 212 35,21 1141, 1142 42,15; 50,24 178 Buch Jesaja 1,18 555 2,4 690, 1193, 6,12 258 7,12—14 258 7,14 849 9,1—2 259 9,5 322, 1687 9,5—7 259 11,1—2 259 11,9 259 12,3 259, 741 18,7 128 1762 Seite 32,17 1194 35,4 576 37,32;51,1 129 40—55 259 42,1—4 259 43,11; 47,15 255 45,8 243 45,15 221 45,21 73 46,13 129 49,1—6 259 49,21; 60,1—9 157 50,4—9 259 52,13—53,12 259 53,4 260 53,5 1575 53,5—6 260 53,10 78 53,11 260 54,5,6.10 13 54,5 1263 54,6-8 1264 54,10 1264 55,10—11 363 55,11 1362 60,1 657, 684, 706, 707 60,2 657, 687 60,3—5 652 60,4 (LXX) 157 61,1—2 1286 61,2 866, 1004 66,11.12 c—d 187 66,13 187 Buch Jeremia l,6f 1017 4,4 255 15,16 1484 23,5—6 255 29,11 690 31,33 154 33,14 255 Buch Ezechiel 16,8 14 16,15 14 36,25—26 Seite 255, 1573 37,21.26—28 157 Buch Hosea 1,2 14 13,4 255 Buch Joel 2,15 792 Buch Amos 6,4f 1093 Buch Jona 3,8 1287 Buch Habakuk 2,3 690 Buch Zefanja 3,14 241 Buch Sacharja 9,10 690 Buch Maleachi 3,1—2 758 3,3 756 Evangelium nach Mattäus 1,15 792 1,21 60, 262 1,23 1030 2,2 5, 706 2,4 707 2,5 4, 707 2,6 707 2,9 707 3,13 11 3,14—15 11 3,17 708 3,35 515 4,18—20 1034 5,6 513 5,9 326, 1659 5,11—12 558, 787 5,23—24 104 5,28 31, 34 6,1 793 1763 Seite Seite 6,4 793 24,42 775, 1231 6,6 1484 24,45 776 6,33 838 .25,25.26 495 7,16 1479 25,36 431 7,20 1479 25,40 495 7,21 336 26,26—28 188 7,25 779 26,28 78, 1574 8,1—4 1005 26,41 468 8,26 129 27,46 184 9,36- 38 916 28,18—19 709 9,37 214 28,19 1140 9,38 1408 28,19—20 767, 1247, 1500 10,8 1425 28,20 129, 335, 914, 1292, 10,28 558 1415, 10,30- -31 761 1416, 1456 10,39 1307 11,3 1250 Evangelium nach Markus 11,25 279, 1139 1,4 11, 1574 11,25- -27 1198 1,15 554, 683, 704, 783, 820, 11,28 576, 893, 1575 1100, 11,28- -29 1199 1271, 1312, 1530, 1575, 12,30 1418 1576, 12,50 178 1611 13,8 916 1,30 1388 13,52 1002 2,5 1554 15,34 433 4,14 362 16,13 542 8,2 804 16,15 334 10,45 78, 182 16,16 499, 542, 857, 1029, 1127 10,54 434 16,18 499, 542, 1363 11,9—10 1216 16,19 543 13,9—13 558 16,21; 17,22; 20,18 183 14,34 183 16,24 38, 40, 174, 1451 14,38 1360 16,25 576 15,34 184 17,5 142 16,6 875, 875 18,20 442, 835 16,15 544, 657 18,22 104 19,5 1656 Evangelium nach Lukas 19,5— 6 313 1,2 789 19,6 313 1,26.27 618 19,28 836 1,28 129, 241, 248, 1105, 1240 20,12 1379 1,29 1104 20,19- -20 1363 1,30—31 59 20,27- -28 331 1,31 1105 20,28 78, 434 1,31—32a 129 23,23 1485 1,31—33 130, 480 1764 Seite Seite 1,32.33 618 10,2 1361, 1408 1,33 1106 10,16 335, 959, 1448, 1461 1,34 130 10,21 1482 1,35 130, 851, 1105 10,39 1043 1,38 91, 247, 851, 1106 10,40 1042 1,38a 130 10,42 1043 1,42 3, 257, 1105 11,1 1449 1,42.45 563 11,27 633 1,45 653 11,28 1043 l,46f 1250 12,11—12 558 1,46—48 1108 12,35 557 1,46—49 172 12,50 182 l,48a.52 192 13,3.5 325 1,48.52 555 14,33 1037 1,49 563 15,12 813 l,49a.52.54 193 15,18 200, 598, 600, 601, 818 2,6—7 1279 15,20 813 2,7 1285 18,1 1484 2,9 706, 1279 19,38 855 2,10—12 1279 20,37—38 1171 2,14 262, 678, 1280 22,19 148, 893, 1500 2,19 148, 1321 22,19—20 183 2,19b 148 22,31—32 1031 2,23 757 22,32 785, 1174, 1379, 1446 2,26ff 187 22,44 183 2,30—32 757 23,34 871 2,32 758 23,37 1213 2,35 91 23,38 1213 2,48 151 23,42 1213 2,50 152 23,43 1213 2,51b 152 23,46 183 3,4.6 1261 24,5 322 3,8 1578 24,5—6 872, 875 3,22 11, 709 24,25—26 179 3,23 11 24,34 83 4,16 867 24,44 47 180 4,18 889 24,47 949 4,19 866, 890 24,53 1482 4,21 867 4,43 1293, 1386, 1470 Evangelium nach Johannes 5,8 1320 U 653 5,20.27—32; 7,48 1530 1,9 398 6,27—28 104 1,11 1282 7,29—10 1262 1,12 157, 235 