Der Apostolische Stuhl 1984 Ansprachen, Predigten und Botschaften des Papstes Erklärungen der Kongregationen Vollständige Dokumentation Libreria Editrice Vaticana • Verlag J. P. Bachem CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Ecclesia Catholica / Curia Romana: Der Apostolische Stuhl .. .: Ansprachen, Predigten u. Botschaften d. Papstes, Erkl. d. Kongregationen; vollst. Dokumentation / Hrsg.: Sekretariat d. Dt. Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit d. Red. d. dt.-sprachigen L’Osservatore Romano. -[Cittä del Vaticano]: Libreria Editrice Vaticana; Köln: Bachem Erscheint jährl. Forts, von: Wort und Weisung 1982 (1984)- NE: Ecclesia Catholica / Papa:; HST ISBN 3-7616-0815-2 Printed in Germany Herausgeber: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in Zusammenarbeit mit der Redaktion des deutschsprachigen L’Osservatore Romano Verlag: J. P. Bachem, Köln, und Libreria Editrice Vaticana Druck: J. P. Bachem, Köln Vorwort Mit der vorliegenden Ausgabe „Der Apostolische Stuhl 1984“ liegt der dritte Band der neubegründeten Reihe der vollständigen Dokumentation aller Äußerungen von Papst Johannes Paul II. und der Kongregationen vor. In einem Anhang sind zusätzlich weitere wichtige Dokumente aufgenommen. Die chronologische Gliederung der einzelnen Bereiche und das umfangreiche Stichwortverzeichnis ermöglichen das schnelle Auffinden der gewünschten Textstelle. Zur Vervollständigung der Reihe „Der Apostolische Stuhl“ können die Ausgaben für die Jahre 1982 und 1983 noch bezogen werden. V Inhaltsverzeichnis I. Ansprachen bei den Generalaudienzen und beim Angelus Januar Neues Jahr mit „neuem Geist“ Angelus am 1. Januar 3 Gott entwirft in Maria das vollkommene Bild der Frau Generalaudienz am 4. Januar 4 Maria und die Kirche sind lebendige Tempel Angelus am 8. Januar 7 Quelle eines höheren Lebens Generalaudienz am 11. Januar 9 Das Wort, das Maria angenommen hat Angelus am 15. Januar 11 Unser Gebet für die Einheit Generalaudienz am 18. Januar 13 Glauben heißt vertrauen, nicht begreifen Angelus am 22. Januar 17 Christus zeigt uns den Zugang zur Wahrheit Generalaudienz am 25. Januar 18 Mit Maria ist die Verheißung erfüllt Angelus am 29. Januar 21 Februar Die christliche Gemeinde ist ein öffentlicher Faktor der Gesellschaft Generalaudienz am 1. Februar 23 Gebetsaufruf für den Libanon Angelus am 5. Februar 26 Es gibt eine christliche Prägung der Kultur Generalaudienz am 8. Februar 28 VII Nur ein Waffenstillstand ermöglicht echten Dialog Friedensappell für den Libanon Bei der Generalaudienz am 8. Februar 32 Liturgie ist Handlung Christi Angelus am 12. Februar 33 Arbeit, um mit anderen zu teilen Generalaudienz am 15. Februar 34 Neues Konkordat mit Italien ein „Ereignis von historischer Bedeutung“ Angelus am 19. Februar 38 Die Schlüssel des Himmelreiches Generalaudienz am 22. Februar 39 Reich an ökumenischer Bedeutung Angelus in Bari am 26. Februar 42 Erster Anstoß durch Gott Generalaudienz am 29. Februar 43 In der Treue zum geistlichen Erbe des hl. Kasimir Gebetsaufruf für Litauen Bei der Generalaudienz am 29. Februar 46 März Europas „christliche Wurzeln“ Angelus am 4. März 47 Von der Buße gekennzeichnet Generalaudienz am 7. März 49 Geschöpf mit „neuem Herzen“ Angelus am 11. März 52 „Allein im Licht Gottes“ Generalaudienz am 14. März 54 Der Mensch ist das Ziel der Arbeit Angelus am 18. März 57 Der Wert des Sündenbekenntnisses Generalaudienz am 21. März 58 Die Kraft dieser Weihe überwindet alles Böse Weiheakt an die Gottesmutter Vor dem Angelusgebet am 25. März 61 VIII Aus Elend und Verzweiflung befreit Generalaudienz am 28. März 64 Gegen Gott und die Menschheit Appell gegen chemische Waffen Bei der Generalaudienz am 28. März 68 April „Maria und das menschliche Leiden“ Angelus am 1. April 69 „Einwohnung“ des Heiligen Geistes Generalaudienz am 4. April 70 „Durch dich fallen Besiegte und Feinde“ Angelus am 8. April 73 Die Kirche mahnt zum Bußsakrament Generalaudienz am 11. April 75 In Erwartung des ewigen Ostern Angelus am 15. April 78 Christus, der zum Mahl einlädt, ist derselbe, der zur Buße mahnt Generalaudienz am 18. April 79 Zeugen der Auferstehung Generalaudienz am 25. April 83 „Als Hirt der Universalkirche“ Regina Caeli am 29. April 86 Mai Arbeit - ein Gut für den Menschen Generalaudienz am 1. Mai 87 „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ Regina Caeli am 13. Mai 91 Rückblick auf die Fernostreise Generalaudienz am 16. Mai 93 Der Weg zum Leben Regina Caeli am 20. Mai 98 IX Das Hohelied der Liebe Generalaudienz am 23. Mai 99 In der Sprache der Bilder Generalaudienz am 30. Mai 105 Juni Vorbereitung auf Pfingsten Regina Caeli am 3. Juni 109 Die Agape führt den Eros zur Vollkommenheit Generalaudienz am 6. Juni 110 Appell für den Frieden im Persischen Golf Im Verlauf der Generalaudienz am 6. Juni 114 „Sende den Geist, die Erde zu erneuern!“ Regina Caeli am Pfingstsonntag, 10. Juni , 114 Über die Pilgerreise in die Schweiz Generalaudienz am 20. Juni 116 Christus in der Eucharistie Angelus am 24. Juni 122 Liebe „stark wie der Tod“ Generalaudienz am 27. Juni 123 Juli „Betet für diesen mutigen Hirten“ Angelus am 1. Juli 127 „Die liturgische Sprache als Sprache des Leibes“ Generalaudienz am 4. Juli 128 Ein Dank an Kyrill und Method Angelus am 8. Juli 132 Die Normen von „Humanae vitae“ Generalaudienz am 11. Juli 134 Ein schwerer Vorfall Appell für die Kirche in Nicaragua Am Schluß der Generalaudienz am 11. Juli 137 „Gute und frohe Ferien!“ Angelus in Castel Gandolfo am 15. Juli 138 X Ehe auf Fortpflanzung hingeordnet Generalaudienz am 18. Juli 140 „In rechter Weise beten!“ Angelus am 22. Juli 143 „Ohne Gottes Hilfe unmöglich“ Generalaudienz am 25. Juli 145 Innere Erneuerung ist nötig Wort zur Amnestie in Polen Während der Generalaudienz am 25. Juli 149 Quelle aller echten Liebe Angelus am 29. Juli 150 August Das Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan ausrichten Generalaudienz am 1. August 151 Äußerster Ausdruck der Freiheit Erinnerung an den Jahrestag des Warschauer Aufstandes Während der Generalaudienz am 1. August 155 Paul VI. bleibt unvergeßlich Angelus am 5. August 156 Der Würde von Mann und Frau entsprechend Generalaudienz am 8. August 158 Segensgruß der Kirche in Polynesien Angelus am 12. August 161 Maria: die Erste der Erlösten Angelus am 15. August 162 Um alle Völker zu lehren Angelus am 19. August 164 Der Leib ist Ausdrucksmittel des ganzen Menschen Generalaudienz am 22. August 165 Denkt an Litauen Angelus am 26. August 169 Selbstbeherrschung bereichert Generalaudienz am 29. August 171 XI September „Warum lebe ich?“ Angelus am 2. September 175 Das rechte Gewissen als Deuterin Generalaudienz am 5. September 176 Für „herzliche Aufnahme“ in Kanada gedankt Angelus in Castel Gandolfo am 23. September 181 Der Auftrag für Kanadas Kirche Generalaudienz am 26. September 183 Rosenkranz - ein biblisches Gebet Angelus am 30. September 188 Appell zu Malta: Intoleranz und Gewalt Nach dem Angelus am 30. September 189 Oktober „Gestärkt und gleichsam geweiht“ Generalaudienz am 3. Oktober 190 Blick auf die Madonna vom Trost Angelus in Reggio Calabria am 7. Oktober 193 Schlüsselelement ist die Liebe Generalaudienz am 10. Oktober 195 Betet um den „ersehnten Frieden“! Angelus am 14. Oktober 199 Auf den Spuren des Kolumbus Generalaudienz am 17. Oktober 201 „Erzählt bei den Völkern vom Herrn!“ Angelus am 21. Oktober 206 Echte Freiheit der Hingabe Generalaudienz am 24. Oktober 209 Pastoraireise nach Venezuela Angelus am 28. Oktober 214 Ist diese Anstrengung möglich? Generalaudienz am 31. Oktober 216 XII November Nicht Gewalt, sondern Liebe Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 221 Als Pilger beim hl. Karl Angelus in Arona am 4. November 223 Selbsthingabe an das andere Ich Generalaudienz am 7. November 226 „Arbeit mit Gebet verbinden!“ Angelus am 11. November 229 Die Ehrfurcht vor Gottes Werk Generalaudienz am 14. November 230 An den Gräbern unserer Toten Angelus am 18. November 234 Ehrfurcht vor Gottes Werk Generalaudienz am 21. November 236 Die Jugend der Welt nach Rom einladen Angelus am 25. November 239 „Die menschliche Liebe im Heilsplan“ Generalaudienz am 28. November 241 Dezember Advent als „Wiederkehr“ und „Heimsuchung“ Angelus am 1. Adventssonntag, 2. Dezember 245 Über die Wahrheiten des Glaubens Generalaudienz am 5. Dezember 246 Das Zeichen des „neuen Anfangs“ Angelus am 8. Dezember 250 Advent - Nahen der Rettung Angelus am 9. Dezember 251 Katechese in den ersten Jahrhunderten Generalaudienz am 12. Dezember 252 Auf das heilige Weihnachtsfest hin Angelus am 16. Dezember 255 Katechese gründet im Glauben Generalaudienz am 19. Dezember 257 XIII Die Ankunft des Erlösers Angelus am 23. Dezember 261 Nachdenken an der Krippe Angelus am 26. Dezember 262 Das Heil der Welt Angelus am 30. Dezember 263 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen 1. Pastoraireise nach Bari (26. Februar) „Möge der hl. Nikolaus sprechen“ Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Messegelände in Bari .... 268 Verpflichtung beider Schwesterkirchen Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in der St.-Nikolaus-Basilika in Bari 273 Zurück zur Priorität der Landwirtschaft Ansprache an die Landbevölkerung Apuliens in Bitonto bei Bari .. 278 2. Pastoraireise nach Südkorea, Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und Thailand (2. bis 11. Mai) 28. April Femsehbotschaft an das koreanische Volk 286 2. Mai Ansprache bei der Ankunft in Fairbanks (Alaska) 287 Predigt beim Wortgottesdienst in Fairbanks (Alaska) 289 3. Mai Ansprache bei der Ankunft in Korea auf dem Flughafen Seoul-Kimbo 292 Predigt bei der Eucharistiefeier im Priesterseminar in Seoul 295 Ansprache an die Koreanische Bischofskonferenz in Seoul 298 XIV 4. Mai Predigt bei der Messe mit Taufe und Firmung in Kwangju (Korea) 302 Botschaft an die Kinder Koreas 306 Predigt beim Wortgottesdienst auf der Leprastation der Insel Sorokdo (Korea) 308 Ansprache an das Diplomatische Korps in Seoul 311 5. Mai Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe in Taegu (Korea) 316 Predigt beim Wortgottesdienst mit Arbeitern, Fischern und Bauern in Pusan (Korea) 320 Ansprache bei der Begegnung mit den Diözesanpriestem und Ordensleuten in der Sogang-Universität in Seoul 324 Ansprache an die Repräsentanten der Wissenschaft und Kultur in der Sogang-Universität in Seoul 327 6. Mai Vor dem Regina Caeli in Seoul 332 Predigt bei der feierlichen Messe und Heiligsprechung von 103 Märtyrern in Seoul 333 Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der traditionellen Religionen in Seoul 338 Ansprache an die Mitglieder des nationalen Pastoralrats Koreas im Catholic Medical College in Seoul 340 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Sportpalast in Seoul 344 7. Mai Grußwort vor dem Abflug von Seoul 348 Predigt bei der Messe im Murray-Stadion in Port Moresby (Papua-Neuguinea) 350 XV 8. Mai Predigt bei der Messe in Mount Hagen (Papua-Neuguinea) 354 Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken in Port Moresby (Papua-Neuguinea) 357 Ansprache an die Bischofskonferenz von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln in Port Moresby 359 Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus, den Ordensleuten und Repräsentanten der Laien in Port Moresby (Papua-Neuguinea) 363 9. Mai Predigt bei der Messe auf dem Town Ground in Honiara (Salomoninseln) 367 Weihegebet an die Muttergottes zum Abschluß der Messe in Honiara (Salomoninseln) 372 Grußwort vor dem Abflug von den Salomoninseln am Flugplatz von Honiara 373 10. Mai Grußwort vor dem Abflug von Papua-Neuguinea auf dem Flugplatz von Port Moresby 374 Ansprache bei der Begegnung mit dem König von Thailand in Bangkok 375 Predigt bei der Messe im Stadion von Bangkok 377 11. Mai Ansprache im Flüchtlingslager Phanat Nikhom (Bangkok) 381 Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien in der Kathedrale in Bangkok 383 Predigt bei der Messe und Priesterweihe im Diözesanseminar inSampran 387 Weihegebet an die Muttergottes zum Abschluß der Messe im Diözesanseminar in Bangkok 391 Ansprache an Regierungsmitglieder, Diplomatisches Korps und Vertreter der Religionsgemeinschaften im Regierungspalast von Bangkok 392 Ansprache an die Thailändische Bischofskonferenz in Bangkok . . . 397 Grußwort vor dem Abflug von Thailand auf dem Flughafen in Bangkok 401 XVI 3. Pastoratbesuch in Viterbo (27. Mai) Nicht eine eigene Ideologie, sondern Christus verkündigen Ansprache an die Priester, Ordensleute und Seminaristen in Viterbo 406 Gebet zur Madonna della Quercia 409 Christus ist der Maßstab unseres Verhaltens Predigt in Viterbo 410 Auch Viterbo ist eine marianische Stadt Regina Caeli 415 4. Pastoraireise in die Schweiz (12. bis 17. Juni) 11. Juni Fernsehbotschaft an das Schweizer Volk vor der Pastoraireise 418 12. Juni Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Zürich-Kloten .... 420 Predigt bei der Messe im Cornadero-Stadion in Lugano 423 Ansprache beim Besuch des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf 429 Ansprache beim Besuch im Orthodoxen Zentrum des Ökumenischen Patriarchats in Chambesy 437 13. Juni Ansprache an die Ordensleute der Schweiz in der Franziskanerkirche „Les Cordelier“ in Freiburg 440 Ansprache in der Universität Freiburg 445 Ansprache bei der Begegnung mit den Theologieprofessoren in Freiburg 450 Ansprache an die Kranken im Freiburger Kantonsspital 456 Predigt bei der Eucharistiefeier in Freiburg 457 Ansprache an das Diplomatische Korps in Freiburg 463 Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund in Freiburg 466 Ansprache bei der Begegung mit der Westschweizer Jugend in Freiburg 468 XVII 14. Juni Ansprache bei der Begegnung mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in der Schweiz in Kehrsatz 473 Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Kehrsatz 476 Ansprache an den Schweizer Bundesrat in Kehrsatz 479 Predigt bei der Messe in Flüeli 484 Gebet am Grab des hl, Nikolaus von Flüe in Sächseln 490 15. Juni Predigt zur Laudes mit dem Benediktinerkonvent in Einsiedeln ... 491 Gebet an die Muttergottes in Einsiedeln 494 Ansprache an die Schweizer Bischofskonferenz in Einsiedeln 496 Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizer Klerus in Einsiedeln 505 Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern des Laienapostolats in Einsiedeln 515 Predigt bei der Messe und Altarweihe in Einsiedeln 521 Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der kirchlichen Missions- und Hilfswerke in Einsiedeln 527 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Einsiedeln 529 16. Juni Ansprache an die Vertreter der Schweizer Medien in Einsiedeln ... 533 Ansprache im Regionalspital in Einsiedeln 535 Predigt beim Wortgottesdienst mit ausländischen Arbeitnehmern in Luzern 537 Predigt bei der Messe in Luzern 542 17. Juni Predigt bei der Messe und Priesterweihe in Sitten 548 Angelus in Sitten 555 Ansprache bei der Segnung der Fahne der Skifahrer in Sitten 557 Wort beim Besuch der Kathedrale in Sitten 558 Ansprache an polnische Landsleute in Sitten 559 Ansprache vor dem Abflug von Sitten 563 XVIII 5. Pastoralbesuch in Fano (12. August) „Der Glaube ist eine Frage des Mutes“ Homilie bei der Messe 570 Das geistige Erbe in Ehren halten Ansprache an die Repräsentanten von Staat und Stadt 575 6. Pastoralbesuch in Kanada (9. bis 20. September) 9. September Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Quebec 578 Angelus in der Kathedrale in Quebec 581 Predigt bei der Messe im Sportstadion der Laval-Universität in Quebec 582 10. September Ansprache bei der Begegnung mit den Behinderten im Centre Frangois-Charon in Quebec 589 Ansprache an die Indianer und Eskimos in Sainte-Anne de Beaupre 596 Ansprache in der Wallfahrtskirche in Notre-Dame du Cap 601 Predigt bei der Messe in der Wallfahrtskirche Notre-Dame du Cap in Trois Rivieres 603 11. September Ansprache an die Priester und Seminaristen in Montreal 609 Predigt bei der Messe und Seligsprechung von Sr. Marie-Leonie Paradis im Jarry-Park in Montreal 617 Ansprache an die Jugend im Olympiastadion in Montreal 625 12. September Predigt bei der Messe in St. John’s (Neufundland) 633 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in der Memorial University in St. John’s 637 Ansprache bei der Begegnung mit katholischen Erziehern in der Kathedrale von St. John’s (Neufundland) 642 XIX 13. September Predigt bei der Messe in Monoton 648 Ansprache vor dem Angelus mit der Jugend von Halifax 656 Ansprache bei der Begegnung mit den Laien im kirchlichen Dienst in Halifax 658 14. September Ansprache beim Besuch im I.-W.-Killam-Krankenhaus in Halifax . 664 Predigt bei der Messe in Halifax 666 Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus in Toronto 671 Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Toronto 677 Ansprache bei der Begegnung mit der polnischen Gemeinde in Toronto 681 15. September Ansprache an die Kranken und Alten im Märtyrerheiligtum inHuronia 688 Predigt beim Wortgottesdienst in Huronia 690 Predigt bei der Eucharistiefeier in Toronto 695 Ansprache bei der Begegnung mit der slowakischen Gemeinde des byzantinischen Ritus in Unionville/Toronto 701 16. September Ansprache an die Gemeinde der ukrainischen Katholiken des byzantinischen Ritus in der Kathedrale von Winnipeg 704 Angelus in der Kathedrale in Winnipeg 708 Predigt bei der Eucharistiefeier in Saint Boniface bei Winnipeg .... 709 Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Edmonton 714 17. September Predigt bei der Messe in Edmonton 718 18. September Ansprache über Fernsehen an die Ureinwohner in Fort Simpson ... 724 Predigt bei der Messe in Vancouver 729 Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend, der älteren Generation und den Behinderten in Vancouver 734 XX 19. September Predigt bei der Messe im Konvent der Dienerinnen Jesu und Mariä in Gatineau-Hull (Ottawa) 741 Ansprache an die Repräsentanten der Regierung und das Diplomatische Korps in Ottawa 747 20. September Ansprache an die Kanadische Bischofskonferenz in Ottawa 754 Predigt bei der Messe in Ottawa 764 Ansprache vor dem Abflug von Ottawa 770 7. Pastoralbesuch in Kalabrien (5. bis 7. Oktober) 5. Oktober „Geht einem neuen Morgen entgegen!“ Ansprache nach der Ankunft in Lamezia Terme 774 6. Oktober „Gott hat ein Volk erwählt“ Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Cosenza 778 „Kalabrien braucht solche Priester“ Ansprache an die Seminaristen und Priester im Priesterseminar „San Pio X“ in Catanzaro 784 7. Oktober „Jesus mit euch an der Werkbank“ Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern des Konzerns Montedison Sud in Crotone 788 „Christus kam nicht nur bis Eboli“ Ansprache an die Jugend Kalabriens auf dem Domplatz von Reggio Calabria 792 Vieles muß noch getan werden Predigt bei der Eucharistiefeier in Reggio Calabria 797 XXI 8. Pastoraireise in die Karibik (10. bis 13. Oktober) 10. Oktober Predigt beim Wortgottesdienst in Saragossa 804 11. Oktober Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Santo Domingo . . 810 Predigt bei der Messe in Santo Domingo 812 12. Oktober Gebet zur Vorbereitung auf die 500-Jahr-Feier der Evangelisierung Amerikas in Santo Domingo 820 Ansprache an die Bischöfe des Lateinamerikanischen Bischofsrates in Santo Domingo 821 Predigt bei der Messe in San Juan de Puerto Rico 832 9. Pastoraireise „auf den Spuren des hl. Karl Borromäus“ (2. bis 4. November) 2. November „Der hl. Karl lehrt beten“ Ansprache bei der Ankunft auf dem Heiligen Berg in Varese 840 3. November „Demut strebt nach Höherem“ Ansprache im Kolleg San Carlo Borromeo in Pavia 843 Sterben ist viel mehr Ansprache zum Abschluß der Kreuzweg-Betrachtung auf dem Heiligen Berg von Varallo 848 4. November „Reform, die liebt und nicht haßt“ Predigt bei der Messe in Arona 852 „Auf dessen Stimme sie hören“ Predigt bei der Messe auf dem Domplatz in Mailand 856 XXII III. Ansprachen, Predigten, Botschaften und Rundschreiben Januar „Der Frieden entspringt einem neuen Herzen“ Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar 865 „Neue Herzen“ für einen sicheren Frieden Predigt am 1. Januar 875 Motu proprio zur Errichtung der Päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des Codex des kanonischen Rechts 2. Januar 880 Gültige Alternative zu vielen Irrwegen Ansprache an den Führungskreis der Schönstattmädchenjugend Bei der Audienz am 2. Januar 881 Dem Zeichen des Sterns gefolgt Predigt bei der Bischofsweihe am 6. Januar 882 „Sie werden zu Gotteskindern“ Predigt beim Gottesdienst zur Taufe von 27 Kindern am 8. Januar . 885 „Wollt ihr Jesus in euren Herzen?“ Ansprache bei der Heilig-Jahr-Feier der Kinder am 8. Januar 887 Durch konkrete Schritte aus der heutigen Sackgasse herauskommen Neujahrsansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 14. Januar 889 Quelle menschlicher Bereicherung Ansprache an das Präsidialkomitee, den Exekutivausschuß und den Internationalen Rat des Päpstlichen Rates für die Kultur am 16. Januar 899 „Auch Goethe fühlte sich hier wohl“ Ansprache an den Bürgermeister und die Stadträte von Rom am 16. Januar 903 Im Mittelpunkt jeder Planung muß immer der Mensch stehen Ansprache an die Mitglieder der Unabhängigen Kommissionen für Entwicklung und Abrüstung am 21. Januar 907 „Einheit ohne jeden Schatten“ Predigt beim Wortgottesdienst zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar 909 XXIII „Jetzt ist nicht mehr Zeit zur Diskussion, sondern zur Anwendung“ Ansprache an die Sacra Romana Rota zur Eröffnung des Gerichtsjahres am 26. Januar 913 Berufliche Kompetenz - moralische Verantwortung Ansprache an die Journalisten am 27. Januar 920 Die Gabe der Unterscheidung soll euch inspirieren Ansprache an die Leiter und Priester-Alumnen der Päpstlichen Diplomatenakademie am 30. Januar 927 Februar Christus ist „Zeichen des Widerspruchs“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Ordensleute am 2. Februar 930 Der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste Ansprache an die italienischen Rotarier am 4. Februar 934 Rom gleicht dem Jerusalem des Pfingsttages Predigt bei der Messe im byzantinischen Ritus am 5. Februar 9,36 Weisheit und Schönheit in der Welt verbreiten Ansprache bei der Einweihung des Erweiterungsbaues der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek am 7. Februar 941 In der Hoffnung sind wir gerettet Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongreß über „Die Weisheit des Kreuzes heute“ am 9. Februar 945 Finnland hat versucht, seine Eigenständigkeit zu bewahren Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters Finnlands beim Hl. Stuhl, Kaarlo Juhana Yrjö-Koskinen, am 9. Februar 950 „Betet und leidet für die Kirche!“ Predigt bei der Messe für die Kranken am 11. Februar 952 Apostolisches Schreiben „Salvifici doloris“ über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens vom 11. Februar 957 „Euer Leid hat unschätzbaren Wert“ Ansprache an die Teilnehmer der Behindertenwallfahrt „Sonnenzug“ aus dem Erzbistum München und Freising am 17. Februar . . . 1000 Eine zeitlose Botschaft lebendigen Christentums Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Künstler am 18. Februar 1001 XXIV Nur „ein Herz und einen Glauben“ Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 18. Februar 1008 Für uns selber: Mut zum Glauben Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von 100 Märtyrern am 19. Februar 1010 „Führt ein Leben, das eurer Berufung würdig ist!“ Homilie zur Jubiläumsfeier der Priester im Heiligen Jahr der Erlösung am 23. Februar 1017 Die Welt gestalten, nicht sie zerstören Botschaft zur Fastenzeit, 23. Februar 1024 Versöhnung, Frieden und Fortschritt Ansprache an den Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl, Dr. Hans Pasch, anläßlich der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens am 24. Februar 1026 Saat, in der Erde verborgen Ansprache bei der Audienz für die chinesischen Bischöfe aus Taiwan am 28. Februar 1029 März „Es genügt nicht, stehenzubleiben!“ Ansprache an die Provinzialminister der Kapuziner am 1. März .... 1033 „Auf den Pfaden des Dialogs“ Ansprache an die Mitglieder und Konsultoren der internationalen lutherischen/katholischen Kommission am 2. März 1037 „Sie rechnen mit euren Gebeten“ Ansprache an die litauischen Pilger aus aller Welt am 3. März 1039 Dialog heißt: verzeihen lernen Ansprache an die Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtchristen am 3. März 1041 Im Feuer so vieler Prüfungen Predigt bei der feierlichen Konzelebration mit den Bischöfen Europas anläßlich des 500. Todestages des hl. Kasimir, des Patrons Litauens, am 4. März 1045 Tiefbewegt vom Jubiläum der Erlösung Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag vom 7. März 1051 XXV Fasten: die Richtung „nach innen“ Predigt am Aschermittwoch, 7. März 1052 Das Recht auf Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des 5. Internationalen Juridischen Kolloquiums der Päpstlichen Lateran-Universität am 10. März .... 1055 Wissen und Weisheit im Einklang Ansprache bei der Gedenkfeier zum 100. Todestag von Gregor Mendel am 10. März 1059 „. . . man nehme mir nicht das Kreuz“ Predigt bei der Messe und Heiligsprechung der seligen Paola Frassinetti am 11. März 1063 „Christus hat die Welt auch durch die Arbeit erlöst“ Predigt beim Gottesdienst anläßlich der Heilig-Jahr-Wallfahrt der Arbeiter am 18. März 1067 Allein die Suche nach der Wahrheit Ansprache an die Mitglieder des Veranstaltungskomitees der internationalen Studientagung über Martin Luther am 24. März 1073 Apostolisches Schreiben „Redemptionis Donum“ an die Ordensleute über das gottgeweihte Leben im Licht des Geheimnisses der Erlösung vom 25. März 1077 Einer neuen Zukunft Leben geben Ansprache bei der Begegnung mit den Familien am 25. März 1106 Ist Gott in unserer Mitte? Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Familien am 25. März 1110 „Kleine Herde“ unter anderen Christen Ansprache an die Teilnehmer der Heilig-Jahr-Wallfahrt aus den skandinavischen Ländern am 30. März 1117 Den Sieg über das Leid vorwegnehmen Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Behinderten am 31. März 1118 April Von christlicher Tradition inspiriert Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Bruderschaften am 1. April 1124 Die Kongregration für die Sakramente und den Gottesdienst wird in zwei einzelne Dikasterien geteilt 5. April 1130 XXVI Freiheit für katholische Schulen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für das katholische Bildungswesen am 5. April 1131 Neue Bestimmungen zur Ausübung der zivilen Macht in der Regierung des Vatikanstaates 6. April 1134 „Wenn es sie nicht gäbe, müßte man sie schaffen“ Ansprache an die Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 6. April 1135 Mündig werden für das „Zeitgespräch der Kirche“ Ansprache an die Teilnehmer des Rom-Seminars der Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse (AKP) am 6. April 1138 „Den Krieg verhindern ist schon ein Wirken für den Frieden“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Soldaten am 8. April .... 1139 Möge Amerika sich selbst treu bleiben Ansprache bei der Audienz für den ersten US-amerikanischen Botschafter beim Hl. Stuhl, William A. Wilson, am 9. April 1145 Der Sport muß im Dienst des Menschen stehen Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Sportler am 12. April 1147 „Oft ist das Radio das einzige Mittel für Information und Katechese“ Ansprache an die Vorstandsmitglieder der Europäischen Rundfunkunion (UER) am 13. April 1152 „Die wahre Kraft hegt in Christus“ Ansprache an die Jugend aus aller Welt am 14. April 1157 „In Jesus Christus zum Heil berufen“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe mit der Jugend am 15. April .... 1163 „Eine messianische Prophezeiung“ Predigt bei der Messe und Ölweihe am 19. April 1168 Unter den Zeichen von Brot und Wein Predigt bei der Abendmahlsmesse am 19. April 1171 Versöhnung auch im Heiligen Land Apostolisches Schreiben an die Bischöfe der katholischen Kirche, die Priester, Ordensleute und alle Gläubigen über die Stadt Jerusalem, heiliges Erbe aller Glaubenden, ersehnter Kreuzpunkt des Friedens für alle Völker des Nahen Ostens vom 20. April 1173 XXVII „Gott wird in der Geschichte der Menschheit niemals sterben“ Ansprache beim Kreuzweg am 20. April 1177 Baut euer Leben auf Liebe auf! Ansprache bei der Audienz für Lehrer und Schüler katholischer Schulen in Limburg (Belgien) am 21. April 1180 „Nacht der heiligsten Erwartung“ Predigt bei der Osternachtsmesse am 21. April 1181 ,, Öffnet euch, Menschenherzen, und nehmt das Geschenk Christi an! “ Osterbotschaft zum Abschluß des Heiligen Jahres der Erlösung Vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am 22. April 1184 Eine Zukunft für die Kinder Ansprache an die Teilnehmer der UNICEF-Tagung am 26. April .. 1188 Die Familie ist Pflanzstätte des religiösen Lebens Ansprache an Mitglieder der Schönstatt-Bewegung am 27. April . . 1193 Medizinische Forschung - sittliche Werte Ansprache an Teilnehmer eines internationalen Krebsforschungssymposions am 27. April 1194 Eine unvergeßliche Erfahrung der Kirche Brief an alle Bischöfe der Kirche zum Dank für ihre Mitfeier des Heiligen Jahres vom 29. April 1197 Eure Würde in Gottes Augen Ansprache bei der Audienz für spanische Gastarbeiter am 30. April 1199 Mai „Die großen Geheimnisse“ Apostoüsches Schreiben an alle Bischöfe der katholischen Kirche vom 1. Mai 1201 Botschaft an alle Libanesen vom 1. Mai 1204 Jesus begegnen - in Stille und Gebet Botschaft zum Weltgebetstag für die geistlichen Berufe am 13. Mai 1207 Ein Lebensweg in der Gnade des Vaters Glückwunschschreiben zum 50. Priesterjubiläum von Kardinal Johannes Willebrands vom 14. Mai 1213 XXVIII 75 Jahre Päpstliches Bibelinstitut Ansprache bei der Audienz für die Dozenten und Studenten des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom am 17. Mai 1215 „Im harten Wirtschaftsleben als Christen bewähren!“ Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Schwäbischen Wirtschaft am 18. Mai 1218 Die Sendung des Laien Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 19. Mai 1219 Unter allen Nationen am nächsten Ansprache beim offiziellen Besuch des italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini im Vatikan am 21. Mai 1223 Der Gemeindesaal soll eine Ergänzung der Kirche sein Ansprache an die Teilnehmer des 4. Nationalausschusses der katholischen Vereinigung für das Filmgewerbe am 24. Mai 1226 Zeichen der Nächstenliebe Ansprache an den Verwaltungsrat der Stiftung „Johannes Paul II. für die Sahelzone“ am 25. Mai 1229 Zur Vorbereitung auf die christliche Ehe Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 26. Mai 1232 „Ihr werdet meine Zeugen sein“ Predigt bei der Messe und Priesterweihe am 31. Mai 1236 Juni Die Übel der Welt erleichtern Ansprache an die Mitglieder der Lepra-Arbeitsgruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 1. Juni 1238 In untrennbarer Verbundenheit mit dem italienischen Volk Ansprache an den italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini bei seinem Staatsbesuch im Quirinaispalast am 2. Juni 1241 Getreu im Dienst der Wahrheit Botschaft zum 18. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 3. Juni 1244 Kirche tritt für das Leben ein Ansprache an den Generalsekretär der Weltkonferenz für Bevölkerungsfragen am 7. Juni 1249 XXIX „Verkündet Gottes große Werke!“ Predigt beim feierlichen Pfingstgottesdienst in St. Peter am 10. Juni 1254 Das Leiden ist kostbares Werkzeug der Evangelisierung Botschaft zum Weltmissionssonntag im Oktober Veröffentlicht am 10. Juni 1258 Im Alltag die Treue zu Christus bewahren Ansprache an Jubilarpriester aus der Diözese Regensburg am 11. Juni 1263 Sakrament des ewigen Lebens Predigt beim Fronleichnamsgottesdienst Vor der Basilika St. Johannes im Lateran am 21. Juni 1265 „Kraft der brüderlichen Liebe“ Ansprache an den syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Mar Ignatius Zakka I. Iwas, am 21. Juni 1267 „Eine der schlimmsten Geißeln“ Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Tagung über den Alkoholismus am 22. Juni 1270 „Leidenschaft für die Theologie“ Ansprache bei der Verleihung des internationalen Preises „Paul VI.“ an Prof. Hans Urs von Balthasar am 23. Juni 1272 Auf dem Fundament Petri Ansprache im Geheimen Konsistorium am 25. Juni 1278 Zum Schutz der Unterdrückten Ansprache an den Großmeister des Souveränen Malteserordens und die Mitglieder des Souveränen Rates Bei der Audienz am 26. Juni 1279 Eine Schule christlicher Bildung Ansprache an die Kardinäle und Mitarbeiter der Römischen Kurie Beim Wortgottesdienst in St. Peter am 28. Juni 1282 „Auf Wiedersehen in Belgien“ Ansprache an eine Delegation der Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens am 28. Juni 1295 Identitätskrise des Arztberufs Ansprache beim Besuch der Medizinischen Fakultät der Katholischen Herz-Jesu-Universität am 28. Juni '. 1296 XXX Wesenskern der Persönlichkeit Predigt bei der Messe zum 25. Todestag von Pater Agostino Gemelli in der Gemelli-Poliklinik am Herz-Jesu-Fest, 28. Juni 1301 Willkommen im Namen des Herrn Ansprache bei der Audienz für den orthodoxen Erzbischof von Australien, Stylianos, und die Delegation des Ökumenischen Patriarchats am 28. Juni 1307 „Aus ihrem Zeugnis wächst die Kirche“ Predigt bei der feierlichen Messe in St. Peter am Fest Peter und Paul am 29. Juni 1310 Juli Ein Recht auf Heimat Botschaft an die Veranstalter und Teilnehmer der II. Internationalen Konferenz für Flüchtlingshilf ein Afrika am 5. Juli 1315 Geschichtsunterricht muß korrekt sein Ansprache an die Leitungsgruppe des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates (ICCJ) am 6. Juli 1317 Für eine „neue Begeisterung“ Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der mariani-schen Regularkleriker am 6. Juli 1319 Gegen alle Rassentrennung Ansprache an die Mitglieder des UNO-Sonderausschusses gegen die Apartheid am 7. Juli 1320 „. . . auch wenn die Welt zweifelt“ Ansprache an das Generalkapitel der Steyler Missionsschwestern am 7. Juli 1324 Es gibt zu Recht Teilkirchen mit eigener Überlieferung Ansprache beim Besuch des Armenischen Kollegs in Rom am 7. Juli 1326 „Kirche an der Seite des Lebens“ Botschaft an den 88. Deutschen Katholikentag 8. Juli 1333 „Selige Hoffnung“ der Erlösung Ansprache an die Pönitentiare und Beichtväter von Rom am 9. Juli 1336 XXXI Die Liturgie ist der Mittelpunkt Ansprache an den Ordenskongreß der Augustiner Chorherren in Rom am 10. Juli 1341 Beten für unsere Heimat Fürbitten bei der Messe mit polnischen Pilgern am 14. Juli 1344 Papstwunsch für Olympiade: „Harmonisch, friedlich, menschlich“ Telegramm an den Erzbischof von Los Angeles, Kardinal Timothy Manning, am 26. Juli 1344 August Ferne, lebendige Gemeinschaften Botschaft an den Erzbischof von Papeete, Michel Coppenrath, anläßlich der 150-Jahr-Feier der Evangelisierung Polynesien vom 1. August 1345 Grußwort in Castel Gandolfo an die Fußpilger der „Associazione Volontari Italiani del Sangue e Donatori Organi“ am 2. August.... 1349 Nach Gottes Bild und Gleichnis Botschaft an die Vollversammlung der Bischöfe der Südafrikanischen Region in Harare vom 2. August 1350 Gottes Mitteilungen Botschaft an den Erzbischof von Bangalore, Packiam Arokiaswamy, anläßlich der Generalversammlung des katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat vom 6. August 1354 Der Codex - ein Dokument des Konzils Botschaft an den 5. Internationalen Kongreß der „Consociatio Internationalis Studio Iuris Canonici Promovendo“ in Ottawa vom 10. August 1356 Maria: Sicherer Halt in dieser Epoche der großen Lüge Predigt in Castel Gandolfo zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August 1359 Der „heilige Sinn“ der Familie Brief an den Präsidenten des Ständigen Komitees für die Eucharisti- schen Weltkongresse, Kardinal Opilio Rossi, vom 15. August 1362 Unter den Augen der Gottesmutter Rundfunkbotschaft zum Eucharistischen Kongreß der Kirche Kroatiens in Marija Bistrica vom 22. August 1366 XXXII Stark in Drangsal, ausdauernd im Gebet Botschaft an die Katholiken in Litauen zum Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 500. Todestages des hl. Kasimir vom 26. August 1372 Politische Verantwortung an sittlichen Maßstäben messen Ansprache an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl, Dr. Peter Hermes, bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens am 27. August 1374 Zur Gotteskindschaft berufen Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses der Säkularinstitute in Castel Gandolfo am 28. August 1377 September „. .. daß sie es gut machen“ Schreiben an Kardinal Franz König, Päpstl. Legat beim Eucharisti-schen Kongreß in Kroatien, vom 1. September 1381 Euthanasie ist zu verurteilen Ansprache an die Teilnehmer des 54. kulturellen Fortbildungskurses der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ in Castel Gandolfo am 6. September 1384 „Die Droge läßt sich nicht durch die Droge besiegen“ Ansprache an die Teilnehmer des 8. Weltkongresses der therapeutischen Gemeinschaften am 7. September 1388 Mitsorge der Kirche Botschaft des Papstes an den Generaldirektor der UNESCO zum Welttag der Alphabetisierung am 8. September 1394 „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Ansprache an den Kongreß der Benediktiner-Konföderation am 27. September 1395 In dankbarer Erinnerung Wort zu Beginn der Gedächtnismesse für Paul VI. und Johannes Pauli, in St. Peter am 28. September 1398 Immer reifer werden in Christus Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Bewegung „Communione e Liberazione“ anläßlich ihres 30jährigen Bestehens am 29. September 1399 XXXIII „Sie folgten dem Guten Hirten“ Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung auf dem Petersplatz am 30. September 1402 Womit Gott Böhmen segnete Ansprache beim Besuch des Päpstlichen Kollegs Nepomucenum in Rom am 30. September 1406 Oktober Was uns mit den Brüdern verbindet Brief an Kardinal Hume, Präsident des Rates der europäischen Bischofskonferenzen, vom 1. Oktober 1410 Kreuz - Quelle allen Trostes Ansprache an 400 Mitglieder des Ordens der Passionisten am 1. Oktober 1413 „Der Stille des Weltraums lauschen“ Ansprache an die Teilnehmer einer Weltraum-Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 2. Oktober 1415 Jeder einzeln von Gott geliebt Predigt bei der Messe mit Priestern der Bewegung für charismatische Erneuerung zum Abschluß der Exerzitien in St. Peter am 9. Oktober 1420 „Die Religionsfreiheit respektieren“ Predigt bei der Messe zu Ehren der koreanischen Märtyrer in Sankt Peter am 14. Oktober 1425 Zeugen für die Einheit der Kirche Ansprache an die Alumnen und Studenten des Päpstlichen Nordamerikanischen Kollegs am 15. Oktober 1430 Bessere Zukunft für unsere Kinder Botschaft an die Nationalkomitees von UNICEF vom 16. Oktober . 1434 „Ein Mann unbeugsamen Glaubens“ Predigt bei der Gedenkmesse für Kardinal Josyf Slipyj in Sankt Peter am 17. Oktober 1437 Wichtiger Beitrag zum Wohl der Bürger Ansprache an eine Gruppe Wiener Polizeibeamter bei der Audienz am 20. Oktober 1441 XXXIV Eine enge Zusammenarbeit in der Pfarrei Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 20. Oktober 1442 Vorbild für christliche Erzieher Predigt bei der feierlichen Messe und Heiligsprechung des Ordensmannes Miguel Febres Cordero aus Ekuador in St. Peter am 21. Oktober 1446 Die Frage nach den Talenten Predigt bei der Messe für die Mitglieder der kirchlichen Hochschulen zu Beginn des neuen Studienjahres in Sankt Peter am 26. Oktober 1451 Den Sinn für das Sakrale bewahren! Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Liturgiekongresses der Bischofskonferenzen am 27. Oktober 1454 „In den Sprachen aller Völker“ Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß des internationalen Liturgiekongresses der Bischofskonferenzen in St. Peter am 28. Oktober 1460 Gebote, die allen gemeinsam sind Ansprache an die Mitglieder der Versammlung der Westeuropäischen Union am 30. Oktober 1464 „Die Gewissen erschüttert“ Zum Mord an Jerzy Popieluszko am 31. Oktober 1466 Den Haß beseitigen! Telegramm zum Tod von Indira Gandhi am 31. Oktober 1467 November Gemeinsame Glaubensschätze Ansprache an den Patriarchen der assyrisch-orthodoxen Kirche, Mar DenkhalV., beider Audienz am 8. November 1468 Weltweit die „Geißel des Hungers“ Ansprache an die Mitglieder des Exekutivkomitees der Caritas Internationalis am 12. November 1469 „Ihr seid das Herz, das mitfühlt“ Ansprache an die Teilnehmer der 13. Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 17. November 147 XXX Rates für die Laien am 19. November 1475 „Und die Welt wartet“ Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Die hl. Cäcilia - „ein Gotteswunder“ Predigt bei der Messe in der römischen Basilika Santa Cecilia am Cäcilienfest, 22. November 1480 Beten ist ein Geschenk, eine Freude Ansprache bei der eucharistischen Anbetungsstunde in St. Peter am 24. November 1483 Gott, der alles in allem ist Predigt bei der Seligsprechung dreier Diener Gottes am 25. November 1487 Fühlen, daß „uns das Herz brennt“ Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. vom 26. November 1492 Schutz von Gesundheit und Leben Ansprache an die Gesundheitsminister Mittelamerikas und Panamas am 27. November 1494 Die Soziallehre der Kirche vertiefen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ am 30. November 1495 „Verständnis und Brüderlichkeit“ Ansprache an die Außenminister und Delegationen Argentiniens und Chiles am 30. November 1500 ezember ostolisches Schreiben im Anschluß an die Bischofssynode CONCILIATIO ET PAENITENTIA an die Bischöfe, die Prie-und Diakone und an alle Gläubigen über Versöhnung und Buße - Sendung der Kirche heute vom 2. Dezember 1503 n auf die „ersehnte Versöhnung“ ien an die Bischöfe Guatemalas vom 2. Dezember 1583 mtwortung als Christen he in der Audienz für Prof. Schambeck (Wien) und eine 3 xuppe der Casaroli-Festschrift am 7. Dezember 1587 V „Zuerst Frieden in uns selbst suchen!“ Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Symposiums der Jugend für den Frieden am 7. Dezember 1588 „Du bist begnadet“ Wort an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1591 Geistlich mit Gott selbst „verwandt“ Predigt in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember .... 1592 Die Weihe von Bischof Robu Ansprache bei der Audienz für die Priester und Gläubigen aus Rumänien am 10. Dezember 1595 Denkmäler sind Quelle der Forschung Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses für Christliche Archäologie am 10. Dezember 1599 Was bedeutet Advent? Predigt bei der Messe für die römischen Universitätsstudenten in St. Peter am 13. Dezember 1601 Die Stimme ganz Europas gefragt Ansprache in der Audienz für die Teilnehmer einer Rom-Tagung des Bergedorfer Gesprächskreises am 17. Dezember 1607 „Vorrangige Option für die Armen“ Weihnachtsansprache an die Kardinäle und die Römische Kurie am 21. Dezember 1610 „Erschienen ist die Gnade“ Predigt in der Christmette im Petersdom am 24. Dezember 1621 „Solidarität mit den Armen der heutigen Welt“ Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ auf dem Petersplatz am 25. Dezember 1624 Wichtiger Platz Belgiens in Europa Ansprache an den neuen Botschafter beim Hl. Stuhl, Baron Alexandre Paternotte de la Vailee, am 29. Dezember 1629 Zeit für Gewissenserforschung Predigt beim Jahresschlußgottesdienst in der römischen Kirche II Gesü am 31. Dezember 1631 XXXVII IV. Ad-limina-Besuche Antillen 27. Oktober 1639 Argentinien 1. Dezember 1643 Bolivien 7. Dezember 1648 Chile 19. Oktober 1654 8. November 1660 Costa Rica 26.Januar 1666 Ekuador 23. Oktober 1672 El Salvador 24. Februar 1679 Griechenland 25. Juni 1684 Lesotho 21. Mai 1688 Mikronesien, Polynesien und Melanesien 13. Februar 1690 Paraguay 15. November 1695 Peru 4. Oktober 1701 Sri Lanka 5. Juli 1707 XXXVIII 1710 Togo 29. März . Venezuela 30. August 1713 V. Erklärungen der Kongregationen Die Säkularinstitute Informatives Dokument Hl. Kongregation für Orden und Säkularinstitute, 6. Januar 1721 Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“ vom 6. August 1755 VARIATIONES Die Änderungen, die in den liturgischen Büchern gemäß den Normen des neuen Codex Iuris Canonici einzuführen sind, 12. September 1785 „Tridentinische Messe“ bedingt erlaubt Brief der Gottesdienstkongregation an alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 3. Oktober 1833 VI. Anhang „Abrüsten, um miteinander zu leben“ Rede von Erzbischof Achille Silvestrini, Sekretär des Rates für die Öffentlichen Angelegenheiten der Kirche, vor der Abrüstungskonferenz in Genf am 15. März 1837 Die Organe der römischen Kurie Stand: Mai 1984 1844 Dialog im Dienst der Kirche und Völker Vor 20 Jahren errichtete Paul VI. das Sekretariat für die Nichtchristen (O. R. 20. 5. 84) 1851 Für eine „Kultur des Friedens“ Intervention von Erzbischof Paul Poupard, Delegationsleiter des Hl. Stuhls auf der 4. Konferenz der europäischen Minister für Kultur in Berlin am 24. Mai 1855 XXXIX „Begegnung von Glaube und Kultur“ Überlegungen der Päpstlichen Kommission für die Massenmedien zum Thema des Welttages der sozialen Kommunikationsmittel am 3. Juni 1861 Dialog und Mission Gedanken und Weisungen über die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen vom Päpstlichen Sekretariat für die Nichtchristen vom 10. Juni 1864 Gemeinsame Erklärung von Kardinal Willebrands, Präsident des Sekretariats der römisch-katholischen Kirche für die Einheit der Christen, und Pfarrer Dr. Philip A. Potter, Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen, anläßlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. beim ökumenischen Rat der Kirchen am 12. Juni 1878 Gemeinsame Erklärung Papst Johannes Pauls II. und des syrischorthodoxen Patriarchen von Antiochien, Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas, vom 23. Juni 1882 Aufrichtige Rückkehr zu Gott Botschaft des Pro-Präsidenten des Sekretariats für die Nichtchristen, Erzbischof Francis A. Arinze, an die Welt des Islam zum Abschluß des Fastenmonats Ramadan vom 29. Juni 1886 Die Entwicklungstheorien und ihre Wurzeln kritisch analysieren Stellungnahme von Bischof Jan Schotte als Chef der Delegation des Hl. Stuhls auf der internationalen Konferenz der Vereinten Nationen für Bevölkerungsfragen in Mexico City vom 6. bis 13. August . . 1887 Internationales Jahr der Jugend 1985 Intervention der Delegation des Hl. Stuhls bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 19. Oktober 1898 Abkürzungen 1906 Wortregister 1907 Personenregister 1953 Länder-und Ortsregister 1975 Zitierte Bibelstellen 1997 Quellenverzeichnis der Zitate 2017 XL /. Angelus und Generalaudienzen AUDIENZEN UND ANGELUS Neues Jahr mit,,neuem Geist“ Angelus am 1. Januar 1. Euch allen hier auf dem Petersplatz und euch allen, die ihr in diesem Augenblick mit uns verbunden seid, möchte ich von Herzen ein glückliches neues Jahr wünschen. Diesen Wunsch verbinde ich mit guten Vorzeichen, die ich dem Lächeln einer Mutter entnehme, die ihr Kind an die Brust drückt: Am ersten Tag des Jahres nämlich stellt uns die Kirche die Jungfrau Maria im Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft zur Verehrung vor. Welches Symbol könnte vielsagender, welche Botschaft tröstlicher sein als diese? Im Bild dieser Mutter vereinigt sich das Höchste, was die Menschheit in den vielen Jahrhunderten ihrer Geschichte hervorbringen konnte. In ihrem Sohn zeigt sich das Absolute eines neuen Anfangs, aufgrund dessen es den Menschenkindern gegeben ist, „Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). 2. Ein gutes neues Jahr also, im Namen Jesu, des Sohnes Mariens! Das Jahr, das soeben begonnen hat, wird ein gutes Jahr sein, wenn es einen Schritt nach vorn bedeutet auf dem Weg zur beseligenden Begegnung, zu der uns die Liebe eines Gottes ruft, der im Sohn Mariens unser Nächster geworden ist. Wir müssen deshalb in das neue Jahr eintreten mit einem neuen Geist. Wir erwarten von 1984 so vieles: Wir vertrauen darauf, daß sich im Laufe seiner zwölf Monate all die Hoffnungen verwirklichen, die im soeben abgelaufenen Jahr leider enttäuscht worden sind. Aber zwei Dinge dürfen wir nicht vergessen: daß unsere Freude mehr dem entspringt, was wir sind, als dem, was wir besitzen, und daß unser Schicksal nicht sosehr davon abhängt, was im Äußeren geschieht, sondern vielmehr davon, was jeder im Innersten seines Gewissens entscheidet und im persönlichen Leben konkret zu verwirklichen trachtet. Und darum meine ich, daß das Jahr 1984 ein wirklich neues und gutes Jahr wird, wenn wir uns bemühen, es mit neuem und gutem Geist zu leben. Erinnern wir uns an die Worte des Apostels Paulus: „Wenn also jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Schöpfung“ (2 Kor5,ll). Zu Christus müssen wir also gehen, wenn wir unser Inneres und so auch unser Leben und das der Welt erneuern wollen. Es gibt keine echte Neuheit außer ihm. 3. Wenn es an der Schwelle des neuen Jahres ein Gut gibt, das die gesamte Menschheit herbeisehnt, dann ist es zweifellos der Frieden. Auch 3 AUDIENZEN UND ANGELUS der Friede jedoch erfordert, um sich in der Welt durchzusetzen, vom Menschen das aufrichtige Bestreben nach entschlossener, hochherziger innerer Erneuerung. „Der Friede entspringt einem neuen Herzen.“ Eben dies ist das Thema der Botschaft, die ich aus diesem Anlaß an alle Verantwortlichen des öffentlichen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens aller Völker wie auch an alle Männer und Frauen guten Willens gerichtet habe. Im Herzen des Menschen entscheidet sich das Los des Friedens und damit die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten. Es ist daher notwendig, ja dringlich, daß jeder sich bemüht, sein Herz im tiefsten zu wandeln und zu erneuern in der Weise, die der christliche Glaube mit dem Wort „Umkehr“ bezeichnet. Indem ich Maria, der Mutter Christi und Mutter der Kirche, diesen Wunsch nach einem „neuen Herzen“ für den Menschen von heute anvertraue, wiederhole ich besonders gern zu Beginn dieses neuen Jahres den Wunsch und Gruß der Engel: „Friede den Menschen guten Willens!“ Gott entwirft in Maria das vollkommene Bild der Frau Generalaudienz am 4. Januar 1. Nachdem die Kirche bei der Feier des Weihnachtsfestes ihren Blick auf Jesus gerichtet hat, will sie am ersten Tag des neuen Jahres auf Maria schauen, um ihre Gottesmutterschaft zu feiern. Bei der Betrachtung des Geheimnisses der Menschwerdung kann man in der Tat den Sohn Gottes nicht von seiner Mutter trennen. Daher verkündet die Kirche in der Formulierung ihres Glaubens, daß der Sohn „Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist aus Maria der Jungfrau und Mensch geworden ist“. Als auf dem Konzil von Ephesus Maria der Titel „Theotokos“, Gottesmutter, zugesprochen wurde, war es die Absicht der Konzilsväter, die Wahrheit des Geheimnisses der Menschwerdung sicherzustellen. Sie wollten die personale Einheit von Gott und Mensch in Christus bekräftigen, so daß die Mutterschaft Mariens Jesus gegenüber eben deswegen Mutterschaft gegenüber dem Sohn Gottes war. Maria ist Mutter Gottes, weil ihr Sohn Gott ist; sie ist natürlich nur in der Ordnung der menschlichen 4 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeugung Mutter, doch da das Kind, das sie empfangen und zur Welt gebracht hat, Gott ist, muß sie Mutter Gottes genannt werden. Die Bekräftigung der Gottesmutterschaft erhellt für uns den Sinn der Menschwerdung. Sie zeigt, wie das Wort, eine göttliche Person, Mensch geworden ist: Dies geschah durch die Mithilfe einer Frau unter dem Wirken des Heiligen Geistes. Eine Frau wurde in einzigartiger Weise dem Geheimnis des Kommens des Erlösers in die Welt verbunden. Durch diese Frau verbindet sich Jesus mit den seiner Geburt vorausgegangenen Menschengeschlechtern. Durch Maria hat er eine echte Geburt, und sein Leben auf der Erde beginnt ähnlich wie das aller anderen Menschen. In ihrer Mutterschaft gestattet Maria dem Sohn Gottes - nach der einzigartigen Empfängnis durch das Wirken des Heiligen Geistes - eine menschliche Entwicklung und eine normale Eingliederung in die menschliche Gesellschaft. 2. Der Titel „Gottesmutter“ stellt einerseits die menschliche Beschaffenheit Jesu in der Menschwerdung heraus, andererseits lenkt er die Aufmerksamkeit auf die höchste Würde, die hier einem Geschöpf zuteil wurde. Es ist verständlich, daß es im Verlauf der Geschichte der Lehren einen Augenblick gab, da diese Würde in irgendeiner Weise bestritten wurde: Es konnte tatsächlich angesichts der abgründigen Tiefen, die diese Lehre eröffnete, schwierig erscheinen, sie einzugestehen. Aber als der Titel „Theotokos“ in Frage gestellt wurde, reagierte die Kirche sofort und bekräftigte seine Gültigkeit für Maria als Glaubenswahrheit. Alle, die an Jesus glauben, der Gott ist, müssen zwingend ebenso glauben, daß Maria Mutter Gottes ist. Die Maria verliehene Würde zeigt, wie weit Gott die Versöhnung führen wollte. Man muß ja bedenken, daß Gott gleich nach der Ursünde seine Absicht angekündigt hatte, mit der Frau einen Bund zu schließen, um den Sieg über den Feind des Menschengeschlechts zu sichern: „Feindschaft stifte ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf, und du triffst ihn an der Ferse“ (Gen 3,15). Nach dieser Weissagung war die Frau dazu bestimmt, im Kampf gegen den Dämon Verbündete Gottes zu werden. Sie sollte die Mutter dessen werden, der den Kopf des Feindes zerschmettern würde. In der prophetischen Sicht des Alten Testamentes schien tatsächlich dieser Nachkomme der Frau, der über den Geist des Bösen triumphieren sollte, ein bloßer Mensch zu sein. Hier scheint nun die wundervolle Wirklichkeit der Menschwerdung auf. Der Nachkomme der Frau, der die prophetische Weissagung verwirklicht, 5 AUDIENZEN UND ANGELUS ist keineswegs ein einfacher Mensch. Er ist, dank der Frau, deren Sohn er ist, voll und ganz Mensch, ja, aber zugleich wahrer Gott. Der am Anfang geschlossene Bund zwischen Gott und der Frau erlangt eine neue Dimension. Maria wird in diesem Bund zur Mutter des Sohnes Gottes. Als Antwort auf das Bild der Frau, die gesündigt hatte, entwirft Gott ein vollkommenes Bild der Frau, die eine göttliche Mutterschaft erhält. Der neue Bund übertrifft bei weitem die Erfordernisse einer einfachen Versöhnung; er erhebt die Frau zu einer Würde, die niemand sich hätte vorstellen können. 3. Wir sind immer ergriffen darüber, daß eine Frau denjenigen zur Welt bringen konnte, der Gott ist; daß sie die Sendung erhielt, ihn großzuziehen, wie jede Mutter ihren Sohn großzieht; daß sie durch ihre mütterliche Erziehung den Erlöser auf sein künftiges Wirken vorbereitet hat. Maria war Mutter im Vollsinn, und daher auch eine bewundernswerte Erzieherin. Die vom Evangelium bekräftigte Tatsache, daß Jesus ihr in seiner Kindheit untertan war (Lk 2,51), zeigt, daß ihre mütterliche Präsenz die menschliche Entwicklung des Sohnes Gottes tief beeinflußt hat. Das ist einer der eindrucksvollsten Gesichtspunkte beim Geheimnis der Menschwerdung. In der Würde, die in ganz einzigartiger Weise Maria verliehen wurde, wird die Würde sichtbar, die das Geheimnis des fleischgewordenen Wortes der ganzen Menschheit verleihen will. Als der Sohn Gottes sich erniedrigte, Mensch zu werden, uns in allem gleich außer der Sünde, erhob er die Menschheit auf die Ebene Gottes. In der Versöhnung zwischen Gott und der Menschheit wollte er nicht nur die Integrität und Reinheit des menschlichen Lebens wiederherstellen, das durch die Sünde beeinträchtigt worden war. Er wollte dem Menschen das göttliche Leben mitteilen und ihm den vollen Zugang zur familiären Gemeinschaft mit Gott öffnen. Auf diese Weise läßt Maria uns die Größe der Liebe Gottes verstehen, nicht nur zu ihr, sondern auch zu uns. Sie führt uns in das grandiose Werk ein, in dem Gott sich nicht darauf beschränkt hat, die Menschheit von den Plagen der Sünde zu heilen, sondern ihr eine höhere Bestimmung, nämlich die innige Vereinigung mit ihm, zugedacht hat. Wenn wir Maria als Mutter Gottes verehren, erkennen wir zugleich die wundervolle Umwandlung, die der Herr seinem Geschöpf gewährt hat. Jedesmal also, wenn wir die Worte „heilige Maria, Mutter Gottes“ sprechen, muß vor unserem geistlichen Auge die lichtvolle Perspektive des Antlitzes der Menschheit stehen, umgewandelt im Antlitz Christi. 6 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Eng verbunden mit dem Geschehen von Weihnachten ist das Geheimnis der Gottesmutterschaft von Maria. Die Kirche bekennt im Credo, daß der Sohn Gottes „Fleisch angenommen hat durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und Mensch geworden ist“. Seit dem Konzil von Ephesus verehren die Gläubigen Maria als „Gottesgebärerin“ (Theotokos). Sie hat Christus geboren, der zugleich wahrer Gott und wahrer Mensch ist. Maria ist Mutter Gottes, weil Gott ihr Kind geworden ist, weil sie ihn wie jede menschliche Mutter genährt und in ihrer Familie in Nazaret erzogen hat. In der Maria zuteil gewordenen Würde zeigt sich jene Würde, die das menschgewordene Wort Gottes der ganzen Menschheit vermitteln will. Gott wurde Mensch, um den Menschen zu sich emporzuheben und ihm Anteü an seinem göttlichen Leben zu geben. Von Herzen wünsche und erbitte ich euch allen reiche Gnaden des menschgewordenen Gottessohnes, unseres Erlösers, und erteile euch und euren Lieben in der Heimat für ein Gott wohlgefälliges neues Jahr meinen besonderen Apostolischen Segen. Maria und die Kirche sind lebendige Tempel Angelus am 8. Januar 1. An diesem Sonntag, auf den in vielen Ländern das Fest der Erscheinung des Herrn verlegt worden ist, feiert die Kirche die strahlende Offenbarung des Retters vor den Völkern und die universale Berufung zum Heil und betrachtet dabei auch die Jungfrau und Mutter, die den Sterndeutern den Sohn zur Verehrung darbietet. Denn die Epiphanie, die Erscheinung des Herrn, wird seit der Antike als ein bezeichnender Augenblick der Menschwerdung des Heilandes und somit auch der göttlichen Mutterschaft Mariens betrachtet. Aber als Maria bei der Begebenheit, von der uns der hl. Matthäus berichtet {Mt 2,11), den Sterndeutern den Sohn zeigt, vollführt sie nicht nur eine persönliche Geste als Mutter, sondern ist auch Sinnbild der Kirche, die als Mutter aller Völker in der Person Mariens ihr Werk der Evangelisierung beginnt. Diese personale und kirchliche Bedeutung der jungfräulichen Mutterschaft Mariens drängt 7 AUDIENZEN UND ANGELUS uns am heutigen Fest, noch einmal bei der Jungfrau und Mutter innezuhalten, um den kirchlichen Wert dieses Geheimnisses zu vertiefen. In ihrer jungfräulichen Mutterschaft, dem wesentlichen Geheimnis, das sie in einer gemeinsamen Berufung und Sendung mit der Kirche verbindet, ist Maria in der Tat das Urbild der Kirche. Christus ist, wie das Zweite Vatikanische Konzil sagt, von der Jungfrau Maria durch das Wirken des Heiligen Geistes geboren, weshalb er weiterhin durch den Heiligen Geist in der Kirche gewissermaßen geboren werden und wachsen kann. Beide, Maria und die Kirche, sind lebendige Tempel, Heiligtümer und Werkzeuge, durch die und in denen sich der Heilige Geist offenbart. Sie bringen auf jungfräuliche Weise denselben Retter und Heiland hervor: Maria trägt das Leben in ihrem Schoß und gebiert es als Jungfrau; die Kirche schenkt es im Taufwasser und in der Verkündigung des Glaubens, indem sie es in den Herzen der Gläubigen hervorbringt. 2. Im Geheimnis der Kirche, die ihrerseits zu Recht als jungfräuliche Mutter bezeichnet wird, gibt die selige Jungfrau Maria als erste und auf herausragende Weise das Beispiel der Jungfrau und Mutter. In dieser engen typologischen Beziehung erhält die Mutterschaft Mariens Licht und Bedeutung von der Mutterschaft der Kirche, deren Glied und Sinnbild sie ist, und die Mutterschaft der Kirche wird von der Mutterschaft Mariens, in der sie sich bereits ganz und vollkommen verwirklicht sieht, erhellt und nimmt hier ihren realen Anfang. Wie Maria, so ist auch die Kirche Jungfrau, und dadurch daß sie die Kinder Gottes hervorbringt, gewährleistet sie den Glauben, die Hoffnung und die Liebe. Die jungfräuliche Mutterschaft, die Maria und die Kirche gemeinsam haben, macht sie zu einer untrennbaren und unauflöslichen Einheit, gleichsam in einem einzigen Heilssakrament für alle Menschen. Freuen wir uns also, Brüder und Schwestern, an diesem für unser Heil so bedeutsamen Tag, an dem uns der Retter, seine Kirche und Maria auf innige Weise verbunden aufscheinen. Nach dem Angelus sagte der Papst: Mit besonderer Freude habe ich heute morgen die Taufe gespendet. Ich möchte nochmals die Kinder segnen und den Eltern meine Glückwünsche aussprechen; die Wünsche gelten auch den Ländern, aus denen die Kinder stammen. 8 AUDIENZEN UND ANGELUS Quelle eines höheren Lebens Generalaudienz am 11. Januar 1. Das liturgische Fest der Taufe Jesu, das wir vor wenigen Tagen gefeiert haben, erinnert uns an das Ereignis, das das öffentliche Leben des Erlösers einleitete und das Geheimnis vor dem Volk offenbar machte. Der Evangelienbericht stellt die Beziehung heraus, die von Anfang an zwischen der Verkündigung Johannes des Täufers und der Jesu besteht. Durch den Empfang der Bußtaufe bekundet Jesu seinen Willen, eine Verbindung herzustellen zwischen seiner Sendung und der Ankündigung, die der Vorläufer vom bevorstehenden Kommen des Messias machte. Er sieht in Johannes dem Täufer jenen Mann, der die Reihe der Propheten abschließt und der „mehr ist als ein Prophet“ {Mt 11,9), da er beauftragt wurde, dem Messias den Weg zu bahnen. In diesem Taufakt wird die Demut Jesu sichtbar. Obwohl er als Sohn Gottes weiß, daß seine Sendung die Weltgeschichte von Grund auf verändern wird, beginnt er seinen Dienst nicht mit dem Vorsatz, mit der Vergangenheit zu brechen, sondern stellt sich in den Strom der von seinem Vorläufer vertretenen jüdischen Tradition. Besonders hervorgehoben wird diese Demut im Evangelium des hl. Matthäus, der die Worte Johannes des Täufers wiedergibt: „Ich müßte von dir getauft werden, und du kommst zu mir?“ (Ml3,14). In seiner Antwort gibt Jesus zu verstehen, daß sich in jener Geste sein Sendungsauftrag widerspiegelt, nämlich in der Welt eine Herrschaft der Gerechtigkeit, d.h. göttlicher Heiligkeit, zu errichten: „Laß es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit (die Gott fordert) ganz erfüllen“ {Mt 3,15). 2. Die Absicht, in der Menschheit ein Werk der Heiligung zu vollbringen, beseelt die Taufhandlung und läßt ihre tiefere Bedeutung erfassen. Die von Johannes dem Täufer vollzogene Taufe war eine Bußtaufe zur Vergebung der Sünden. Sie war für diejenigen gedacht, die ihre Schuld erkannten, sich bekehren und zu Gott zurückkehren wollten. Jesus, der absolut heilig und unschuldig ist, befindet sich in einer ganz anderen Situation. Er kann sich nicht zur Vergebung seiner Sünden taufen lassen; wenn er sich einer Taufe der Buße und Umkehr unterzieht, so tut er das zur Vergebung der Sünden der Menschheit. Bereits in der Taufe beginnt sich all das zu verwirklichen, was in der Weissagung des Buches Jesaja über den leidenden Gottesknecht angekündet war: Der Knecht wird dort als ein Gerechter dargestellt, der die Last der Sünden der Menschheit trug 9 AUDIENZEN UND ANGELUS und sich zum Opfer darbot, um für die Sünder die Vergebung Gottes zu erlangen (vgl. Jes 53,4-12). Die Taufe Jesu ist also eine symbolische Geste, die den Willen zum Opfer ausdrückt, um die Menschheit von ihren Sünden zu reinigen. Der Umstand, daß sich in jenem Augenblick der Himmel öffnet, läßt uns verstehen, daß sich die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen zu vollziehen beginnt. Die Sünde hatte den Himmel verschlossen; Jesus stellt die Kommunikation zwischen Himmel und Erde wieder her. Der Heilige Geist steigt auf Jesus herab, um seine ganze Sendung zu leiten, die in der Errichtung des Bundes zwischen Gott und den Menschen bestehen wird. 3. Wie uns von den Evangelien berichtet wird, macht die Taufe die Gottessohnschaft Jesu offenbar: Der Vater nennt ihn seinen geliebten Sohn, an dem er Gefallen gefunden hat. Das ist die klare Aufforderung, an das Geheimnis der Menschwerdung, insbesondere um der Erlösung willen, zu glauben, weil sie auf das Opfer ausgerichtet ist, das die Vergebung der Sünden bewirken und der Welt die Versöhnung anbieten wird. In der Tat sollten wir nicht übersehen, daß Jesus später dieses Opfer als eine Taufe darstellen wird, wenn er an zwei seiner Jünger die Frage richtet: „Könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?“ (Mk 10,38). Seine Taufe am Jordan hat nur symbolische Bedeutung; erst am Kreuz wird er die Taufe empfangen, die die Welt von ihren Sünden reinigt. Durch diese Taufe, die zuerst im Wasser des Jordan zum Ausdruck gebracht und dann auf Golgata tatsächlich vollzogen wurde, hat der Erlöser den Grund für die christliche Taufe gelegt. Die in der Kirche gespendete Taufe leitet sich vom Opfertod Christi her. Sie ist das Sakrament, in dem jedem, der Christ wird und in die Kirche eintritt, die Frucht dieses Opfers zuteil wird: die Vermittlung des göttlichen Lebens durch die Befreiung von der Sünde. Der Taufritus, ein Ritus der Reinigung im Wasser, erinnert uns an die Taufe Jesu im Jordan. Er erneuert jene erste Taufe des Gottessohnes und soll den Neugetauften die Würde der Gotteskindschaft schenken. Man darf jedoch nicht vergessen, daß der Taufritus seine aktuelle Wirkung nur kraft des am Kreuz vollzogenen Opfers hervorbringt. Er ist die auf Golgata erwirkte Versöhnung, die allen. Getauften zuteil wird. Das also ist die große Wahrheit: Indem uns die Taufe am Tod und an der Auferstehung des Erlösers teilhaben läßt, erfüllt sie uns mit neuem Leben. Folglich müssen wir die Sünde meiden oder, nach den Worten des Apostels Paulus „für die Sünde tot sein“ und „für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm 6,11). 10 AUDIENZEN UND ANGELUS Für unser ganzes christliches Dasein ist die Taufe Quelle eines höheren Lebens, das denen zukommt, die als Kinder des Vaters in Christus Gottes Ebenbild in sich tragen sollen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Nach Epiphanie feierten wir das Fest der Taufe Jesu. Durch den Empfang der Taufe des Johannes im Jordan bekräftigt Jesus die Kontinuität seiner messianischen Sendung mit der Offenbarung Gottes im Alten Bund. Er beginnt sein öffentliches Wirken mit einem Akt äußerster Demut. Obwohl er selber ohne Sünde war, reihte er sich in die Reihe der Sünder ein und empfing die Bußtaufe, die Johannes zur Vergebung der Sünden spendete. Für Jesus wird ihr Empfang zu einem symbolischen Zeichen. Er selber wird in der Bluttaufe des Kreuzopfers zum Lamm Gottes, das die Sünde der ganzen Menschheit auf sich nimmt, sie durch Tod und Auferstehung sühnt und den Menschen wieder mit Gott versöhnt. Jesus verwandelt die Wassertaufe des Johannes in die Taufe mit dem Heiligen Geist im Neuen Bund. Durch das Sakrament der Taufe werden wir in der Kraft des Kreuzesopfers mit Christus zu Kindern Gottes. Der Sünde abgestorben, sollen wir nun für Gott leben. Laßt uns deshalb stets unserer christlichen Berufung würdig wandeln! Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Das Wort, das Maria angenommen hat Angelus am 15. Januar 1. „Ich mache dich auch zum Licht der Völker; bis ans Ende der Erde soll man meine rettende Hilfe erfahren“ (Jes 49,6). Diese Worte aus dem zweiten Lied vom Gottesknecht finden ihre Erfüllung in Jesus, dem Knecht des Vaters, den Simeon als Licht der Heiden und Herrlichkeit für das Volk Israel preist (vgl. Lk 2,32). Sowohl der Gottesknecht im Buch Jesaja wie auch Jesus bringen bekanntlich durch ihr Opfer das Licht und das Heil. Das unterstreicht der Antwortpsalm der heutigen Liturgie mit aller Klarheit: 11 AUDIENZEN UND ANGELUS „An Schlacht- und Speiseopfern hast du kein Gefallen, Brand- und Sühnopfer forderst du nicht. Doch das Gehör hast du mir eingepflanzt; darum sage ich: Ja, ich komme“ (Ps 40,7-8). Nicht nur der Gottesknecht, nicht nur Jesus ist aufgerufen, den Willen des Vaters zu erfüllen und sein Leben darzubringen für das Heil der Welt: Das ganze Volk Gottes, die Kirche, muß das ebenso tun. Darum haben wir im Chor wiederholt: „Siehe, ich komme, Herr, um deinen Willen zu tun!“ 2. Mit Christus, dem Erlöser, und seinem Opfer verbunden, betrachten wir vor allem die Jungfrau Maria, an die Simeon, vom Geist erleuchtet, geheimnisvolle, prophetische Worte richtet: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ (Lk 2,35). Das ist eine Ankündigung, die sich für Maria im Leiden und Sterben ihres Sohnes erfüllen wird. Neben ihm, dessen Seite mit einer Lanze durchbohrt wurde, stand auf Kalvaria seine Mutter, der ein Schwert durch die Seele drang, ein Schwert, das mit dem Wort Gottes verglichen wird (vgl. Hebr 4,12). Durch das Wort, das erschafft und vernichtet, das Tod und Leben gibt; durch das Wort, das Maria nicht immer sofort begreifen kann, das sie aber aufnimmt und in ihrem Herzen erwägt; durch Christus, das Wort des Vaters, dem die Menschen widersprechen, wird ihre Seele vom Schmerz durchdrungen wie von einem Schwert. Das Wort, das sie angenommen und in völligem Gehorsam gegenüber dem Vater gelebt hat, macht die Jungfrau zur hochherzigen Mitwirkenden Christi, des Erlösers. Ihr Opfer, das mit dem Opfer Christi vereint ist, bringt den Völkern Licht und Heil. Jeder Glaubende ist berufen, sein Leben zusammen mit Christus für die Erlösung der Welt zu opfern. Wir alle müssen wie Maria in unserem Leben „für den Leib Christi, die Kirche, das, was an den Leiden Christi noch fehlt, ergänzen“ (Kol 1,24). 3. Heute will ich eure Aufmerksamkeit noch auf ein geistliches Ereignis von besonderer Bedeutung lenken. Am kommenden Mittwoch, 18. Januar, beginnt die alljährliche Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. In der ganzen Welt begegnen einander die Christen der verschiedenen Konfessionen, um für die Wiederherstellung der vollen Einheit zu beten. Das Kreuz unseres Herrn ruft uns zur Einheit auf. Denn Jesus Christus ist den Kreuzestod gestorben, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52b): gestern, heute und immer. Ich fordere alle Katholiken ganz herzlich auf, in dieser Woche ihr Gebet zu verstärken und mit dem Gebet aller anderen Getauften zu vereinen, 12 AUDIENZEN UND ANGELUS damit der gemeinsame Herr uns gewährt, daß wir ihn aus einem Mund und mit einem Herzen preisen. Nach dem Angelusgebet fuhr der Papst fort: Heute wird in der Diözese Rom der Tag des Priesterseminars begangen, der die Gläubigen für das wichtige Problem der Priesterberufe sensibilisieren und das Gebet, daß der Herr „Arbeiter für seine Ernte aussende“, neu beleben soll (Mt 9,38). Meine dringende Aufforderung richtet sich an alle Römer, den heutigen Tag zum Anlaß zu nehmen, um ihre konkrete geistliche und materielle Sorge kundzutun, damit für die Kirche in Rom ein ständiger und angemessener priesterlicher Dienst gewährleistet werden kann. Ich möchte euch noch auffordern, mit mir die selige Jungfrau für alle leidenden Menschen anzurufen. Ich denke dabei besonders an die entführten Personen und ihre Familien, die in banger Angst und Sorge leben. Heute will ich an den Fall des Ingenieurs Carlo de Feo aus Neapel erinnern, der sich seit fast einem Jahr in den Händen seiner Entführer befindet. Ich vereine mein Gebet als dringenden Appell mit der Stimme aller, die weiter zu Gott um seine Befreiung beten. Wir stellen alle mit tiefer Bitterkeit fest, daß die Zahl der Entführten, statt abzunehmen, mit jedem Tag zu wachsen scheint. Und besonders schmerzlich ist dabei, daß nicht einmal mehr Kinder, unschuldige Geschöpfe, die der Liebe ihrer Eltern bedürfen, verschont werden, wie es die jüngsten Fälle gezeigt haben, die die Allgemeinheit erschüttert haben und sie weiter in Angst halten. Bitten wir gemeinsam und voll Zuversicht die Gottesmutter, sie möge im Herzen der Entführer jene Gefühle menschlichen Mitleides wieder auf-leben lassen, die ihnen nicht ganz abhanden gekommen sein können. Unser Gebet für die Einheit Generalaudienz am 18. Januar 1. Heute beginnt die alljährliche Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. In jedem Winkel der Erde widmen die Christen, die verschiedenen Kirchen oder kirchlichen Gemeinschaften angehören, diese besondere Zeit dem Gebet. Wir, Söhne und Töchter der katholischen Kirche, 13 AUDIENZEN UND ANGELUS müssen voll, mit unserem ganzen Sein, in dieses Gebet eintreten. Denn eine dem Gebet geweihte Zeit ist von Gnade erfüllt: Gott, der liebevolle Vater, der reich an Erbarmen ist (vgl. Eph 2,4-5), der niemals einem, der ihn um Brot bittet, einen Stein geben wird (vgl. Mt 1,9), erhört gewiß das inständige Gebet seiner Kinder; es setzt das seines Sohnes, des Herrn Jesus, fort und wird uns schließlich die volle Einheit schenken. Er wird das alles in einer Weise und zu der Zeit erfüllen, die allein ihm bekannt sind. „Erste Morgenröte der Einheit“ Schon allein die Tatsache, daß die Christen miteinander für dieses so große Geschenk beten sollen, ist ein Gottesgeschenk: Es ist die erste Morgenröte der Einheit. Das diesjährige Thema „Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten“ hat im Heilsgeheimnis einen zentralen Platz; es weist auf das Fundament unseres Glaubens hin. Ja, es ist eine Gnade, eine große Gnade, daß die Christen aufgerufen sind, gemeinsam im Schatten und im Schutz des Kreuzes zu stehen - jenes Kreuzes, das für uns zugleich Grund des Schmerzes und der Freude ist und das Symbol jenes „Ärgernisses“, das für die Gläubigen den wahren Ruhm bedeutet. Das Thema erweist sich zudem als besonders passend für uns Katholiken, die wir in diesem Jahr das Jubiläum der Erlösung feiern: das Jubiläum des Geheimnisses des Todes und der Auferstehung des Erlösers. Wenn wir in der Gebetswoche für die Einheit zusammen mit unseren christlichen Brüdern und Schwestern das Geheimnis des Kreuzes - also das Geheimnis des Lebens, das sich bis zum Opfer im Tod hingegeben hat - betrachten, haben wir die Möglichkeit, Herz und Geist auf jenes Ereignis einzustimmen, dessen Gedenken wir ein ganzes Jahr gewidmet haben. Wir werden es voll Schmerz tun angesichts der Wunden und Spaltungen der Vergangenheit, aber auch mit großer Hoffnung, die sich auf Gottes Allmacht gründet. 