9,22.43-44; 18,31-33; 1,14 59, 263 , 563 , 754, 1200, 24,6—7.26—27 152 1575 1765 Seite Seite 1,18 896 10,10 647, 1306 1,23 1251 10,12 157 1,29.33 1575 10,14—15 1456 1,41 1030 10,16 301 1,51 1101 10,16; 11,51-52; 2,1 187, 472 12,32-33 157 2,1—12 142 10,27 914 2,5 16, 17, 142, 202, 477, 10,30; 17,21 157 651, 11,25 67, 1099 1024, 1036 11,51—52 157 2,11 17 11,52 98, 301, 368, 1000, 1057 3,4 231 12,21 1445 3,14 456 12,31 1519 3,16 41, 74, 75, 208, 537, 687, 12,32 1575 705, 824, 836, 866 13,1 86, 372, 373, 374, 886 3,16—17 1355 13,1.6.9.11 938 3,17 184 13,8 869, 869, 870 4,13—14 259 13,9 869 4,15 203, 206 13,10 124 4,17 621 13,14 374, 869 4,23 1294, 1442 13,27 124 5,31—32 821 13,34 296, 512 5,36—37 821 13,34—35;15,17 1659 5,39—40 822 13,35 1417, 1485 5,43—44 825 14,6 67, 590, 1058 1306,1580 5,45 822 14,21 591 5,46 822 14,23 136, 546, 983 6,48 119 15,3 1575 6,51 113, 866, 997 15,5 878 6,53 118 15,9 535, 1118 6,54 118, 119, 121 15,10 535 6,57 119 15,11 1118 6,62 119 15,12 535, 1011 6,68 239 15.12—13 837 7,37 1067 15,12—17 932 7,38 1061 15,13 456, 535 8,11 1554 15,14 535, 1398 8,12 763 15,15 535, 866 8,28 1448 15,15f 1019 8,29 882 15,16 335 8,34 1287 15,18—21 559 8,44 621 15,20 787 10,1 301 16,8 1575 10,4—5 301 16,20 87 10,7 46 16,33 559 10,7.9f 1021 17,3 939 1766 Seite 17,11 17, 18 17,11—12 301 17,19 208, 1247 17,21 277, 369, 446, 713, 1023, 1034 17,21—22 103, 838 17,22 368, 369 17,26 1023 18,11 74, 457 18,33 481 18,36 481 18,36—37 1213 18,37 481, 869 19,5 86 19,19 481 19,25 187 19,25—17 187 19,26 157, 467 19,26f. 96 19,26—27 96, 98, 356 19,30 66, 184, 870 20,20 78 20,21 78, 80, 421, 619 20,21—23 417 20,22f 866 20,22—23 123, 1103, 1150, 1575 20,23 200, 335 20,28 887, 998 20,29 888 21,12 465 21,15 276 21,16 277 Apostelgeschichte 1,11 1030 1,14 193, 230, 357, 619, 1107 2; 3; 7; 13 usw 237 2,4 418 2,5 108, 109 2,11 418 2,33 106 2,42 193, 1406, 1406 2,42.46—47 230 2,44f 794 2,44-45; 4,32.34-35 193 3,13—15 182 Seite 4,10 178 4,12 180, 617, 1076, 1114 5,30 179 6,3 260 6,4 1454 7,56 968 9,11 743 9,16 742 10,28 237 13,47 914 17,23 237, 239 17,28 1189 20,28 1363, 1402 22,3 742 22,15 742 26,14.16 742 26,18 742 Brief an die Römer 1,1 1454, 1470 1,5 1470 1,18 215 1,20 216 1,22—23 212 l.llff 631 1,11—12 366 1,16 1018, 1293, 1470, 1575 2,2 1576 3,23 599 3,23—24 1573 3,23—25 190 3,25 1574 3,28 1089 4,25 704, 1574 5,5 234, 458, 1092, 1322 5,8 180 5,12 996 5,17 996 5,19 451 5,20 1437 6,3—4 873 6,4 878, 887, 1364 6,6 873 6,8 873 6,9 83 6,11 1364 1767 Seite Seite 6,18 143 4,1 1172, 1292, 1361, 1422, 7,15 u. 19 137 1423 7,22 148 4,18—21 1424 7,23 148 5,4—5 1576 7,25 151 5,7 66, 188 8,2 u. 4 154 5,18 383 8,18 224, 1170 5,20 793 8,19—21 1572 7,7 8 8,28 1199 9,16 728 8,29 301, 656 9,24 744 8,29—30 1198 9,24—25 174 8,31 887 9,25 1576 8,32 47 9,27 224 9,5 59 10,6f 893 9,16 1000 10,17 120, 304, 373 10,4 1089 10,31 1042 10,14 896 11,23 995 10,17 1293 11,24 995 12,1 40 11,27 126 12,2 154, 164, 1299, 1455, 1468 11,27—29 124 12,4 771 11,28 1548 12,9—17 1119 12 1495 12,12 1119 12,3 417, 418, 1481 12,15 187 12,4—6 419 12,21 462 12,13 23, 419 13,10 159, 1239 12,29 286 13,11 1229 13,4—8 539 13,12 148, 174 14,40 1092 13,14 172, 175, 1230, 1446 15,3 180 14,17 256 15,14 647 15,13 938 15,20 83, 564 16,16 1031 15,22—23 564 15,26 996 1. Brief an die Korinther 1,10 283 2. Brief an die Korinther 1,23 1406 1,3 1384 1,25 178 2,17 896 1,30 46 3,4 923 2 1580 3,17 158 2,2 1451 4,18 1037 2,11 173 5,14 1011 2,12 173 5,14f 704 3,7 1035 5,17 132, 200, 866, 1574 3,7ff 597 5,18 73, 75, 890, 1399, 1436, 3,22—23 1532 1455, 3,23 204, 206 1575 1768 Seite Seite 5,18—20 1572 5,18.20 737 5,18.21 1574 5,19 49, 73, 199, 1245 5,19—20 1575 5,20 73, 198, 1127, 1132, 1612 5,21 794, 1463 6,1 794 6,2 737 8,9 260 11,28 736 13,10 1031 Brief an die Galater 1,3—4 1397 1,4 180 1,18 1379 2,2 1305 2,5 621 2,15—16 1029 2,20 373, 743, 1296, 1358, 1575 3,28 103, 105, 301, 836, 1127 4,4 524, 676, 849, 1056 4,4—5 376, 676 4,4—7 473 4,5 525 4,6 526 4,6—7 677 4,7 377, 476 4,9 377 4,19 1476 5,5 254 5,13 158, 159 5,13 u.15 150 5,2 1089 5,9f 1374 6,10 1167 Brief an die Epheser 1,2 1055 1,3 258, 1242 1,3.5 836 1,4 1281 1,4-5 131 1,5—6 1242 1,10 1578 1,12 1243 1,14 1163 l,20f 948 2,4 50, 187, 852, 887, 1543 2,6 235 2,10 137, 139, 143, 144 2,14 103, 1578, 1687 2,16 496 2,18 1578 2,18—19 1574 2,19 540 2,20 544, 1032 2,21 111, 1385 2,21.22 540 3,7 1469 3,8 1354 3,20 1125 3,20—21 954, 1388 3,21 1000 4,1.3 369 4,1—3 1061, 1063 4,3 305 4,4 1062 4,5 302 4—5 306 4,14 167 4,15 167, 620 4,16 1422 4,24 131, 132, 133 5,19 1095 5,2 187, 190 5,25 1117, 1118, 1469 5,26 1573, 1575 5,29 314 5,32—33 314 6,16 1374 Brief an die Philipper 1,6 218 1,21 289 2,2 547 2,5 193 2,6—7 856 2,8 886 2,8—9 432 1769 Seite 2,11 857 2,12 1167 3,81 536 4,5 241 4,13 1124 13,12 537 Brief an die Kolosser 1,12—14 1216 1,13 235 1,15 1213 1,16—17 1213 1,18 83, 1212 1,24 208, 743, 866, 1276, 1462 2,19 771, 1587 3,1—2 1094 3,3 1167 3,9—10 132 3,10 221 3,12 1576 3,12—14 324 3,14—15 279 3,16 181 3,17 1297 1. Brief an die Thessalonicher 1,3 1385 3,11—12 442 4,3 1314 5,21 204 2. Brief an die Thessalonicher 1,12 925 2,16 1171 3,1 1474 1. Brief an Timotheus 1,1 1363, 1436 2,6 159 3,9 1168 3,15 169 4,10 1300 2. Brief an Timotheus 1,7—8 328 1,10 181, 648 2,8;1,14 148 Seite 2,13 1576 2,15 381 2,22 1023 3,17 714 4,2 621, 1449 4,2—5 1590 4,2.5 1472 4,7 1031, 1140 4,17 1140 Brief an Titus 2,11 1280 2,14 260, 1280 3,4 1282 3,5 836 Brief an die Hebräer 1,1-2 896 1,3 1360 2,11 983 2,14 755 2,14f 704 2,15 67 2,16 756 2,17 755, 756 4,12 1479, 1575 4,16 887, 1576 5,1 1018 5,9 1575 6,1 1577 7,25 122 9,12 189, 1039 9,14 1438, 1574 9,27 224 10,30f 705 10,5—7 59, 845, 851, 870 13,7 1033 13,8 449, 824, 1249 13,14 224 13,21 334. 925 Brief des Jakobus 1,3—4 1416 1,21 365 1,22—24 298 2,13 1424 2,18 968 1770 Seite Seite 1. Brief des Petrus 4,8.10 1129 1,2a 1220 4,8.16 1129 1,2b 1220 4,9 193 1,3 1367, 1482 4,9—10 1129 1,3—4 67, 1220 4,10 74, 195 1,8 888 4,11—12 1130 1,13 1441 4,16 1288 1,13—16 1576 5,1 157 1,13—19 40 5,4—5 1360 1,14—16 69 5,19 705 1,15 1495 1,16 70 Offenbarung des Johannes 1,18 194 1,5 851 1,20 68 1,5—6 868, 1171 1,22 1494 1,8 245 2,1 1495 1,13 886 2,2 887 1,17—18 887 2,9 1364, 1442, 1483, 1576 2—3 1494 2,11 1495 2,7 1090 2,21.24 180 2,29;3.6.13.22 655 3,8 1495 5,12 1521 4,8 1560 7,4.9.14 222 4,10 1092, 1172, 1495 7,10 1166 4,13 1374, 1403 7,13 221 5,2—4 1374 7,15 1166 5,3 1498 7,17 971 5,4 1347, 1353, 1451, 1463 12,1 562 5,9 1374 12,4 566 6—7 1126 12,7 1101, 1101 12,9 1101 12,10 1103 2. Brief des Petrus 12,11 1103 1,4 786 17,17f 1030 21,1 449 1. Brief des Johannes 21,1.4 1286 1,7 1438 21,2 449 2,2 195 21,3—4 449 2,16 1577 21,4 225 2,28 1374 21,5 449, 1276 3,2 1167 22,17 1229 3,20 887 22,20 254, 1058 Quellenverzeichnis der Zitate P 182 S. 1053 Ansprache an die Dombauhütte vom 24.09.1963 S. 388 Enzyklika „Ecclesiam suam” vom 06.08.1964 S. 669 Ansprache vor dem Diplomatischen Korps, AAS 57, 1965, S. 321—232 S. 