2. Liebe Brüder und Schwestern, ich fordere euch, die ihr hier anwesend seid, und durch euch alle katholischen Gläubigen eindringlich auf, diese Woche zu einer Zeit des ständigen und beharrlichen Gebets um das Geschenk der Einheit zu machen. Wir dürfen niemals vergessen, daß das Gebet mächtig ist! Oder besser: Wir dürfen niemals die liebevolle Hochherzigkeit unterschätzen, mit der Gott stets auf unsere Gebete antwortet, auch wenn sie einem armseligen Gestammel gleichen, denn wir bringen sie ihm im Sohn dar: mit ihm und durch ihn. Wir haben in der heutigen Lesung gehört, wie Jesus in seinen Erdentagen betete: „Als er auf Erden 14 AUDIENZEN UND ANGELUS lebte, hat er mit lautem Schreien und unter Tränen Gebete und Bitten vor den gebracht, der ihn aus dem Tod retten konnte, und er ist erhört und aus seiner Angst befreit worden“ (Hebr 7,25). Kraft des Kreuzes und der Auferstehung herrscht Jesus für immer zur Rechten des Vaters. Aber er lebt auch in uns weiter, denn: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus (als Gewand) angelegt..., ihr alle seid ,einer“ in Christus Jesus“ (Gal 3,27-28). Ihr wißt sehr wohl, daß die katholische Kirche alle als Brüder und Schwestern in Christus anerkennt, die „durch den Glauben in der Taufe gerechtfertigt“, eben dadurch „dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert sind“ und gerade darum Christen genannt werden (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3 u. 22). Die Taufe, die uns dem Tod Christi gleichgestaltet (vgl. Röm 6,4), ist Grundlage jeder Einheit - jener, die wir bereits besitzen, und jener, die wir herbeisehnen. Unser Gebet für die Einheit hat seinen Grund in der Taufe, die Quelle unserer Hoffnung ist. In diesem Jubiläumsjahr erneuern wir jeden Mittwoch hier bei der Generalaudienz unser Tauf versprechen, unseren Taufglauben. Wenn wir das tun, beteuern wir aufs neue gerade das Fundament unserer Einheit, so wie ich es vor zwei Jahren in der Kathedrale von Canterbury während eines gemeinsamen Gottesdienstes tun konnte. Das Gedenken an die Taufe ist immer das Gedenken an unsere Berufung zur Einheit. Durch Leiden den Gehorsam gelernt 3. In der heutigen Lesung haben wir gehört, daß Christus, „obwohl er der Sohn war, durch Leiden den Gehorsam gelernt hat“ (Hebr 5,8). Als Kinder Gottes müssen wir stark sein vor dem Kreuz; denn das Kreuz in unserem Leben ist für uns die Bestätigung, daß wir uns auf dem rechten Weg befinden. Die Sünden und Irrtümer der Menschen haben den Leib Christi zu zerreißen versucht. Gewiß können keinem heute lebenden Menschen die Sünden der Vergangenheit angelastet werden. Aber auch wir machen uns, wenn wir durch unser Verhalten, unsere Handlungen oder Unterlassungen die Spaltungen festschreiben bzw. der Versöhnung Hindernisse in den Weg legen, gewissermaßen zu Mitschuldigen am Fortdauern der Spaltungen in der Christenheit. Christus, der gehorsame Sohn, ruft uns zu Gehorsam und Umkehr, er ruft uns auf, mit ihm zusammen das Kreuz zu tragen. Wenden wir uns an ihn und bitten wir ihn demütig, uns zu bekehren, unsere Spaltungen zu beenden und uns zu gefügigen Werkzeugen der Versöhnung zu machen. Unsere Buße muß jedoch von Hoffnung erfüllt sein, und das aus einem 15 AUDIENZEN UND ANGELUS tiefen Grund: Wir haben gehört, wie der gehorsame Sohn, „zur Vollendung gelangt, für alle, die ihm gehorchen, der Urheber des ewigen Heils geworden ist“ (Hebr 5,9). Wir sind auf gerufen, eins zu werden durch das Kreuz: Aber das Kreuz war nicht nur Zeichen des Leidens; es ist vor allem Zeichen des Sieges und der Hoffnung, der Hoffnung für die Christen und für die ganze Welt. Die Seele unseres Gebetes muß darum die Hoffnung sein. „Die Hoffung ist unsere Führerin, das Gebet unsere Stärke und die Liebe die Richtschnur unseres Handelns“ (Paul VI., Ansprache an die entsandten Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil, 17. Oktober 1963: Insegnamenti, I, 1963, S. 231). Ja, unsere Stärke ist das Gebet. Wenn wir uns diese Woche zusammen mit allen Christen um das Kreuz Jesu versammeln, können wir unmöglich übersehen, daß neben dem Kreuz seine Mutter stand (vgl. Joh 19,25), vereint mit dem Sohn im äußersten Gehorsam gegenüber dem Heilswillen Gottes. Gerade dort, unter dem Kreuz, hat Jesus sie dem Lieblingsjünger und in diesem der Kirche zur Mutter gegeben. Aus diesem Grund „gehört das Anliegen der Einheit der Christen eigentlich zur Aufgabe der geistigen Mutterschaft Mariens. Wer nämlich zu Christus gehört, den hat Maria nicht geboren und nicht gebären können, es sei denn in dem einen Glauben und der einen Liebe“ (Leo XIII., Adiutricem populi, ASS 28, 1895-96, S. 135; zitiert in: Paul VI., Marialis cultus, Nr. 33, in: Wort und Weisung, 1974, S. 464). Möge sie erneut „als Zeichen der sicheren Hoffnung und des Trostes dem wandernden Gottesvolk“ (Lumen gentium, Nr. 68) erscheinen, während wir aus ganzem Herzen darum beten, daß alle Gläubigen sich wahrhaftig „durch das Kreuz unseres Herrn zur Einheit gerufen“ fühlen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die jährliche Gebetswoche für die Einheit der Christen lädt uns zusammen mit allen Getauften ein, in besonderer Weise für dieses zentrale Anliegen Christi zu beten. Es ist eine Zeit reicher Gnade. Da wir von der Macht des Gebetes überzeugt sind, dürfen wir zuversichtlich hoffen, daß Gott dieses gemeinsame Gebet aller Christen auch erhören wird in einer Weise und zu einer Zeit, die ihm allein bekannt sind. Das diesjährige Thema lautet: „Vom Kreuz unseres Herrn zur Einheit gerufen.“ Es erinnert uns an das Kreuz, die alleinige Quelle unserer Erlösung. Von ihm empfingen alle Christen durch das Sakrament der Taufe das neue Leben in Christus. „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft 16 AUDIENZEN UND ANGELUS seid, habt Christus als Gewand angelegt“, sagt der hl. Paulus; „ihr alle seid ,einer in Christus Jesus“ (Gal 3,27-28). Somit ist die Taufe das Fundament der Einheit. Die Spaltung der Christenheit ruft alle Getauften zu Besinnung und Umkehr. Christus und seine heilige Mutter sind unsere Hoffnung. Beten wir deshalb zusammen mit ihm zum Vater mit seinen Worten: „daß alle eins seien.“ Glauben heißt vertrauen, nicht begreifen Angelus am 22. Januar 1. In der Adventszeit und am Geburtsfest des Herrn haben wir lange, neben Christus, die Jungfrau Maria betrachtet. Wir sind dem Geheimnis von Weihnachten nähergekommen und haben das Kind mit Maria gefunden, „das Kind und seine Mutter“ (Mt 2,11.13). Mit der Anbetung des Sohnes haben wir auch die Mutter verehrt, wobei wir sie vor allem ihres Glaubens wegen seligpriesen (vgl. Lk 1,45; 11,28). 2. Glauben ist niemals leicht, das war es sicher auch für Maria nicht. Das unterstreicht das wiederholte Lob auf ihren Glauben: Es stellt den Wert, die Anerkennung und natürlich auch die Schwierigkeit ihres Glaubens heraus. Das betonen anderseits ausdrücklich die Worte des Evangelisten: „Doch sie verstanden nicht“ (Lk 2,50). Lukas scheut sich nicht, darauf hinzuweisen, daß die Worte und das Geheimnis des Sohnes für Maria und Josef schwer verständlich waren. Das „Unverständnis“ Marias, Josefs und, ganz allgemein, der Jünger ist freilich klar zu unterscheiden von der Ungläubigkeit derer, die nicht an Jesus glauben. Es handelt sich vielmehr um die Schwierigkeit, bis zum Grund und sofort in die unerforschliche Tiefe der Person und des Geheimnisses Christi einzudringen. Doch es ist ein zeitweüiges „Unverständnis“, das zum Nachdenken, zum Meditieren, zum weisen Verhalten führt, wie es charakteristisch für die Mutter Jesu ist, die die Worte und Geschehnisse in ihrem Herzen bewahrte und darüber nachdachte (vgl. Lk 2,19.51). 3. Der Glaube ist ein Licht, gewiß, aber er ist kein erschöpfendes Begreifen des Geheimnisses. Im Gegenteil, glauben heißt, sich Gott und seinem Wort anzuvertrauen, das die Grenzen menschlicher Vernunft 17 AUDIENZEN UND ANGELUS übersteigt. Glauben bedeutet, daß wir uns auf Gott stützen und in dieser Haltung die eigene Festigkeit und Zuversicht suchen und finden. Darin eben besteht die innere Bereitschaft Mariens, die ein für allemal bei der Verkündigung zum Ausdruck gekommen ist: „Ich bin die Magd des Herrn; mit mir geschehe, was du gesagt hast.“ Groß ist der Glaube Mariens, ein erlittener und seliger Glaube: Es ist der Glaube derer, die nicht sehen und doch glauben (vgl. Joh 20,29). Das Leben der Jungfrau geht wie das unsere Tag für Tag weiter - im Glauben und nicht im Sehen. „So ging auch die selige Jungfrau - sagt das Konzil - den Pilgerweg des Glaubens. Ihre Vereinigung mit dem Sohn hielt sie in Treue bis zum Kreuz“ (Lumen gentium, Nr. 58). Sie, die Glaubende, begleite uns auf den geheimnisvollen Wegen Gottes! Christus zeigt uns den Zugang zur Wahrheit Generalaudienz am 25. Januar 1. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Christus, der Sohn Gottes, nimmt durch seine Menschwerdung die Menschennatur eines jeden Menschen an, auch des ärmsten und verlassensten. Er wird dermaßen solidarisch mit jeder Person, daß er sich zum Garanten ihrer Würde macht. Denn in seinem Tod als äußerstem Ausdruck jener menschlich unbegreiflichen „Erniedrigung“ Gottes, von welcher der Philipperbrief spricht (vgl. Phil 2,6-11), erkauft Christus die Würde eines jeden Menschen und begründet auf unübertreffliche Weise seine Rechte. In Christus kann auch der von allen verstoßene Mensch mit Paulus sagen: „Er hat mich geliebt und sich für mich hingegeben“ {Gal2,20). Man muß in der Tat anerkennen, daß vom Alten zum Neuen Testament die echte Auffassung vom Menschen als Person und nicht nur als Individuum im Christentum unaufhaltsam stärker hervortritt. Wenn ein Einzelwesen zugrunde geht, bleibt die Art unverändert: In der vom Christentum begründeten Logik dagegen geht jedesmal, wenn eine Person ausfällt, etwas Einmaliges und Unwiederholbares verloren. 2. Das Fundament der menschlichen Würde, die jeder Mensch erfassen kann, wenn er über seine Natur nachdenkt, über die Tatsache, daß er mit 18 AUDIENZEN UND ANGELUS Freiheit, das heißt mit Verstand, Willen und Gemütskräften begabt ist, wird in der Erlösung durch Christus voll verständlich. In der Enzyklika Redemptor hominis habe ich geschrieben: „Dieses tiefe Staunen über den Wert und die Würde des Menschen nennt sich Evangelium, Frohe Botschaft. Es nennt sich Christentum“ (Redemptor hominis, Nr. 10). Das macht das Bemühen nicht unfruchtbar, das der Mensch schon immer unternommen hat und weiter unternimmt, um seine Würde als Person auf seine Natur zu gründen und die Grundrechte festzulegen, die einem jeden von seinen Mitmenschen und von allen Institutionen garantiert werden müssen. Man kann sogar sagen, daß nach der Logik, aufgrund derer das Christliche das Menschliche und die Gnade die Natur entdecken lassen, dieses Bemühen noch höheren Wert bekommt. Die Verwurzelung der Würde des Menschen in jener äußersten Tiefe, die von Christus am Kreuz verwirklicht wurde, zerstört also nicht, sondern erfüllt und krönt vielmehr das vernunftgemäße Forschen, mit dem der Mensch aller Zeiten und besonders der moderne Mensch zu einer immer klareren Definition der Werte zu gelangen sucht, die seiner aus Seele und Leib gebildeten Wirklichkeit innewohnen. 3. Immer wieder neu muß sich der Mensch über sich selbst beugen, um in der Fähigkeit, über sich als Person hinauszugehen, das heißt, in voller Freiheit und Wahrheit über sein Leben zu bestimmen, seine offensichtliche Würde zu entdecken. Außerhalb der Verknüpfung der Person mit der Wahrheit läßt sich diese Würde unmöglich begreifen. Die Wahrheit des Menschen liegt in seiner innersten Beziehung zu Gott, vor allem aufgrund des Siegels, das Gott bei der Erschaffung der natürlichen Struktur des Menschen eingeprägt hat. „Gott schuf den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn“ (Gen 1,27). Abbild Gottes Die große Überlieferung der Kirchenväter und der Scholastik, von Augustinus über Johannes Damascenus bis zu Thomas von Aquin, hat die Lehre vom imago Dei, vom Abbild Gottes, gründüch erforscht und ist dabei zu zwei wichtigen Schlußfolgerungen gelangt. Zunächst wird der zum Abbild Gottes geschaffene Mensch aufgrund seiner Struktur durch seine mens, seinen Geist, den einzigartigen Sitz seiner Verstandes- und Willensfähigkeit, mit der Wahrheit in Zusammenhang gebracht. Die Verstandesfähigkeit, mit der er die Wahrheit erforscht, und die Willenskraft, mit der er nach ihr strebt, sind der 19 AUDIENZEN UND ANGELUS elementare und universale Ausdruck seiner Würde. Zweitens erfährt der Mensch im Alltagsleben seine Zufälligkeit, die durch seine Grenzen und seine Sünde bedingt ist. Er wird sich nun bewußt, daß er geschaffen ist, um Abbild Gottes zu werden, aber nicht schon Gottes Abbild ist. Gottes Abbild ist nur das Wort, der Sohn, an dem der Vater all sein Wohlgefallen gefunden hat. Der Mensch ist nur ein sehr unvollkommenes Abbild Gottes (vgl. Thomas von Aquin, Scriptum super Sententiis, I d. 3, q. 3 a 1 resp. ad Sum.). Der Ausdruck „zum Abbild“ zeigt, daß der Mensch ein Streben nach der vollen Transparenz der Wahrheit hat, er zeichnet ihm einen ethischen und asketischen Weg vor, der aus Tugend und Gesetz, aus Pflichten und Rechten besteht. Auf diesem Weg muß er früher oder später auf den stoßen, der Gottes volles Abbild ist, Christus, der jeden von uns mit sich „verbunden hat“. In der Dynamik der Liebe 4. Doch der Mensch ist nicht im Besitz der letzten Wahrheit, die seine Würde begründet. Er sehnt sich seit jeher nach ihr, doch sie überragt ihn immer. Die Griechen versuchten durch die Philosophie, die Juden durch das Gesetz, sich der Wahrheit zu nähern, die der Mensch als wirklichen, aber transzendenten Grund seines Seins wahrnimmt. Christus zeigt uns in der Liebe diesen Zugang zur letzten Wahrheit, die er schließlich selbst ist. Die volle Verwirklichung der Würde des Menschen ist nur in der Dynamik der Liebe gegeben, die den einzelnen zur Begegnung mit dem anderen führt und ihn so für die Erfahrung der transzendenten Gegenwart dessen öffnet, der sich in seiner Menschwerdung „gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt hat“ (Gaudium et spes, Nr. 22). „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Das feierliche Wort, mit dem der göttliche Richter die Geschichte zur Ende führen wird, erleuchte unsere Schritte in der Zeit und lasse uns in der Liebe den Weg finden, der uns zur Erkenntnis des unwiederbringlichen Wertes jedes einzelnen Mitmenschen und damit zur vollen Verwirklichung unseres eigenen Menschseins führt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur heutigen Jubiläumsaudienz im Heiligen Jahr. Wir hörten soeben in der Lesung die Worte Jesu: „Was ihr für einen 20 AUDIENZEN UND ANGELUS meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mr25,40). Christus ist durch die Menschwerdung zum Bruder eines jeden Menschen geworden. Er ist solidarisch auch mit dem ärmsten und sichert so dessen menschliche Würde. Jeder Mensch kann mit dem hl. Paulus sagen: Christus hat „mich geliebt und sich für mich hingegeben“ (Gal 2,20). Im Neuen Testament wird die Würde der menschlichen Person voll offenbar. Sie gründet letztlich in der innersten Beziehung des Menschen zu Gott, in seiner Gottesebenbildlichkeit. Das Göttliche Wort ist auf die vollkommenste Weise Ebenbild Gottes; der Mensch nur unvollkommen. Jeder Mensch ist jedoch berufen, in Christus Gott immer ähnlicher zu werden durch stetes Wachsen in der Wahrheit, in der Gerechtigkeit und Liebe. Daß Gott euch dazu seine Gnade schenken möge, erbitte ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Mit Maria ist die Verheißung erfüllt Angelus am 29. Januar 1. Die Liturgie des heutigen Sonntags feiert die Würde der „Armen“, besonders der „Armen im Geist“, derjenigen, die wie Christus freundlich und demütig von Herzen sind. Sie sind der heilige Rest Israels, die Erben der Verheißungen, die Träger der Hoffnung des Gottesvolkes. Sie werden für sich und für alle das messianische Heil empfangen. Maria ist sicher eine von ihnen. „Sie ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heü mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen. Mit ihr als der erhabenen Tochter Sion ist schließlich nach langer Erwartung der Verheißung die Zeit erfüllt und die neue Heilsökonomie begonnen. ..“ (Lumen gentium, Nr. 55). Maria hat nicht nur den Erlöser empfangen und der Welt geschenkt, sondern sie hat ihr Leben ganz in den Dienst des Heilsgeheimnisses gestellt. Dieses ihr Wirken wird besonders deutlich offenbar im Geheimnis von Kana. Diese Begebenheit, wo das erste Zeichen, das heißt Wunder Jesu in Erscheinung tritt, ist von hohem theologischem und symbolischem Gehalt. Kana bezeichnet (mit der Verwandlung des Wassers in Wein) nicht nur den Übergang vom Alten zum Neuen Bund, sondern bietet, rückblickend, eine zusammenfassende Wiederholung des mosaischen Bundes und, vor- 21 AUDIENZEN UND ANGELUS ausschauend, eine Vorwegnahme der Stunde Jesu, also seiner Verherrlichung durch das Kreuz. 2. In diesem in herausragender Weise vom Heilsmysterium bestimmten Rahmen nehmen die Person und das Werk Mariens eine außergewöhnliche Bedeutung an. In ihren Worten „Was er euch sagt, das tut“ (Joh 2,5), haben wir den Widerhall der Worte des Volkes Israel im Augenblick des Bundesschlusses (vgl. £19,8; 24,3.7; Hin 7,27), dessen Personifizierung und erhabene Vertreterin Maria ist. Die Muttergottes bringt nicht nur die Haltung des Volkes des Alten Bundes zum Ausdruck und führt sie zu Ende: sondern ihr Eingreifen in Kana weckt auch den Glauben der Jünger. Der Glaube Mariens steht am Beginn des von Jesus gewirkten Zeichens und bereitet die Jünger darauf vor, die Offenbarung seiner Herrlichkeit anzunehmen und an ihn zu glauben. Sie übernimmt damit eine Leitrolle der Gründung der Glaubensgemeinschaft, die sich um Jesus zu bilden beginnt. Das Leben Mariens ist also deutlich auf den Dienst am Gottessohn und seiner Mission ausgerichtet. Ihr Name steht nun für „Frau“ schlechthin: Diese ihre Berufung wird ihre ganze Fülle erreichen, wenn sie unter dem Kreuz als Frau zur „Mutter“ des Jüngers und in ihm des neuen Volkes wird, das aus dem Opfer Christi hervorgegangen ist. Nach dem Angelus sagte der Papst: In Italien wird heute der 31. Welttag für die Leprakranken begangen. Während ich mit besonderer Zuneigung aller Menschen gedenke, die von diesem schrecklichen Leiden heimgesucht sind, fordere ich die Gläubigen Roms herzlich auf, zum Herrn zu beten und einen hochherzigen Beitrag zur Unterstützung und Vermehrung der Hilfswerke zugunsten der Leprakranken in den verschiedenen Pflegestationen zu entrichten. 22 AUDIENZEN UND ANGELUS Die christliche Gemeinde ist ein öffentlicher Faktor der Gesellschaft Generalaudienz am 1. Februar 1. „Alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam“ (Apg 2,44). In dem soeben gehörten Abschnitt aus der Apostelgeschichte und an anderen ähnlichen Stellen (vgl. Apg 4,32-36; 5,12-16) wird eine Grundwirklichkeit unseres Glaubens deutlich zum Ausdruck gebracht. Das Neue des Christentums erfaßt die ganze Person und bringt die Menschen, die ihm begegnen, zueinander, indem sie ihnen eine neue Art der Gestaltung ihres Alltagslebens nahelegt. So wird die christliche Gemeinde von Anfang an zum deutlich erkennbaren öffentlichen Faktor der Gesellschaft: „Alle kamen einmütig in der Halle Salomons zusammen“ (Apg 5,12), heißt es in der Apostelgeschichte. Die gemeinsamen Aspekte des menschlichen Daseins werden nach einer neuen Logik, der der Gemeinschaft, bewältigt, und jeder ist aufgerufen, in Freiheit auch der materiellen Not aller anderen abzuhelfen. Die Apostelgeschichte betont mehr als einmal, wie die Bekehrung die öffentlich sichtbare Zugehörigkeit zur Gemeinde der Gläubigen mit sich bringt: „Und der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten“ (Apg 2,47). Diese soziale Dimension ist die notwendige Konsequenz der Präsenz der Christen in der Welt als neue Menschen, die eine erneuerte Gesellschaft hervorbringen. Denn die Begegnung mit Christus erfaßt den Menschen an seiner Wurzel und gibt ihm eine neue religiöse Identität, die nicht ohne Einfluß auf den kulturellen und sozialen Bereich bleiben kann. 2. In ihrer Struktur als Gemeinschaft steht die Kirche somit als wirksames Zeichen der Erlösung Christi da, die sich in der Welt vollzieht. „Sie ist — nach den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils - für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“ (Lumen gentium, Nr. 9). Diese Keimzelle ist die Gesamtheit des Volkes Gottes, das als Gemeinschaft sichtbar zum Ausdruck kommt und sich so mit dem Dasein auseinandersetzt. Das Wirken der Kirche in der Welt ist also das von Christus eingeleitete Heilswerk, das von Christus auch seine Erfüllung erwartet. Es wird verwirklicht durch die Ausbreitung des Reiches, womit unlösbar die Aufgabe der Vervollkommnung und Gestaltung der Wirklichkeit der Welt mit dem Geist des Evangeliums verbunden ist. 23 AUDIENZEN UND ANGELUS Deshalb findet die Beteiligung am Leben der Gesellschaft, um dem Gemeinwohl zu dienen, einen aufgeschlossenen und unermüdlichen Mitarbeiter im Christen, der sich der tiefen Bedeutung seiner Zugehörigkeit zur Kirche bewußt ist. Er weiß sich von dem Neuen der Erlösung zutiefst verwandelt und will so mit allen ihm verfügbaren Kräften bezeugen, daß Christus der Sauerteig der Geschichte ist und den Gläubigen die Fähigkeit schenkt, die Kultur der Wahrheit und Liebe aufzubauen. Der echte Christ entzieht sich niemals der faszinierenden Aufgabe, dem Menschen von heute die Möglichkeit eines menschlichen Zusammenlebens zu zeigen, das wahrer, gerechter und stärker vom Geist des Friedens durchdrungen ist. 3. Das normale Mittel, durch das die Kirche, getreu ihrer sakramentalen Natur des Zeichens und Werkzeuges der Vereinigung mit Gott sowie der Einheit der ganzen Menschheit (vgl. Lumen gentium, Nr. 1), Zeugnis gibt von der Erlösung, die in der Gesellschaft wirksam ist, ist die Sendung des Christen in der Welt. Dem Christen und insbesondere dem aktiven Laien fällt dank des weltlichen Charakters seiner Berufung, des kirchlichen Engagements, die Aufgabe zu, die Heilstat Christi in jeder Umgebung gegenwärtig zu machen. Als wesentliche Aufgabe der Sendung erscheint dabei die Pflicht, die Einheit der Christen in den verschiedenen Lebenssituationen sinnfällig zum Ausdruck zu bringen, indem sie die Erfahrung neuer Menschen Vorleben, die imstande sind, am Aufbau von Teilen einer wahren und gerechteren Gesellschaft mitzuarbeiten. Das Konzil ruft dem Christen diese Verpflichtung mit Nachdruck in Erinnerung: „Die Spaltung bei vielen zwischen dem Glauben, den man bekennt, und dem täglichen Leben gehört zu den schweren Verirrungen unserer Zeit... Die Christen sollen vielmehr froh sein, in der Nachfolge Christi, der als Handwerker gearbeitet hat, ihre ganze irdische Arbeit leisten zu können, daß sie ihre menschlichen, häuslichen, beruflichen, wissenschaftlichen oder technischen Anstrengungen mit den religiösen Werten zu einer lebendigen Synthese verbinden; wenn diese Werte nämlich die letzte Sinngebung bestimmen, wird alles auf Gottes Ehre hingeordnet“ (Gaudium et spes, Nr. 43). Die Aufforderung, zu Baumeistern der Kultur der Wahrheit und Liebe zu werden, muß alle Menschen erreichen, die sich ehrlich um ihre Bestimmung mühen. Das ist der Sinn des dauernden Verweisens auf die Notwendigkeit des Friedens, der heute so sehr bedroht ist, ein Ruf, den die Kirche unermüdlich wiederholt und für den sie, soweit es in ihrer Macht steht, nicht zu wirken aufhört. Aber damit der Friede siege, muß in unserer Gesellschaft ein geistiger 24 AUDIENZEN UND ANGELUS Wandel vollzogen werden. Die Wahrheit muß sich durchsetzen gegenüber der Lüge. Das wird nur dann geschehen können, wenn im Herzen jedes Menschen, in den Kleinen wie in den Großen, die Liebe die Oberhand gewinnt. Dann wird die Würde der Person Mittelpunkt für die Gesellschaft sein können, und an ihrem Horizont werden bessere Tage auf-scheinen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur heutigen Audienz und wünsche euch eine fruchtbare Jubiläumswallfahrt. In der Schriftlesung hörten wir soeben vom Leben der jungen christlichen Gemeinde in Jerusalem. „Alle, die gläubig geworden waren, hielten zusammen und hatten alles gemeinsam“ (Apg 2,44). Christsein bedeutet, zur Gemeinschaft der Gläubigen zu gehören. Jeder ist verantwortlich für den andern und hat Anteil an der Sendung der Kirche für die Welt. Die Kirche ist, wie das Konzü betont, „für das ganze Menschengeschlecht die unzerstörbare Keimzelle der Einheit, der Hoffnung und des Heils“ (Lumen gentium, Nr. 9). Sie setzt das Heilswerk Christi in der Geschichte fort. Wie ein Sauerteig soll das Christentum die menschliche Gesellschaft durchdringen und sie durch den Geist Christi verwandeln. Besonders die Laien sind aufgerufen, die Wirklichkeit der Erlösung in der Welt zu vergegenwärtigen und unter den Menschen eine Zivilisation der Wahrheit und der Liebe zu verwirklichen. Ein jeder von euch fühle sich dazu ganz persönlich eingeladen! Einen besonderen Gruß richte ich noch an die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen des Sozialdienstes Katholischer Frauen unter der Leitung von Herrn Weihbischof Nordhues. Ich weiß um euer hilfreiches Wirken für sozial gefährdete Kinder, Frauen und deren Familien. Ich ermutige euch in eurem wichtigen Dienst im Geist christlicher Caritas, besonders in euren Bemühungen um den Schutz des ungeborenen Lebens. Möge die solidarische Hilfe, die ihr anderen erweist, euch selber zum großen geistlichen Nutzen gereichen. Mit der Bitte um reiche Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung erteile ich euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern von Herzen den Apostolischen Segen. 25 AUDIENZEN UND ANGELUS Gebetsaufruf für den Libanon Angelus am 5. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. An diesem Sonntag und, so Gott will, an den folgenden Sonntagen werde ich mit euch über einige Aspekte der Marienverehrung sprechen, also über die fromme und kindliche Liebe, mit der die Jünger Christi im Osten und Westen die Gottesmutter verehren. Diese Frömmigkeit ist das Ergebnis einer erregenden „christlichen Erfahrung“ in dem Sinne, daß sie im Geheimnis Christi wurzelt und in ihm ihren Ursprung und ihre Entfaltung und das letzte Ziel findet, nach dem sie durch inneren Antrieb strebt. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott“ (Joh 1,1), schreibt Johannes im Prolog seines Evangeliums. Und er fügt hinzu: „Alles ist durch das Wort geworden“ (ebdNr. 1,3). Alles. Auch Maria. Ja, vor allem Maria, die nach der heiligen Menschwerdung Christi den Gipfel der Schöpfung darstellt, die „Herrlichkeit des Alls“ {Stundengebet vom 8. Dezember, Laudes-Hymnus), wie die Liturgie sie grüßt. „Alles ist... auf ihn hin geschaffen“ {Kol 1,16), präzisiert der Apostel Paulus. Alles. Auch Maria. Auf ihn hin wurde sie erschaffen: damit sie seine heilige Mutter werden und das Wort in ihrem jungfräulichen Schoß Menschennatur annehmen würde; damit sie seine treue Jüngerin sei, die im Schrein eines reinen Herzens das Wort des Lebens bewahren würde (vgl. Lk 2,19.51); die neue Frau, die neben ihn, den neuen Menschen, der Erlöser aller Menschen, gestellt ist; damit sie der Schrein eines ungeborenen Bundes sei; das Bild des neuen Gottesvolkes und des neuen Jerusalems; die erste und doch schon reife Frucht der Erlösung. 2. „Durch ihn..., auf ihn hin“, heißt es in der Schrift. Alles an Maria hat also Bezug auf Christus, alles hängt von ihm ab, alles ist von seinem Geheimnis durchdrungen. Seit der Zeit der Apostel haben die Christen, wenn sie Jesus als den „Herrn der Herrlichkeit“ (vgl. 1 Kor 2,8) betrachteten und das Geheimnis seiner Person - Sohn Gottes und durch Maria, Menschensohn -ergründeten, die wichtige Rolle Mariens im Heilswerk erfaßt. Als sie dann über das unauflösliche Verbundensein der Mutter mit den Heilsereignissen des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu nachdachten, nahmen sie ihr gegenüber nach und nach eine Haltung ergriffenen Staunens, vertrauensvoller Ehrfurcht und liebevoller Verehrung an. 26 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Wie wir wissen, ist das Mysterium Christi, in dem die Marienfrömmigkeit wurzelt, durch das Wirken des Geistes in Worte übersetzt und als Heilsverkündigung der Heiligen Schrift anvertraut worden und wird als Gnadengeschehen in der heiligen Liturgie realisiert und gefeiert. Die Prüfung der alten Zeugnisse und der heiligen Überheferung ergibt, daß die Marienverehrung ihren Ursprung in der Meditation über die Bibel und in der Feier der göttlichen Geheimnisse hat. Diese beglückende Feststellung, liebe Brüder und Schwestern, mündet spontan in den besorgten Wunsch: Unsere Veehrung für die Mutter Jesu möge immer mit dieser doppelten reinen und frischen Quelle verbunden bleiben: dem Wort Gottes und der heiligen Liturgie. 4. Unter Bezugnahme auf meinen Gebetsaufruf für den Libanon beim Gottesdienst im byzantinischen Ritus heute vormittag in der Vatikanischen Basilika erneuere ich jetzt meine Aufforderung, Gebete zum Himmel emporzusenden, damit die Bevölkerung dieses Landes nach so vielen Leiden sich endlich des ersehnten Friedens erfreuen könne. Aus dem so schwer geprüften Libanon erreichen uns immer alarmierendere Nachrichten, die die Hoffnung auf eine Lösung, die nicht von Gewalt und Übermacht Gebrauch macht, anscheinend zum Schwinden bringen. Blutige Zusammenstöße und heftige Luftangriffe, die seit vier Tagen ununterbrochen und mit bisher noch nie dagewesener Brutalität stattfinden, haben in den Stadtvierteln Beiruts, in dem Städtchen Zahle und in mehreren Dörfern Hunderte von Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung gefordert. Beten wir, damit im Herzen aller Libanesen, die ihr Land aufrichtig lieben, die Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden und gegenseitiger Achtung fortleben könne. Bitten wir Gott, daß er in den Verantwortlichen Gefühle des guten Willens wecke, damit sofort ein Waffenstillstand zwischen den sich bekämpfenden Parteien zustande kommt und damit zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gemeinschaften des Landes wieder ein echter Dialog angeknüpft werden kann, dessen Ziel es sein muß, zu einer wirksamen und dauerhaften Aussöhnung zu gelangen. Wir vertrauen diese Bitte der Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria, der Schutzpatronin des Libanons, an. Nach dem Angelusgebet fuhr der Papst fort: Die Kirche in Italien begeht heute den „Tag für das Leben“. Ich fordere euch auf, über die Botschaft nachzudenken, die die Italienische Bischofs- 27 AUDIENZEN UND ANGELUS konferenz an die Gläubigen gerichtet hat, damit sie sich auf entsprechende Weise den absoluten und allumfassenden Wert des Lebens jedes Mannes und jeder Frau, die als Abbild Gottes geschaffen sind, bewußt machen. Die Achtung vor dem Leben - so die italienischen Bischöfe -„schließt jedes Menschenwesen ein: sie schließt den Kranken, den Alten, den Behinderten ein; sie schließt auch das Geschöpf ein, das noch im Mutterleib lebt. Ja, dieses letztere hat ein noch größeres Recht auf Aufnahme und Schutz, weil es das wehrloseste von allen ist“. Ganz herzlich grüße ich die Vertreter der „Bewegung für das Leben“, die hier anwesend sind, und ermutige sie zu ihrem engagierten Einsatz, indem ich sie mit meinem Segen begleite. Möge Gott, der Herr des Lebens, den Geist erleuchten und die Initiativen unterstützen, die zur Förderung dieses großen und edlen Anliegens bestimmt sind. Es gibt eine christliche Prägung der Kultur Generalaudienz am 8. Februar 1. In dem soeben gehörten Abschnitt aus dem Brief an die Kolosser drückt der Apostel Paulus den Wunsch aus, daß alle Christen „die tiefe und reiche Erkenntnis erlangen und das göttliche Geheimnis erkennen mögen, das Christus ist und in dem alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen sind“ (vgl. Kol 2,2—3). Der hl. Paulus stellt also das Christentum nicht als rein menschliche Weisheit vor, sondern als eine Tatsache, die beständig im Licht des Evangeliums Leben und Kultur des gefallenen Menschen erneuern muß (vgl. Gaudium et spes, Nr. 58). Die Begegnung mit Christus, die sich in der Kirche vollzieht, bringt eine neue Auffassung von Existenz und Wirklichkeit mit sich. Die erlösende Gegenwart des menschgewordenen Gottessohnes stellt einen Schlußstein, eine letzte und umfassende Sichtweise dar für die Art, wie die Existenz des Menschen und der Welt gelebt und gedacht werden soll. Wer an Christus glaubt, wird darum auch in Augenblicken größter Not, wenn alles als Ärgernis oder Torheit erscheinen mag, nicht den Sinn seines Lebens aufgeben und nicht der Verzweiflung verfallen. 28 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Wahrheit ist zugänglich In meiner Ansprache an die UNESCO sagte ich: „Die technisch hochentwickelten Gesellschaften stehen vor einer spezifischen Krise des Menschen. Sie besteht in einem mangelnden Vertrauen in seine eigene Humanität, in die Bedeutung des Menschseins und die Bejahung und Freude, die sich daraus ergeben und Quelle der Kreativität sind. Die zeitgenössische Zivilisation versucht, dem Menschen eine Reihe scheinbarer Imperative aufzulegen . . . Anstelle des Primats der Wahrheit in den Handlungen wird der Primat des moralischen, des subjektiven und des unmittelbaren Erfolgs gesetzt“ (Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris, 2. Juni 1980, Nr. 13; O.R. dt. vom 6. 6. 1980, S. 5). Aber der Mensch muß den ganzen Sinn seines Lebens kennen. In allen seinen Lebensäußerungen zeigt er, daß er nach einem einigenden Prinzip seiner selbst und der Wirklichkeit, also nach der Wahrheit, strebt. Nur kraft dieser Wahrheit vermag der Mensch trotz seiner Widersprüche und Sünden seine Reife und damit die Fähigkeit zu verantwortlichem Handeln in der Geschichte zu erlangen. 2. Christus, die Offenbarung des Vaters, ist das Urprinzip der Wirklichkeit, das allem seine Ordnung gibt. Daher erfordert der Glaube an Christus eine tiefgreifende Bekehrung und einen endgültigen Gesinnungswandel, aus denen eine neue Empfindsamkeit und eine neue Urteilsfähigkeit entspringen. Diese Urteilsfähigkeit, die eng mit dem Glauben eines jeden, auch des einfachen Christen zusammenhängt, ruft ein so tiefes und freudvolles Erkennen des Lebens hervor, daß gerechtfertigt ist, was ich in der Enzyklika Redemptor hominis gesagt habe: „Der Mensch, der sich selbst bis in die Tiefe verstehen will - nicht nur nach unmittelbar zugänglichen, partiellen, oft oberflächlichen und sogar nur scheinbaren Kriterien und Maßstäben des eigenen Seins -, muß . . . sich Christus nahen“ (Nr. 10). Wenn das Glaubensurteil systematisch und kritisch wird, läßt es eine neue Hermeneutik entstehen, die imstande ist, die Kultur, aufgefaßt als „grundlegende Äußerung des Menschen als einzelnen, als Gemeinschaft, als Volk, als Nation“ zu erlösen (Ansprache an Vertreter der Wissenschaft und Kultur, 15. Dezember 1983; O.R. dt. vom 27. 1. 1984, S. 8). Wenn der Evangelist schreibt: „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14), will er uns außerdem lehren, daß in Christus die Wahrheit ohne Hindernisse, nicht mehr als das Ziel einer vergeblichen Sehnsucht, sondern als konkrete, persönlich erreichbare 29 AUDIENZEN UND ANGELUS Wirklichkeit zugänglich geworden ist. Die Wahrheit ist gekommen, sie hat Geist und Herzen erfüllt. Infolgedessen gewinnt das Denken des Menschen nur dann seinen vollen Wert, wenn er sich dieser Wahrheit anpaßt und sie als obersten Maßstab für sein Urteil und als entscheidende Richtschnur für sein Handeln annimmt. In der Tradition des Glaubens Es gibt also - was man ohne Umschweife zugeben muß - eine christliche Prägung der Kultur, weil der Glaube an Christus nicht einfach ein Wert unter vielen anderen Werten ist, die die verschiedenen Kulturen heraussteilen; er ist für den Christen vielmehr letzte Richtschnur für die Beurteilung aller Werte, in voller Respektierung ihrer jeweiligen Eigenart. 3. Die vom Glauben hervorgebrachte Kultur ist folglich eine Aufgabe, die es zu verwirklichen, und eine Tradition, die es zu bewahren und weiterzugeben gilt. Nur so findet die ihrem Wesen nach von der Kultur unabhängige Glaubensverkündigung die Möglichkeit, sich im Leben der Menschen und Völker voll auszuwirken. Kritisch und konstruktiv Denn die Gesamtheit der Interessen und Fähigkeiten des Menschen wartet darauf, vom Licht Christi beseelt zu werden. Das Licht seiner Gegenwart fördert Entfaltung der Befähigung des Menschen, weil es jedes Vermögen des Menschen aufwertet, bestätigt und die Dynamik seiner Fähigkeiten anregt. Durch die Vertiefung und Mitteilung der christlichen Sicht der Wirklichkeit, die die Kultur gestattet, zeigt sich besser die höchste Angemessenheit des Planes Gottes mit der Welt. Liebe Brüder und Schwestern, wir sind in diesem Heiligen Jahr der Erlösung aufgefordert, an der Sendung der Kirche teilzunehmen, die in eine kritische und aufbauende Beziehung zu jeder Form von Kultur treten kann und soll. Denn der Christ ist aufgerufen, zum kulturellen Fortschritt und zur Solidarität unter den Menschen beizutragen, indem er aus den verschiedensten menschlichen Situationen heraus „einen Glauben verkündigt, der fordert, den menschlichen Verstand zu durchdringen . . ., sich also nicht mehr neben das stellt, was der Verstand mit seinem natürlichen Licht zu erkennen vermag, sondern eben diese Erkenntnis selber von innen her durchdringt“ (Ansprache über die Hochschulseelsorge vom 8. 3. 1982). 30 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich die genannten Gruppen und jeden einzelnen Besucher dieser Audienz. Euch allen gilt der soeben gehörte Segenswunsch des hl. Paulus im Kolosserbrief, nämlich, daß ihr die tiefe und reiche Einsicht erlangt und das göttliche Geheimnis erkennt, das Christus ist (vgl. Kol 2,2). Das Christentum ist keine abstrakte Lehre, sondern eine Kraft, die das Leben und die Kultur des Menschen durchdringen und prägen muß. Die uns in Christus geoffenbarte Wahrheit läßt uns die ganze Wirklichkeit in einer neuen Weise sehen. Wer an Christus glaubt, kann die tiefe Bedeutung seines eigenen Lebens erkennen und wird niemals der Mutlosigkeit oder Verzweiflung verfallen. Ebenso muß vom Licht des Evangeliums auch unser konkretes Handeln erleuchtet und geleitet sein. Der Christ ist aufgerufen, aus der Kraft seines Glaubens zum kulturellen Fortschritt und zur Solidarität unter den Menschen seinen spezifischen Beitrag zu leisten. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die heute sehr zahlreichen Pilgergruppen aus der Erzdiözese Wien; besonders jene, die mit Herrn Weihbischof Kuntner an einem Kurs für geistliche Erneuerung in Rocca di Papa teilnimmt. In gleicher Weise begrüße ich auch die Pilgerfahrt der Diözese Eisenstadt unter der Leitung ihres Oberhirten, Bischof Läszlö. Das Heilige Jahr erinnert uns an unsere Erlösung in Christus. Wir heißen Christen, weil wir mit Christus durch Tod und Auferstehung zu einem neuen Leben berufen sind. Es ist unser aller Aufgabe, dieses durch eine entschlossene Lebensgestaltung aus dem Glauben kraftvoll vor der Welt zu bezeugen. Die Gläubigen aus der Diözese Eisenstadt ermutige ich im Anschluß an ihr Seminarjubiläum noch besonders dazu, den Weg ihrer Seminaristen zum Priesterberuf durch ihr Gebet und Opfer hochherzig zu unterstützen. Gott wird auch heute genügend Arbeiter in seine Ernte senden und sie in ihrer Berufung treu bewahren, wenn wir ihn inständig und beständig darum bitten. Von Herzen erteile ich euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern für reiche Gnaden Jesu Christi, unseres Erlösers, meinen besonderen Apostolischen Segen. 31 AUDIENZEN UND ANGELUS Nur ein Waffenstillstand ermöglicht echten Dialog Friedensappell für den Libanon bei der Generalaudienz am 8. Februar Aus dem Libanon erreichen uns immer alarmierendere Nachrichten, die euch sicher bekannt sind. Ich habe in diesen Tagen den Verlauf der dortigen Ereignisse jeden Augenblick mit besonderer Aufmerksamkeit verfolgt. Tieferschüttert von dem großen Leid der libanesischen Bevölkerung und besorgt um das Überleben ihres Landes, habe ich gestern abend eine persönliche Botschaft an den Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gerichtet, um ihm meine Besorgnis mitzuteilen und ihn zu bitten, seinen Einfluß geltend zu machen, damit vor allem der Beschuß und das Töten eingestellt werden und ein sofortiger Waffenstillstand begünstigt werde, der die Suche nach einer gerechten politischen Lösung erlaubt. Ebenfalls wegen des Libanonproblems will ich mich auch an den syrischen Präsidenten Assad wenden und werde bei anderen verantwortlichen Staatsmännern dasselbe tun. Nun aber richte ich an euch und an die ganze Kirche einen dringenden Aufruf zum Gebet. Der Schmerz der Libanesen, von dem der Papst und alle Menschen guten Willens nicht unberührt bleiben können, werde zu einer flehentlichen Anrufung an den barmherzigen Gott für die Rettung der vielen in den Konflikt verwickelten Menschen und insbesondere für alle Opfer dieses schrecklichen Geschehens. Ich wiederhole noch einmal die Aufforderung, die ich am vergangenen Sonntag an alle Verantwortlichen der einander bekämpfenden Parteien gerichtet habe, sie mögen einen sofortigen Waffenstillstand herbeiführen, der einen echten Dialog ermöglicht mit dem Ziel, zu einer gerechten, wirksamen und dauerhaften politischen Lösung zu gelangen. 32 AUDIENZEN UND ANGELUS Liturgie ist Handlung Christi Angelus am 12. Februar 1. Heute will ich mit euch über die Gegenwart der seligen Jungfrau bei der Liturgiefeier sprechen. Wie ihr wißt, ist jede liturgische Handlung, besonders aber die Feier der Eucharistie, ein Ereignis der Gemeinschaft und eine Quelle der Einheit. Gemeinschaft mit Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist. In der heiligen Handlung erreicht uns die Kraft des Geistes, der als Lebensstrom der ewigen Liturgie entspringt, die der auferstandene Christus zur Ehre des Vaters und zum Heil des Menschen feiert. Gemeinschaft des himmlischen Jerusalem mit der Kirche, die noch auf den Straßen der Welt dahinpilgert. Bei der Feier der heiligen Geheimnisse vereinen sich Himmel und Erde, werden von demselben Licht erleuchtet, brennen von derselben Liebe, haben am selben Leben teil, verschmelzen zur Einheit. Gemeinschaft unter uns: In der Liturgie bekennen wir denselben Glauben, haben an derselben Hoffnung teil, sind von derselben Liebe beseelt. Von demselben Geist bewegt, rufen wir denselben Vater an und nähren uns, als Tischgenossen Christi, von demselben Wort, demselben Brot und demselben Kelch des Lebens. 2. Gemeinschaft in besonderer Weise auch mit der Mutter, der demütigen und seligen Gottesmutter Maria. Warum? Weü die Liturgie Handlung Christi und der Kirche ist. Handlung Christi, weil er der einzige, der wahre „Hohepriester“ ist (Hebr 8,1): Verborgen unter dem Schleier der heüigen Zeichen, bringt er das Opfer dar, tauft und läßt die Sünden nach, legt den Kranken die Hände auf, verkündet die Frohbotschaft, lobt und preist den Vater, bittet für die Menschen und tritt für sie ein (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 7). Handlung der Kirche, weil Christus sich „in diesem großen Werk, in dem Gott vollkommen verherrlicht und die Menschheit geheiligt werden, immer wieder die Kirche, seine geliebte Braut, zugesellt. Sie ruft ihren Herrn an, und durch ihn huldigt sie dem ewigen Vater“ (ebd..). Maria aber ist mit Christus wie mit der Kirche innig verbunden und von beiden nicht zu trennen. Sie ist deshalb mit beiden in dem vereint, was das Wesen der Liturgie selbst bildet: die sakramentale Heilsfeier zur Ehre Gottes und zur Heiligung des Menschen. 33 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Maria ist gegenwärtig in der Gedenkfeier - der liturgischen Handlung weil sie beim Heilsgeschehen gegenwärtig war. Sie ist gegenwärtig bei jedem Taufbecken, wo die Glieder des mystischen Leibes im Glauben und im Geist zum göttlichen Leben geboren werden, weil sie im Glauben und in der Kraft des Geistes das göttliche Haupt, Christus, empfangen hat; sie ist gegenwärtig an jedem Altar, wo das Gedenken an die Passion und die Auferstehung gefeiert wird, weil sie beim heilsgeschichtlichen Ereignis des Todes Christi gegenwärtig war, mit ihrem ganzen Sein dem Plan des Vaters zustimmend; sie ist gegenwärtig in jedem Abendmahlssaal, wo durch Handauflegung und Salbung den Gläubigen der Geist mitgeteilt wird, weil sie mit Petrus und den übrigen Aposteln, mit der jungen Kirche, bei der Ausgießung des Geistes am Pfingsttag gegenwärtig war. Mit Christus, dem Hohenpriester; mit der Kirche als Kultgemeinschaft: Mit beiden ist Maria ewig verbunden im Heilsgeschehen und seiner liturgischen Gedenkfeier. Auch im Leben jedes Christen muß Maria durch eine echte, tiefe Verehrung gegenwärtig sein. Arbeit, um mit anderen zu teilen Generalaudienz am 15. Februar 1. „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde und unterwerft sie euch“ (Gen 1,28). Das Wort des Schöpfergottes überträgt dem Menschen eine unverwechselbare Aufgabe für die Entwicklung der dem Universum innewohnenden Möglichkeiten. Er ist aufgerufen, am Werk des Schöpfers teilzunehmen, das von der Bibel bezeichnenderweise mit dem Wort „Arbeit“ umschrieben wird. Seinen Fähigkeiten entsprechend setzt er fort, entwickelt und vervollständigt, was Gott begonnen hat. Doch die Bedeutung der menschlichen Arbeit erschöpft sich nicht in dieser Aufgabe. Sie ist auch unverwechselbar für den Aufbau einer gerechteren Gesellschaft, in der Wahrheit und Liebe herrschen und die in der Erlösung Christi enthaltene Verheißung des Gottesknechtes daher sichtbar hervortreten soll. „Deshalb darf die Arbeit, wie ich während meiner apostolischen Reise in Mexiko sagte, nicht nur eine Notwendigkeit sein, sie muß vielmehr als eine echte Berufung betrachtet werden, ein 34 AUDIENZEN UND ANGELUS Aufruf Gottes, eine neue Welt zu bauen, in der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit wohnen, eine Vorwegnahme des Reiches Gottes, in dem es weder Mangel noch Beschränkungen geben wird. Die Arbeit muß das Mittel sein, dem Menschen die ganze Schöpfung in seiner Würde als Mensch und als Kind Gottes unterzuordnen“ (Ansprache an Arbeiterfamilien in Guadalajara, 30. Januar 1979: O.R.dt. vom 16. 2. 1979, S. 11). 2. Wenn wir unsere Überlegungen im Sinn des Zweiten Vatikanischen Konzils vertiefen, wissen wir aufgrund unseres Glaubens, daß „der Mensch durch seine Gott dargebrachte Arbeit sich mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selbst verbindet, der, indem er in Nazaret mit eigenen Händen arbeitete, der Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat“ (Gaudium et spes, Nr. 67). Tatsächlich wird die durch Christus erlöste Arbeit für den Menschen zum Ausdruck seiner Berufung, der Berufung des Geschöpfes, das sich Christus angleichen soll, um in tiefer, inniger Einheit mit dem Sohn Gottes zu leben. In der von der Erlösung eröffneten Sicht wird die Arbeit zu einer der grundlegenden Weisen, wie sich der Mensch gegenüber sich selbst und, in Christus, gegenüber Gott, dem Vater, öffnet. Zu innerem Wachstum Das Zweite Vatikanische Konzil hat uns außerdem gelehrt, daß eine der wichtigsten Früchte dieser Einheit mit Christus die Teilnahme an seinem Königtum ist, das heißt an seiner Bestimmung zum Herrn des Alls und der Geschichte (vgl. Lumen gentium, Nr. 36). Christus hat sein Königtum vor allem im von Liebe getragenen Dienst an den Brüdern gelebt (vgl. Mt 20,28; Mk 10,45). Durch seine Teilnahme an diesem Königtum erwirbt der Mensch eine neue Freiheit, die Freiheit, sich in der täglichen Mühsal der Arbeit, die er als Erweis und Zeugnis der Liebe empfindet und lebt, hochherzig in den Dienst des Nächsten zu stellen. In einer manchmal schweren und mühseligen Arbeit verborgen, gibt sich die Liebe nicht sogleich und nicht immer zu erkennen; allmählich aber, wenn der Arbeitende Glauben und Ausdauer besitzt, zeigt sich die Liebe in der Solidarität, die zwischen den verschiedenen Menschen wächst. Die mit Liebe und aus Liebe geleistete Arbeit ist für den Menschen eine wichtige Gelegenheit zu innerem Wachstum, sichert sie ihm doch, wie mein verehrter Vorgänger Pius XII. sagte, „einen Bereich angemessener, nicht nur wirtschaftlicher, sondern auch politischer, kultureller und religiöser Freiheit“ (Pius XII., Botschaft vom 1. 9. 1944). 35 AUDIENZEN UND ANGELUS Darüber hinaus schließt die Arbeit einen „königlichen Dienst“ ein, denn indem der Mensch „die Mühsal der Arbeit in Einheit mit dem für uns gekreuzigten Christus erträgt, wirkt er mit dem Gottessohn an der Erlösung der Menschheit auf seine Weise mit. Er erweist sich als wahrer Jünger Christi, wenn auch er Tag für Tag bei der ihm aufgegebenen Tätigkeit sein Kreuz auf sich nimmt“ (Laborem exercens, Nr. 27). In der so verstandenen Arbeit verwirklicht sich in Weiterführung der Sendung Christi die Fähigkeit des Menschen, die Welt umzugestalten, indem er sie seiner erhabenen Würde, der Würde des Erlösten, angleicht. Die Erlösung der Arbeit versetzt den Menschen in die Lage, sein „munus regale“ („königliches Amt“) auszuüben, das heißt, dem Gebot des Schöpfers zu entsprechen, sich die Erde untertan zu machen und sie zu beherrschen (vgl. Gen 1,28). Daher kann Gaudium etspesfeststellen, die Arbeit „ist unmittelbarer Ausfluß der Person, die den stofflichen Dingen ihren Stempel aufprägt und sie ihrem Willen dienstbar macht“ (Nr. 67). 3. Die Arbeit ist auch deshalb von großem schöpferischem Wert, weil sie den einzelnen dazu veranlaßt, sich zusammen mit der ganzen familiären, gesellschaftlichen und politischen Gemeinschaft zu engagieren. Denn in der Tat empfängt jeder Mensch unaufhörlich Hilfe von den ihm Nahestehenden ebenso wie von den Fernstehenden. Er zieht Nutzen aus den materiellen, moralischen, kulturellen und religiösen Gütern, die von ganzen Generationen geschaffen wurden und die er vielleicht nicht einmal vom Hörensagen kennt. Er lebt von der Arbeit, den Anstrengungen, dem Eifer, der Hingabe und dem Opfer, die andere erbracht haben. Keines der Güter, die Frucht dieser gewaltigen Arbeitsleistung darstellen, ist ihm unbekannt. Es wäre jedoch egoistisch, diesen ganzen Reichtum passiv anzunehmen, ohne sich um entsprechende Abgeltung zu bemühen, indem man durch eigene Arbeit aktiv zur Lösung der dramatischen sozialen Probleme in unserer heutigen Welt beiträgt. Heilmittel gegen die Entfremdung Diese einfache Betrachtung erhellt die der menschlichen Arbeit innewohnende Dimension der Teilhabe. Sie öffnet dem Menschen den Weg zur Selbstverwirklichung, weü sie ihm die unvergleichliche Möglichkeit bietet, sich dem anderen im Rahmen fester und solidarischer Beziehungen mitzuteilen, die den realen Bedürfnissen und vor allem der höchsten Notwendigkeit entsprechen, einen Sinn für das eigene Dasein zu finden. Diese von der Erlösung Christi erschlossene Dimension erweist sich damit 36 AUDIENZEN UND ANGELUS als ein hervorragendes Heilmittel gegen die Situation der Entfremdung, in der sich die menschliche Arbeit oft abwickelt. Das Heilige Jahr der Erlösung ist für jeden von uns eine Einladung, in Christus, dem Erlöser, die tiefste Bedeutung der Arbeit und damit der Freude wiederzuentdecken, die dem Bewußtsein entspringt, persönlich zum Aufbau einer erneuerten Welt beizutragen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Gott fordert die ersten Menschen im Paradies auf, sich zu vermehren und sich die Welt untertan zu machen. Der Mensch ist aufgerufen, durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teilzunehmen und die menschliche Gesellschaft in Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe zu gestalten. Die Arbeit ist für den Menschen nicht nur eine reine Notwendigkeit, sie ist eine besondere Berufung. Wie das Konzil betont, verbindet der Mensch sich durch seine Gott dargebrachte Arbeit mit dem Erlösungswerk Jesu Christi selber, der durch seine eigene Arbeit in Nazaret der menschlichen Arbeit eine einzigartige Würde verliehen hat (vgl. Gaudium et spes, Nr. 67). In Christus wird der Mensch fähig, die Welt durch seine Mitarbeit im Dienst der Gemeinschaft so zu gestalten, daß sie seiner Würde als Erlöser entspricht. Als Christen sind wir berufen, mit Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, zum Heil der Menschheit mitzuwirken. Mit dieser kurzen Betrachtung über die hohe Würde der menschlichen Arbeit grüße ich herzlich alle deutschsprachigen Teilnehmer an dieser Audienz. Ich grüße besonders die heute wiederum zahlreichen Pilgergruppen aus Österreich, darunter die Schüler mit ihren Eltern aus dem bischöflichen Seminar Marianum in Tanzenberg, Diözese Gurk-Klagen-furt. Ich erbitte euch für eure Rompilgerfahrt reiche Jubiläumsgnaden des Heiligen Jahres und erteile euch und euren Lieben in der Heimat als deren Unterpfand von Herzen meinen Apostolischen Segen. 37 AUDIENZEN UND ANGELUS Neues Konkordat mit Italien: ein „Ereignis von historischer Bedeutung“ Angelus am 19. Februar 1. Heute hatte ich die Freude, eine zahlreiche Gruppe neuer Seliger, Märtyrer, zur Ehre der Altäre zu erheben: Neunundneunzig von ihnen stammen aus den Diözesen Westfrankreichs und haben in Angers das Martyrium erlitten; sie nahmen zur Zeit der Französischen Revolution den Tod auf sich, um „ihren Glauben und ihre Religion zu bewahren“ und ihre Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche zu bekunden; es handelte sich um Priester, Ordensfrauen, Männer und - in der Mehrzahl -Frauen. Sie sind Christus auf dem schmerzensreichen Weg des Kreuzes gefolgt. Der andere neue Märtyrerselige, Giovanni Battista Mazzucconi, stammte aus Lecco; er war Missionar des Päpstlichen Instituts für die Auslandsmission und wurde 1855 mit 29 Jahren auf einer Insel im fernen Ozeanien getötet. Während wir dem Herrn danken für das Geschenk, das er heute seiner Kirche bereitet hat, erheben wir unsere Gebete zu den neuen Märtyrerseligen, damit sie für uns die Kraft erwirken, in den verschiedenen Situationen, in die uns die göttliche Vorsehung hineingestellt hat, ihren festen Glauben, ihre unermüdliche Liebe bis hin zur Vergebung, ihr leuchtendes christliches Zeugnis gegenüber der Welt nachzuahmen. 2. Als Ereignis von historischer Bedeutung möchte ich die Unterzeichnung des Konkordats über die Revision des Laterankonkordats erwähnen, die gestern stattgefunden hat. Paul VI. hatte diesen Vertrag vorbereitet und gefördert als Zeichen neuer Übereinstimmung zwischen der Kirche und dem Staat in Italien, und ich halte ihn für wichtig und bedeutsam als Rechtsgrundlage für friedliche bilaterale Beziehungen und als ideale Inspiration für den hochherzigen, schöpferischen Beitrag, den die kirchliche Gemeinschaft zum moralischen Wohl und bürgerlichen Fortschritt der Nation zu leisten berufen ist. Die Italienische Bischofskonferenz, die in dem jetzt abgeschlossenen Konkordat für ihren Bereich die Rolle eines anerkannten Gesprächspartners mit den staatlichen Behörden und Institutionen übernimmt, hat in einer vortrefflichen Botschaft ihres Vorsitzenden Wünsche und Hoffnung zum Ausdruck gebracht, denen ich mich aus ganzem Herzen anschließe. Die selige Jungfrau Maria, die in den über die ganze Halbinsel verstreuten 38 AUDIENZEN UND ANGELUS Heiligtümern verehrt und in jeder Stadt und in jedem Dorf mit den schönsten Beinamen, wie z. B. „Castellana d’Italia“, angerufen wird, segne das italienische Volk und seinen Weg des zivilen und reügiösen Wachstums, in Eintracht, Freiheit und Gerechtigkeit. Nach dem Angelus und kurzen Grußworten sagte der Papst: Mehr als ein Monat ist seit der Entführung der kleinen Federica Isoardi vergangen, die sich in der Stadt Cuneo zutrug und Eltern und Verwandte in qualvollen Schmerz und alle Bewohner in fassungslose Bestürzung versetzte. Seit damals dauert das angsterfüllte Warten an. Noch einmal richte ich meinen dringenden Appell an die Entführer, der schweren Sorge der gebrochenen Eltern ein Ende zu setzen und endlich Mitleid mit der kleinen unschuldigen Federica zu haben! Die Schlüssel des Himmelreiches Generalaudienz am 22. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das heutige Fest Petri Stuhlfeier, das wir begehen, erhält im Jahr der Erlösung eine ganz besondere Bedeutung. Es erinnert uns an die Aufgabe, die der Kirche bei der Sündenvergebung zufällt. Der Abschnitt aus dem Matthäusevangelium, den wir soeben gehört haben, enthält die Verheißung des Petrusamtes an den Apostel und an seine Nachfolger im Dienst des Gottesvolkes: „Ich aber sage dir“, bekräftigt Jesus, „du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen. Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“ {Mt 16,18-19). Wir wissen, daß Christus diese Verheißung nach seiner Auferstehung wahr machte, als er dem Petrus auftrug: „Weide meine Lämmer! Weide meine Schafe!“ (vgl. Joh 21,15-17). Wir wissen ferner, daß Jesus ebenso den Aposteln und ihren Nachfolgern, den Bischöfen, in einzigartiger Weise „mit und unter Petrus“ (Ad gentes, Nr. 38) die Vollmacht, zu „binden“ und zu „lösen“ anvertraute (vgl. Mt 18,18); und diese Voll- 39 AUDIENZEN UND ANGELUS macht wird in gewissem Maße und durch Teilhabe auch den Priestern übertragen. Der genannte Auftrag ist sehr weitgespannt und umfaßt die Aufgabe, das Wort Gottes mit „einem sicheren Charisma der Wahrheit“ (Del verbum, Nr. 8) zu bewahren und zu verkünden; die Aufgabe der Heiligung vor allem durch die Feier der Sakramente; die Aufgabe, die christliche Gemeinde in Treue zu Christus zu jeder Zeit und unter den verschiedensten gesellschaftlichen Verhältnissen zu leiten. 2. Jetzt möchte ich den Auftrag der Sündenvergebung hervorheben. Die Pflicht, sich an den Priester als Diener der Vergebung zu wenden, stellt für die Gläubigen in der Praxis nicht selten eine große Schwierigkeit dar. „Warum - so fragt man - soll ich einem Menschen wie ich mein Innerstes und meine verborgenste Schuld enthüllen?“ „Warum - so fragt man weiter - kann ich mich nicht direkt an Gott oder an Christus wenden, sondern muß die Vermittlung eines Menschen in Anspruch nehmen, um die Vergebung meiner Sünden zu erlangen?“ Solche und ähnliche Fragen mögen eine gewisse Stichhaltigkeit besitzen, was die Anstrengung betrifft, die das Bußsakrament wohl immer erfordert. Im Grunde lassen sie jedoch ein Nicht-Verstehen oder ein Nicht-Annehmen des Geheimnisses der Kirche erkennen. Gewiß: Der Mensch, der die Absolution erteilt, ist ein Bruder, der seinerseits auch beichten muß, weil er trotz seiner Verpflichtung zu persönlicher Heiligkeit weiterhin den Grenzen der menschlichen Schwachheit unterworfen bleibt. Der Mensch, der die Lossprechung erteilt, gewährt die Vergebung der Schuld jedoch nicht im Namen besonderer menschlicher Gaben, wie Intelligenz oder psychologisches Verständnis, Freundlichkeit oder Liebenswürdigkeit; er gewährt die Vergebung der Schuld auch nicht im Namen seiner eigenen Heiligkeit. Es wäre zu wünschen, daß er immer bereitwilliger und fähiger wird, die Hoffnung weiterzugeben, die aus seiner vollen Zugehörigkeit zu Christus erwächst (vgl. Gal 2,20; 1 Petr 3,15). Wenn er die Hand segnend zur Lossprechung erhebt, handelt er vielmehr „in persona Christi“, nicht bloß als sein Vertreter, sondern auch und vor allem als sein menschliches Werkzeug, in dem verborgen und wirklich Jesus selbst gegenwärtig ist und handelt, der „Gott mit uns“, der gestorben und auferstanden ist und lebt um unseres Heils willen. 3. Richtig betrachtet, ist die Vermittlung der Kirche, trotz des Unbehagens, das sie bisweilen hervorrufen mag, eine äußerst menschliche 40 AUDIENZEN UND ANGELUS Methode, Gott, der uns von unserer Schuld befreit, nicht zu einer femlie-genden Abstraktion, d. h. am Ende zu einem farblosen, verwirrenden und bedauernswerten Bild unserer selbst werden zu lassen. Durch die Vermittlung des Dieners der Kirche macht sich dieser Gott in der Konkretheit eines Herzens, dem gleichfalls vergeben wurde, zu unserem Nächsten. Aus dieser Sicht kann man sich fragen, ob die Kirche als Werkzeug nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr herbeigewünscht werden müßte, da sie den tiefsten Erwartungen entspricht, die im menschlichen Herzen verborgen sind, wenn es sich Gott nähert und sich von ihm retten läßt. Der Diener des Bußsakraments wird dann für uns - in der Kirche als Gesamtwirklichkeit - zum einzigartigen Ausdruck der „Logik der Menschwerdung“, in der das fleischgewordene Wort uns erreicht und uns von unseren Sünden befreit. „Was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein“, sagt Christus zu Petrus. Die Schlüssel des Himmelreiches werden Petrus und der Kirche nicht anvertraut, damit sie sich ihrer nach eigenem Gutdünken bedienen oder die Gewissen manipulieren, sondern damit diese befreit werden in der vollen Wahrheit des Menschen, der Christus ist, „Frieden und Erbarmen“ (vgl. Gal 6,16) für alle. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich noch einmal alle deutschsprachigen Teünehmer an dieser Audienz; besonders die Gruppe der Seminaristen aus der Diözese Fulda sowie die Rom-Wallfahrt der Polizei aus Bayern. Ich erbitte euch für eure Pilgerfahrt Ermutigung im Glauben und Vertiefung eurer persönlichen Verbundenheit mit Christus, unserem Erlöser. Dazu erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 41 AUDIENZEN UND ANGELUS Reich an ökumenischer Bedeutung Angelus in Bari am 26. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es war für mich heute vormittag eine große Freude, die Ikone der Madonna Hodegetria (der „Weggeleiterin“) krönen zu können. Ich wollte auf diese Weise einem sehr alten und vom Volk Apuliens hochverehrten Marienbild meine Verehrung erweisen, das auch den orthodoxen Brüdern, die in eurer schönen Region leben oder sich aufhalten, bekannt ist und von ihnen verehrt wird. Mein Akt der Verehrung für die allerseligste Jungfrau in dieser berühmten und herrlichen Ikone wollte also auch eine Geste der Anerkennung und Förderung des ökumenischen Engagements sein, das sich seit Jahrhunderten zwischen Griechen und Lateinern im Licht und unter dem Schutz der Gottesmutter vollzog und noch heute vollzieht. 2. Der feierliche Ritus der Krönung von Marienbildern ist, wie ihr wißt, ein althergebrachter und traditionsreicher Brauch. Seine symbolische Bedeutung liegt auf der Hand: Er will Ausdruck unserer Anerkennung für die geistliche und mystische Königsherrschaft sein, die Maria mit Christus und unter ihm über die gesamte Schöpfung, die himmlischen wie die irdischen Geschöpfe, ausübt. Es handelt sich um jene Königsherrschaft, deren verschiedene Formen wir feiern und preisen, wenn wir die Litanei nach dem Rosenkranz beten. Wir ihr göttlicher Sohn ist Maria nicht Königin dieser Welt, sondern im Reich Gottes, das hier unten als kirchliche Wirklichkeit aufkeimt, um im himmlischen Jerusalem seine Vollendung zu finden. Daher ist das „Reich Mariens wie das Reich Jesu keine vergängliche Macht, die nicht selten auf Ungerechtigkeit und Unterdrückung gründet, sondern - wie der hl. Paulus sagt - „Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist“ (Röm 14,17). 3. Die Madonna Hodegetria, die mit der Hand auf ihren göttlichen Sohn hinweist, zeigt uns den Weg zu diesem Reich, weil ja Jesus der Weg ist. Und damit zeigt sie uns auch den Weg der Einheit unter den Christen, die darin besteht, daß wir uns in absoluter Reinheit der Gesinnung und mit leidenschaftlicher Konsequenz des Lebens der geistlichen Königsherrschaft Jesu und Mariens unterordnen. 42 AUDIENZEN UND ANGELUS Möge der heutige Tag, der so reich an ökumenischer Bedeutung ist, für alle Anlaß zu neuem Einsatz und verstärkter Hoffnung auf den Fortschritt der Einheit sein - durch die Fürsprache der Madonna Hodegetria, unter der Führung Christi und in der Macht des Geistes. Nach dem Angelus sagte der Papst: Noch einmal, wie schon bei meiner Ankunft heute morgen, meinen herzlichen Gruß an das Volk von Bari und Apuliens, das für seine Glaubenstradition, seine Kultur, seine Anhänglichkeit an die Werte der Familie bekannt ist. Von dieser Stadt aus, die durch ihre geographische und kulturelle Position eine Brücke über das Mittelmeer schlägt, gehen meine Gedanken auch zu unseren Brüdern und Schwestern in Albanien, die ihren Glauben nicht nach außen bekennen können, was doch zu den Grundrechten der menschlichen Person gehört. Während ich sie eurem Gebet empfehle, möchte ich ihnen versichern, daß sie in besonderer Weise in meinem Herzen sind, und vertraue sie dem Schutz der Gottesmutter an. Erster Anstoß durch Gott Generalaudienz am 29. Februar 1. „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Bei unserem gemeinsamen Gebet am vergangenen Mittwoch haben wir über die Bedeutung und auch den menschlichen Wert der Vergebung nachgedacht, wie sie von der Kirche durch den Priester als Spender des Bußsakraments angeboten wird. Heute und in den kommenden Wochen möchte ich die Betrachtung der Akte näher erläutern, zu denen wir aufgerufen sind, wenn wir das Sakrament der Vergebung empfangen. Es handelt sich um sehr einfache Akte, um recht geläufige Worte, hinter denen sich jedoch die ganze Fülle der Gegenwart Gottes verbirgt und die von uns die Bereitschaft fordern, uns entsprechend der Pädagogik Christi formen zu lassen, die von der mütterlichen Weisheit der Kirche weitergeführt und angewandt wird. 43 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Wenn wir Gläubige unsere Häuser und unser Alltagsleben verlassen und uns auf den Weg machen, um das Erbarmen des Herrn zu empfangen, der uns im Sakrament der Versöhnung von unserer Schuld befreit — welche Überzeugungen und Gefühle sollten wir dann in unserem Herzen hegen? Zunächst müssen wir uns gewiß sein, daß wir damit bereits eine Antwort geben. Oberflächlich betrachtet mag diese Bemerkung seltsam erscheinen. Man mag sich fragen: Sind nicht wir, nur wir, diejenigen, die die Initiative ergreifen, um die Vergebung der Sünden zu erbitten? Sind nicht wir, nur wir, diejenigen, die die Last unserer Schuld und die Widersprüche unseres Lebens wahrnehmen? Sind nicht wir, und nur wir, diejenigen, die über die Beleidigung der Liebe Gottes Rechenschaft geben und sich daher entschließen, sich seiner Barmherzigkeit zu öffnen? Gewiß, unsere Freiheit ist auch erforderlich. Gott zwingt seine Vergebung dem, der sie ablehnt, nicht auf. Und doch hat diese Freiheit tiefere Wurzeln und höhere Ziele, als unser Bewußtsein zu begreifen vermag. Gott, der in Christus das lebendige und höchste Erbarmen ist, kommt uns zuvor, wenn wir ihn um Versöhnung bitten. Er wartet auf uns. Wir würden uns nicht von unserer Sünde lossagen, hätte Gott uns nicht bereits seine Vergebung angeboten. „Ja, Gott war es - sagt der hl. Paulus -, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat“ (2 Kor 5,19). Mehr noch: Wir würden uns nicht dazu entschließen, uns der Vergebung zu öffnen, hätte Gott nicht durch den Geist, den Christus uns geschenkt hat, in uns Sündern bereits einen ersten Anstoß zur Änderung unseres Lebens bewirkt, wie es gerade das Verlangen und der Wille zur Umkehr ist. „Wir bitten an Christi Statt“, fügt der hl. Paulus hinzu, „laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Dem Anschein nach sind wir es, die die ersten Schritte tun; in Wirklichkeit steht am Beginn der Erneuerung unseres Lebens der Herr, der uns erleuchtet und anspornt. Er ist es, dem wir folgen, seiner Initiative gleichen wir uns an. Dankbarkeit muß unser Herz erfüllen, noch ehe wir durch die Absolution der Kirche von unserer Schuld befreit werden. Gott ist ein „anspruchsvoller Freund“ 3. Eine zweite Gewißheit muß uns erfüllen, wenn wir zur Beichte gehen. Wir werden dazu angeregt, eine Vergebung anzunehmen, die sich nicht auf ein Vergessen des Vergangenen beschränkt, als würde ein vergänglicher Schleier darüber gebreitet; wir werden vielmehr zur radikalen Ände- 44 AUDIENZEN UND ANGELUS rung von Geist, Herz und Haltung aufgefordert, so daß wir durch Christus „Gerechtigkeit Gottes“ werden (2 Kor 5,21). Gott ist in der Tat ein überaus hebenswürdiger, aber auch sehr anspruchsvoller Freund. Wenn man ihm begegnet, darf man nicht mehr so weiterleben, als wäre man ihm nicht begegnet. Er verlangt, daß wir ihm folgen, und zwar nicht auf den Wegen, die zu gehen wir festgelegt haben, sondern auf jenen, die er für uns bestimmt hat. Wir geben ihm etwas von unserer Existenz und werden nach und nach gewahr, daß er sie ganz von uns fordert. Eine Religion, die nur Trost spendet, ist ein Märchen, das nur jene glauben, die die Gemeinschaft mit Gott noch nicht erfahren haben. Diese Gemeinschaft bietet ebenfalls tiefste Genugtuung, doch nur innerhalb eines unaufhörlichen Bemühens um Umkehr. 4. Insbesondere - und das ist ein dritter Aspekt für den Empfang des Bußsakramentes - fordert uns Jesus auf, unsererseits bereitwillig den Mitmenschen zu verzeihen, wenn wir seine Verzeihung erhalten wollen. Der in manchen christlichen Überlieferungen vorhandene Brauch, mit den umstehenden Gläubigen ein Zeichen des Friedens zu tauschen, ehe man zum Sakrament der Barmherzigkeit Gottes hinzutritt, versinnbildet das Gebot des Evangeliums in einer Geste: „Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, dann wird euer himmlischer Vater auch euch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, dann wird euch euer himmlischer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Mt 6,14-15). Diese Aussage erhält ihre ganze Bedeutung, wenn man bedenkt, daß auch die geheimste und persönlichste Sünde immer eine der Kirche zugefügte Wunde ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 11), und wenn man ferner bedenkt, daß die Gewährung der Vergebung Gottes, auch wenn sie in besonderer und unübertragbarer Weise ein Akt des Spenders des Bußsakramentes, nämlich des Priesters ist, immer im Rahmen einer Gemeinschaft erfolgt; diese hilft dem Sünder, steht ihm bei und nimmt ihn wieder auf mit ihrem Gebet, mit der Vereinigung mit dem Leiden Christi und mit dem Geist der Brüderlichkeit, der aus dem Tod und der Auferstehung Jesu hervorgeht (vgl. Lumen gentium, Nr. 11). Hören wir also, liebe Brüder und Schwestern, auf die Einladung des Apostels Paulus, als würde Gott selbst uns auffordern: „Lassen wir uns mit Gott versöhnen!