716 Apostol. Konstitution „Paenitemini” von 1966 S. 179 S. 1576 S. 180 S. 1576 S. 182 S. 1576 Papst Honorius III. Brief vom 18.1.1221 S. 1079 Papst Leo XIII. Enzyklika „Rerum novarum” vom 15.05.1891 S. 407 Papst Pius XI. Enzyklika „Ubi arcano” vom 23.12.1922 S. 406 Enzyklika „Quas primas” vom 11.12.1925 S. 407 Enzyklika „Miserentissimus Redemptor” vom 08.05.1928 S. 407 Enzyklika „Divini illius Magistri” vom 31.12.1929 S. 407, 1654 Enzyklika „Casti connubii” vom 31.12.1930 S. 407 Enzyklika „Non abbiamo bisogno” von 1931 S. 408 Enzyklika „Quadragesimo anno” vom 15.05.1931 S. 407 Enzyklika „Divini Redemptoris” vom 19.3.1937 S. 408 Enzyklika „Mit brennender Sorge” von 1937 S. 408 Pio XI nel trentesimo della morte. Raccolta di Studie memorie, Mailand 1969, S. 137 S. 405 Papst Pius XII. Schreiben an die amerikanischen Bischöfe „Sertum laetitiae” vom 01.11.1939 Nr. 8 S. 1480 PapstPapst Johannes XXIII. Enzyklika über die Ordnung des gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart im Sinne der christlichen Gebote „Mater et magistra” vom 15.05.1961 Nr. 78 S. 423 Ansprache an die Bischöfe der Welt am Eröffnungstag des Vat. II am 11.10.1962 S. 1293/4 Enzyklika über den Frieden unter den Völkern „Pacem interris” AAS LV.1963, S. 257,303 S. 72 Teil III S. 902 Erste feierliche Ankündigung des Konzils, Discorsi Messaggi, Colloqui des S.P. Giovanni XXIII, I, 133 S. 1113 Papst Paul VI. Ansprache bei der Eröffnung der 2. Sitzungsperiode des Zweiten Vatikanischen Konzils, Insegnamenti di Paolo VI, 1963, 1773 S. 1196 S. 874 S. 903 S. 902, 1110 S. 805/6 S. 831 S. 807 S. 1462 S. 422 Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften vom 23.04.1966 Enzyklika „Populorum progessio” vom 26.03.1967 Nr. 6 Nr. 44 Zur Revision des Kodex am 12.02.1968 Enzyklika über die rechte Ordnung zur Weitergabe menschlichen Lebens "Humanae vitae” vom 25.07.1968 S. 603, 1656 Ansprache in Bogotä am 23.08.1968 S. 296 Erklärung zur Gesellschaft Jesu vom 21.04.1969 S. 1063, 1065, 1065 Ansprache vor der Vollversammlung der Internationalen Arbeitsorganisation vom 10.06.1969 Ansprache vom 29.01.1970 Apostolisches Mahnschreiben "Evangelica testificatio” vom 29.06.1971 Nr. 42 Insegnamenti di Paolo VI., v. l.X.,1972, S. 349—350 Ansprache vom 05.03.1973 S. 765 Über Papst Pius XII., Insegnamenti di Paolo VI, XII, 1974, S. 222f. S. 1112 Apostolisches Schreiben „Marialis cultus” über die Marienverehrung vom 02.02.1974 S. 230 Nr. 4 S. 241 Nr. 28 S. 357 Nr. 37 S. 187 Nr. 46 S. 197 Nr. 47 S. 202 Nr. 56 S. 1056 Nr. 57 S. 141 Predigt bei der Messe für die Kurie am 22.02.1975 S. 1021 Apostolisches Schreiben über die christliche Freude „Gaudete in Domino” vom 09.05.1975 IV und Schluß S. 171 Ansprache an die amerikanischen Bischöfe vom 15.09.1975 S. 1481 Apostolisches Schreiben über die Evangelisierung in der Welt von heute "Evangelii nuntiandi” vom 08.12.1975 S. 277, 310 Nr. 2.31 S. 490 Nr. 5 S. 1383 Nr. 12, 15, 18—20, 23, 41 S. 1494 Nr. 14 S. 1390 Nr. 18. 