“ 45 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Im Jubiläumsjahr der Erlösung hören wir wieder neu die mahnenden Worte des hl. Paulus: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Diese Versöhnung mit Gott geschieht vor allem im Sakrament der Buße. Ihm gilt deshalb in diesen Wochen unsere besondere Aufmerksamkeit. Wenn wir zu diesem Sakrament der Versöhnung hinzutreten, so müssen wir wissen, daß es stets Gott selber ist, der uns ruft und erwartet. Es ist schon seine Gnade, die uns den Wunsch und Willen zur Umkehr eingibt. Seine Vergebung löscht nicht nur unsere begangenen Sünden aus, sondern ruft uns auf zu einem tiefgreifenden Wandel in unserem Denken und Tun. Gott verlangt, daß wir fortan Christus folgen auf dem Weg, den er uns gelehrt hat. Die wichtigste Forderung ist, daß auch wir bereit sind, unseren Brüdern zu verzeihen, so wie Gott uns in seiner Barmherzigkeit immer wieder verzeiht. Ich erbitte euch allen: aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol, als Gnade eurer Jubiläumswallfahrt die versöhnende Liebe Gottes durch einen würdigen Empfang des Bußsakraments und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. In der Treue zum geistlichen Erbe des hl. Kasimir Gebetsaufruf für Litauen bei der Generalaudienz am 29. Februar Am kommenden Sonntag, dem 4. März, jährt sich zum 500. Mal der Todestag des hl. Kasimir, des Patrons von Litauen. Kasimir, Sohn des Königs von Polen und Großherzog von Litauen, hat nur 26 Jahre gelebt, gelangte aber in kurzer Zeit zur Vollkommenheit. Von Wilna aus, wo sein Grab gehegt und verehrt wird, hat sich die Verehrung des hl. Kasimir in den Ländern Mittel- und Osteuropas weit verbreitet. Um auf würdige Weise des Jubiläums zu gedenken und die tiefe Solidarität in der Einheit des Glaubens und der Liebe der Kirche Roms mit der Kirche in Litauen zu bekunden, werde ich am kommenden Sonntag in der Peterskirche in Konzelebration mit Vertretern der europäischen Bischofskonferenzen einen feierlichen Gottesdienst halten. 46 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich lade alle ein, zu Gott zu beten für das katholische Volk Litauens, damit es aushalte in der Treue zum geistlichen Erbe, das ihm der hl. Kasimir hinterlassen hat. Europas „christliche Wurzeln“ Angelus am 4. März 1. Bei dieser sonntäglichen Begegnung möchte ich die Betrachtung über die Präsenz Mariens in der liturgischen Feier, im Tun Christi und der Kirche, mit dem Maria unlösbar verbunden ist, fortsetzen. Die Kirche besitzt diese tiefinnerliche Überzeugung aus ihrem Glauben und sozusagen aus der Erfahrung. Denn die Kirche glaubt, daß die in den Himmel aufgenommene seligste Jungfrau bei Christus ist, „der allezeit lebt, um für uns einzutreten“ (Hebr 7, 25), und daß sich das unaufhörliche Gebet der Mutter mit dem göttlichen Flehen des Sohnes vereint: Im Himmel ist die Stimme der Jungfrau zum Bittgottesdienst für die Menschen, ihre Kinder, geworden, die sie im Licht Gottes sieht und deren Nöte und Sorgen sie kennt. Sodann besitzt die Kirche die in jahrhundertelanger Gebetsgewohnheit gereifte, innere, lebendige Erfahrung der tätigen Präsenz der Jungfrau, der Engel und der Heiligen in der Liturgie. Und sie setzt diese Erfahrung, die vor allem im liturgischen Gebet ihren Niederschlag gefunden hat, in mannigfache Akte der Verehrung um, unter denen ich die Bitte um die mütterliche Fürsprache Mariens und die Gemeinschaft mit ihr erwähnen möchte. Im Bereich der einzigartigen Vermittlung Christi war es der Wille Gottvaters, daß die mütterliche Liebe der Jungfrau die Kirche auf dem Weg zur ewigen Heimat begleite. Die Kirche will also diesen Weg mit der Mutter des Herrn gehen, deren Stimme im Lobpreis Gottes die erste ist, deren Herz in reiner Selbsthingabe schlägt und dem Höchsten jubelnd Dank sagt. 2. Heute, wo sich zum 500. Mal der Todestag des hl. Kasimir jährt, wollte ich mich im Geist den Bischöfen Litauens anschließen, die gestern am Grab des Heiligen in Wilna die Jubiläumsfeierlichkeiten zu Ehren ihres himmlischen Patrons eingeleitet haben. 47 AUDIENZEN UND ANGELUS Der hl. Kasimir, Sohn Kasimirs IV. aus dem Geschlecht der Jagellonen, Königs von Polen und Großherzogs von Litauen, hat sich in seinem kurzen, nur 26 Jahre währenden Leben durch festen Glauben, unentwegtes Gebet, leuchtende Reinheit, tätige Liebe gegenüber den Armen und Notleidenden und glühende Verehrung der seligsten Jungfrau ausgezeichnet. Durch dieses beispielhafte christliche Zeugnis und durch die verschiedenen Verwandtschaftsbande ist das Leben des Heiligen mit der profanen und religiösen Geschichte Europas seiner Zeit verbunden. Die Anwesenheit der Vertreter der europäischen Bischofskonferenzen beim heutigen feierlichen Gottesdienst in Sankt Peter hat dieses gemeinsame kulturelle und geistliche Erbe, das die verschiedenen Nationen Europas verbindet, unterstreichen und außerdem an die „christlichen Wurzeln“ erinnern wollen, die jahrhundertelang sämtliche Äußerungen der Geschichte dieses Kontinents befruchtet und genährt haben; sie wollte darüber hinaus die Liebe, die Sorge und Solidarität der Kirche Roms und der übrigen Teilkirchen Europas gegenüber dem ganzen Volk Gottes in Litauen zum Ausdruck bringen. Allen Litauern, die in der Heimat oder in der Welt verstreut leben, gilt mein aufrichtiger Wunsch, der begleitet ist von der Anrufung des Herrn, daß sie dem kostbaren geistlichen Erbe ihres Schutzheiligen treu bleiben, stark im Glauben ihrer Vorfahren, froh in der Hoffnung, verwurzelt in der Liebe und in der Gemeinschaft mit Gott, der Kirche und den Brüdern. Nach dem Angelus sagte der Papst: 1. Am kommenden Aschermittwoch, dem ersten Tag der Fastenzeit, werde ich mich in die Calixtuskatakomben begeben, um dort mit der Jugend von Rom die heilige Messe zu feiern. Ich gebe dem Wunsch Ausdruck, daß der Beginn der Fastenzeit für alle den Beginn eines Weges der inneren Läuterung bezeichnen möge, im Einklang mit den großen Themen, die die Werktags- und Sonntagsliturgie zu Betrachtung und Gebet vorschlägt. Ostern wird um so schöner und freudenreicher sein, je mehr Mühe ein jeder während der „harten“ Tage der Vorbereitung aufgewendet hat. 2. Am kommenden Donnerstag, dem 8. März, wird bekanntlich der Internationale Tag der Frau begangen. Die christlichen Frauen wollen ihren eigenen Beitrag, eine Botschaft der Hoffnung, in eine Gesellschaft einbringen, die oft die Zuversicht verloren zu haben scheint; eine Botschaft der menschlichen Solidarität, ja der Gemeinschaft in einer Welt, in der das Gift der Gewalt und des Egoismus am Werk ist. 48 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich segne ihr Engagement in dem Wunsch, daß sie im Glauben an Christus, den Erlöser der Menschen, der „unser Friede und unsere Versöhnung“ ist, den Ansporn zu jenem Zeugnis des Idealismus, des Verständnisses, der aktiven Eintracht finden mögen, das unsere Welt so nötig hat. Meine Gedanken gehen an alle Frauen mit dem Wunsch, daß sich in Gesinnung und Gewohnheit die Achtung vor ihrer Würde und ihrer Sendung immer mehr durchsetze. Von der Buße gekennzeichnet Generalaudienz am Aschermittwoch, 7. März 1. „Tötet, was irdisch an euch ist“ (Kol 3, 5). Diese Aufforderung des Apostels Paulus ist am heutigen Tag für uns besonders aktuell, wenn mit dem feierlichen Ritus der Aschenauflegung die Fastenzeit beginnt: eine Zeit, die besonders von der Buße gekennzeichnet ist; eine Zeit, in der die Kirche die Gläubigen dazu anhält, häufiger und mit größerem Eifer das Bußsakrament zu empfangen. Das ganze christliche Leben ist ein Leben der Abtötung. Die Kirche setzt in ihrer mütterlichen Weisheit Bußtage fest, „an welchen die Gläubigen sich in besonderer Weise dem Gebet widmen, Werke der Frömmigkeit und der Nächstenliebe verrichten, sich selbst verleugnen, indem sie die ihnen eigenen Pflichten getreuer erfüllen und besonders Fasten und Abstinenz halten“ (Codex des kanonischen Rechtes, can. 1249). Während der Fastenzeit schreibt die Kirche sodann außer der „Abstinenz von Fleischspeisen oder von einer anderen Speise entsprechend den Vorschriften der (örtlichen) Bischofskonferenz“ (can. 1251) an jedem Freitag zu unserem geistlichen Nutzen „Abstinenz und Fasten am Aschermittwoch (also heute) und am Karfreitag“ (ebd.) vor. Es handelt sich dabei um Vorschriften, die als unerläßliches Minimum gelten sollten; eine umfassende Bußpraxis sollte die Pflege des Glaubenslebens und seine Anwendung in bestimmten Handlungen als Frucht der Hochherzigkeit begleiten. 2. In Fortsetzung der Betrachtungen, die wir bei den vergangenen Mittwochaudienzen angestellt haben, möchte ich die Aufmerksamkeit auf jene besondere Buße lenken, die mit dem Sakrament der Vergebung 49 AUDIENZEN UND ANGELUS verbunden ist und gewöhnlich „Genugtuung“ heißt. Diese Praxis muß in ihrer tieferen Bedeutung neu entdeckt werden. Vielleicht muß sie auch bedeutsamer und gehaltvoller werden, als es für gewöhnlich der Fall ist. Vom Anruf Gottes gedrängt, hat der Sünder das Sakrament der Barmherzigkeit empfangen und die Vergebung seiner Sünden erlangt. Vor der Absolution wurden ihm jedoch Bußübungen auferlegt, die er mit der Gnade des Herrn vollbringen soll. Es geht nicht um einen „Preis“, den das unschätzbare Geschenk uns kostet, das Gott mit der Befreiung von Schuld macht. Die Genugtuung ist vielmehr Ausdruck eines neuen Lebens, das mit immer neuer Hilfe Gottes Wirklichkeit wird. Sie sollte sich darum in ihren festgelegten Formen nicht auf Gebete beschränken, sondern auch in den verschiedenen Bereichen wirksam werden, in denen die Sünde den Menschen zerstört hat. Der hl. Paulus spricht von „Unzucht, Schamlosigkeit, Leidenschaft, bösen Begierden und Habsucht, die ein Götzendienst ist. Wegen all dem kommt der Zorn Gottes über den Ungehorsam“ (Kol 3, 5-6). 3. Mehr noch: Im Zusammenhang mit dem Bußsakrament und als seine Auswirkung gewinnt die Genugtuung nicht nur eine einzigartige Bedeutung, sondern enthüllt auch den Bedeutungsreichtum, den die Abtötung in der Sicht des Glaubens besitzt. Man wird nicht oft genug wiederholen können, daß das Christentum nicht Schmerz als Selbstzweck vertritt. Das Christentum ist hingegen Freude und Friede (vgl. Kol 3, 15), die Opfer einschließen und fordern. Denn obwohl die Erbsünde durch die Taufe getilgt wird, läßt sie normalerweise im Inneren des Menschen eine Unordnung, eine Neigung zur Sünde zurück, die außer durch die Gnade des Herrn auch durch menschliche Anstrengung überwunden und gezügelt wird (vgl. Konzil von Trient, Decretum de iustificatione, Kap. 10; Denz.-Schön., Nr. 1535). Auch das Sakrament der Versöhnung, das die Vergebung der Schuld anbietet, beseitigt nicht vollständig die Schwierigkeit, der der Gläubige bei der Verwirklichung des in das Herz des Menschen eingeschriebenen und von der Offenbarung vervollkommneten Gesetzes begegnet: Dieses Gesetz läßt, auch wenn es von der Gabe des Heiligen Geistes verinnerlicht wurde, für gewöhnlich die Möglichkeit zur Sünde und erst recht die Neigung zu ihr bestehen (vgl. ebd., Nr. 1536, 1568—1573). Das menschliche und christliche Leben erweist sich infolgedessen immer als Kampf gegen das Böse (vgl. Gaudium et spes, Nr. 13, 15). Es bedarf also eines ernsthaften asketischen Bemühens, damit der Gläubige immer fähiger wird, Gott und den Nächsten zu lieben, wie es seiner Wiedergeburt in Christus entspricht. 50 AUDIENZEN UND ANGELUS Dem ist hinzuzufügen, daß der Schmerz - sowohl der mit Ergebung ertragene wie der frei gewählte um des Evangeliums willen - in Verbundenheit mit Christus gelebt werden muß, um an seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung teilzuhaben. So kann der Gläubige mit dem hl. Paulus wiederholen: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1, 24). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich alle genannten Pilgergruppen; unter ihnen besonders die Gruppe der Ordensschwestern vom Päpstlichen Institut „Regina Mundi“ sowie alle anwesenden Schüler und Studenten mit ihren Erziehern. Euch allen erbitte ich eine segensreiche Fastenzeit, „Tötet, was irdisch an euch ist.“ Diese Mahnung des hl. Paulus hören wir mit besonderer Dringlichkeit am heutigen Aschermittwoch. Die Liturgie der ganzen Fastenzeit ruft uns zu Buße und Umkehr und lädt uns ein zum häufigen Empfang des Bußsakraments. Ich möchte euch heute besonders an die „Wiedergutmachung“ erinnern, zu der wir in der Beichte verpflichtet sind. Sie soll sich nicht nur auf besondere Gebetsübungen beschränken, sondern muß sich auf unser gesamtes Verhalten erstrecken. Auch nach empfangener Lossprechung von unserer Sündenschuld müssen wir uns noch weiter um die Überwindung unserer bösen Neigungen und Gewohnheiten bemühen. Der hl. Paulus nennt in der heutigen Schriftlesung unter anderem: Schamlosigkeit, Leidenschaft, böse Begierde, Zorn, Lästerungen und Lügen. Das Leben des Christen ist ein ständiger Kampf gegen das Böse. Nur so wird der Mensch fähig, Gott und den Nächsten wirklich zu Heben. Ich erbitte euch allen in der kommenden Fastenzeit die Gnade einer ernsthaften Besinnung und Umkehr. Dazu erteile ich euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 51 AUDIENZEN UND ANGELUS Geschöpf mit „neuem Herzen“ Angelus am 11. März 1. An diesem ersten Fastensonntag, der uns zu einem erneuten Weg der Umkehr auffordert, wendet sich unser Blick Maria, dem vollkommenen Bild der Kirche, zu. Denn in ihr erblicken wir das Geschöpf mit dem neuen Herzen, die aufmerksame und besorgte Frau, die Jüngerin, die unablässig zuzuhören und zu beten weiß, die Jungfrau des schweigenden Opfers. Maria ist das von den Propheten angekündigte Geschöpf mit „neuem Herzen“. Gott hatte verheißen: „Ich schenke euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist“ (Ez 36, 26). Das irdische Leben Mariens vollzog sich, angefangen von der unbefleckten Empfängnis, ganz im Schatten des Geistes; vor allem aber bei der Verkündigung empfing sie vom Heiligen Geist jenes „neue Herz“, das sie gefügig gegenüber Gott machte, fähig, zu seinem Heilsplan ja zu sagen und ihm durch ihr ganzes Leben mit absoluter Treue zu entsprechen. Sie ist die Virgo fidelis: die treue Jungfrau, die das alte Israel zusammenfaßt und die Kirche, die ewige Braut Gottes, in Treue und in Liebe vorwegnimmt (vgl. Hos 2, 21-22). 2. Maria ist noch immer die aufmerksame, um die geistlichen und materiellen Nöte ihrer Brüder und Schwestern besorgte Frau. Das Evangelium hebt ihre Sorge um die schon betagte Elisabeth, ihr diskretes Eingreifen auf der Hochzeit zu Kana zur Freude der jungen Brautleute, die mütterliche Annahme des Jüngers und aller Erlösten zu Füßen des Kreuzes hervor. Wir sind gewiß, daß sie vom Himmel her ihre Mittlerschaft für die vertriebenen Kinder Evas weiter fortsetzt. Darüber hinaus ist Maria die Jüngerin, die das Evangelium bis zum Opfer und Martyrium durch das unblutige „Schwert“ verkörpert hat, das ihr Simeon im Tempel vorausgesagt hatte, als er ihr Schicksal mit dem blutigen Opfer ihres Sohnes in Verbindung setzte. Angesichts des überraschenden Angebotes Gottes zögerte sie nicht, Tag für Tag das Ja der Verkündigung zu wiederholen, damit es das Ja des Pascha würde - für sie und für die ganze Menschheit. 3. Heute vormittag hatte ich die Freude und den Trost, Paola Frassinetti zur Ehre der Heiligen zu erheben. Sie stand im apostolischen Einsatz für die armen, von der Gesellschaft benachteiligten jungen Mädchen und gründete das Institut der Schwestern der hl. Dorothea, die sich der 52 AUDIENZEN UND ANGELUS Erziehung der Jugend, den Pfarraufgaben und insbesondere der Katechese widmen. Mit dieser feierlichen Anerkennung wollte die Kirche die heroischen Tugenden dieser unerschrockenen Tochter Liguriens, aber auch ihr inspiriertes Werk ehren, das der Förderung der Frau entsprechend dem christlichen Lebensstil galt. Denn sie war unermüdlich, was die Eröffnung von Schulen, Konvikten und Waisenhäusern betrifft, wie auch bei der Realisierung karitativer Werke, vor allem in Rom, wo sie den größten Teil ihres Lebens verbrachte. Die Schwestern von der hl. Dorothea freuen sich heute, ihre Gründerin in das Buch der Heiligen aufgenommen zu sehen. Auch wir schließen uns ihrer Freude an und bekunden unsere geistliche Verbundenheit und Ermutigung, damit sie weiterhin den evangelischen Geist der hl. Paola Frassinetti in alle Welt tragen, wo immer sich ihre Institute befinden. In deutscher Sprache sagte der Papst: An diesem ersten Fastensonntag möchte ich eure Aufmerksamkeit auf die in Italien als „Fastenzeit der Nächstenliebe“ bekannte Initiative lenken. Sie wird bekanntlich von der italienischen Caritas angeregt und will eine umfassende Aktion zu verstärkter Übung der Nächstenliebe als Zeugnis eines ernsthaft engagierten Glaubens und der inneren Umkehr entfalten. Das Thema, in diesem Jahr „Weg der Versöhnung zusammen mit den Letzten“, stellt den christlichen Gemeinden zwei Ziele vor Augen: eine besondere Aufmerksamkeit und Sorge für die Jugendlichen am Rande der Gesellschaft und die Solidarität mit den von der schweren Dürre betroffenen afrikanischen Völkern. Ich bin sicher, daß diese so wirksame und dringende Initiative beste Aufnahme finden wird. Wieder einmal bitte ich euch, mit mir zusammen zum Herrn für entführte Menschen zu beten. Heute will ich einen besonders dringenden Appell für Anna Maria Fusco erheben, die junge Lehrerin, die seit vergangenem November in den Händen der Entführer ist. Ich weiß, daß die Pfarrgemeinde, in der sie aktiv engagiert war, Gebetswachen für ihre Befreiung abgehalten hat. Möge der Herr dieses Gebet wohlwollend annehmen und auch die inständigen Bitten erhören, die die Schülerinnen der Elementarschule, an der die Entführte unterrichtete, immer wieder zum Himmel emporsenden. Nicht vergessen seien aber auch die zahlreichen anderen Menschen, die dieselben schrecklichen Bedingungen der Gefangenschaft erleiden. Möge Gott das Herz der Entführer bewegen, so daß sie eine Geste der Menschlichkeit setzen und den geängstigten Familien die so lange erwartete Ruhe zurückgeben. 53 AUDIENZEN UND ANGELUS „Allein im Licht Gottes“ Generalaudienz am 14. März 1. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht“ (1 Joh 1,9). Liebe Brüder und Schwestern, im Licht der Worte des Apostels Johannes wollen wir uns bei dieser Betrachtung weiterhin um ein Wiederfinden des Sinnes der Handlungen bemühen, die zu vollziehen wir gemäß der Dynamik des Sakraments und der Pädagogik der Kirche aufgerufen sind, wenn wir die Beichte ablegen. Heute richtet sich unsere Aufmerksamkeit auf jenes Element, das die christliche Aszetik gewöhnlich als Gewissenserforschung zur Erkenntnis unserer Sünden bezeichnet. Es ist bereits eine schwierige Aufgabe, zuzugeben, daß die Sünde an sich eine Entscheidung im Widerspruch zur sittlichen Norm ist, die der Mensch im eigenen Sein eingeschrieben trägt; es ist schwer, in der Entscheidung gegen Gott, unser wahres Ziel in Christus, die Ursache einer unerträglichen Spaltung unseres Inneren zu erkennen, nämlich zwischen dem notwendigen Streben nach dem Absoluten und unserem Willen, uns auf begrenzte Güter festzulegen. Der Mensch hat Mühe, zuzugeben, daß die schlechte Wahl die Harmonie zerbricht, die zwischen ihm und den Brüdern sowie zwischen ihm und den Realitäten des Kosmos herrschen muß. Die Schwierigkeit erhöht sich über die Maßen, wenn die Sünde nicht in ihrer theoretischen, allgemeinen Abstraktheit erkannt werden soll, sondern in ihrer Dichte als von einer bestimmten Person vollzogene Handlung oder als Zustand, in dem sich diese bestimmte Person befindet. Dann geht man vom Begreifen einer Lehre zur Anerkennung einer Erfahrung über, die uns direkt betrifft und der wir uns nicht entziehen können, da wir für sie die Verantwortung tragen. Wir dürfen nicht sagen: „Es gibt die Sünde“, sondern müssen bekennen: „Ich habe gesündigt“, „Ich bin in Sünde.“ Auf diese Schwierigkeit spielt der hl. Johannes an, wenn er uns in seinem ersten Brief mahnt: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns“ (I Joh 1, 8). 2. Vielleicht sollte man betonen: Die eigene Schuld bekennen heißt nicht, sich lediglich der Ereignisse in ihrer nackten Tatsächlichkeit zu erinnern, indem man bloße Haltungen und Handlungen, die gleichsam unfrei und gewissermaßen sogar aus dem Bewußtsein verdrängt sind, wieder ins Gedächtnis zurückruft. Seine Schuld bekennen bedeutet vielmehr, die Vorsätzlichkeit, die hinter unseren einzelnen Taten steht, ans Licht zu bringen. 54 AUDIENZEN UND ANGELUS Das erfordert den Mut, die eigene Freiheit zuzugeben, die zum Bösen mißbraucht wurde. Das verlangt, sich den moralischen Forderungen zu stellen, die Gott unserem Innern als zur Vollkommenheit führende Gebote eingeprägt hat, als er uns „nach seinem Abbild und Gleichnis“ (vgl. Gen 1, 26) erschaffen und uns „im voraus dazu bestimmt hat, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben“ (vgl. Rom 8, 29). Das verlangt insbesondere, daß wir „in uns gehen“ (vgl. Lk 15, 17), um das Offensichtliche sprechen zu lassen: Unsere schlechten Entscheidungen gehen nicht an uns vorbei; sie bestehen nicht vor uns; sie gehen nicht durch uns hindurch, als handelte es sich um Vorkommnisse, die nichts mit uns zu tun haben. Unsere bösen Entscheidungen entstehen, insofern sie böse sind, in uns, einzig und allein aus uns. Gott gewährt uns seine Mitwirkung, damit wir handeln können; die negative Prägung unseres Handelns jedoch hängt allein von uns ab. Wir sind es, die mittels der Freiheit, die uns Gott als Gabe und Aufgabe anvertraut hat, bestimmen, ob wir uns für Gott oder gegen Gott entscheiden. Mehr noch: Wenn wir uns mit Mühe dazu durchringen, unsere Sünden anzuerkennen, kostet es noch mehr, anzuerkennen, daß wir uns allein, ausschließlich mit unseren Kräften nicht davon befreien können. Das Paradoxe an diesem Abenteuer der menschlichen Schuld ist: Wir sind imstande, Handlungen zu setzen, die wir nicht wieder gutmachen können. Wir lehnen uns gegen einen Gott auf, den wir dann nicht zwingen können, uns seine Vergebung anzubieten. Konfrontierung mit dem Sittengesetz 3. Die Gewissenserforschung erweist sich daher nicht nur als Bemühen um psychologische Instrospektion oder als rein innerliches Tun, das sich auf den Bereich unseres sich selbst überlassenen Gewissens beschränkt. Sie ist vor allem Gegenüberstellung: Konfrontierung mit dem Sittengesetz, das Gott uns bei unserer Erschaffung mitgegeben, das Christus aufgegriffen und in seinem Gebot von der Liebe (vgl. 1 Joh 3, 23) vervollkommnet hat und das die Kirche durch ihre Lehre unaufhörlich vertieft und gegenwärtig macht; Gegenüberstellung mit Jesus selbst, der als Sohn Gottes unsere Menschennatur annehmen wollte (vgl. Phil 2, 7), um sich unsere Sünden aufzubürden (vgl. Jes 53, 12) und sie durch seinen Tod und seine Auferstehung zu besiegen. Allein im Licht Gottes, das sich in Christus offenbart und in der Kirche lebendig ist, können wir unsere Sünden klar erkennen. Allein im Angesicht Jesu, der sein Leben „für uns und um unseres Heiles willen“ hingibt, 55 AUDIENZEN UND ANGELUS sind wir imstande, unsere Sünden zu bekennen. Wir sind dazu auch imstande, weil wir wissen, daß sie uns schon vergeben sind, wenn wir uns seiner Barmherzigkeit öffnen. Wir können es zulassen, daß unser Herz „uns Vorwürfe macht“, weil wir gewiß sind, daß „Gott größer ist als unser Herz“ {1 Joh 3, 20). Und daß „er alles weiß“ (ebd.). Und für jede Schuld gewährt er uns sein Wohlwollen und seine Gnade. Dann erwacht in uns auch der Wille, uns zu bessern. Pascal würde sagen: „Kenntest du deine Sünden, verlörest du den Mut. . . Indem du sie nach und nach sühnst, wirst du sie erkennen, und es wird dir gesagt werden: ,Das sind die Sünden, die dir vergeben worden sind““ (Pensees, 553, ed. L. Brunschvicg). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht“ (I Joh 1, 9). Diese Worte aus dem 1. Johannesbrief sollten wir ganz ernst nehmen; dann können sie uns in befreiender Weise trösten und aufrichten. Wir wissen alle: Es ist nicht leicht, eine ehrliche Gewissenserforschung über das eigene Leben zu halten. Es geht dabei ja nicht darum, theoretisch festzustellen, es wird gesündigt, sondern zuzugeben: „Ich habe gesündigt; ich lebe in Schuld.“ Und doch gehört auch die Sünde zur ganzen Wahrheit unseres Lebens. Johannes sagt es so: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns“ {ebd., Vers 8). Erst das realistische Eingeständnis, daß wir schuldig geworden sind, bringt uns das Drama unserer Freiheit zu Bewußstein: die traurige Möglichkeit, uns gegen den inneren Sinn von Gottes Welt zu entscheiden; aber ebenso die großartige Möglichkeit, uns bewußt und frei für Gott und seine Schöpfung zu entscheiden. Es mag paradox klingen, ist aber wahr: Ein aufrichtiges Bekenntnis des eigenen Versagens bringt in uns die ganze verzeihende Barmherzigkeit Gottes zum Leuchten und gibt uns die volle Würde eines freien Menschen zurück, offen für alle wahre Schönheit Gottes und der Dinge. Mit diesen Gedanken für eine geistig fruchtbare Fastenzeit im Heiligen Jahr der Erlösung grüße ich alle Besucher aus den Ländern deutscher Sprache und wünsche ihnen mit meinem Segen die beglückende Erfahrung, daß ehrliche Umkehr zur vollen Osterfreude führen kann. Bleibt zuversichtlich im Herrn! 56 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Mensch ist das Ziel der Arbeit Angelus am 18. März Liebe Brüder und Schwestern! Jetzt, wo die Mittagsstunde gekommen ist, wollen wir unserer Eucharistiefeier auch das Gebet des Angelus anfügen. So möchte ich nun gemeinsam mit euch vor dem Schlußsegen der heiligen Messe dieses Gebet sprechen. Zuvor jedoch drängt es mich, allen Anwesenden für ihre so lebhafte Teilnahme zu danken; ich möchte diesen Dank ausdehnen auf alle Pilger, die aus diesem Anlaß nach Rom gekommen sind, aber umständehalber, aufgrund des Regens, keinen Zutritt zu unserer liturgischen Feier haben konnten, die auf dem Petersplatz stattfinden sollte, aber hier in der Basilika abgehalten werden mußte. So möchte ich mich mit allen Pilgern geistlich vereinen, auch mit denen, die heute im Geist hier sind, und das sind viele! Wir denken an die Arbeitenden in allen Ländern, allen Nationen, in der ganzen Welt. Mit ihnen wollen wir jetzt in das Haus von Nazaret eintreten, wollen wir nähertreten an die Werkbank, an der der Sohn Gottes gemeinsam mit Josef unter dem mütterlichen Blick Mariens gearbeitet hat. Der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, hat auch die Erfahrung der menschlichen Arbeit gemacht. Er war einer von uns. So wollen wir also dort eintreten, in dieses Haus von Nazaret, dorthin wollen wir alle Probleme der Arbeit des heutigen Menschen, der Völker der Welt, dieses Landes tragen: alle sozialen, wirtschaftlichen, politischen, kulturellen, moralischen Probleme, alle Sorgen, die die Arbeitswelt betreffen, besonders die Sorge um den Arbeitsplatz, die Arbeitslosigkeit so vieler, insbesondere junger Menschen. Und dann alle anderen Probleme, die uns am Herzen liegen, die Probleme des Hungers in der Welt, die so eng mit der Problematik der Arbeit verbunden sind, die Probleme des Friedens in der Welt. Warum diese Kriegsbedrohungen? Warum diese Prinzipien des Kampfes? Dem Prinzip der Solidarität gebührt der oberste Stellenwert im menschlichen Leben, im sozialen Leben, im internationalen Leben! Das Problem muß eine Lösung finden. Auch der Kampf, der gerechte Kampf im Sozialbereich muß immer dem Prinzip der Solidarität untergeordnet sein, weil Kampf allein nichts anderes als Krieg verursacht. Wir müssen in diesem Jahr der Erlösung die fundamentalen Prinzipien überprüfen, nach denen die Menschheit lebt: ob sie nicht falsch sind, ob sie 57 AUDIENZEN UND ANGELUS nicht geändert werden müssen, um die wahre Gerechtigkeit zu sichern, um den Frieden in der Welt zu retten und um die Menschheit vor dem Ende zu bewahren. Und so kehren wir zurück in dieses Haus von Nazaret, in die Nähe Jesu, des Arbeiters, zu Josef, zu Maria, zu Jesus, kehren wir zurück zur Heiligen Familie. Der Mensch ist das Ziel der Arbeit. Die menschliche Arbeit darf nicht verändert, nicht entfremdet werden, und das sage ich, meine Lieben, im Namen Jesu, weil wir sein Jahr, das Heilige Jahr der Erlösung, feiern. Die menschliche Arbeit ist erlöst, sie wurde in Jesus Christus Gott geschenkt und dem Menschen zurückgegeben, damit sie seinem Wohl diene, damit sie zu seiner menschlichen, christlichen, kulturellen und sozialen Entwicklung führe. So, vereint mit Jesus, Maria und Josef im Haus von Nazaret, beten wir nun unseren Angelus am zweiten Sonntag der Fastenzeit. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst u. a. auf deutsch: Herzlich danke ich euch, liebe Arbeiterinnen und Arbeiter, für eure Teilnahme an dieser Jubiläumsfeier des Heiligen Jahres. Nehmt von Rom mit an euren Arbeitsplatz eine Botschaft der Hoffnung und der Zuversicht. Christus, der Erlöser des Menschen, begleite euch und eure Arbeit mit seinem steten Segen! Der Wert des Sündenbekenntnisses Generalaudienz am 21. März 1. „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden“ (1 Joh 1, 9). Wir wollen noch einmal die tröstliche Aussage des hl. Johannes hören. Bei den Mittwochaudienzen der letzten Wochen haben wir die tiefe Bedeutung der Gesten neu zu entdecken versucht, die der reumütig Beichtende vollzieht, wenn er das Sakrament der Versöhnung empfängt; wir haben vor allem die Bedeutung dieser Begegnung durch Vermittlung der Kirche in der Person des Priesters neu entdeckt sowie die Bedeutung der Tatsache, daß der reuige Mensch Gottes Vergebung empfangen möchte; die Bedeutung endlich der Gewissenserforschung und der Genugtuung. 58 AUDIENZEN UND ANGELUS Heute will ich mit euch über einen für das Sakrament erforderlichen Akt nachdenken, der den Gläubigen, die nicht auf die Dynamik des Sakraments selbst und auf die wahren Bedürfnisse des menschlichen Herzens achten, sehr oft Schwierigkeiten bereitet: Ich meine das Sündenbekenntnis. Und ich spreche ausdrücklich von persönlichem Bekenntnis - wie ich auch auf die persönliche Lossprechung von der Schuld drängen werde denn nach katholischer Lehre bleibt die Einzelbeichte die einzig normale Form der sakramentalen Buße. Die diesbezügliche Lehre der Kirche ist bekannt. Vor allem, wenn es sich um Todsünden handelt, ist für die Absolution erforderlich, daß der Priester die Art und Zahl der Sünden eindeutig versteht und bewertet und zugleich feststellt, ob ehrliche Reue vorliegt. Warum ist ein solcher Akt erforderlich? Vor dem vergebenden Gott 2. Man könnte psychologische und anthropologische Gründe als Antwort anführen, die schon - jenseits jeder oberflächlichen Analyse - so etwas wie ein Bedürfnis des Sünders erkennen ließen, sich auszusprechen: sich jemandem gegenüber auszusprechen, der aufmerksam und vertrauensvoll zuhört, damit der Sünder sich über sich selbst klar wird und sich gewissermaßen erleichtert und von der Last seiner Schuld befreit fühlt. Doch die menschliche Perspektive erfaßt nicht die Wurzel der Bekehrung, vor allem gewährt sie nicht neues Leben, wie es das Sakrament schenkt. Hier gewinnt also das Sündenbekenntnis im Bußsakrament seinen wahren Sinn und seinen echten Wert, weil der Mensch auf gerufen ist, sich voll und ganz als Mensch zu entdecken, der Gott verraten hat und seines Erbarmens bedarf. Es muß ausdrücklich betont werden, daß das Sündenbekenntnis nicht nur ein Augenblick angeblicher psychologischer Selbstbefreiung oder eine menschliche Notwendigkeit ist, sich als Sünder zu offenbaren. Das Sündenbekenntnis ist vor allem eine Geste, die irgendwie in den liturgischen und sakramentalen Rahmen der Buße gehört und deren Eigenart, Würde und Wirksamkeit teilt. Der gläubige Sünder stellt sich innerhalb der christlichen Gemeinschaft dem Diener der Versöhnung, der in ganz besonderer Weise „im Namen“ und „in der Person“ Jesu handelt, und bekennt seine Schuld, damit sie ihm vergeben und er wieder in die Gemeinschaft der Gnade aufgenommen wird. Der „Gerichtscharakter“, der diesem Vorgang eigen ist, darf nicht nach den Kategorien der Ausübung menschlicher Gerichtsbarkeit verstanden 59 AUDIENZEN UND ANGELUS werden. Der Priester, der die Beichte abnimmt, muß innerhalb der Kirche die „Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus, offenbart für alle, die glauben“ (Röm 3, 22), zum Ausdruck bringen: eine Gerechtigkeit, die nicht verurteilt, ausgenommen jene, die sich nicht retten lassen; an sich aber ist sie Vergebung und Erbarmen. 3. Im Licht dieser Grundauffassung versteht man, daß das Schuldbekenntnis ein Sichklarwerden des Sünders über sich selbst vor dem ihm vergebenden Gott ist. Denn wegen einer grundlegenden Entscheidung, die er gegen Gott getroffen hat, erkennt sich der Sünder als fremd und feindlich gegenüber Gott. Aber diese Entscheidung versteht sich nicht als ein Akt geschichtsloser Freiheit; sie nimmt vielmehr in ganz bestimmten Verhaltensweisen, eben in den einzelnen Sünden, konkrete Gestalt an. Von dem her, was er getan hat, gelingt es dem Sünder, wirklich zu begreifen, wer er ist: Er erkennt sich gleichsam auf dem Weg der Induktion. Nicht ichbezogen und verzweifelt Und eine solche Aufzählung der Sünden geschieht nicht ichbezogen und verzweifelt: sie erfolgt vielmehr in der Form eines religiösen Dialogs, in dem die Motive zur Geltung kommen, derentwegen Gott in Christus uns eigentlich nicht annehmen sollte - deswegen bekennt man also die begangenen Sünden -, aber zugleich in der Gewißheit, daß er uns annimmt und uns durch sein Wohlwollen und seine Macht erneuert. So erkennt sich der Sünder nicht nur gleichsam auf dem Weg der Induktion, sondern sozusagen im Widerschein: Er sieht sich so, wie Gott selbst ihn in Jesus annimmt und zu einer „neuen Schöpfung“ (Gal 6, 15) macht. Das göttliche „Gericht“ enthüllt sich als das, was es ist: als unentgeltliche Vergebung. So ergießt sich über den reuigen Menschen das Licht Gottes, von dem der hl. Johannes in seinem ersten Brief spricht: „Wenn wir sagen, daß wir Gemeinschaft mit ihm (Gott) haben, und doch in der Finsternis leben, lügen wir und tun nicht die Wahrheit. . . Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er (Gott) treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden und reinigt uns von allem Unrecht“ (2 Joh 1, 6.9). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gütig; er vergibt uns die Sünden“ (2 Joh 1, 9). Mit diesen trostreichen Worten lädt uns der 60 AUDIENZEN UND ANGELUS hl. Johannes ein, zum Sakrament der Versöhnung hinzuzutreten. Die individuelle Beichte ist die gewöhnliche Form des Bußsakraments. Sie fordert das persönliche Sündenbekenntnis. Nach der Lehre der Kirche sollen vor allem die schweren Sünden nach ihrer Art und Zahl genau genannt werden. Das Sich-Aussprechen im Bekennen der begangenen Sünden ist nicht nur von psychologischer Bedeutung, sondern ist ein wesentlicher Bestandteil der Beichte selbst. Der Mensch beurteilt sein Tun im Licht der Gerechtigkeit Gottes und bekennt sich vor ihm als das, was er ist: ein Sünder, der des göttlichen Erbarmens bedarf. Nur einem solchen Bekennenden kann dann der Priester „die Gerechtigkeit Gottes aus dem Glauben an Jesus Christus“ (Röm 3, 22) zusprechen, indem er ihm in der Vollmacht Christi die Sünden vergibt. Mit dieser kurzen Betrachtung über das Bußsakrament grüße ich alle hier anwesenden Pilger aus den Ländern deutscher Sprache, die genannten Gruppen, Familien und Einzelbesucher; besonders die große Pilgergruppe aus der Erzdiözese Salzburg. Mit großer Freude grüße ich heute vor allem die Jubiläumswallfahrt von Priestern, Ordensleuten und Gläubigen aus der Deutschen Demokratischen Republik unter der Leitung des verehrten Herrn Kardinal Meisner. Eure Pilgerfahrt zu den Gräbern der Apostel bestärke in euch das frohe Bewußtsein, zur weltumspannenden Kirche Jesu Christi zu gehören. Ihr seid seine Zeugen in eurem Land, in euren Familien und Gemeinden. Ahmt die ersten Christen nach in ihrem mutigen Bekenntnis zu Christus, in dem allein den Menschen Heil und letzte Erfüllung verheißen sind. Er selbst wird eure Treue mit seiner Gnade reich belohnen. Von Herzen erteile ich euch und allen Pilgern für stetes Wachsen in der Liebe und Erkenntnis Jesu Christi, unseres Erlösers, meinen besonderen Apostolischen Segen. Die Kraft dieser Weihe überwindet alles Böse Weiheakt an die Gottesmutter vor dem Angelusgebet am 25. März Die Familie ist das Herz der Kirche. Aus diesem Herzen erhebe sich heute ein besonderer Akt der Hingabe und des Vertrauens an das Herz der Gottesmutter. 61 AUDIENZEN UND ANGELUS Im Heiligen Jahr der Erlösung wollen wir bekennen, daß die Liebe stärker ist als die Sünde und alles Böse, das den Menschen und die Welt bedroht. Voll Demut rufen wir diese Liebe an: 1. „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Mit diesen Worten, die die Kirche Christi seit Jahrhunderten betet, wenden wir uns heute im Jubiläumsjahr unserer Erlösung an dich, unsere Mutter. Dabei wissen wir uns mit allen Oberhirten der Kirche durch jenes besondere Band vereint, durch das wir eine Körperschaft und ein Kollegium bilden, so wie nach dem Willen Christi die Apostel mit Petrus eine Körperschaft und ein Kollegium gebildet haben. In solcher Einheit verbunden, sprechen wir die Worte dieses Weiheaktes, in den wir erneut die Hoffnungen und Ängste der Kirche für die Welt von heute einschließen wollen. Vor vierzig Jahren und zehn Jahre danach hat dein Diener, Papst Pius XII., angesichts der schmerzlichen Erfahrungen der Menschheitsfamilie die ganze Welt und vor allem jene Völker, denen wegen ihrer Situation deine besondere Liebe und Sorge gilt, deinem unbefleckten Herzen an vertraut und geweiht. Diese Welt der Menschen und Völker haben auch wir heute vor Augen: die Welt des zweiten Jahrtausends, das sich seinem Ende zuneigt, die Welt unserer Zeit, unsere Welt. Der Worte des Herrn eingedenk: „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern . . . Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,19-20) ist sich die Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil ihrer Sendung in dieser Welt neu bewußt geworden. Darum, o Mutter der Menschen und Völker, die du alle ihre Leiden und Hoffnungen kennst und mit mütterlichem Herzen an allen Kämpfen zwischen Gut und Böse, zwischen Licht und Finsternis anteil nimmst, die unsere heutige Welt erschüttern, höre unser Rufen, das wir unter dem Antrieb des Heiligen Geistes direkt an dein Herz richten; umfange mit deiner Liebe als Mutter und Magd des Herrn diese unsere Welt, die wir dir anvertrauen und weihen, erfüllt von Sorge um das irdische und ewige Heil der Menschen und Völker. In besonderer Weise überantworten und weihen wir dir jene Menschen und Nationen, die dieser Überantwortung und Weihe besonders bedürfen. „Unter deinen Schutz und Schirm fliehen wir, o heilige Gottesmutter!“ Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten! 62 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Vor dir, o Mutter Christi, vor deinem unbefleckten Herzen, möchten wir uns heute zusammen mit der ganzen Kirche mit jener Weihe vereinen, durch die dein Sohn aus Liebe zu uns sich selber dem Vater geweiht hat, indem er sprach: „Für sie weihe ich mich, damit auch sie in Wahrheit geweiht seien“ (Joh 17, 19). Wir wollen uns in dieser Weihe für die Welt und für die Menschen mit unserem Erlöser verbinden; in seinem göttlichen Herzen findet eine solche Weihe die Kraft, Verzeihung zu erlangen und Sühne zu leisten. Die Kraft dieser Weihe dauert durch alle Zeiten und umfängt alle Menschen, Völker, Nationen; sie überwindet alles Böse, welches der Fürst der Finsternis im Herzen des Menschen und in seiner Geschichte zu wecken vermag und in unseren Zeiten auch tatsächlich geweckt hat. Wie tief empfinden wir das Bedürfnis nach dieser Weihe für die Menschheit und für die Welt, für unsere heutige Welt: der Weihe, die wir in Einheit mit Christus vollziehen. Das Erlösungswerk Christi muß ja durch die Kirche an die Welt vermittelt werden. Das zeigt das gegenwärtige Jahr der Erlösung, das außerordentliche Jubiläum der ganzen Kirche. Sei in diesem Heiligen Jahr gepriesen über alle Geschöpfe, du Magd des Herrn, die du dem göttlichen Ruf in vollkommenster Weise folgst. Sei gegrüßt, die du mit der erlösenden Weihe deines Sohnes auf das engste verbunden bist! Mutter der Kirche! Erleuchte das Volk Gottes auf den Wegen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe! Erleuchte besonders die Völker, deren Weihe und Überantwortung du von uns erwartest. Hilf uns, die Weihe Christi für die gesamte Menschheitsfamilie der heutigen Welt in ganzer Wahrheit zu leben! 3. Wenn wir dir, Mutter, die Welt, alle Menschen und Völker anvertrauen, so vertrauen wir dir dabei auch diese Weihe der Welt an und legen sie in dein mütterliches Herz. O unbeflecktes Herz, hilf uns, die Gefahr des Bösen zu überwinden, das so leicht in den Herzen der heutigen Menschen Wurzel faßt und dessen unermeßliche Auswirkungen über dem heutigen Leben lasten und den Weg in die Zukunft zu versperren scheinen. Von Hunger und Krieg: befreie uns! Von Atomkrieg, unkontrollierbarer Selbstzerstörung und jeder Art des Krieges: befreie uns! Von den Sünden gegen das Leben des Menschen von seinen Anfängen an: befreie uns! 63 AUDIENZEN UND ANGELUS Vom Haß und von der Mißachtung der Würde der Kinder Gottes: befreie uns! Von jeder Ungerechtigkeit im sozialen, nationalen und internationalen Leben: befreie uns! Von leichtfertiger Übertretung der Gebote Gottes: befreie uns! Vom Versuch, in den Herzen der Menschen sogar die Wahrheit von Gott zu ersticken: befreie uns! Vom Verlust des Bewußtseins von Gut und Böse: befreie uns! Von den Sünden gegen den Heiligen Geist: befreie uns, befreie uns! Höre, Mutter Christi, diesen Hilfeschrei, in welchem das Leid aller Menschen zu dir ruft, das Leid ganzer Völker! Hilf uns mit der Kraft des Heiligen Geistes, alle Sünde zu besiegen: die Sünde des Menschen und die „Sünde der Welt“ - die Sünde in jeglicher Form. Noch einmal zeige sich in der Geschichte der Welt die unendliche Heilskraft der Erlösung: die Macht der erbarmenden Liebe! Daß sie dem Bösen Einhalt gebiete! Daß sie die Gewissen wandle! In deinem unbefleckten Herzen offenbare sich allen das Licht der Hoffnung! Aus Elend und Verzweiflung befreit Generalaudienz am 28. März 1. „Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 23). Der Auferstandene überträgt den Aposteln die Macht, in seinem Namen Sünden zu vergeben. Bei dem Bemühen, die Bedeutung der Gesten zu erfassen, die zu vollziehen wir aufgerufen sind, wenn wir das Bußsakrament empfangen, haben wir am vergangenen Mittwoch Sinn und Bedeutung des Schuldbekenntnisses als eines Augenblicks betrachtet, in dem sich der Sünder vor dem vergebenden Gott Jesus Christus über sich selbst klar wird. Die Lossprechung - die wir heute betrachten wollen - ist Gottes Antwort an den Menschen, der seine Sünden erkennt und zugibt, Reue über seine Schuld an den Tag legt und bereit ist - weil er Erbarmen gefunden hat -, sein Leben zu ändern. 64 AUDIENZEN UND ANGELUS Von dem in der Kirche wirkenden Priester her gesehen, ist die Lossprechung Ausdruck des Gerichtes Gottes über das böse Handeln des Menschen. Der reuige Mensch aber, der vor Gott steht und sich als schuldig erklärt, erkennt den Schöpfer als seinen Herrn an und nimmt sein Urteil als das eines Vaters an, der nicht den Tod des Sünders will, sondern daß er sich bekehrt und lebt (vgl. Ez 33, 11). 2. Dieses Gericht wird offenbar im Tod und in der Auferstehung Christi: Obwohl er keine Sünde kannte, „hat Gott ihn für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (vgl. 2 Kor 5, 21). So ist Jesus „unsere Versöhnung“ (vgl. Röm 5, 11) und „unser Friede“ (vgl. Eph 2, 14) geworden. Die Kirche handelt also durch den Priester in einzigartiger Weise, aber nicht so, als könne sie autonom handeln: Sie ist in ihrem Aufbau abhängig von Jesus, der sie gegründet hat, der in ihr lebt und wirkt, um zu allen Zeiten und in jedem Bereich das Erlösungsgeheimnis gegenwärtig zu machen. Das Wort des Evangeliums erklärt dieses „Gesendetsein“ der Kirche durch Christus, der ihren Aposteln die Vergebung der Sünden auftrug. „Wie mich der Vater gesandt hat - sagt der auferstandene Christus -, so sende ich euch.“ Und nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und fügte hinzu: „Empfanget den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20, 21-22). Hinter bzw. in der menschlichen Wirklichkeit des Priesters verbirgt sich also und wirkt derselbe Herr, der „die Vollmacht hat, die Sünden zu vergeben“ (vgl. Lk 5, 24) und der zu diesem Zweck nach seinem Opfertod auf Golgata und dem Ostersieg den Jüngern „seinen Geist“ (vgl. Röm 8, 9) „verdient“ (vgl. Joh 7, 39) und „gesandt“ hat (vgl. Joh 20, 22). 3. Man wird nie nachdrücklich genug betonen können, daß dieses Eingreifen Gottes, um uns aus unserem Elend und unserer Verzweiflung zu befreien, völlig ohne unser Zutun erfolgt. Die Lossprechung ist nämlich keinesfalls ein Anspruch, den der Sünder Gott gegenüber geltend machen kann: Sie ist ausschließlich Geschenk, für das der Sünder mit Wort und Tat danken muß. Ebenso gilt: Man wird niemals nachdrücklich genug den konkreten und persönlichen Charaker der Vergebung hervorheben können, die dem einzelnen Sünder von der Kirche angeboten wird. Es genügt nicht, daß sich der Mensch irgendwie an einen fernen und abstrakten Gott wendet. Es ist ein menschliches Bedürfnis, das mit dem von Gott in Christus 65 AUDIENZEN UND ANGELUS verwirklichten und in der Kirche fortdauernden Heilsplan für unsere Geschichte übereinstimmt, daß wir einem konkreten Menschen wie wir begegnen können, der uns, unterstützt von den Gebeten und guten Werken seiner Brüder und Schwestern und „in persona Christi“ handelnd, des Erbarmens versichert, das uns gewährt wird. Was sodann den persönlichen Charakter der Vergebung betrifft, so habe ich, der ständigen Tradition der Kirche gemäß, bereits in meiner ersten Enzyklika (Redemptor hominis, Nr. 20) und in der Folge wiederholt nicht nur die Pflicht zur persönlichen Lossprechung betont, sondern auch das Recht des einzelnen Sünders, angehört und in seiner unersetzlichen und unwiderholbaren Einmaligkeit angenommen zu werden. Nichts ist so persönlich und unübertragbar wie die Verantwortung für die Schuld. Und nichts ist so persönlich und unübertragbar wie die Reue und das Erwarten und Erflehen des Erbarmens Gottes. Im übrigen wendet sich jedes Sakrament an die Einzelperson in ihrer Einmaligkeit und nicht an Personen im allgemeinen. „Ich taufe dich“, heißt es bei der Taufe. „Empfange das Siegel des Heiligen Geistes“, lautet die Formel bei der Firmung usw. Im gleichen Sinn heißt es: „Ich spreche dich los von deinen Sünden.“ Man wird deshalb ständig darauf achten müssen, daß auf einen individualistisch verstandenen Vollzug des Sakraments ein nicht noch schädlicherer, anonymer Vollzug folgt. Der gemeinschaftlichen Dimension von Sünde und Vergebung entspricht nicht notwendigerweise ein gemeinschaftlicher Ritus, noch wird sie ausschließlich durch diesen Wirklichkeit. Man kann bei der Einzelbeichte Herz und Geist offen haben für die Katholizität in ihrer Fülle, und man kann, umgekehrt, individualistisch gesinnt sein, wenn man sich in einer anonymen Masse gleichsam verloren fühlt. Möge es den Gläubigen heute gelingen, den Wert des Sakraments der Vergebung wieder zu entdecken, damit sie in ihm die freudige Erfahrung jenes Friedens machen können, den der auferstandene Christus am Ostertag seiner Kirche geschenkt hat (vgl. Joh 20, 19-20). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Das Jubiläumsjahr der Erlösung lädt uns ein, vom Bußsakrament einen häufigen und fruchtbaren Gebrauch zu machen. Deshalb suchen wir in unseren wöchentlichen Begegnungen seine tiefe geistliche Bedeutung für uns zu bedenken. Heute gilt unsere Aufmerksamkeit der Absolution des Priesters. Die Lossprechung ist die Antwort Gottes auf das Bekenntnis 66 AUDIENZEN UND ANGELUS unserer Sünden, wenn wir aufrichtige Reue und Entschlossenheit zur Umkehr bekunden. Das Urteil Gottes über die Sünde ist im Tod und in der Auferstehung Jesu Christi endgültig gefällt. Ihn, der die Sünde nicht kannte, hat Gott „für uns zur Sünde gemacht, damit wir in ihm Gerechtigkeit Gottes würden“ (2 Kor 5, 21). Durch sein Erlösungswerk ist Christus für uns zum Urheber unserer Versöhnung und unseres Friedens mit Gott geworden. Wie Christus ist der Priester gesandt, im Namen Gottes die Sünden zu vergeben. Diese Vollmacht hat er nach seiner Auferstehung ausdrücklich den Aposteln verliehen, indem er sagte: „Empfangt den Heiligen Geist. Allen, denen ihr die Sünden erlaßt, sind sie erlassen; allen, denen ihr sie nicht erlaßt, sind sie nicht erlassen“ (Joh 22, 22-23). Die Lossprechung von unseren Sünden ist stets ein völlig unverdientes Gnadengeschenk der erbarmenden Liebe Gottes, das dem einzelnen ganz persönlich im Bußsakrament zugesprochen wird. Indem ich euch, liebe Brüder und Schwestern, durch diese kurze Betrachtung ermutige, den hohen Wert des Bußsakramentes in eurem Leben neu zu entdecken, grüße ich euch alle sehr herzlich zu dieser Audienz. Ich grüße jeden einzelnen von euch, die genannten Gruppen und besonders die drei großen Diözesanpilgerzüge aus der Bundesrepublik Deutschland. Herzüch willkommen heiße ich die Gläubigen aus der Diözese Fulda mit ihrem Bischof Johannes Dyba und denke in Dankbarkeit an meinen Besuch am Grab des hl. Bonifatius in eurer Domkirche. Mein aufrichtiger Willkommensgruß gilt ebenso dem neuen Oberhirten von Hildesheim, Bischof Josef Homeyer, zusammen mit seiner großen Diözesanwallfahrt sowie dem Pilgerzug aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart unter der Leitung ihres Herrn Weihbischofs Anton Herre. Mögen die Gebete und Gnaden dieser eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt allen euren Gemeinden, Familien und Angehörigen zum großen geistlichen Gewinn werden. Wir sind Christen immer in Gemeinschaft mit allen Gläubigen, vor allem mit denen, die uns besonders nahestehen. Deshalb gilt auch mein heutiger Segen euch allen hier auf dem Petersplatz und euren Lieben in der Heimat. Der Herr beschütze und segne euch mit seiner reichen Gnade! In niederländischer Sprache fuhr der Papst fort: Van harte groet ik alle nederlanders en in het bijzonder de pelgrims uit Bunde en uit Hilversum. Möge uw bedevaart in dit heilige Jaar van de Verlossing uw geloof versterken. Gaarne geef ik u daarvoor mijn Zegen. 67 AUDIENZEN UND ANGELUS Gegen Gott und die Menschheit Appell gegen chemische Waffen bei der Generalaudienz am 28. März Mehr als einmal schon habe ich die Weltöffentlichkeit aufmerksam gemacht und zum Gebet für zwei Völker, das iranische und das irakische, aufgefordert, die in einen Krieg verwickelt sind, einen Krieg, der seit über drei Jahren andauert und immer bitterer und blutiger wird. Leider scheint eine friedliche Lösung - trotz der Vermittlungsangebote -in weiter Ferne, während Gewalttätigkeiten, Zerstörungen und die Zahl der Opfer steigen. Der Gedanke an so viele Schrecken hat mich ständig bedrängt, und er wird jetzt zum Anlaß einer noch tieferen Besorgnis. Denn die jüngsten Vorwürfe, die kürzlich durch die Ergebnisse von ernstzunehmenden Untersuchungen bekräftigt wurden, haben bestätigt, daß in diesem Krieg Kampfmittel benutzt wurden, die den internationalen Vereinbarungen über den Ausschluß von grausamen, pauschal eingesetzten Zerstörungswaffen widersprechen. Ich beziehe mich besonders auf den Einsatz chemischer Waffen. Sie sind durch das Genfer Protokoll von 1925, das sehr viele Länder Unterzeichneten und dem auch der Hl. Stuhl zustimmte, verboten. Auf ihren Gebrauch trifft das strenge Urteil des II. Vatikanischen Konzils in der Konstitution „Gaudium et spes“ zu, die Verurteilung des sogenannten „totalen Krieges“ (vgl. Nr. 80). Wir müssen wünschen, daß sich eine solche schreckliche Realität nicht wiederholt, zum Wohl jener Völker und aus Respekt vor den fundamentalen Werten, die im Gewissen eines jeden Menschen verwurzelt sind. Wir müssen zu Gott, dem Allmächtigen, beten, dem Vater der Menschen und der Völker, damit der Iran und der Irak mit Hilfe der befreundeten Länder und der internationalen Gemeinschaft so schnell wie möglich einen Waffenstillstand erreichen und über einen gerechten Frieden verhandeln. Wir erbitten das Geschenk des Friedens auch für die anderen Völker des Mittleren Ostens und anderer Regionen der Welt, wo die Waffen weiterhin Opfer, Leiden und Zerstörungen fordern. 68 AUDIENZEN UND ANGELUS „Maria und das menschliche Leiden“ Angelus am 1. April 1. Am Ende dieser Eucharistiefeier wollen wir uns mit einer kleinen Betrachtung zu dem Thema „Maria und das menschliche Leiden“ auf das Angelusgebet vorbereiten. „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr alle, die ihr traurig wart!“ In dieser Antiphon vom vierten Fastensonntag möchte ich durch die Worte des Jesaja, die die Liturgie auf die Kirche anwendet, das Geheimnis der Jungfrau Maria, ihrer Freude und ihres mütterlichen Schmerzes erkennen. Denn Maria ist die wahre Tochter Zions, des geistlichen Inbegriffs des alten Jerusalem, Anfang und Höhepunkt der Kirche Christi; ja, sie ist die neue Eva, die wahre Mutter aller Lebenden. Als Tochter Zions und als neue Eva wird sie heute auf gef ordert, sich zu freuen. Denn man kann den menschlichen Schmerz nicht verstehen, wenn nicht im Zusammenhang mit einem verlorenen Glück; und der Schmerz hat keinen Sinn, wenn nicht im Blick auf ein verheißenes Glück. „Freue dich, Stadt Jerusalem!“ 2. Der von den Propheten besungene Schmerz Jerusalems war die Folge der Untreue seiner Kinder, die die Strafe Gottes und die Verbannung aus der Heimat auf sich gezogen hätten. Der Schmerz der geheimnisvollen neuen Tochter Zions, Marias, ist die Folge der zahllosen Sünden aller Kinder Adams, Sünden, die unsere Vertreibung aus dem Paradies verursacht haben. In Maria offenbart sich also in einzigartiger Weise das Heilsgeheimnis des Leidens und die Bedeutung und Größe menschlicher Solidarität. Denn die selige Jungfrau hat nicht um ihretwillen gelitten, ist sie doch die ganz Schöne, die immer Unbefleckte; sie hat als Mutter aller für uns gelitten. Wie Christus „unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich genommen hat“ (Jes 53,4), so wurden auch ihr gleichsam die Geburtswehen einer unermeßlichen Mutterschaft aufgeladen, die uns für Gott wiedergebiert. Das Leiden Mariens, der neuen Eva, an der Seite des neuen Adam, Christus, war und bleibt der königliche Weg der Versöhnung der Welt. „Freue dich, Stadt Jerusalem! Seid fröhlich zusammen mit ihr, alle, die ihr traurig wart!“ 3. In die Gestalt der vom Schmerz über die Untreue der Kinder gezeichneten Jungfrau und Mutter, die aufgefordert wird, sich über ihre Erlösung 69 AUDIENZEN UND ANGELUS zu freuen, fügt sich unser Schmerz ein: Auch wir können zu einem „ganz besonderen Teil des Schatzes der Erlösung der Welt“ werden (Salvifici doloris, Nr. 27), damit andere an diesem Schatz teilhaben und zur Fülle der Freude gelangen, die er für uns erwirkt hat. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute ist der 50. Jahrestag der Heiligsprechung Don Boscos, den Papst Pius XI. am Ostertag des Jahres 1934, zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung, feierlich in das Buch der Heiligen eingetragen hat. Im Gedenken an diese leuchtende Priestergestalt, die eine so starke Spur des Guten, besonders zugunsten der Jugend, vorgezeichnet hat, grüße ich seine Söhne und Töchter, die, wie ich weiß, heute in großer Zahl hier auf diesem Platz versammelt sind, um diesen frohen Anlaß zu feiern. An sie und an die ganze Salesianerfamilie richte ich den Wunsch, daß sie stets den Lehren und dem Charisma ihres Gründers treu bleiben. ,,Einwohnung“ des Heiligen Geistes Generalaudienz am 4. April 1. „Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ {Gal 5.25). Liebe Brüder und Schwestern! Bei den vergangenen Gebetsbegegnungen des Mittwochs haben wir uns um eine vertiefende Betrachtung der christlichen und menschlichen Bedeutung der verschiedenen Abschnitte, in die sich das Bußsakrament gliedert, bemüht. Heute wollen wir unsere Aufmerksamkeit auf die Früchte, Ergebnisse und Auswirkungen der empfangenen Vergebung lenken. Wenn uns das Sakrament der Versöhnung im Zustand der schweren Sünde antrifft und von uns mit der entsprechenden inneren Verfassung empfangen wird, befreit es uns von der Schuld und gibt uns das Leben der Gnade wieder. Natürlich macht die Lossprechung, die uns im Namen Gottes durch die Vermittlung der Kirche in Christus gewährt wird, die begangenen Sünden nicht ungeschehen. Durch sie jedoch gibt uns die Macht des göttlichen Erbarmens jene Würde der Kinder Gottes wieder, die wir in der Taufe empfangen haben. 70 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Katechismus hat uns gelehrt von „habitueller Gnade“ zu sprechen, das heißt von einem neuen göttlichen Leben, das uns geschenkt wird: Dieses bewirkt in uns die Einwohnung des „Geistes Christi“ (Röm 8,9), der uns Christus gleichförmig macht (vgl. Röm 8,29), damit wir in der wiedergefundenen kirchlichen Brüderlichkeit (vgl. 1 Kor 2,11) in uns das Mysterium von Tod und Auferstehung des Erlösers wiederholen (vgl. Eph 2.3- 6) und so auf neue Weise die wahrhaft menschliche Komponente der Existenz zurückgewinnen und neu schätzen lernen. 2. Es handelt sich also nicht um etwas, das uns gleichsam von außen auferlegt würde. Im gläubigen Sünder, dem vergeben wurde, nimmt der Heilige Geist erneut Wohnung (vgl. Röm 8,11; 1 Kor 2,12; 3,16; 16,19; 2 Kor 3,3; 5,5; Gal 3,2—5; 4,6), wie Jesus uns versprochen hat (vgl. Joh 14,15-17); ja, Christus selbst wohnt zusammen mit dem Vater wieder in ihm (vgl. Joh 14,23; Offb 3,20). Eine solche Präsenz bleibt nicht ohne glückliche Auswirkungen auf Leben und Handeln des von der Todsünde befreiten Gläubigen. Dieser wird aufs neue innerlich verwandelt, seinsmäßig und so zu einer „neuen Schöpfung“ (Gal 6,15-5); er erhält „an der göttlichen Natur Anteil“ (vgl. 2 Petr 1.3— 4), wird als einzelner nach dem Bild und Gleichnis des Gottessohnes geprägt und gestaltet (vgl. 1 Kor 12,13; 2 Kor 1,21-22; Eph 1,13; 4,30). Mehr noch: Der von der Todsünde befreite Gläubige gewinnt eine neue Grundlage für sein Handeln, eben den göttlichen Geist, so daß er zu einer Erkenntnis und zu einem neuen, Gott gemäßen Willen befähigt wird (vgl. 1 Joh 3,1-2; 4,7-8): er lebt für den Vater wie Christus (vgl. Joh 6,58), betet (vgl. Röm 8,26-27), liebt die Brüder und Schwestern (vgl. 1 Kor 12,4—11; 13,34), hofft auf das künftige Erbe (vgl. Röm 8,17; Gal4,7; Tit 3,7), während er „sich vom Geist führen läßt“, wie uns Paulus im Galaterbrief versichert (Gal 5,18). Diese Erneuerung stellt sich nicht neben die menschliche Komponente, sondern nimmt sie auf, ordnet und verwandelt sie, so daß wir uns „im Herrn freuen“ (Phil 4,4-8), „alles prüfen und das Gute behalten“ können (vgl. 1 Thess 5,21). 3. Das Bußsakrament beschränkt sich jedoch nicht nur darauf, die Taufgnade wiederzuschenken. Es bietet neue Anregungen, Christus gleichförmig zu werden, wie sie zur Umkehr gehören, wenn diese von der sakramentalen Lossprechung nach der Sünde bestätigt und vervollkommnet werden. Die zuverlässige, geistliche Überlieferung nennt dieses Geschenk des Sakraments der Versöhnung gern „Geist der Zerknirschung“. 71 AUDIENZEN UND ANGELUS Was bedeutet das, und was beinhaltet es? Der Geist der Zerknirschung ist letzten Endes eine besondere Verbundenheit mit Christus, dem Sieger über Sünde, Leidenschaft und Versuchung. Er schließt also eine klare und einzigartige Erkenntnis der Schuld ein, aber nicht als Grund der Angst, sondern vielmehr als Anlaß zu freudiger Dankbarkeit, weil man die Vergebung der Schuld erfahren hat, bis hin zum Empfinden eines fast instinktiven Ekels vor dem Bösen. Er schließt außerdem eine besondere Erfahrung menschlicher Schwäche ein, die ja zum Teil auch nach dem Empfang des Sakramentes fortbesteht und uns neuerlich verleiten kann, „das Begehren des Fleisches zu erfüllen“ (Gal 5,16): „Unzucht, Unsittlichkeit, ausschweifendes Leben, Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Jähzorn, Eigennutz, Spaltungen, Parteiungen, Neid und Mißgunst, Trink- und Eßgelage und ähnliches mehr“ (Gal 5,19-21), während die wiedergeschenkte Gnade zur „Frucht des Geistes“ führen soll, nämlich zu „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ {Gal 5,22-23). Darüber hinaus führt der Geist der Zerknirschung zu einer besonders klaren Erkenntnis der Pflichten des christlichen Lebens in allen seinen sittlichen Bereichen und in seiner Anwendung auf die einzelne Person; zugleich schenkt er eine neue Fähigkeit, alle diese Pflichten zu erfüllen. Und das geschieht, weil die im Bußsakrament empfangene Vergebung Gottes uns in eigentümlicher Weise Jesus Christus ähnlich macht, der gestorben und auferstanden ist, um „die Sünde der Welt“ hinwegzunehmen (Joh 1,29) und „Erlösung“ zu sein (vgl. Aff20,28; Eph 1,7; Ko/1,14) für die Sünden eines jeden von uns. Ein solcher Geist der Zerknirschung ist also keineswegs Trauer oder Angst, sondern Ausbruch jubelnder Freunde, die der Macht und dem Erbarmen Gottes entspringt, der in Jesus die Sünden tilgt und dem wir mit empfindsamem Gewissen und inniger Liebe antworten sollen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wenn wir aus dem Geist leben, dann wollen wir dem Geist auch folgen“ {Gal 5,25). Der häufige Empfang des Bußsakramentes soll uns dazu veranlassen, uns darüber immer wieder Rechenschaft zu geben. Wenn wir im Zustand der schweren Sünde leben, schenkt uns die Lossprechung des Priesters das Leben der Gnade zurück. Sie macht die Sünde zwar nicht ungeschehen, stellt in uns jedoch die in der Taufe empfangene Würde der Kinder Gottes wieder her. Was der Katechismus als „Stand der Gnade“ 72 AUDIENZEN UND ANGELUS bezeichnet, beschreibt die Heilige Schrift als „Einwohnung“ des Heiligen Geistes. Christus selbst wohnt mit dem Vater in der Seele des gerechtfertigten Sünders. Als Gerechtfertigter ist der Mensch eine „neue Kreatur“, die der göttlichen Natur teilhaftig ist. Das Bußsakrament stellt aber nicht nur den in der Sünde verlorenen Gnadenstand wieder her, sondern will den Menschen auch zu einer immer größeren Verähnlichung mit Christus führen. Aus dem Geist der Reue und Wiedergutmachung bemüht sich der gerechtfertigte Christ um so entschlossener um die Heiligung seines Lebens. Da er aus dem göttlichen Geist lebt, sucht er diesem auch in wachsender Treue zu folgen. Herzlich grüße ich bei der heutigen Jubiläumsaudienz alle anwesenden Pilger deutscher Sprache: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Unter den genannten Gruppen begrüße ich besonders die zahlreichen Diözesan- und Nationalleiter der Katholischen Männerbewegung Österreichs unter der Leitung des Herrn Weihbischofs Karl Moser. Mit Freude denke ich an meine Begegnung mit euch unter den Vertretern des Laienapostolates bei der Eucharistiefeier im Stephansdom während meines Pastoralbesuches in Österreich. „Der Laie ist“, wie ich euch damals sagte, „zugleich Zeichen des Heils in der Welt und Brücke zwischen Welt und Kirche.“ Ich weiß um euren Einsatz für die christlichen Grundwerte in Familie und Gesellschaft, für Gerechtigkeit und Frieden und die vordringlichen Anliegen der Völker der Dritten Welt. Ich ermutige euch in diesem wichtigen Apostolat. Es ist für Christen konkrete Teilnahme am Dienst der Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi. Ich erbitte eurem Wirken stets Gottes Licht und Beistand. Zugleich erteile ich euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Durch dich fallen Besiegte und Feinde“ Angelus am 8. April 1. Die Mittagsstunde lädt uns mit dem Angelusgebet ein, unsere Gedanken Maria zuzuwenden. Wir sind den Tagen der Passion des Herrn schon sehr nahe, und die Liturgie weist uns klar auf Ostern hin. Aber wir dürfen besonders in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung nicht das Geheimnis vergessen, dem 73 AUDIENZEN UND ANGELUS alles entsprungen ist und das die entscheidende Grundlage unserer Versöhnung mit Gott bleibt: das Geheimnis der Menschwerdung. Gerade in diesen Tagen fand in den Kirchen des byzantinischen Ritus eine bezeichnende Marienliturgie statt: der feierliche Gesang des Akathistos, jenes berühmten Hymnus, der seit vielen Jahrhunderten überall „stehend“ (akathistos) zu Ehren der Gottesmutter gesungen wird. Klöster und Pfarrkirchen vor allem unserer orthodoxen Schwesterkirchen haben mit tiefer Frömmigkeit und unter großer Beteiligung diese Liturgie miterlebt, in der die Jungfrau im Herzen des Heilsmysteriums besungen wird: des Mysteriums vom menschgewordenen Wort und seiner Kirche. 2. „Sei gegrüßt, durch dich hebt die Freude an! Sei gegrüßt, durch dich vergeht der Schmerz!“ So beginnt dieser alte Lobgesang, der sogar Thema eines eigenen liturgischen Festes ist. Die Gegenwart Gottes breitet sich ebenso aus wie das Geheimnis der Menschheit Christi, das lebendige Sakrament der Einheit und Rettung des Menschengeschlechts. Wohin auch immer das Heilswirken Christi ausstrahlt, dort ist auf geheimnisvolle Weise die Mutter zugegen, die ihm das fleischliche Leben gegeben und ihn der Welt geschenkt hat. Maria ist in dem Geheimnis gegenwärtig, das sich eines Tages in ihrem Schoß vollzogen hat und sie zum Thron Gottes machte, der leuchtender ist als ein Engelsthron: „Sei gegrüßt, heiligster Thron dessen, der über den Cherubim thront!“ Sie ist gegenwärtig in der Verbreitung von Frieden und Vergebung, mit der Gott durch sie die Welt beschenkt: „Sei gegrüßt, Gottes Güte gegenüber dem Menschen!“ Sie ist gegenwärtig im Erbarmen, das sich noch immer reich ergießt, in der Gnade, die uns in Licht taucht: „Sei gegrüßt, Feld, das Erbarmen in Fülle hervorbringt!“ Sie ist zugegen im Mund der Apostel, die das Wort verkündigen, und im Zeugnis der Märtyrer, die für Christus in den Tod gehen: „Sei gegrüßt, ewige Stimme der Apostel“, „sei gegrüßt, unbeugsame Kühnheit der Märtyrer!“ Sie ist gegenwärtig auf dem Weg des Glaubens, der die Katechumenen zur Taufe führt, in den Sakramenten, die die Kirche hervorbringen und nähren: „Sei gegrüßt, du bist die Quelle der überströmenden Wasser, du bist das Leben des heiligen Gastmahls!“ Sie ist zugegen auf dem Pilgerweg der Kirche zur himmlischen Heimat durch die Wüste der Welt. „Sei gegrüßt, durch dich erheben sich die Siegeszeichen; sei gegrüßt, durch dich fallen Besiegte und Feinde!“ Sie ist gegenwärtig neben einem jeden von uns, wenn wir ihr vertrauen: „Sei gegrüßt, du Arznei meines Lebens, du Heil meiner Seele!“ 74 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. So singt dieser alte Hymnus, der entstanden ist, als die Kirchen noch vereint waren. Möge er ein Vorbote jener Zeiten sein, in denen sich alle Kirchen durch die Macht Gottes und die Fürsprache der Jungfrau versöhnt und vereint finden in dem einen Glauben und dem einen Lobpreis. Das erwarten wir in Tat und Gebet. Die Kirche mahnt zum Bußsakrament Generalaudienz am 11. April 1. „Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt“ {Eph 4,15). Meine Lieben, das Bußsakrament ist im Plan Gottes ein besonders wirksames Mittel bei jenem Bemühen um geistliches Wachstum, von dem der Apostel Paulus gesprochen hat. Es ist aufgrund göttlicher Verfügung -zumindest in dem aufrichtigen Verlangen, es zu empfangen - ein unerläßliches Mittel für den Gläubigen, der nach einer schweren Sünde in das Leben Gottes zurückzukehren wünscht. Die Kirche jedoch, die durch die Jahrhunderte den Willen Christi auslegt, hat die Gläubigen immer ermahnt, dieses Sakrament häufig zu empfangen (vgl. Catechismo Romano del Concilio di Trento, Vatikanstadt, 1946, S. 239, 242), auch damit die bloß läßlichen Sünden vergeben werden. Diese Entwicklung in der Vergangenheit ist, wie mein Vorgänger Pius XII. sagte, nicht ohne den Beistand des Heiligen Geistes erfolgt (vgl. Enzyklika Mystici corporis, 1943, AAS 35, 1943, S. 235). Das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt dann, daß „das Bußsakrament sehr viel dazu beiträgt, das christliche Leben zu fördern“ (Christus Dominus, Nr. 30). Und wo von den Priestern die Rede ist, führt es aus: „Die Diener der sakramentalen Gnade einen sich Christus, dem Erlöser und Hirten, aufs innigste durch den würdigen Empfang der Sakramente, vor allem durch die häufig geübte sakramentale Buße; durch die tägliche Gewissenserforschung vorbereitet, fördert diese die notwendige Hinwendung des Herzens zur Liebe des Vaters der Erbarmungen gar sehr“ (Presbyte-rorum ordinis, Nr. 18). In der Einleitung zum neuen Bußritus aber heißt es: „Auch für die läßlichen Sünden ist der eifrige und häufige Empfang des Bußsakraments 75 AUDIENZEN UND ANGELUS sehr nützlich. Es handelt sich tatsächlich nicht um eine bloße rituelle Wiederholung noch um eine Art psychologischer Übung; es ist vielmehr ein ständiges und immer wieder neues Bemühen, die Gnade der Taufe zu vervollkommnen, damit an uns, während wir das Todesleiden Jesu Christi an unserem Leib tragen, immer deutlicher sein Leben sichtbar werde“ (vgl. 2 Kor 4,10) (Bußritus, Einleitung, Nr. 7). Daher ist für meinen Vorgänger Paul VI. „die häufige Beichte eine bevorzugte Quelle der Heiligkeit, des Friedens und der Freude“ (Apostol. Schreiben Gaudete in Domino, in: Wort und Weisung, 1975, S. 528). 2. Sicher kann der Nachlaß der läßlichen Sünden auch durch andere sakramentale oder nichtsakramentale Mittel erfolgen. Denn die läßliche Sünde ist ein Akt ungeordneter Anhänglichkeit an die geschaffenen Güter, der nicht mit voller Erkenntnis und nicht in einer schweren Sache begangen wurde, so daß die Freundschaft mit Gott in der Person weiterbesteht, auch wenn sie bis zu einem gewissen Grad befleckt wird. Man darf jedoch nicht vergessen, daß die läßlichen Sünden dem Sünder gefährliche Wunden zufügen können. Im Licht dieser Hinweise versteht man, wie sehr es angebracht ist, daß solche Sünden auch durch das Bußsakrament vergeben werden. Die Beichte solcher Sünden, damit wir die sakramentale Vergebung erhalten, hilft uns tatsächlich in einzigartiger Weise, daß wir uns unseres Zustandes als Sünder vor Gott bewußt werden, um uns zu bessern. Sie drängt uns dazu, auf ganz persönliche Weise die Mittlerfunktion der Kirche wiederzuentdecken, die als Werkzeug des in ihr für unsere Erlösung gegenwärtigen Christus wirkt. Sie bietet uns die sakramentale Gnade an, das heißt eine besondere Gleichgestaltung mit Jesus, dem Sieger über die Sünde in allen ihren Erscheinungsformen, und dazu eine Hilfe, damit der Beichtende in sich geht und die Kraft aufbringt, voll und ganz die ethischen Ausrichtungen zu verwirklichen, die Gott ihm ins Herz geschrieben hat. So orientiert sich der Beichtende an dem „vollkommenen Menschen, der Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellt“ (vgl. Eph 4,13); darüber hinaus wird er sich, „von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten“ und dazu angespornt fühlen, „in allem zu wachsen, bis er ihn erreicht hat. Er, Christus, ist das Haupt“ (Eph 4,15). 3. Diesen theologischen Begründungen möchte ich eine weitere pastorale hinzufügen. Sicher kann die Seelenführung (oder die geistliche Beratung bzw. der geistliche Dialog, wie man manchmal lieber sagt) außerhalb des Bußsa- 76 AUDIENZEN UND ANGELUS kramentes und auch von jemandem, der nicht die Priesterweihe empfangen hat, geboten werden. Es läßt sich jedoch nicht leugnen, daß diese Funktion - die unzureichend ist, wenn sie nur innerhalb einer Gruppe, ohne persönlichen Bezug, ausgeübt wird - in der Tat häufig und glücklicherweise mit dem Sakrament der Versöhnung verbunden ist und von einem Meister des geistlichen Lebens (vgl. Eph 4,11), von einem „spiri-tualis senior“ (Benediktusregel, c. 4,50-51), von einem „Arzt“ (vgl. Summa Theologica, Supplementum, q. 18), von einem „Führer in Gottesdingen“ (ebd., q. 36, a. 1) wahrgenommen wird, nämlich vom Priester, der durch „eine einzigartige Gnadengabe“ zu besonderen Aufgaben „in der Kirche“ befähigt ist (ebd., q. 35, a. 1). Auf diese Weise überwindet der Beichtende die Gefahr der Willkür und erfährt Hilfe, um seine Berufung im Licht Gottes zu erkennen und sich dementsprechend zu entscheiden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wir wollen uns, von der Liebe geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen, bis wir ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt“ (Eph 4,15). Nach dem Plan Gottes ist das Sakrament der Buße ein besonders wirksames Mittel für ein solch geistliches Wachsen, von dem der Apostel Paulus hier spricht. Für den Gläubigen, der in eine schwere Sünde gefallen ist, ist die Beichte unerläßlich, um in den Stand der Gnade zurückzukehren. Im Lauf der Jahrhunderte hat die Kirche die Gläubigen im Namen Christi immer wieder dazu ermahnt, möglichst häufig und fruchtbar das Bußsakrament zu empfangen, in welchem bekanntlich auch die läßlichen Sünden Vergebung finden. Auch das letzte Konzil hat deutlich unterstrichen, „daß das Bußsakrament sehr viel dazu beiträgt, das christliche Leben zu fördern“ (Christus Dominus, Nr. 30). Zwar können läßliche Sünden auch auf andere Weise, durch die Erweckung von Reue und durch gute Werke, von Gott vergeben werden. Dennoch ist es höchst angemessen, auch diese der sakramentalen Lossprechung im Bußsakrament zu unterstellen. Das gewissenhafte Bekenntnis auch der läßlichen Sünden in der sakramentalen Beichte vermittelt dem Gläubigen reiche geistliche Früchte, vor allem, wenn der Beichtende von einer längeren geistlichen Führung durch den Beichtvater begleitet wird. Indem ich euch, liebe Brüder und Schwestern, durch diese kurze Betrachtung zum häufigen und würdigen Empfang des Bußsakraments gerade jetzt in der Fasten- und Osterzeit einlade, grüße ich euch alle jetzt herzlich 77 AUDIENZEN UND ANGELUS zur heutigen Jubiläumsaudienz des Heiligen Jahres. Ich freue mich über euer so zahlreiches Kommen: über die vielen genannten Pilgergruppen aus den Pfarrgemeinden, von Vereinigungen und Berufsverbänden, vor allem über die große Zahl von Jugendlichen. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Teilnehmer der Romwallfahrt der Kolpingsfamilie im Bistum Münster sowie die Gruppe von Schülern katholischer Schulen in derselben Diözese mit ihren Lehrern und Eltern. Ebenso möchte ich noch namentlich erwähnen und begrüßen die Pilgergruppe „Rom im Rollstuhl“ mit Kranken aus den deutschsprachigen Diözesen der Schweiz. Euch allen erbitte ich reiche Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung und erteile euch von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. In Erwartung des ewigen Ostern Angelus am Palmsonntag, 15. April 1. Während sich die Stunde des „Engel des Herrn“ nähert, gehen unsere Gedanken zu Beginn der Karwoche zum Kalvarienberg, wo beim Kreuz Jesu seine Mutter stand (vgl. Joh 19,25) und auch ein junger Mann, Johannes, der Jünger, den Jesus liebte (vgl. Joh 19,26), jener Jünger, der beim Letzten Abendmahl das Haupt an die Brust des Herrn legte (vgl. Joh 13,25) und „aus seinem Herzen die Geheimnisse der Weisheit und die Mysterien der Frömmigkeit schöpfte“ (Ambrosius, De institutione virginis, 46). Er schrieb und überlieferte der Kirche, was die anderen Evangelisten nicht gesagt haben: „Bei dem Kreuz Jesu stand seine Mutter.“ Der lange, stille Weg der Jungfrau, mit dem freudigen Fiat in Nazaret begonnen und bei der Darstellung des Erstgeborenen im Tempel mit düsteren Weissagungen beladen, fand auf dem Kalvarienberg seine heilbringende Krönung. „Die Mutter sah mit mitleidsvollem Blick die Wunden des Sohnes, von dem, wie sie wußte, die Erlösung der Welt kommen würde“ (Ambrosius, op. cit., 49). Gekreuzigt mit dem gekreuzigten Sohn (vgl. Gal 2,19), erwog sie in ihrem Leid als Mutter und in ihrem heldenhaften Glauben als Jüngerin den Tod ihres Gottes, so daß „sie der Darbringung des Schlachtopfers, das sie geboren hatte, liebevoll zustimmte“ (Lumen gentium, Nr. 58). Nun sprach sie also ihr letztes Fiat, 78 AUDIENZEN UND ANGELUS indem sie um unseretwillen den Willen des Vaters tat und uns alle als Kinder annahm, dem Vermächtnis Christi entsprechend: „Frau, siehe dein Sohn“ (Joh 19,26). 2. „Siehe, deine Mutter!“, sagte Jesus zu dem Jünger, „und von jener Stunde an nahm sie der Jünger zu sich“ (Joh 19,27): Der jungfräuliche Jünger nahm die jungfräuliche Mutter als sein Licht, seinen Schatz, sein Gut, als das kostbarste, vom Herrn ererbte Geschenk auf. Er liebte sie zärtlich mit dem Herzen eines Sohnes. „Darum wundert es mich nicht -schreibt Ambrosius -, daß er die göttlichen Mysterien besser zu erzählen vermochte als die anderen, er, der die Wohnstatt der himmlischen Mysterien neben sich hatte“ (Ambrosius, op. dt., 50). Junge Freunde, nehmt auch ihr Maria in euer Herz und in euer Leben auf: Sie soll die Leitidee eures Glaubens, der leuchtende Stern eures österlichen Weges sein, damit ihr im Licht des Auf erstandenen, in Erwartung des ewigen Ostern des Reiches eine neue Welt aufbaut. Christus, der zum Mahl einlädt, ist derselbe, der zur Buße mahnt Generalaudienz am 18. April 1. „Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken“ (1 Kor 11,28). Liebe Brüder und Schwestern, heute ist der Vortag des Gründonnerstags: also jenes Tages, an dem Christus mit dem Priesteramt das Sakrament der Eucharistie eingesetzt hat, das gleich einem Mittelpunkt und Herz der Kirche das Kreuzesopfer „wiederholt“, damit der Erlöser, mit uns dem Vater dargebracht, zu unserer geistlichen Speise werde und in einzigartiger Weise bis ans Ende der Zeiten bei uns bleibe. Die Karwoche, die innerhalb der Fastenzeit und als ihr Höhepunkt eine vorzügliche Zeit der Buße ist, veranlaßt uns, über die Beziehung zwischen dem Sakrament der Versöhnung und dem Sakrament der Eucharistie nachzudenken. 79 A UDIENZEN UND ANGELUS Der Angelpunkt der Liturgie Einerseits kann und muß man feststellen, daß das Sakrament der Eucharistie die Sünden nachläßt. Die Feier der Messe stellt den Angelpunkt der Liturgie dar, „die der Höhepunkt ist, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum Conci-lium, Nr. 10). In dieser sakramentalen Handlung vergegenwärtigt Jesus sein Opfer des Gehorsams und der Hingabe an den Vater um unseretwillen und in Einheit mit uns: „zur Vergebung unserer Sünden“ (vgl. Mf 26,28). 2. Das Konzil von Trient spricht in diesem Sinn von der Eucharistie als „Gegenmittel, durch das wir von der täglichen Schuld befreit und vor den Todsünden bewahrt werden“ (Dekret über die heilige Eucharistie, Kap. 2, Denz.-Schön., 1638; vgl. 1740). Ja, das Konzil von Trient spricht von der Eucharistie als dem Sakrament, das die Vergebung der schweren Sünden vermittelt, allerdings durch die Gnade und die Gabe der Buße (vgl. Dekret über das heilige Meßopfer, Kap. 2, Denz.-Schön., 1743), die zumindest der Intention nach („in voto“) auf die sakramentale Beichte hingeordnet ist und diese einschließt. Die Eucharistie als Opfer tritt nicht an die Stelle des Bußsakramentes und steht auch nicht neben ihm: Sie ist vielmehr der Ursprung, aus dem sich alle anderen Sakramente, insbesondere das Sakrament der Versöhnung, herleiten, das Ziel, auf das sie ausgerichtet sind; „sie läßt auch die schweren Vergehen und Sünden nach“ (ebd.), vor allem, weil sie die sakramentale Beichte veranlaßt und fordert. Und nun der andere Aspekt der katholischen Lehre. Die Eucharistie, die, wie ich in meiner ersten Enzyklika (Redemptor hominis, Nr. 20) sagte, „den Mittelpunkt im Leben des Gottesvolkes bildet“, verlangt, daß „die volle Dimension des göttlichen Geheimnisses und der volle Sinn dieses „sakramentalen Zeichens“ respektiert wird, „bei dem der wahrhaft gegenwärtige Christus empfangen, die Seele mit Gnaden beschenkt und ein Unterpfand der künftigen Herrlichkeit gegeben wird“. Darum fordert das Konzil von Trient, daß - außer in ganz besonderen Fällen, in denen, wie bereits gesagt, die vollkommene Reue die Absicht („votum“) einschließen muß, das Bußsakrament zu empfangen - derjenige, der eine schwere Sünde auf dem Gewissen hat, nicht zur eucharisti-schen Kommunion hintrete, solange er nicht das Sakrament der Versöhnung empfangen hat {Dekret über die heilige Eucharistie, Kap. 7, Denz.-Schön., 1647; 1661). 3. Die Worte des hl. Paulus aufgreifend: „Jeder soll sich selbst prüfen, und dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken“ {1 Kor 80 AUDIENZEN UND ANGELUS 11,28), sagte ich dann in derselben Enzyklika: „Diese Einladung des Apostels zeigt, zumindest indirekt, das enge Band zwischen Eucharistie und Buße. Wenn nämlich das erste Wort in der Verkündigung Christi, der erste Satz der Frohen Botschaft des Evangeliums gewesen ist: „Bekehret euch und glaubt an das Evangelium“ (metanoeite) (Mk 1,15), so scheint das Sakrament des Leidens, des Kreuzes und der Auferstehung diese Einladung in unsere Seelen auf ganz besondere Weise zu verstärken und zu festigen. Die Eucharistie und die Buße werden so in gewissem Sinn eine zweifache und zugleich innerlich verbundene Dimension des authentischen Lebens im Geist des Evangeliums, des wahrhaft christlichen Lebens. Christus, der zum eucharistischen Mahl einlädt, ist stets derselbe Christus, der zur Buße mahnt, der das ,Bekehret euch wiederholt. Ohne diese ständigen und immer wieder neuen Bemühungen um die Bekehrung wäre die Teilnahme an der Eucharistie der vollen erlösenden Wirklichkeit beraubt, würde sie herabgemindert oder in ihr allgemein jene besondere Fähigkeit geschwächt, Gott das geistige Opfer darzubringen (vgl. 1 Petr 2,5), in dem sich auf grundlegende und umfassende Weise unsere Teilnahme am Priestertum Christi ausdrückt“ (Redemptor hominis, Nr. 20). Eine aufrichtige Bußgesinnung Es wird oft mit Befriedigung festgestellt, daß die Gläubigen heute häufiger zur Eucharistie hintreten. Man kann nur wünschen, daß einer solchen Erscheinung eine echte Reifung im Glauben und in der Liebe entspreche. Die Mahnung des hl. Paulus ist jedoch nach wie vor gültig: „Wer davon ißt und trinkt, ohne zu bedenken, daß es der Leib des Herrn ist, der zieht sich das Gericht zu, indem er ißt und trinkt“ (1 Kor 11,29). „Bedenken, daß es der Leib des Herrn ist“ bedeutet nach der Lehre der Kirche, sich durch Reinheit des Herzens, die im Fall einer schweren Sünde den vorausgehenden Empfang des Bußsakramentes erfordert, zum Empfang der Eucharistie zu bereiten. Nur so kann unser christliches Leben im Opfer des Kreuzes seine Fülle finden und schließlich zur Erfahrung der „vollkommenen Freude“ gelangen, wie sie Jesus allen verheißen hat, die Gemeinschaft mit ihm haben (vgl. Joh 15,11). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zur heutigen vorösterlichen Audienz, der letzten im Jubiläumsjahr der Erlösung. Ich heiße euch alle mit Freude willkom- 81 AUDIENZEN UND ANGELUS men: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der bevorstehende Gründonnerstag lenkt unsere Gedanken auf das Sakrament der heiligen Eucharistie. In der Eucharistiefeier vergegenwärtigt Christus sein Sühneopfer am Kreuz und macht es fruchtbar für uns „zur Vergebung der Sünden“ (vgl. Mt 26,28). Die Kirche lehrt, daß den Gläubigen durch die würdige Teilnahme an der Eucharistie Sünden vergeben werden. Das Konzil von Trient schließt darin sogar die schweren Sünden mit ein. Letzteres geschieht jedoch nur durch die Erweckung einer aufrichtigen Bußgesinnung, die auf den nachfolgenden Empfang des Bußsakramentes hingeordnet ist. Gläubige, die sich einer schweren Sünde bewußt sind, sollen in der Regel zuerst zur heiligen Beichte gehen und erst dann zum Tisch des Herrn herantreten. Denken wir stets an die ernste Mahnung des hl. Paulus in der heutigen Schriftlesung, wo er sagt: „Jeder soll sich selbst prüfen; erst dann soll er von dem Brot essen und aus dem Kelch trinken“; denn wer „unwürdig von dem Brot ißt und aus dem Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig am Leib und am Blut des Herrn“ (2 Kor 11,27-28). Bemühen wir uns gerade in dieser gnadenvollen Osterzeit um einen würdigen Empfang der heiligen Beichte und der heiligen Kommunion! Unter den heutigen Audienzteilnehmern grüße ich noch besonders den großen Diözesanpilgerzug aus Münster unter der Leitung des Herrn Weihbischofs Wöste, die Jugendgruppe des Kolpingwerkes sowie den Diözesanrat im Erzbistum Köln; ferner die Mitglieder der Kapellenbau-Gemeinschaft Reiting und der Gesellschaft Öffentlicher Dienst aus Wien. Die bevorstehende Schließung der Heiligen Pforte bedeutet nur den Abschluß der äußeren Feier des Heiligen Jahres. Offen bleiben sollen hingegen die Pforten eurer Herzen, die ihr in diesem Gnadenjahr Christus, unserem Erlöser, wieder neu geöffnet habt. Möge Christus, der gekreuzigte und siegreich auferstandene Herr, immer mehr zur Mitte eures Lebens werden. Dafür erbitte ich allen anwesenden Pilgern deutscher Sprache reiche österliche Gnaden und erteile euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Ein frohes und gnadenreiches Osterfest! 82 AUDIENZEN UND ANGELUS Zeugen der Auferstehung Generalaudienz am 25. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. In dieser Audienz, in der uns alles einlädt, die spirituelle Ausstrahlung des Osterfestes freudig zu erleben, möchte ich euch einladen, über diesen Satz in der Apostelgeschichte nachzudenken: „Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2,32). Dieser kraftvolle Aufruf des Petrus zu Beginn der apostolischen Verkündigung erhält in der Tat eine besondere Bedeutung im österlichen Jubel des Hallelujas, dessen festliche Verse die Liturgie 50 Tage lang deutlich wiederholt. Christus, der wirklich gestorben war, ist auferstanden! 20 Jahrhunderte lang hat die Kirche ununterbrochen vor der Welt dieses überwältigende Zeugnis abgelegt: Sie tat es in jedem kulturellen und gesellschaftlichen Kontext, in allen Erdteilen, durch die Stimme ihrer Priester, durch die Opfer ihrer Märtyrer, durch die Hingabe ihrer zahllosen Heiligen. Diese Ankündigung hat sie auch dieses Jahr am Höhepunkt des außerordentlichen Heiligen Jahres der Erlösung wiederholt, das in unseren Herzen heilsame Empfindungen und Vorsätze wachrief. 2. Das Zeugnis für den Auf erstandenen stellt für alle Glieder des Gottes Volkes eine feste Verpflichtung dar. Das Konzil hat davon einen ausdrücklichen Aufruf für die Laien abgeleitet und den Sendungsauftrag, der ihnen aufgrund ihrer Einverleibung in Christus durch die Taufe eigen ist, in folgenden, verpflichtenden Worten zusammengefaßt: „Jeder Laie muß vor der Welt Zeuge der Auferstehung und des Lebens Jesu, unseres Herrn, und ein Zeichen des lebendigen Gottes sein“ (Lumen gentium, Nr. 38). Zeugnis ablegen bedeutet seinem Wesen nach, eine Tatsache aufgrund einer Gewißheit zu bezeugen, die irgendwie Ergebnis einer persönlichen Erfahrung ist. Die Frauen waren die ersten Zeugen der Rückkehr des Herrn zum Leben (vgl. z. B. Mt 28,5-8). Sie sahen Christus damals nicht, gelangten aber zu der Gewißheit, daß er auferstanden war, und zwar aufgrund des leeren Grabes und der Erklärung, die der Engel ihnen von dem überwältigenden Ereignis gab. Das war die erste Erfahrung, die sie von dem Geheimnis machten und die später durch die Erscheinungen des Auferstandenen bestätigt wurde. 83 AUDIENZEN UND ANGELUS Jeder Christ macht, wenn er aus der historischen Überlieferung und vor allem aus den Gewißheiten des Glaubens schöpft, die Erfahrung, daß Christus, der Auferstandene, daher der ewig Lebendige ist. Dies ist eine tiefe und vollständige Erfahrung, die nicht auf den ausschließlich persönlichen Bereich begrenzt bleiben darf, sondern sich notwendigerweise ausbreitet wie das Licht, das ausstrahlt; wie die Hefe, die den Teig durchsäuert. Der wahre Christ ist konstitutionsmäßig ein „lebendiges Evangelium“, also kein später Anhänger einer zeitlich weit zurückliegenden Lehre, die nichts mit der Wirklichkeit des Lebens zu tun hat; er ist nicht der mittelmäßige Wiederholer kraftloser Formeln, sondern ein überzeugter und ausdauernder Verteidiger der Aktualität Christi und der immerwährenden Neuheit des Evangeliums, immer bereit, gegenüber jedermann und in jedem Augenblick für die Hoffnung Zeugnis abzulegen, die er in seinem Herzen nährt (vgl. 1 Petr 3,15). 3. Das Zeugnis ist, wie mein Vorgänger Paul VI. betonte, „ein wesentliches Element, im allgemeinen das erste in der Evangelisierung“ (Evan-gelii nuntiandi, Nr. 21). Es ist in unserer Zeit mit ihrer Verunsicherung der Geister und der Verdunkelung der Werte besonders dringlich, weil sie eine Krise anbahnen, die sich immer klarer als gesamtheitliche Krise der Zivilisation entpuppt. Der Mensch von heute, verblendet durch die materiellen Errungenschaften und dennoch besorgt wegen der zerstörerischen Konsequenzen, die daraus hervorzugehen drohen, braucht absolute Gewißheiten und Ziele, die der Abnützung durch die Zeit widerstehen. Unbefriedigt oder enttäuscht vom Umherirren im Gewirr der ideologischen Systeme, die ihn seinen tiefsten Bestrebungen entfremden, sucht er die Wahrheit und das Licht. Oft sucht er, vielleicht ohne sich dessen voll bewußt zu sein, Christus. Mit der Bitterkeit desjenigen, der umsonst auf den verschiedenen Wegen aller möglichen Kulturen einhergegangen ist, hört der Mensch unserer Zeit, einer scharfen Beobachtung Papst Pauls VI. entsprechend, „lieber auf die Zeugen als auf die Lehrer, oder wenn er auf die Lehrer hört, dann deshalb, weil sie Zeugen sind“ (AAS 66; 1974, S. 568). 4. In diesen Ostertagen, die das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung besiegelt haben, erhält die Mahnung des hl. Paulus besondere Aktualität: „Schafft den alten Sauerteig weg, damit ihr neuer Teig seid“ (1 Kor 5,7). 84 AUDIENZEN UND ANGELUS Je mehr die Widersprüche der heutigen Zeit hervorgehoben werden, um so mehr stellen wir fest, daß dies die Stunde der authentischen Christen ist, die stark sind im Glauben, kühn in der Hoffnung, hochherzig in der Nächstenliebe, das heißt glühend im „Zeugnis für Christus“, wie es auch im neuen Codex des kanonischen Rechts (can. 225, par. 2) hinsichtlich der Pflichten der Laien heißt. Dies ist die Stunde, in der viele unserer Glaubensbrüder ihr Zeugnis teuer bezahlen müssen. Sie sind die Märtyrer der modernen Zeit, die von totalitären Systemen an der Ausübung der Grundfreiheit, nämlich an der Freiheit, den Glauben öffentlich zu bekennen, gehindert werden. Durch ihre unzähligen Opfer und Entbehrungen, durch ihre Kühnheit sind sie Mahnung und Beispiel. Ich möchte, daß jeder von euch, die ihr bei dieser Begegnung in der Osterwoche anwesend seid, ebenso wie sie die Verkündigung des Petrus sich mit erneuter Inbrunst zu eigen mache: Christus ist auferstanden, und ich bin Zeuge. Das ist der Wunsch, den ich gern allen von ganzem Herzen ausspreche, zusammen mit meinem Apostolischen Segen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In dieser Woche voller Osterfreude möchte ich mit euch ein Wort des hl. Petrus betrachten, das in der Apostelgeschichte überliefert ist: „Gott hat diesen Jesus auferweckt; dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2,32). Dieses weltverändernde Zeugnis der Apostel hat die Kirche übernommen und fortgesetzt: zu allen Zeiten, in jeder sozialen Umgebung, mit der Stimme ihrer Hirten und Missionare, mit dem Opfer so vieler Märtyrer, mit dem Leben einer großen Schar von heiligen Männern und Frauen. Jeder einzelne Christ ist ja zu einem solchen Zeugnis vom auf erstandenen Herrn berufen. Das Konzil sagt dies sehr deutlich: „Jeder Laie muß vor der Welt Zeuge der Auferstehung und des Lebens Jesu, unseres Herrn, und ein Zeichen des lebendiges Gottes sein“ (Lumen gentium, Nr. 38). So kann der Christ, wo immer er steht, zu einem „lebendigen Evangelium“ werden, zu einer Frohen Botschaft für seine Mitmenschen. Dieses Lebenszeugnis ist viel überzeugender als die bloßen Worte einer Predigt. Der Mensch von heute, so sagte einmal Paul VI., „hört lieber auf Zeugen als auf Lehrer; und wenn er auf Lehrer hört, dann nur, wenn sie Zeugnis geben“. Die Märtyrer unserer Tage, von totalitären Regierungen und Verwaltungen immer wieder am freien Bekenntnis ihres Glaubens gehindert, legen in ihrer stillen Treue und opferbereiten Geduld ein solches Zeugnis für den lebendigen Gott und unseren Herrn Jesus Christus ab. 85 AUDIENZEN UND ANGELUS Möge jeder von uns nach ihrem Beispiel von sich sagen können: Gott hat diesen Jesus auferweckt; dafür will ich Zeuge sein! Ich weiß, daß besonders ansprechbar für diesen Aufruf zum Lebenszeugnis all jene unter euch sind, die bewußt als christliche Pilger nach Rom und zum Nachfolger des Petrus gekommen sind, um hier Ostern zu feiern. Besonders grüße ich heute die Mitglieder der Familienbewegung des Schönstattwerkes, dann den Pilgerzug der Erzdiözse Paderborn und ihrer Kirchenzeitung „Der Dom“ sowie den Sonderzug der Jugend aus der Diözese Regensburg. Euer Reden und Handeln, euer Lernen und Arbeiten, eure Freude und Hoffnung, euer ganzes Leben sei - wie bei Petrus -ein Ausdruck dieser entschlossenen Bereitschaft: „Gott hat Jesus auferweckt; dafür sind wir alle Zeugen.“ Schließlich grüße ich auch die Gläubigen ungarischer Abstammung aus der Diözese Rottenburg-Stuttgart und wünsche ihnen eine gesegnete Osterzeit. Auf ungarisch sage ich: Dicsertessek a Jezus Krisztus - Gelobt sei Jesus Christus! „Als Hirt der Universalkirche“ Regina Caeli am 29. April 1. „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen“ (Ps 118,24). „Haec dies, quam fecit Dominus, exsultemus et laetemur in ea.“ Vor allem freu du dich, Maria! Du hast auf Kalvaria unter dem Kreuz gestanden! Freu dich heute, denn du bist die Mutter des Auf erstandenen! Himmelskönigin, freu dich! Heute möchten wir mit dir die Freude der im Abendmahlssaal versammelten Apostel teilen, besonders die Freude des Thomas, der, als er seine anfängliche Ungläubigkeit überwunden hatte, seinen Glauben an den Auferstandenen bekannte: „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28). Nach dem Beispiel des Apostels wiederholt heute die ganze Kirche dieses Glaubensbekenntnis. Und die ganze Kirche hört nicht auf, durch dein unbeflecktes Herz, o Mutter des Auferstandenen, Gott für das Jubiläumsjahr der Erlösung zu danken, das wir in Rom und in der ganzen Welt erleben durften. 86 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Ich bitte um euer Gebet, damit der Bischof von Rom seinen apostolischen Besuch im Fernen Osten in der geistlichen Atmosphäre der Osterfreude durchführen kann. Wie ihr schon wißt, besuche ich, so Gott will, vom 2. bis 12. Mai die Kirchen von Korea, das die 200-Jahr-Feier seiner Evangelisierung begeht, von Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und Thailand. Es handelt sich um eine pastorale und missionarische Reise, die mir die Möglichkeit gibt, persönlich die Sorge, die ich als Hirt der Umversalkirche diesen Völkern entgegenbringen muß, zum Ausdruck zu bringen. Es sind junge Kirchen, die mir besonders am Herz liegen, weil sie reich an Versprechungen, Hoffnungen und evangelischen Ansätzen sind. Beten wir darum, daß der Herr diese Reise mit geistlichen Früchten segne, in den Herzen den Missionseifer entzünde und die Ankunft seines Reiches bei den Brüdern beschleunige, die ihn noch nicht kennen. Nach dem Angelusgebet richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die einzelnen Pilgergruppen. Auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch zwei Gruppen aus Deutschland und Österreich, die die Musik und den Gesang besonders pflegen: das Blasorchester des Burggymnasiums von Kaiserslautern und den Männergesangverein aus Mayrhofen im Zillertal. Werdet durch die Pflege eurer Kunst selbst zu frohen Menschen. Der auferstandene Herr schenke euch vor allem tiefe österliche Freude; er segne euch und eure Familien in der Heimat! Arbeit: ein Gut für den Menschen Generalaudienz am 1. Mai Liebe Gläubige! 1. Heute, am 1. Mai, kann das Thema unserer Begegnung nur das Fest der Arbeit sein. Ich möchte heute alle arbeitenden Menschen ehren. Seit dem vorigen Jahrhundert war dem 1. Mai stets ein tiefer Sinn der Einheit und Verbundenheit zwischen allen arbeitenden Menschen eigen, um ihre Rolle in der Gesellschaft hervorzuheben und ihre Rechte zu verteidigen. Im Jahr 1955 wollte mein hochverehrter Vorgänger Pius XII. 87 AUDIENZEN UND ANGELUS dem 1. Mai auch ein religiöses Gepräge verleihen, indem er diesen Tag dem hl. Josef, dem Arbeiter, weihte, und seit damals ist der staatliche Feiertag der Arbeit auch zu einem christlichen Fest geworden. Mit großer Freude bringe ich heute mit euch die Gefühle lebendiger und herzlicher Teilnahme an diesem Fest zum Ausdruck, wobei ich an die Liebe erinnere, die die Kirche stets für die arbeitenden Menschen hatte, und an die Sorge, mit der sie versucht hat und noch versucht, deren Rechte zu fördern. Bekanntlich hat die Kirche besonders seit Beginn des Industriezeitalters, indem sie den Wandel der Situation und die neuen Entdeckungen und Forderungen aufmerksam verfolgte, eine Summe von Lehraussagen auf sozialem Gebiet vorgelegt, die - angefangen mit der Enzyklika Rerum novarum Leos XIII. (1891) - sicher ihren erhellenden Einfluß ausgeübt haben und immer noch ausüben. Wer sich ehrlich bemüht, die Lehre der Kirche kennenzulernen und ihr zu folgen, sieht, daß sie tatsächlich immer die arbeitenden Menschen geliebt und die Würde der menschlichen Person als Fundament und Ideal für jede Lösung der Probleme der Arbeit - ihre Entlohnung, ihren Schutz, ihre Vervollkommnung, ihre Humanisierung - aufgezeigt und unterstützt hat. In den verschiedenen Dokumenten des kirchlichen Lehramtes treten die grundlegenden Aspekte der Arbeit zutage, die als Mittel zum Erwerb des Lebensunterhalts, zur wissenschaftlichen und technischen Beherrschung der Natur und als Ausdruck der Kreativität des Menschen, als Dienst am Gemeinwohl und Einsatz für den Aufbau der Zukunft der Geschichte aufgefaßt wird. Wie ich in meiner Enzyklika Laborem exercens sagte: „Die Arbeit ist ein Gut für den Menschen, weil er durch die Arbeit nicht nur die Natur umwandelt und seinen Bedürfnissen anpaßt, sondern auch sich selbst als Mensch verwirklicht, ja gewissermaßen ,mehr Mensch wird“1 (Nr. 9). Das Fest des 1. Mai eignet sich sehr gut dazu, den Wert der Arbeit und der auf Arbeit gründenden Gesellschaft hervorzuheben, im Gegensatz zu jenen Ideologien, die die „Gesellschaft des Genusses“, der Gleichgültigkeit und der Flucht anpreisen. Jede Arbeit, auch die manuelle, selbst die unscheinbarste und verborgenste, die niedrigste und beschwerlichste, verdient Anerkennung, denn jede Arbeit, richtig aufgefaßt, ist ein Bund mit Gott zur Vervollkommnung der Welt, ein Einsatz für die Befreiung aus der Knechtschaft der Naturgewalten, ein Zeichen brüderlicher Verbundenheit unter den Menschen, eine Weise der Erhebung, in der die Fähigkeiten von Verstand und Willen zur Anwendung kommen. Jesus selbst, das um unseres Heiles willen menschgewordene göttliche Wort, war zuerst viele Jahre lang ein einfacher, fleißiger Arbeiter! 88 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Trotz der Grundwahrheit vom beständigen Wert der Arbeit wissen wir, daß es in der heutigen Gesellschaft mannigfache Probleme gibt. Das hatte das Zweite Vatikanische Konzil mit der folgenden Aussage aufge-zeigt: „Heute steht die Menschheit in einer neuen Epoche ihrer Geschichte, in der tiefgehende und rasche Veränderungen Schritt um Schritt auf die ganze Welt übergreifen. Vom Menschen, seiner Vernunft und schöpferischen Gestaltungskraft gehen sie aus; sie wirken auf ihn wieder zurück, auf seine persönlichen und kollektiven Urteile und Wünsche, auf seine Art und Weise, die Dinge und die Menschen zu sehen und mit ihnen umzugehen. So kann man schon von einer wirklichen sozialen und kulturellen Umgestaltung sprechen, die sich auch auf das religiöse Leben auswirkt“ {Gaudium et spes, Nr. 4). Das vorrangige und schwerwiegende Problem ist sicher die Arbeitslosigkeit, die durch vielerlei Faktoren verursacht wird: die weitreichende Einführung der Informatik, die mit ihren Robotern und Computern viele Arbeitsplätze kostet; die Sättigung des Marktes mit einigen Produkten, die Konsum und Produktion hemmende Inflation, die Notwendigkeit der Umstellung von Maschinen und Techniken, der Konkurrenzkampf. Ein weiteres Problem ist die Gefahr, daß der Mensch zum Sklaven der Maschinen wird, die er selbst erfunden und gebaut hat. Es ist nämlich notwendig, daß er die Technik beherrscht und leitet; andernfalls wendet sie sich gegen den Menschen. Schließlich können wir noch das ernste Problem der beruflichen Entfremdung anführen, durch die die Arbeit ihren eigentlichen Sinn verliert; diese wird aus einer kalten Verdienstlogik heraus, deren Ziel es ist, zu Wohlstand zu gelangen, zu konsumieren und so noch mehr zu produzieren, nur als Ware angesehen. So erliegt man der Versuchung, die Liebe zur Arbeit zu verlieren, der Vernachlässigung des Arbeitsplatzes, dem individualistischen Egoismus, der Entmutigung und Frustration nachzugeben, und läßt die Merkmale des sogenannten „eindimensionalen Menschen“ überwiegen, der zum Opfer der Technik, der Werbung und der Produktion geworden ist. Es handelt sich hier um sehr komplexe Probleme, auf die näher einzugehen uns hier die Zeit fehlt. Aber heute, am 1. Mai, wollen wir auf die Notwendigkeit der menschlichen und christlichen Solidarität auf nationaler und Weltebene hinweisen, um diese Schwierigkeiten gründlich und überzeugend zu lösen. Paul VI. sagte in seiner Enzyklika Populorum progressio: „Jeder Mensch ist Glied der Gesellschaft; er gehört zur ganzen Menschheit. Nicht nur dieser oder jener Mensch, sondern alle Menschen sind zu dieser vollkommenen Entfaltung aufgerufen ... Die universelle 89 AUDIENZEN UND ANGELUS Solidarität, die ein Faktum und für uns ein Nutzen ist, ist darüber hinaus eine Pflicht“ (Nr. 17). In meiner Ansprache vor der Tagung der Internationalen Konferenz für die Arbeit in Genf am 15. Juni 1982 habe ich selbst gesagt, „die positive Lösung des Beschäftigungsproblems setzt eine ganz starke Solidarität der Gesamtheit der Bevölkerung und aller Völker voraus: daß jeder bereit ist, die notwendigen Opfer auf sich zu nehmen; daß jeder an der Aufstellung von Programmen von Vereinbarungen mitarbeitet, deren Ziel es ist, die Wirtschafts- und Sozialpolitik zu einem greifbaren Ausdruck der Solidarität zu machen“ (Nr. 12, in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 633). 3. Heute, am Fest der Arbeit, dem liturgischen Gedenktag des hl. Josef, des Arbeiters, erflehe ich von Herzen seinen himmlischen Schutz für jene, die ihr Leben in Arbeit verbringen, und jene anderen, die leider ohne Arbeit sind, und fordere alle auf, täglich zum Nährvater Jesu, einem demütigen und einfachen Arbeiter, zu beten, daß nach seinem Beispiel und mit seiner Hilfe jeder Christ in seinem Leben seinen Beitrag eifrigen Einsatzes und froher Gemeinschaft leiste. Mit großem Schmerz habe ich die Nachricht von dem Erdbeben erhalten, das Umbrien heimgesucht und Verletzte und schwere Sachschäden verursacht hat. Ich möchte der guten umbrischen Bevölkerung versichern, daß ich ihr nahe bin, indem ich ihre Leiden teile und im Gebet mit ihr vereint bin. Herzlich ermutige ich die Initiativen, die bereits ergriffen wurden, um den Verletzten Hilfe zu bringen und allen beizustehen, die ihr Heim verloren haben oder zusehen mußten, wie ihr Eigentum, Frucht jahrelanger Arbeit und Opfer, zerstört wurde. Die Solidarität aller sei ihnen Trost und tatkräftige Hilfe. Die allerseligste Jungfrau stehe ihnen bei und komme ihnen zu Hilfe. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Euch allen ein herzliches Willkommen zur heutigen Audienz am 1. Mai, dem Fest der Arbeit. Als deren Patron verehren wir mit der Kirche an diesem Tag zugleich den hl. Josef, den Arbeiter. Gerade in der jüngeren Geschichte hat sich die Kirche der Sorgen und Probleme der Arbeiter in einer besonderen Weise angenommen. Seit der berühmten Enzyklika Rerum novarum Papst Leos XIII. hat sie in einer eigenen Soziallehre die Würde und Rechte des Arbeiters nachdrücklich verteidigt sowie menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gerechte Lösungen der sozialen 90 AUDIENZEN UND ANGELUS Fragen gefordert. Jede Art von Arbeit, auch die unscheinbarste und verborgenste, verdient Achtung und Schutz. Die Arbeit ist ein Gut des Menschen, durch das er sich selbst vervollkommnet, und zugleich ein Mitwirken mit dem Schöpfer, um die Welt immer wohnlicher zu gestalten. Jesus selbst, das menschgewordene Wort Gottes, wollte zuerst und für die längste Zeit seines Lebens ein einfacher Arbeiter sein! Um die großen Probleme in der modernen Welt der Arbeit, wie zum Beispiel die drük-kende Arbeitslosigkeit, erfolgreich zu lösen, bedarf es vor allem einer menschlichen und christlichen Solidarität aller Menschen auf nationaler und internationaler Ebene. Jeder einzelne muß bereit sein, auch durch persönliche Opfer dazu beizutragen. Erbitten wir heute für die Welt der Arbeit den besonderen Schutz und Beistand des hl. Josef, des Patrons der Arbeit! Ich grüße noch einmal sehr herzlich alle Gruppen und Einzelpilger aus den Ländern deutscher Sprache und bitte euch zugleich um euer Gebet für meine bevorstehende Pastoraireise in Länder des Fernen Ostens und Ozeaniens. Einen ganz besonderen Willkommensgruß richte ich heute vor allem an die anwesenden Eltern, Angehörigen und Freunde unserer jungen Schweizergardisten, die am kommenden 6. Mai ihren Eid leisten. Ich freue mich über eure persönliche Teilnahme an dieser Audienz und an der Vereidigungsfeier. Euch Eltern danke ich von Herzen, daß ihr den Dienst eurer Söhne in der päpstlichen Garde so großzügig ermöglicht habt und sie bei der Erfüllung ihrer wichtigen Aufgaben hier im Vatikan weiterhin mit eurer elterlichen Liebe und Sorge begleitet. Der Herr vergelte es euch und beschütze alle eure Famiüen und Lieben in der Heimat! Zugleich erteile ich euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern in der Liebe Christi meinen besonderen Apostolischen Segen. „Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ Regina Caeli am 13. Mai 1. Heute ist der vierte Sonntag in der Osterzeit. Die ganze Kirche dankt dem Herrn, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, weil er der Gute Hirt ist; weil „er seine Schafe kennt und seine Schafe ihn kennen“ (vgl. Joh 10,14); „weil er sein Leben gibt für seine Schafe“ (Joh 10,11). 91 AUDIENZEN UND ANGELUS Wir danken ihm besonders für das Geschenk des außerordentlichen Heiligen Jahres der Erlösung, an dem die ganze Kirche teilgenommen hat: während es auf Ersuchen der betreffenden Bischofskonferenzen in manchen Gemeinden noch verlängert wurde. Jesus Christus ist „die Tür zu den Schafen“. Wir danken ihm für alle, die durch ihn in das Leben des Heils eintreten. Er ist in die Welt gekommen, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). 2. Dich, den auferstandenen Christus und Guten Hirten, will ich heute nach Beendigung meiner apostolischen Reise in den Fernen Osten und nach Ozeanien besonders nachdrücklich preisen. Während ich mir Vorbehalte, auf dieses Thema ein andermal zurückzukommen, möchte ich jetzt den zivilen Behörden, den Bischöfen, Priestern, Ordensmännern und -frauen und der geliebten Bevölkerung von Korea, Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und Thailand noch einmal meinen herzlichen Dank aussprechen für die vielfältigen Beweise der Höflichkeit, der Zuneigung und des Glaubens, die sie mir bei dieser pastoralen und missionarischen Reise zuteil werden ließen. O Christus, sei für alle unsere Brüder und Schwestern in jenen fernen Ländern die Tür zu den Schafen! Damit sie durch dich eintreten, auf dem Weg des Heils und des ewigen Lebens! Mit dir, Mutter des Auferstandenen, wollen wir diese besondere österliche Freude teilen. 3. An diesem Sonntag begeht die Kirche den Weltgebetstag für die geistlichen Berufe. Der Herr, dessen wir im Evangelium unter dem Bild des Guten Hirten gedenken, wiederholt heute für uns seine betrübte Klage: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter“ {Mt 9,36-37). Er bittet alle um ihre Mitarbeit und ihren Einsatz, damit es nicht an Dienern des Evangeliums und Verwaltern der Sakramente des Glaubens fehlt und damit es immer Männer und Frauen gibt, die entschlossen sind, sich ganz dem Dienst an Gott und seinem Volk hinzugeben. Besonders am heutigen Tag wollen wir nicht auf hören, für diese Intention und diese Sache, die an das Herz der Kirche selbst rührt, zu beten und zu wirken. 4. Heute ist der 13. Mai. An diesem für mich so bedeutsamen Tag gehen meine Gedanken nach Fatima, um Maria erneut meine Liebe und Dankbarkeit für ihren mütterlichen Schutz auszusprechen. 92 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Jahrestag der ersten Erscheinung in Fatima sollte für alle eine Einladung sein, den Appell zur Umkehr, zur Buße und zum Gebet anzunehmen, den die Gottesmutter an uns richtet, indem sie uns an die Worte Christi erinnert: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15). Beten wir, daß die heutigen Menschen nicht unempfänglich bleiben mögen für das zu Herzen gehende Drängen der gemeinsamen Mutter. Nach dem Gebet des „Regina Caeli“ sagte der Papst: 1. Ich habe das Bedürfnis, die Bevölkerung von Umbrien, Latium, Abruzzen und Molise meiner Nähe zu versichern angesichts des Erdbebens, das ihr Land heimgesucht und schwere Schäden und Leiden verursacht hat. Ich weiß, daß die Hilfsmaßnahmen rasch vonstatten gehen. Von Herzen wünsche ich, daß die Brüder und Schwestern der Kirche Italiens in diesem tragischen Ereignis eine Gelegenheit zur Solidarität, Gemeinschaft und zum Zeugnis der Liebe sehen mögen. Ich meinerseits versichere alle meiner herzlichen Anteilnahme und eines besonderen Gedenkens im Gebet. 2. Heute wird der Muttertag gefeiert. Ich wünsche jeder Mutter von Herzen Frieden, Ruhe und Freude in der Hoffnung, daß die Familienmitglieder in ihr stets ein Vorbild zärtlicher Liebe und unerschöpflicher Hingabe finden mögen. Allen gilt mein Segen. Rückblick auf die Fernostreise Generalaudienz am 16. Mai 1. Heute will ich, zusammen mit euch, liebe Pilger und Teilnehmer an dieser Audienz, der göttlichen Vorsehung meine Dankbarkeit bekunden für den apostolischen Dienst, den ich zu meiner Freude inmitten einiger Kirchen Asiens und Ozeaniens erfüllen durfte: in Korea, Papua-Neuguinea, auf den Salomoninseln und schließlich in Thailand. 2. Zwei Jahrhunderte des Glaubens und des Lebens der Kirche in Korea, das ist das Ereignis, das uns in Verehrung und Bewunderung vor den 93 AUDIENZEN UND ANGELUS „großen Taten Gottes“ (vgl. Apg 2,11) niederknien läßt, die sich in jenem alten Volk vollzogen haben, das, zwischen China und Japan lebend, seine Selbständigkeit, seine Sprache, seine Kultur und seine nationale Identität bewahrt hat. Die dortigen Anfänge des christlichen Glaubens vor genau zweihundert Jahren regen uns zum Nachdenken an. Als Zeitpunkt dieses Ereignisses wird das Jahr 1784 angesehen, weil damals der erste Koreaner, Yi Sung-hun, Christ wurde und den Grundstein für die erste christliche Gemeinde legte. Er war Laie, ein gebildeter Mann. Der christliche Glaube verbreitete sich in Korea als Frucht einer Reflexion über den althergebrachten Konfuzianismus und nahm durch den Kontakt mit der in China und besonders in Peking bereits bestehenden Kirchen Gestalt an. Die ersten koreanischen Christen stießen jedoch seitens der althergebrachten Religiosität auf Widerstand, was zur Quelle mannigfacher Leiden und Folterungen wurde und viele von ihnen zum Märtyrertod führte. Die Verfolgungen setzten gleich ein und dauerten an verschiedenen Orten und in verschiedener Stärke über hundert Jahre. Besonders blutige Verfolgungen fanden in den Jahren 1801, 1839, 1846 und 1866 statt. Von den schätzungsweise insgesamt zehntausend koreanischen Blutzeugen ist das Martyrium von 103 Personen bekannt und dokumentiert; zu meiner Freude konnte ich sie alle am 6. Mai, dem dritten Sonntag in der Osterzeit, in Seoul in die Schar der Heiligen einreihen. Als erster unter ihnen wird Andreas Kim Tae-gon, der erste koreanische Priester, genannt, dann Paul Chong Ha-sang, danach die anderen, die als „Gefährten“ bezeichnet werden, deren Vor- und Nachnamen jedoch alle bekannt sind. Unter ihnen finden sich Priester und Laien. Der älteste von ihnen zählte 79, der jüngste 13 Jahre. Unter den koreanischen Märtyrern sind zehn französische Missionare (von der „Mission Etrangere de Paris“), zu denen die ersten Bischöfe der Kirche in Korea zählen. Wenn man die Acta martyrum des 19. Jahrhunderts in Korea liest, fühlt man sich ob der starken Ähnlichkeit an das Martyrologium Romanum erinnert. Die „großen Taten Gottes“ durch die Märtyrer wiederholen sich in verschiedenen geschichtlichen Epochen und an verschiedenen Orten der Welt. 3. Im Laufe ihres zweihundertjährigen Bestehens hat sich die Kirche in Korea sehr stark entfaltet, denn sie wuchs auf dem Boden heran, der durch das Blut der Märtyrer so tiefgreifend fruchtbar geworden war. 94 AUDIENZEN UND ANGELUS Gegenwärtig zählt sie ungefähr 1 600 000 Gläubige. Diese Entwicklung setzt sich vor allem in den letzten Jahren fort. Davon zeugen die zahlreichen Bekehrungen und Taufen: ungefähr 100 000 pro Jahr. Davon zeugt auch die große Zahl der Priesterberufe und der männlichen wie vor allem der weiblichen Ordensberufe. Davon zeugt das tiefe katholische Bewußtsein der Laien und ihr eifriger apostolischer Einsatz. Der mehrtägige Aufenthalt in Korea erlaubte mir, das aus nächster Nähe festzustellen. Die Zeit war zu kurz, um alle Diözesen (insgesamt 14) zu besuchen; um so kostbarer blieben für mich die einzelnen Begegnungen: in Kwang-Ju (Taufe und Firmung), in Tac-Gu (Priesterweihe), in Pusan (Begegnung mit der Welt der Arbeit), der Besuch der Leprastation auf der Insel Sorokdo und ganz besonders der Elöhepunkt, der feierüche Jubiläumsgottesdienst mit der Heiligsprechung der koreanischen Märtyrer in der Hauptstadt Seoul. Meinen Brüdern im Bischofsamt, mit Kardinal Kim an der Spitze, sende ich einen herzlichen Friedenskuß. Gemeinsam'mit der ganzen koreanischen Nation erlebe ich die schmerzliche Tatsache der Trennung Nordkoreas von Südkorea. Leider können wir mit den Christen Nordkoreas keinerlei Kontakte aufnehmen. Darum empfehlen wir sie um so mehr dem Gebet der ganzen Kirche. 4. Danken möchte ich auch der Heiligsten Dreifaltigkeit, daß ich durch den Besuch in Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln mitten in die Missionstätigkeit der Kirche versetzt wurde. Das war gleichsam der zweite Teil meiner Pilgerreise, die vom 2. bis 12. Mai gedauert hat. Ich gebe meiner tiefen Freude darüber Ausdruck, daß dieses missionarische Wirken reiche Früchte trägt, wofür auch die bereits bestehenden kirchlichen Strukturen ein Beweis sind: In Neuguinea gibt es 14 Diözesen und vier Metropolitansitze, auf den Salomoninseln zwei Diözesen, die mit dem Metropolitansitz von Honiara verbunden sind. Im Laufe der drei Tage konnte ich mit meinen Brüdern im Bischofsamt und auch mit den Missionaren der einzelnen Diözesen sowie der männlichen und weiblichen Ordensfamilien Zusammentreffen. Ich danke Gott, daß unter den Priestern und Ordensfrauen nach und nach die Kinder jener Völker in Erscheinung treten, die diese mit einer reichen, herrlichen Natur ausgezeichneten Inseln bewohnen. Diese Völker besitzen ihre traditionelle Kultur, besondere Bräuche und Gewohnheiten, einen einzigartigen Sinn für das Schöne und den tiefen Reichtum ursprünglicher Religiosität. In einem solchen Boden hat die Botschaft des Evangeliums bereits tiefe Wurzeln gefaßt, was dem mit- 95 AUDIENZEN UND ANGELUS unter heroischen Einsatz der Missionare sowie der einheimischen Katecheten und der Laienapostel zu verdanken ist. Hier muß auch der ökumenische Charakter der Glaubensverkündigung hervorgehoben werden. So haben zum Beispiel auf den Salomoninseln die anglikanischen und metho-distischen Missionare gute Erfolge erzielt. Besonders hevorzuheben ist ihr Verdienst auf dem Gebiet der Verbreitung der Bibel. Die ökumenische Zusammenarbeit entwickelt sich in jenen Gegenden im Licht der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Besonderes Wohlwollen Wir wollen uns darüber freuen, daß zugleich mit dem Fortschritt der Evangelisierung für die Völker Papua-Neuguineas und der Salomoninseln auch der Augenblick ihrer Unabhängigkeit gekommen ist. Die dortigen Behörden haben dem Besuch des Papstes besonderes Wohlwollen entgegengebracht, wofür ich ihnen meinen herzlichen Dank aussprechen möchte; gleichzeitig danke ich auch dem gesamten Episkopat und drücke ihm meine Verbundenheit aus. 5. Der letzte Abschnitt und zugleich der dritte Teil dieser Pastoraireise war mein eineinhalbtägiger Aufenthalt in Thailand, vor allem in Bangkok. Es war gewissermaßen die Erwiderung des Besuchs, den der König und die Königin während des Pontifikats Johannes’ XXIII. im Vatikan gemacht hatten, und jenes Besuches, den dann der buddhistische Patriarch von Thailand Papst Paul VI. abgestattet hat. Thailand ist in der Tat das Land, wo der Buddhismus, zu dem sich die große Mehrheit der Bewohner (ungefähr 95 Prozent) bekennt, Staatsreügion ist. Gleichzeitig achten die staatlichen Gesetze die Religionsfreiheit der anderen Konfessionen, was auch der katholischen Kirche erlaubt, sich zu entfalten. Der Besuch in Thailand fand im Zeichen einer herzlichen Gastfreundschaft der Hausherren statt. Zahlenmäßig ist diese Kirche eine „kleine Herde“ (Lk 11,32); sie umfaßt ungefähr 0,5 Prozent aller Einwohner. Sie zeigt jedoch eine bemerkenswerte Lebenskraft mit ihrem Einsatz in den zehn Diözesen unter der Leitung der Bischöfe, darunter dem Erzbischof von Bangkok, dem vor kurzem die Kardinalswürde verliehen wurde. Ihm und allen Brüdern im Bischofsamt gilt meine dankbare Erinnerung. Ein Beweis für diese Lebenskraft der Kirche in Thailand war die Eucharistiefeier am ersten Abend und am folgenden Tag. In diesem Rahmen fand auch die Priesterweihe von 23 jungen thailändischen Diakonen statt. Die Kirche entfaltet ihre seelsorgliche Tätigkeit auch mit Hilfe einer Reihe 96 AUDIENZEN UND ANGELUS von Institutionen, darunter die katholischen Schulen und Krankenhäuser, z. B. das Saint-Louis-Krankenhaus in Bangkok. Ein wichtiger Programmpunkt war am letzten Tag in Thailand der Besuch im Flüchtlingslager Phanat Nikhom. Am selben Tag habe ich mich in Ansprachen vor den Vertretern der Regierung, des Diplomatischen Korps und des Episkopats (auch die Bischöfe der Nachbarländer waren anwesend) mit einem dringenden Aufruf an die Weltöffentlichkeit gewandt, daß man endlich das dringende Problem der Flüchtlinge, das nicht nur in Asien, sondern auch in anderen Teilen der Welt größte Aktualität hat, einer Lösung zuführen möge. 6. Ich danke Christus, dem ewigen Hirten, für diese vielgestaltige Erfahrung der Kirche in Asien und Ozeanien. Sie führte mich auf den vorgezeichneten Linien des Zweiten Vatikanischen Konzils, und zwar nicht auf denen der Hauptdokumente (Lumen gentium, Gaudium et spes), sondern auch auf denen spezieller Dokumente wie des Dekrets über die Missionstätigkeit der Kirche (Ad gentes) oder der Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen (Nostra aetate). Besonders bedeutsam bleibt die Begegnung mit dem Buddhismus. Ich bitte die Königin der Apostel und Mutter der Kirche, sie möge erwirken, daß dieser pastorale Dienst des Bischofs von Rom reiche Früchte trage. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit Freude grüße ich euch zur heutigen Audienz. Von Herzen lade ich euch ein, mit mir der göttlichen Vorsehung zu danken für den apostolischen Dienst, den ich als Bischof von Rom durch meine Pastoraireise in verschiedene Länder des Fernen Ostens und Ozeaniens habe tun dürfen. In Korea gedachte ich mit der Ortskirche in Dankbarkeit des Beginns der Christianisierung vor 200 Jahren, der über hundertjährigen Christenverfolgung mit ungefähr zehntausend Märtyrern sowie des gegenwärtigen blühenden christlichen Lebens. Der Höhepunkt meines dortigen Besuches war die Heiligsprechung von 103 dieser heroischen Glaubenszeugen. Diese freudige Jubiläumsfeier der koreanischen Kirche wurde nur überschattet von der schmerzlichen Teilung des Landes. In Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln begegnete ich einer alten einheimischen Kultur mit ihren volkstümlichen Bräuchen und einer ursprünglichen, tiefen Religiosität. Zugleich wurde ich Zeuge einer kraftvollen Missionstätigkeit der Kirche, die bereits reiche Früchte gezeitigt 97 AUDIENZEN UND ANGELUS hat. Man ist bemüht um eine gute ökumenische Zusammenarbeit mit den anglikanischen und methodistischen Missionaren, die ein besonderes Verdienst in der weiten Verbreitung der Heiligen Schrift haben. In Thailand waren neben den Begegnungen mit der Ortskirche von besonderer Bedeutung mein Besuch bei dem buddhistischen Patriarchen und im Flüchtlingslager von Phanat Nikhom. Neben der Staatsreligion des Buddhismus ist die Kirche dort nur eine unscheinbare, aber sehr vitale Minderheit von einem halben Prozent. Beten wir für diese unsere Glaubensbrüder und -Schwestern in jenen fernen Ländern, auf daß Gott meinen Pastoralbesuch für ihre dortige Kirche und die Mission fruchtbar machen möge. Darum bitte ich euch mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Der Weg zum Leben Regina Caeli am 20. Mai 1. Christus sagte zu Thomas: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Joh 14,6). Er spricht diese Worte am Vorabend seiner Passion. Nach der Auferstehung finden sie eine besondere Bestätigung. Die Wege des Menschen scheinen zum Tod hinzuführen, der sich dem Menschen als Ziel stellt. Aber Christus hat mit seiner Auferstehung wieder bestätigt, daß das Ziel des Menschen Gott ist und daß er - Christus - der Weg zum Vater geworden ist. Also: nicht der Weg zum Tod, sondern zum Leben in Gott. Dieser Weg ist in Jesus Christus die Wahrheit der Bestimmung des Menschen: die Wahrheit unserer Existenz schon hier auf Erden. Im - gekreuzigten und auf erstandenen - Jesus Christus ist die Wahrheit das Leben und nicht der Tod. Denn er ist der Weg. Regina Caeli, laetare! O Mutter des Auferstandenen, in deinem unbefleckten Herzen freue sich die Kirche dieses Weges, der Wahrheit und des Lebens, das Christus, dein Sohn, ist. 2. Am kommenden Sonntag begebe ich mich zu einem Pastoralbesuch in die ehrwürdige und alte Stadt Viterbo, die seit Jahrhunderten eng mit der Geschichte der Kirche und des Papsttums verbunden ist. 98 AUDIENZEN UND ANGELUS Mit diesem Besuch will ich mich der Freude der Gläubigen jener Diözese anschließen, die den 750. Geburtstag der hl. Rosa von Viterbo, den 400. Geburtstag der hl. Giacinta Marescotti und zudem noch die Überführung der Reliquien des hl. Crispin von Viterbo - eines Kapuzinerbruders, der die Armut und die Armen liebte und beispielgebend in seinem Dienst für die Notleidenden war, den ich am 20. Juni 1982 heiliggesprochen habe -feiern. Ich werde die Freude haben, mit den Brüdern und Schwestern der verschiedenen kirchlichen Gruppen der Diözese Viterbo zusammenzutreffen wie auch mit denen der anderen Diözesen, die jetzt in der Person des Bischofs vereint sind: Tuscania, Montefiascone, Acquapendente, Bagnoregio. So werde ich Gelegenheit haben, mit ihnen zusammen zu beten und sie im Glauben zu stärken. Ich erbitte euch alle um ein Gedenken im Gebet. Das Hohelied der Liebe Generalaudienz am 23. Mai 1. Während des Heiligen Jahres habe ich die Behandlung des Themas „Die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan“ unterbrochen. Ich möchte dieses Thema nun mit mehreren Überlegungen vor allem zur Lehre von Humanae vitae abschließen, wobei ich einige Betrachtungen über das Hohelied der Liebe und das Buch Tobias vorausschicke. Mir scheint nämlich, daß meine Darlegungen in den kommenden Wochen gleichsam die Krönung dessen sind, was ich bereits ausgeführt habe. Das Thema der ehelichen Liebe, die Mann und Frau vereint, verbindet gewissermaßen diesen Teil der Bibel mit der Gesamtüberlieferung der „großen Analogie“, die durch die Schriften der Propheten in das Neue Testament und insbesondere in den Epheserbrief (vgl. Eph 5,21-23) eingeflossen ist, dessen Erklärung ich zu Beginn des Heiligen Jahres unterbrochen habe. Das Hohelied ist zum Gegenstand zahlloser exegetischer Studien, Kommentare und Hypothesen geworden. In bezug auf seinen anscheinend profanen Inhalt waren die Einstellungen veschieden: Während man einerseits häufig von seiner Lektüre abriet, war es andererseits eine Quelle, aus der die größten mystischen Schriftsteller schöpften, und die Verse des Hohenliedes sind in die Liturgie der Kirche aufgenommen worden. 99 AUDIENZEN UND ANGELUS Wohl nötigt uns die Textanalyse dieses Buches, seinen Inhalt außerhalb des Bereiches der großen prophetischen Analogie anzusiedeln; dennoch kann er unmöglich von der Wirklichkeit des Ursakraments getrennt werden. Man kann ihn nur im Zusammenhang der ersten Kapitel der Genesis als Zeugnis vom Anfang neu lesen, jenem Anfang, auf den Christus in dem entscheidenden Gespräch mit den Pharisäern Bezug genommen hat (vgl. Mt 19,4). Das Hohelied liegt mit Sicherheit auf der Linie jenes Sakraments, in dem durch die Sprache des Leibes das sichtbare Zeichen der Teilhabe von Mann und Frau am Bund der Gnade und Liebe gesetzt wird, den Gott dem Menschen anbietet. Das Hohelied zeigt den Reichtum dieser Sprache, deren ersten Ausdruck wir bereits in Genesis 2,23-25 haben. 2. Bereits die ersten Verse des Hohenliedes führen uns unmittelbar in die Atmosphäre des ganzen Gedichtes ein, in dem Braut und Bräutigam sich in dem von der Strahlkraft der Liebe gezeichneten Kreis zu bewegen scheinen. Die Worte der Brautleute, ihre Bewegungen und Gesten entsprechen den Regungen der Herzen. Nur im Licht dieser Regungen läßt sich die Sprache des Leibes begreifen, in der die Entdeckung des ersten Mannes jener Frau gegenüber sich verwirklicht, die „als eine Hilfe, die ihm entsprach“ (vgl. Gen 2,20 u. 23), geschaffen und auch dem biblischen Text einer seiner „Rippen“ entnommen worden war. („Rippe“ könnte auch Herz bedeuten.) Diese Entdeckung, bereits aufgrund des 2. Kapitels der Genesis analysiert, kleidet sich im Hohenlied in den ganzen Reichtum der Sprache menschlicher Liebe. Was im 2. Kapitel der Genesis (Vers 23-25) nur mit wenigen, einfachen und wesentlichen Worten ausgedrückt worden war, wird hier zu einem ausführlichen Dialog oder vielmehr zu einem Duett entwickelt, in dem sich die Worte des Bräutigams mit denen der Braut verflechten und einander ergänzen. Die ersten Worte des Mannes in der Genesis (2,23) beim Anblick der von Gott geschaffenen Frau drücken Staunen und Bewunderung, ja das Gefühl der Bezauberung aus. Und eine ähnliche Bezauberung, die Staunen und Bewunderung ist, durchströmt noch viel reicher die Verse des Hohenliedes vom Anfang bis zum Ende der Dichtung wie eine ruhige und gleichmäßige Woge. Erfahrung des Schönen 3. Selbst eine allgemeine Analyse des Textes des Hohenliedes läßt uns in jener gegenseitigen Bezauberung die Sprache des Leibes wahrnehmen. 100 AUDIENZEN UND ANGELUS Sowohl Ausgangs- wie Endpunkt dieser Bezauberung - des gegenseitigen Staunens und der Bewunderung - sind nämlich Frausein der Braut und Mannsein des Bräutigams in der unmittelbaren Erfahrung ihrer Sichtbarkeit. Die von beiden gesprochenen Liebesworte konzentrieren sich also auf den Leib, nicht nur, weil er an sich Quelle der gegenseitigen Bezauberung ist, sondern vor allem, weil auf ihm direkt und unmittelbar jene Anziehungskraft für die andere Person, für das andere weibliche oder männliche Ich beruht, die im Herzen Liebe hervorruft. Zudem bewirkt die Liebe eine besondere Erfahrung des Schönen, die sich auf das Sichtbare konzentriert, aber zugleich die ganze Person einbezieht. Die Erfahrung des Schönen bringt das Gefallen aneinander hervor. „Du schönste der Frauen...“ {Hld 1,8), sagt der Bräutigam, und darauf wie ein Echo die Worte der Braut: „Braun bin ich, doch schön, ihr Töchter Jerusalems“ (Hld 1,5). Die Worte des männlichen Entzückens kehren in allen fünf Gesängen des Gedichtes wieder, und gleichsam ein Widerhall darauf sind die Worte der Braut. 4. Es handelt sich um bildliche Ausdrücke, die uns heute überraschen mögen. Viele von ihnen sind dem Leben der Hirten entnommen; andere scheinen auf den königlichen Stand des Bräutigams hinzudeuten. Die Analyse dieser poetischen Sprache sei den Fachleuten überlassen. Schon die Verwendung der Bildsprache zeigt, wie sehr in unserem Fall die Sprache des Leibes in der ganzen sichtbaren Welt Rückhalt und Bestätigung sucht. Es handelt sich ohne Zweifel um eine Sprache, die zugleich mit dem Herzen und mit den Augen des Bräutigams, und zwar im Augenblick besonderer Hinwendung auf das ganze weibliche Ich der Braut, neu gelesen werden muß. Dieses Ich spricht zu ihm durch jeden weiblichen Zug und ruft jenen Seelenzustand hervor, den wir als Bezauberung oder Entzücken bezeichnen können. Dieses weibliche Ich drückt sich gleichsam wortlos aus; doch die wortlos ausgedrückte Sprache des Leibes findet reichen Widerhall in den Worten des Bräutigams, in seiner poetischen Leidenschaft und Bildern erfüllten Sprache, die von der Erfahrung des Schönen, von einer Liebe des Wohlgefallens zeugen. Wenn die Bilder des Hohenliedes für dieses Schöne eine Analogie in den Dingen der sichtbaren Welt suchen (in dieser Welt, die die eigentliche Welt des Bräutigams ist), so scheinen sie gleichzeitig auf die Unzulänglichkeit jedes einzelnen dieser Bilder hinzuweisen. „Alles an dir ist schön, meine Freundin; kein Makel haftet dir an“ (Hld4,7): Mit dieser Wendung beendet der Bräutigam sein Lied, wobei er alle Bilder beiseite läßt, um sich an jene Einzige zu wenden, durch deren 101 AUDIENZEN UND ANGELUS Sprache des Leibes das eigentlich Weibliche und die ganze Persönlichkeit Ausdruck zu finden scheint. Wir wollen die Analyse des Hohenliedes bei der nächsten Generalaudienz fortsetzen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit der heutigen Generalaudienz möchte ich wieder ein Thema aufgreifen, das ich zu Beginn des Heiligen Jahres unterbrochen habe. Es ist das Thema der menschlichen Liebe im Heilsplan Gottes. Ich beginne heute mit einigen Überlegungen über das „Hohelied der Liebe“. Dieses besingt in dichterischer Form die bräutliche Liebe zwichen Mann und Frau in ihrer tiefen, personalen Dimension. Die menschliche Liebe wird zum Gleichnis für den Liebesbund, den Gott dem Menschen in Christus geschenkt hat. In ihren Worten, Bewegungen und Gesten bekunden Braut und Bräutigam ihre Freude, Bewunderung und Zuneigung, die sie als Mann und Frau voreinander empfinden. In vielfältigen Bildern preisen sie die leibliche Schönheit und den Zaubernder von ihr ausgeht. Die Liebe befähigt zu einer besonderen Erfahrung des Schönen, die sich zwar auf das Sichtbare, Körperliche konzentriert, in der sich aber zugleich Mann und Frau in ihrem vollen personalen Menschsein begegnen. Mit diesen einleitenden Überlegungen grüße ich sehr herzlich alle heutigen Audienzteilnehmer aus den Ländern deutscher Sprache; besonders den großen Pilgerzug aus der Diözese Osnabrück unter der Leitung des Herrn Weihbischofs Kettmann; ebenso die Pilgergruppe der „Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln“. Einen brüderlichen Willkommensgruß richte ich auch an die anwesenden evangelischen Pfarrer vom Pfarrsemi-nar der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Allen Pilgern und Besuchern erbitte ich den Geist der göttlichen Liebe, der in unsere Herzen ausgegossen ist und in dem wir Gott unseren Vater nennen dürfen. Zugleich erteile ich euch und allen euren Lieben daheim von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Anmerkungen ■) „Das Hohelied muß daher einfach als das genommen werden, was es tatsächlich ist: ein menschliches Liebeslied.“ Dieser Satz von J. Winandy OSB bringt die Überzeugung einer immer größeren Zahl von Exegeten zum Ausdruck (J. Winandy, Le Cantique des cantiques. Poeme d'amour mue en ecrit de Sagesse, Maredsous 1960, S. 26). 102 AUDIENZEN UND ANGELUS M. Dubarle fügt hinzu: „Die katholische Exegese, die sich bisweilen auf den natürlichen Sinn der biblischen Texte fürAbschnitte von großer dogmatischer Bedeutung berufen hat, sollte im Falle des Hohenliedes davon nicht leichtsinnig abrücken.“ Unter Bezugnahme auf den Satz von G. Gerleman fährt Dubarle fort: „Das Hohelied preist die Liebe des Mannes und der Frau, ohne damit irgendein mythologisches Element zu verbinden, sondern indem sie diese Liebe einfach auf ihrer Ebene und in ihrer Besonderheit betrachtet. Mit eingeschlossen ist dabei - ohne didaktischen Nachdruck - das Äquivalent des jahwistischen Glaubens (denn die Sexualkräfte waren nicht unter den Schutz fremder Gottheiten gestellt und wurden auch nicht Jahwe selbst zugeschrieben, der diesen Bereich zu übersteigen schien). Die Dichtung stand also in stillschweigendem Einklang mit den Grundüberzeugungen des Glaubens Israels. Dieselbe offene, objektive, nicht ausgesprochen religiöse Haltung gegenüber der leiblichen Schönheit und der geschlechtlichen Liebe findet sich beim Jahwisten. Diese verschiedenen Ähnlichkeiten zeigen, daß das kleine Buch in der Gesamtheit der biblischen Bücher nicht so isoliert ist, wie manchmal behauptet wurde“ (A.-M. Dubarle, „Le Cantique des Cantiques dans l’exegese recente“, in: Aux grands carrefours de la Revelation et de l’exegese de 1’Anden Testament, Recherches bibliques VIII, Louvain, 1967, S. 149, 151). 2) Das schließt natürlich nicht die Möglichkeit aus, über eine „vollere Bedeutung“ des Hohenliedes zu sprechen. Vgl. z. B. „Die Liebenden in der Ekstase der Liebe scheinen als einzige handelnde Personen das ganze Buch einzunehmen und zu erfüllen... Deshalb bestreitet Paulus nicht den tatsächlichen und unmittelbaren Sinn der Worte, die sich auf die menschliche Ehe beziehen, wenn er die Worte der Genesis liest: ,Darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden, und die zwei werden ein Fleisch sein1 {Eph 5,31); doch er fügt diesem ersten Sinn einen tieferen hinzu mit einer unmittelbaren Bezugnahme: ,Dies ist ein großes Geheimnis; ich beziehe es auf Christus und die Kirche1 (Eph 5,32)... Manche Leser des Hohenliedes sind leidenschaftlich darauf bedacht, aus seinen Worten unmittelbar eine körperfremde Liebe herauszulesen. Sie haben die Liebenden vergessen oder haben sie in Fiktionen, in intellektuelle Verschlüsselungen versteinert..., haben die feinen allegorischen Entsprechungen in jedem Satz, Wort oder Bild vervielfältigt... Das ist nicht der richtige Weg. Wer nicht an die menschliche Liebe der Eheleute glaubt, wer um Verzeihung bitten muß für den Leib, hat nicht das Recht, sich zu Wort zu melden... Mit der Bestätigung der menschlichen Liebe hingegen läßt sich in ihr die Offenbarung Gottes entdecken“ (L. Alonso-Schökel, „Cantico dei Cantici - Introduzione“, in: La Bibbia, Parola di Dio scritta per noi. Testo ufficiale della CEI, vol. Turin 1980, S. 425—427). 3) Um die Aufnahme eines Liebesliedes in den biblischen Kanon zu erklären, haben bereits die jüdischen Exegeten der ersten Jahrhunderte n. Chr. im Hohenlied eine Allegorie der Liebe Jahwes zu Israel gesehen oder eine Allegorie der Geschichte des auserwählten Volkes, in dem diese Liebe offenbar wird, und das Mittelalter die Allegorie der göttlichen Weisheit und des Menschen, der sie sucht. Die christliche Exegese dehnte seit den ersten Kirchenvätern diese Allegorie auf Christus und die Kirche aus (vgl. Hippolyth und Origenes) oder auf die Seele des einzelnen Christen (vgl. Gregor von Nyssa) oder auf Maria (vgl. Ambrosius) und auch auf ihre unbefleckte Empfängnis (vgl. Richard von St. Viktor). Der hl. Bernhard hat im Hohenlied einen Dialog des Wortes Gottes mit der Seele gesehen, und das führte zum Begriff der mystischen Hochzeit bei Johannes vom Kreuz. 103 AUDIENZEN UND ANGELUS Die einzige Ausnahme in dieser langen Tradition war im vierten Jahrhundert Theodor von Mopsuestia, der im Hohenlied ein Gedicht sah, das die menschliche Liebe Salomos zur Tochter des Pharao besingt. Luther hingegen bezog die Allegorie auf Salomo und sein Königreich. In den letzten Jahrhunderten sind neue Hypotheken aufgetaucht. So hat man z.B. das Hohelied als ein Drama von der Treue einer Braut zu einem Hirten trotz aller Versuchungen gedeutet oder als eine Sammlung von Gesängen, die bei volkstümlichen oder mythisch-rituellen Hochzeitsfeiern vorgetragen wurden und sich auf den Adonis-Tammuz-Kult beziehen. Schließlich hat man im Hohenlied die Beschreibung eines Traumes sehen wollen, wobei man an die alten Vorstellungen von der Bedeutung der Träume wie auch an die Psychoanalyse erinnerte. Im 20. Jahrhundert kehrte man zu den älteren allegorischen Traditionen zurück (vgl. Bea), indem man im Hohenlied wieder die Geschichte Israels sah (vgl. Jouon, Ricciotti) und einen entwickelten Midrasch (wie es Robert in seinem Kommentar nennt, der eine Summe der Interpretation des Hohenliedes darstellt). Gleichzeitig jedoch hat man begonnen, das Buch in seiner offenkundigen Bedeutung als ein Preislied auf die natürliche menschliche Liebe zu lesen (vgl. Rowley, Young, Laurin). Der erste, der aufzeigt, auf welche Weise sich diese Bedeutung mit dem biblischen Text des 2. Kapitels der Genesis verbindet, war Karl Barth. Dubarle geht von der Voraussetzung aus, daß eine treue und glückliche menschliche Liebe dem Menschen die Merkmale der göttlichen Liebe offenbart, und Van den Oudenrijn sieht im Hohenlied den Antityp jener typischen Bedeutung, die im Epheserbrief 5,23 auftaucht. Murphy, der jede allegorische und metaphorische Deutung ausschließt, hebt hervor, daß die von Gott geschaffene und gesegnete menschliche Liebe sehr wohl Thema eines inspirierten biblischen Buches sein kann. D. Lys stellt fest, daß der Inhalt des Hohenliedes zugleich sexuell und sakral ist. Wenn man vom zweiten Merkmal absieht, gelangt man dahin, das Hohelied als ein rein weltliches, erotisches Werk anzusehen, und wenn man das erste Merkmal leugnet, verfällt man in den Allegorismus. Nur wenn man diese beiden Aspekte zusammennimmt, ist es möglich, das Buch richtig zu lesen. Neben den Werken der obengenannten Autoren und besonders, was einen Entwurf der Geschichte der Exegese des Hohenliedes betrifft, vgl. H. H. Rowley „The interpretation of the Song of Song“, in: The Servant of the Lord and other Essays on the Old Testament, London 1952, S. 191-233; A.-M. Dubarle, Le Cantique des Cantiques dans Vexegese de l’Ancien Testament, Recherches Bibliques VIII, Louvain 1967, S. 139—151; D. Lys, Le plus beau chant de la creation - Commentaire du Cantique des Cantiques, Lectio divina 51, Paris 1968, S. 31-35; M. H. Pope, Song of Songs, The Anchor Bible, Garden City N.Y. 1977, S. 113-234. 104 AUDIENZEN UND ANGELUS In der Sprache der Bilder Generalaudienz am 30. Mai 1. Wir führen unsere Analyse des Hohenliedes der Liebe fort, um zu einem besseren und erschöpfenderen Verständnis des sakramentalen Zeichens der Ehe zu gelangen, wie es die Sprache des Leibes zum Ausdruck bringt, die eine einzigartige Sprache der Liebe ist, die aus dem Herzen kommt. An einer Stelle sagt der Bräutigam, indem er eine außerordentliche Werterfahrung zum Ausdruck bringt, die alles beleuchtet, was auf die geliebte Person Bezug hat: „Verzaubert hast du mich, meine Schwester Braut; ja verzaubert mit einem Blick deiner Augen, mit einer Perle deiner Halskette. Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester Braut...“ (Hld 4,9-10). Aus diesen Worten ergibt sich, daß es für die Theologie des Leibes — und in diesem Fall für die Theologie des sakramentalen Zeichens der Ehe -von entscheidender Bedeutung ist zu wissen, wer das weibliche Du für das männliche Ich ist und umgekehrt. Der Bräutigam des Hohenliedes ruft aus: „Alles an dir ist schön, meine Freundin!“ {Hld 4,7) und nennt sie: „meine Schwester Braut“ {Hld 4,9). Er nennt sie nicht bei ihrem eigentlichen Namen, sondern gebraucht Ausdrücke, die mehr aussagen. Unter einem gewissen Gesichtspunkt scheint im Vergleich zur Anrede „Freundin“ das für die Braut gebrauchte „Schwester“ vielsagender und stärker im Hohenlied als ganzem verwurzelt zu sein, das kundtut, wie die Liebe den anderen enthüllt. 2. Das Wort „Freundin“ gibt das an, was stets wesentlich ist für die Liebe, die das zweite Ich neben das eigene Ich stellt. Die Freundschaft - die Liebe der Freundschaft (amor amicitiae) - bedeutet im Hohenlied eine besondere Annäherung, die als innerlich einigende Kraft empfunden und erfahren wird. Die Tatsache, daß bei dieser Annäherung das weibliche Ich sich dem Bräutigam als Schwester enthüllt, - und eben als Schwester Braut ist —, hat eine besondere Bedeutung. Der Ausdruck „Schwester“ spricht von der Einheit im Menschsein und zugleich von der Verschiedenheit und frauüchen Eigenart dieser Schwester nicht nur in bezug auf das Geschlecht, sondern auf die Weise des Personseins, und zwar in ihrem persönlichen Sein wie in ihrer Beziehung zu anderen. Das Wort „Schwester“ scheint in einfacherer Form die Subjektivität des weiblichen Ich in der persönlichen Beziehung zum Mann auszudrücken, also in ihrer öff- 105 AUDIENZEN UND ANGELUS nung gegenüber den anderen, die als Brüder verstanden und wahrgenom-men werden. Die „Schwester“ hilft gewissermaßen dem Mann, sich so zu verstehen und zu begreifen, indem sie für ihn so etwas wie eine Herausforderung in dieser Richtung darstellt. 3. Der Bräutigam des Hohenliedes nimmt die Herausforderung an und sucht nach der gemeinsamen Vergangenheit, als wären er und seine Braut aus dem Kreis derselben Familie hervorgegangen, als wären sie von Kindheit an durch die Erinnerungen an das gemeinsame Elternhaus verbunden. So fühlen sie sich einander nahe wie Bruder und Schwester, die ihr Leben derselben Mutter verdanken. Daraus ergibt sich ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Tatsache, daß sie sich als Bruder und Schwester fühlen, läßt sie die gegenseitige Nähe als Gewißheit leben und offenkundig machen, indem sie darin Stütze finden und nicht das ungerechte Urteil der anderen Menschen zu fürchten brauchen. Die Worte des Bräutigams versuchen, möchte ich sagen, mit Hilfe der Anrede „Schwester“ die Geschichte des Frauseins der geliebten Person wiederzugeben, sie sehen sie noch in der Zeit, als sie Kind war, und umfangen ihr ganzes Ich, Seele und Leib, mit einer selbstlosen Zärtlichkeit. Daraus erwächst jener Friede, von dem die Braut spricht. Es ist der „Friede des Leibes“, der Ähnlichkeit hat mit dem Schlaf. „Stört die Liebe nicht auf, weckt sie nicht, bis es ihr selbst gefällt!“ (Hld 2,7). Es ist vor allem der Friede der Begegnung im Menschsein als Ebenbild Gottes - und der Begegnung durch gegenseitige, selbstlose Hingabe: „Da habe ich in seinen Augen Gefallen gefunden“ (Hld 8,10). 4. In bezug zur vorausgehenden Handlung, die man als geschwisterliches Spiel bezeichnen könnte, taucht in dem Liebesduett des Hohenliedes ein neuer Handlungsfaden auf: sagen wir, ein neuer Inhalt. Wir können ihn untersuchen, indem wir von bestimmten Wendungen ausgehen, denen im Gedicht so etwas wie eine Schlüsselbedeutung zuzukommen scheint. Dieser Handlungsfaden tritt nie ausschließlich hervor, sondern zieht sich durch die ganze Komposition hin und wird nur an einigen Stellen ausdrücklich deutlich. So spricht der Bräutigam: „Ein verschlossener Garten ist meine Schwester Braut, ein verschlossener Garten, ein versiegelter Quell“ (Hld 4,12). Diese Bilder — „verschlossener Garten, versiegelter Quell“ — lassen das Vorhandensein einer anderen Vorstellung vom weiblichen Ich als Herrin ihres Geheimnisses erkennen. Man kann sagen, beider Bilder bringen die personale Würde der Frau zum Ausdruck, die als geistiges Wesen Herrin 106 AUDIENZEN UND ANGELUS über sich ist und nicht nur über die metaphysische Tiefe, sondern auch über die Seinswahrheit und Authentizität der Selbsthingabe entscheiden kann, die jene Vereinigung anstrebt, von der das Buch Genesis spricht. Die Sprache der Bilder - die poetische Sprache - scheint gerade für diesen Bereich besonders geeignet und zutreffend zu sein. Die „Schwester Braut“ ist für den Mann Herrin ihres Geheimnisses wie ein „verschlossener Garten“ und ein „versiegelter Quell“. Die wieder in ihrer Wahrhaftigkeit verstandene Sprache des Leibes geht Hand in Hand mit der Entdek-kung der inneren Unverletzlichkeit der Person. Gleichzeitig bringt gerade diese Entdeckung die wahre Tiefe der gegenseitigen Zugehörigkeit der Bautleute zum Ausdruck, die sich bewußt sind, daß sie einander gehören, daß sie füreinander bestimmt sind: „Der Geliebte ist mein, und ich bin sein“ {Hld 2,16; vgl. 6,3). 