20 S. 1424 Nr. 20 S. 1297 Nr. 27 S. 780 Nr. 31 S. 337 Nr. 32 S. 1066 Nr. 58 S. 907 Nr. 69 S. 345 Nr. 70 S. 1394 Nr. 71 S. 1223 In anni iubilaei conclusione, 25.12.1975 S. 1572 Generalaudienz vom 21.01.1976 S. 512 Ansprache vom 24.05.1976 S. 764 Ansprache an die Teilnehmer der Weltkonferenz der Säkularinstitute am 25.08.1976 S. 935 Schlußansprache bei der Bischofssynode in: O.R. dt., Nr. 44, 1976 S. 1504 Apostolisches Schreiben über die Versöhnung in der Kirche in: O.R. dt., Nr. 51—52, 1976 S. 1503 Homilie am 19.06.1977 S. 1480 1774 Ansprache an das Diplomatische Korps 1978 S. 1048 Papst Johannes Paul II. AAS, 71,1979, S. 878 S. 442 Insegnamenti di Giovanni Paolo II, II 1979,410 S. 806/7 Ansprache an Priester und Ordensleute in Mexiko vom 27.01.1979 S. 329 Ansprache in Cuilapan am 29.01.1979 S. 319 Homilie im Heiligtum Zapopän, Mexiko am 30.01.1979 S. 840 Ansprache vom 08.02.1979 S. 400 Enzyklika „Redemptor hominis” vom 04.03.1979 Nr. 1 S. 1250 Nr. 8 S. 1390 Nr. 14 S. 412, 489, 625, 1423 Nr. 15 S. 411 Nr. 16 S. 1183 Nr. 20 S. 1577 Nr. 21 S. 732 Botschaft zum 13. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel vom 23.05.1979 S. 1655 Ansprache an die XXXIV. Generalversammlung der UNO am 02.10.1979 S. 615 Nr. 4 S. 635 Ansprache an die Bischöfe der USA am 05.10.1979 in Chicago Nr. 7 S. 1474 Apostolisches Schreiben über die Katechese in unserer Zeit „Catechesi tradendae” vom 12.10.1979 S. 278 Nr. 3 S. 898 Nr. 5 S. 781 Nr. 19 S. 1481 Nr. 50 S. 1294 Nr. 63 S. 1350 Nr. 68 S. 897 Nr. 73 S. 963 Ansprache vor der Akademie der Wissenschaften am 10.11.1979 S. 942 Generalaudienz am 14.11.1979 S. 1654 Ansprache beim Besuch der Päpstlichen Universität Gregoriana vom 15.12.1979 S. 944, 1504 Schreiben Dominicae Cenae AAS 72(1980), S. 128—129 Nr. 8 S. 1588 Generalaudienz S. 1654, 1655 am 09.01.1980 Generalaudienz am 20.02.1980 S. 1654 Ansprache am Sitz der UNESCO in Paris am 02.06.1980 Nr. 10 S. 732 Nr. 18 S. 308, 1258 Nr. 23 S. 411 Ansprache an die Wissenschaftler und Studenten im Dom zu Köln am 15.11.1980 Nr. 3 S. 1192 Ansprache vom 28.11.1980 S. 1091 Enzyklika ,,Dives in misericordia” vom 30.11.1980 S. 704 Nr. 6 S. 1575 Nr. 9 S. 186 Nr. 14 S. 804, 1124 Botschaft an alle Völker Asiens vom 21.02.1981 in Manila Nr. 5 S. 1224 Nr. 12 S. 1222 Ansprache vor der Universität der Vereinten Nationen in Hiroshima vom 25.02.1981 S. 944/5 1775 Nr. 5 Nr. 9 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 17 Nr. 18 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 27 22.11.1981 Nr. 2 Nr. 6 Nr. 11 Nr. 14 Nr. 26 Nr. 32 Nr. 33 Nr. 35 Nr. 37 Nr. 38 Nr. 43 Nr. 44 Nr. 46 Nr. 56 Nr. 65—85 Nr. 73 Bulle „Aperite portas redemptori” vom 06.01.1983 Nr. 1 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 8 Nr. 9 Motu proprio „Familia a Deo instituta” zur Errichtung des Päpstlichen Rates für die Familie vom 09.05.1981 S. 987 Enzyklika über die menschliche Arbeit ”Laborem exercens” vom 14.09.1981 S. 636 S. 492, 832 S. 960 S. 424, 425 S. 902 S. 395, 1007 S. 511, 960 S. 317, 318, 319 S. 89, 1297 Apostolisches Schreiben über die Aufgaben inder christlichen Familie in der Welt von heute „Familiaris consortio” vom S. 986 S. 602, 1273 S. 1466 S. 1308 S. 1468 S. 1656 S. 1655 S. 1466 S. 1654 S. 1479 S. 1390 S. 1468 S. 1596 S. 1357, 1464 S. 315 S. 1351, 1463/4 Angelus vom 04.04.1982, S. 1200 Ansprache bei der Begegnung mit den Vertretern des Britischen Rates der Kirchen in Canterbury am 29.05.1982 S. 922 Botschaft an die 2. außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen vom 14.06.1982 S. 1682/3 Nr. 12 S. 904 Ansprache an die Internationale Konferenz für Arbeit in Genf am 15.06.1982 Nr. 7 S. 544 Ansprache an die Kardinale vom 28.06.1982 S. 1024 Ansprache vor der päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 23.10.1982 S. 1156/7 Botschaft zum Weltmissionssonntag 1982 am 24.10.1982 S. 1091 Allocutio ad Consilium Secretariae Generalis Synodi Episcoporum vom 30.10.1982 S. 1575 Ansprache an die Kardinäle und die Mitglieder der römischen Kurie vom 23.12.1982 S. 147, 704, 705, 1269 Nr. 3 S. 1255 Nr. 5 S. 814 Nr. 9 S. 445 Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 am 01.01.1983 S. 324 Nr. 11 S. 716 S. 1022 S. 866, 879,. 