5. Dieses Bewußtsein, einander zu gehören, spricht vor allem aus dem Munde der Braut. Sie antwortet mit solchen Worten gewissermaßen auf die Worte des Bräutigams, in denen er sie als Herrin ihres Geheimnisses anerkannt hat. Wenn die Braut sagt: „Der Geliebte ist mein“, will sie damit zugleich sagen: Er ist es, dem ich mich anvertraue, und darum sagt sie: „und ich bin sein“ (Hld 2,16). Die Possessivpronomina mein und meine bestätigen hier die ganze Tiefe jenes Vertrauens, das der inneren Wahrheit der Person entspricht. Es entspricht darüber hinaus der bräutlichen Bedeutung des Frauseins in Beziehung zum männlichen Ich, das heißt zur Sprache des Leibes, die wieder in der Wahrheit der persönlichen Würde verstanden wird. Diese Wahrheit wird vom Bräutigam in den Bildern vom „verschlossenen Garten“ und „versiegelten Quell“ ausgesprochen. Die Braut antwortet ihm mit den Worten der Hingabe, der vertrauensvollen Hingabe ihrer selbst. Als Herrin ihrer Entscheidung sagt sie: „Ich gehöre meinem Geliebten“ (Hld 6,3). Das Hohelied der Liebe enthüllt sehr fein die innere Wahrheit dieser Antwort. Die Freiheit der Hingabe ist die Antwort auf das tiefe Bewußtsein der Hingabe, das sich in den Worten des Bräutigams ausdrückt. Durch solche Wahrheit und Freiheit wird die Liebe aufgebaut, von der man sagen darf, daß sie echte Liebe ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich willkommen heiße ich euch alle zu dieser gemeinschaftlichen Begegnung mit dem Nachfolger Petri und mit Gläubigen aus aller Welt. Unsere wöchentlichen Überlegungen gelten zur Zeit dem Geheimnis der 107 AUDIENZEN UND ANGELUS bräutlichen Liebe zwischen Mann und Frau, wie sie im Hohenlied der Liebe dichterisch besungen und gepriesen wird. Der Bräutigam des Hohenliedes nennt seine Braut nicht bei ihrem Namen, sondern „meine Freundin“ und „meine Schwester“. Er deutet damit auf die tiefe Weise hin, wie sie sich in ihrer Liebe gegenseitig erkennen. Freundschaft besagt eine tiefempfundene Nähe, die mich mit dem anderen innerlich verbindet. Die Bezeichnung „Schwester“ unterstreicht dazu noch die naturgegebene Einheit im selben Menschsein und zugleich ihre körperlich-personale Verschiedenheit als Mann und Frau. Braut und Bräutigam fühlen sich gegenseitig verbunden wie Bruder und Schwester, die ihr Leben derselben Mutter verdanken. In dieser engen Zuordnung zueinander gründen ihre gegenseitige Zuneigung und der tiefe Friede in ihrer liebenden Begegnung. Im weiteren nennt der Bräutigam des Hohenliedes seine Braut einen „verschlossenen Garten“, einen „versiegelten Quell“. Beide Bilder betonen die personale Würde der Frau, ihre innere Unantastbarkeit als Person, die über ihr Geheimnis selbst verfügt. Auf diese Anerkennung von seiten des Bräutigams antwortet die Braut mit vertrauensvoller Hingabe, mit dem freien Geschenk ihrer selbst: „Der Geliebte ist mein, und ich bin sein.“ Vertiefen wir uns an Hand dieses Bibeltextes in das Geheimnis der bräutlichen Liebe, das uns helfen kann, die Liebe Gottes zu uns Menschen tiefer zu verstehen; denn Gott ist Liebe. Herzlich grüße ich mit dieser kurzen Betrachtung alle anwesenden Gruppen und Pilger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz; darunter namentlich die Pilgergruppe vom Auslandssekretariat in Bonn. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an die Mitglieder der Internationalen Paneuropa-Union und der Ludwig-Frank-Stiftung. Gern ermutige ich Sie in Ihren gemeinsamen Bemühungen mit all denen, die sich für eine geistige Erneuerung Europas aus den christlichen Wurzeln der abendländischen Kultur einsetzen. Möge die Besinnung auf das gemeinsame christliche Erbe die Völker des gesamten europäischen Kontinents zu ihrer ursprünglichen Einheit zurückführen, damit sie ihre spezifische Aufgabe in der Welt von heute wirksam zu erfüllen vermögen. Von Herzen erteile ich Ihnen und allen anwesenden deutschsprachigen Pilgern meinen besonderen Apostolischen Segen. 108 AUDIENZEN UND ANGELUS Vorbereitung auf Pfingsten Regina Caeli am 3. Juni Am vierzigsten Tag nach seiner Auferstehung wurde Jesus Christus „in den Himmel auf genommen“. „Dann kehrten die Apostel vom ölberg... nach Jerusalem zurück. Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben“ (Apg 1,12-13). Die Apostelgeschichte zählt an dieser Stelle die Zwölf namentlich auf und fügt hinzu: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Indem sie nach der Himmelfahrt des Herrn im Gebet verharren, bereiten sich die Apostel auf das Kommen des Heiligen Geistes vor. Diese Vorbereitung währte neun Tage, bis Pfingsten. Es ist gewissermaßen die erste und zugleich älteste Novene, von Christus selbst empfohlen. Die Kirche wiederholt diese Novene jedes Jahr in der Zeit zwischen Christi Himmelfahrt und Pfingsten. Es ist notwendig, daß wir in dieser Zeit in den Abendmahlssaal zurückkehren und zusammen mit den Aposteln im Gebet verharren. In dieser Novene macht die Kirche jedes Jahr aufs neue das Geheimnis ihrer Geburt, ihres Offenbarwerdens vor der Welt deutlich. Ich hege das innige Vertrauen, daß Maria, die Mutter Jesu, die bei den Aposteln im Abendmahlssaal zugegen war, auch bei der ganzen Kirche im Gebet anwesend ist. Maria, Mutter der Kirche: Schauen wir auf das Mosaik, das eine Wand des Apostolischen Palastes schmückt; schließen wir uns ihr an in der Liebe zu Christus und zur Kirche und grüßen sie mit dem österlichen Gruß: Regina Caeli, laetare... Heute begehen wir den 18. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, dessen Thema dieses Jahr lautet: „Die sozialen Kommunikationsmittel als Mittel der Begegnung zwischen Glaube und Kultur.“ Wie ich in meiner an die ganze Kirche gerichteten Botschaft unterstrichen habe, sind Glaube und Kultur berufen, auf dem Gebiet der Kommunikationsmittel einen bevorzugten Ort der Begegnung und der Zusammenarbeit zu finden; auf diese Weise können sich die modernen Massenmedien tatsächlich als großartige Instrumente für die Verbreitung des Evangeliums erweisen. 109 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich fordere alle auf, über dieses Thema nachzudenken, es zum Gegenstand des Studiums und konkreter Initiativen zu machen und vor allem dafür zu beten, daß „die Welt der sozialen Kommunikation mit den Medienschaffenden und der Schar der Leser, Hörer und Zuschauer ihre Funktion getreu im Dienst der Wahrheit, der Freiheit und der Förderung des ganzen Menschen an allen Menschen ausübe“ (Botschaft zum 18. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel, Nr. 1, in: O.R.dt. vom 1. 6. 84, S. 1). Die Agape führt den Eros zur Vollkommenheit Generalaudienz am 6. Juni In den Abschnitt aus der Apostelgeschichte, der soeben verlesen wurde, haben wir den Bericht über das grundlegende Ereignis im Leben der Kirche gehört, das Pfingsten bedeutet. Die Herabkunft des Heiligen Geistes auf Maria und die Apostel im Abendmahlssaal war die öffentliche Geburtsstunde der Kirche und ihres Auftretens vor der Welt. Zur Vorbereitung auf diesen entscheidenden Moment, den wir am kommenden Sonntag wieder erleben, bitten wir den göttlichen Geist, daß er die Herzen der Gläubigen bereite, voll Freude eine neue Ausspendung seiner Gaben anzunehmen. Durchdrungen vom Feuer seiner Liebe, werden sie befähigt, mutige Zeugen des Evangeliums zu sein, indem sie auch unserer Generation die Botschaft Christi, des Erlösers, bringen. Fahren wir nun in dem Thema der Mittwochsaudienzen fort. 1. Auch heute setzen wir unsere Überlegungen zum Hohenlied fort, um das sakramentale Zeichen der Ehe besser zu verstehen. Die Wahrheit der Liebe, wie sie vom Hohenlied verkündet wird, läßt sich nicht von der Sprache des Leibes trennen. Die Wahrheit der Liebe bewirkt, daß diese Sprache des Leibes in der Wahrheit neu verstanden wird. Das ist auch die Wahrheit der zunehmenden gegenseitigen Annäherung der Brautleute, die durch die Liebe wächst: und Nähe bedeutet zugleich Vertrautwerden mit dem Geheimnis der Person, ohne es zu verletzen (vgl. Hld 1,13-14.16). Die Wahrheit der wachsenden Vertrautheit der Brautleute durch die Liebe entfaltet sich in der subjektiven Dimension des Herzens, der Zuneigung und des Gefühls, die den anderen im eigenen Innern als 110 AUDIENZEN UND ANGELUS Geschenk entdecken und ihn dort gewissermaßen „verkosten“ läßt (vgl. Hld 2,3-6). Durch diese Nähe erlebt der Bräutigam tiefer die Erfahrung jenes Geschenkes, die sich von seiten des weiblichen Ich mit dem bräutlichen Ausdruck und der bräutlichen Bedeutung des Leibes verbindet. Die Worte des Mannes (vgl. Hld 7,1-8) enthalten nicht nur eine poetische Beschreibung der Geliebten, ihrer weiblichen Schönheit, in der sich die Sinne ergehen, sondern sie sprechen vom Geschenk und von der Hingabe der Person. Die Braut weiß, daß der Bräutigam nach ihr „verlangt“, und sie geht ihm mit der Bereitschaft entgegen, sich an ihn zu verschenken (vgl. Hld 7,9-10.11-13), weil die Liebe, die beide verbindet, zugleich geistiger und sinnlicher Natur ist. Und aufgrund dieser Liebe vollzieht sich in Wahrheit das neue Verständnis der Bedeutung des Leibes, denn Mann und Frau müssen gemeinsam jenes Zeichen des gegenseitigen Sich-Schenkens darstellen, das ihrem ganzen Leben sein Siegel aufprägt. 2. Im Hohenlied der Liebe wird die Sprache des Leibes einbezogen in die einzigartige Entfaltung der gegenseitigen Anziehungskraft, die Mann und Frau aufeinander ausüben und die in den häufigen Kehrreimen Ausdruck findet, welche von sehnsuchtsvollem Suchen, von zärtlicher Sorge (vgl. Hld 2,7) und dem Wiederfinden der Brautleute sprechen (vgl. Hld 5,2). Das bringt ihnen Freude und Ruhe und scheint sie zu einem dauernden Suchen anzuhalten. Man hat den Eindruck, daß sie, während sie einander begegnen und sich finden, ihre Nähe erleben und unaufhörüch weiter nach etwas streben: Sie möchten dem Ruf von etwas nachgeben, das den Inhalt des Augenblicks und die Grenzen des Eros übersteigt, wie sie in den Worten der Sprache des Leibes zu lesen sind (vgl. Hld 1,7-8; 2,17). Dieses Suchen hat seine innere Dimension: „Das Herz wacht“ sogar im Schlaf. Diese aus der Liebe geborene Sehnsucht, die in der Sprache des Leibes gegründet, ist ein Suchen nach dem umfassend Schönen, nach der Reinheit, die frei von jedem Makel ist: Es ist ein Suchen nach jener Vollkommenheit, die, sozusagen, die Synthese der menschlichen Schönheit, der Schönheit der Seele und des Leibes, umschließt. Im Hohenlied zeigt der menschliche Eros das Antlitz einer Liebe, die immer auf der Suche ist und fast nie befriedigt wird. Der Widerhall dieser Unruhe durchzieht die Strophen des Gedichtes: „Ich öffnete meinem Geliebten: Doch der Geliebte war fort, verschwunden. Mir stockte der Atem: Er war weg. Ich suchte ihn, ich fand ihn nicht. Ich rief ihn, er antwortete nicht“ {Hld 5,6). 111 AUDIENZEN UND ANGELUS „Ich beschwöre euch, Jerusalems Töchter, wenn ihr meinen Geliebten findet, sagt ihm, ich bin krank vor Liebe!“ (Hld 5,8). 3. Einige Strophen des Hohenliedes stellen also den Eros als jene Form menschlicher Liebe vor, in der die Kräfte des Verlangens wirksam sind. In ihnen wurzelt das Bewußtsein bzw. die subjektive Gewißheit, daß Braut und Bräutigam in Treue und Ausschließlichkeit einander gehören. Zugleich jedoch zwingen uns viele andere Strophen des Gedichts, über die Ursache des Suchens und der Unruhe nachzudenken, die das Bewußtsein, einander zu gehören, begleiten. Gehört auch diese Unruhe zum Wesen des Eros? Wäre es so, würde diese Unruhe auch auf die Notwendigkeit, über sich selbst hinauszuschreiten, hinweisen. Die Wahrheit der Liebe drückt sich im Bewußtsein der gegenseitigen Zugehörigkeit aus, die Frucht der Sehnsucht und der gegenseitigen Suche ist, und in der Notwendigkeit von Sehnsucht und Suche, dem Ergebnis der gegenseitigen Zugehörigkeit. In dieser inneren Notwendigkeit, in dieser Dynamik der Liebe zeigt sich indirekt die praktische Unmöglichkeit, daß ein Mensch sich den anderen aneignet und ihn in Besitz nehmen kann. Die Person übersteigt alle Maße der Aneignung und des Beherrschtseins, des Besitzes und der Befriedigung, die der Sprache des Leibes entspringen. Wenn Braut und Bräutigam diese Sprache in der vollen Wahrheit der Person und der Liebe neu verstehen, gelangen sie zur immer tieferen Überzeugung, daß die Fülle ihrer Zugehörigkeit jenes gegenseitige Sich-Schenken darstellt, in dem sich die Liebe als „stark wie der Tod“ offenbart, das heißt, bis an die letzten Grenzen der Sprache des Leibes reicht, um sie zu übersteigen. Die Wahrheit der inneren Liebe und die Wahrheit des Sich-Schenkens rufen gewissermaßen Braut und Bräutigam - durch die Ausdrucksmittel der gegenseitigen Zugehörigkeit und sogar durch Loslösung von jenen Mitteln — ständig dazu auf, das zu erreichen, was den Kern der gegenseitigen Hingabe der Person darstellt. 4. Wenn wir den Spuren der Worte folgen, die von den Strophen des Hohenliedes vorgezeichnet sind, scheinen wir uns der Dimension zu nähern, in der der Eros noch durch eine andere Wahrheit der Liebe zur Fülle gelangt. Jahrhunderte später verkündet Paulus von Tarsus im Licht des Todes und der Auferstehung Christi diese Wahrheit mit den Worten des ersten Korintherbriefes: 112 AUDIENZEN UND ANGELUS In zwei Perspektiven „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, läßt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,4-8). Wird die Wahrheit über die Liebe, wie sie in den Strophen des Hohenliedes zum Ausdruck kommt, durch diese Paulusworte bestätigt? Im Hohenlied lesen wir z. B. von der Liebe, deren „Leidenschaft hart ist wie die Unterwelt“ (Hld 8,6), und im Paulusbrief lesen wir, daß „die Liebe sich nicht ereifert“. In welcher Beziehung stehen diese beiden Äußerungen über die Liebe zueinander? In welcher Beziehung steht die Liebe, die nach dem Hohenlied „stark ist wie der Tod“, zu der Liebe, die nach dem Paulusbrief „niemals aufhört“? Wir wollen diese Fragen nicht erweitern und keine vergleichende Analyse anstellen. Es scheint jedoch, daß die Liebe sich uns hier in zwei Perspektiven erschließt: so als würde dort, wo der menschliche Eros seine Grenzen hat, durch die Worte des Paulus ein anderer Horizont der Liebe geöffnet, wo eine andere Sprache gilt; einer Liebe, die einer anderen Dimension der Person zu entspringen scheint und zu einer anderen Gemeinschaft aufruft und einlädt. Diese Liebe „Agape“ genannt; die Agape führt den Eros zur Vollkommenheit, indem sie ihn läutert. Damit haben wir diese kurzen Betrachtungen über das Hohelied der Liebe abgeschlossen, die das Thema von der Sprache des Leibes weiter vertiefen sollten. Hier hat das Hohelied eine ganz einmalige Bedeutung. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wir setzen heute unsere Überlegungen zum Hohenlied der Liebe fort, um das sakramentale Zeichen der Ehe besser zu verstehen. In der wachsenden Vertrautheit zwischen Braut und Bräutigam wächst auch ihre gegenseitige Erkenntnis. Über die geistig-körperliche Zuneigung hinaus begegnen sie beim andern vor allem dem Geheimnis der Person, die frei über sich verfügt und sich zugleich in Liebe an den anderen zu verschenken vermag. Die gegenseitige Anziehungskraft, die Mann und Frau aufeinander ausüben, führt sie gleichzeitig über sich hinaus. Selbst in ihrer liebenden Begegnung verspüren sie noch die Sehnsucht nach etwas anderem, Größerem, das die Grenzen des Eros übersteigt: nach dem absolut Schönen und Vollkommenen. 113 AUDIENZEN UND ANGELUS Der menschliche Eros drängt von selbst danach, sich zu übersteigen und in etwas Umfassenderes zu integrieren, und zwar in jene höhere Liebe, die der Apostel Paulus im 13. Kapitel des 1. Korintherbriefes besingt: in jene Liebe, die keine Eifersucht kennt, die nicht das Ihre sucht, sich mit der Wahrheit freut und die niemals aufhört. Diese Liebe, die den menschlichen Eros läutert und vervollkommnet, nennen wir „Agape“. Herzlich grüße ich mit diesen kurzen Erwägungen alle anwesenden Pilger deutscher Sprache. Zum bevorstehenden Pfingstfest erbitte ich euch die reichen Gaben des Heiligen Geistes, der der Geist der göttlichen Liebe ist. Zugleich empfehle ich meine kommende Pastoraireise in die Schweiz auch besonders eurem treuen Gebet. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat meinen Apostolischen Segen. Appell für den Frieden im Persischen Golf im Verlauf der Generalaudienz am 6. Juni Ich lade euch ein, dafür zu beten, daß sich eine Friedensperspektive für den Krieg im Persischen Golf öffne. Die einlaufenden Nachrichten werden immer besorgniserregender und berichten von wahllosen Bombardierungen der Städte und von Angriffen auf durchfahrende Schiffe, die zahlreiche Menschenleben kosten. Gott möge die Herzen derer rühren, die in diesen schon zu lange währenden Konflikt verwickelt sind, und sie dazu veranlassen, eine Lösung der Streitpunkte zu finden, die sie auf dem Weg der Friedensverhandlungen noch trennen. „Sende den Geist, die Erde zu erneuern!“ Regina Caeli am Pfingstsonntag, 10. Juni 1. „Sende deinen Geist, o Herr, die Erde zu erneuern.“ Am Pfingstfest betet die Kirche für die ganze Schöpfung: „Herr, wie zahlreich sind deine Werke! Mit Weisheit hast du sie alle gemacht, die Erde ist voll von deinen Geschöpfen“ (Ps 104, 24). Unter diesen Geschöpfen der Erde befindet sich der Mensch, geschaffen als Bild und Gleichnis des Schöpfers. 114 AUDIENZEN UND ANGELUS Der ganzen Schöpfung ist das Zeichen des Schöpf ergeistes auf geprägt: Allmacht und Liebe des Ewigen. Beim Menschen ist dieses Zeichen von besonderer Art: Er ist als einziger in der sichtbaren Welt als Bild und Gleichnis des unsichtbaren Gottes geschaffen. Am Pfingstfest gedenkt die Kirche des siebenten Schöpfungstages, an dem der Schöpfer sah, daß alles, was er geschaffen hatte, gut war und, zusammen mit dem Menschen, „sehr gut war“ (Gen 1,24-31). 2. Doch die Schöpfung ist der Zerstörung und dem Tod unterworfen. Ja, der Mensch hat seiner Geschichte von Anfang an die tragische Realität der Sünde eingeschrieben. Vielleicht sieht unsere Generation jetzt mehr denn je, wie der Mensch und die Erde, die Heimat des Menschen, bedroht sind. Die Kirche erinnert zu Pfingsten an den Tod, der den Menschen und die anderen Geschöpfe der Erde „wieder zu Staub werden“ läßt, und ruft deshalb mit derselben Glaubensgewißheit: „Sende deinen Geist, o Herr, die Erde zu erneuern.“ Je größer die Bedrohung des Menschen und der Welt ist, um so eindringlicher wird der Ruf der Kirche. 3. So betet die Kirche durch das Herz der Unbefleckten Jungfrau, der Mutter des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Der Heilige Geist ist auf sie herabgestiegen: auf sie vor allen anderen. Bei ihr hat „die Erneuerung der Erde“ begonnen. Sie trägt in sich den Beginn einer besseren Welt — initium mundi melioris. An sie richten wir am Pfingsttag unseren österlichen Gruß. Sie, Maria, verharrt mit uns im Gebet, sie verharrt im Gebet mit der ganzen Kirche. In diesen Tagen häufen sich die Nachrichten von immer schwerwiegenderen Ereignissen im indischen Staat Punjab. Tragische Vorfälle, die bisher die traurige Bilanz von einigen hundert Opfern zu verzeichnen haben und die leider noch kein Ende zu finden scheinen. Es ist nicht meine Absicht, mich mit den delikaten und komplizierten Ursachen zu befassen, die zu dieser Krisensituation geführt haben in einem großen Land, das Schmelztiegel von Rassen und antiken Kulturen ist, die großenteils von einer ausgeprägten Religiosität gekennzeichnet sind. Ganz besonders erschüttert die Tatsache, daß der Ort, wo so viele Personen tragisch ums Leben gekommen sind, ein Tempel war, wo sich die Menschen zum Gebet zu versammeln pflegen. 115 AUDIENZEN UND ANGELUS Ein Gefühl menschlicher Anteilnahme für alle Opfer steigt spontan in uns empor, begleitet von dem Gebet, daß durch gegenseitige Einsicht der Weg zum Ausgleich des gegenwärtigen Konflikts gefunden werden könne. Nach dem Gebet des Regina Caeli richtete der Papst Grußworte an einige Pilgergruppen und sagte u. a.: Wie bekannt, werde ich mich, so Gott will, am kommenden Dienstag zu einem Pastoralbesuch in die Schweiz begeben, der auch eine ökumenische Dimension haben wird. Ich lade alle ein, dafür zu beten, daß der Herr durch die Fürsprache der seligen Jungfrau, die ich insbesondere im Heiligtum von Einsiedeln verehren werde, meine Begegnungen mit den Brüdern und Schwestern jener edlen Nation mit reichen geistlichen Früchten krönen wolle. Über die Pilgerreise in die Schweiz Generalaudienz am 20. Juni 1. Der Pastoralbesuch in der Schweiz fand in der Woche nach Pfingsten statt und ging am Fest der Heiligsten Dreifaltigkeit zu Ende. Heute möchte ich dem Guten Hirten durch Unsere Liebe Frau von Einsiedeln für diesen Besuch danken, für diese neue Pilgerreise zum Herzen des Volkes Gottes, das inmitten der schönsten Berge Europas, im Nordteil der Alpen, wohnt. Der Besuch war seit langem vorbereitet. Er hätte schon vor drei Jahren erfolgen sollen, doch das Ereignis vom 13. Mai 1981 hatte das verhindert. Die göttliche Vorsehung hat die Umstände sich so entwik-keln lassen, daß dieser Besuch jetzt durchgeführt werden konnte. 2. Ich nenne diesen Besuch eine Pilgerreise, und ich hatte bereits mehrmals Gelegenheit, diesen Begriff näher zu erläutern. Was die Schweiz betrifft, so ist der besondere Bezugspunkt dieser Pilgerreise der hl. Nikolaus von Flüe, Bruder Klaus, wovon ich mich am 14. Juni überzeugen konnte. Denn an diesem Tag fand der Besuch und die heilige Messe in Flüeli statt. Wir haben uns in dem bis heute erhaltenen Haus dieses Heiligen, der die Schweiz in besonderer Weise symbolisiert, gemeinsam auf die Messe 116 AUDIENZEN UND ANGELUS vorbereitet. Gott hat ihn genau in der Zeit berufen, als sich das herausbildete, was die Schweiz in der heutigen Bedeutung des Wortes darstelt. Der Zusammenschluß der drei Urkantone - Uri, Schwyz (daher der Name Schweiz) und Unterwalden - war der Anfang der ganzen Schweizerischen Eidgenossenschaft, die heute aus 26 Kantonen gebildet wird, die die Schweizer zu einem einzigen Volk vereinen, unabhängig davon, daß sie vier verschiedene Sprachen sprechen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch. 3. Die Berufung des Nikolaus von Flüe ist wunderbar. In ihr hat sich in glänzender, übermenschlicher und geradezu bewundernswürdiger Weise jener evangelische Radikalismus gezeigt, der dazu aufruft, alles aufzugeben. „Seht, das ist Nikolaus von Flüe, euer Landsmann“, sagte ich in meiner Homilie am 14. Juni in Flüeli, dem Geburtsort des Heiligen. „Vor 517 Jahren hat er um seiner Berufung willen seine Frau, seine Kinder, sein Haus, seine Äcker verlassen: Er hat die Worte des Evangeliums wörtlich genommen! In den Schweizer Kantonen hat sich sein Name eingeprägt: Er ist ein echter Zeuge Christi! Ein Mann, der das Evangelium bis zum letzten Wort verwirklicht hat.“ Nikolaus war Ehemann und Vater einer großen Familie mit zehn Kindern. Durch harte Arbeit auf einem Bauernhof sorgte er zusammen mit seiner Frau Dorothea für den Unterhalt der Familie. Der Entschluß, alles aufzugeben, war nicht leicht. Er erbat auch die Zustimmung seiner Frau, die - wie man sagen darf - diese Entscheidung mit dem gleichen Heroismus wie Nikolaus getroffen und die ganze Last der Erhaltung der Familie und des Hofes auf ihre Schultern genommen hat. Nicht weit vom Familienhaus in Ranft befindet sich die Einsiedelei des hl. Nikolaus. Bruder Klaus verbrachte hier 20 Jahre in strengster Buße und völliger Enthaltsamkeit, wobei er - 20 Jahre lang! - keine Speise zu sich nahm. 4. Die Gestalt des hl. Nikolaus von Flüe stellt ein außerordentliches Aufblühen des Christentums dar, das seit den Zeiten der Römer nach und nach in den Herzen der Generationen Fuß gefaßt hat. Man braucht sich nur daran zu erinnern, daß die Diözese Sitten auf das vierte Jahrhundert zurückgeht, also kurz nach der Zeit, als im Römischen Reich die blutigen Verfolgungen gegen die Christen gewütet hatten; die Zeit, in der der hl. Mauritius und seine Thebaische Legion ihr Leben für Christus hingegeben hatten. Und die Abtei Saint-Maurice erinnert uns heute noch an dieses wunderbare Bekenntnis des Glaubens im blutigen Martyrium. 117 AUDIENZEN UND ANGELUS Durch die nachfolgenden Generationen und Jahrhunderte schlug das Evangelium Wurzeln, wie unter anderem die reiche Entfaltung vor allem des benediktinischen Mönchslebens bezeugt. Unter den Benediktinerabteien nimmt Einsiedeln eine besondere Stellung ein. Es versammelt seit Jahrhunderten Pilger aus der ganzen Schweiz um die Mutter des Gottessohnes, die hier, auf Schweizer Boden, ein besonderes Heiligtum gefunden hat. Mein Aufenthalt in Einsiedeln vom Abend des 14. bis zum Morgen des 16. Juni war von einer wunderbaren Eucharistiefeier und von zahlreichen wichtigen Begegnungen gekennzeichnet: mit den Bischöfen, den Priestern, den Vertretern des Laienapostolats, den Vertretern der Massenmedien, der Jugend, den Kranken. Unserer Lieben Frau von Einsiedeln habe ich aufs neue die ganze Kirche und insbesondere die Brüder und Schwestern, die in der Schweiz leben, geweiht. 5. Bruder Klaus, der Einsiedler von Ranft, spielte eine wichtige, ja geradezu entscheidende Rolle im Leben der Schweizer Gesellschaft des 15. Jahrhunderts. Er wurde zu einem glühenden Befürworter der Versöhnung und des Friedens unter seinen Landsleuten. Vielleicht hat auch hier die Tatsache ihren Ursprung, daß die Schweiz zum Land des inneren Friedens geworden ist und keine Kriegsangriffe von außen erlitten hat. Aus der Neutralität der Schweiz als Land erklärt sich gewiß auch der Umstand, daß in unserer Zeit zahlreiche internationale Organisationen hier ihren Sitz gesucht haben und suchen. Das verhältnismäßig kleine Land ist eine Förderation von Kantonen, von denen jeder seine eigene Regierung besitzt. Die Bundesregierung garantiert die Einheit und Geschlossenheit des Ganzen. Ich möchte heute den staatlichen Autoritäten des Bundes, der Kantone und der Gemeinden für ihre wohlwollende Haltung gegenüber dem Papstbesuch meine besondere Dankbarkeit bekunden. Ich habe dieses Wohlwollen auf jeder Etappe meiner Reise erfahren, sowohl dort, wo die Mehrheit der Bevölkerung katholisch ist, als auch dort, wo sie prostestantisch ist. Gnade der Einheit im Heiligen Geist In Lohn konnte ich ein freundliches Gespräch mit dem Präsidenten und allen Bundesräten führen, wobei ich an die anfängliche Geschichte der Schweiz, an ihr Festhalten an der Freiheit, an der Toleranz, an der Neutralität, am Frieden für die Nation und die Welt und auch an die gemeinsamen Bemühungen der Schweiz und des Hl. Stuhls auf humanitä- 118 AUDIENZEN UND ANGELUS rem Gebiet in den beiden Weltkriegen erinnerte. Mit dieser Begegnung wollte ich dem ganzen Schweizer Volk meine Hochachtung und zugleich denjenigen meine Wertschätzung und meine guten Wünsche zum Ausdruck bringen, die die Verantwortung für das Gemeinwohl tragen. 6. Denn die Pilgerreise zum Volk Gottes auf Schweizer Boden ist der Realität der Spaltung der Kirche begegnet, die sich in der Geschichte dieser Gesellschaft seit der Reformationszeit mit aller Deutlichkeit ausgeprägt hat. 500 Jahre trennen uns von der Geburt Zwinglis, 475 Jahre von der Geburt Calvins: Die Schweiz ist neben Deutschland die zweite Heimat der Reformation geworden. Doch nach dem II. Vatikanischen Konzü, nach dem Ökumenismusdekret, war diese Pilgerreise nicht nur möglich, sondern geradezu notwendig. Sie trug ökumenischen Charakter, und das in zweifacher Dimension. Vor allem: durch die Begegnung mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (zu der auch Vertreter der katholischen Kirche gehören); und dann durch die höchst wichtige Begegnung mit den Vertretern der reformierten Kirchen. Diese beiden Begegnungen fanden in Kehrsatz bei Bern statt und waren dem Gedankenaustausch und dem gemeinsamen Gebet im Geiste der Weisungen des konziliaren Ökumenismus gewidmet. 7. Außer dieser eher familiären und innerschweizerischen Dimension zeichnete sich im Gesamtrahmen des Besuches die weitere, die universale Dimension ab. Ich konnte in Genf mit den Vertretern des Weltrats der Kirchen Zusammentreffen, dessen Ehrenvorsitzender der hochverdiente Pastor Willem Visser’t Hooft und dessen derzeitiger Generalsekretär Pastor Dr. Philip Potter ist. Zum ersten Mal hatte Papst Paul VI. im Jahr 1969 dem Sitz des Weltrates der Kirchen einen Besuch abgestattet. Mein Besuch war also der zweite und sollte die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem Ökumenismus bestätigen. Es bedarf eines ständigen Gedankenaustausches, des theologischen Dialogs; es bedarf des gemeinsamen Zeugnisses vor Christus, und es bedarf vor allem eines unaufhörlichen gemeinsamen Gebets, auf daß uns die Gnade der Einheit im Heiligen Geist, der Einheit im Glauben geschenkt werden kann. Nach den Worten Christi: „Heiliger Vater, ... damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17,11) ... „damit die Welt glaubt“ {Joh 17,21). Ein weiterer Grund zur Freude war, daß ich das Orthodoxe Zentrum in Chambesy besuchen konnte, wo unter der Leitung des heben Metropoliten Damaskinos die Vorbereitungsarbeiten für die geplante panorthodoxe 119 AUDIENZEN UND ANGELUS Synode stattfinden. Diese Gebetsbegegnung hat uns aufs neue die Möglichkeit zum Dialog mit diesen unseren Brüdern gegeben, die uns, was den apostolischen Glaubensschatz betrifft, besonders nahestehen. 8. Vor diesem breiteren Hintergrund erhält der Besuch bei der katholischen Gemeinschaft, die nach der Reformation mit Rom verbunden geblieben ist, ein entsprechendes Gesicht; sie besteht heute aus folgenden Teilkirchen: den Diözesen Sitten, Lausanne-Genf-Freiburg, Chur, Basel, St. Gallen und Lugano, außerdem den beiden Abteien „nullius“: Einsiedeln und Saint-Maurice. Alle Begegnungen, besonders die bei den gemeinsamen Eucharistiefeiern und Wortgottesdiensten, verbunden mit einem Gedankenaustausch (wie z. B. die beiden Treffen mit der Jugend: in Einsiedeln in deutscher und in Freiburg in französischer Sprache), sind mir tief in Erinnerung geblieben. In Freiburg (das für mich stets mit dem Gedenken an den großen Kardinal Journet verbunden ist) wurden auch, zusammen mit den Ordensmännern und Ordensfrauen, die herrlichen Laudes gesungen. Ebenfalls in Freiburg fand der Besuch der Universität und die Begegnung mit den Professoren und Studenten statt und dann, gesondert, mit den Vertretern der theologischen Fakultäten der ganzen Schweiz. Alle Begegnungen fanden in herzlicher Atmosphäre statt, waren gründlich vorbereitet und von Sinn für Realismus und zugleich aufrichtiger Sorge um die Sendung des Evangeliums angesichts einer Gesellschaft durchdrungen, die dem Einfluß der Säkularisierung unterliegt. Schließlich kam es noch zu einem Zusammentreffen — in verschiedenen Sprachen - mit den Menschen, die in der Schweiz Zuflucht und Lebensund Arbeitsbedingungen gefunden haben. Das war in Luzern. 9. Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine neue Etappe des Weges eröffnet, der vor der ganzen Kirche liegt. Die Kirche im Schweizer Land ist in diese Etappe eingetreten im Bewußtsein ihres großen und zugleich schwierigen Erbes, ihrer ökumenischen Situation und all der besonderen Gegebenheiten, die tief in der gesellschaftlichen Tradition der Schweizer verwurzelt sind. Im Verlauf meiner sechstägigen Pilgerreise haben wir miteinander gebetet in der Zuversicht, daß diese Etappe, die wir in der universalen Einheit der katholischen Kirche durchschreiten, uns mit Demut und Beharrlichkeit jener Einheit näherbringen möge, die der Heilige Geist, der Tröster, der der Geist der Wahrheit ist, vom Volk Gottes erwartet. Und zu der er selbst uns hinführt! 120 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In Dankbarkeit gegen Gott gedenke ich heute meines Pastoralbesuches in der Schweiz. Meine Pilgerreise führte mich dieses Mal zum Volke Gottes inmitten der herrlichen Alpen, das in Unserer Lieben Frau von Einsiedeln und in Nikolaus von Flüe seine großen heiligen Patrone hat. Bruder Klaus symbolisiert in einer besonderen Weise die Schweiz. Er steht als Mahner zu Frieden und Eintracht am Anfang jener Entwicklung, durch die sich aus den drei Urkantonen allmählich die Schweizerische Eidgenossenschaft mit ihren heutigen 26 Kantonen geformt hat. In kompromißloser Christusnachfolge verließ er mit Zustimmung seiner Frau Dorothea Haus und Familie, um als treuer Zeuge des Evangeliums in äußerster Entsagung, in Buße und völligem Verzicht auf körperliche Nahrung ausschließlich seiner religiösen Berufung zu leben. Bruder Klaus ist eine außerordentliche Blüte des Christentums, das schon seit dem vierten Jahrhundert mit der Ermordung des hl. Mauritius und seiner Gefährten in dieser Alpenregion Fuß gefaßt hatte. Die beiden Klöster Saint-Maurice und Einsiedeln sind weitere Zeugen dieser langen fruchtbaren christlichen Tradition. Im Marienheiligtum von Einsiedeln habe ich die Kirche und das Volk Gottes in der Schweiz besonders der Gottesmutter geweiht. Hier fanden ferner zahlreiche wichtige Begegnungen statt: mit den Mitgliedern der Schweizer Bischofskonferenz und Priestern, mit Vertretern des Laienapostolats und mit Kranken. Unvergessen sind mir die gemeinschaftlichen Eucharistifei-ern, mein Besuch in der Universität von Fribourg, mein dortiges Gespräch mit den Theologieprofessoren und meine zweifache Begegnung mit den Jugendlichen französischer und deutscher Sprache. Einen bedeutenden ökumenischen Akzent erhielt diese Pastoraireise durch meinen Besuch beim Weltrat der Kirchen in Genf und die beiden Begegnungen mit Vertretern der anderen christlichen Kirchen in Kehrsatz. Den staatlichen Autoritäten aus Bund, Kantonen und Gemeinden, denen ich bei verschiedenen Anlässen begegnen durfte, bekunde ich noch einmal meinen aufrichtigen Dank für die mir in ihrem Land gewährte Gastfreundschaft. Gott segne die Kirche und alle Bürger in der Schweiz und schenke ihnen aus diesen Gnadentagen für eine tiefgreifende geistige und religiöse Erneuerung reiche geistliche Früchte. Gern empfehle ich dieses Anliegen auch dem Gebet der hier anwesenden Pilger deutscher Sprache und erteile euch und allen, die euch nahestehen, von Herzen meinen Apostolischen Segen. 121 AUDIENZEN UND ANGELUS Christus in der Eucharistie Angelus am 24. Juni 1. „Der Herr hat mich schon im Mutterleib berufen; als ich noch im Schoß meiner Mutter war, hat er meinen Namen genannt“ (Jes 49,1). Die Kirche feiert heute das Geburtsfest des hl. Johannes des Täufers. Diese Geburt ist zugleich Berufung. Im Schoß seiner Mutter Elisabeth, der Frau des Zacharias, ist Johannes schon von Gott bei seinem Namen gerufen worden. Er sollte auf dem Weg der göttlichen Offenbarung als der letzte Prophet des Alten Bundes und zugleich als der Vorläufer Jesu Christi erscheinen, in dem sich der neue und ewige Bund Gottes mit der Menschheit vollendet. Am Tag der Beschneidung des Johannes sprach sein Vater Zacharias in seinem Dankhymnus an Gott die Worte: „Und du, Kind, wirst Prophet des Höchsten heißen; denn du wirst dem Herrn vorangehen, und ihm den Weg bereiten“ (Lk 1,76). Die Kirche hat seit frühester Zeit dem hl. Johannes dem Täufer, seiner Berufung und seiner besonderen Sendung außerordentliche Verehrung zuteil werden lassen. In dieser Berufung und Sendung findet die Kirche sich selbst als Erbin des Alten Bundes wieder und fühlt sich zugleich aufgerufen, Zeugnis zu geben von Jesus Christus, dem Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt (vgl. Joh 1,29). „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“ {Mt 11,11). 2. Heute wollen wir auch voll Verehrung und Liebe des Papstes Paul VI. gedenken, der bei seiner Taufe den Namen Giovanni Battista empfangen hatte. Indem wir seine Seele dem ewigen Vater empfehlen, sagen wir Dank für alles, was er auf dem Stuhl Petri in den Jahren 1963 bis 1978 getan hat und so den „Weg des Herrn“ für die Kirche in der modernen Welt bereiten konnte. 3. In Italien und in verschiedenen anderen Ländern wird heute das Fronleichnamsfest, das Fest vom Heiligsten Leib und Blut Christi, gefeiert, und die Gläubigen sind aufgefordert, ihren Glauben an die Realpräsenz zu erneuern und zu leben und Christus in der Eucharistie zu empfangen entsprechend seiner eigenen Einladung: „Wer mein Fleisch 122 AUDIENZEN UND ANGELUS ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,56). Besondere Kundgebungen der eucharistischen Verehrung sind bekanntlich die Eucharistischen Kongresse, insbesondere die Eucharistischen Weltkongresse, die als ein Wegstück angesehen werden müssen, auf dem die Weltkirche eingeladen wird, bestimmte Aspekte des Geheimnisses des eucharistischen Christus zu vertiefen und ihm in der Verbundenheit der Liebe und Einheit die Huldigung öffentlicher und feierlicher Anbetungen zu erweisen. Ich möchte daher schon jetzt die Aufmerksamkeit der ganzen Kirche auf den nächsten Eucharistischen Weltkongreß lenken, der vom 11. bis 18. August kommenden Jahres in Nairobi in Kenia unter dem Thema „Die Eucharistie und die christliche Familie“ stattfinden wird. Dieses große kirchliche Ereignis soll nicht nur Kenia und Afrika, sondern die ganze Kirche einbeziehen und engagieren: jede Diözese, jede Pfarrei, die Ordensgemeinschaften, die katholischen Verbände und Vereine, die Laienbewegungen; alle sollen sich auf gerufen fühlen, geistig daran teilzunehmen durch eine intensive Katechese über die Eucharistie als Geheimnis des lebendigen, in der Kirche und in den Familien wirkenden Christus. Liebe „stark wie der Tod“ Generalaudienz am 27. Juni 1. Als ich in den vergangenen Wochen das Hohelied der Liebe erläuterte, habe ich hervorgehoben, daß das sakramentale Zeichen der Ehe aufgrund der „Sprache des Leibes“ zutage tritt, die Mann und Frau in der ihnen eigenen Wahrheit zum Ausdruck bringen. Unter diesem Aspekt möchte ich heute einige Abschnitte aus dem Buch Tobias analysieren. In dem Bericht über die Vermählung des Tobias mit Sara findet sich außer dem Ausdruck „Schwester“ — der auf eine bräutliche Liebe mit geschwisterlichen Wesenszügen hinweist - auch ein anderer Ausdruck, der auf das erwähnte Hohelied anspielt. Wie ihr euch erinnern werdet, ist im Zwiegespräch der Brautleute die Liebe, die sie einander erklären, „stark wie der Tod“ (Hld 8,6). Im Buch Tobias lesen wir, daß Tobias „Zuneigung zu dem Mädchen faßte und sein Herz ihr gehörte“ (Tob 6,19); damit wird eine Situation vorgestellt, 123 AUDIENZEN UND ANGELUS welche die Wahrheit der Worte über die Liebe, die „stark ist wie der Tod“, bestätigt. 2. Zum besseren Veständnis muß man auf einige Einzelheiten zurückgreifen, deren besonderer Charakter sich auf dem Hintergrund des Buches Tobias erklärt. Wir lesen dort, daß Sara, die Tochter des Raguel, zuvor „mit sieben Männern verheiratet“ gewesen war {Tob 6,14), die aber alle noch vor dem Vollzug der Ehe mit ihr gestorben waren. Das war Werk des bösen Geistes, und auch der junge Tobias hatte Grund, einen ähnlichen Tod zu fürchten. So mußte sich die Liebe des Tobias vom ersten Augenblick an der Probe auf Leben und Tod stellen. Die Worte von der Liebe, „stark wie der Tod“, welche von den Brautleuten des Hohenliedes im Überschwung des Herzens gesprochen wurden, nehmen hier den Charakter einer tatsächlichen Prüfung an. Wenn sich die Liebe als stark wie der Tod erweist, dann vor allem in dem Sinn, daß Tobias und mit ihm Sara dieser Prüfung ohne zu zögern entgegengehen. Doch in dieser Prüfung auf Leben und Tod siegt das Leben, weil sich während der Prüfung in der Hochzeitsnacht die Liebe, durch das Gebet gestützt, stärker als der Tod erweist. 3. Diese Prüfung auf Leben und Tod hat noch eine weitere Bedeutung, die uns die Liebe und die Ehe der Neuvermählten begreifen läßt. Denn während sie als Mann und Frau einswerden, befinden sie sich in einer Situation, in der die Kräfte von Gut und Böse einander bekämpfen und sich gegenseitig messen. Das Zwiegespräch von Braut und Bräutigam im Hohenlied scheint diese Dimension der Wirklichkeit gar nicht wahrzunehmen. Die Brautleute des Hohenliedes leben und äußern sich in einer idealen oder abstrakten Welt, in der anscheinend der Kampf der objektiven Kräfte zwischen Gut und Böse nicht existiert. Sind es vielleicht gerade die Kraft und die innere Wahrheit der Liebe, welche den Kampf im und um den Menschen mildern? Die Fülle dieser Wahrheit und Kraft, welche der Liebe eigen ist, scheint jedoch anderer Art zu sein und eher in die Richtung zu weisen, in die uns die Erfahrung des Buches Tobias führt. Die Wahrheit und die Kraft der Liebe offenbaren sich in der Fähigkeit, sich zwischen die Kräfte von Gut und Böse zu stellen, die im Menschen und um ihn im Widerstreit liegen, weil die Liebe auf den Sieg des Guten vertraut und bereit ist, alles zu tun, damit das Gute siegt. Die Wahrhaftigkeit der Liebe der Brautleute im Buch Tobias wird also nicht von Worten der überschwenglichen Liebe bestätigt, wie im Hohen- 124 AUDIENZEN UND ANGELUS lied, sondern durch die Entscheidungen und Handlungen, welche die ganze Last der menschlichen Existenz im gegenseitigen Einswerden der beiden auf sich nehmen. Die „Sprache des Leibes“ scheint hier die Worte der Entscheidung und Handlungen zu gebrauchen, die der Liebe entspringen, und diese siegt, weil sie betet. 4. Das Gebet des Tobias (Tob 8,5-8), das vor allem ein Lob- und Dankgebet und dann erst ein Bittgebet ist, stellt die „Sprache des Leibes“ auf den Boden der wesentlichen Begriffe der Theologie des Leibes. Es ist eine „objektivierte“ Sprache, die nicht so sehr von der Gefühlskraft der Erfahrung, sondern vielmehr von der Tiefe und dem Ernst der Wahrheit der menschlichen Existenz selbst durchdrungen ist. Die Brautleute bekennen sich zu dieser Wahrheit gemeinsam und einstimmig vor dem Gott des Bundes; dem „Gott unserer Väter“. Man kann sagen, daß unter diesem Aspekt die „Sprache des Leibes“ zur Sprache der Verwalter des Sakraments wird, die wissen, daß im ehelichen Bündnis jenes Geheimnis Ausdruck findet und sich verwirklicht, das seine Quelle in Gott selbst hat. Ihr eheliches Bündnis ist in der Tat das Abbild - und das Ursakrament des Bundes Gottes mit dem Menschen, mit dem Menschengeschlecht - jenes Bundes, der seinen Ursprung in der ewigen Liebe hat. Tobias und Sara beenden ihr Gebet mit folgenden Worten: „Hab Erbarmen mit mir und laß mich gemeinsam mit ihr ein hohes Alter erreichen!“ {Tob 8,7). Man darf annehmen (aufgrund des Zusammenhangs), daß sie vor Augen haben, ihre Lebensgemeinschaft bis ans Ende ihrer Tage aufrechtzuerhalten - eine Aussicht, die sich ihnen mit der Probe auf Leben und Tod bereits in der Hochzeitsnacht eröffnet. Zugleich erkennen sie mit den Augen des Glaubens die Heiligkeit dieser Berufung, in der sie - durch ihr Einswerden, das auf der gegenseitigen Wahrheit der „Sprache des Leibes“ beruht - den im Geheimnis des Anfangs enthaltenen Anruf Gottes erwidern müssen. Und darum ihre Bitte: „Hab Erbarmen mit mir und mit ihr.“ 5. Die Brautleute des Hohenliedes erklären sich gegenseitig mit glühenden Worten ihre menschliche Liebe. Die Neuvermählten des Buches Tobias bitten Gott um die Fähigkeit, die Liebe zu erwidern. Beide haben ihren Platz im sakramentalen Zeichen der Ehe. Beide wirken an der Formung dieses Zeichens mit. Man kann sagen, daß die „Sprache des Leibes“ durch beide sowohl in der 125 AUDIENZEN UND ANGELUS subjektiven Dimension der Wahrhaftigkeit der menschlichen Herzen als auch in der objektiven Dimension der Wahrheit des Lebens in der ehelichen Gemeinschaft zur Sprache der Liturgie wird. Das Gebet der Neuvermählten des Buches Tobias scheint das sicher in anderer Weise zu bestätigen als das Hohelied und auch in einer Weise, die zweifellos tiefer bewegt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere wöchentlichen Überlegungen über das Geheimnis der bräutlichen Liebe führen uns heute zum Buch Tobias. Die Liebe, die Braut und Bräutigam einander schwören, wird im Hohenlied bezeichnet als „stark wie der Tod“ (Hld 8,6). Von Tobias heißt es, daß er Sara so sehr liebte, daß „sein Herz ihr gehörte“ (Tob 6,19). Bei seiner Werbung um sie hat er selbst zunächst eine Probe auf Leben und Tod bestehen müssen. Sieben Männer waren vor ihm durch den Geist des Bösen bereits ums Leben gekommen. In Tobias erweist sich die Liebe, die durch das Gebet gestützt wird, stärker als der Tod. Zugleich hat die Probe für Tobias und Sara noch eine weitere Bedeutung. Sie werden durch ihre gegenseitige Liebe und die bräutliche Zuordnung zueinander in den Widerstreit der Kräfte von Gut und Böse gestellt. Die Liebe vertraut jedoch auf den Sieg des Guten. Tobias und Sara beenden ihr Gebet mit der folgenden Bitte: „Hab Erbarmen mit mir, und laß mich gemeinsam mit ihr ein hohes Alter erreichen!“ {Tob 8,7). Beide sind entschlossen, ihre eheliche Lebensgemeinschaft bis zum Ende ihrer Tage aufrechtzuerhalten. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich sehr herzlich alle heutigen Audienzteilnehmer deutscher Sprache: die Gruppen und Einzelpilger, besonders die Priester und Ordensleute sowie die Gruppe von Abgeordneten und Staatssekretären aus dem Land Niedersachsen. Allen Rombesuchern erbitte ich in der Ewigen Stadt geistlich fruchtbare Tage und neue Zuversicht und Glaubensmut für ihre vielfältigen Aufgaben in der Heimat. Dafür erteile ich allen anwesenden Pilgern von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 126 AUDIENZEN UND ANGELUS „Betet für diesen mutigen Hirten“ Angelus am 1. Juli Während des ganzen Monats Juni hat uns die Kirche die Geheimnisse des Herzens Jesu, des Gottmenschen, vor Augen gestellt. Diese Geheimnisse werden in der Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu in eindringlicher Weise verkündet, die gesungen oder rezitiert werden kann, die aber vor allem meditiert werden soll. In den letzten Junitagen wurden alle diese Geheimnisse in ihrer Gesamtheit von der Liturgie des Herz-Jesu-Festes vorgestellt. Hier die Worte des hl. Apostels Johannes: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (1 Joh 4,10), „. . . damit wir durch ihn leben“ (ebd., 4,9). Hier haben wir die Synthese aller Geheimnisse, die im Herzen des Gottessohnes verborgen sind: die „zuvorkommende“ Liebe, die „sühnende“ Liebe, die lebenspendende Liebe. Dieses Herz schlägt mit dem menschlichen Blut, das am Kreuz vergossen wurde. Dieses Herz schlägt mit der ganzen unerschöpflichen Liebe, die ewig in Gott ist. Mit dieser Liebe ist es stets für uns offen durch die Wunde, die die Lanze des Hauptmanns am Kreuz geöffnet hat. „Wenn Gott uns so geliebt hat, müssen auch wir einander lieben“ (1 Joh 4,11): Liebe gebiert Liebe, entfesselt Liebe und verwirklicht sich durch Liebe. Jedes Teilchen echter Liebe im Herzen des Menschen hat etwas von dem an sich, von dem das Herz des menschgewordenen Gottes grenzenlos erfüllt ist. Darum fordert er uns in der Liturgie des Herz-Jesu-Festes auf: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir“ {Mt 11, 28-29). Du, Mutter Christi, bist als erste diesem Aufruf gefolgt. Während wir im „Engel des Herrn“ über das Geheimnis der Verkündigung nachdenken, bitten wir dich: Lehre du uns, unsere Herzen für die Liebe zu öffnen, die im Herzen Jesu ist, so wie du ihm dein Herz vom ersten Fiat an geöffnet hast. Und wie du es immer offen gehalten hast. Lehre uns, Mutter, innig in Wahrheit und in Liebe vertraut zu sein mit dem göttlichen Herzen deines Sohnes. 127 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst u. a.: In das heutigen Gebet möchte ich den Erzbischof von Prag, Kardinal Frantisek Tomasek, einschließen, der gestern sein 85. Lebensjahr vollendet hat. Ich denke täglich mit Zuneigung an diesen ehrwürdigen Hirten, der, ein standhafter Mann des Geistes, ein tatkräftiges Zeugnis der Treue zu Christus für seine Herde und die ganze Kirche bietet. Beten wir zum Herrn, daß er ihm Hilfe und Trost in seinem Hirtenamt gebe. In dieser Woche wird in München der Katholikentag gefeiert, das große Zwei-Jahres-Treffen der deutschen Katholiken. Bei der Veranstaltung wird von einer Gruppe Jugendlicher das Kreuz des vor kurzem beendeten außerordentlichen Heiligen Jahres aufgestellt werden. Es ist für mich eine große Freude zu sehen, daß die Jugend des Internationalen Zentrums San Lorenzo, der ich dieses Zeichen des Jubiläumsjahres der Erlösung anvertraut habe, meine Worte so ernstgenommen hat: „Tragt das Kreuz Christi in die Welt als Zeichen der Liebe des Herrn Jesus zur Menschheit!“ Ich hoffe daher, daß dieses Kreuz auf seinem Pilgerweg durch Europa die jungen Generationen Christus näherbringe und ihre Freude, in der Kirche zu leben, verstärke. „Die liturgische Sprache als Sprache des Leibes“ Generalaudienz am 4. Juli 1. Heute wollen wir zum klassischen Text des 5. Kapitels des Epheser-briefes zurückkehren, der uns die ewigen Quellen des Bundes in der Liebe des Vaters und zugleich seine neue und endgültige Einsetzung in Jesus Christus offenbart. Dieser Text führt uns zu einer Dimension der Sprache des Leibes, die wir als „mystisch“ bezeichnen könnten. Denn er spricht von der Ehe als einem „tiefen Geheimnis“ („Dies ist ein tiefes Geheimnis“, Eph 5, 32). Und obwohl sich dieses Geheinmis in der Vereinigung Christi, des Erlösers, mit seiner Braut, der Kirche, und der Kirche mit Christus vollzieht („ich beziehe es auf Christus und die Kirche“, Eph 5, 32) und in den eschatologischen Dimensionen endgültig erfüllt, zögert der Verfasser des Briefes an die Epheser dennoch nicht, den Vergleich der Verbindung 128 AUDIENZEN UND ANGELUS Christi mit seiner Kirche mit der Liebe der Eheleute, der auf so absolute und eschatologische Weise beschrieben wird, auf das sakramentale Zeichen des Ehebundes von Mann und Frau auszuweiten, die „einer dem anderen untergeordnet sind in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). Er zögert nicht, diese mystische Analogie auf die Sprache des Leibes auszudehnen, die in der Wahrheit der bräutlichen Liebe und der ehelichen Vereinigung der beiden zum Ausdruck kommt. 2. Man muß die Logik dieses erstaunlichen Textes erkennen, der, unsere Art zu denken, radikal von manichäischen Elementen oder einer unpersönlichen Betrachtung des Leibes befreit und gleichzeitig die im sakramentalen Zeichen der Ehe enthaltene Sprache des Leibes der Dimension der wirklichen Heiligkeit näherbringt. Die Sakramente pfropfen die Heiligkeit der Menschlichkeit des Menschen ein: Sie durchdringen die Seele und den Leib, die Fraulichkeit und Männlichkeit der Person mit der Kraft der Heiligkeit. Das alles kommt in der Sprache der Liturgie zum Ausdruck: Hier drückt es sich aus und verwirklicht sich. Die Liturgie, die liturgische Sprache erhebt das eheliche Bündnis von Mann und Frau, das auf der Sprache des Leibes gründet, die in neuer Wahrheit gelesen wird, in die Dimensionen des Geheimnisses und bestätigt zugleich, daß sich dieses Bündnis in den genannten Dimensionen durch die Sprache des Leibes verwirklicht. Davon eben spricht das Zeichen des Ehesakraments, das in der Sprache der Liturgie ein interpersonales Geschehen zum Ausdruck bringt, voll intensivem personalem Gehalt, der den beiden „bis zum Tod“ zuerkannt wird. Das bedeutet nicht nur das Werden, also das Zustandekommen der Ehe, sondern schafft ihr ganzes Sein, ihre Dauer: das eine wie das andere als heilige und sakramentale Wirklichkeit, die in der Dimension des Bundes und der Gnade, in der Dimension der Schöpfung und der Erlösung verwurzelt ist. Auf diese Weise weist die liturgische Sprache beide, Mann und Frau, auf die eheliche Liebe, Treue und Ehrbarkeit durch die Sprache des Leibes hin. Sie weist sie auf die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe in der Sprache des Leibes hin. Sie gibt ihnen das ganze Heilige der Person und der Gemeinschaft der Personen, und ebenso ihre Fraulichkeit und Männlichkeit eben in dieser Sprache zum Auftrag. 3. In diesem Sinn können wir sagen, daß die liturgische Sprache zur Sprache des Leibes wird. Das bedeutet eine Reihe von Tatsachen und Aufgaben, die die Spiritualität der Ehe, ihr Ethos bilden. Im täglichen 129 AUDIENZEN UND ANGELUS Leben der Eheleute werden diese Tatsachen zu Aufgaben und die Aufgaben zu Tatsachen. Diese Tatsachen - wie auch die Verpflichtungen -sind geistlicher Natur, werden jedoch zu gegebener Zeit mit der Sprache des Leibes zum Ausdruck gebracht. Der Verfasser des Briefes an die Epheser schreibt in diesem Zusammenhang: „. . . Die Männer sind verpflichtet, ihre Frauen so zu lieben wie ihren eigenen Leib . . .“ {Eph 5, 28), „wie sich selbst“ (Eph 5, 33), „die Frau aber ehre den Mann“ (ebd.). Im übrigen „ordne sich einer dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ {Eph 5,21). Die Sprache des Leibes als ununterbrochene Weiterführung der liturgischen Sprache drückt sich nicht nur als die wechselseitige Anziehung und als Wohlgefallen wie im Hohenlied aus, sondern auch als tiefe Erfahrung des Heiligen, das durch die Dimension des Geheimnisses in die Männlichkeit und Fraulichkeit eingegossen zu sein scheint: das „tiefe Geheimnis“ des Epheserbriefes, dessen Wurzeln bis in den Anfang zurückreichen, das heißt in das Geheimnis von der Erschaffung des Menschen: Mann und Frau als Ebenbild Gottes, als „von Anfang an“ berufen, sichtbares Zeichen der schöpferischen Liebe Gottes zu sein. 4. So ist also jene „Ehrfurcht vor Christus“ und das „Ehren“, von der der Verfasser des Epheserbriefes spricht, nichts anderes als eine geistlich reife Form jener wechselseitigen Anziehung: das heißt des Mannes durch die Fraulichkeit und der Frau durch die Männlichkeit, die uns zum ersten Mal im Buch Genesis enthüllt wird (vgl. Gen 2, 23-25). Dann scheint diese Anziehung wie ein breiter Strom durch die Verse des Hohenliedes zu fließen, um unter ganz anderen Umständen im Buch Tobias ihren präzisen und konzentrierten Ausdruck zu finden. Die geistliche Reife dieser Anziehung ist nichts anderes als das Fruchtbringen der Gabe der Ehrfurcht — einer der sieben Gaben des Heiligen Geistes, von denen der hl. Paulus im ersten Brief an die Theassalonicher spricht (1 Thess 4, 4-7). Im übrigen erlaubt uns die Lehre des Paulus über die Keuschheit als „Leben, das dem Geist entspricht“ (vgl. Röm 8, 5) besonders aufgrund des 6. Kapitels des ersten Korintherbriefes -, jener „Ehrfurcht“ im charismatischen Sinn, das heißt, als Gabe des Heiligen Geistes, auszulegen. 5. Der Brief an die Epheser scheint — in der Aufforderung an die Eheleute, sich einer dem anderen „in der Ehrfurcht vor Christus“ unterzuordnen {Eph 5, 21), und dann in der Aufforderung zur „Ehre“ und 130 AUDIENZEN UND ANGELUS „Achtung“ in der ehelichen Beziehung - in Übereinstimmung mit der paulinischen Überlieferung die Keuschheit als Tugend und als Gabe zu enthüllen. Auf diese Weise gelangt durch die Tugend und noch mehr durch die Gabe („das Leben, das dem Geist entspricht“) die wechselseitige Anziehung der Männlichkeit und Fraulichkeit zu geistlicher Reife. Beide, Mann und Frau, finden, indem sie sich von der Begierde abwenden, die richtige Dimension der Freiheit der Gabe, die mit der Fraulichkeit und Männlichkeit in der wahren Bedeutung des Leibes für die Ehe verbunden ist. So wird die liturgische Sprache, d. h. die Sprache des Sakraments und des Geheimnisses in ihrem Leben und Zusammenleben Sprache des Leibes in ihrer ganzen Tiefe, Einfachheit und Schönheit bis zu jenem unbekannten Moment. 6. Das scheint die volle Bedeutung des sakramentalen Zeichens der Ehe zu sein. In diesem Zeichen gehen Mann und Frau durch die Sprache des Leibes dem „tiefen Geheimnis“ entgegen, um das Licht dieses Geheimnisses — das Licht der Wahrheit und Schönheit, das in der liturgischen Sprache seinen Ausdruck findet - in die Sprache des Leibes zu übertragen, also in die Sprache der Praxis der ehelichen Liebe, Treue und Ehrbarkeit, das aber heißt in das Ethos, das seine Wurzeln in der „Erlösung des Leibes“ hat (vgl. Rom 8, 23). Auf diesem Weg wird das eheliche Leben in gewissem Sinn Liturgie. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Im 5. Kapitel des Briefes an die Epheser spricht der hl. Paulus von der Ehe als einem „großen Geheimnis“. Dieses Geheimnis, das ein Geheimnis der Liebe ist, verwirklicht sich in einer besonderen Weise im Liebes-bund zwischen Christus und der Kirche. Der Apostel zögert jedoch nicht, dieses analog auch auf den Ehebund zwischen Mann und Frau auszudehnen, die sich „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ einander unterordnen (Eph 5, 21). In dieser inneren Beziehung zum Geheimnis Christi gründet die Heiligkeit der Ehe, wird sie selbst zum Sakrament. Die sakramentale Eheschließung begründet nicht nur den Ehebund, sondern bestimmt auch seine Natur, seine Ausschließlichkeit und seine Unauflöslichkeit. Sie verpflichtet Mann und Frau zu gegenseitiger Liebe und Treue, zur Achtung voreinander auch im lieblichen Vollzug ihrer ehelichen Gemeinschaft, und zwar „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“. Der Apostel ermahnt die Eheleute aus der Kraft des Sakra- 131 AUDIENZEN UND ANGELUS mentes zur geistigen Reife in ihrer liebenden Zuneigung und Hingabe. Dadurch erlangt ihre eheliche Liebe die volle personale Entfaltung und innere Freiheit. Diese kurzen Überlegungen über die hohe Würde der christlichen Ehe empfehle ich allen Audienzteilnehmern zu ihrer weiteren persönlichen Besinnung und Vertiefung. Ich grüße sehr herzlich alle anwesenden Pilger aus Deutschland, Österreich und aus Südtirol und erteile euch und euren lieben Angehörigen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Ein Dank an Kyrill und Method Angelus am 8. Juli 1. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen. Mir ist von meinem Vater alles übergeben worden; niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 25-27). Vor dem sonntäglichen Gebet des „Engel des Herrn“ wollen wir über diese Worte aus dem Matthäusevangelium nachdenken, die wir in der heutigen Liturgie vernommen haben: 2. Der erste Mench, dem der Vater „all das“ offenbart hat, ist Maria. Sie ist die erste, weil ihr die Geheimnisse Gottes in höherem Maße offenbart wurden. Und an ihr hatte der Vater in besonderer Weise seine Freude: - Niemand kennt den ewigen Sohn wie sie, weil eben jener Sohn des ewigen Vaters bei der Verkündigung ihr Sohn wurde; - niemand kennt den Vater wie sie, weil der Sohn den Vater keinem Menschen so offenbart hat wie ihr, seiner Mutter; - sie eben, lehrt das Konzil, „ragt unter den Demütigen und Armen des Herrn hervor, die das Heil mit Vertrauen von ihm erhoffen und empfangen“ (Lumen gentium, Nr. 55). Ihr, Maria von Nazaret, wollen wir uns in besonderer Weise anschließen, wenn wir den „Engel des Herrn“ beten, um in ihrem Unbefleckten 132 AUDIENZEN UND ANGELUS Herzen dem Sohn, Christus, und durch den Sohn dem Vater näherzukommen. 3. Am 5. Juli beging die katholische Kirche in der Tschechoslowakei mit besonderer Feierlichkeit das Fest der hll. Kyrill und Method im Rahmen der geistlichen Vorbereitung auf die Gedenkfeiern anläßlich des 1100. Todestages des hl. Method im Jahr 1985. Die heiligen Brüder Kyrill und Method vollbrachten im 9. Jahrhundert, verbunden mit der Kirche von Konstantinopel wie mit der Kirche von Rom, ein gewaltiges Evangelisierungswerk, zunächst bei den Chasaren, dann in Großmähren und Panonien. Brüder dem Blut, aber noch mehr dem Glauben nach, waren sie unermüdliche Verkünder des Gotteswortes und übertrugen die Heilige Schrift und die liturgischen Bücher ins Slawische: darum gelten sie mit Recht als Apostel der slawischen Völker und Väter ihrer Kultur. Die gesamte Kirche in Ost und West hat dem heiligen Brüderpaar gegenüber eine ewige Dankesschuld für ihr vielfältiges Evangelisierungswerk. Aus diesem Grund habe ich sie im Jahr 1980 feierlich zu Patronen Europas, an der Seite des hl. Benedikt, erklärt. 4. In der Slowakei findet heute, Sonntag, 8. Juli, die Wallfahrt zum Heiligtum der Muttergottes von Levoca (Leutschau) statt, das kürzlich mit dem Titel „Basilica Minor“ ausgezeichnet wurde. Dem mütterlichen Herzen der seligsten Jungfrau vertraue ich die Bischöfe, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläubigen dieser edlen Nation an, damit sie ihnen die Kraft erwirke, stets ein klares Zeugnis von dem christlichen Glauben zu geben, den sie von den Vätern erhalten haben. Auf slowakisch sagte der Papst: Gott segne und beschütze euch, liebe Gläubige in der Tschechoslowakei! 133 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Normen von „Humanae vitae“ Generalaudienz am 11. Juli 1. Unsere bisherigen Gedanken über die menschliche Liebe im Schöpfungsplan Gottes würden irgendwie unvollständig bleiben, wenn wir nicht versuchten, ihre konkrete Anwendung im Bereich der Ehe- und Familienmoral zu sehen. Wir wollen diesen weiteren Schritt, der uns an den Schluß unseres nun schon langen Weges bringen soll, an Hand eines bedeutenden lehramtlichen Dokuments der letzten Jahre vornehmen: der Enzyklika Humanae vitae, die Papst Paul VI. im Juli 1968 veröffentlicht hat. Wir wollen dieses bedeutende Dokument im Lichte der Ergebnisse lesen, zu denen wir bei der Analyse des ursprünglichen Schöpfungs- und Heilsplanes Gottes und der darauf Bezug nehmenden Worte Christi gelangt sind. 2. „Die Kirche lehrt, daß jeder eheliche Akt offenbleiben muß für die Weitergabe des Lebens . . .“ {Humanae vitae, Nr. 11). „Diese Lehre, die vom Lehramt mehrmals dargelegt wurde, gründet sich auf die untrennbare Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes, die von Gott gewollt ist und die der Mensch nicht eigenmächtig aufheben kann, nämlich die liebende Vereinigung und die Fortpflanzung“ {Humanae vitae, Nr. 12). 3. Die Überlegungen, die ich jetzt machen will, nehmen insbesondere auf den Abschnitt der Enzyklika Humanae vitae Bezug, der von der „zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes“ und von ihrer „untrennbaren Verbindung“ handelt. Ich habe nicht die Absicht, einen Kommentar zur ganzen Enzyklika vorzulegen, sondern will vielmehr einen Abschnitt daraus erläutern und vertiefen. Vom Gesichtspunkt der in dem genannten Dokument enthaltenen Morallehre her kommt diesem Abschnitt eine zentrale Bedeutung zu. Zugleich ist es ein Abschnitt, der mit unseren vorausgegangenen Überlegungen über die Ehe in der Dimension des sakramentalen Zeichens in engstem Zusammenhang steht. Da es sich - wie gesagt - um einen zentralen Abschnitt der Enzyklika handelt, ist es klar, daß er sich tief in ihre ganze Struktur einfügt: Seine Analyse muß uns daher auf die verschiedenen Komponenten dieser Struktur hinweisen, selbst wenn es nicht unsere Absicht sein kann, den ganzen Text zu kommentieren. 4. Bei den Betrachtungen über das sakramentale Zeichen wurde bereits wiederholt gesagt, daß es sich auf die „Sprache des Leibes“ stützt, die in 134 AUDIENZEN UND ANGELUS der Wahrheit gelesen wird. Es handelt sich um eine Wahrheit, die zu Beginn der Ehe ein erstes Mal gesprochen wird, wenn die Neuvermählten, indem sie sich gegenseitig versprechen, „immer treu zu sein . . . und sich zu Heben und zu achten bis an ihr Lebensende“, zu Spendern der Ehe als Sakrament der Kirche werden. Sodann handelt es sich um eine Wahrheit, die sozusagen immer wieder neu bestätigt wird. Denn der Mann und die Frau, die „bis zum Tod“ in der Ehe leben, setzen gewissermaßen ständig aufs neue das Zeichen, das sie -durch die Liturgie des Sakramentes - am Tag ihrer Trauung gesetzt haben. Die oben angeführten Worte aus der Enzyklika Papst Pauls VI. betreffen jenen Augenblick im gemeinsamen Leben der Eheleute, in dem die beiden durch ihre Vereinigung im ehelichen Akt nach den Worten der Bibel „ein Fleisch“ werden (Gen 2, 24). Gerade in einem so bedeutungsreichen Augenblick kommt es ganz besonders darauf an, daß man die „Sprache des Leibes“ in der Wahrheit liest. Dieses Lesen wird zur unerläßlichen Voraussetzung für das Handeln in der Wahrheit, d. h. für das Verhalten entsprechend dem sittüchen Wert und der sittKchen Norm. 5. Die Enzyklika erinnert aber nicht nur an diese Norm, sondern versucht auch, die angemessene Begründung dafür zu geben. Um die „untrennbare Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehehchen Aktes, die von Gott gewollt ist. . .“, gründlicher klarzustellen, schreibt Paul VI. im anschUe-ßenden Satz: „. . . Gemäß seiner innersten Struktur befähigt der eheliche Akt die Ehegatten, während er sie zutiefst miteinander vereinigt, zur Zeugung neuen Lebens entsprechend den Gesetzen, die in das Sein selbst des Mannes und der Frau eingeschrieben sind“ (Humanae vitae, Nr. 12). Wir stellen fest, daß in dem vorausgehenden Satz der soeben zitierte Text vor allem von der „Bedeutung“ und im darauffolgenden Satz von der „innersten Struktur“ (also der Natur) der ehelichen Beziehung handelt. Bei der Erläuterung dieser „innersten Struktur“ bezieht sich der Text auf „die Gesetze, die in das Sein selbst des Mannes und der Frau eingeschrieben sind“. Der Übergang von dem Satz, der die sitthche Norm zum Ausdruck bringt, zu dem Satz, der diese sittliche Norm erläutert und begründet, ist besonders bedeutungsvoH. Die Enzyklika veranlaßt uns, den Grund, das Fundament der Norm, die die Sittlichkeit des Verhaltens von Mann und Frau im ehelichen Akt bestimmt, in der Natur des ehehchen Aktes selbst und, 135 AUDIENZEN UND ANGELUS noch tiefer, in der Natur der handelnden Wesen, also der Eheleute, zu suchen. 6. Somit bildet also die „innerste Struktur“ (oder Natur) des ehelichen Aktes die notwendige Grundlage für ein entsprechendes Lesen und Entdecken der Bedeutungen, die in das Bewußtsein und in die Entscheidungen der handelnden Personen übergehen müssen, und auch die notwendige Grundlage für die Festlegung der angemessenen Beziehung zwischen diesen Bedeutungen, d. h. ihrer Untrennbarkeit. Denn einerseits bedeutet „der eheliche Akt... die liebende Vereinigung der Ehegatten“ und zugleich „befähigt er sie zur Zeugung neuen Lebens“, und das eine wie das andere erfolgt „gemäß seiner innersten Struktur“; daraus folgt, daß die menschliche Person (mit Vernunftnotwendigkeit, mit logischer Notwendigkeit) die „zweifache Bedeutung des ehelichen Aktes“ und auch die „untrennbare Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes“ gleichzeitig lesen „muß“. Es handelt sich hier um nichts anderes, als die „Sprache des Leibes“ in der Wahrheit zu lesen, wie bei den vorausgegangenen Analysen von Bibelstellen mehrfach gesagt wurde. Die sittliche Norm, die von der Kirche in diesem Bereich seit eh und je gelehrt wurde und die von Paul VI. in seiner Enzyklika in Erinnerung gebracht und neu bekräftigt wurde, entspringt der Lesung der „Sprache des Leibes“ in der Wahrheit. Dabei handelt es sich um die Wahrheit zunächst in der ontologischen Dimension (innersten Struktur) und dann, demzufolge, in der subjektiven und psychologischen Dimension (Bedeutung). Der Text der Enzyklika unterstreicht, daß es sich in diesem Fall um eine Norm des Naturgesetzes handelt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere Überlegungen über die menschliche Liebe im Schöpfungsplan Gottes führen uns heute zu der Frage nach dem richtigen sittlichen Verhalten von Mann und Frau in Ehe und Familie. Die bedeutende Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. wird uns dabei den Weg zeigen. Wie es in diesem päpstlichen Schreiben heißt, lehrt die Kirche, „daß jeder eheliche Akt offenbleiben muß für die Weitergabe des Lebens“ (Humanae vitae, Nr. 11). Den Grund dafür erblickt der Papst in der „untrennbaren Verbindung der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes, die von Gott gewollt ist und die der Mensch nicht eigenmächtig 136 AUDIENZEN UND ANGELUS aufheben kann, nämlich die liebende Vereinigung und die Fortpflanzung“ (Humanae vitae, Nr. 12). Diese zentrale Aussage der Enzyklika verlangt von uns eine eingehende Besinnung und Erörterung. Sie steht in engem Zusammenhang mit all dem, was wir bisher über die natürliche und sakramentale Wirklichkeit der Ehe gesagt haben. Gemeint ist vor allem jener leibliche Vollzug ehelicher Gemeinschaft, durch den Mann und Frau nach den Worten der Bibel „ein Fleisch“ werden (Gen 2, 24). Die Enzyklika lehrt jedoch nicht nur die ethische Norm für das richtige sittliche Verhalten der Eheleute, sondern zeigt auch deren Begründung und Fundament. Sie gründet letztlich in der Natur des ehelichen Aktes selbst, der die Ehegatten „gemäß seiner innersten Struktur zur Zeugung neuen Lebens befähigt entsprechend den Gesetzen, die in das Sein selbst des Mannes und der Frau eingeschrieben sind“ (Humanae vitae, Nr. 12). Es handelt sich hierbei somit um eine Norm des Naturgesetzes, das zutiefst auch dem personalen Aspekt der Ehe entspricht. Mit dieser kurzen Zusammenfassung meiner ausführlicheren italienischen Ansprache grüße ich sehr herzlich alle anwesenden Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Für euren Rombesuch erbitte ich euch reiche Gnaden und wünsche euch zugleich schöne und erholsame Tage. Von Herzen erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat meinen Apostolischen Segen. Ein schwerer Vorfall Appell für die Kirche in Nicaragua am Schluß der Generalaudienz am 11. Juli Ich möchte euch auffordem, für die Kirche in Nicaragua zu beten, die in den vergangenen Tagen einen besonders schweren und schmerzlichen Vorfall erlebt hat, der zu den bereits erlittenen Prüfungen hinzukommt: Zehn Priester wurden plötzlich und unerwartet des Landes verwiesen. Für die Erzdiözese Managua, deren Klerus für die breiten pastoralen und karitativen Aufgaben zahlenmäßig nicht ausreicht, bedeutet es einen schweren Verlust. 137 AUDIENZEN UND ANGELUS Ich drücke mein lebhaftes Bedauern und meine tiefe Anteilnahme am Leiden dieser Kirche aus, die ihrerseits fortfährt ihren engagierten Einsatz im Land für eine verstärkte Zurückweisung der Gewalt und ein Fortschreiten auf dem Weg des Dialogs und der Versöhnung proklamiert. Ich bitte den Herrn, den Geist der Verantwortlichen zu erleuchten, damit sie ihre Entscheidung, die der Kirche und den Bedürfnissen des katholischen Volkes von Nicaragua ganz offensichtlich schadet, zurückziehen. Zugleich bitte ich die seligste Jungfrau, mit ihrem mütterlichen Schutz diesem lieben Volk beizustehen und den Dienern Gottes, die sich in voller Gemeinschaft mit ihren Bischöfen dem Dienst an den geistlichen und sittlichen Erfordernissen des Landes widmen. „Gute und frohe Ferien!“ Angelus in Castel Gandolfo am 15. Juli 1. Das heutige Sonntagsevangelium erinnert uns an das Gleichnis vom Sämann. Zuerst verkündete Christus dieses Gleichnis der Menschenmenge, die am Ufer des Sees versammelt war, und erklärte es dann seinen Jüngern. Das Wort Gottes gleicht dem Samen, den der Sämann aussät, damit er in den Herzen der Menschen Frucht bringe. Der Prophet Jesaja hat für solches Verständnis des evangelischen Gleichnisses den Boden weit vorbereitet. So lesen wir in der heutigen Liturgie: „Denn wie der Regen und der Schnee vom Himmel fallen und nicht zu ihm zurückkehren, sondern die Erde tränken, so daß sie keimt und sproßt, Samen bringt für die Aussaat und Brot zur Nahrung, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verläßt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“ (Jes 55, 10-11). So spricht der Herr. Wir haben uns an diesem Sonntag versammelt, um miteinander den „Engel des Herrn“ zu beten. Wir wollen mit diesem Gebet das Wort Gottes verehren, das in der Seele Mariens von Nazaret wirksam wurde. Wir wollen Maria ehren, an der sich auf vollkommenste Weise das evangelische Gleichnis ebenso wie die Prophezeiung des Jesaja erfüllt hat. 138 AUDIENZEN UND ANGELUS Das im Herzen Mariens ausgesäte Wort Gottes hat die herrlichsten Früchte gebracht! Wir wollen zugleich darum beten, daß das Wort Gottes auch in unseren Herzen seine Frucht bringe gemäß den Worten des Gleichnisses Christi. Damit es „nicht leer zurückkehrt“. Beten wir, daß die heilbringende Macht des Wortes Gottes in den Seelen der Menschen hochherzig auf genommen werde. Beten wir, daß es in den Herzen zu einer übernatürlichen guten Ernte komme. 