1011, 1021 S. 879 S. 783, 908, 949 S. 879, 907, 936, 1115 S. 1229 Ansprache bei der Generalaudienz vom 09.06.1982 S. 922 Ansprache bei der Generalaudienz vom 09.01.1983 S. 809 1776 S. 1655 S. 1656 Ansprache vor dem Päpstlichen Rat für die Kultur vom 18.01.1983 S. 944 Apostolische Konstitution „Sacrae disciplinae leges” zur Einführung des neuen „Codex Iuris Canonici” vom 25.01.1983 S. 805, 807/8 Brief an alle Bischöfe vom 25.01.1983 S. 1271 Apostolische Konstitution Sacrae disciplinae leges vom 29.01.1983 S. 1217, 1088, 1274 Rede bei der Begegnung mit christlichen Familien in Panama vom 05.03.1983 S. 1330 Predigt bei der Messe in San Salvador am 06.03.1983 S. 839 Ansprache an die Eingeborenenbevölkerung in Quezaltenango (Guatemala) vom 07.03.1983 S. 1050 Nr. 4 S. 1333 Rede am Flughafen in Tegucigalpa vom 08.03.1983 S. 1339 Schreiben an die Bischöfe der USA vom 03.04.1983 Nr. 1 S. 1352 Nr. 2 S. 1478 Ansprache bei einem Ad-limina-Besuch vom 09.07.1983 S. 1299, 1483 Botschaft zum dritten Weltemährungstag vom 16.10.1983 S. 1186 Charta der Familienrechte, 22.10.1983 Präambel, E S. 1277 Botschaft der Bischofssynode vom 25.10.1983 S. 1180 Brief nach dem Tode von Kardinal Wyszynski S. 486 Kongregation für die Glaubenslehre Erklärung der Glaubenskongregation zu zwei Veröffentlichungen von Professor Hans Küng vom 15.02.1975; AAS 67(1975), S. 204 S. 1585 Erklärung über einige Fragen der Sexualethik, Persona humana, 29.12.1975 Nr. 1 S. 1654 Ritenkongregation Instruktion „Eucharisticum mysterium” (25.05.1967), Nr. 35 AAS 59 (1967) 560—561 S. 1576 Kongregation für das katholische Bildungswesen Erziehungsrichtlinien für die Ausbildung zum Priesterzölibat, 11.04.1974 Nr. 22 Nr. 63 Der katholische Laie - Zeuge des Glaubens in der Schule, 15.10.1982 Nr. 16 S. 309 Nr. 28 S. 310 Dokument von 1976, S. 11 S. 713 Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens DS 2803 S. 248 Konzil von Trient DS 1529 S. 79 DS 1753 S. 123 14. Sitzung, can. 3; DS 1703 S. 1575 14. Sitzung, can 5 und 7; DS 1680.1707 S. 1577 14. Sitzung: De poenitentia, c.l,DS 1668 S. 1576 1777 14. Sitzung: De poenitentia, c,4,DS 1676 S. 1576 22. Sitzung: De poenitentia, c.2,DS 1743 S. 1576 IV. Laterankonzil Const. de fide catholica, DS 802 S. 1589 Zweites Vatikanische Konzil Konstitution „Sacrosanctum Concilium” über die hl. Liturgie vom 4.12.63 S. 740 Nr. 5 S. 1574 Nr. 7 S. 1575 Nr. 10 S. 1317 Nr. 12 S. 1484 Nr. 14 S. 1442, 1483 Nr. 33 S. 1483 Nr. 83 S. 1094 Nr. 103 S. 187, 705 Konstitution über die Kirche „Lumen gentium” 21.11.1964 vom Nr. 1 S. 301, 807, 1026, 1124, 1575, 1578 Nr. 4 S. 111 Nr. 8 S. 1405, 1573 Nr. 9, 48 S. 748, 1441 Nr. 10 S. 1407 Nr. 10,17,26,28 S. 1584 Nr. 11 S. 1464 Nr. 13 S. 760, 771, 1223 Nr. 14 S. 704 Nr. 17 S. 761 Nr. 18 S. 1174 Nr. 20 S. 633 Nr. 21 S. 1475 Nr. 22 S. 737, 927, 1420, 1662 Nr. 23 S. 764, 772, 927, 1348 Nr. 24 S. 1441 Nr. 25 S. 634, 14 Nr. 26 S. 1566 Nr. 28 S. 655 Nr. 30 S. 1296, 1366 Nr. 32 S. 771 Nr. 35 S. 989 Nr. 42 S. 934, 969 Nr. 43 S. 933 Nr. 46 Nr. 48 Nr. 51 Nr. 53 Nr. 55 Nr. 56 Nr. 58 Nr. 61 Nr. 62 Nr. 63 Nr. 65 Nr. 67 Nr. 68 Nr. 69 S. 744 S. 596 S. 596 S. 1251 S. 368, 1315 S. 899, 999 S. 900 S. 1250 S. 1410 S. 772 S. 1471 S. 1383 S. 