2. An diesem Sonntag möchte ich zunächst meinen herzlichen Gruß an die Bewohner von Castel Gandolfo wiederholen, unter denen ich die sommerliche Ferienzeit verbringen werde; ich denke dabei besonders an die Autoritäten, die hier durch den Bürgermeister und den Gemeinderat vertreten sind, an die Väter und Mütter, die Jugend, die kranken und alten Menschen, denen immer mein Gebet gilt. Mein Gruß geht auch an alle, die sich in diesem Augenblick auf dem Petersplatz in Rom eingefunden haben, um sich über den Rundfunk mir im Mariengebet des Angelus anzuschließen, und an alle in der Welt, die meine Stimme hören. Ein besonderes Gedenken möchte ich an alle diejenigen richten, die in diesen Tagen ihren Urlaub von Arbeit und Studium begonnen haben oder in Kürze beginnen werden; dem Gruß schließe ich den Wunsch an, daß diese Pause der Entspannung und notwendigen Erholung nicht nur zur Stärkung der physischen Kräfte beitragen möge, sondern auch - und vor allem - der geistlichen durch Reflexion, Meditation, aufmerksames und bereitwilliges Hören auf das Wort Gottes, durch stilleres und längeres Gebet, besonders im unmittelbaren und erhebenden Kontakt mit der Natur, mit Gottes Schöpfung. Allen wünsche ich gute und frohe Ferien! Nach dem Angelusgebet richtete der Papst Grußworte in verschiedenen Sprachen an die anwesenden Pilger; auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch alle anwesenden deutschsprachigen Pilger. Ich wünsche euch zu Beginn der jetzigen Urlaubszeit schöne und erholsame Ferientage. Mögen sie euch zugleich Gott näherbringen, dem Geber alles Guten und Schönen! Dazu erteile ich euch von Herzen meinen besonderen Segen! Zum Schluß sagte er in Italienisch: Mit großem Schmerz habe ich die traurige Nachricht von dem Eisenbahn- 139 AUDIENZEN UND ANGELUS Unglück erhalten, das sich gestern in Divaccia in Jugoslawien ereignet hat. Während ich für die 36 Opfer bete, drücke ich den betroffenen Angehörigen meine Solidarität und Anteilnahme aus und versichere die Verletzten meiner geistlichen Nähe. Ehe auf Fortpflanzung hingeordnet Generalaudienz am 18. Juli 1. In der Enzyklika Humanae vitae lesen wir: „Indem die Kirche die Menschen zur Beobachtung des von ihr in beständiger Lehre ausgelegten natürlichen Sittengesetzes anhält, lehrt sie nun, daß Jeder eheliche Akt1 von sich aus auf die Erzeugung menschlichen Lebens hingeordnet bleiben muß“ (Nr. 11). Derselbe Text berücksichtigt zugleich die subjektive und psychologische Dimension und hebt sie sogar hervor, wenn er von der „Bedeutung“, genau der „zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes“ spricht. Die „Bedeutung“ wird dem Bewußtsein klar beim Vertiefen in die ontologische Wahrheit des Objekts. Durch dieses Vertiefen tritt die (ontologische) Wahrheit sozusagen in die Dimension der Erkenntnis ein: Sie wird subjektiv und psychologisch. Humanae vitae scheint unsere Aufmerksamkeit besonders auf den letztgenannten Punkt zu lenken. Das wird u. a. indirekt auch vom folgenden Satz bestätigt: „Unserer Meinung nach sind die Menschen unserer Zeit durchaus imstande, die Vernunftgemäßheit dieser Lehre zu erfassen“ (Nr. 12). 2. Diese „Vernunftgemäßheit“ betrifft nicht nur die Wahrheit in ihrer ontologischen Dimension, also das, was der tatsächlichen Struktur des ehelichen Aktes entspricht. Sie betrifft auch die gleiche Wahrheit in ihrer subjektiven und psychologischen Dimension, das heißt das richtige Verständnis der tiefen Struktur des ehelichen Aktes, also die Vertiefung in die dieser Struktur entsprechenden Bedeutung und ihren untrennbaren Zusammenhang mit einem sittlich richtigen Verhalten. Darin besteht eben die sittliche Norm und die entsprechende Ordnung der menschlichen Akte im Sexualbereich. In diesem Sinne sagen wir, daß die Norm mit der Vertiefung in die Wahrheit der „Sprache des Leibes“ identisch ist. 140 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Die Enzyklika Humanae vitae enthält also die sittliche Norm und ihre Begründung oder zumindest eine Vertiefung dessen, was die Begründung der Norm ausmacht. Da übrigens in der Norm auf verbindliche Weise der sittliche Wert zum Ausdruck kommt, folgt daraus, daß Handlungen, die der Norm entsprechen, sittlich gut sind, Handlungen hingegen, die ihr widersprechen, in sich selbst unerlaubt sind. Der Verfasser der Enzyklika unterstreicht, daß diese Norm Teil des „natürlichen Sittengesetzes“ ist, d. h. der Vernunft als solcher entspricht. Die Kirche lehrt diese Norm, obwohl sie nicht formell (d. h. buchstäblich) in der Heiligen Schrift enthalten ist; und sie tut das in der Überzeugung, daß die Auslegung der Gebote des natürlichen Sittengesetzes in die Zuständigkeit des Lehramtes fällt. Wir können aber noch mehr sagen. Auch wenn die in der Enzyklika Humanae vitae so formulierte sittliche Norm nicht wörtlich in der Heiligen Schrift enthalten ist, ergibt sich dennoch, daß sie in der Überlieferung enthalten ist und daß sie - nach Papst Paul VI. - den Gläubigen „vom Lehramt oft dargelegt“ wurde (Humanae vitae, Nr. 12), daß sie also im Einklang steht mit der Gesamtheit der geoffenbarten Lehre, die in den biblischen Quellen enthalten ist (vgl. ebd., Nr. 4). 4. Es handelt sich hier nicht nur um die Gesamtheit der in der Heiligen Schrift enthaltenen Sittenlehre, um ihre wesentlichen Voraussetzungen und den allgemeinen Charakter ihres Inhalts, sondern um jenen breiteren Komplex, den wir schon in zahlreichen Analysen zur „Theologie des Leibes“ behandelt haben. Gerade auf dem Hintergrund dieses breiteren Komplexes wird offenkundig, daß die genannte sittliche Norm nicht nur Teil des natürlichen Sittengesetzes ist, sondern ebenfalls der von Gott geoffenbarten sittüchen Ordnung. Auch von diesem Gesichtspunkt aus könnte sie nicht anders sein, sondern nur so, wie die Überlieferung und das Lehramt und in diesen Tagen die Enzyklika Humanae vitae als zeitgenössisches Dokument dieses Lehramtes sie vorlegen. Paul VI. schreibt: „Unserer Meinung nach sind die Menschen unserer Zeit durchaus imstande, die Vernunftgemäßheit dieser Lehre zu erfassen“ (Humanae vitae, Nr. 12). Man kann hinzufügen: Sie sind imstande, auch ihre tiefe Übereinstimmung mit all dem zu erfassen, was von der aus den biblischen Quellen herrührenden Tradition überliefert wird. Die Grundlagen für diese Übereinstimmung sind vor allem in der biblischen Anthropologie zu suchen. Im übrigen ist die Bedeutung der Anthropologie für die Ethik, das heißt die Sittenlehre, bekannt. Es scheint ganz vernünftig, 141 AUDIENZEN UND ANGELUS eben in der „Theologie des Leibes“ das Fundament der Wahrheit der Nonnen zu suchen, die die so grundlegende Problematik des Menschen in seiner Leibhaftigkeit betreffen: „Die beiden werden ein Fleisch sein“ {Gen 2, 24). 5. Die Norm der Enzyklika Humanae vitae betrifft alle Menschen, insofern sie Norm des natürlichen Sittengesetzes ist und sich auf die Übereinstimmung mit der menschlichen Vernunft gründet (wenn man annimmt, daß diese die Wahrheit sucht). Mit um so größerem Recht betrifft sie alle gläubigen Glieder der Kirche, weil der Vernunftcharakter dieser Norm in der Gesamtheit der „Theologie des Leibes“ eine indirekte Bestätigung und einen soliden Halt findet. Von diesem Gesichtspunkt aus haben wir in unseren früheren Analysen vom Ethos der Erlösung des Leibes gesprochen. Die auf dieses Ethos gegründete Norm des natürlichen Sittengesetzes findet nicht nur neuen Ausdruck, sondern auch ein volles anthropologisches und ethisches Fundament im Wort des Evangeliums wie im läuternden und stärkenden Wirken des Heiligen Geistes. Es gibt Gründe genug, warum jeder Gläubige und insbesondere jeder Theologe die Morallehre der Enzyklika in diesem Gesamtzusammenhang liest, damit er sie immer tiefer erfaßt. Die Überlegungen, die wir hier schon seit langer Zeit anstellen, bilden eben einen Versuch zu dieser Vertiefung. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere wöchentlichen Betrachtungen über die menschliche Liebe im Plan Gottes führten uns zu einigen abschließenden Ausführungen zur Enzyklika Humana vitae. Dieses päpstliche Lehrschreiben betont, daß „jeder eheliche Akt offenbleiben muß für die Weitergabe des Lebens“ {Humanae vitae, Nr. 11) und beruft sich dafür auf eine Norm des Naturrechts. Papst Paul VI. hegt die Zuversicht, daß der heutige Mensch in einer besonderen Weise imstande ist, „den zutiefst vernünftigen und dem Menschen entsprechenden Charakter dieses grundlegenden Prinzips zu erfassen“ {Humanae vitae, Nr. 12). Die Kirche lehrt diese sittliche Norm, obgleich sie nicht formal in der Heiligen Schrift enthalten ist. Sie erachtet sich für zuständig, auch die Gebote des Naturgesetzes zu interpretieren. Die von dieser Enzyklika betonte Norm findet sich bereits in der Tradition der Kirche und ist vom kirchlichen Lehramt mehrmals dargelegt worden. Sie steht im Einklang 142 AUDIENZEN UND ANGELUS mit der Gesamtheit der offenbarten Lehre, wie sie in den biblischen Quellen enthalten ist. Sie steht ebenso im Einklang mit dem, was wir in unseren früheren Überlegungen zur „Theologie des Leibes“ gesagt haben. Diese Norm gehört nicht nur zum natürlichen Sittengesetz, sondern auch zu der von Gott geoffenbarten sittlichen Ordnung. Sie hat Gültigkeit für alle Menschen, in einer besonderen Weise für die Christen, die im Glauben um die Erlösung und die endzeitliche Bestimmung des Leibes wissen. Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Pilger und Besucher dieser Audienz. Ich wünsche euch hier in der Ewigen Stadt schöne und auch geistig fruchtbare Ferientage. Möge euch Gott mit seinem besonderen Schutz und Segen begleiten! „In rechter Weise beten!“ Angelus am 22. Juli 1. In der Liturgie des heutigen Sonntags erinnert uns die Kirche an das Gleichnis, mit dem Jesus Christus vom Reich Gottes gesprochen hat. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Senfkorn . . ., mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig . . (Mt 13, 31-33). Das Himmelreich läßt sich auch mit einem Acker vergleichen, auf den man guten Samen sät, aber ein Feind sät Unkraut unter den guten Weizen. Der Herr des Ackers läßt beides wachsen bis zur Ernte (vgl. Mt 13, 24-30). Indem uns die Kirche an diese Lehre erinnert, fordert sie uns auf, unseren Platz im Reich Gottes zu finden und zu bewirken, daß es in jedem von uns wachse. Und darum lehrt sie uns beten. Denn das Reich Gottes wächst in uns zuerst durch das Gebet. Im Gebet begegnet die Schwachheit des Menschen der Kraft Gottes. „So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, worum wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können. Und Gott, der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist: Er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein“ (Röm 8, 26—27). So schreibt der hl. Apostel Paulus an die Römer. 143 AUDIENZEN UND ANGELUS Kein Mensch, kein Heiliger, hat so intensiv im Heiligen Geist gebetet wie Maria! Wenn wir den „Engel des Herrn“ sprechen, beten wir in Einheit mit ihr. Möge der Heilige Geist durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau, seines unbefleckten Tempels, unser Gebet unterstützen, damit uns durch dieses Gebet das Reich Gottes in uns selbst und in der ganzen Schöpfung näherkomme! 2. Heute beendet in Kinshasa, Zaire, die 7. Versammlung des Symposions der Bischofskonferenzen Afrikas und Madagaskars ihre Arbeiten. Daran nimmt auch Msgr. Dermot J. Ryan, Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung, teil. Während ich den ehrwürdigen Brüdern Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen, die dort versammelt sind, einen herzlichen Gruß übersende, gebe ich dem Wunsch Ausdruck, daß die bedeutsame Begegnung eine immer tiefere Eintracht der pastoralen Absichten und Initiativen für die Ausbreitung der Kirche in Afrika und die zunehmende Entwicklung jenes großen und geliebten Kontinents begünstigen möge. Auch euch, die ihr hier anwesend seid, fordere ich auf, für diese Ziele mit mir zusammen euer Gebet zum Herrn emporzusenden. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Heute wird in Budapest die siebente Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes eröffnet, die über das Thema „In Christus, der Hoffnung der Welt“ meditieren will. Ich richte an die Teilnehmer dieser wichtigen Tagung meinen Gruß. Seit den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils führt das Sekretariat für die Einheit der Christen einen fruchtbaren theologischen Dialog mit dem Lutherischen Weltbund; ich fordere daher die Anwesenden und alle, die mich (über Rundfunk) hören, auf, für die Versammlung in Budapest den Heiligen Geist anzurufen, damit die Arbeiten gute Früchte bringen und zur Wiederherstellung der vollen Einheit zwischen allen Christen beitragen. Der Papst begrüßte dann die Gläubigen in den verschiedenen Sprachen. In deutscher und anschließend in niederländischer Sprache sagte er: Herzlich willkommen heiße ich zum heutigen gemeinschaftlichen Gebet auch alle deutschsprachigen Gläubigen. Dieses Erlebnis lebendiger kirchlicher Gemeinschaft ermutige euch in eurem Bekenntnis zu Christus und zu seiner Kirche. Werdet im Alltag zu seinen Boten, zum Sauerteig, der 144 AUDIENZEN UND ANGELUS die Gesellschaft mit seiner Wahrheit und Liebe durchdringt. Das erbitte ich euch durch meinen besonderen Apostolischen Segen. Van harte rieht ik ook een groet tot de pelgrims van het Comite voor de Pausviering uit Zomergem in Belgie. Möge uw bedevaart naar Rome een vruchtbare voorbereiding zijn op mijn körnende bezoek aan uw vader-land. Ohne Gottes Hilfe unmöglich Generalaudienz am 25. Juli 1. Wir nehmen die Überlegungen wieder auf, die zum Ziel haben, die Enzyklika Humanae vitae mit der gesamten Theologie des Leibes zu verbinden. Diese Enzyklika beschränkt sich nämlich nicht darauf, an die sittliche Norm des ehelichen Zusammenlebens zu gemahnen, indem sie diese angesichts der neuen Umstände und Gegebenheiten wiederum bekräftigt. Als Paul VI. sich kraft des authentischen Lehramtes durch die Enzyklika (1968) äußerte, hatte er die maßgebende Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils vor Augen, die in der Konstitution Gaudium et spes { 1965) enthalten ist. Diese Enzyklika befindet sich nicht nur auf der Linie der Konzilslehre, sondern stellt auch die Entwicklung und Ergänzung der dort enthaltenen Probleme dar; das gilt besonders im Hinblick auf das Problem des „Einklangs von menschlicher Liebe und Achtung vor dem Leben“. Zu diesem Punkt lesen wir in Gaudium et spes folgendes: „Die Kirche erinnert daran, daß es keinen wahren Widerspruch geben kann zwischen den göttlichen Gesetzen hinsichtlich der Übermittlung des Lebens und dem, was echter ehelicher Liebe dient“ (Gaudium et spes, Nr. 51). 2. Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums schließt jeden „wahren Widerspruch“ in der maßgebenden Ordnung aus, die Paul VI. seinerseits bestätigt, wobei er gleichzeitig versucht, jenen „Nicht-Widerspruch“ zu klären und auf diese Weise die betreffende sittliche Norm dadurch zu motivieren, daß er ihre Übereinstimmung mit der Vernunft aufzeigt. 145 AUDIENZEN UND ANGELUS Humanae vitae spricht jedoch nicht so sehr von „Nicht-Widerspruch“ in der maßgebenden Ordnung als von der „unlösbaren Verknüpfung“ zwischen der Weitergabe des Lebens und der echten ehelichen Liebe vom Standpunkt der „beiden Sinngehalte - hebende Vereinigung und Fortpflanzung“ {Humanae vitae, Nr. 12), worüber wir bereits gesprochen haben. 3. Man könnte sich lange bei der Analyse der Norm selbst aufhalten; aber der Charakter sowohl des einen wie des anderen Dokuments verleitet vielmehr zu - wenn auch nur indirekten - pastoralen Überlegungen. Denn Gaudium et spes ist eine Pastoralkonstitution, und die Enzyklika Pauls VI. - mit ihrer Lehrbedeutung - geht in dieselbe Richtung. Denn sie will Antwort auf die Fragen des modernen Menschen sein. Das sind Fragen bevölkerungsstatistischen und folglich sozialökonomischen und politischen Charakters in bezug auf die Bevölkerungszunahme auf der Erde. Es gibt Fragen, die vom Gebiet der Einzelwissenschaften ausgehen, und es gibt ebenso Fragen der zeitgenössischen Moraltheologen. Vor allem sind es die Fragen der Eheleute, die bereits im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Konzilskonstitution stehen und die die Enzyklika mit ganzer nur wünschenswerter Genauigkeit wieder aufgreift. Denn wir lesen dort: „Wäre es nicht angebracht, angesichts der gegenwärtigen Lebensverhältnisse und der Bedeutung, die der eheliche Verkehr für die Harmonie und gegenseitige Treue der Gatten hat, die heute geltenden sittlichen Normen zu überprüfen? Zumal, wenn man erwägt, daß diese unter Umständen nur unter heroischen Opfern befolgt werden können?“ {Humanae vitae, Nr. 3). 4. Aus der obigen Formulierung wird deutlich, mit wieviel Sorge der Verfasser der Enzyklika sich den Fragen des heutigen Menschen in ihrer ganzen Tragweite zu stellen sucht. Die Bedeutung dieser Fragen läßt eine entsprechend abgewogene und gründliche Antwort vermuten. Wenn es also einerseits berechtigt ist, eine scharfsinnige Behandlung der Norm zu erwarten, so darf man andererseits auch erwarten, daß den pastoralen Argumenten, die das Leben der konkreten Menschen, eben derjenigen, die die anfangs erwähnten Fragen stellen, unmittelbarer betreffen, keine geringere Bedeutung beigemessen wird. Diese Menschen hat Paul VI. immer vor Augen gehabt. Davon gibt unter anderem der folgende Abschnitt aus Humanae vitae Ausdruck: „Die Verwirklichung der Lehre über die rechte Geburtenregelung, die die Kirche als Gottes Gebot selbst verkündet, erscheint zweifellos vielen 146 AUDIENZEN UND ANGELUS schwer, ja sogar ganz unmöglich. Aber wie jedes besonders hohe und wertvolle Gut verlangt dieses Gesetz vom einzelnen Menschen, von der Familie und von der menschlichen Gesellschaft feste Entschlüsse und viele Anstrengungen. Ja, seine Befolgung ist nicht möglich ohne die helfende Gnade Gottes, die den guten Willen des Menschen stützt und stärkt. Wer aber tiefer nachdenkt, wird erkennen, daß diese Anstrengungen die Würde des Menschen erhöhen und beitragen zum Wohl der menschlichen Gesellschaft“ (Humanae vitae, Nr. 20). 5. Hier ist nicht mehr die Rede vom normativen „Nicht-Widerspruch“, sondern vielmehr von der möglichen Befolgung des göttlichen Gesetzes, das heißt von einem zumindest indirekten pastoralen Argument. Die Tatsache, daß das Gesetz zu befolgen „möglich“ sein muß, gehört indirekt zum eigentlichen Wesen des Gesetzes und ist daher im Rahmen der „normativen Nicht-Widersprüchlichkeit“ enthalten. Doch die als Befolgung der Norm verstandene Möglichkeit gehört auch zum praktischen und pastoralen Bereich. In der zitierten Textstelle spricht mein Vorgänger genau von diesem Gesichtspunkt aus. 6. Man kann hier noch eine Erwägung hinzufügen: die Tatsache, daß der ganze, als „Theologie des Leibes“ bezeichnete biblische Hintergrund uns, wenn auch indirekt, die Bestätigung der Wahrheit der in Humanae vitae enthaltenen moralischen Norm bietet, bereitet uns auf eine tiefere Betrachtung der praktischen und pastoralen Aspekte des Problems in seiner Gesamtheit vor. Waren etwa die allgemeinen Prinzipien und Voraussetzungen nicht alle den Antworten entnommen, die Christus auf die Fragen seiner konkreten Gesprächspartner gab? Und sind nicht die Texte des Paulus — wie z. B. jene aus dem Korintherbrief — gleichsam ein kleines Handbuch über die Probleme des sittlichen Lebens der ersten Jünger Christi? Und in diesen Texten finden wir mit Sicherheit jene „Regel für das Verständnis“, die angesichts der Probleme, von denen Humanae vitae handelt, so unerläßlich zu sein scheint und die in dieser Enzyklika vorhanden ist. Wer glaubt, das Konzil und die Enzyklika trügen den im konkreten Leben vorhandenen Schwierigkeiten nicht genügend Rechnung, erfaßt nicht die pastorale Sorge, die diesen Dokumenten zugrunde lag. Pastorale Sorge bedeutet Suche nach dem wahren Wohl des Menschen, Förderung der Werte, die seiner Person von Gott eingeprägt wurden; das heißt, sie bedeutet Verwirklichung jener „Regel für das Verständnis“, die auf die 147 AUDIENZEN UND ANGELUS immer klarere Enthüllung des Planes Gottes bezüglich der menschlichen Liebe zielt in der Gewißtheit, daß das einzige und wahre Wohl der menschlichen Person in der Verwirklichung dieses göttlichen Planes besteht. Man könnte sagen, das Konzil hat im Namen der genannten „Regel für das Verständnis“ die Frage nach dem „Einklang von menschlicher Liebe und Achtung vor dem Leben“ (Gaudium etspes, Nr. 51) gestellt, und die Enzyklika Humanae vitae hat dann nicht nur an die in diesem Zusammenhang verpflichtenden sittlichen Normen erinnert, sondern beschäftigt sich zudem ausführlich mit dem Problem, daß es „möglich ist, das göttliche Gesetz zu befolgen“. Die gegenwärtigen Überlegungen zum Charakter des Dokuments Humanae vitae bereiten uns auf die spätere Behandlung des Themas der „verantwortlichen Elternschaft“ vor. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Bei unseren gegenwärtigen Überlegungen suchen wir die Lehre der Enzyklika Humanae vitae mit der Theologie des Leibes zu verbinden. Mit diesem Lehrschreiben wollte Paul VI. weiterentfalten und ergänzen, was das II. Vatikanische Konzil in der Pastoralkonstitution Gaudium et spes zum Problem der ehelichen Liebe gesagt hat. Dort heißt es: „Die Kirche erinnert daran, daß es keinen wahren Widerspruch geben kann zwischen den göttlichen Gesetzen hinsichtlich der Übermittlung des Lebens und dem, was echter ehelicher Liebe dient“ (Gaudium et spes, Nr. 51). Während das Konzil zwischen echter ehelicher Liebe und der Weitergabe des Lebens einen „wahren Widerspruch“ ausschließt, spricht die Enzyklika von einer „untrennbaren Verbindung“ dieser zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes. Bei der Verfassung dieses Lehrschreibens ging es Papst Paul VI. nicht um abstrakte ethische Normen, sondern vor allem um die pastoralen Anliegen heutiger Ehemoral. Er antwortet auf konkrete Fragen des heutigen Menschen, besonders der Eheleute. Dabei ist sich der Papst durchaus bewußt, daß die in dieser Enzyklika vorgetragene Lehre der Kirche für viele als schwierig oder sogar als unrealisierbar erscheinen mag. Er bemerkt dazu: „Sicherlich verlangt sie, wie alle großen und segensreichen Taten, ernsthaften Einsatz und viele Anstregungen auf seiten des einzelnen, der Familie und der Gesellschaft. Ja, ihre Verwirklichung wäre ohne die Hilfe Gottes, der den guten Willen des Menschen stützt und 148 AUDIENZEN UND ANGELUS stärkt, nicht möglich. Wer aber tiefer darüber nachdenkt, wird diese Anstrengungen nur als etwas sehen können, was dem Menschen Adel verleiht und der menschlichen Gemeinschaft zum Segen gereicht.“ Diesem mehr pastoralen Aspekt der Lehre dieser Enzyklika werden wir bei unseren späteren Überlegungen noch besondere Aufmerksamkeit schenken. Von Herzen grüße ich alle deutschsprachigen Teilnehmer dieser Audienz. Mit besten Ferienwünschen erbitte ich euch Gottes ständigen Schutz und Beistand mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Innere Erneuerung ist nötig Wort zur Amnestie in Polen während der Generalaudienz am 25. Juli Ich möchte heute an die Worte erinnern, die ich am 17. Juni 1983 im Schloß Belvedere in Warschau ausgesprochen habe: „Diese Erneuerung ist unerläßlich, um den guten Namen Polens in der Welt aufrechtzuerhalten, wie auch dazu, aus der inneren Krise herauszukommen und vielen Söhnen und Töchtern der Nation Leiden zu ersparen.“ Ich wiederhole heute diese Worte anläßlich der Amnestie in Polen. Ich wünsche mir, daß diese Amnestie ein Element gesellschaftlicher Erneuerung wird . . . gemäß den Prinzipien, die in den kritischen Tagen des August 1980 mit großer Mühe erarbeitet und in den Vereinbarungen enthalten sind. Ich weiß, daß der Episkopat Polens fortwährend unermüdliche Anstrengungen unternimmt, damit das von der Kirche verkündete Prinzip des Dialogs zur fruchtbaren Basis des inneren Friedens wie auch der „guten Zusammenarbeit“ wird zwischen Polen und den anderen Nationen Europas und der Welt. Ich empfehle mein Vaterland und alle Mitbürger der Muttergottes von Jasna Göra und den Schutzheiligen Polens. 149 AUDIENZEN UND ANGELUS Quelle aller echten Liebe Angelus am 29. Juli 1. Auch in der Liturgie des heutigen Sonntags erinnert uns die Lesung aus dem Matthäusevangelium an die Wahrheit vom Himmelreich, über die Jesus, der Herr, in einigen seiner Gleichnisse gesprochen hat: im Gleichnis vom Schatz, der in einem Acker vergraben war; im Gleichnis vom Kaufmann, der sich auf die Suche nach kostbaren Perlen machte; im Gleichnis vom Netz, das zum Fischfang ausgeworfen wurde. Zu gleicher Zeit lesen wir im Brief des hl. Paulus an die Römer die Zusicherung: „Brüder, wir wissen, daß Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, bei denen, die nach seinem ewigen Plan berufen sind“ (Röm 8, 28). Beim Gebet des Angelus vereinen wir uns in besonderer Weise mit Maria, der Mutter Christi. In ihr hat sich aufs erhabenste das Geheimnis des Himmelreiches hier auf Erden erfüllt. In ihr erfüllt sich das Geheimnis vom Himmelreich auf die vollkommenste Weise. Und auch durch sie spricht das Evangelium Christi zu den immer neuen Generationen der Menschen. Wir wollen darum beten, daß in jedem von uns die Gottesliebe zunehme, von der der hl. Paulus schreibt. Die Liebe ist die Quelle alles Guten, denn „alles wird zum Guten geführt bei denen, die Gott lieben“. Die Liebe ist ein Geschenk der Gnade Gottes, und sie trägt zugleich zur Vermehrung der Gnade bei. Auch unsere Berufung kommt auf diese Weise nach dem Plan Gottes zur Verwirklichung. Heute wollen wir, mit Maria verbunden, vor allem dieses für uns selbst, für unsere Lieben, für alle Menschen erbitten. 2. Mit einem besonderen Gruß möchte ich heute an die jungen Menschen denken, die die Ferien aus ihrer gewohnten Tätigkeit hinausgeführt hat und die sich freuen, fern von ihren Schulräumen und dem Bücherstudium endlich ein wenig Freiheit genießen zu können. Ich möchte jedem von ihnen wünschen, daß sie es verstehen, aus diesen besonderen und andersgearteten Wochen eine Gelegenheit zu machen, sich menschlich weiter zu entfalten in der Begegnung mit einer neuen Umwelt und mit anderen Menschen, im Anbahnen neuer Freundschaften, im Erholung schenkenden Kontakt mit der Natur, von der das moderne Leben allzuoft gewaltsam ferngehalten wird. Die Ferien werden auf diese Weise zu einer Erfahrung, die neue Spann- 150 AUDIENZEN UND ANGELUS kraft vermittelt, gerade weil sie uns die Möglichkeit geben, einerseits den Bereich der eigenen Kenntnisse zu erweitern und andererseits die Frische und die Freude wiederzugewinnen, die den einfachen und echten Dingen anhaften, denen das „künstliche“ Alltagsleben uns entfremdet hat. Das alles möge aus unserem Herzen ein Gefühl ganz lebhafter Dankbarkeit gegen den aufsteigen lassen, der der weise Schöpfer aller sichtbaren Schönheit und die letzte Quelle aller echten Liebe ist. Nach dem Angelus sagte der Papst: Ich möchte meine lebhafte Anteilnahme an der Angst und Sorge zum Ausdruck bringen, die die Eltern und Angehörigen wegen der Entführung des kleinen Vincenzo Diano aus Lazzaro in Kalabrien bedrückt. Es ist aufs höchste beklagenswert, daß selbst kleine Kinder, unschuldige Geschöpfe, die auf die hebevolle Sorge der Ihren angewiesen sind, nicht verschont werden. Ich richte meinen Appell an die Entführer, ihr Herz nicht dem Gefühl der Menschlichkeit zu verschließen, das in ihnen nicht erloschen sein kann, und ich lade alle ein zum Gebet, daß der kleine Vincenzo bald unversehrt nach Hause zurückkehren kann. Ebenso bitte ich, für die Befreiung aller anderen Entführten zu beten, die noch gefangengehalten werden, unter denen ich Alfredo Sorbara erwähnen möchte, der, ebenfalls in Kalabrien, im vergangenen Mai entführt wurde. Das Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan ausrichten Generalaudienz am 1. August 1. Für heute haben wir das Thema gewählt: „Verantwortliche Elternschaft“ im Licht der Konstitution Gaudium et spes und der Enzyklika Humanae vitae. Die Konzilskonstitution begnügt sich beim Aufgreifen des Themas damit, an die grundlegenden Voraussetzungen zu erinnern, während das päpstliche Dokument über diese Voraussetzungen hinaus den konkreten Gehalt aufweist. Der Konzilstext lautet: „. . . Wo es sich um den Ausgleich zwischen ehelicher Liebe und verantwortlicher Weitergabe des Lebens handelt, 151 AUDIENZEN UND ANGELUS hängt die sittliche Qualität der Handlungsweise nicht allein von der guten Absicht und Bewertung der Motive ab, sondern auch von objektiven Kriterien, die sich aus dem Wesen der menschlichen Person und ihrer Akte ergeben und die sowohl den vollen Sinn gegenseitiger Hingabe als auch den einer wirklich humanen Zeugung in wirklicher Liebe wahren. Das ist nicht möglich ohne aufrichtigen Willen zur Übung der Tugend ehelicher Keuschheit“ (GS 51). Und das Konzil fährt fort: „Von diesen Prinzipien her ist es den Kindern der Kirche nicht erlaubt, in der Geburtenregelung Wege zu beschreiten, die das Lehramt in Auslegung des göttlichen Gesetzes verwirft“ (GS 51). 2. Im Abschnitt, der dem eben angeführten vorausgeht (vgl. GS51), lehrt das Konzil, daß die Eheleute „in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit“ und „in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht“ ihre Aufgabe erfüllen müssen (GS 50). Das heißt, sie müssen „durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder — der schon geborenen oder zu erwartenden - achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen“ (GS 50). An diesem Punkt folgen dann besonders bedeutsame Worte, um den sittlichen Charakter der verantwortlichen Elternschaft noch genauer zu bestimmen. Wir lesen dann nämlich weiter: „Dieses Urteil müssen im Angesicht Gottes die Eheleute letztlich selbst fällen“ (GS 50). Und ferner: „In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür Vorgehen können; sie müssen auf das Lehramt der Kirche hören, das dieses göttliche Gesetz im Licht des Evangeliums authentisch auslegt. Dieses göttliche Gesetz zeigt die ganze Bedeutung der ehelichen Liebe, schützt sie und drängt zu ihrer wahrhaft menschlichen Vollendung“ (GS 50). 3. Wenn die Konzilskonstitution sich auch darauf beschränkt, nur die notwendigen Voraussetzungen für eine verantwortliche Elternschaft aufzuzeigen, so hat sie diese doch in durchaus eindeutiger Weise dargestellt, indem sie die Elemente näher erklärt, die eine so beschaffene Vaterschaft und Mutterschaft grundlegend bestimmen, nämlich das reife Urteil des persönlichen Gewissens in seiner Beziehung zu dem vom Lehramt der Kirche authentisch ausgelegten göttlichen Gesetz. 152 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die Enzyklika Humanae vitae, die auf eben diesen Voraussetzungen aufbaut, geht über dieselben hinaus, indem sie konkrete Hinweise gibt. Das wird sogleich ersichtlich aus der Art, wie sie die „verantwortliche Elternschaft“ definiert (HV10). Paul VI. sucht diesen Begriff zu erklären, indem er auf seine verschiedenen Aspekte zurückgeht und zunächst einmal ausschließt, daß er auf etwas verkürzt wird, was nur einen Teilaspekt darstellt, wie es jene tun, die ausschließlich von Geburtenkontrolle sprechen. Paul VI. läßt sich in der Tat vom Beginn seiner Argumentation an von einer integralen Sicht des Menschen (vgl. HV 7) und der ehelichen Liebe (vgl. HV 8; 9) leiten. 5. Von Verantwortlichkeit in der Ausübung der väterlichen und mütterlichen Aufgabe kann man unter verschiedenen Aspekten sprechen. So schreibt der Papst in der Enzyklika: „Was die biologischen Vorgänge angeht, bedeutet verantwortungsbewußte Elternschaft die Kenntnis und die Beachtung der mit ihnen zusammenhängenden Funktionen. So vermag der Mensch in seinen Fortpflanzungskräften die biologischen Gesetze zu entdecken, die zur menschlichen Person gehören“ (HV 10) Und wo es sich um die psychologische Dimension handelt, heißt es: „Was dann psychologisch Trieb und Leidenschaft betrifft, so meint verantwortungsbewußte Elternschaft ihre erforderliche Beherrschung durch Vernunft und Willen“ (HV 10). Geht es sodann um die sogenannten intrapersonalen Aspekte und im Zusammenhang damit um die „wirtschaftliche und soziale Situation“, so ist zu sagen, daß verantwortungsbewußte Elternschaft dann ausgeübt wird, wenn „man entweder, nach klug abwägender Überlegung, sich hochherzig zu einem größeren Kinderreichtum entschließt, oder bei ernsten Gründen und unter Beobachtung des Sittengesetzes zur Entscheidung kommt, zeitweise oder dauernd auf weitere Kinder zu verzichten“ (HV 10). Folglich Hegt in dem Begriff „verantwortliche Elternschaft“ nicht lediglich das Bereitsein, „auf weitere Kinder zu verzichten“, sondern auch die Bereitschaft, die Familie - nach Kriterien der Klugheit - größer werden zu lassen. In diesem Licht, in dem die Frage der verantworthchen Elternschaft geprüft und entschieden werden muß, bleibt der Mittelpunkt immer die „objektive sittliche Ordnung, die auf Gott zurückzuführen ist und deren Deuterin das rechte Gewissen ist“ (HV 10). 6. In diesem Bereich erfüllen die Gatten „in Wahrung der rechten Güterund Wertordnung ihre Pflichten gegenüber Gott, sich selbst, gegenüber 153 AUDIENZEN UND ANGELUS ihrer Familie und der menschlichen Gesellschaft“ (HV 10). Man kann also hier nicht von einem „Vorgehen nach eigener Willkür“ sprechen. Vielmehr sind die Gatten verpflichtet, „ihr Verhalten auf den göttlichen Schöpfungsplan auszurichten“ (HV 10). Von diesem Prinzip her begründet die Enzyklika ihre Argumentation über die „innerste Struktur des ehelichen Aktes“ und über die „unlösbaren Verknüpfungen der beiden Sinngehalte des ehelichen Aktes“ (vgl. HV 12), wie im vorausgehenden dargelegt wurde. Das die eheliche Moral betreffende Prinzip ist also deshalb die Treue zum göttlichen Plan, der sich kundtut in der „innersten Struktur des ehelichen Aktes“ und in der „unlösbaren Verknüpfung der beiden Sinngehalte des ehelichen Aktes“. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Das Thema meiner heutigen Audienzansprache ist die „verantwortliche Elternschaft“, wie sie von der Konzilskonstitution Gaudium et spes sowie von der Enzyklika Humanae vitae dargelegt wird. Laßt mich hierzu einen grundlegenden Abschnitt des Konzilstextes wörtlich anführen: Die „Aufgabe, menschliches Leben weiterzugeben“, müssen die Eltern „in menschlicher und christlicher Verantwortlichkeit“ erfüllen und in einer auf Gott hinhörenden Ehrfurcht durch gemeinsame Überlegung versuchen, sich ein sachgerechtes Urteil zu bilden. Hierbei müssen sie auf ihr eigenes Wohl wie auf das ihrer Kinder - der schon geborenen und der zu erwartenden — achten; sie müssen die materiellen und geistigen Verhältnisse der Zeit und ihres Lebens zu erkennen suchen und schließlich auch das Wohl der Gesamtfamilie, der weltlichen Gesellschaft und der Kirche berücksichtigen. Dieses Urteil müssen die Eheleute im Angesicht Gottes letztlich selbst fällen. In ihrem ganzen Verhalten seien sich die christlichen Gatten bewußt, daß sie nicht nach eigener Willkür Vorgehen können; sie müssen sich vielmehr leiten lassen von einem Gewissen, das sich auszurichten hat am göttlichen Gesetz; sie müssen hören auf das Lehramt der Kirche, das dieses göttliche Gesetz im Licht des Evangeliums authentisch auslegt“ (Nr. 50). Verantwortliche Elternschaft ist also das Ergebnis eines moralischen Urteils, das die vorgegebenen biologischen, psychologischen und sozialen Voraussetzungen der jeweiligen Ehe wertet und dabei die entsprechende Weisung des kirchlichen Lehramtes ehrlich anerkennt und einbezieht. Die Enzyklika Humanae vitae konkretisiert diese Prinzipien des Konzils. Wörtlich heißt es dort: „Verantwortliche Elternschaft wird sowohl in dem 154 AUDIENZEN UND ANGELUS abgewogenen und großherzigen Entschluß ausgeübt, eine kinderreiche Familie aufzuziehen, als auch in der aus schwerwiegenden Motiven und unter Beobachtung des Sittengesetzes getroffenen Entscheidung, zeitweise oder auf unbegrenzte Zeit die Geburt weiterer Kinder zu vermeiden“ (Nr. 10). Möge der Heilige Geist Gottes alle Ehepaare dazu führen, den konkreten Weg zu verantwortlicher Elternschaft in ihrer Ehe aufrichtig zu suchen. Mit diesem Wunsch verbinde ich zugleich einen herzlichen Segensgruß an alle Besucher deutscher Sprache, darunter auch die Pilgergruppe aus der Pfarrei St. Jakobus in Schutterwald. Gott segne euch alle! Äußerster Ausdruck der Freiheit Erinnerung an den Jahrestag des Warschauer Aufstandes während der Generalaudienz am 1. August „Es ist unmöglich, diese Stadt, Warschau, die Hauptstadt Polens, die sich im Jahre 1944 auf einen ungleichen Kampf gegen den Aggressor einließ — einen Kampf, bei dem die verbündeten Mächte sie im Stich ließen, einen Kampf, in dem sie unter ihren eigenen Trümmern begraben wurde —, zu verstehen, wenn man sich nicht daran erinnert, daß unter diesen gleichen Trümmern auch Christus, der Erlöser, mit seinem Kreuz lag, das sich heute vor der Kirche in Krakau-Vorstad befindet.“ Ich erinnere an diese Worte auf dem Siegesplatz in Warschau während meiner ersten Pilgerfahrt in mein Vaterland. Ich erinnere an sie heute, am 40. Jahrestag des Warschauer Aufstandes, um all seinen Helden, Gefallenen und Überlebenden Ehre zu erweisen. Zur selben Zeit vertraue ich durch unsere Liebe Frau von Jasna Göra mein Vaterland und die Nation der göttlichen Vorsehung an, eine Nation, die während der furchtbaren Kämpfe des Zweiten Weltkrieges keine Opfer gespart hat, um das Recht auf Unabhängigkeit zu bestätigen und selbst in ihrem eigenen Vaterland zu entscheiden. Der Warschauer Aufstand war dessen äußerster Ausdruck. Möge die Aussagekraft des heutigen Jahrestages nicht nachlassen, zum Bewußtsein der zeitgenössischen Welt zu sprechen. 155 AUDIENZEN UND ANGELUS Paul VI. bleibt unvergeßlich Angelus am 5. August 1. Morgen, am Fest der Verklärung des Herrn, jährt sich zum sechsten Mal der Todestag von Papst Paul VI., der hier, in Castel Gandolfo, in den Abendstunden starb. Er ist auch der 20. Jahrestag seiner ersten Enzyklika Ecclesiam suam. Wir wollen jetzt zur Vorbereitung auf das Angelusgebet die Gedanken hören, die dieser große Nachfolger des hl. Petrus in seinem Apostolischen Schreiben über die Marienverehrung diesem jahrhundertealten, charakteristischen marianischen Gebet widmete: „Dieses Gebet hat nach so langer Zeit nichts von seiner Kraft und seinem Glanz verloren, seine Struktur ist einfach der Heiligen Schrift entlehnt -der historische Ursprung mahnt, für Frieden und Sicherheit zu beten - in seiner zeitlichen Ansetzung heiligt es gewissermaßen (wie das liturgische Stundengebet) den Ablauf des Tages; es ruft das Ostergeheimnis in Erinnerung, denn nach der Erwähnung der Menschwerdung Christi bitten wir, „daß wir durch sein Leiden und Kreuz zur Herrlichkeit der Auferstehung geführt werden!“ (Marialis cultus, Nr. 41). Paul VI. hat in seinen 15 Pontifikatsjahren der Kirche und der Welt ein kostbares Erbe des Beispiels und der Lehre hinterlassen, dafür sind wir ihm zu Anerkennung und ewigem Dank verpflichtet. Unvergeßlich bleiben die Worte in seinem Testament, die uns erkennen lassen, mit welch einem tiefen Glauben er ruhig seinem Scheiden aus dieser Welt entgegensah: „Nun, da der Tag sich neigt und alles endet, da diese prachtvolle und dramatische irdisch-zeitliche Szenerie mir entschwindet - wie soll ich Dir, o Herr, über das Geschenk des natürlichen Lebens hinaus noch danken für jenes höhere, das Geschenk des Glaubens und der Gnade, zu dem allein am Ende mein Sein seine Zuflucht nimmt?“ (Insegnamenti di Paolo VI. XVI (1978), 591; O.R.dt., 1978, Nr. 33, S. 1). 2. Er hatte eine große, tiefe Liebe zur Kirche, und nicht weniger hat er den Menschen geliebt, geehrt und verteidigt. Er hat seine Zeit geliebt und geschätzt, von dem glühenden Wunsch beseelt, ihr die Botschaft Christi zu verkündigen. Durch sein Leben und durch seinen Tod hat er uns gelehrt, wie man Christus lieben muß und wie man sich hingeben muß für das Heil der Menschheit. Morgen, am 6. August, werde ich in der Pfarrkirche von Castel Gandolfo die heilige Messe für die ewige Ruhe meines Vorgängers feiern. Ich lade 156 AUDIENZEN UND ANGELUS darum alle hier Anwesenden und alle, die meine Stimme hören, ein, sich mit mir im Gebet für diese große Seele zu vereinen. 3. Heute möchte ich euch dazu einladen, euch verstärkt für die Heiligung des Sonntags einzusetzen. Er ist jener Tag der Woche, der dem Größten und Wichtigsten Vorbehalten ist: der „Tag des Herrn“. Der Sonntag erinnert in kurzer Zusammenfassung an den wesentlichen Inhalt des Glaubens: die Erschaffung und die Erlösung der Menschheit, und er spornt uns an, überzeugt und konsequent ein christliches Leben zu führen. Um wirklich christlich zu leben, ist es von grundlegender Bedeutung, den Tag des Herrn zu heiligen. In einem kürzlich von der Italienischen Bischofskonferenz herausgegebenen pastoralen Rundschreiben heißt es hinsichtlich der Teilnahme an der Sonntagsmesse: „Der Vater bereitet eine festliche Tafel und lädt seine Kinder dazu ein. Den Gläubigen obliegt die Pflicht, daran teilzunehmen. Es ist eine schwere Schuld, die Einladung geringschätzig abzuweisen; ihr aus ernsten Motiven nicht nachzukommen, ist Grund zum Bedauern; und ohne rechte Teilnahme dabeisein heißt, sich der Gaben berauben, die sie im Überfluß anbietet“ (Nr. 26). Von Herzen wünsche ich, daß der Sonntag in eurem christlichen Leben seine Bedeutung im geistigen Sinn hat: Möge er wirklich der Tag des Herrn sein, der der ganzen Woche und dem ganzen Leben Licht schenkt. In deutscher Sprache sagte der Papst: Herzlich grüße ich auch die Besucher deutscher Sprache, u. a. aus der Pfarrei Steinbach, und wünsche ihnen eine gesunde und eindrucksvolle Ferienzeit. Heute möchte ich euch an den großen Papst Paul VI. erinnern, der vor sechs Jahren verstorben ist. Sein tiefes Glaubenszeugnis in Wort und Tat bis hin zu seinem Abschied von dieser Erde verpflichtet uns zu bleibendem Dank. Betet zusammen mit mir für das ewige Glück, das Gott ihm schenken möge. 157 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Würde von Mann und Frau entsprechend Generalaudienz am 8. August 1. Bei unserer Begegnung in der vorigen Woche sagten wir: Nach der Lehre der Kirche besteht das Prinzip der Ehemoral im Kriterium der Treue gegenüber dem Plan Gottes (Zweites Vatikanisches Konzil, Paul VI). In Übereinstimmung mit diesem Prinzip unterscheidet die Enzyklika Humanae vitae streng zwischen der moralisch unerlaubten Weise der Geburtenregelung, oder genauer gesagt, der Regulierung der Fruchtbarkeit, und der sittlich gerechtfertigten. An erster Stelle ist moralisch unerlaubt „der direkte Abbruch einer begonnenen Zeugung“ (Abtreibung) (HV 14), die „direkte Sterilisierung“ und „jede Handlung, die entweder in Voraussicht oder während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluß an ihn beim Ablauf seiner natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel“ {HV 14). Moralisch erlaubt ist hingegen die Wahl der empfängnisfreien Zeiten {HV 16): „Wenn also gerechte Gründe dafür sprechen, Abstände einzuhalten in der Reihenfolge der Geburten - Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben -, ist es nach kirchlicher Lehre den Gatten erlaubt, dem natürlichen Zyklus der Zeugungsfunktionen zu folgen, dabei den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken und die Kinderzahl so zu planen, daß die . . . sittlichen Grundsätze nicht verletzt werden“ {HV 16). 2. Die Enzyklika unterstreicht besonders, daß es sich um „zwei ganz unterschiedliche Verhaltensweisen“ handelt {HV 16), und zwar um einen Unterschied ethischer Natur: bei der einen „machen die Eheleute von einer naturgegebenen Möglichkeit rechtmäßig Gebrauch; bei der anderen dagegen hindern sie den Zeugungsvorgang bei seinem natürlichen Ablauf“ {HV 16). Daraus ergeben sich zwei sittlich verschiedene, ja direkt entgegengesetzte Verhaltensweisen: Die natürliche Regelung der Fruchtbarkeit ist sittlich gerechtfertigt, die Empfängnisverhütung ist sittlich nicht gerechtfertigt. Dieser wesentliche Unterschied zwischen den beiden Verhaltens- bzw. Handlungsweisen betrifft die ihnen innewohnende ethische Beschaffenheit. Wenngleich also mein Vorgänger Paul VI. bestätigt: „Zweifellos sind in beiden Fällen die Gatten sich einig, daß sie aus guten Gründen Kinder 158 AUDIENZEN UND ANGELUS vermeiden wollen“, und er sogar schreibt: „und dabei möchten sie auch sicher sein“ (HV16), so räumt das Dokument mit diesen Worten nur ein, daß zwar auch jene, die von empfängnisverhütenden Praktiken Gebrauch machen, durch „gute Gründe“ dazu veranlaßt sein können; dies jedoch ändert nicht die moralische Eigenschaft, die sich auf die Struktur des ehelichen Aktes selbst gründet. 3. Hier könnte man nun einwenden, daß Eheleute, die von der natürlichen Regelung der Fruchtbarkeit Gebrauch machen, vielleicht nicht die eben erwähnten rechtmäßigen Gründe dazu haben. Das aber ist wieder eine ethische Frage für sich, wenn es sich um den moralischen Begriff „verantwortliche Elternschaft“ handelt. Vorausgesetzt, die Gründe für den Entschluß, Fruchtbarkeit zu vermeiden, sind sittlich gerechtfertigt: dann bleibt jedoch die Frage noch bestehen, wie in diesem Fall zu handeln ist; das aber zeigt sich in der Art des Vorgehens, die - nach der von der Enzyklika übermittelten Lehre der Kirche - moralisch positiven oder negativen Charakter hat. Positiv in diesem ersteren Sinn ist die natürliche Regelung der Fruchtbarkeit; negativ hingegen das andere, die künstliche Empfängnisverhütung. Ein normativ-pastoraler Zusammenhang 4. Die Schlußfolgerung ergibt sich aus der in Humanae vitae dargestellten Lehre, wenn man ihren normativen und gleichzeitig pastoralen Charakter herausstellt. In der normativen Dimension geht es darum, die sittlichen Grundsätze des Handelns genau zu bestimmen und klarzumachen; in der pastoralen Dimension muß vor allem die Möglichkeit aufgezeigt werden, wie nach diesen Prinzipien gehandelt werden kann (die Möglichkeit der Beobachtung des göttlichen Gebotes, vgl. HV 20). Wir müssen noch etwas länger dabei verweilen, den Inhalt der Enzyklika darzulegen. Zu diesem Zweck müssen wir diesen Inhalt, diesen ganzen normativ-pastoralen Zusammenhang im Licht der Theologie des Leibes sehen, die sich aus der Analyse der biblischen Texte ergibt. 5. Die Theologie des Leibes ist nicht so sehr eine Theorie als vielmehr eine ganz bestimmte, dem Evangelium gemäße, christliche Erziehung des Leibes. Das leitet sich ab aus der Eigenart der Bibel, vor allem des Evangeliums. Als Heilsbotschaft offenbart sie das, was das wahre Wohl des Menschen ist, mit dem Ziel, das Leben auf Erden - nach der Maßgabe 159 AUDIENZEN UND ANGELUS dieses Wohles - unter dem Gesichtspunkt der Hoffnung auf die zukünftige Welt auszuformen. Wenn die Enzyklika Humanae vitae diese Linie verfolgt, so antwortet sie damit auf die Frage nach dem wahren Wohl des Menschen als Person, als Mann und Frau; auf die Frage, was der Würde des Mannes und der Frau entsprechend ist, wenn es sich um die bedeutungsvolle Frage der Weitergabe des Lebens im ehelichen Zusammenleben handelt. Dieser Frage werden wir noch weitere Überlegungen widmen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Wenn die Kirche in ihrem Lehramt mit so viel Nachdruck eine Theologie des Leibes verkündet, zu der auch eine moralisch zu verantwortende Elternschaft und ein ebensolcher Zeugungsakt gehören, dann tut sie das, weil es ihr um das wahre Wohl des Menschen geht, wie Gott ihn sieht und schafft. In dieser pädagogischen Zielsetzung unterscheidet die Enzyklika Humanae vitae zwischen Verhaltensweisen und Methoden des ehelichen Umgangs, die von ihrer eigenen Natur her moralisch nicht vertretbar sind, und solchen, die von ihrem Wesen her der Menschenwürde durchaus entsprechen. Die letzteren sind deswegen moralisch erlaubt, die anderen nicht. Eine zweite Frage ist es, ob zugleich auch die Motive ausreichen und moralisch einwandfrei sind, die ein Ehepaar dazu bewegen, Methoden einer Geburtenregelung für seine Ehe zu suchen und anzuwenden. Ein Gewissensurteil, das diesen Namen verdient, muß beide Ebenen prüfen und erwägen: sowohl die objektive Natur der vorliegenden Methode als auch die subjektiven Motive in den betreffenden Personen. Nach diesen kurzen Hinweisen möchte ich den Besuchern deutscher Sprache alles Gute wünschen für ihre Ferienzeit und ihren Aufenthalt in dieser eindrucksvollen Stadt. Gott möge euch eine glückliche Heimkehr schenken in den Kreis eurer Lieben. Euch allen gilt mein Gebet und Segen. 160 AUDIENZEN UND ANGELUS Segensgruß der Kirche in Polynesien Angelus am 12. August 1. „Allmächtiger Gott, wir dürfen dich Vater nennen, denn du hast uns an Kindes Statt angenommen und uns den Geist deines Sohnes gesandt. Gib, daß wir in diesem Geist wachsen und einst das verheißene Erbe empfangen.“ So betet die ganze Kirche in der Meßliturgie des heutigen Sonntags. Sie richtet dieses Gebet, wie immer, an den Vater durch Christus, den Sohn Gottes, im Heiligen Geist. Wir wollen dieses Gebet der ganzen Kirche, das Gebet der Sonntagsliturgie, aufnehmen und in dieser Mittagsstunde den Angelus beten, indem wir uns auf das Geheimnis besinnen, von dem dieses Gebet der Kirche zu uns spricht. In der Tat, das Privileg, Gott Vater nennen zu dürfen, haben wir gerade deshalb, weil der ewige Sohn, eines Wesens mit dem Vater, Mensch geworden ist, einer von uns geworden ist. Im Augenblick der Verkündigung durch den Engel wurde er im Schoß der Jungfrau Maria empfangen, und von ihr wurde er geboren. Gerade er, der Sohn Mariens, hat uns das Vorrecht gegeben, Gott mit dem Namen Vater zu bezeichnen. Er hat es uns gegeben, weil wir in ihm und durch ihn Adoptivsöhne und -töchter Gottes geworden sind. Diese Annahme an Kindes Statt ist uns zuteil geworden in Christus, der von einer irdischen Mutter, von Maria, geboren wurde. Und Maria trägt beständig dazu bei, daß der Geist dieser uns geschenkten Gotteskindschaft in uns nicht schwächer wird, sondern an Kraft gewinnt. Die Mutter Christi, die Mutter der göttlichen Gnade, setzt sich ebenso dafür ein, daß wir, im Sohn Gottes als Kinder angenommen, auch das Erbe erlangen, das uns als Söhnen und Töchtern Gottes von ihm versprochen ist: das Erbe der Liebe und Wahrheit, das Erbe der heiligmachenden Gnade, das Erbe des ewigen Lebens. 2. Heute möchte ich den einhundertfünfzigsten Jahrestag des Anfangs der katholischen Kirche auf den Inseln des Pazifischen Ozeans ins Gedächtnis rufen. Die erste hl. Messe in diesem unermeßlichen Ozean wurde am 10. August 1834 von einem Missionar aus der Kongregation von den heiligen Herzen Jesu und Mariens an Bord eines Schiffes nahe bei einer der Gambierinseln gefeiert, und am 15. August brachten die beiden dorthin gesandten Missionare das hl. Opfer auf polynesischem Boden dar. Von da an hat sich die Kirche allmählich ausgebreitet, bis sie die heutige 161 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirchenprovinz von Papeete bildete. Diese ist verstreut über 108 Hauptinseln, die fünf Archipele bilden und in einem Meeresraum von der Ausdehnung Europas liegen. Zu diesem freudigen Anlaß, der dort feierlich begangen wird und durch die Anwesenheit des Päpstlichen Legaten Kardinal Bernardin Gantin noch besondere Bedeutung erhält, sende ich der Kirche, die in Polynesien ist, einen herzlichen Segensgruß. Euch alle lade ich ein zu inständigem Gebet für diese kleine und ferne, im Gefüge der katholischen Kirche aber kräftig entwickelte und wichtige Gemeinschaft, damit das Evangelium mit Mut und Ausdauer dort weiter verkündigt und gelebt wird, zum bürgerlichen und sozialen Fortschritt und zum Heil der Seelen. Auch heute muß ich zu meiner großen Betrübnis einen leidvollen Appell aussenden für die Befreiung des jungen Francesco Perillo aus San Giuseppe Vesuviano, der im vergangenen April geraubt wurde und über den Nachrichten fehlen. Ich nehme teil am Schmerz der Angehörigen und mache mich zum Dolmetscher ihrer Angst und Not, und im Namen Gottes fordere ich die Entführer auf, den lieben Jungen baldigst freizugeben. Ich lade alle ein zu beten, daß die Leidenden getröstet werden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Auch die deutschsprachigen Besucher heiße ich herzlich willkommen zu diesem Gebet am Sonntagmittag. Mein besonderes Anliegen, das ich heute auch euch anvertraue, ist heute die katholische Ortskirche auf den ungezählten Inseln des Pazifischen Ozeans, so weit von uns entfernt und doch uns so nahe im gemeinsamen Glauben an den dreieinigen Gott. Diese Gemeinden begehen die 150-Jahr-Feier des Missionsbeginns in Ozeanien. Diesen fernen Brüdern und Schwestern gilt unser Glück- und Segenswunsch! Maria: die Erste der Erlösten Angelus am 15. August 1. „Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15, 21-23). 162 AUDIENZEN UND ANGELUS In der Liturgie des heutigen Hochfestes der Aufnahme der Gottesmutter in den Himmel läßt uns die Kirche diese Worte aus dem ersten Brief an die Korinther lesen. 2. „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft . . .“ Die Jungfrau von Nazaret war Tochter Adams, in dem alle sterben. Die Jungfrau von Nazaret wurde die Mutter Christi: Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft. Und sie empfing vom Heiligen Geist. In Christus werden alle das Leben empfangen. Ehe die Jungfrau von Nazaret Mutter Christi wurde, hat sie schon durch Christus das Leben empfangen, vom ersten Augenblick ihrer Empfängnis an. Sie war eine Tochter Adams, aber sie wurde von der Erbschuld Adams durch die Verdienste Christi, des Erlösers, ausgenommen. Sie war die Immaculata, die Unbefleckt Empfangene. Die Mutter des Erlösers sollte die Erste der Erlösten sein. 3. Da sie in Christus im ersten Augenblick ihrer irdischen Empfängnis das Leben empfangen hatte, sprach sie ihr „Fiat“: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Sie sprach dieses „Fiat“ und nahm die ganze Fülle des Lebens in Christus auf, an dem die Söhne und Töchter Adams durch die Erlösungstat Jesu teilhaben. Sie ist also die Erste derer, die dieses Leben empfingen, denn sie gehörte mehr als alle Christus an in der Zeit, als er gekommen war. Sie ist durch die Auferstehung Christi die Erste derer, die zum Leben erweckt wurden. Heute, am 15. August, dem Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel, verehrt und bedenkt die ganze Kirche dieses Geheimnis. In deutscher Sprache sagte der Papst: Ebenso grüße ich auch die Besucher deutscher Sprache an diesem hohen Festtag Mariens: Wir bekennen, daß sie als Ersterlöste bereits jetzt mit1 ihrer ganzen Person, mit Leib und Seele, ihr ewiges Heil in Gott erreicht hat. Auch uns ist dieses Heil verheißen; wir sind unterwegs zu ihm, wenn wir in Glaube, Hoffnung und Liebe mit Gott verbunden bleiben und nach seinem heiligen Willen leben. Helfen wir uns gegenseitig, daß wir diesen Weg nicht verfehlen und das Ziel unseres Lebens wirklich erreichen. Das ist mein Festwunsch für euch alle. 163 AUDIENZEN UND ANGELUS Um alle Völker zu lehren Angelus am 19. August 1. Die Kirche betet heute für alle Völker der Erde. Das zeigt uns die Liturgie der Messe, besonders der Psalm mit seinem Antwortvers: „Alle Völker, lobet den Herrn!“ 2. Mit diesen Worten des Psalms beten wir vor allem um den Segen Gottes und das Heil für alle Völker: „Gott sei uns gnädig und segne uns. Er lasse über uns sein Angesicht leuchten, damit auf Erden sein Weg erkannt wird und unter allen Völkern sein Heil“ (Ps 66/67, 2-3). Am Abschluß seiner missionarischen Sendung auf Erden sandte Christus, der Herr, die Apostel aus, um „alle Völker“ zu lehren (vgl. Mt 28, 19); damit alle die Frohe Botschaft kennenlernten, nämlich den Weg des Heils, den Gott in seiner ewigen Liebe den Menschen und den Völkern erwiesen hat. 3. Der Psalm fährt dann mit folgenden Worten fort: „Die Nationen sollen sich freuen und jubeln. Denn du richtest die Völker nach Recht und regierst die Nationen auf Erden ... Es segne uns Gott. Alle Welt fürchte und ehre ihn“ (Vers 5 und 8). Der Schöpfer hat den Menschen und der menschlichen Gesellschaft den Verstand und die Klugheit gegeben: In einem gewissen Sinn ist der Mensch „Vorsehung“ für sich selbst. Aber diese menschliche Vorsehung ist begrenzt, ebenso wie auch die menschliche Gerechtigkeit. Die Kirche ruft für die Völker, für die Nationen und für die Menschheit die Gerechtigkeit Gottes an, die endgültig und barmherzig ist. Gott führt die Menschheit auf den Weg des Heils, das heißt der Rechtfertigung in Jesus Christus. Die Kirche ruft für die Völker und für die ganze Menschheit die barmherzige Vorsehung Gottes an, daß diese sie vor den vielfältigen Übeln beschütze, die sie bedrohen, und damit sie das Heil finden können: den Weg der Gerechtigkeit und des Friedens. Es soll unser inständiger Wunsch sein, daß Maria - vor allem beim Beten des Angelus - unser Gebet, das Gebet der Kirche, unterstütze, sie, die in Jesus Christus die Mutter der Menschen und der Völker ist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Eine gute und erholsame Ferienzeit wünsche ich auch den Besuchern aus 164 AUDIENZEN UND ANGELUS den Ländern deutscher Sprache. Ihr habt bemerkt, daß ihr hier unter vielen Menschen aus allen Teilen der Welt steht. Betet füreinander, daß die Völker der Erde Gerechtigkeit und Frieden finden und alle einmal zu ihrem ewigen Ziel in Gott gelangen. Das sei mein Sonntagswunsch für euch und eure Familien. Der Leib ist Ausdrucksmittel des ganzen Menschen Generalaudienz am 22. August 1. Welches ist der Kern der Lehre der Kirche über die Weitergabe des Lebens in der ehelichen Gemeinschaft, jener Lehre, die uns die Pastoral-konsitution des Konzils Gaudium et spes und die Enzyklika Humanae vitae Papst Pauls VI. in Erinnerung bringt? Das Problem liegt im Erhalten des Gleichgewichts zwischen dem, was als „Beherrschung . . . der Kräfte der Natur“ (HV2) bezeichnet wird, und der „Selbstbeherrschung“ (HV21), die für die menschliche Person unerläßlich ist. Der Mensch von heute neigt dazu, die dem ersten Bereich eigenen Methoden auf den zweiten zu übertragen. „Schließlich ist vor allem der staunenswerte Fortschritt des Menschen in der Beherrschung der Naturkräfte und deren rationaler Auswertung in Betracht zu ziehen. Diese Herrschaft sucht nun der Mensch auf sein ganzes Leben auszudehnen: auf seinen Körper, seine seelischen Kräfte, auf das soziale Leben und selbst auf die Gesetze, die die Weitergabe des Lebens regeln“ (HV 2). Diese Ausdehnung des Bereiches der Mittel zur „Beherrschung der Kräfte der Natur“ bedroht die menschliche Person, der die Methode der „Selbstbeherrschung“ eigen ist und bleibt. Diese Selbstbeherrschung entspricht tatsächlich der grundlegenden Konstitution der Person: Sie ist eine „natürliche“ Methode. Die Übertragung der „künstlichen Mittel“ hingegen zerbricht die konstitutive Dimension der Person, bringt den Menschen um die ihm eigene Subjektivität und macht ihn zum Gegenstand der Manipulation. 2. Der menschliche Leib ist nicht nur das Feld sexueller Regungen, sondern gleichzeitig das Ausdrucksmittel des ganzen Menschen, der Person, die sich selbst durch die „Sprache des Leibes“ offenbart. Diese 165 AUDIENZEN UND ANGELUS „Sprache“ hat eine wichtige zwischenpersönliche Bedeutung, besonders wenn es sich um die gegenseitigen Beziehungen von Mann und Frau handelt. Darüber hinaus zeigen unsere früheren Analysen, daß die „Sprache des Leibes“ in diesem Fall auf einer bestimmten Ebene die Wahrheit des Sakramentes ausdrücken muß. Am ewigen Liebesplan Gottes teilnehmend, wird die „Sprache des Leibes“ tatsächlich fast zu einer „Prophezie des Leibes“. Man kann sagen, daß die Enzyklika Humanae vitae diese Wahrheit über den Leib des Menschen in seiner Männlichkeit und Weiblichkeit bis zu den äußersten Konsequenzen nicht nur der Logik und der Moral, sondern auch der Praxis und Pastoral führt. 3. Die Einheit der beiden Aspekte des Problems - der sakramentalen (oder theologischen) und der personalen Dimension - entspricht der ganzheitlichen „Offenbarung des Lebens“. Daraus ergibt sich auch die Verbindung des eigentlich theologischen mit dem ethischen Standpunkt, der sich auch auf das Naturgesetz bezieht. Subjekt des Naturgesetzes ist der Mensch nämlich nicht nur im natürlichen Aspekt seiner Existenz, sondern auch in der ganzheitlichen Wahrheit seiner persönlichen Subjektivität. In der Offenbarung zeigt er sich uns als Mann und Frau, in seiner vollen Berufung für Zeit und Ewigkeit. Er ist von Gott dazu berufen, Zeuge und Deuter des ewigen Liebesplanes Gottes zu sein, indem er Verwalter des Sakramentes wird, das von Anfang an im Zeichen der Einheit des Fleisches eingesetzt ist. 4. Als Verwalter eines Sakramentes, das durch den Konsens zustandekommt und sich durch die eheliche Vereinigung vollendet, sind Mann und Frau dazu berufen, jene geheimnisvolle Sprache ihrer Leiber in der ganzen ihr eigenen Wahrheit auszudrücken. Durch Gesten und Reaktionen, durch die gesamte wechselseitig sich bedingende Dynamik der Spannung und der Lust - deren direkte Quelle der Leib in seiner Männlichkeit und Weiblichkeit ist, der Leib in seinem eigenen und wechselseitigen Handeln durch all das „spricht“ der Mensch, die Person. Mann und Frau vollziehen in der „Sprache des Leibes“ jenen Dialog, der nach Gen 2, 24-25 am Schöpfungstag seinen Anfang nahm. Gerade im Bereich dieser „Sprache des Leibes“, die mehr ist als bloß sexuelle Reaktion und die, als echte Sprache der Personen Erfordernissen der Wahrheit, d. h. objektiven moralischen Normen unterliegt, sprechen Mann und Frau sich gegenseitig aus, und zwar auf die vollste und tiefste Weise, die ihnen von der körperlichen Dimension ihrer Männlichkeit und 166 AUDIENZEN UND ANGELUS Weiblichkeit ermöglicht wird: Mann und Frau bringen sich im ganzen Ausmaß der Wahrheit ihrer Person zum Ausdruck. 5. Der Mensch ist eben deshalb Person, weil er Herr über sich selbst ist. Als Herr seiner selbst kann er sich dem anderen schenken. Diese Dimension der Freiheit der Hingabe wird für jene „Sprache des Leibes“ wesentlich und entscheidend, in der Mann und Frau sich gegenseitig in der ehelichen Vereinigung ausdrücken. Da es sich um eine Gemeinschaft von Personen handelt, muß die Sprache des Leibes nach den Grundsätzen der Wahrheit beurteilt werden. Gerade an diese Grundsätze erinnert die Enzykhka Humanae vitae, wie die eben zitierten Stellen beweisen. 6. Nach dem Kriterium dieser Wahrheit, die in der „Sprache des Leibes“ zum Ausdruck kommen muß, bedeutet der ehehche Akt nicht nur die Liebe, sondern auch die mögliche Fruchtbarkeit und darf daher nicht durch künstliche Eingriffe um seine volle ihm eigene Bedeutung gebracht werden. Beim ehelichen Akt ist es unzulässig, Vereinigung und Fortpflanzung künstlich zu trennen, da beide der inneren Wahrheit des ehelichen Aktes zugehören: die eine wird zusammen mit der anderen verwirklicht und in gewissem Sinn sogar die eine durch die andere. Das lehrt die Enzyklika (vgl. HV 12). Daher hört in einem solchen Fall der ehehche Akt auf, ein Akt der Liebe zu sein, denn er wird künstlich seiner Kraft zur Fortpflanzung beraubt und verliert damit seine innere Wahrheit. 7. Man kann sagen, daß im Fall einer künstlichen Trennung dieser beiden Funktionen sich im ehelichen Akt zwar eine echte körperliche Vereinigung vollzieht, daß diese jedoch nicht der inneren Wahrheit und Würde der Gemeinschaft von Personen entspricht. Diese Gemeinschaft erfordert nämlich, daß die „Sprache des Leibes“ auf beiden Seiten in der vollen Wahrheit ihrer Bedeutung vollzogen wird. Wenn diese Wahrheit fehlt, kann man weder von der Wahrheit der Beherrschung seiner selbst noch von der Wahrheit der gegenseitigen Hingabe und Annahme durch das jeweilige Gegenüber sprechen. Diese Verletzung der inneren Ordnung der ehelichen Vereinigung, deren Wurzeln in die personale Verfassung des Menschen hinabreichen, ist das eigentliche Übel des empfängnisverhütenden Aktes. 8. Diese Auslegung der Morallehre der Enzyklika Humanae vitae hat als umfassenden Hintergrund die zur Theologie des Leibes gehörenden Gedanken. Insbesondere gelten für diese Auslegung die Gedanken über 167 AUDIENZEN UND ANGELUS das „Zeichen“ im Zusammenhang mit der als Sakrament verstandenen Ehe. Das Wesen der Verletzung des ehelichen Aktes und seiner inneren Ordnung kann ohne ein Bedenken der „Begierlichkeit des Fleisches“ theologisch nicht richtig verstanden werden. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Um die Lehre des Konzils und der Enzyklika Humanae vitae von einem moralisch guten ehelichen Leben richtig zu verstehen, ist auch folgender Gesichtspunkt wichtig: Wir Menschen haben uns daran gewöhnt, alle Naturdinge um uns herum zu ergreifen, zu bearbeiten und zu gestalten. Alle Dinge sind zu Objekten unseres Handelns geworden. Nun sind wir versucht, auch unseren menschlichen Leib mit all seinen Funktionen ausschließlich als ein solches Objekt zu behandeln. Dabei übersieht man aber, daß der Leib vor allem ein untrennbarer Teil unserer Person ist, daß er Anteil hat an unserem Sein als Subjekt, das erkennt und liebt und handelt. Unsere Person spricht sich durch den Leib aus, auch im ehelichen Ungang. Wichtiger als die Frage, was man alles mit dem Leib manipulierend anstellen kann, ist also die Frage, wie diese „Sprache des Leibes“ geformt sein muß, damit sie der inneren Wahrheit des Menschen entspricht und ein getreues Abbild der menschlichen Person und ihrer Liebe wird. Das aber ist nun die Lehre der Kirche, daß die volle Wahrheit des Leibes bei der ehelichen Begegnung sowohl die personale Einswerdung umfaßt als auch die grundsätzliche Bereitschaft, neues Leben zu wecken. Einen dieser Aspekte bewußt und aktiv auszuschließen, würde die Sprache des Leibes im ehelichen Akt verkürzen, verfälschen und zur Lüge machen. Gott aber hat den Menschen zur Fülle berufen, auch im Weiterschenken seiner personalen Werte in Ehe und Familie. Diesen wichtigen Gedanken, den ich hier nur kurz andeuten konnte, vertraue ich eurer persönlichen Betrachtung und Erfahrung an. Zugleich aber erinnere ich daran, daß die Kirche neben Ehe und Familie noch eine zweite Lebensweise anerkennt und hochschätzt, in der ebenfalls die personalen Werte von Menschen an diese Welt weitergeschenkt und so an Gott, den Schöpfer, dankend und lobend zurückgeschenkt werden: Ich meine das Ordensleben von Männern und Frauen, die sich vor Gott und für Gottes Reich freiwillig zu einem Leben in Ehelosigkeit, Armut und Gehorsam entscheiden. Damit wende ich mich heute besonders den Ordensschwestern zu, die am Generalkapitel ihrer Gemeinschaft der Franziskanerinnen von Dillingen 168 AUDIENZEN UND ANGELUS teilnehmen. Herzlich willkommen bei dieser Audienz! Ich beglückwünsche euch zur neuen Fassung der Regel der Brüder und Schwestern des Regulierten Dritten Ordens des hl. Franziskus. Vertieft euch durch Gebet und Gespräch, durch Studium und Gewissenserforschung in diesen wertvollen Text und meßt daran eure besonderen Konstitutionen und vor allem das konkrete Leben eurer Schwestern in vier Erdteilen. Der Herr segne all euer ehrliches Bemühen und schenke euch Kraft und Freude in seiner Nachfolge unter dem bleibenden Vorbild der Heiligen Franziskus und Klara. Zusammen mit euch grüße ich noch einmal in aufrichtiger Verbundenheit alle Besucher deutscher Sprache. In niederländischer Sprache sagte der Papst: En nu een speciaal hartelijke begroeting voor de trouwe pelgrims uit Oudenbosch, bisdom Breda, een parochie beroemd omdat Zouavenpa-stoor Pater Hellemons - wij herdenken eerbiedig de honderdste verjaar-dag von zijn verscheiden - daar een eeuw geleden de basiliek heeft gebouwd als een liefdevolle nabootsing van de grote Sint Pieter. Ik dank de begeleidende priesters, de moedige Heer van de Born en U allen. De paus draagt Oudenbosch in zijn bijzondere Zegen. Tevens groet ik gaarne alle andere Nederlandstalige pelgrims wie ik mijn zegen schenk als onderpand van Gods rijke gaven over U en al Uw dierbaren. Denkt an Litauen Angelus am 26. August 1. Heute wollen wir uns beim Gebet des Angelus vor allem mit der Kirche in Litauen vereinen. Wie beim liturgischen Gedenktag am 4. März, so versammeln sich auch heute die Bischöfe dieser Ortskirche mit ihren Gläubigen und mit ihnen die ganze geliebte Nation in Wilna am Grab des hl. Kasimir, des Patrons von Litauen, zum feierlichen Abschluß der 500-Jahr-Feier seines Todes. Als ich am vergangenen 4. März in der vatikanischen Basilika mit den Vertretern der europäischen Bischöfe die heüige Messe zu Ehren des hl. Kasimir feierte, wollte ich damit meine geistige Teilnahme an den Jubi- 169 AUDIENZEN UND ANGELUS läumsfeierlichkeiten bekunden und meine tiefe Verbundenheit mit der Gemeinschaft der Katholiken und dem ganzen litauischen Volk in dieser besonderen Zeit der Gnade, einem bedeutsamen Abschnitt in der Geschichte dieser Nation. Ja, der hl. Kasimir „bleibt ein Zeuge für das Geheimnis der Erlösung und ein Zeichen für jene Hoffnung, in der wir alle das Heil gefunden haben“. 2. Heute bekundet die ganze Weltkirche erneut „ihre katholische Einheit mit der Kirche, die sich in Litauen um die 500jährige Tradition des hl. Kasimir versammelt“. Ich möchte wiederholen, was ich am 4. März sagte: „Die ganze Weltkirche macht mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, eine geistige Pilgerfahrt zum Heiligtum von Wilna, wo der Patron Litauens begraben liegt. Es ist eine Pilgerfahrt des Glaubens und der Liebe, die uns in Jesus Christus, dem Sohn Gottes und Mariens, verbindet und vereint.“ Dieses besondere Gebetsanliegen wollen wir an den Vater richten durch die Fürsprache der heiligen Jungfrau, die in Wilna beim „Tor der Morgenröte“ (Ausros Vartai) als die Mutter der Barmherzigkeit verehrt wird. In ihrem Mutterherzen sind wir der litauischen Gemeinschaft brüderlich verbunden, jener Gemeinschaft, die sich in allen Bedrängnissen und Schwierigkeiten, von denen ihr Weg durch die Geschichte gekennzeichnet ist, so stark und treu erwiesen hat. Weder mir noch meinem Vertreter, dem Kardinalstaatssekretär, war es möglich, an den Feierlichkeiten teilzunehmen, doch wir geben die Hoffnung nicht auf, unsere Botschaft auch zu diesen fernen Glaubensbrüdern zu bringen, die uns gerade deshalb geistig sehr nahestehen. So weit entfernt sind sie ja auch wieder nicht: Es sind nur zwei Flugstunden. Tiefbewegt zelebrierte ich gestern, am Vorabend der Feierlichkeiten in Litauen, in meiner Kapelle in Castel Gandolfo eine Messe in Litauisch. 3. Die heilige Jungfrau erwirke allen unseren litauischen Brüdern die Gnade, nach dem Beispiel des hl. Kasimir im Zeugnis des Glaubens und der Liebe beharrlich zu bleiben, damit so vor allen Menschen die Einheit und der geistliche Reichtum der Kirche in Litauen aufleuchte, fruchtbar im Guten und Zeichen der Hoffnung für die Welt. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern deutscher Sprache! Im Gebet, das ich soeben auf die Fürsprache Marias an Gott gerichtet habe, war ich in Gedanken und mit dem Herzen mit der Kirche Christi in 170 AUDIENZEN UND ANGELUS Litauen verbunden, die sich heute mit ihren Bischöfen und Priestern am Grab des hl. Kasimir versammelt, um ihren Glauben an Gott, den einzigen Schöpfer und Erlöser des Menschen, öffentlich zu bekennen. Schenkt auch ihr diesen so bedrängten Menschen eure Aufmerksamkeit und euer Gebet! Selbstbeherrschung bereichert Generalaudienz am 29. August 1. Wenn die Enzyklika Humanae vitae das sittliche Übel der Empfängnisverhütung aufzeigt, so billigt sie zu gleicher Zeit vollkommen die natürliche Geburtenregelung und dementsprechend die verantwortliche Elternschaft. Vom ethischen Standpunkt aus müssen wir ausschließen, daß unter „verantwortlich“ jene Art der Zeugung und Empfängnis verstanden wird, bei der man empfängnisverhütende Mittel anwendet, um die Fruchtbarkeit zu regeln. Der echte Begriff „verantwortliche Elternschaft“ ist vielmehr an die vom ethischen Standpunkt aus einwandfreie Geburtenregelung gebunden. 2. Dazu lesen wir: „Sittlich geordnete Geburtenregelung verlangt von den Gatten vor allem eine volle Anerkennung und Wertschätzung der wahren Güter des Lebens und der Familie, ferner eine ständige Bemühung um allseitige Beherrschung ihrer selbst und ihres Trieblebens. Ganz sicher ist diese geistige Herrschaft über den Naturtrieb ohne Askese nicht möglich. Nur so vermag man die dem ehelichen Leben eigentümlichen Ausdrucksformen der Liebe in Einklang zu bringen mit der rechten Ordnung. Das gilt besonders für jene Zeiten, in denen man Enthaltsamkeit üben muß. Solche Selbstzucht, Ausdruck ehelicher Keuschheit, braucht keineswegs der Gattenliebe zu schaden; sie erfüllt sie vielmehr mit einem höheren Sinn für Menschlichkeit. Solche Selbstzucht verlangt zwar beständiges Sich-Mühen; ihre heilsame Kraft aber führt die Gatten zu einer volleren Entfaltung ihrer selbst und macht sie reich an geistlichen Gütern. . .“ (HV21). 3. Die Enzyklika wirft sodann Licht auf die Folgen eines solchen Verhaltens nicht nur hinsichtlich der Eheleute selbst, sondern im Hinblick auf die 171 AUDIENZEN UND ANGELUS ganze Familie als Gemeinschaft von Personen. Diesen Gedanken müssen wir noch einmal in Betracht ziehen. Er unterstreicht, daß die sittlich einwandfreie Geburtenregelung von den Gatten eine ganz bestimmte Einstellung hinsichtlich der Familie und der Fortpflanzung fordert, nämlich „eine volle Anerkennung und Wertschätzung der wahren Güter des Lebens und der Familie“ (HV 21). Von dieser Voraussetzung aus muß man an die Betrachtung der ganzen Frage herangehen, wie es die Bischofssynode 1980 („Uber die Aufgabe der christlichen Familie“) getan hat. Im Anschluß an diese Synode hat die Lehre über die Frage der Ehe- und Familienmoral, von der die Enzyklika Humanae vitae handelt, den richtigen Platz und die entsprechende Betrachtungsweise im gesamten Zusammenhang des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio gefunden. Die Theologie des Leibes, vor allem als Erziehung des Leibes, wurzelt in gewissem Sinn in der Theologie der Familie und führt gleichzeitig zu ihr hin. Die Erziehung des Leibes, zu der heute die Enzyklika Humanae vitae den Schlüssel bildet, ist nur aus dem vollen Zusammenhang einer richtigen Sicht der Werte des Lebens und der Familie zu verstehen. In bezug auf den „natürlichen Zyklus“ 4. In den oben angeführten Worten Papst Pauls VI. wird die eheliche Keuschheit angesprochen, wenn es heißt, daß die periodische Beobachtung der Enthaltsamkeit jene Form der Selbstbeherrschung ist, in der „die eheliche Keuschheit“ zum Ausdruck kommt {HV21). Wenn wir jetzt diese Frage näher untersuchen wollen, müssen wir uns die gesamte Lehre von der Keuschheit als Leben des Geistes vor Augen halten (vgl. Gal 5, 25), wie wir es schon früher betrachtet haben, um die Hinweise der Enzyklika über das Thema der periodischen Enthaltsamkeit verstehen zu können. Diese Lehre ist in der Tat die eigentliche Begründung, von der aus die Unterweisung Pauls VI. den Begriff der sittlich einwandfreien Geburtenregelung und der verantwortlichen Elternschaft entwickelt. Womit auch in diesem Fall der Begriff „periodische Enthaltsamkeit“ sich auf den sogenannten „natürlichen Zyklus“ {HV 16) bzieht, so ist doch die Enthaltsamkeit an sich eine bestimmte und bleibende, sittliche Haltung, sie ist eine Tugend, und daher erhält die von ihr geleitete Verhaltensweise den Charakter einer Tugend. Die Enzyklika unterstreicht sehr klar, daß es sich hier nicht bloß um eine gewisse „Technik“ handelt, sondern um Ethik im eigentlichen Sinn des Wortes als Sittlichkeit einer Verhaltensweise. 172 AUDIENZEN UND ANGELUS Dementsprechend hebt die Enzyklika die Notwendigkeit hervor, in dem Verhalten, von dem wir sprachen, einerseits die vom Schöpfer festgesetzte Ordnung zu beachten, und andererseits den unmittelbar ethischen Charakter der Motivierung. Menschliches Leben ist heilig 5. Hinsichtlich des ersteren lesen wir: „Wer das Geschenk ehelicher Liebe genießt und sich dabei an die Zeugungsgesetze hält, der verhält sich nicht, als wäre er Herr über die Quellen des Lebens, sondern er stellt sich vielmehr in den Dienst des auf den Schöpfer zurückgehenden Planes“ (HV 13). „Das menschliche Leben ist heilig“, hat unser Vorgänger ehrwürdigen Andenkens, Johannes XXIII., in der Enzyklika Mater et magistra gesagt, „denn es verlangt von seinem ersten Auf keimen an das schöpferische Eingreifen Gottes“ (AAS 53, 1961; vgl. HV 13). Hinsichtlich der unmittelbaren Motivierung fordert die Enzyklika Humanae vitae, das „gerechte Gründe“ vorhanden sein müssen, wenn „Abstände in der Reihenfolge der Geburten“ eingehalten werden sollen, „Gründe, die sich aus der körperlichen oder seelischen Situation der Gatten oder aus äußeren Verhältnissen ergeben . . .“ (HV 16). 6. Im Fall einer moralisch gerechtfertigten Geburtenregelung durch periodische Enthaltsamkeit handelt es sich ganz klar darum, eheliche Keuschheit zu üben, d. h., eine bestimmte ethische Haltung zu verwirklichen. Nach biblischem Sprachgebrauch würden wir sagen, es handelt sich darum, aus dem Geist zu leben (vgl. Gal5, 25). Die moralisch verantwortbare Geburtenregelung wird auch „natürliche Regelung der Fruchtbarkeit“ genannt, und man kann das aus der Übereinstimmung mit dem Naturgesetz erklären. Unter Naturgesetz verstehen wir hier die Ordnung der Natur auf dem Gebiet der Fortpflanzung, sofern diese Ordnung richtig, nämlich als Ausdruck des göttlichen Schöpfungsplans hinsichtlich des Menschen, verstanden wird. Gerade das ist es, was die Enzyklika wie auch die gesamte Überlieferung der christlichen Lehre und des christlichen Lebens besonders unterstreicht: -Der Tugendcharakter, der in der „natürlichen“ Regelung der Fruchtbarkeit zum Ausdruck kommt, wird nicht so sehr bestimmt durch die Treue gegenüber einem unpersönlichen Naturgesetz, sondern durch die Treue gegenüber der Person des Schöpfers; er ist die Quelle und der Herr jener Ordnung, die in diesem Gesetz offenbar wird. Von diesem Gesichtspunkt aus ist es eine Entstellung des wahren Gedan- 173 AUDIENZEN UND ANGELUS kens der Enzyklika Humanae vitae, wenn man lediglich die biologische Regelung, losgelöst von der Ordnung der Natur, d.h. vom Plan des Schöpfers, im Blick hat (vgl. HV14). Sicher, das Dokument setzt diese biologische Regelung voraus, ja es ermahnt die dafür Zuständigen, sie noch weiterhin zu studieren und in vertiefter Kenntnis zur Anwendung zu bringen, aber es will diese Regelung immer gesehen wissen als Ausdruck der Ordnung der Natur, d. h. des vom Schöpfer vorgesehenen Planes, in dessen treuer Befolgung das wahre Wohl des Menschen besteht. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Die Enzyklika Humanae vitae wendet sich, wie ihr wißt, gegen künstliche Methoden der Geburtenregelung. Naturgegebene Methoden aber, wie vor allem die periodische Enthaltsamkeit, erkennt die Enzyklika durchaus an. Sie empfiehlt sie sogar, wenn berechtigte Motive einem Ehepaar die Beschränkung der Zahl ihrer Kinder nahelegen. Moralisch einwandfreie Motive und eine ebensolche Methode: beides zusammen gibt erst das Recht, im konkreten Fall von „verantwortlicher Elternschaft“ zu sprechen. Wörtlich sagt dazu die Enzyklika: „Eine sittlich erlaubte Anwendung der Geburtenregelung verlangt vor allem von den Eheleuten, daß sie eine feste Einstellung zu den wahren Werten des Lebens und der Familie erwerben und besitzen und daß sie nach der Erlangung einer vollkommenen Selbstbeherrschung streben. Die Beherrschung des Trieblebens durch die Vernunft und den freien Willen verlangt zweifelsohne eine gewisse Askese, damit sich die Bekundung ehelicher Liebe bei den Gatten in der rechten Ordnung vollzieht, besonders bei Einhaltung der periodischen Enthaltsamkeit. Diese zur ehelichen Keuschheit gehörende Zucht und Ordnung tut der ehelichen Liebe in keiner Weise Abbruch, sondern verleiht ihr vielmehr einen hohen menschlichen Wert. Sie verlangt zwar eine ständige Anstrengung, aber dank ihres segensreichen Einflusses entfalten die Eheleute ihre Persönlichkeit voll und ganz, indem sie reicher werden an geistigen Werten“ (Nr. 21). Die wahre Lebensweisheit dieser Worte enthüllt sich vielleicht noch nicht beim ersten Hören und Lesen; sie wollen öfter bedacht und mit den wechselnden Erfahrungen des Ehelebens verglichen werden. Ich bitte euch, die lohnende Mühe auf euch zu nehmen. Zugleich grüße ich noch einmal alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache, darunter vor allem den Madrigalchor aus Zell am See 174 AUDIENZEN UND ANGELUS in Österreich. Herzlichen Dank und aufrichtige Anerkennung für die guten Proben eures Könnens! Gott segne euch und eure Familien! In niederländischer Sprache sagte der Papst: Alle nederlandstalige pelgrims zijn hartelijk welkom hier bij Christus’ nederige plaatsbekleder; mijn apostolische Zegen haat uit naar de francis-kaanse grope uit het bisdom Roermond en naar al degenen van het Rijswijkse Hotelplan. „ Warum lebe ich?“ Angelus am 2. September 1. „Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben verliert? Um welchen Preis kann denn ein Mensch sein Leben zurückkaufen?“ {Mt 16, 26). Diese Worte Jesu Christi aus dem Matthäusevangelium, die wir heute gehört haben, berühren die grundlegende Frage: Warum lebe ich? Welchen Wert hat die Seele des Menschen? Welches Gut kann ihr vollkommene Erfüllung schenken? 2. Die Konstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Gaudium etspes drückt diese fundamentale Frage aus: „Was ist der Mensch? Was ist der Sinn des Schmerzes, des Bösen, des Todes - alles Dinge, die trotz solchen Fortschritts noch immer weiterbestehen? Wozu diese Siege, wenn sie so teuer erkauft werden mußten? Was kann der Mensch der Gesellschaft geben, was von ihr erwarten? Was kommt nach diesem irdischen Leben?“ (Nr. 10). 3. In der heutigen Liturgiefeier sagt der Psalmist: „Gott, du mein Gott, ich suche dich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser . . . Deine Huld ist besser als Leben“ (Ps 62/63, 2.4). 4. Diesen Gedanken, die die Liturgie des heutigen Sonntags erfüllen, entspricht auch das Tagesgebet der Messe: „Allmächtiger Gott, von dir kommt alles Gute. Pflanze in unser Herz die Liebe zu deinem Namen ein. 175 AUDIENZEN UND ANGELUS Binde uns immer mehr an dich, damit in uns wächst, was gut und heilig ist. Wache über uns und erhalte, was du gewirkt hast.“ 5. Diese Gedanken, die in der heutigen Liturgie lebendig sind, wollen wir jetzt in das Angelusgebet einschließen. Mögen sie durch das Herz der unbefleckten Gottesmutter in unseren Herzen zur Reife kommen! Nach dem Gebet des Angelus empfahl der Papst seine bevorstehende apostolische Reise nach Kanada dem Gebet aller Christen. Er sagte: „Ich möchte eurem Gebet, dem Gebet aller, meinen Besuch in Kanada empfehlen, zu dem ich mich, so Gott will, am Sonntag, 9. September, auf den Weg machen will. Ich empfehle mich dem Gebet aller.“ Auf deutsch sagte der Papst: Einen gesegneten Sonntag wünsche ich auch den Besuchern deutscher Sprache. Der Sonntag ist mehr als andere Tage dazu geeignet, in uns die wichtigen Fragen unseres Lebens wachzurufen: Wozu lebst du? Wohin bist du unterwegs? Was brauchst du, um den Weg bestehen zu können? Die Muttergottes gebe euch Mut und Einsicht, damit ihr die rechte Antwort auf diese Grundfragen findet. Das rechte Gewissen als Deuterin Generalaudienz am 5. September Maleachi 2, 14-15: „Weil der Herr Zeuge (des Bundes) ist zwischen dir und der Frau deiner Jugend . . . Hat er nicht eine Einheit geschaffen, ein lebendiges Wesen? Was ist das Ziel dieser Einheit? Nachkommen von Gott. Nehmt euch also um eures Lebens willen in acht! Handle nicht treulos an der Frau deiner Jugend!“ 1. Bei der vorigen Audienz haben wir über die gewissenhafte Regelung der Fruchtbarkeit gesprochen, wie sie der Lehre der Enzyklika Humanae vitae (Nr. 19) und des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio entspricht. Die Bezeichnung „natürlich“ für die moralisch einwandfreie (d.h. den natürlichen Rhythmen folgende, vgl. Humanae vitae, Nr. 16) 176 AUDIENZEN UND ANGELUS Regelung der Fruchtbarkeit erklärt sich aus der Tatsache, daß das entsprechende Verhalten mit der Wahrheit der Person und somit ihrer Würde übereinstimmt: einer Würde, die dem Menschen als vernunftbegabtes und freies Wesen „von Natur“ aus gebührt. Als vernunftbegabtes und freies Wesen kann und muß der Mensch umsichtig jene biologischen Rhythmen erfassen, die zur natürlichen Ordnung gehören. Er kann und muß sich ihnen anpassen, um jene „verantwortliche Elternschaft“ auszuüben, die nach dem Plan des Schöpfers in die natürliche Ordnung der menschlichen Fruchtbarkeit eingeschrieben ist. Der Begriff der sittlich richtigen Regelung der Fruchtbarkeit ist nichts anderes als die Erfassung der „Sprache des Leibes“ in ihrer Wahrheit. Es sind dieselben „den Geschlechtsfunktionen innewohnenden natürlichen Rhythmen“, die auch zur objektiven Wahrheit jener Sprache gehören, die die betroffenen Personen in ihrem vollen sachlichen Gehalt erfassen sollten. Man muß sich vor Augen halten, daß der „Leib spricht“, und das nicht nur mit der ganzen äußeren Ausdruckskraft des Mann- bzw. Frausems, sondern auch mit den inneren Strukturen des Organismus, des somatischen und psychosomatischen Reaktionsvermögens. Das alles muß jenen Platz finden, der ihm in dieser Sprache zukommt, in der die Eheleute als Personen miteinander sprechen, da sie zur Gemeinschaft in der „körperlichen Vereinigung“ berufen sind. 2. Alle Bemühungen, die eine immer genauere Kenntnis dieser „natürlichen Rhythmen“ anstreben, die bei der menschlichen Fortpflanzung sichtbar werden, sodann alle Bemühungen der Familienberater und nicht zuletzt der betroffenen Ehepartner selbst haben keine „Biologisierung“ der Sprache des Leibes zum Ziel (eine „Biologisierung der Ethik“, wie manche irrtümlich meinen), sondern bezwecken ausschließlich die Sicherstellung der unverkürzten Wahrheit für jene „Sprache des Leibes“, mit der sich die Ehepartner angesichts der Forderungen einer verantwortlichen Elternschaft in reifer Weise ausdrücken sollen. Die Enzyklika Humanae vitae unterstreicht wiederholt, daß die „verantwortliche Elternschaft“ mit ständiger Anstrengung und Mühe verbunden ist und daß sie nur um den Preis einer bestimmten Askese verwirklicht werden kann (vgl. Nr. 21). Solche und ähnliche Formulierungen beweisen, daß es sich im Fall der „verantwortlichen Elternschaft“, also der sittlich richtigen Regelung der Fruchtbarkeit, um das wahrhaft Gute für die menschlichen Personen handelt, das zugleich der wahren Würde der Person entspricht. 177 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Die Ausnützung der „unfruchtbaren Perioden“ im Eheleben kann zu einer Quelle des Mißbrauches werden, wenn die Ehepartner auf diese Weise ohne berechtigte Gründe die Fortpflanzung zu umgehen versuchen, indem sie sie niedriger halten als die in ihrer Familie sittlich gerechtfertigte Geburtenzahl. Diese richtige Geburtenzahl muß festgelegt werden, wobei nicht nur das Wohl der eigenen Familie sowie der Gesundheitszustand und die Möglichkeiten der Eheleute selbst zu berücksichtigen sind, sondern auch das Wohl der Gesellschaft, zu der sie gehören, der Kirche und schließlich der ganzen Menschheit. Die Enzyklika Humanae vitae stellt die „verantwortliche Elternschaft“ als Ausdruck eines hohen ethischen Wertes dar. Sie ist auf keinen Fall einseitig auf die Beschränkung und noch weniger auf die Ausschließung von Nachkommenschaft ausgerichtet; sie bedeutet auch die Bereitschaft zur Annahme einer größeren Kinderzahl. Vor allem hat nach der Enzyklika Humanae vitae die „verantwortliche Elternschaft einen inneren Bezug zur sogenannten objektiven sittlichen Ordnung, die auf Gott zurückzuführen ist und deren Deuterin das rechte Gewissen ist“ (Nr. 10). 4. Die Wahrheit der verantwortungsbewußten Elternschaft und ihre praktische Verwirklichung ist mit der sittlichen Reife der Person verbunden, und eben hier wird sehr oft das Auseinanderklaffen zwischen dem offenkundig, was die Enzyklika ausdrücklich in den Vordergrund stellt, und dem, was die allgemein herrschende Auffassung für das Wichtigste hält. Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit In der Enzyklika wird die ethische Dimension des Problems in den Vordergrund gestellt, wobei die Rolle der richtig verstandenen Tugend der Selbstbeherrschung hervorgehoben wird. Im Rahmen dieser Dimension gibt es auch eine entsprechende „Methode“, nach der man sich richten soll. In der allgemein üblichen Auffassung geschieht es häufig, daß die von ihrer ethischen Dimension getrennte „Methode“ in rein funktioneller, ja sogar auf die bloße Nützlichkeit ausgerichteter Weise angewandt wird. Wenn man die „natürliche Methode“ von der ethischen Dimension trennt, vermag man nicht mehr den Unterschied wahrzunehmen, der zwischen ihr und anderen „Methoden“ (künstlichen Mitteln der Geburtenregelung) liegt, und spricht schließlich von ihr so, als handelte es sich lediglich um eine weitere Form der Empfängnisverhütung. 178 AUDIENZEN UND ANGELUS 5. Vom Gesichtspunkt der in der Enzyklika Humanae vitae formulierten wahren Lehre her ist daher eine korrekte Darlegung der Methode wichtig, worauf das Dokument auch hinweist (vgl. Nr. 16); wichtig ist vor allem die Vertiefung der ethischen Dimension, in deren Rahmen die Methode als „natürliche“ die Bedeutung einer „sittlich einwandfreien, richtigen“ Methode annimmt. Und darum wollen wir bei unserer jetzigen Analyse die Aufmerksamkeit vor allem darauf lenken, was die Enzyklika zum Thema Selbstbeherrschung und Enthaltsamkeit ausführt. Ohne eingehende Erläuterung dieses Themas werden wir weder zum Kern der sittlichen Wahrheit noch zum Kern der anthropologischen Wahrheit des Problems gelangen. Wir haben bereits früher darauf hingewiesen, daß die Wurzeln des Problems in der Theologie des Leibes hegen: Diese stellt (wenn sie, wie es sein sollte, zur Pädagogik des Leibes wird) tatsächlich die in ihrem tiefsten und vollsten Sinn verstandene sittlich einwandfreie „Methode“ der Geburtenregelung dar. 6. Bei der weiteren Charakterisierung der eigentlich sittlichen Werte der „natürlichen“ (d. h., der sittlich richtigen) Geburtenregelung führt der Verfasser von Humanae vitae aus: „Solche Selbstzucht . . . macht die Familie reich an geistlichen Gütern und schenkt ihr wahren Frieden. Sie hilft auch, sonstige Schwierigkeiten zu meistern. Sie fördert bei den Gatten gegenseitige Achtung und Besorgtsein füreinander; sie hilft den Eheleuten, ungezügelte Selbstsucht, die der wahren Liebe widerspricht, zu überwinden, sie hebt bei ihnen das Verantwortungsbewußtsein für die Erfüllung ihrer Aufgaben. Sie verleiht den Eltern bei der Erziehung der Kinder eine innerlich begründete, wirkungsvollere Autorität: Dementsprechend werden dann Kinder und junge Menschen mit fortschreitendem Alter zu den wahren menschlichen Werten die rechte Einstellung bekommen und die Kräfte ihres Geistes und ihrer Sinne in glücklicher Harmonie entfalten“ (Humanae vitae, Nr. 21). 7. Die zitierten Sätze vervollständigen das Bild von dem, was die Enzyklika Humanae vitae unter „sittlich geordneter Geburtenregelung“ (Nr. 21) versteht. Diese ist, wie man sieht, nicht bloß eine „Verhaltensweise“ auf einem bestimmten Gebiet, sondern eine Haltung, die die volle sittliche Reife der Personen voraussetzt und sie zugleich vervollkommnet. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere Überlegungen zu den wichtigen Dokumenten Humanae vitae und 179 AUDIENZEN UND ANGELUS Familiaris consortio verweilen zur Zeit bei der zentralen Frage nach der verantwortlichen Elternschaft. Als „natürlich“ wird jene Geburtenregelung bezeichnet, bei der die Eheleute ihre Fruchtbarkeit unter Beachtung und mit Hilfe der natürlichen Rhythmen zu regeln sich bemühen. Allein diese entspricht in Wahrheit der Würde der menschlichen Person. Die Eheleute berücksichtigen dadurch die vom Schöpfer in die Natur des Menschen eingeschriebene Ordnung. Wie die Enzyklika Humanae vitae unterstreicht, erfordert verantwortliche Elternschaft ein ständiges asketisches Bemühen beider Ehepartner um Mäßigung und Selbstbeherrschung. Es geht hierbei an erster Stelle um die ethische Dimension dieses Problems. Dies gilt auch für die Beobachtung der empfängnisfreien Tage. Auch diese dürfen nicht aus rein egoistischen Motiven beobachtet werden; z. B. um jegliche Nachkommenschaft aus Bequemlichkeit und Selbstsucht auszuschließen. Die Eltern haben die Pflicht, selbst die von ihnen zu verantwortende Kinderzahl festzusetzen und sich entsprechend zu verhalten. Von grundsätzlicher Bedeutung ist es, daß die Eheleute ihr ganzes Eheleben nach sittlichen Maßstäben ausrichten und in gemeinsamer Verantwortung gestalten. Nach dieser kurzen Zusammenfassung meiner eingehenderen Ausführungen in Italienisch grüße ich sehr herzlich alle heutigen deutschsprachigen Audienzteilnehmer: jeden einzelnen und alle Gruppen. Unter diesen als zahlenmäßig größte namentlich die Pilgergruppe der Katholischen Männerbewegung der Steiermark, die Kursteilnehmer in Rocca di Papa aus den Diözesen Salzburg und Feldkirch sowie die Pilgergruppe der katholischen Frauengemeinschaft des Diözesanverbandes Essen. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich an den Pilgerzug aus der Diözese Trier zusammen mit Bischof Hermann Josef Spital anläßlich des 50jährigen Bestehens des Bistumsblattes „Paulinus“. Ich beglückwünsche die Diözese, Redaktion und Verlag sowie alle Leser zu diesem Jubiläum. Diese Zeitung hat in den vergangenen Jahrzehnten wesentlich dazu beigetragen, die Menschen in der Kirche von Trier einander näherzubringen; sie hat sie im Glauben gestärkt und ihnen Mut gemacht zu einem Leben aus dem Evangelium. Möge diese Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt alle Verantwortlichen und Mitwirkenden in ihrem wichtigen Presseapostolat bestärken und neu ermutigen! Ihnen und der ganzen Lesergemeinde des „Paulinus“ sowie allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern erteile ich für Gottes steten Schutz und Beistand von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 180 AUDIENZEN UND ANGELUS Für „herzliche Aufnahme“ in Kanada gedankt Angelus in Castel Gandolfo am 23. September 1. In der Liturgie des heutigen Sonntags legt uns die Kirche als Schriftlesung das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg vor, wie im Evangelium des hl. Matthäus überliefert ist. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der früh am Morgen sein Haus verließ, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben“ {Mt 20, 1). Dieser „Einladung“ in den Weinberg entspricht die Berufung, die Gott in Jesus Christus an den Menschen richtet. Das Zweite Vatikanische Konzil lehrt, daß das ganze Volk Gottes und alle, die zu ihm gehören, gerufen sind, an der dreifachen Sendung Christi teilzunehmen: der Sendung des Priesters, des Propheten und des Königs. Darin besteht das Wesen der christlichen Berufung. Diese Teilhabe an der Sendung Christi stellt den Inhalt der Berufung in den Weinberg des Herrn dar. Sie ist an den einzelnen Menschen gerichtet und erstreckt sich zugleich auf die Gemeinden, die durch ihre Teilhabe an der messianischen Sendung Christi die Kirche auf Erden bilden und gemeinsam die endgültige Gestalt des Himmelreiches vorbereiten. Im „Engel des Herrn“ wollen wir heute dem Herrn zusammen mit Maria, der Erstberufenen, danken für alle Arbeiter im Weinberg des Herrn. Und gleichzeitig bitten wir darum, daß dieser Ruf - das heißt, die Berufung zum Reich Gottes - sich ständig ausweite und die Herzen der Menschen erreiche! 2. Ich habe noch die großartigen Glaubenskundgebungen im Herzen und im Sinn, die ich auf meiner jüngsten apostolischen Reise quer durch Kanada, von einem Ende des Landes zum anderen, erleben konnte. Ich konnte feststellen, wie tief dieses große Land in seiner Geschichte vom christlichen Glauben geprägt worden ist und wie stark die menschliche Dynamik, der Unternehmungsgeist und die religiöse Lebenskraft der liebenswerten Bevölkerung dort sind. Ich möchte von Herzen für die herzliche Aufnahme, die mir zuteil wurde, danken. Mein Dank gilt allen: den Bischöfen, den staatlichen Autoritäten, den Organisatoren der verschiedenen Begegnungen, den Priestern, den Ordensmännern, Ordensfrauen und allen guten Gläubigen, die durch ihre Geschichte und Kultur so verschieden, aber alle von denselben Idealen und demselben Glauben beseelt sind. Noch einmal grüße ich alle Kana- 181 AUDIENZEN UND ANGELUS dier und versichere ihnen, daß ich sie im Herzen trage. Ganz besonders erwidere ich die Zuneigung, die mir von denen entgegengebracht worden ist, die weite Anreisen und Mühen auf sich nehmen mußten, um an der gemeinsamen Feier des katholischen Glaubens teilzunehmen; den alten, kranken, armen Menschen, denen, die von weither gekommen sind. Allen verspreche ich mein Gedenken im Gebet. Nach dem Angelus sagte der Papst: Der Vorstand der Italienischen Bischofskonferenz hat gestern eine Erklärung zu einem Thema veröffentlicht, das für die Kirche und die Gesellschaft in Italien von lebenswichtiger Bedeutung ist: nämlich der katholische Religionsunterricht in den staatlichen Schulen. Dieses Dokument soll ein Appell zum Verständnis für den unschätzbaren Wert und die Bedeutung sein, die die religiöse Erziehung für die Persönlichkeitsbildung junger Menschen hat. Eine echte und vollständige Erziehung kann nicht vom religiösen Element absehen. In einer Gesellschaft wie der italienischen würde das Ignorieren der religiösen Wirklichkeit und ihrer Werte den Verlust des Kontakts zu den eigenen Wurzeln und zur Seele der eigenen Kultur mit sich bringen. Ich fordere alle auf, sich dieses grundlegende Problem zu Herzen zu nehmen und sich - jeder in seinem Verantwortungsbereich - mit dynamischem Engagement dafür einzusetzen, daß in den staatlichen Schulen für die jungen Generationen eine entsprechende religiöse und moralische Bildung in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des katholischen Glaubens sichergestellt wird. Auf deutsch sagte er: Herzlich grüße ich auch alle deutschsprachigen Teilnehmer an diesem sonntäglichen Gebet. Möge Maria, die Mutter unseres Herrn, euch mit ihrem besonderen Schutz begleiten und euch zugleich immer näher zu Christus führen. Dazu segne ich euch und eure Lieben in der Heimat von Herzen. 182 AUDIENZEN UND ANGELUS Der Auftrag für Kanadas Kirche Generalaudienz am 26. September 1. „Wir wollen unseren Glauben feiern!“ So lautete das Motto, das die kanadischen Bischöfe für die Vorbereitung des Papstbesuches in jenem ausgedehnten Land vom 9. bis 20. September gewählt hatten. Ich möchte meinen Brüdern im Bischofsamt und auch der ganzen Kirche in Kanada herzlich danken für die intensive Vorbereitung und für die an mich ergangene Einladung. Die Zahl der Personen und der Institutionen, denen dieser Dank in besonderer Weise gilt, ist groß. Ich denke an all jene, die an der Vorbereitung und Durchführung des reichen Besuchsprogramms aktiv mitgewirkt haben. Gleichzeitig möchte ich auch den kanadischen zivilen Autoritäten, sei es auf Orts-, Provinz- oder Bundesebene, meinen Dank ausdrücken. Die Worte, die Frau Jeanne Sauve, Generalgouverneurin von Kanada, nach meiner Ankunft gesprochen hat, haben sich meinem Gedächtnis tief eingeprägt. 2. Die Aufforderung „Wir wollen unseren Glauben feiern“, ist im ganzen Besuchsprogramm offenkundig geworden, das in Quebec, dem ersten Bischofssitz in der Geschichte Kanadas, begann und in Ottawa, dem heutigen Sitz der Bundesregierung, seinen Abschluß fand. Im Laufe von zwölf Tagen nahm diese Pilgerfahrt folgenden Weg: Von Quebec fuhr ich nach Sainte Anne de Beaupre, Trois Rivieres, Montreal, St. John’s, Moncton, Halifax, Toronto, Midland, Unionville, Winnipeg/Saint Boniface, Edmonton. Zu gern hätte ich Fort Simpson erreichen wollen, doch der Nebel hat es verhindert. So habe ich nach der Landung in Yellow Knife - in der Hoffnung auf eine Wetterbesserung, die aber nicht erfolgte - die Reise nach Vancouver und dann nach Ottawa/ Hüll fortgesetzt. 3. Die Missionare, die den kanadischen Kontinent betraten, haben hier die einheimische Indianerbevölkerung und die traditionelle Religion dieser Bevölkerung angetroffen. Diese Leute nahmen voll Freude das Evangelium auf: In der Tat gehört heute ein Teil dieser Urbevölkerung zur katholischen Kirche, der andere Teil zu den verschiedenen Gemeinschaften der nichtkatholischen Christenheit. 183 AUDIENZEN UND ANGELUS Die einzelnen Indianergemeinden und -Stämme haben, als sie Christus aufnahmen, die Bindung an manche primitiven Traditionen und Riten bewahrt, in denen man unschwer gewisse Elemente der tiefen natürlichen Religiosität ausmachen kann, von denen die Kirchenväter sprechen und an die auch das Zweite Vatikanische Konzil erinnert. Unter diesem Aspekt ist die Begegnung beim Heiligtum der kanadischen Märtyrer in Huronia, Ontario, besonders bedeutungsvoll gewesen. Bei diesen Märtyrern handelt es sich um den hl. Jean de Brebeuf und andere Mitglieder der Gesellschaft Jesu, alle Missionare: zusammen mit ihnen haben auch zahlreiche christliche Ureinwohner Zeugnis von Christus gegeben. Der Glaube der Kirche in Kanada ist mit diesem Blutzeugnis verknüpft, das in ihren Anfangszeiten abgelegt wurde. Eine nicht weniger eindrucksvolle Zeugin des Evangeliums ist die selige Indianerin Kateri Tekakwitha, die aus Liebe zu Christus um des Himmelreiches willen die Jungfräulichkeit wählte. 4. Von diesen Anfängen des Glaubens führt der Weg der Kirche in Kanada zu einem großartigen „Missionsepos“, dessen erstes Zentrum der Bischofssitz von Quebec war. Diese Tatsachen finden ihre Entsprechung in den Namen der Heiligen und Seligen, die in diesem neuen Land apostolische Aufgaben der Kirche sowohl unter den Ureinwohnern wie unter den erst kürzlich aus Europa Eingewanderten entfaltet haben. Sie haben sich zunächst vor allem der französischen und dann der englischen Sprache bedient. Das sind die Namen der Heiligen und der Seligen, die die Kirche auf kanadischem Boden in besonderer Weise verehrt: die Jesuitenmärtyrer, die hl. Margherita Bourgeois, den seligen Fran?ois de Montmorency-Laval (erster Bischof von Quebec), die selige Mutter Maria von der Menschwerdung, die junge selige Kateri Tekakwitha, die selige Mutter Margherita d’Youville, die selige Mutter Marie-Rose Durocher, den seligen Bruder Andre Bessette, den seligen Andre Grasset, Mutter Marie Leonie Paradis, die ich zu meiner Freude in Montreal seligsprechen konnte. Das „Missionsepos“ auf kanadischem Boden hat sich in den nachfolgenden Jahrhunderten ausgeweitet und erreichte immer entferntere, abgelegenere Gegenden im Westen und im Norden. Ich möchte die großen Verdienste einiger religiöser Orden und Kongregationen hervorheben. Neben den bereits erwähnten Jesuiten sind u. a. die Augustiner anzuführen, die Ursulinen, die Augustiner Chorfrauen der Barmherzigkeit, die Kongregation der Notre-Dame-Schwestern, die 184 AUDIENZEN UND ANGELUS Grauen Schwestern, die Redemptoristen und besonders die Sulpizianer-patres und die Oblatenmissionare von der Unbefleckten Jungfrau Maria. 5. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund sind mit dem Motto „Wir wollen unseren Glauben feiern“ alle zusammengerufen worden, die heute das Volk Gottes der kanadischen Kirche bilden auf dem ausgedehnten Gebiet, das vom Atlantischen bis zum Pazifischen Ozean reicht. Die Kirche, die in dieser Gesellschaft lebt, die gekennzeichnet ist durch die Einwanderung von Menschen aus verschiedenen Nationen, beruft sich auf die vielfältigen kulturellen und religiösen Traditionen, die an verschiedenen Orten den lebendigen Leib der Christenheit und des kanadischen Katholizismus bilden. Diese Verschiedenheit und Vielfalt ist Quelle der Bereicherung sowohl für die Gesellschaft wie für die Kirche. Sie stellen eine ständige Herausforderung an das apostolische und pastorale Wirken dieser Kirche dar. Die wesentlichen Inhalte dieser Herausforderung sind vom Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert worden. Das Bekenntnis des Glaubens, das wir während des Besuches in Kanada gemeinsam abgelegt haben, war angefüllt mit diesen Inhalten, während es zugleich auf all das zurückgriff, was das ewige Glaubensgut in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung der Kirche darstellt. Das ist von großer Bedeutung vor allem in bezug auf die gegenwärtige Säkularisierung, wie sie für diese wohlhabende und zivilisatorisch fortgeschrittene kanadische Gesellschaft kennzeichnend ist. 6. Im Licht des Zweiten Vatikanums hat der Glaube der Kirche in Kanada eine besondere ökumenische Dimension, die im Zusammenhang steht mit der konfessionellen Zugehörigkeit der Christen in diesem Land, in dem die Glieder der katholischen Kirche ungefähr die Hälfte der Bevölkerung ausmachen. Daher hatte auch der Papstbesuch in Kanada einen „ökumenischen“ Charakter, der sich vor allem im gemeinsamen Gebet mit den getrennten Brüdern kundtat. Diesem gemeinsamen Gebet haben sich an manchen Orten (wie z. B. in Toronto) auch die Glaubenden der nichtchristlichen Religionen angeschlossen. Das soziale Klima Kanadas ist für die Entwicklung des Dialogs mit den Vertretern sämtlicher Religionen günstig und auch mit den Menschen und Kreisen, die sich nicht ausdrücklich mit irgendeinem „Credo“, einer Glaubensüberzeugung, identifizieren, aber gleichzeitig große Hochachtung für die Religion und das Christentum bewahren, vor allem aus ethischen Motiven. 185 AUDIENZEN UND ANGELUS 7. „Wir wollen unseren Glauben feiern.“ Der in diesen Worten enthaltene Aufruf zur Verwirklichung des evangelischen Sendungsauftrags der Kirche hat seine Bedeutsamkeit zunächst innerhalb der katholischen Gemeinschaft selbst und in der Folge dann außerhalb der Kirche. Im Innern (ad intra) verbindet sich mit jenem Aufruf direkt das Problem der Berufe: vor allem der Priester- und der - männlichen und weiblichen - Ordensberufe, und ebenso das Problem des Laienapostolats, das viele mögliche Richtungen, Aufgaben und Erfordernisse hat. Nach außen (ad extra) hat die kanadische Kirche ein lebhaftes Gespür für ihren Sendungsauftrag angesichts der Probleme, welche die ganze moderne Menschheit bedrängen. Und wenn diese Probleme auch die Gesellschaft Kanadas selbst weniger zu berühren scheinen, so sind sich die Christen in diesem Land dennoch bewußt, daß sie angesichts der Bedrohungen des Friedens in der heutigen Welt nicht die Augen schließen können. Diese Probleme hatten daher auch im Programm des Pastoralbesuches ihren Platz, was unter der breiten Öffentlichkeit lebhaften Widerhall fand. 8. Während ich noch einmal allen danke, denen ich auf meiner Pilgerfahrt durch Kanada begegnen konnte, möchte ich zusammen mit ihnen und mit der ganzen Kirche dem Guten Hirten durch das Unbefleckte Herz seiner Mutter Dank sagen für diesen Dienst, den ich dadurch vollbringen konnte, daß ich das Motto der kanadischen Bischöfe verwirklichte, das in den Worten enthalten ist: „Wir wollen unseren Glauben feiern.“ In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wir wollen unseren Glauben feiern!“ So hieß das Motto meiner kürzli-chen Pastoraireise durch Kanda. Ich möchte allen danken, die mir diesen denkwürdigen Besuch ermöglicht und ihn mitgestaltet haben. Ich begegnete dem kanadischen Land und Volk in seiner heutigen sozialen, geistigen und religiösen Wirklichkeit, aber auch in seiner geschichtlichen Dimension. Die Vorfahren der heute noch lebenden Indianerstämme haben einmal von den ersten Missionaren den christlichen Glauben angenommen. Die Hälfte der Bevölkerung Kanadas bekennt sich heute zur katholischen Kirche, die zweite Hälfte zu anderen christlichen Gemeinschaften. Ich betete an den Gräbern der zahlreichen kanadischen Heiligen wie des Märtyrers Jean de Brebeuf und seiner Gefährten aus dem Jesuitenorden. Neben der Gesellschaft Jesu haben noch andere Orden und Kongregatio- 186 AUDIENZEN UND ANGELUS nen große Verdienste um die Missionierung und das religiöse Leben in Kanada: so die Ursulinen, die Redemptoristen und Oblaten. Die Bevölkerung im heutigen Kanada ist im besonderen gekennzeichnet durch die Einwanderung verschiedenster Volksgruppen und somit durch eine Vielfalt von kulturellen und religiösen Traditionen, die die Gesellschaft und die Kirche gleichermaßen bereichern. In Dankbarkeit gegen Gott empfehle ich diese Gnadentage auch eurem Gebet, auf daß daraus für die Kirche und alle Menschen in Kanada reiche geistliche Früchte erwachsen. Mit dieser kurzen Zusammenfassung meiner italienischen Ansprache grüße ich sehr herzlich alle deutschsprachigen Audienzteilnehmer, unter den genannten Gruppen besonders die Priester aus der Diözese Osnabrück, die ich zu ihrem 25jährigen Priesterjubiläum aufrichtig beglückwünsche. Ich danke mit euch dem Herrn für die Gnade eurer Berufung und für alles, was ihr in diesen Jahren durch euer priesterliches Wirken für die Kirche und die euch anvertrauten Gläubigen habt tun können. Diese Jubiläumswallfahrt bestärke euch in eurer Treue zu Christus und lasse euch mit neuer Freude und mit neuem Mut wieder in eure Gemeinden zurückkehren! Herzlich begrüße ich auch die Teilnehmer des Pilgerzuges der Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, die schon zum dreißigsten Mal ihre Leser nach Rom eingeladen hat. Mögen die heutige Begegnung und alle geistlichen Erfahrungen dieser Wallfahrt euren Glauben stärken. Die katholische Presse eures Erzbistums soll euch eine wirksame Hilfe sein, bewußt als Christen zu leben. Einen besonderen Willkommensgruß richte ich schließlich an die anwesenden Mitglieder der Sozialdemokratischen Landtagsfraktion von Rheinland-Pfalz. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und wünsche Ihnen zugleich einen für Ihre verantwortungsvolle politische Tätigkeit fruchtbaren Romaufenthalt. Zu dieser gehört bekanntlich ganz wesentlich auch die geistig-religiöse Dimension. Politische Verantwortung ist nicht nur an Mehrheitsverhältnissen, sondern letztlich an sittlichen Maßstäben zu messen. Möge dieser Besuch Sie in dieser Überzeugung neu bestärken. Allen deutschsprachigen Audienzteilnehmem erteile ich für Gottes besonderen Schutz und Beistand von Herzen den Apostolischen Segen. 187 AUDIENZEN UND ANGELUS Rosenkranz — ein biblisches Gebet Angelus am 30. September 1. „Benedictus Dominus in sanctis suis et sanctus in omnibus operibus suis“ (Gepriesen ist der Herr in seinen Heiligen und heilig in allen seinen Werken). In unserem sonntäglichen Angelus wollen wir Gott in den Werken seiner Gnade anbeten. In den Werken, die er in den Herzen der Menschen vollbringt. In den Werken, die er in unseren Brüdern vollbracht hat, die heute durch die Seligsprechung zur Ehre der Altäre erhoben worden sind. Die seligen Federico Albert und Clemente Marchisio waren zwei Priester aus Piemont; der selige Isidor de Loor war ein belgischer Passionistenbru-der aus flämischer Familie; die selige Rafaela Ybarra, Spanierin, war die Gründerin der Schutzengel-Schwestern. Diese unsere Brüder und Schwestern haben, jeder auf seine Weise, auf das Wirken Gottes in ihnen hochherzig und ganz geantwortet. Jedem von ihnen möge in der Kirche jene Verehrung zuteil werden, die den Seligen gebührt. Über alle Dinge gepriesen sei Gott selber, der unendlich heilig und Quelle aller Heiligkeit ist. 2. Der Monat Oktober, der morgen beginnt, ist dem Rosenkranzgebet geweiht. Ich möchte euch dieses Gebet empfehlen, indem ich euch einige Worte in Erinnerung rufe, die mein ehrwürdiger Vorgänger, Papst Paul VI. im Apostolischen Schreiben Marialis cultus über das Rosenkranzgebet geschrieben hat: „Als biblisches Gebet, in dessen Mitte das Geheimnis der erlösenden Menschwerdung steht, ist der Rosenkranz ganz klar auf Christus hin ausgerichtet. Auch sein charakteristisches Element, die litaneiartige Wiederholung des ,Gegrüßt seist du, Maria1, wird zu einem unaufhörlichen Lobpreis Christi, um den es eigentlich bei der Verkündigung des Engels und dem Gruß der Mutter des Täufers geht: ,Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes (Lk 1, 42). Wir möchten noch mehr sagen: Die Wiederholung des Ave Maria ist der tragende Grund, auf dem sich die Betrachtung der Geheimnisse entfaltet. Jener Jesus, den jedes Ave Maria erwähnt, ist derselbe, den die Folge der einzelnen Geheimnisse uns vorstellt: Sohn Gottes und der Jungfrau; geboren in einer Grotte von Betlehem; von der Mutter im Tempel dargestellt; der Jüngling voll Eifer für die Sache des Vaters; der von Todesangst gequälte Erlöser im Ölgarten; gegeißelt und 188 AUDIENZEN UND ANGELUS mit Dornen gekrönt; mit dem Kreuz beladen und auf dem Kalvarienberg sterbend; auferstanden von den Toten und erhöht in die Herrlichkeit des Vaters, um die Gabe des Geistes mitzuteilen“ (Marialis cultus, Nr. 46, in: Wort und Weisung, 1974, S. 472). Der Monat Oktober vereinige uns in diesem frommen Gebet mit der Königin des heiligen Rosenkranzes. Möge sich in diesem Monat der Rosenkranz ausbreiten. Maria will zusammen mit uns um das Heil für die Menschen und die bedrohte Welt bitten. Papstappell zu Malta: Intoleranz und Gewalt Nach dem Angelus am 30. September In den letzten Tagen haben uns aus Malta Nachrichten über Begebenheiten der Intoleranz und Gewalt erreicht, die gegen die Kirche und gegen die Person des Erzbischofs gerichtet waren. Angesichts dieser schmerzlichen Geschehnisse, die dem tief religiösen Empfinden jenes Volkes widersprechen, möchte ich der katholischen Gemeinschaft und ihren Hirten meine herzliche Sympathie und Solidarität zum Ausdruck bringen. Ich fordere euch auf, mit mir für unsere maltesischen Brüder zu beten, daß sie stark und gelassen in den derzeitigen Schwierigkeiten sind und in enger Verbindung mit ihren Bischöfen ein wirksames Zeugnis der Gerechtigkeit und der Wahrheit bieten können. Denn die Kirche kann dadurch, daß sie die Grundrechte der religiösen Freiheit und der Freiheit des Unterrichts geltend macht, der Gemeinschaft der Menschen einen Beitrag leisten, der sich an diesen beiden unverzichtbaren Werten inspiriert. Bitten wir den Herrn, durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau und der neuen Sehgen, der Kirche in Malta Trost zu gewähren und die Herzen und Sinne aller zu erleuchten, damit man unter gegenseitiger Achtung und in gegenseitigem Vertrauen zu Lösungen gelangt, die den christlichen Traditionen dieser teuren Nation würdig sind. 189 AUDIENZEN UND ANGELUS „ Gestärkt und gleichsam geweiht“ Generalaudienz am 3. Oktober 1. In bezug auf die Lehre der Enzyklika Humanae vitae wollen wir versuchen, das geistliche Leben der Eheleute näher zu beschreiben. Die großartigen Worte der Enzyklika lauten dazu: „Indem die Kirche die unumstößlichen Forderungen des göttlichen Gesetzes weitergibt, verkündet sie das Heil und schließt in den Sakramenten Wege der Gnade auf: Dadurch wird der Mensch eine neue Schöpfung, die in Liebe und echter Freiheit dem erhabenen Plan seines Schöpfers und Erlösers entspricht und Sinn hat für die leichte Last Christi. Indem sie in Demut seiner Stimme folgen, sollen die christlichen Eheleute daran denken, daß ihre Berufung zum christlichen Leben, die in der Taufe gründet, im Sakrament der Ehe entfaltet und gefestigt wurde. So werden sie ,gestärkt und gleichsam geweiht“, um ihre Aufgaben treu erfüllen, ihre Berufung zur Vollendung führen und vor der Welt das ihnen auf getragene christliche Zeugnis geben zu können. Diese Aufgabe hat der Herr ihnen anvertraut, damit sie den Menschen jenes heilige und doch milde Gesetz offenbar machen, das ihre gegenseitige Liebe und ihr Zusammenwirken mit der Liebe Gottes, des Urhebers menschlichen Lebens, innig vereint“ (Humanae vitae, Nr. 25). 2. Dadurch, daß sie das sittliche Übel der Empfängnisverhütung aufzeigt und zugleich ein möglichst vollständiges Bild der sittlich erlaubten Geburtenregelung, also der verantwortlichen Elternschaft zeichnet, schafft die Enzyklika Humanae vitae die Voraussetzungen, die es erlauben, in großen Linien die christliche Spiritualität der Berufung und des Lebens der Eheleute und ebenso die Spiritualität der Berufung und des Lebens der Eltern und der Familie zu umreißen. Man kann sogar sagen, daß die Enzyklika die ganze Tradition dieser Spiritualität voraussetzt, die in den von uns bereits früher analysierten biblischen Texten wurzelt und uns Gelegenheit gibt, erneut über sie nachzudenken und eine geeignete Synthese zu entwerfen. Hier sei an das erinnert, was über die organische Beziehung zwischen der Theologie des Leibes und der Pädagogik des Leibes gesagt worden ist. Eine solche Theologie und zugleich Pädagogik stellt in der Tat schon an und für sich den Kern einer Spiritualität der Ehe dar. Darauf deuten auch die oben zitierten Sätze der Enzyklika hin. 190 AUDIENZEN UND ANGELUS 3. Gewiß würde der die Enzyklika Humanae vitae in irriger Weise lesen und auslegen, der in ihr eine Reduzierung der verantwortlichen Elternschaft auf den biologischen Rhythmus der Fruchtbarkeit allein sähe. Der Verfasser der Enzyklika mißbilligt und widerspricht energisch jeder Form von reduzierender (und in diesem Sinne einseitiger) Auffassung und betont mit Nachdruck das ganzheitliche Verständnis. Die unverkürzt verstandene verantwortliche Elternschaft ist nichts anderes als ein wichtiger Bestandteil der ganzen Spiritualität von Ehe und Familie, jener Berufung also, von welcher der zitierte Text aus Humanae vitae spricht, wenn er sagt, daß die Eheleute „ihre eigene Berufung bis hin zur Vollkommenheit“ verwirklichen sollen (Nr. 25). Das Sakrament der Ehe stärkt und weiht sie gleichsam dazu, diese Vollkommenheit zu erlangen (vgl. ebd.). Im Licht der in der Enzyklika ausgeführten Lehre müssen wir uns in höherem Maße jene „stärkende Kraft“ bewußt machen, die mit der „besonderen Weihe“ durch das Ehesakrament verbunden ist. Da die Analyse der ethischen Problematik im Dokument Pauls VI. vor allem auf die Richtigkeit der entsprechenden Norm hingeordnet war, trachtet der darin enthaltene Entwurf einer Spiritualität der Ehe danach, eben jene Kräfte hervorzuheben, die ein echtes christliches Zeugnis ehelichen Lebens ermöglichen. 4. „Daß für das Leben christlicher Eheleute bisweilen ernste Schwierigkeiten auf treten, leugnen wir keineswegs: denn wie für jeden von uns ist auch für sie ,die Pforte eng und schmal der Weg, der zum Leben führt1 (vgl. Mt 7, 14). Dennoch wird die Hoffnung auf dieses Leben wie ein hellstrahlendes Licht ihren Weg erleuchten, wenn sie tapferen Sinnes bemüht sind, ,nüchtern, gerecht und gottesfürchtig in dieser Welt zu leben“ (vgl. Tit 2, 12), wohl wissend, daß ,die Gestalt dieser Welt vergeht“ (vgl. Röm 5, 5)“ (Humanae vitae, Nr. 25). In der Enzyklika ist die Auffassung des Ehelebens auf Schritt und Tritt vom christlichen Realismus gekennzeichnet, und eben dieser hilft in stärkerem Maß, jene Kräfte zu erlangen, die die Gestaltung einer Spiritualität der Eheleute und Eltern im Geist einer echten Pädagogik des Herzens und des Leibes erlauben. Auch das Wissen um das „künftige Leben“ eröffnet sozusagen einen weiten Horizont jener Kräfte, die die Eheleute auf dem schmalen Weg und durch die enge Pforte (vgl. ebd.) ihrer Berufung im Sinn des Evangeliums führen sollen. In der Enzyklika heißt es: „Deshalb sollen die Eheleute die ihnen 191 AUDIENZEN UND ANGELUS auferlegten Opfer bereitwillig auf sich nehmen, gestärkt durch den Glauben und die Hoffnung, die ,nicht zuschanden werden läßt: denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ward1“ (Humanae vitae, Nr. 25). 5. Das ist also die wesentliche und grundlegende Kraft: die Liebe, die durch den Heiligen Geist in das Herz eingepflanzt („ausgegossen“) wird. In der Folge zeigt die Enzyklika, wie die Eheleute im Gebet diese entscheidende Kraft und jene andere göttliche Hilfe erflehen sollen; wie sie aus der immer lebendigen Quelle der Eucharistie Gnade und Liebe schöpfen sollen; wie sie demütig und beharrlich ihre Mängel und Sünden im Bußsakrament überwinden sollen. Das sind die unfehlbaren und unerläßlichen Mittel zur Entwicklung einer christlichen Spiritualität des Ehe- und Familienlebens. Mit ihrer Hilfe erreicht die wesentliche und geistig schöpferische Kraft der Liebe das Herz und gleichzeitig den Leib des Menschen in seinem subjektiven Mann- oder Frausein. Denn diese Liebe erlaubt es, das ganze Zusammenleben der Ehegatten entsprechend jener „Wahrheit des Zeichens“ zu gestalten, durch die die Ehe in ihrer sakramentalen Würde auf gebaut wird, wie es die Enzyklika in ihrem Kernpunkt aussagt {vgl. Humanae vitae, Nr. 12). In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere Überlegungen über die Enzyklika Humanae vitae führen uns heute zur wichtigen Frage nach der Spiritualität der Eheleute. Die Enzyklika erinnert daran, daß die christliche Berufung der Ehegatten, die mit der Taufe begonnen hat, durch das Sakrament der Ehe eine weitere Bestimmung und Stärkung erfährt. Es heißt darin wörtlich: „Durch dieses Sakrament wird den Ehegatten Kraft verliehen, und sie werden gleichsam für die treue Erfüllung ihrer Pflichten sowie für die Verwirklichung ihrer eigenen Berufung bis hin zur Vollkommenheit und für ihr christliches Zeugnis vor der Welt geweiht“ (Nr. 25). Verantwortliche Elternschaft erschöpft sich nicht in der Beachtung einer sittlich erlaubten Geburtenregelung, sondern ist vielmehr ein wichtiger Bestandteil einer umfassenden Spiritualität der Ehe und Familie, Bestandteil der den Eheleuten spezifischen Berufung zur christlichen Vollkommenheit. Papst Paul VI. wußte durchaus um die großen Schwierigkeiten, die mit dem Leben der christlichen Eheleute verbunden sind. Wie für alle Christen ist auch für sie „die Pforte eng und der Weg schmal, 192 AUDIENZEN UND ANGELUS der zum Leben führt“ {Mt 7, 14). Deshalb ermutigt sie die Enzyklika, in der Hoffnung auf dieses Leben ihren Weg zu gehen und sich beharrlich anzustrengen, in Besonnenheit, Gerechtigkeit und Frömmigkeit in dieser Zeit zu leben, wohl wissend, daß die Gestalt dieser Welt vergeht. Die christliche Hoffnung kann auch den Eheleuten in ihren konkreten Schwierigkeiten Kraft und Ausdauer geben. Sie gründet auf Gottes Verheißung und Bestand. Sie enttäuscht nicht, „denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (vgl. Humanae vitae, Nr. 25). Diese göttliche Hilfe gilt es, beständig im Gebet zu erbitten, um das Ehe-und Familienleben gemeinsam wirklich christlich zu gestalten. Herzlich grüße ich nach diesen kurzen Überlegungen alle hier anwesenden Pilger und Besucher aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich freue mich über eure so zahlreiche Teilnahme an dieser Audienz und erbitte euch daraus neuen Glaubensmut und Zuversicht für eure christliche Bewährung in Beruf und Alltag. Von Herzen erteile ich euch und euren Angehörigen in der Heimat dafür meinen besonderen Apostolischen Segen. Blick auf die Madonna vom Trost Angelus in Reggio Calabria am 7. Oktober Es ist 12 Uhr Mittag, die Stunde, die die uralte christliche, auch in Kalabrien stark verwurzelte Gewohnheit der seligsten Jungfrau Maria geweiht hat. Wir wollen unsere kindlich-frommen Gedanken vor allem an die Madonna vom Trost, die Beschützerin eurer Stadt, richten, deren hier gegenwärtiges, geschichtsträchtiges und von so großer Volksfrömmigkeit umgebenes Bild wir bewundern und verehren. An diesem Sonntag im Oktober, dem „Rosenkranzmonat“, rufen wir Maria mit dem schönen Namen „Königin des Rosenkranzes“ an. Pius XII. definierte den Rosenkranz als „Kompendium des gesamten Evangeliums“ (AAS 38, 1946, S. 416). In seinem schlichten und klugen Aufbau bietet der Rosenkranz Meditationsthemen zum Weg Christi und Mariens durch die freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse. Vom Evangelium geprägt sind auch die Gebete des Vaterunser und des Ave Maria. Das beharrliche Wiederholen dieser Gebete ist Bekenntnis unserer menschlichen Bedürftigkeit und zugleich Ausdruck 193 AUDIENZEN UND ANGELUS unseres unerschütterlichen Vertrauens in die Hilfe, die uns vom Höchsten und besonderes durch die mütterliche Fürsprache der Jungfrau erreicht. Als fruchtbare Nahrung der persönlichen Frömmigkeit ist der Rosenkranz gewissermaßen das typische Gebet der christlichen Familie. Das Konzil hat die christliche Familie als „Hauskirche“ definiert (Lumen gentium, Nr. 11), womit es die heilige, echt kirchliche, im familiären Bereich begründete Wirklichkeit herausstellen wollte. Die Familie ist also berufen, in sich das Bild der Kirche Christi wiederzugeben. Im Rosenkranzgebet empfindet sie ihre Einheit, erfreut sich über das Hin- und Herwogen der Gefühle, erhebt sich zur Betrachtung des Göttlichen, ordnet ihre Bedürfnisse, Ängste und Erfolge ihres Lebens im Alltag in diese höhere Dimension ein. Die Königin des Rosenkranzes wird besonders in dem berühmten Heiligtum von Pompeji verehrt, wo man heute, in dieser Mittagsstunde, das althergebrachte Bittgebet betet, zu dem sich die Bevölkerung Italiens im Geist vereint. Diesem flehenden Chor wollen wir, liebe Jugend, unsere inständige Anrufung hinzufügen: O segensreicher Rosenkranz Mariens, süße Kette, die uns an Gott bindet, Band der Liebe, das uns mit den Engeln vereint. Rettender Turm vor den Angriffen der Hölle. Sicherer Hafen im allgemeinen Schiffbruch, wir werden dich nie mehr verlassen. Du, unser Trost in der Stunde des Todes, dir, der letzte Kuß des verlöschenden Lebens. Und das letzte Wort auf unseren Lippen wird dein süßer Name sein, Rosenkranzkönigin von Pompeji, unsere teure Mutter, Zuflucht der Sünder, erhabene Trösterin der Betrübten. Sei überall gepriesen, heute und immer, auf Erden und im Himmel, Amen. 194 AUDIENZEN UND ANGELUS Schlüsselelement ist die Liebe Generalaudienz am 10. Oktober 1. Wir wollen unsere Überlegungen zur Spiritualität der Ehe im Lichte der Enzyklika Humanae vitae fortsetzen. Nach der darin enthaltenen Lehre ist in Übereinstimmung mit den biblischen Quellen und mit der gesamten Überlieferung die Liebe - vom subjektiven Gesichtspunkt her - eine Kraft, d. h. eine Fähigkeit des menschlichen Geistes von theologalem Charakter. Sie ist also die Kraft, die dem Menschen gegeben ist, damit er an jener Liebe teilhabe, mit der Gott selbst im Mysterium der Schöpfung und der Erlösung liebt. Es ist jene Liebe, die „sich an der Wahrheit freut“ {1 Kor 13, 6), in der als die geistliche Freude (das augustinische „frui“ [verkosten]) über jeden echten Wert zum Ausdruck kommt: eine Freude ähnlich der des Schöpfers, der am Anfang sah, daß „alles sehr gut war“ (Gen 1, 31). Wenn die Kräfte der Begierde, die Sprache des Leibes von der Wahrheit zu trennen, sie also zu verfälschen suchen, bestärkt hingegen die Kraft der Liebe sie immer aufs neue in jener Wahrheit, damit das Geheimnis der Erlösung des Leibes in ihr Frucht bringen könne. 2. Dieselbe Liebe, die es ermöglicht und bewirkt, daß der eheliche Dialog sich entsprechend der vollen Wahrheit des Lebens der Ehegatten vollzieht, ist zugleich eine Kraft oder Fähigkeit sittlichen Charakters, aktiv ausgerichtet auf die Fülle des Guten und eben darum auf jedes wahre Gut. Darum besteht ihre Aufgabe darin, die unauflösliche Einheit der „beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes“, von denen die Enzyklika handelt (vgl. Humanae vitae, Nr. 12), zu wahren, d. h., sowohl den Wert des wahren Einswerdens der Ehegatten (also der persönlichen Gemeinschaft) als auch den der verantworteten Elternschaft (in ihrer reifen und menschenwürdigen Form) zu schützen. 3. Nach der herkömmlichen Sprache koordiniert die Liebe als höhere Kraft die Handlungen der Personen, des Ehemannes und der Ehefrau, im Bereich der Ehezwecke. Obwohl sich weder die Konzilskonstitution noch die Enzyklika bei der Behandlung des Themas der früher üblichen Sprache bedienen, handeln sie dennoch von dem, worauf sich die traditionellen Ausdrücke beziehen. Die Liebe als höhere Kraft, die Mann und Frau zugleich mit der besonderen „Weihe“ des Ehesakraments von Gott empfangen, schließt eine 195 AUDIENZEN UND ANGELUS korrekte Zuordnung der Ziele ein, nach denen sich gemäß der traditionellen Lehre der Kirche die sittliche - oder vielmehr theologale und moralische - Ordnung des Lebens der Eheleute gestaltet. Die Lehre der Konstitution Gaudium et spes sowie jene der Enzyklika Humanae vitae erhellen dieselbe sittliche Ordnung bezüglich der Liebe, die, als höhere Kraft verstanden, den ehelichen Akten angemessenen Gehalt und Wert verleiht, entsprechend der Wahrheit der beiden Bedeutungen - Vereinigung und Zeugung - in Achtung ihrer Untrennbarkeit. In diesem erneuerten Ansatz wird die traditionelle Lehre über die Ehezwecke (und über ihre Rangordnung) bestätigt und zugleich vom Standpunkt des geistlichen Lebens der Eheleute bzw. der ehelichen und familiären Spiritualität vertieft. 4. Die Aufgabe der Liebe, die „ausgegossen ist in die Herzen“ (Rom 5, 5) der Ehegatten als die fundamentale geistige Kraft ihres Ehebundes, besteht, wie gesagt, darin, sowohl den Wert der echten Gemeinschaft der Eheleute wie den der wahrhaft verantworteten Elternschaft zu schützen. Die Kraft der im theologischen und ethischen Sinn echten Liebe kommt darin zum Ausdruck, daß sie „die beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes“ korrekt verbindet, indem sie nicht nur in der Theorie, sondern vor allem in der Praxis den Widerspruch ausschließt, der sich auf diesem Gebiet einstellen könnte. Dieser Widerspruch gibt denn auch am häufigsten Anlaß für Einwände gegen die Enzyklika Humanae vitae und die Lehre der Kirche. Es bedarf einer wirklich gründlichen, nicht nur theologischen, sondern auch anthropologischen Analyse (diese zu bieten, haben wir uns in dieser ganzen Reihe von Überlegungen bemüht), um aufzuzeigen, daß man hier nicht von Widerspruch, sondern nur von Schwierigkeit sprechen soll. Nun, die Enzyklika selbst hebt ja diese Schwierigkeit an verschiedenen Stellen hervor. Und diese rührt daher, daß die Kraft der Liebe in einen von der Begierde bedrohten Menschen eingepflanzt wird: Im Menschen stößt die Liebe auf die dreifache Begierlichkeit (vgl. 1 Joh 2,16), besonders auf die Fleischeslust, die die Wahrheit der Sprache des Leibes entstellt. Und darum ist die Liebe auch nicht imstande, sich in der Wahrheit der Sprache des Leibes zu verwirklichen, es sei denn durch Beherrschung der Begierlichkeit. 5. Wenn das Schlüsselelement für die Spiritualität der Ehegatten und Eltern - jene entscheidende Kraft, die die Eheleute fortwährend aus der sakramentalen „Weihe“ schöpfen - die Liebe ist, so ist diese, wie aus dem 196 AUDIENZEN UND ANGELUS Text der Enzyklika hervorgeht (vgl. Humanae vitae, Nr. 20), ihrem Wesen nach an die Keuschheit gebunden, die sich in Selbstbeherrschung oder auch in Enthaltsamkeit äußert, insbesondere in der periodischen Enthaltsamkeit. In der biblischen Sprache scheint darauf der Verfasser des Epheserbriefes anzuspielen, wenn er in seinem klassischen Text die Eheleute ermahnt, daß sich der eine dem andern unterordne in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). Man kann sagen, daß die Enzyklika Humanae vitae gerade die Entfaltung dieser biblischen Wahrheit über die christliche Spiritualität von Ehe und Familie darstellt. Um sie noch deutlicher zu machen, bedarf es jedoch einer tiefer greifenden Analyse der Tugend der Enthaltsamkeit und ihrer besonderen Bedeutung für die Wahrheit von der gegenseitigen Sprache des Leibes im ehelichen Zusammenleben und indirekt im weiteren Bereich der wechselseitigen Beziehungen zwischen Mann und Frau. Wir werden diese Analyse bei den Überlegungen in den kommenden Mittwochsaudienzen beginnen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine große Freude, euch heute in so großer Zahl hier in der Petersbasilika in Audienz zu empfangen. Ich grüße die zahlreichen genannten Gruppen und alle Einzelpilger aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Zugleich grüße ich durch euch auch eure Diözesen und Gemeinden in der Heimat. Uns alle verbindet in der weltumspannenden Kirche der eine gemeinsame Glaube an Jesus Christus, von dem Petrus bezeugt hat: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ {Mt 16, 16). Dieser unser Glaube, den wir hier am Grabe des Apostels heute erneuern, soll uns helfen, die vielfältigen Schwierigkeiten und Prüfungen des Lebens als wahre Jünger Christi zu bestehen und unser Leben aus seinem Geist zu gestalten. Dies ist auch das zentrale Anliegen meiner Audienzansprachen, die sich zur Zeit im Rahmen der Thematik der Enzyklika Humanae vitae in einer besonderen Weise an die christlichen Eheleute richten. Unsere heutigen Überlegungen lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Spiritualität, die das Zusammenleben in der christlichen Ehe und Familie bestimmen soll. Ihre Grundkraft ist die Liebe, die den Menschen befähigt, am Geheimnis der Liebe Gottes in der Schöpfung und Erlösung teilzunehmen. Sie ist jene sittliche Kraft, die den Menschen immer wieder neu auf die Wahrheit, auf die echten Werte und die wahren Freuden ausrichtet. Die Eheleute empfangen sie als besonderes Gnadengeschenk im Sakrament 197 AUDIENZEN UND ANGELUS der Ehe. Sie befähigt diese, ihr Eheleben gemäß der sittlichen Ordnung zu gestalten, insbesondere die untrennbare Einheit zwischen liebender Gemeinschaft und verantwortungsvoller Elternschaft zu wahren. Um sich voll entfalten zu können, verlangt wahre Liebe im sündigen Menschen notwendig die Beherrschung der dreifachen Begierde, vor allem der Begehrlichkeit des Fleisches. Deshalb ist echte eheliche Liebe immer auch mit der Tugend ehelicher Keuschheit verbunden, die sich in Selbstbeherrschung und, wenn erforderlich, auch in Enthaltsamkeit ausdrückt. Darauf scheint der Verfasser des Epheserbriefes anzuspielen, wenn er die Eheleute ermahnt, daß sich der eine dem anderen unterordne, „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ {Eph 5, 21). Das Kreuz über Kohle und Eisen Nach diesen kurzen Überlegungen, die ich eurer persönlichen Besinnung und Vertiefung empfehle, grüße ich unter den heutigen Audienzteilnehmern noch besonders die anwesenden Priester und Ordensleute: unter ihnen namentlich die Gruppe der Franziskanerinnen aus Mallersdorf, die durch diese Romwallfahrt ihrer 120jährigen Tätigkeit im Kreiskrankenhaus Dachau gedenken. Möge der Herr euch in eurem täglichen opfervollen Samariterdienst bestärken und euch eurer Berufung frohmachen. Einen brüderlichen Gruß richte ich an die Neupriester des Collegium Germancicum-Hungaricum mit ihren Angehörigen und Freunden sowie an die Altgermanikerkurse, die ihr 10-, 20- und 25jähriges Priesterjubiläum feiern. In herzlicher Mitfreude beglückwünsche ich euch alle zur großen Gnade eurer Berufung. Mögt ihr in eurem priesterlichen Dienst immer treu befunden werden und darin selber zugleich tiefe persönliche Erfüllung finden. Das erbitte ich euch von Christus, dem Ewigen Hohenpriester, mit meinem besonderen Segen. Ferner grüße ich herzlich die dritte Rompilgerfahrt der Schönstatt-Jungmänner der Schweiz, den Katholikenrat und die übrigen Pfarrgruppen aus Düsseldorf sowie den großen Pilgerzug aus der Diözese Münster, besonders die Gruppe der Pfarrgemeinde St. Ewaldi in Bocholt anläßlich ihres 50jährigen Pfarrjubiläums. Nehmt die reichen Erlebnisse und Anregungen vom Zentrum der katholischen Christenheit mit in eure Ortskirche und macht sie geistlich fruchtbar in euren Familien und Gemeinden. Ich erbitte euch als besondere Gnade eurer Rompilgerfahrt Glaubensmut und Zuversicht für eure christliche Bewährung in den vielfältigen Pflichten und Aufgaben eures Lebens. Schließlich begrüße ich noch aus dem Bistum Essen die Gruppe der 198 AUDIENZEN UND ANGELUS Bergleute und Stahlarbeiter mit ihrem Bischof Dr. Franz Hengsbach und zahlreichen Priestern. Ich kenne eure Probleme und Sorgen, besonders die Not um eure Arbeitsplätze und die Lehrstellen für die Jugendlichen. Ich weiß aber auch um eure Liebe und Treue zur Kirche. Seid Missionare Christi in der Welt der Arbeit, damit das „Kreuz über Kohle und Eisen“ weiter leuchtet. Euch, allen weiteren Gruppen aus eurem Bistum und allen anwesenden Pilgern deutscher Sprache, erbitte ich Gottes bleibenden Schutz und Beistand und erteile euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Betet um den „ersehnten Frieden“! Angelus am 14. Oktober 1. „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1, 45). Diese Worte, die von Elisabeth beim Besuch Mariens an diese gerichtet wurden, bestimmen unser Rosenkranzgebet. Besonders im Monat Oktober, der ja der Rosenkranzmonat ist. Wir beten die einzelnen „Gesätze“, wir meditieren der Reihe nach die Geheimnisse: die freudenreichen, schmerzensreichen und glorreichen, und bei jedem dieser Geheimnisse rufen wir Maria zu, wie Elisabeth es bei ihrem Besuch getan hat: „Selig ist die, die geglaubt hat!“ - Du hast voll Freude geglaubt: bei der Verkündigung, beim Besuch der Elisabeth, bei der Geburt, bei der Darstellung im Tempel, bei der Auffindung im Tempel. - Du hast unter Schmerzen geglaubt: während der ganzen Passion: in Getsemani, bei der Geißelung, der Dornenkrönung, auf dem Kreuzweg; du hast unter dem Kreuz auf Golgota geglaubt. - Du hast mit dem Glauben der beginnenden Herrlichkeit an die Verherrlichung deines Sohnes geglaubt: bei der Auferstehung, der Himmelfahrt, am Pfingsttag. Dein Glaube hat sich bei der Aufnahme in den Himmel erfüllt, unsere Mutter, geschmückt mit der Krone der himmlischen Herrlichkeit! So beten wir zu Maria, wenn wir den heiligen Rosenkranz beten. 199 AUDIENZEN UND ANGELUS 2. Und heute danken wir in besonderer Weise für den Glauben der koreanischen Märtyrer, für den Glauben der ganzen Kirche in Korea während der letzten 200 Jahre. Wir danken auch für den Glauben, den die französischen Missionare bezeugt haben, von denen auch einige sich unter den Märtyrern Koreas befinden. Und wir sprechen: „Selig die, die geglaubt haben bis zum Vergießen ihres Blutes.“ Euer Glaube und heroisches Zeugnis sind wie ein Spiegel geworden, in dem sich der Glaube der Jungfrau von Nazaret, der Mutter des menschgewordenen Gottes, widerspiegelt: „die Erste der Erlösten“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 53). 3. Und jetzt will ich dem Herrn dafür danken, daß er mich die apostolische Reise glücklich zu Ende führen ließ, deren Ziel war, in Santo Domingo die Vorbereitungen für die 500-Jahr-Feier des Beginns der Evangelisierung des amerikanischen Kontinents zu eröffnen. Auf dieses Thema werde ich bei der Generalaudienz am nächsten Mittwoch zurückkommen. Ich möchte aber schon jetzt den zivilen und kirchlichen Behörden und dem guten Volk der besuchten Länder meinen Dank aussprechen und sie meines Gedenkens im Gebet versichern. Eine positive Nachricht wurde dieser Tage bekannt: Für morgen, Montag, ist eine Begegnung des Präsidenten der Republik El Salvador mit den Vertretern der bewaffneten salvadorianischen Opposition vorgesehen, um auf dem Dialog- und Verhandlungsweg nach einer Vereinbarung zu suchen, die dem Bürgerkireg ein Ende setzen soll. Ich bin der lieben Bevölkerung von El Salvador, die schon zu lange von Trauer und Gewaltakten heimgesucht wird, besonders nahe und wünsche von Herzen, daß sie nach so vielen Leiden endlich den Frieden, nach dem sie sich so inständig sehnt, und ein menschenwürdiges Zusammenleben erreichen kann. Ich fordere alle auf, darum zu beten, daß in Salvador und in allen anderen Ländern der Welt, die von Gewalttaten, Spaltungen und Bruderkämpfen erschüttert werden, der ersehnte Friede zurückkehrt. 200 AUDIENZEN UND ANGELUS Auf den Spuren des Kolumbus Generalaudienz am 17. Oktober 1. Meine Gedanken gehen heute mit besonderer Liebe zu den Etappen meiner kurzen, aber ereignisreichen Reise auf den Spuren von Christoph Kolumbus und den ersten Missionaren des lateinamerikanischen Kontinents, die ich am vergangenen Mittwoch angetreten und am Samstag beendet habe - eine Reise, die also etwas weniger als drei Tage gedauert hat. Bekanntlich haben die Bischöfe Lateinamerikas durch den CELAM (das ist der Lateinamerikanische Bischofsrat) beschlossen, den fünfhundertsten Jahrestag seit Beginn der Verkündigung des Evangeliums auf jenem Kontinent mit einer neunjährigen Vorbereitungszeit zu feiern. Zweck dieser meiner Pilgerreise war es, als ich die vom CELAM an mich gerichtete Einladung annahm, im Olympiastadion von Santo Domingo an der Eröffnung dieser neunjährigen Vorbereitungszeit auf die Gedenkfeiern der Entdeckung und Evangelisierung der Neuen Welt teilzunehmen. Dieses Ereignis eröffnete nämlich einen entscheidenden Abschnitt in der Geschichte der Zivilisation, schloß eine Epoche und eröffnete eine neue; vor allem aber war es ein Ereignis von unabsehbarer Bedeutung für das Evangelium Christi und die Kirche, die vom göttlichen Meister den Auftrag erhalten hat, dieses Evangelium allen Völkern zu verkünden. 2. „Wie ist der Freudenbote willkommen, der durch das Bergland eilt, der den Frieden ankündigt, der gute Nachricht bringt und die Rettung verheißt“ (Jes 52, 7). Mit diesen Worten des Propheten Jesaja habe ich in Saragossa den Angehörigen der Missionare gedankt, die an der Verkündigung des Evangeliums auf dem riesigen amerikanischen Kontinent mitwirken. Gemeinsam mit ihnen habe ich in der Basilika der Madonna del Pilar zu Gott gebetet und ihm gedankt, daß Toribio von Mongrovejo, Petrus Claver, Franz Solano, Martin von Porres, Rosa von Lima, Juan Macias, Miguel Febres Cordero und viele andere Unbekannte, die ihrer christlichen Berufung heldenhaft gefolgt sind, sich auf dem amerikanischen Kontinent entfaltet haben und noch immer entfalten. Ich habe Gott gepriesen, weil so viele Kinder Spaniens, des Nachbarlandes Portugal sowie anderer Nationen alles verlassen haben, um sich ganz der Sache des Evangeliums zu weihen. Mein Aufenthalt auf spanischem Boden war nicht eine technische Etappe, sondern eine Anerkennung des Beitrags, den jene Nation zur Evangelisie- 201 AUDIENZEN UND ANGELUS rung der Neuen Welt geleistet hat, und eine mit liebevollem Nachdruck wiederholte Einladung, weiterhin nach besten Kräften zur Fortführung dieser Aufgabe beizutragen, die ihr die göttliche Vorsehung anvertraut hat. 3. Nach meiner Ankunft in Santo Domingo habe ich am Nachmittag des 11. Oktober die Messe für die Evangelisierung der Völker gefeiert und in der Predigt hervorgehoben, daß meine Anwesenheit in Santo Domingo meine Anerkennung und die Bedeutung der Gedenkfeiern, eines äußerst wichtigen historischen Ereignisses, bezeugen wollte. Dieses Ereignis soll die lateinamerikanische Kirche verpflichten, sich noch mehr um die Verkündigung des Evangeliums zu bemühen, ihre Missionstätigkeit weiter auszudehnen und sie intensiver zu betreiben (vgl. Predigt in Santo Domingo am 11. Oktober). Auf der Insel, wo vor beinahe fünfhundert Jahren das Kreuz errichtet und zum ersten Mal der Name Jesu Christi ausgesprochen wurde, habe ich als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus gemeinsam mit den Bischöfen der ganzen Kirche Lateinamerikas und einigen Vertretern der Bischöfe Spaniens, Portugals, der Philippinen, der Vereinigten Staaten und Kanadas die neunjährige Vorbereitungszeit eingeleitet, mit der eines der wichtigsten Daten für die Menschheit und der Beginn des christlichen Glaubens und der katholischen Kirche in einem vielverheißenden Kontinent festlich begangen werden soll. Bei der Begegnung mit den Bischöfen des CELAM am Morgen des 12. Oktober - des Tages, an dem im fernen Jahr 1492 Christoph Kolumbus das Land betrat - überreichte ich den Vorsitzenden der Bischofskonferenzen Lateinamerikas, die alle jeweils von einem Jungen und einem Mädchen begleitet waren, ein großes Kreuz, das aus dem Holz der Bäume Santo Domingos geschnitzt und eine Nachbildung des Kreuzes ist, das Kolumbus vor Beginn des 16. Jahrhunderts dort aufgerichtet hat. Dieses Kreuz soll das Symbol der neuen Geschichte des Kontinents der Hoffnung sein, die mit der Kraft des Kreuzes in Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe gestaltet werden soll. 4. Die Eröffnungsfeier in Santo Domingo geht von der Überzeugung aus, daß es der Rückblick auf diese Jahrhunderte ihrer Geschichte der Kirche erlaubt, ihre Identität zu vertiefen, den lebendigen Strom ihrer Sendung und Heiligkeit zu speisen, der sie vorantrug und noch -trägt; die Probleme der Gegenwart tiefer zu erfassen und mit größerem Realismus der Zukunft entgegenzugehen (vgl. Ansprache an die Bischöfe des CELAM in Santo Domingo am 12. Oktober). 202 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Erinnerung an das Ereignis zu feiern, das eine neue und bedeutsame Epoche einleitete, heißt darum nicht nur, der wichtigsten Ereignisse zu gedenken, sondern sie zur Inspiration unseres heutigen Lebens, zu unserer Weise der Zustimmung zum Glauben an Christus werden zu lassen. Das Vorbild der zahlreichen amerikanischen Heiligen muß uns dazu führen, Jesus zum Mittelpunkt des Lebens zu machen, zur Gegenwart, aus der die Christenheit immer neues Licht und neue Kraft für den Aufbau einer „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ gewinnt, die auf den Prinzipien der Wahrheit, der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens ruht. Ich bin gewiß, daß die Lateinamerikaner in ihrem christlichen Bewußtsein wachsen, wenn sie des Anfangs dieser Epoche in der Geschichte der Menschen und der Kirche gedenken. Sie werden die Botschaft von der Erlösung in ihrer Fülle begreifen: Das Heil ist Wirklichkeit geworden und erfüllt sich mit der Menschwerdung des transzendenten Gottes in der Geschichte. 