1349 S. 1359 S. 1417 S. 1381 S. 1422 S. 957 S. 934 S. 1572 S. 98 S. 128, 192, 222, 359 S. 61, 90, 91 S. 359 S. 72, 97 S. 72, 122, 198, 1057 S. 1242, 1321 S. 359 S. 1056 S. 360, 1242/3 S. 158 Dekret über den Ökumenismus „Unitatis redintegratio” vom 21.11.1964 Nr. 2, 7, u. 8 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 19 Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe „Christus Dominus” vom 28.10.1965 Nr. 2,11 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 16 Nr. 30 Nr. 36 Nr. 37 Nr. 41 Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius” vom 28.10.1965 Nr. 2 S. 916, 1384 Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis” vom 28.10.65 Nr. 1 S. 936/7 1778 Nr. 7 Nr. 15 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 4 Nr. 8 Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei S. 1573 S. 243 S. 1471 S. 782, 1472 S. 244 S. 782 S. 905 Nr. 3 Nr. 4—10 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 13 Nr. 14, Par. Nr. 16 Nr. 17 Nr. 22 Nr. 24 Nr. 26 Nr. 27 Nr. 28 Nr. 37 Nr. 41 Nr. 47 Nr. 48 Nr. 49 Nr. 50 Nr. 52 Nr. 53—62 Nr. 55 Nr. 57 Nr. 58 Nr. 63 Nr. 68 Nr. 76 Nr. 78 Nr. 79 Nr. 80 Nr. 82 der Priester „Presbyterorum S. 1017 S. 1454 S. 388, 1407, 1454 S. 655, 1663 S. 1233 S. 1455 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 15 a.E. Nr. 17 Nr. 18 Nr. 37 Nr. 38 S. 236 S. 655 Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis” vom 28.10.1965 S. 1654 S. 1443, 1476 S. 1393 S. 307 Erklärung zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen ”Nostra aetate” vom 28.10.1065 Nr. 2 S. 1572 Nr. 3 S. 1572 verbum” vom 18.11.1965 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 7 Nr. 10 Nr. 14, 15 Nr. 21 Nr. 25 Dekret über das Laienapostolat "Apostolicam actuositatem” vom 18.11.1965 Nr. 3 u. 5 S. 1215 Nr. 18 S. 1205 Nr. 30 S. 1205 Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes” vom 7.12.1965 S. 1677 S. 1272 S. 199, 604, 939, 1572 S. 1654 S. 1102, 1572, 1572 S. 1157 S. 163, 165, 1573, 1575 S. 1573, 1574, 1575 S. 173, 237, 238, 239, 412, 575, 1239, 1574 S. 8, 838 S. 1238 S. 194 S. 1677 S. 1574 S. 610 S. 1463 S. 704, 1464, 1655 S. 1084, 1655 S. 989 S. 809, 1469, 1655 S. 1257 S. 1297 S. 341 S. 1258 S. 338 S. 423 S. 1391 S. 1194, 1684 S. 1678 S. 1679/80 S. 617 Dekret über Dienst und Leben ordinis” vom 7.12.1965 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 8 Nr. 11 Nr. 13 Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche „Ad gentes” vom 7.12.1965 S. 773, 1385 S. 1575 S. 1495 S. 1387 S. 1497 S. 1144 S. 938 Erklärung über die Religionsfreiheit ”Dignitatis humanae” vom 07.12.65 Nr. 1 Nr. 3 Nr. 14 S. 211 S. 164 S. 165 1779 Botschaft an die Frauen Nr. 8.11 S. 290 Botschaft an die Jugend Nr. 1 S. 294 Nr. 3 S. 295 Nr. 4 S. 295, 296, 297 Nr. 6 S. 293 Nr. 22 S. 294 Ordo Poenitentia Praenotanda, Nr. 1 ed.cit.S. 9 S. 1574 Nr. 2; ed.cit., S. 10 S. 1576 Nr. 5, ed.cit., S. 12 S. 1578 Nr. 7b; ed.cit., S. 14 S. 1577 Nr. 8; ed.cit., S. 14 S. 1575 Nr. 20; ed.cit., S. 18 S. 1577 Eucharistisches Hochgebet I. S. 129 III. S. 304 IV. S. 331, 1578 Präfation(en) 2. Adventspräfation S. 117 Zum Christkönigsfest S. 775 Für die Verstorbenen S. 224 Römisches Brevier Hymnus der Non S. 216 Codex Iuris Canonici can. 221 S. 806 can. 387 S. 1089 can. 392 S. 1088 can. 602 S. 959 can. 663 S. 1460, 1463 can. 673 S. 1460 can. 713, Par.2 S. 933 can. 781—792 S. 1014 can. 800 S. 1479 can. 803 S. 1479 can. 961,1,2 S. 1438 can. 961—963 S. 1400 can. 1608 S. 808 Lateinamerikanische Bischofskonferenz Dokument von Puebla 406 S. 341 Polnische Bischofskonferenz Hirtenbrief vom 05.02.1983 S. 488 Leben der Heiligen des Herrn Ausgabe von 1855, S. 73 S. 527 Ambrosius Exameron VI,10,75;PL XIV, 272 S. 398 De Mysteriis, 1,6 S. 895 Ep. 41,12: PL 16,1116 S. 1549 Andreas von Kreta Predigten, LPG 97, 806 S. 1085 Augustinus Bekenntnisse U S. 205 VII,10,16 S. 1051 VIII, 12,29; PI 32,762 S. 774 IX, VI, 14 S. 710 X.6,8 S. 1060 X 23,33 S. 139 X 23,34 S. 138 De civitate Dei XII.20 S. 412 XV,16,3:PL 41,459 S. 986 De doctrina cristiana, lib.4, cap.15,32 S. 1054 De Ordine 1,9.27:CSEL 63,139 S. 1085 De praedestinatione Sanctorum II, 5 S. 1259 11,5: PL 44, 964 S. 1259 De sancta virginitate, 06 S. 1054 De sermone Domini in monte, 11,3,14 S. 1051 Enarr. in Ps. CXLIII,2:PL37, 1938 S. 1096 LXX, 11,10; CCL 39,968 S. 1268 XXXII, Sermo I, 8: PL 367, 283 S. 1095 XXX,II,s III, 1: CCL 38,213 S. 783 127,8; CCL XL.1827 S. 1022 Epistula 120: PL 33, 453 S. 1259 1780 Sermo XXXIV, III,6:PL 38,211 288,4 43,9 S. 1096 S. 896 S. 413 Bernard von Clairvaux Sermon trentisixilme sur le Cantique des Cantiques. Oeuvres mystiques de Saint Bernard, Editions du Seuil, 1953, S. 429—430 S. 1192 Blondel, M. L’action, Paris 1982, S. 354 S. 227 Chromatius von Aquileia Sermo XXX, l:S.Ch. 164, S. 134 S. 357 Colonetti, G. Pensieri e fatti dall’esilio. Vortrag am 12.06.1944. Accademia nazionale dei Lincei, Rom 1973, S. 31 S. 1192 Crysostomus In Matth. Hom. 11,3; PG 57,27 S. 1277 Cyprian De Orat. Dom., 23: PL 24,553 S. 1575 De unitate Ecclesiae, 6: CSEL 3/1,214 S. 1575 Vater-unser-Kommentar De dominica oratione, 8 S. 198 Dante Paradiso X,w. 104—105 S. 770 Didache IX, 2 X, 2 X,3 S. 1281 S. 1282 S. 1282 Didascalia Apostolorum II 12, ed. F.X. Funk, I, S. 48 S. 1576 Dominikus Const. fund. L.I.art.II, Nr. 19,Par.2 S. 1077 I cap iv,art.l, Nr. 98 S. 1075 L.I.c.I, art. V. Nr. 41 S. 1080 L.I.c.I, art. V, Nr. 51 S. 1079/80 Gregor von Nazianz Ep. 3 an Cledonius S. 838 Gregor der Große In Evangelium, Homilia XXIX,11:P1 76,1219 S. 949 Hieronymus In Eccl. comm. 10,11: PL 23, 1096 S. 1577 Ignatius Ep. ad romanos S. 1114 Brief an die Christen von Ephesus III,2 S. 951 V,1 S. 952 Brief an die Gemeinde von Smyrna, VIII, 2 S. 951 Ad Trall. 2,1 S. 1381 Irenaus Adversus haereses, IV, 20,7 S. 1163 Kalinowski, Rafael Brief an seine Schwester vom 01.07.1866 S. 537 Kluz, W. Adam Chmielowski, S. 199 S. 537 Kolbe, Maximilian, Pater Brief vom 12.04.1933 S. 459 Brief aus Nagasaki vom 06.04.1934 S. 459 Leo der Große Sermo LXXIV,1:P1 54,597 S. 948/9 Manzoni Promessi Sposi Kap VIII S. 397 1781 Michalski, Konstanty Wohin wir gehen?, Krakau 1964, S. 92 S. 529 Norwid, Cyprian Kamil Versuche S. 472 Denkschrift über die junge Emigration S. 521 Palotti, Vinzenz Opere Complete, I,S.4 S. 1205 Pascal Gedanken, Nr. 533 S. 181 Platon Apologie, 38 a S. 410 Slowacki, Juliusz So helfe mir Gott S. 436 Staff, Leopold Dies ist dein Lied S. 473 Thomas von Aquin Compendium Theologiae, c 214 201 S. 173 S. 1277 Contra gentiles, 1.1—c. 1 S. 1190 De veritate, q 1 a 1 corpus S. 204 Summa contra gentes, IV, 22 S. 156 Summa Theologiae II—II,q. 124,a 3 S. 969 III,57,6,ad 2 S. 948 q.186, art. 1 u. art. 7 S. 1074 2,2 q.45,a2 S. 169 Thomas von Celano Vita prima 83, FF466 S. 682 84 S. 685 85 S. 685 Vinzenz von Lerins Commonitorium, Nr. 28 S. 897 erste Einführung, Kap. 23 S. 1473 Wyszynski, Stefan, Kardinal Ansprache vom 6.02.1981 S. 511 Predigt am 24.05.1966 S. 452