5. Diese Reise, die einen besonderen missionarischen Charakter trug, stand unter dem Schutz der seligsten Jungfrau Maria. Mit ihrer mütterlichen Hilfe habe ich Gott für den Glauben der zahlreichen Generationen gedankt. Ich habe zur Meditation über das Geheimnis der Heimsuchung Mariens aufgefordert, zum Nachdenken über das von der Vorsehung bestimmte Ereignis, durch das Gott Lateinamerika „zum Land der neuen Heimsuchung gemacht“ hat (Predigt bei der Messe in Santo Domingo am 11. Oktober). Nach dem Vorbild und Beispiel der Muttergottes müssen wir dem Nächsten, dem Bedürftigen die echte und Freude spendende Gegenwart Christi bringen, indem wir ihm in seinen Nöten zu Hilfe kommen. Es besteht kein Zweifel, daß die Kirche wie die Mutter Christi ihrem Herrn restlos treu sein muß, indem sie ihre Vorliebe für die Armen in die Tat umsetzt, ohne aber weder ausschließlich noch ausschließend zu sein. Ich habe schon in Santo Domingo hervorgehoben und wiederhole es heute neuerlich: „Der Papst, die Kirche und ihre Hierarchie (wollen) weiterhin um die Sache der Armen bemüht sein, um ihre Würde, ihre Förderung, ihre Personenrechte, ihr Streben nach unaufschiebbarer sozialer Gerechtigkeit“ (ebd.). Vorausgesetzt, man ist sich bewußt, daß die größte Wohltat, die man dem Menschen erweisen kann, in der Verkündigung besteht, daß Christus auferstanden und der Herr ist, während man die Not des Nächsten teilt. Wer evangelisiert, muß sich ganz klar bewußt sein, daß er seinen Auftrag dann erfüllt, wenn er ihn zur Begegnung mit Christus führt, wenn er ihm 203 AUDIENZEN UND ANGELUS vor allem den Glauben bringt, durch den er im Bruder ein Wesen von einzigartiger Würde mit zu achtenden Rechten erkennt, weil er nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist (vgl. Gen 1, 24). Beten wir, daß die am vergangenen 12. Oktober begonnene neunjährige Vorbereitungszeit im Leben der Kirche und aller Nationen Lateinamerikas Früchte des Glaubens, der Liebe und der sozialen Gerechtigkeit bringe. 6. Nachdem ich an der Eröffnung der neunjährigen Vorbereitungszeit auf die 500-Jahr-Feier der Evangelisierung der Neuen Welt teilgenommen hatte, schloß ich einen kurzen Besuch in Puerto Rico an. Mein Aufenthalt in der Erzdiözese San Juan galt allen Katholiken jener Insel, bezog aber auch die anderen Diözesen - Arecibo, Caques, Maysgüez, Ponce -, den Klerus, die Universität und alle Gläubigen ein. Der Besuch war von den Bischöfen mit großer pastoraler Sorgfalt vorbereitet worden. Ein bemerkenswerter Teil der Inselbevölkerung war mit Begeisterung zu dieser Begegnung gekommen. Die Messe, die ich auf dem „Las Americas“-Platz zelebriert habe, war der Jungfrau Maria unter dem Titel „Mutter der göttlichen Vorsehung“ geweiht, unter dem sie auf der Insel als Schutzpatronin verehrt wird. Das letzte Treffen im Sportpalast der Universität galt denen, die in Seelsorge und Verkündigung tätig sind. Es waren ungefähr 2000 Priester, Ordensleute und Seminaristen aus ganz Puerto Rico anwesend. Es ist bekannt, daß Christoph Kolumbus jener Stadt den Namen Johannes des Täufers gegeben hat. Johannes dem Täufer weihte man auch die erste christliche Basilika, die auf amerikanischem Boden errichtet wurde. Ich hatte die Freude, diese Basilika in Santo Domingo zu besuchen und dort im Gebet zu verweilen. 7. Ich danke Gott durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria für alles, was zur Vorbereitung dieses Besuches unternommen worden und was durch Gottes Gnade als Frucht aus ihm hervorgegangen ist. Noch einmal bringe ich den zivilen und religiösen Obrigkeiten Spaniens, der Dominikanischen Republik, der Vereinigten Staaten und Puerto Ricos meine Dankbarkeit für den mir bereiteten Empfang zum Ausdruck. Ich danke dem Vorstand des CELAM, dem das Verdienst zukommt, diese Initiative gefördert zu haben; ich danke den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und der zahlreichen Bevölkerung, mit denen ich zusammengetroffen bin, und versichere alle meiner dankbaren Liebe. Ich wünsche ihnen, daß die Vorbereitung auf die 500-Jahr-Feier des Beginns von Glaube und 204 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirche auf dem amerikanischen Kontinent reichgesegnete Früchte tragen möge in der Aufgabe der Selbstheiligung und dem Bemühen, die Gesellschaft mit dem Licht und der Kraft des Evangeliums zu beseelen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit besonderer Freude empfange ich die genannten zahlreichen Gruppen und alle Einzelpilger aus den Ländern deutscher Sprache wiederum hier am Petrusgrab. Die vielen jährlichen Romwallfahrten aus euren Gemeinden und Diözesen sind Ausdruck der besonderen Verbundenheit eurer Ortskirchen mit dem Zentrum der katholischen Christenheit. Jeder Christ weiß sich als Glied der weltumspannenden Gemeinschaft der Gläubigen und nimmt persönlichen Anteil an den großen Aufgaben und Sorgen der Weltkirche und ihres obersten Hirten. Deshalb empfehle ich diese auch immer wieder eurem Gebet und Opfer. Aus diesem Grund möchte ich auch heute mit euch zusammen Gott danken für meine kürzliche Pastoraireise, die mich in der vergangenen Woche über Saragossa in Spanien auf den Spuren von Christoph Kolumbus nach Santo Domingo und nach San Juan in Puerto Rico geführt hat. Mit ihr eröffnete der lateinamerikanische Episkopat die Vorbereitungen für die Fünfhundert-Jahr-Feier der Entdeckung und der Evangelisierung Amerikas. Dies war ein entscheidungsvolles Ereignis, das für die ganze Menschheit und auch für die Kirche eine neue geschichtliche Epoche eingeleitet hat. Durch meinen kurzen Aufenthalt in Spanien wollte ich den großen Beitrag dankbar würdigen, den gerade spanische Missionare für die Verkündigung des Evangeliums in der neuen Welt geleistet haben und noch heute leisten. Meine persönliche Teilnahme an der Eröffnung der Jubiläumsfeier in Santo Domingo sollte die große Bedeutung unterstreichen, die der Evangelisierung in der lateinamerikanischen Kirche heute zukommt. Die Jahrhundertfeier soll der Kirche in diesem Kontinent helfen, ihre eigene Identität zu vertiefen, sich im Geist des Glaubens der schwerwiegenden Probleme der Gegenwart anzunehmen und für deren Lösung ihren spezifischen Beitrag zu leisten. Durch ihren bevorzugten Einsatz für die Armen folgt die Kirche Lateinamerikas dem besonderen Vorbild und Gebot Christi. Doch darf diese Option nicht exklusiv sein und niemanden von der Sorge und dem Leben der Kirche ausschließen. Die größte Liebestat, die die Kirche den Menschen allerorts erweisen kann, besteht vor allem darin, ihnen unverkürzt die Frohe Botschaft Jesu Christi zu verkünden und sie zu wahren Jüngern 205 AUDIENZEN UND ANGELUS des Herrn zu machen. Darum soll dieses Jubiläum keine reine Erinnerungsfeier bleiben, sondern zur Quelle einer tiefen religiösen und kirchlichen Erneuerung werden, die die Christen befähigt, die heutige menschliche Gesellschaft in eine „Zivilisation der Liebe“ zu verwandeln. Mit diesem Ziel habe ich diese 500-Jahr-Feier der Entdeckung und Evangelisierung Lateinamerikas in einer besonderen Weise dem Schutz der Gottesmutter empfohlen und bitte dafür auch euch um euer inständiges Gebet. Zum Schluß danke ich euch noch einmal für eure Teilnahme an dieser Begegnung mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, der vom Herrn berufen ist, den Auftrag des hl. Petrus in der Welt von heute fortzusetzen. Ich grüße jeden einzelnen sehr herzlich. Euch allen gelten meine besten Wünsche und mein Gebetsgedenken für einen segensreichen Romaufenthalt und eine glückliche Heimkehr in eure Familien und Gemeinden. Besonders begrüße ich den großen Pilgerzug der Kirchenchöre aus den Diözesen Fulda, Limburg, Mainz und Speyer. Die festliche Gestaltung der Liturgie ist stets ein vordingliches Anliegen der Kirche. Gott würdig zu loben und zu preisen ist das höchste, was der Mensch zu tun vermag. Tut es mit eurer Stimme, mehr aber noch mit eurem Herzen. Verherrlicht den Herrn, unseren Schöpfer und Erlöser, nicht nur mit dem Mund, sondern vor allem durch ein heiligmäßiges Leben. „Seid, was ihr singt!“, ermahnt euch der hl. Augustinus. Euch und allen hier anwesenden Pilgern deutscher Sprache wie auch euren Lieben daheim erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. „Erzählt bei den Völkern vom Herrn!“ Angelus am 21. Oktober 1. „Erzählt bei den Völkern von der Herrlichkeit des Herrn“ (vgl. Ps 96,3). So singt heute die Kirche in der für diesen Sonntag vorgesehenen Liturgie. Zugleich spricht sie mit diesen Worten - am heutigen Weltmissionstag -zu all ihren Söhnen und Töchtern, die allerorts auf Erden im Missionsdienst mitarbeiten. 206 AUDIENZEN UND ANGELUS Ja, durch diesen Dienst „erzählen sie bei den Völkern von der Herrlichkeit des Herrn“. Die Kirche denkt heute mit besonderer Dankbarkeit an alle Missionare und Missionarinnen sowie an alle Personen und Einrichtungen, die den Missionen in der ganzen Welt helfen. Die Kirche drückt das mit den Worten des Völkerapostels aus: „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken; unablässig erinnern wir uns vor Gott, unserem Vater, an das Werk eures Glaubens, an die Opferbereitschaft eurer Liebe und an die Standhaftigkeit eurer Hoffnung auf Jesus Christus, unseren Herrn“ (1 Thess 1, 2-3). 2. Zugleich mit dem Dank möchte ich allen Missionaren - Priestern, Ordensmännern, Ordensfrauen und Laien - die wärmste Ermutigung dafür aussprechen, daß sie ihr Werk fortsetzen und erweitern, ein Werk, das wesentlich ist für die Kirche, da es einen der ausdrücklichsten und eindringlichsten Aufträge des Herrn erfüllt. In diesem hochherzigen Tun müssen sie sich also mehr denn je unterstützt fühlen von der Autorität der Kirche und geleitet von der Kraft des Heiligen Geistes. Im Rosenkranzgebet empfiehlt die Kirche die Arbeit der Missionare Maria, die im pfingstlichen Abendmahlssaal zugegen war. Und zugleich erbittet sie von ihr, die selig ist, weil sie geglaubt hat (vgl. Lk 1, 45), den Segen und die Fürsprache für das Gesamtwerk der Glaubensverkündigung, die in der Herabkunft des Heiligen Geistes ihren Anfang nimmt. 3. „Bringt dar dem Herrn, ihr Stämme der Völker, bringt dar dem Herrn Lob und Ehre!“ (Ps 96, 7). Heute freut sich die Kirche, weil der selige Miguel Febres Cordero zur Ehre der Altäre erhoben worden ist. Bei der Heiligsprechung dieses Heiligen, eines Sohnes des lateinamerikanischen Ekuador und Mitgliedes der Kongregation der Christlichen Schulbrüder, preist der Stuhl Petri Gott und bekennt die Macht der Erlösung Christi, die die Heiligen hervorbringt. Die Heiligkeit des hl. Miguel war in besonderer Weise die des Schullehrers: des Lehrers der katholischen Schule. Darum sehen wir, wenn wir seine Gestalt betrachten, neue Gründe, den Wert der christlichen Schule zu rühmen und alle katholischen Schulen zu loben, die sich dafür einset-zen, ehrenhafte und gutvorbereitete Staatsbürger sowie treue Kinder der Kirche auszubilden, die bereit und fähig sind, aktive Werkzeuge ihrer katechetischen und missionarischen Sendung zu werden. 207 AUDIENZEN UND ANGELUS Allen katholischen Schulen und jedem Katecheten möchte ich das leuchtende Vorbild des hl. Bruders Miguel vor Augen stellen. Rufen wir ihn an, damit seine himmlische Fürsprache die verschiedenen und vielfältigen, in der ganzen Welt zerstreuten Schulwerke der Kirche lenken und unterstützen kann, so daß sie entsprechend dem Charisma eines jeden von ihnen mit pastoraler und kultureller Wirksamkeit die heilbringende Liebe des Vater-Gottes der Welt zu verkünden wissen. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Ich möchte heute auf das am vergangenen Donnerstag zwischen den lieben Nationen Argentinien und Chile erzielten Vertrag Bezug nehmen, der durch hilfreiche Vermittlung des Hl. Stuhls in dem alten Konflikt zwischen ihnen über die Südzone zustande gekommen ist. Zusammen mit der von den Autoritäten der beiden Länder bei der Lösung des Streites bewiesenen Weisheit ist es gut, auch auf die wirksame Arbeit ihrer Delegationen hinzuweisen, die die verschiedenen Interessen ihrer eigenen Völker zu wahren wußten und zugleich immer bereit waren, nach einer Übereinkunft zu suchen. Beten wir zum Herrn, daß dieses Friedenswerk neue Aussichten der Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den beiden Schwesternnationen von tiefkatholischer Tradition, die ich aus ganzem Herzen segne, eröffnen möge. Ich richte meinen Gruß an alle Pilger, die zur Heiligsprechung von Fra Miguel Febres Cordero nach Rom gekommen sind . . . Außerdem grüße ich die Musikkapelle von St. Martin Gsies in der Provinz Bozen. Ein Grund zu tiefer Betrübnis sind die Menschenentführungen, die sich leider immer aufs neue wiederholen. Ich denke mit Schaudern an die schrecklichen Situationen, in denen sich die Entführten befinden, und an die Angst ihrer Angehörigen. Ich möchte ihnen versichern, daß ich ihrer im Gebet gedenke und alle einlade, den Herrn inständig zu bitten, daß diese menschenunwürdigen Gewalttaten aufhören. Heute will ich einen Appell zugunsten von Giorgio Molinari erlassen, des Zahnarztes aus San Martino Spino di Mirandola, der im vergangenen März entführt wurde, ohne daß bis heute irgendeine ihn betreffende Nachricht eingetroffen wäre. Gott möge die Entführer endlich zu einer Geste der Menschlichkeit anhalten. Auf deutsch sagte der Papst: Unter den anwesenden deutschsprachigen Besuchern begrüße ich herzlich 208 AUDIENZEN UND ANGELUS die Mitglieder des Verkehrs Vereins Stuttgart. Ihnen und allen Teilnehmern an diesem sonntäglichen Mariengebet erbitte ich Gottes besonderen Schutz und Segen. Echte Freiheit der Hingabe Generalaudienz am 24. Oktober 1. Entsprechend unserer Ankündigung nehmen wir heute die Analyse der Tugend der Enthaltsamkeit wieder auf. Die Enthaltsamkeit, die zur umfassenden Tugend der Mäßigkeit gehört, besteht in der Fähigkeit, die sexuellen Triebe und ihre Folgen in der psychosomatischen Subjektivität des Menschen zu beherrschen, zu kontrollieren und zu lenken. Eine solche Fähigkeit als ständige Disposition des Willens verdient, Tugend genannt zu werden. Wir wissen aus den vorausgegangenen Analysen, daß die Begierde des Fleisches und das von ihr geweckte sexuelle Verlangen sich mit einem bestimmten Trieb im Bereich der leiblichen Reaktionsfähigkeit und darüber hinaus mit einer psychisch-emotionalen Erregung des sinnlichen Impulses äußert. Die menschliche Person muß sich, um zur Beherrschung dieses Triebes und dieser Erregung zu gelangen, um eine fortschreitende Erziehung zur Selbstkontrolle des Willens, der Empfindungen und Gefühle bemühen; diese muß bei den einfachsten Gesten beginnen, in denen sich verhältnismäßig leicht die innere Entscheidung in die Tat umsetzen läßt. Das setzt natürlich die klare Erfassung der Werte, die in der Norm zum Ausdruck kommen, sowie die Reifung fester Überzeugungen voraus, die die entsprechende Tugend hervorbringen, wenn sie von der diesbezüglichen Disposition des Willens begleitet sind. Eine solche Tugend ist eben die Enthaltsamkeit (Selbstbeherrschung), die sich als Grundbedingung sowohl dafür erweist, daß die Sprache des Leibes in der Wahrheit bleibt, als auch dafür, daß die Eheleute „sich einer dem anderen unterordnen in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ gemäß den Worten der Bibel (vgl. Eph 5, 21). Diese gegenseitige Unterordnung bedeutet die gemeinsame Sorge um die Wahrheit der Sprache des Leibes; die Unterordnung „in der Ehrfurcht 209 AUDIENZEN UND ANGELUS vor Christus“ hingegen weist auf die Gabe der Gottesfurcht (Gabe des Heiligen Geistes) hin, die die Tugend der Enthaltsamkeit begleitet. 2. Das ist sehr wichtig für ein richtiges Verständnis der Tugend der Enthaltsamkeit und besonders der sogenannten „periodischen Enthaltsamkeit“, von der die Enzyklika Humanae vitae handelt. Die Überzeugung, daß die Tugend der Enthaltsamkeit sich der Begierde des Fleisches widersetzt, ist richtig, aber nicht ganz vollständig. Sie ist besonders dann nicht vollständig, wenn wir die Tatsache berücksichtigen, daß diese Tugend ja nicht abstrakt und damit isoliert auftritt und wirkt, sondern immer in Verbindung mit der Klugheit, der Gerechtigkeit, dem Starkmut und vor allem mit der Liebe. Empfänglich für die tieferen Werte Im Licht dieser Überlegungen läßt sich leicht begreifen, daß sich die Enthaltsamkeit nicht darauf beschränkt, der Fleischeslust zu widerstehen, sondern sich durch diesen Widerstand in gleicher Weise jenen tieferen und reiferen Werten, die der bräutlichen Bedeutung des Leibes in seinem Frau-Sein und Mann-Sein innewohnen, wie auch der echten Freiheit der Hingabe in der gegenseitigen Beziehung der Personen öffnet. Die Fleischeslust selbst macht, insofern sie vor allem den fleischlich-sinnlichen Genuß sucht, den Menschen gewissermaßen blind und unempfänglich für die tieferen Werte, die aus der Liebe hervorgehen und zugleich die Liebe in der ihr eigenen inneren Wahrheit begründen. 3. Auf diese Weise wird auch das Wesen der ehelichen Keuschheit in ihrer tiefen Verbindung mit der Kraft der Liebe offenbar, die zusammen mit der „Weihe“ im Sakrament der Ehe in die Herzen der Brautleute eingegossen wird. Es wird außerdem einsichtig, daß die direkte Aufforderung an die Eheleute, „sich einer dem anderen unterzuordnen in der Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5,21), anscheinend jenen inneren Raum öffnet, in dem beide immer empfänglicher für die tieferen und reiferen Werte werden, die mit der bräutlichen Bedeutung des Leibes und der wahren Freiheit der Hingabe Zusammenhängen. Wenn sich die eheliche Keuschheit (und die Keuschheit überhaupt) zunächst als Fähigkeit, der Fleischeslust zu widerstehen, äußert, so offenbart sie sich in der Folge schrittweise als einzigartige Fähigkeit dazu, jene Bedeutungen der Sprache des Leibes zu begreifen, zu lieben und zu verwirklichen, die der Begierde völlig unbekannt bleiben und den bräutli- 210 AUDIENZEN UND ANGELUS chen Dialog der Eheleute nach und nach bereichern, indem sie ihn läutern, vertiefen und zugleich vereinfachen. Jene Askese der Enthaltsamkeit, von der die Enzyklika spricht (Humanae vitae, Nr. 21), bringt also nicht die Verarmung der Ausdrucksformen der Liebe mit sich, sondern sie vertieft sie in gleicher Weise und bereichert sie. 4. Wenn wir die Enthaltsamkeit in der ihr eigenen (anthropologischen, ethischen und theologischen) Dynamik analysieren, bemerken wir, daß der angebliche Widerspruch, der häufig gegen die Enzyklika Humanae vitae und gegen die Lehre der Kirche über die Ehemoral angeführt wird, verschwindet. Es würde also nach denen, die diesen Einwand Vorbringen, ein Widerspruch zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes, des Einswerdens und der Fortpflanzung bestehen (vgl. Humanae vitae, Nr. 12), so daß die Eheleute, wenn es nicht erlaubt wäre, sie zu trennen, des Rechtes auf eheliches Einswerden beraubt würden, wenn sie verantwortlicherweise keine Kinder in die Welt setzen können. Auf diesen angeblichen Widerspruch antwortet die Enzyklika Humanae vitae, wenn man sie gründlich studiert, denn Papst Paul VI. bekräftigt, daß es keinen solchen Widerspruch gibt, sondern eine Schwierigkeit im Zusammenhang mit der inneren Gesamtsituation des Menschen mit seiner Begierde. Aufgrund eben dieser Schwierigkeit wird hingegen dem inneren asketischen Bemühen der Eheleute die wahre Ordnung des ehelichen Zusammenlebens anvertraut, um dessentwillen sie im Ehesakrament „gestärkt und gleichsam geweiht“ werden (Humanae vitae, Nr. 25). 5. Diese Ordnung des ehelichen Zusammenlebens bedeutet zugleich die subjektive Harmonie zwischen der (verantworteten) Elternschaft und der personalen Gemeinschaft, eine Harmonie, die durch die eheliche Keuschheit geschaffen wird. In ihr reifen tatsächlich die inneren Früchte der Enthaltsamkeit. Durch diese innere Reife gewinnt der eheliche Akt selbst jene Wichtigkeit und Würde, die ihm in seiner potentiellen Bedeutung für die Fortpflanzung innewohnt; gleichzeitig gewinnen sämtliche „Ausdrucksformen der Liebe“ ihr Gewicht (Humanae vitae, Nr. 21), die dazu dienen, die personale Gemeinschaft der Ehegatten je nach dem subjektiven Reichtum von Mann und Frau darzustellen. 6. In der Übereinstimmung mit der Erfahrung und der Tradition betont die Enzyklika, daß der eheliche Akt auch eine „Bezeugung der gegenseitigen Liebe“ ist (Humanae vitae, Nr. 16), aber eine „Bezeugung der 211 AUDIENZEN UND ANGELUS Liebe“ besonderer Art, weil er zugleich potentiell der Fortpflanzung dient. Folglich ist er darauf ausgerichtet, das personale Einswerden - aber nicht nur dieses - zum Ausdruck zu bringen. Gleichzeitig weist die Enzyklika, wenn auch indirekt, auf vielfältige „Ausdrucksformen der Liebe“ hin, die ausschließlich das personale Einswerden der Ehepartner zum Ausdruck bringen wollen. Die Aufgabe der ehelichen Keuschheit und noch deutlicher die der Enthaltsamkeit besteht nicht nur darin, die Wichtigkeit und Würde des ehelichen Aktes im Hinblick auf das potentielle Ziel der Fortpflanzung, sondern auch als Ausdruck des interpersonalen Einswerdens zu wahren, indem es dem Bewußtsein und der Erfahrung der Ehepartner alle anderen möglichen „Ausdrucksformen der Liebe“ erschließt, die ihre tiefe Gemeinschaft darstellen. Es geht in der Tat darum, daß die Gemeinschaft der Ehepartner keinen Schaden erleidet, falls sie sich aus rechten Gründen des ehelichen Aktes enthalten müssen. Noch mehr geht es darum, daß diese Gemeinschaft, die fortwährend Tag für Tag durch entsprechende „Ausdrucksformen der Liebe“ aufgebaut wird, sozusagen reiche Möglichkeiten bietet, die Entscheidungen zu einem sittlich rechten ehelichen Akt den Umständen entsprechend heranreifen zu lassen. An die deutschsprachigen Pilger: Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir stets eine große Freude, jeden Mittwoch in den Generalaudienzen mit vielen Gläubigen aus aller Welt zusammenzutreffen. Sie sind das immer wieder neue Erlebnis der Gemeinschaft der Kirche, in der uns unsere Verbundenheit mit Christus ungeachtet unserer unterschiedlichen Herkunft und Sprache untereinander als Brüder und Schwestern vereint. Wir wissen uns eins in Jesus Christus und ihn selber gegenwärtig hier in unserer Mitte gemäß seiner Verheißung: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18, 20). In seinem Namen heiße ich deshalb auch euch aus den Ländern deutscher Sprache heute zu dieser unserer Begegnung hier am Petrusgrab aufrichtig willkommen und grüße euch alle sehr herzlich. Den Gegenstand meiner wöchentlichen Audienzansprachen bildet seit geraumer Zeit das christliche Verständnis der Ehe und die diesbezügliche Lehre der Enzyklika Humanae vitae. Unsere heutigen Überlegungen lenken unsere Aufmerksamkeit auf die Selbstbeherrschung und die Tugend der Enthaltsamkeit, denen auch in der christlichen Ehe eine große Bedeutung zukommt. Es sind grundlegende sittliche Verhaltensweisen, 212 AUDIENZEN UND ANGELUS die es durch eine allmähliche Selbsterziehung, durch die Kontrolle des eigenen Willens, der Gefühle und Emotionen schrittweise zu erlernen gilt. Die Tugend der Enthaltsamkeit zielt vor allem auf die Beherrschung der sinnlichen Begierde. Sie ist jedoch nicht nur repressiv, indem sie die Begehrlichkeit des Fleisches zügelt und in sittlich verantwortlicher Weise zu regulieren sucht, sondern befreit gerade dadurch den Menschen zu höheren, geistigen Werten in der Begegnung zwischen Personen. So soll periodische Enthaltsamkeit, wenn sie in der Ehe gefordert ist, die Zuneigung und Gemeinschaft der Eheleute nicht hemmen oder gar gefährden, sondern vielmehr durch gegenseitige Achtung und Rücksichtnahme ihre personale Verbundenheit und Liebe vertiefen und festigen. Die Tugend der Enthaltsamkeit handelt niemals isoliert, sondern immer in Verbindung mit anderen Tugenden: mit der Klugheit, Gerechtigkeit und vor allem der Liebe. Sie macht die Beziehungen der Eheleute zueinander nicht ärmer, sondern bereichert sie und macht diese fähig, sich gemäß der Mahnung des hl. Paulus einander unterzuordnen „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). Die in der Ehe sich ergebenden Schwierigkeiten zwischen liebender Gemeinschaft und verantwortlicher Elternschaft können nur durch gemeinsame asketische Anstrengungen beider Ehepartner sittlich verantwortlich gelöst werden. Die Tugend der Mäßigung und der ehelichen Keuschheit ist ein sehr geeigneter Weg dazu. Unter den genannten Gruppen grüße ich noch besonders die anwesenden Erzieherinnen aus katholischen Kindergärten im Bistum Mainz. Den Kindern galt die besondere Vorliebe Christi. Folgt in eurem täglichen Umgang mit ihnen seinem Beispiel. Führt sie vor allem zu ihm, der sie so nachdrücklich einlädt, zu ihm zu kommen. Dabei führe und stärke euch Maria, die Mutter Gottes, der in einer besonderen Weise die Kindheit Jesu anvertraut gewesen ist. Schließlich richte ich noch einen herzlichen Willkommensgruß an den großen Pilgerzug aus der Diözese Fulda unter der Leitung ihres Bischofs Dr. Johannes Dyba. Diese Begegnung mit euch erinnert mich an meinen Besuch beim Grab des hl. Bonifatius in eurer Bischofsstadt. Die Gräber der heiligen Glaubenszeugen in unserer Mitte ermahnen und verpflichten uns, den Glauben an Christus in unseren Familien und Gemeinden lebendig zu erhalten und unverfälscht an die jüngere Generation weiterzuvermitteln. Bekennt euch stets mutig zu Christus und zur Kirche an eurem Arbeitsplatz und in eurer Verantwortung in Stadt und Gesellschaft. Verteidigt die 213 AUDIENZEN UND ANGELUS sittlichen Werte im privaten und öffentlichen Leben. Darin bestärke euch diese eure Pilgerfahrt in die Ewige Stadt. Euch und allen anwesenden deutschsprachigen Pilgern erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. An die polnischen Pilger: Am vergangenen Montag veröffentlichte die Erzbischöfliche Kurie in Warschau ein Kommunique, in dem sie mitteilt, daß am 19. Oktober Jerzy Popieluszko, Priester der Erzdiözese Warschau, auf dem Heimweg von einem Seelsorgedienst in Bydgoszcz auf der Straße in der Nähe der Stadt Torun angehalten wurde. Bis zur Stunde ist dieser Priester nicht in seine Pfarrei zurückgekehrt, und man weiß nichts über sein Schicksal. „Das Ereignis hat - so liest man in dem Kommunique - die öffentliche Meinung ganz Polens erschüttert und besonders die Bischöfe, Priester und alle Gläubigen der Erzdiözese Warschau beunruhigt und mit Schmerz erfüllt. Die Erzbischöfliche Kurie von Warschau gibt ihrem tiefen Schmerz Ausdruck und empfiehlt den Fall des Priesters Popieluszko den Gebeten, besonders dem Rosenkranzgebet des ganzen Gottesvolkes.“ Tiefbetroffen von diesem Geschehen, spreche ich meine Solidarität mit den Hirten und dem Volk Gottes der Kirche in Warschau aus. Ich teile die berechtigte Sorge der ganzen Gesellschaft angesichts dieser unmenschlichen Tat, die Ausdruck der Gewalt ist, die an einem Priester verübt wurde und eine Verletzung der Würde und der unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person darstellt. Ich appelliere an das Gewissen derer, die diese schändliche Tat verübt haben und dafür verantwortlich sind. Euch, liebe Brüder und Schwestern, bitte ich, mit mir für die unverzügliche Freilassung von Jerzy Popieluszko und für seine Rückkehr zur pastoralen Arbeit zu beten. Pastoraireise nach Venezuela Angelus am 28. Oktober 1. „Selig ist die, die geglaubt hat“ (Lk 1, 45). Wir werden gleich den Angelus beten. Selig bist du, Maria, die du geglaubt hast, als der Bote Gottes zu dir sprach. 214 AUDIENZEN UND ANGELUS Selig bist du, die du „an die Erfüllung der Worte des Herrn“ geglaubt hast. Deinen Glauben preist Elisabeth. Deinen Glauben preist die ganze Kirche. Deinen Glauben preist die ganze Menschheit. 2. Wir alle, die wir - besonders im Laufe dieses Monats - den heiligen Rosenkranz beten, preisen den Glauben Mariens in jedem ihrer Geheimnisse. Wir beten zu ihr. Und wir beten zusammen mit ihr. Wir glauben, daß sie in diesen Geheimnissen zusammen mit uns betet. Maria macht es uns möglich, daß wir uns in den großen Werken wiederfinden, die der Allmächtige in ihr vollbracht hat, in „Gottes großen Werken“, mit denen die Kirche lebt. Sie geleitet mütterlich das Leben, in dem der Glaube, die Hoffnung und die Liebe der Kirche zum Ausdruck kommen. Und das geschieht - auf eine besondere Weise - durch den heiligen Rosenkranz. Da wir uns dem Ende des Rosenkranzmonats nähern, danken wir für alle Früchte dieses Gebets, in dem die Mutter Christi uns nahe ist. 3. Und gleichzeitig empfehlen wir Gott die großen Volksmissionen, die heute in Venezuela zur Vorbereitung meines für Ende Januar - Anfang Februar 1985 geplanten Besuches beginnen: Mögen sie für unsere venezuelanischen Brüder eine besondere Gelegenheit der Gnade, des Lichtes, der entschlossenen Umkehr und einer immer tieferen Liebe zu Gott und den Brüdern sein. Wir bitten den Herrn, daß durch diese Pastoralinitiative das venezuelanische Volk stärker das Bedürfnis empfindet, sein Leben entschieden auf ihn und auf seinen Willen hinzuordnen, um sich dem neuen, wahren, vollkommenen Menschen Christus anzugleichen. Als die Bischöfe Venezuelas Ende August zu ihrem Ad-limina-Besuch nach Rom kamen, sagten sie mir, es sei der Wunsch der ihrer Seelsorge anvertrauten Nation, durch mehr religiöse Unterweisung und das Geschenk der Sakramente den katholischen Glauben immer besser ken-nenzulemen. Ich wünsche, daß diese Missionen, dadurch, daß sie die Heüsfrucht eines wirksamen Glaubens erbringen, der Kirche in Venezuela ermöglichen, die Aufgabe der Förderung des Menschen durch seine Evangelisierung zu übernehmen. 215 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet sagte der Papst in polnischer Sprache: Liebe Landsleute! Fahren wir fort im Gebet für P. Jerzy Popieluszko. Wir danken allen, die sich hier in Rom, in Italien und in der ganzen Welt mit uns im Gebet für dieses Anhegen vereinen. Wir bitten um Frieden und Ordnung in unserem Land, in unserer Heimat. Wir bitten, daß dieses neue Leid der geistlichen Erneuerung unserer Nation diene. Ist diese Anstrengung möglich? Generalaudienz am 31. Oktober 1. Wir fahren fort in der Analyse der Selbstbeherrschung im Licht der in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Lehre. Man trifft oft die Meinung an, die Selbstbeherrschung löse innere Spannungen aus, von denen sich der Mensch befreien müsse. Im Licht der von uns angestellten Analysen ist die ganzheitlich verstandene Enthaltsamkeit hingegen der einzige Weg, um den Menschen von solchen Spannungen zu befreien. Sie bedeutet nichts anderes als die geistige Anstrengung, die darauf abzielt, die Sprache des Leibes nicht nur in der Wahrheit, sondern auch im echten Reichtum der Ausdrucksformen der Liebe zum Ausdruck zu bringen. <1> <1> Ist diese Anstrengung möglich? In anderen Worten (und unter anderem Aspekt) taucht hier wieder die Frage nach der Realisierbarkeit der sittlichen Norm auf, die von Humanae vitae angeführt und bestätigt wird. Sie stellt eine der wesentlichsten (und gegenwärtig auch dringendsten) Fragen im Bereich der Spiritualität der Ehe dar. Die Kirche ist voll von der Richtigkeit des Prinzips der verantwortlichen Elternschaft - in dem bei den vorangegangenen Katechesen erläuterten Sinn - überzeugt, und das nicht nur aus bevölkerungsstatistischen, sondern aus viel wesentlicheren Gründen. Verantwortlich nennen wir die Elternschaft, die der personalen Würde der Ehegatten als Eltern, der Wahrheit ihrer Person und des ehelichen Aktes entspricht. Daher rührt die enge und unmittelbare Beziehung, die diese Dimension mit der gesamten Spiritualität der Ehe verbindet. Papst Paul VI. hat in Humanae vitae zum Ausdruck gebracht, was übrigens viele angesehene Moraltheologen und auch nichtkatholische 216 AUDIENZEN UND ANGELUS Wissenschaftler) ausgeführt haben, nämlich daß es in diesem zutiefst und wesenhaft menschlichen und persönlichen Bereich vor allem notwendig ist, auf den Menschen als Person Bezug zu nehmen, auf das Individuum, das über sich selbst entscheidet, und nicht auf die Mittel, die es zum Gegenstand (von Manipulationen) machen und es entpersönlichen. Es handelt sich hier also um eine wahrhaft humanistische Bedeutung der Entwicklung und des Fortschritts der menschlichen Zivilisation. 3. Ist diese Anstrengung möglich? Die Gesamtproblematik der Enzyklika Humanae vitae beschränkt sich nicht bloß auf die biologische Dimension der menschlichen Fruchtbarkeit (also auf die Frage der natürlichen Perioden der Fruchtbarkeit), sondern geht zurück auf die Subjektivität des Menschen, auf jenes personale Ich, aufgrund dessen er Mann oder Frau ist. Bereits während der Diskussion beim Zweiten Vatikanischen Konzil zum Kapitel der Pastoralkonstitution Gaudium et spes über „Die Förderung der Würde der Ehe und der Familie“ wurde von der Notwendigkeit einer vertieften Analyse der Reaktionen (und auch der Emotionen) gesprochen, die mit dem jeweiligen Einfluß des Mann- bzw. Frau-Seins <2>) auf die menschliche Person verbunden sind. <2> Ist diese Anstrengung möglich? In anderen Worten (und unter anderem Aspekt) taucht hier wieder die Frage nach der Realisierbarkeit der sittlichen Norm auf, die von Humanae vitae angeführt und bestätigt wird. Sie stellt eine der wesentlichsten (und gegenwärtig auch dringendsten) Fragen im Bereich der Spiritualität der Ehe dar. Die Kirche ist voll von der Richtigkeit des Prinzips der verantwortlichen Elternschaft - in dem bei den vorangegangenen Katechesen erläuterten Sinn - überzeugt, und das nicht nur aus bevölkerungsstatistischen, sondern aus viel wesentlicheren Gründen. Verantwortlich nennen wir die Elternschaft, die der personalen Würde der Ehegatten als Eltern, der Wahrheit ihrer Person und des ehelichen Aktes entspricht. Daher rührt die enge und unmittelbare Beziehung, die diese Dimension mit der gesamten Spiritualität der Ehe verbindet. Papst Paul VI. hat in Humanae vitae zum Ausdruck gebracht, was übrigens viele angesehene Moraltheologen und auch nichtkatholische Dieses Problem gehört nicht so sehr zur Biologie als vielmehr zur Psychologie: Von der Biologie und Psychologie geht es dann in den Bereich der Spiritualität der Ehe und Familie über. Hier steht dieses Problem in der Tat in engem Zusammenhang damit, wie die Tugend der Enthaltsamkeit oder der Selbstbeherrschung und besonders der periodischen Enthaltsamkeit verstanden wird. 4. Eine aufmerksame Analyse der menschlichen Psyche (die zunächst eine subjektive Selbstanalyse ist und dann zur Analyse eines der Humanwissenschaft zugänglichen Objekts wird) erlaubt, zu einigen wesentlichen Feststellungen zu gelangen. Tatsächlich wird in den zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen sich der gegenseitige Einfluß des Mann- und Frau-Seins ausdrückt, in der psycho-emotionalen Wesenheit des menschlichen Ich neben einer als „Erregung“ qualifizierbaren Reaktion noch eine andere Reaktion freigesetzt, die als „Emotion“ bezeichnet werden kann und muß. Obwohl diese beiden Arten von Reaktionen verbunden zu sein scheinen, lassen sie sich erfahrungsgemäß unterscheiden, und zwar in bezug auf den Inhalt oder ihr Objekt). Der objektive Unterschied zwischen der einen und der anderen Reaktionsform besteht darin, daß die Erregung vor allem körperlich und in 217 AUDIENZEN UND ANGELUS diesem Sinn sexuell ist; die Emotion dagegen bezieht sich — auch wenn sie von der jeweiligen Reaktion des Mann- und Frau-Seins hervorgerufen wird - vor allem auf die in ihrer Ganzheit verstandene Person des anderen. Man kann sagen, es ist eine von der Person als Mann oder Frau verursachte Emotion. 5. Was wir hier in bezug auf die Psychologie der gegenseitigen Reaktionen von Mann und Frau sagen, hilft uns, die Funktion der Tugend der Selbstbeherrschung zu begreifen, von der vorhin die Rede war. Sie ist nicht nur - und nicht einmal in der Hauptsache - die Fähigkeit sich zu beherrschen, das heißt die Beherrschung der vielfältigen Reaktionen, die sich verflechten im gegenseitigen Einfluß des Mann- und Frau-Seins; eine solche Funktion müßte als „negativ“ bezeichnet werden. Es gibt noch eine andere Funktion der Selbstbeherrschung (die wir „positiv“ nennen können): und das ist die Fähigkeit, die jeweiligen Reaktionen in bezug auf ihren Inhalt wie auch auf ihren Charakter zu steuern. Es wurde bereits gesagt, daß im Bereich der gegenseitigen Reaktionen des Mann- und Frau-Seins die Erregung und die Emotion nicht nur als zwei getrennte und unterschiedliche Erfahrungen des menschlichen Ich erscheinen, sondern sehr oft im Rahmen derselben Erfahrung als zwei verschiedene Komponenten miteinander verbunden erscheinen. Von verschiedenen Umständen innerer und äußerer Natur hängt das wechselseitige Verhältnis ab, in dem diese beiden Komponenten in einer bestimmten Erfahrung erscheinen. Manchmal überwiegt ganz klar eine der beiden Komponenten, andere Male herrscht mehr oder weniger Ausgewogenheit zwischen ihnen. 6. Die Enthaltsamkeit als Fähigkeit, die Erregung und die Emotion im Bereich des gegenseitigen Einflusses des Mann- und Frau-Seins zu steuern, hat die entscheidende Aufgabe, das Gleichgewicht zu bewahren zwischen der Gemeinschaft, in der die Ehegatten einander nur ihre innigste Vereinigung zum Ausdruck bringen wollen, und jener, in der sie (zumindest implizit) die verantwortliche Elternschaft annehmen. Denn die Erregung und die Emotion können von seiten des Individuums Ausrichtung und Wesen der gegenseitigen Sprache des Leibes beeinträchtigen. Die Erregung sucht sich vor allem in Form der sinnlichen und körperlichen Lust auszudrücken, das heißt, sie strebt den ehelichen Akt an, der (abhängig von den natürlichen Fruchtbarkeitsperioden) die Möglichkeit der Zeugung einschließt. Die von einem anderen menschlichen Wesen als 218 AUDIENZEN UND ANGELUS Person hervorgerufene Emotion hingegen strebt, auch wenn sie in ihrem emotionalen Inhalt vom Frau- bzw. Mann-Sein des anderen bedingt wird, nicht an sich den ehelichen Akt an, sondern beschränkt sich auf andere Ausdrucksformen der Liebe, in denen die bräutliche Bedeutung des Leibes zum Ausdruck kommt und die trotzdem nicht seine (potentiell) auf Zeugung und Fortpflanzung hingeordnete Bedeutung in sich schließen. Es ist leicht einzusehen, welche Konsequenzen sich daraus für das Problem der verantwortlichen Elternschaft ergeben. Es sind Konsequenzen sittlicher Natur. Anmerkungen 1) Vgl. die Erklärungen des Bundes für evangelisch-katholische Wiedervereinigung (O.R. vom 19. 9. 68, S. 3), des Anglikaners Dr. F. King (O.R. vom 5. 10. 68, S. 3) und des Herrn Mohammed Cherif Zeghoudo (in der gleichen Nummer). Besonders bezeichnend ist der Brief Karl Barths an Kardinal Cicognani vom 28. 11. 68, in dem dieser den großen Mut Pauls VI. lobt. 2) Vgl. Stellungnahme von Kardinal Leo Suenens in der 138. Generalversammlung am 29. 9. 65: (Acta Synodalia S. Concilii Oecumenici Vaticanill, vol. 4, pars 3. p. 30). 3) Hierzu ließe sich vergleichen, was der hl. Thomas über die „menschliche Liebe“ im Verhältnis zur Konkupiszenz und zum Willen sagt (S.Th. I-IIae, q. 26, art. 2). An die deutschsprachigen Pilger: Liebe Brüder und Schwestern! Wiederum freue ich mich über eure so zahlreiche Teilnahme an dieser Audienz aus den Ländern deutscher Sprache. Sehr herzlich grüße ich alle genannten Gruppen und jeden einzelnen von euch. Unsere Begegnung hier am Petrusgrab ist ein gemeinsames Bekenntnis unseres Glaubens an Christus, der uns in seine Kirche berufen hat. Die beiden kommenden Festtage Allerheiligen und Allerseelen lenken unsere Aufmerksamkeit in einer besonderen Weise auf unsere ewige Bestimmung. Wie alle, die uns im Glauben vorangegangen sind, sind auch wir von Gott berufen zu einer ewigen glücklichen Gemeinschaft mit ihm. Erneuern wir deshalb in diesen Tagen mit der Liturgie der Kirche unseren Glauben an die „Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, wie wir ihn im Credo bekennen. Die uns daraus erwachsende christliche Hoffnung wird uns helfen, die vielfältigen Prüfungen unseres christlichen Lebens um so kraftvoller und siegreicher zu bestehen. In meiner heutigen italienischen Audienzansprache setze ich die Ausführungen über das christliche Verständnis von Ehe und Familie fort. Auch sie wollen für die christlichen Eheleute eine Hilfe sein, ihre Ehe im Lichte ihrer ewigen Berufung zu leben und die Schwierigkeiten, denen sie darin 219 AUDIENZEN UND ANGELUS begegnen, im Geist christlicher Zuversicht und mit Starkmut zu ertragen und gemeinsam zu meistern. Das Eheverständnis, wie es uns die Enzyklika Humanae vitae vor Augen stellt, ist anspruchsvoll und stellt an beide Ehepartner hohe sittliche Forderungen. Zu ihr gehört wesentlich auch die Tugend der Selbstbeherrschung und der Mäßigung, die die Eheleute auch zur Enthaltsamkeit befähigt, wenn diese für ihr sittliches Verhalten und eine verantwortliche Elternschaft gefordert ist. Kraft dieser Tugend vermögen die Eheleute vor allem ihre gegenseitigen Reaktionen, ihre Gefühle und Emotionen entsprechend den jeweiligen Umständen zu kontrollieren und sie in gegenseitiger Achtung und Rücksichtnahme in eine umfassende personale Lebensgemeinschaft zu integrieren. Die Tugend der Selbstbeherrschung und Mäßigung führt zu keiner Verkümmerung der Ehe, sondern vielmehr zu einer tiefen inneren Bereicherung. Sie ist auch für die Überwindung der heutigen vielfältigen Schwierigkeiten in Ehe und Familie besonders hilfreich und empfehlenswert. Nach diesen kurzen Überlegungen grüße ich noch besonders herzlich die große Pilgergruppe der Kirchenchöre des Cäcilienverbandes der Erzdiözese Freiburg unter der Leitung des Herrn Weihbischof Karl Gnädinger, alle übrigen anwesenden Kirchenchöre sowie das Sinfonieorchester und den Jugendchor des Robert-Schumann-Gymnasiums in Dillingen/Saar. Die Musik, die als solche den Menschen innerlich erhebt, wird in der Liturgie in einer besonderen Weise Teil und Ausdrucksform des Lobpreises Gottes der betenden Gemeinde. Euer Gesang selbst wird zum Gottesdienst. Schenkt ihm deshalb nicht nur eure Stimmen, sondern auch euer Herz, und laßt auch euer Leben selbst stets mit darin einklingen. Ferner richte ich einen aufrichtigen Willkommensgruß an die Teilnehmer der Romreise der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen und der katholischen Familienzeitschrift „Leben und Erziehen“. Gern ermutige ich ihre verantwortlichen Herausgeber und deren Lesergemeinden zur vertrauensvollen Zusammenarbeit für ein immer wirksameres Presseapostolat in den Familien und Gemeinden. Möge dadurch der Glaube vertieft und das gemeinsame Zeugnis für Christus und die Kirche immer kraftvoller und überzeugender werden. Schließlich begrüße ich noch herzlich den Sonderzug der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Westdeutschlands. Ich freue mich über euer Kommen als Ausdruck eurer Treue zu Christus in der Welt der Arbeit. Christus, der durch seiner eigenen Hände Arbeit inNazaret die menschliche Arbeit geheiligt hat, ist stets an eurer Seite. Heiligt ihr mit ihm eure tägliche Arbeit, steht in christlicher Solidarität zu euren Kollegen am 220 AUDIENZEN UND ANGELUS gleichen Arbeitsplatz, und tragt vor allem Sorge für diejenigen, die ohne Arbeit sind, besonders die Jugendlichen. Wißt, daß die Kirche euch stets nahe ist und in ihrer Soziallehre eure berechtigten Sorgen und Anhegen würdigt und verteidigt. Von Herzen erteile ich euch und allen hier anwesenden Pilgern und Besuchern aus den deutschsprachigen Ländern für Gottes bleibenden Schutz und Beistand meinen besonderen Apostolischen Segen. Im Verlauf der Generalaudienz nahm der Papst auf das Attentat in Neu-Delhi Bezug und sagte: Wieder hat ein schwerer Gewaltakt heute morgen die öffentliche Meinung erschüttert: Frau Indira Gandhi, Premierminister von Indien, ist einem Attentat zum Opfer gefahen. Ein neues, trauriges Glied fügt sich der Kette der Grausamkeit hinzu, die die Welt mit Blut befleckt und in allen Schrecken und Abscheu erweckt. Indem ich mein tiefes Bedauern über dieses Verbrechen ausdrücke, möchte ich meine herzliche Anteilnahme an der Trauer der Familienangehörigen und an der Bestürzung der großen indischen Nation bekunden, der ich mich in diesem Augenblick besonders verbunden fühle in dem Wunsch, daß sie mit der ihr eigenen Würde und Klugheit diese schwere Prüfung zu überwinden wisse. Ich empfehle der Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes die Seele von Frau Gandhi und lade auch euch ein, mit mir zu beten. Nicht Gewalt, sondern Liebe Angelus am Fest Allerheiligen, 1. November 1. „Und ich erfuhr die Zahl derer, die mit dem Siegel gekennzeichnet waren“ (Offb 7, 4). Diese Worte aus der Offenbarung des Apostels Johannes finden sich in der Liturgie des heutigen Tages. Am Fest Allerheiligen verehrt die Kirche auf der ganzen Erde diejenigen, an denen das Heil sich endgültig erfüllt hat. Das sind - nach der Offenbarung des Johannes — jene, die „mit lauter Stimme riefen: Die Rettung kommt von unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und von dem Lamm“ (Offb 7, 10). Sie sind in der Tat mit dem Blut des Lammes gekennzeichnet. Sie tragen 221 AUDIENZEN UND ANGELUS an sich das Siegel der Erlösung, die die Quelle des Lebens und der Heiligkeit ist. „Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so wie Er heilig ist“ (1 Joh 3, 3). Gott ist heilig: dreimal heilig, unendlich heilig. Und er beruft die Menschen zur Heiligkeit. Heute freut sich die Kirche über alle, die diese Berufung voll erfüllt haben, über jene, die auf ewig an Gottes Heiligkeit teilhaben. 2. Aus tiefstem Herzen kommt darum das Gebet, das heute, an diesem Fest, zum Himmel emporsteigt: „Allmächtiger, ewiger Gott, du schenkst uns die Freude, am heutigen Fest die Verdienste aller deiner Heiligen zu feiern. Erfülle auf die Bitten so vieler Fürsprecher unsere Hoffnung und schenke uns dein Erbarmen“ (Tagesgebet). 3. Beim Gebet des Angelus wenden wir uns besonders an diejenige, die die Kirche als Königin aller Heiligen verehrt: „Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen!“ (Lk 1, 42). „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“ {Lk 1, 35). In dir wollen wir in höchstem Maß Gott Ehre erweisen für das Geschenk der Heiligkeit, das den Menschen in Jesus Christus angeboten wird. Sei Fürsprecherin in unserem Gebet für die Verstorbenen, mit dem die Kirche gewissermaßen die Freude des Allerheiligenfestes vervollständigt. Nach dem Angelusgebet sagte der Papst: Unsere Gedanken führen uns schon heute zu den Verstorbenen, während wir uns darauf vorbereiten, an dem für sie bestimmten Tag mit Gebeten und Gedächtnismessen ihrer zu gedenken. Ich werde mich heute nachmittag auf den Verano-Friedhof begeben und dort für sie die Messe feiern. Beten wir zum Herrn, daß er ihre Seelen unter die „große Zahl“ {Offb 7, 4) derer aufnehmen möge, auf die zu blicken wir von der heutigen Liturgie aufgefordert werden. Ich bitte euch, richtet an den Herrn ein besonderes, schmerzerfülltes Gebet für alle, die durch Gewaltanwendung den Tod erlitten haben. Es sind leider sehr viele und in vielen Regionen der Welt! Das Herz wird schwer beim Gedanken an so viel vergossenes Blut, an so viel Leid und so viele Tränen. Gerade die letzten Tage wurden von Trauernachrichten verdunkelt: Ich denke an die indische Ministerpräsidentin Frau Indira Gandhi, die gestern in Neu-Delhi ermordet wurde; ich denke an den polnischen Priester Jerzy 222 AUDIENZEN UND ANGELUS Popieluszko, dessen tragisches Ende die Welt erschüttert hat; ich denke an die Menschen, die bei den jüngsten Unruhen in Chile den Tod gefunden haben, an die Opfer der Unterdrückung in Südafrika und an all die zahlreichen Opfer der Gewalt in vielen anderen Ländern der Welt. Der große und barmherzige Gott schenke ihren unsterblichen Seelen Frieden und gewähre den Lebenden die Einsicht, daß nicht mit Gewalt, sondern nur mit der Liebe eine menschenwürdige Zukunft zu bauen ist. Als Pilger beim hl. Karl Angelus in Arona am 4. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Dieses gigantische Monument, allgemein unter dem Namen „San Carlone“ bekannt, das seit 300 Jahren zu Ehren eines Gestirns von außerordentlicher Größe in der Kirchengeschichte in den Himmel von Arona emporragt, wird heute zum „Fenster“ meiner sonntäglichen Mittagsbegegnung. Der hl. Karl freut sich darüber, denn er liebte die Stunde des Angelusgebets. Beim Glockenschlag unterbrach er sogleich jede Tätigkeit, kniete sich nieder und betete, in tiefe Sammlung versunken, das schöne Mariengebet. Er kniete sich auf der nackten Erde nieder, wo er sich gerade befand, selbst im Schmutz der Straßen, auf denen sich seine mühsame und ununterbrochene Wanderschaft als Bischof großenteils abspielte. In dieser demütigen und zugleich großen Geste können wir eine ausdrucksvolle Zusammenfassung der Frömmigkeit erkennen, die er für die seligste Jungfrau hegte. Eine solide Frömmigkeit, die verbunden war mit der Betrachtung des Erlösungsmysteriums, Säule seiner persönlichen Frömmigkeit und Ausstrahlungskraft seines so wirksamen Dienstes. Eine innige Frömmigkeit als liebevoller Ausdruck der reichen Empfindungsskala seines glühenden Herzens. Eine kindliche Frömmigkeit, der die Höhenflüge vertraut waren, auf die sich seine Seele in strenger und bußfertiger Askese eingeübt hatte. Er schreibt: „Wenn wir die Menschwerdung Gottes betrachten, nehmen wir an der unermeßlichen Freude teil, von der die seligste Jungfrau und Gottesmutter erfüllt war. Jeder meditiere und sage für sich: Das Wort ist 223 AUDIENZEN UND ANGELUS Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, damit der Mensch an der göttlichen Natur teilhabe, damit er seine Wohnung im Himmel habe, damit die göttliche Gerechtigkeit vollfüllt und dem menschlichen Hochmut Abhilfe geschaffen werde“ (Carolus Borromeus, Ordo Tractationis de oratione, lib. II, XXII, Mailand 1983). 2. Die marianische Dimension durchzieht sein vielfältiges Werk als Apostel des Konzils von Trient, als genialer und sorgfältiger Gesetzgeber, als weitblickender und unerschütterlicher Reformator. Indem der hl. Karl die Frömmigkeit des Volkes, das Maria als Unsere Liebe Frau von Mailand verehrte, bekräftigte, bemühte er sich darum, daß die Verehrung der Jungfrau immer tiefer in die Frömmigkeit des einzelnen und in den allgemeinen Gottesdienst eindringe. Zu diesem Zweck erläßt er zahlreiche Verfügungen, die die Verbreitung des Rosenkranzgebetes, das Stundengebet der seligsten Jungfrau, die Meßfeier und besondere Andachten zu Ehren Mariens betreffen. An die Muttergottes - die Miterlöserin - wendet sich der hl. Karl mit einzigartigen Offenbarungsakzenten. Als er die Begegenheit der Wiederfindung des zwölfjährigen Jesus im Tempel kommentiert, rekonstruiert er das innerliche Gespräch zwischen der Mutter und dem Sohn und fügt hinzu: „Du wirst noch viel größere Schmerzen ertragen, o gesegnete Mutter, und wirst weiterleben; aber das Leben wird für Dich tausendmal bitterer als der Tod sein. Du wirst Deinen unschuldigen Sohn den Händen der Sünder ausgeliefert sehen . . . Du wirst ihn sehen, wie er zwischen den Räubern brutal gekreuzigt wird; Du wirst seine heilige Seite von einem grausamen Lanzenstich durchbohrt sehen; Du wirst schließlich das Blut hervorströmen sehen, das Du ihm gegeben hast. Und trotzdem wirst Du nicht sterben!“ (Predigt im Mailänder Dom am Sonntag nach der Erscheinung des Herrn, 1584). 3. Gemeinsam mit dem hl. Karl, der seit meiner Taufe mein himmlischer Patron ist, rufe ich hier als Pilger in seinem Geburtsort die Mutter der Kirche an. Mit ihm bitte ich sie für das Volk Gottes und für die ganze Menschheitsfamilie. Ich bitte darum, daß er seine hebevolle Fürsprache einsetze, damit am Ausgang des 20. Jahrhunderts, das seiner Zeit ähnelt, der Weg der kirchlichen Erneuerung von dem starken und getreuen Rhythmus geprägt sei, durch den er im Herzen des lombardischen Volkes und der Universalkirche gegenwärtig geblieben ist. An der Schwelle zum dritten Jahrtausend möge seine gewaltige Persön- 224 AUDIENZEN UND ANGELUS lichkeit den Bischöfen die Weisheit und die Glut, die Demut und den Mut einflößen, die seine eiligen Schritte leiteten. Möge sie allen ein Ansporn sein, die Wahrheit zu verkünden, die allgemeinen Sitten zu heben, die Eintracht, den Frieden und jeden echten Wert, auf dem der Fortschritt der Gesellschaft beruht, zu fördern. Nach dem Angelus sagte der Papst: Ich möchte nun meine Gedanken den anderen Orten zuwenden, wo der hl. Karl unauslöschliche Spuren seiner Anwesenheit hinterlassen hat und die ich auf dieser Pilgerfahrt leider nicht berühren kann. Ich blicke zum anderen Ufer des Lago Maggiore und komme im Geist in die Schweizer Täler und Ortschaften des ambrosianischen Ritus, die der unermüdliche Bischof mehrmals besucht hat. Ich denke besonders an das freundliche Städtchen Ascona, Sitz des Kollegs Bartolomeo Papio, das er am 30. Oktober 1584, also vier Tage vor seinem heiligmäßigen Tod, errichtet hat. Das Gedenken an den großen Karl Borromäus, das, wie ich weiß, in jenen christlichen Gemeinden immer lebendig geblieben ist, möge Quelle ständiger Kraft sein im Ja zum Glauben, in einem konsequenten Leben, in der kirchlichen Gemeinschaft. Und nun gehen meine Gedanken zu einer weitentfernten Nation; einer Nation, die geographisch weitentfemt, geistig mir aber sehr nahe ist; die große indische Nation. Ich lade euch ein, euch mit mir im Gebet zu vereinen, um Gott zu bitten, daß die tragische Situation, die, wie alle wissen, in jenem Land entstanden ist, überwunden werden kann und jenes edle Volk, während es aus seinen alten Traditionen der Kultur und Weisheit schöpft, wieder zurückfindet auf die Wege eines sicheren Zusammenlebens in gegenseitiger Achtung in wirksamer Eintracht, im bürgerlichen Frieden. 225 AUDIENZEN UND ANGELUS Selbsthingabe an das andere Ich Generalaudienz am 7. November 1. Wir setzen die Analyse der Tugend der Enthaltsamkeit im Lichte der in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Lehre fort. Es sei daran erinnert, daß die großen vorchristlichen wie christlichen Klassiker des ethischen (und anthropologischen) Denkens in der Tugend der Enthaltsamkeit nicht nur die Fähigkeit sehen, die körperlichen und sinnlichen Reaktionen zu beherrschen, sondern mehr noch die Fähigkeit, die gesamte sinnlich-emotionale Sphäre des Menschen zu kontrollieren und zu leiten. In unserem Fall handelt es sich um die Fähigkeit, sowohl die Erregung auf ihre einwandfreie Entwicklung hinzulenken, als auch die Emotion selbst zu steuern und ihren „reinen“ und gewissermaßen „uneigennützigen“ Charakter zu vertiefen und innerlich zu bereichern. Ergriffenheit des anderen Partners 2. Diese Unterscheidung zwischen Erregung und Emotion meint keinen Gegensatz. Sie bedeutet nur, daß der eheliche Akt als Wirkung der Erregung nicht gleichzeitig mit der Erregung der anderen Person verbunden ist. Sicher ist das der Fall, jedenfalls sollte es nicht anders sein. Beim ehelichen Akt müßte die Vereinigung mit einer besonderen Vertiefung der Emotion, ja mit der Ergriffenheit des anderen Partners verbunden sein. Das ist auch im Epheserbrief in Form einer an die Eheleute gerichteten Ermahnung gesagt: „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). Die in dieser Analyse festgestellte Unterscheidung zwischen „Erregung“ und „Emotion“ beweist nur den subjektiven Reichtum des menschlichen Ich an Reaktions- und Emotionsfähigkeit; dieser Reichtum schließt jede oeinseitige Beschränkung aus und ermöglicht es, daß die Tugend der Enthaltsamkeit als Fähigkeit verwirklicht werden kann, die Äußerung sowohl der Erregung wie der Emotion, die vom gegenseitigen Reaktionsvermögen von Mann und Frau geweckt werden, zu lenken. 3. So verstanden, spielt die Tugend der Enthaltsamkeit eine entscheidende Rolle für die Aufrechterhaltung des inneren Gleichgewichts zwischen den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes - liebende Vereinigung und Zeugung neuen Lebens — (vgl. Humanae vitae, Nr. 12) im Hinblick auf eine wirklich verantwortliche Elternschaft. 226 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Enzyklika Humanae vitae widmet dem biologischen Aspekt des Problems, das heißt dem zyklischen Charakter der menschlichen Fruchtbarkeit, gebührende Aufmerksamkeit. Auch wenn dieser zyklische Charakter im Lichte der Enzyklika ein providentielles Zeichen für eine verantwortliche Elternschaft genannt werden kann, so läßt sich doch ein Problem wie dieses angesichts seiner so tief personalen und sakramentalen, theologischen Bedeutung nicht allein auf dieser Ebene lösen. „Deshalb fordert die Liebe von den Ehegatten, daß sie ihre Aufgabe verantwortlicher Elternschaft richtig erkennen“, lehrt die Enzyklika und gibt darum nicht nur Antwort auf die konkrete Frage, die sich im Rahmen der Ethik des Ehelebens stellt, sondern entwirft, wie bereits gesagt wurde, darüber hinaus das Bild zu einem christlichen Eheverständnis, das wir wenigstens kurz umreißen wollen. Was meint die „natürliche Methode“? 4. Die richtige Art und Weise, die periodische Enthaltsamkeit als Tugend (das heißt nach Humanae vitae, Nr. 21, als Selbstbeherrschung) zu verstehen und zu üben, bestimmt auch ganz wesentlich die Natürlichkeit der Methode, die auch als „natürliche Methode“ bezeichnet wird: Das ist Natürlichkeit auf der Ebene der Person. Man darf also nicht an eine mechanische Anwendung biologischer Gesetze denken. Das Wissen um die Zyklen der Fruchtbarkeit - so unerläßlich es ist - schafft noch nicht jene innere Freiheit der Hingabe, die ausdrücklich geistiger Natur ist und von der Reife des inneren Menschen abhängt. Diese Freiheit setzt die Fähigkeit voraus, die sinnlichen und emotionalen Reaktionen zu steuern, so daß sie die Selbsthingabe an das andere Ich aufgrund des reifen Besitzes des eigenen Ich in seiner körperlichen und emotionalen Subjektivität ermöglicht. 5. Wie sich aus unseren vorangegangenen biblischen und theologischen Analysen ergeben hat, ist der menschliche Leib in seinem Mann- und Frau-Sein aus sich heraus auf die Personengemeinschaft (communio personarum) hingeordnet. Darin besteht seine bräutliche Bedeutung. Gerade diese bräutliche Bedeutung des Leibes ist gewissermaßen an ihrer Wurzel von der Begierlichkeit (besonders von der Fleischeslust im Rahmen der dreifachen Begierlichkeit) entstellt worden. Die Tugend der Enthaltsamkeit bringt in ihrer reifen Form allmählich die bräutliche Bedeutung des Leibes rein zur Darstellung. Auf diese Weise fördert die Enthaltsamkeit die Personengemeinschaft 227 AUDIENZEN UND ANGELUS von Mann und Frau, die sich im Bereich der Begierlichkeit allein nicht gemäß der vollen Wahrheit ihrer Möglichkeiten zu bilden und zu entfalten vermag. Das eben bekräftigt die Enzyklika Humanae vitae. Diese Wahrheit hat zwei Aspekte: den personalen und den theologischen. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! In unseren wöchentlichen Ausführungen zum christlichen Verständnis der Ehe setzen wir unsere Überlegungen über die Tugend der Mäßigung und Enthaltsamkeit fort. Sie ist nach der Lehre der Ethik nicht nur die Fähigkeit, sich der körperlichen und sinnlichen Reaktionen zu „enthalten“, sondern vielmehr die Fähigkeit, den gesamten sinnlichen und gefühlsmäßigen Bereich des Menschen zu beherrschen und zu lenken. Die Tugend der Enthaltsamkeit spielt eine wichtige Rolle auch in der Ehe, um das innere Gleichgewicht zwischen liebender Gemeinschaft der Ehepartner und einer verantwortlichen Elternschaft zu wahren. Diesbezüglich erkennt die Enzyklika „Humanae vitae“ dem periodischen Charakter der menschlichen Fruchtbarkeit eine providentielle Bedeutung zu. Dennoch läßt sich das Problem einer verantwortungsbewußten Geburtenregelung nicht durch eine rein mechanische Beobachtung der empfängnisfreien Tage lösen. Periodische Enthaltsamkeit als Tugend muß Ausdruck einer reifen ehelichen Liebe und Spiritualität sein. Nur wer in dieser inneren sittlichen Reife seine sinnlichen Regungen zu beherrschen vermag, wird innerlich wirklich frei und fähig, sich entsprechend den Umständen in personaler Begegnung an den anderen hinzugeben. Mit dieser kurzen Betrachtung grüße ich sehr herzlich alle Pilger und Besucher aus den Ländern deutscher Sprache: aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Ich empfehle diese Überlegungen nicht nur den Eheleuten unter euch, sondern jedem einzelnen. Denn die Tugend der Selbstbeherrschung und Mäßigung in der Lebensführung ist für jeden die notwendige Voraussetzung für seine innere sittliche Reife als Mensch und besonders als Christ. Ich erbitte euch dazu Gottes Kraft und Beistand und erteile euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. 228 AUDIENZEN UND ANGELUS „Arbeit mit Gebet verbinden!“ Angelus am 11. November 1. Wir kommen am zweiten Sonntag im November zum Angelusgebet zusammen. In diesem Gebet erwägen wir getreu und mit erneuertem Herzen die Tatsache, daß „das Wort Fleisch geworden (ist) und unter uns gewohnt (hat)“ (Joh 1, 14). Die erste Wohnung des menschgewordenen Wortes war die Magd des Herrn, die Jungfrau Maria aus Nazaret. Mit ihr wollen wir uns durch dieses Gebet in besonderer Weise verbinden, und zusammen mit ihr wollen wir vor allem über die Wahrheit nachden-ken: Gottes Sohn ist Mensch geworden, und Maria ist die Mutter Gottes. Diese Wahrheit ist durchdringend und zugleich unerforschlich. Darum müssen wir häufig über sie nachdenken und immer in ihrem Licht leben. 2. Der Monat November ist dem Andenken der Verstorbenen gewidmet. Wir gedenken nicht nur ihrer, sondern erneuern durch dieses Gedenken in uns den Glauben an das ewige Leben. In dem Abschnitt aus dem ersten Thessalonicherbrief, der bei der heutigen Messe verlesen wird, schreibt der hl. Paulus: „Wenn Jesus - und das ist unser Glaube - gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen“ (1 Thess 4, 14). „Er wird führen“: Er wird sie aus dem Tod ins neue Leben führen; in jenes Leben, das in der Auferstehung Christi nach seinem Kreuzestod offenbar geworden ist. Dieses Leben ist in Gott, kommt von Gott selbst. Niemand anderer kann es dem Menschen geben. An ihm haben jene teil, die zusammen mit Christus „aus Gott geboren sind“ (Joh 1, 13). 3. In der heutigen Liturgie ruft die Kirche mit den Worten des Psalmi-sten: „Gott, meine Seele dürstet nach dir“ (Ps 63). Mit diesem Ruf gedenkt sie der Verstorbenen, die nach dem Erdenleben noch geläutert werden, damit sie voll an der Herrlichkeit des göttlichen Lebens teilhaben können. Vereinen wir uns mit diesem Ruf der Kirche im Angelusgebet. Nach dem Angelus sagte der Papst: Am heutigen Tag, an dem wir auch das Fest des hl. Martin feiern, der in 229 AUDIENZEN UND ANGELUS besonderer Weise mit dem Leben und der Frömmigkeit des Landvolks verbunden ist, wird auf Wunsch der nationalen Vereinigung des Landvolks, die vor wenigen Tagen ihr 40jähriges Bestehen feiern konnte, das Erntedankfest begangen. Ich möchte dem lieben Landvolk nahe sein, um gemeinsam mit ihm Gott frohen Dank und Lobpreis darzubringen für die Früchte der Erde und der Arbeit des Menschen, dessen Fleiß der Herr in seiner Vorsehung die Welt anvertraut hat. Ich wünsche, daß das Landvolk, das an Gottes Schöpfungswerk mitarbeitet und es immer fruchtbarer, nutzbringender und schöner macht, Herz und Geist immer mehr zu der Erkenntnis erzieht, daß Gott allein die Quelle des Lebens und Friedens ist. Ich lade es ein, seine Arbeitsmühen stets mit dem Gebet zu dem zu verbinden, der „die Kraft ist, die die Wirklichkeit zusammenhält“ (Hymnus zur Non des Stundengebets). Dieser mein Segenswunsch für das Landvolk sei gleichzeitig eine Aufforderung zur Heiligung der Arbeit an alle, die durch ihre körperliche oder geistige Mühe in Vorwegnahme des Reiches Gottes eine Gesellschaft im Zeichen der Wahrheit und der Liebe aufbauen wollen, in der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit vereint sind. Die Ehrfurcht vor Gottes Werk Generalaudienz am 14. November 1. Im Licht der Enzyklika Humanae vitae ist das grundlegende Element der Ehespiritualität die Liebe, die als Geschenk des Heiligen Geistes in die Herzen der Eheleute eingegossen ist (vgl. Röm 5,5). Die Ehepartner empfangen im Sakrament diese Gabe zugleich mit einer besonderen Weihe. Die Liebe ist mit der ehelichen Keuschheit verbunden, die sich als Enthaltsamkeit zeigt und auf diese Weise die innere Ordnung des ehelichen Zusammenlebens verwirklicht. Keuschheit heißt leben nach der Ordnung des Herzens. Diese Ordnung erlaubt die Entfaltung der Ausdrucksformen der Liebe in dem Umfang und der Bedeutung, die ihnen eigen sind. So wird die eheliche Keuschheit nach einem Ausdruck des hl. Paulus als „Leben aus dem Geist“ bestätigt (vgl. Gal 5, 25). Der Apostel hatte dabei nicht nur die dem menschlichen 230 AUDIENZEN UND ANGELUS Geist innewohnenden Kräfte im Sinn, sondern vor allem den heiligenden Einfluß des Heiligen Geistes und seine besonderen Gaben. 2. Im Mittelpunkt der Ehespiritualität steht also die Keuschheit nicht nur als (von der Liebe geformte) sittliche Tugend, sondern ebenso als Tugend, die mit den Gaben des Heiligen Geistes verbunden ist - vor allem mit der Gabe der Ehrfurcht vor allem, was von Gott kommt (Gabe der Frömmigkeit). Diese Gabe hat der Verfasser des Epheserbriefes vor Augen, wenn er die Eheleute ermahnt, „einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). So ist also die innere Ordnung des ehelichen Zusammenlebens, die es den Liebesäußerungen gestattet, sich in ihrem richtigen Ausmaß und in ihrer Bedeutung zu entfalten, nicht nur Frucht der Tugend, in der sich die Eheleute üben, sondern auch der Gaben des Heiligen Geistes, mit dem sie Zusammenwirken. Die Enzyklika Humanae vitae spricht in einigen Abschnitten (besonders Nr. 21 und 26), die von der besonderen ehelichen Askese bzw. dem Bemühen handeln, die Tugend der Liebe, der Keuschheit und der Enthaltsamkeit zu üben, indirekt von den Gaben des Heiligen Geistes, für die die Eheleute in dem Maß ihres Reifens in der Tugend empfänglich werden. 3. Das entspricht der Berufung des Menschen zur Ehe. Jene „beiden“, die — nach der ältesten Aussage der Bibel - „ein Fleisch sein werden“ (Gen 2, 24), können diese Vereinigung in der Personengemeinschaft (communio personarum) nur mit Hilfe der Kräfte vollziehen, die vom Geist, und zwar vom Heiligen Geist herrühren, der die Kräfte des menschlichen Geistes läutert, belebt, stärkt und vervollkommnet. „Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt nichts“ (Joh 6, 63). Daraus ergibt sich, daß die wesentlichen Züge der Ehespiritualität „von Anfang an“ in der biblischen Wahrheit über die Ehe enthalten sind. Diese Spiritualität ist zugleich „von Anfang an“ offen für die Gaben des Heiligen Geistes. Wenn die Enzyklika Humanae vitae die Eheleute zu „inständigem Gebet“ und zum sakramentalen Leben auffordert und sagt: „Sie sollen . . . vor allem aus der immer strömenden Quelle der Eucharistie Gnade und Liebe schöpfen“; sie sollen „demütig und beharrlich zur Barmherzigkeit Gottes ihre Zuflucht nehmen, die ihnen im Bußsakrament in reichem Maße geschenkt wird“ ( Humanae vitae, Nr. 25), so tut sie das im Gedanken daran, daß der Geist „lebendig macht“ (2 Kor 3, 6). 231 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die Gaben des Heiligen Geistes und insbesondere die Gabe der Ehrfurcht vor dem Heiligen haben hier anscheinend eine grundlegende Bedeutung. Denn diese Gabe stärkt und entwickelt in den Eheleuten eine einzigartige Sensibilität für alles, was in ihrer Berufung und ihrem Zusammenleben das Zeichen des Geheimnisses von Schöpfung und Erlösung trägt: für all das, was ein geschaffener Abglanz der Weisheit und Liebe Gottes ist. Diese Gabe scheint also den Mann und die Frau in besonders tiefer Weise zur Achtung vor den beiden untrennbaren Bedeutungen des ehelichen Aktes hinzuführen, von denen die Enzyklika (Nr. 12) im Zusammenhang mit dem Ehesakrament spricht. Die Achtung vor den beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes kann sich dann nur voll entwickeln, wenn das, was im Menschen dem Mann- und Frau-Sein eigen ist, zutiefst auf die Personenwürde und untrennbar hiervon auf die Personenwürde des neuen Lebens bezogen wird, das der ehelichen Vereinigung von Mann und Frau entspringen kann. Die Gabe der Ehrfurcht vor allem, was Gott geschaffen hat, drückt sich eben in dieser Bezugnahme aus. 5. Die Achtung der zweifachen Bedeutung des ehelichen Aktes, die aus der Gabe der Ehrfurcht vor Gottes Schöpfung wächst, tut sich auch als heilbringende Furcht kund: als Furcht, das, was das Zeichen des göttlichen Geheimnisses von Schöpfung und Erlösung an sich trägt, zu zerstören oder zu entwürdigen. Genau von dieser Furcht spricht der Verfasser des Epheserbriefes: „Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ (Eph 5, 21). Wenn diese heilbringende Furcht unmittelbar zur negativen Funktion der Enthaltsamkeit (d. h. zum Widerstand gegen die Fleischeslust) hinzukommt, erweist sie sich auch in zunehmendem Maße, der allmählichen Reifung dieser Tugend entsprechend, als Sensibilität, die von Hochachtung für die wesentlichen Werte der ehelichen Vereinigung erfüllt ist: für die beiden Bedeutungen des ehelichen Aktes (oder in der Sprache der vorhergehenden Analysen: für die innere Wahrheit der Sprache des Leibes). Aufgrund einer tiefen Bezugnahme auf diese beiden wesentlichen Werte wird im Menschen das, was Vereinigung der Ehepartner bedeutet, mit dem in Einklang gebracht, was verantwortete Elternschaft bedeutet. Die Gabe der Ehrfurcht vor dem von Gott Geschaffenen bewirkt, daß der scheinbare Widerspruch in diesem Bereich schwindet und die aus der Begierlichkeit herrührende Schwierigkeit schrittweise überwunden wird 232 AUDIENZEN UND ANGELUS dank der gereiften Tugend und der Kraft dieser Gabe des Heiligen Geistes. 6. Wenn es sich um die Problematik der sogenannten periodischen Enthaltsamkeit handelt, d. h. die Anwendung der natürlichen Methoden, hilft die Gabe der Ehrfurcht vor Gottes Werk im allgemeinen, die Menschenwürde mit den natürlichen Fruchtbarzeitszyklen, also mit der biologischen Dimension des Frau- und Mann-Seins der Eheleute, in Einklang zu bringen, einer Dimension, die auch eine eigene Bedeutung für die Wahrheit der Sprache des Leibes im ehelichen Zusammenleben besitzt. Auf diese Weise findet auch das, was sich nicht so sehr im biblischen als vielmehr im biologischen Sinn auf das leibliche Einswerden der Eheleute bezieht, dank des Lebens aus dem Geist seine menschlich reife Form. Die ganze Praxis der ehrbaren Regelung der Fruchtbarkeit, die so eng mit der verantworteten Elternschaft verbunden ist, gehört zur christlichen Spiritualität von Ehe und Familie, und nur durch das Leben aus dem Geist gewinnt sie innerlich Wahrheit und Echtheit. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich willkommen heiße ich euch zu eurer Pilgerfahrt in die Ewige Stadt und zu dieser Audienz im Vatikan. Ich grüße jeden einzelnen von euch und wünsche euch tiefe Erlebnisse und reiche Gnaden an den vielen geistlichen Stätten hier im Zentrum der katholischen Christenheit. In unserer heutigen kurzen Betrachtung lenke ich eure Aufmerksamkeit auf das in unserer Zeit so wichtige Thema einer christlich gelebten Ehe. Die christlichen Eheleute sind berufen, ihre eheliche Gemeinschaft aus der besonderen Weihe des Ehesakraments zu leben. Die Grundlage der ehelichen Spiritualität ist die Liebe, die durch den Heiligen Geist in ihre Herzen ausgegossen ist. Diese kann sich aber nur durch ein aufrichtiges gemeinsames sittliches Streben beider Ehepartner voll entfalten. Dazu gehört auch ein ernstes asketisches Bemühen um eheliche Keuschheit. Diese befähigt sie, sich „in der gemeinsamen Ehrfurcht vor Christus“ einander unterzuordnen (Eph 5, 21). „Der Geist ist es, der lebendig macht“, sagt der hl. Johannes, „das Fleisch nützt nichts (Joh 6, 63). Deshalb ermahnt die Enzyklika Humanae vitae die christlichen Eheleute, ihr Leben vor allem aus dem gemeinsamen Gebet und aus der häufigen Teilnahme an den Sakramenten der Kirche zu gestalten. Die Tugend der Gottesfurcht und der Ehrfurcht voreinander wird ihnen helfen, ihre eheliche Gemeinschaft und ihre Berufung zur 233 AUDIENZEN UND ANGELUS Elternschaft sittlich verantwortlich zu leben und die sich ergebenden Schwierigkeiten aus der Kraft des Heiligen Geistes gemeinsam zu überwinden. Ich empfehle die hohe Berufung der christlichen Eheleute euer aller Gebet und erteile allen hier anwesenden Pilgern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. An den Gräbern unserer Toten Angelus am 18. November 1. „So gehe ich meinen Weg vor dem Herrn im Land der Lebenden“ (Ps 116, 9). Wenn wir im Monat November den Angelus beten, vereinen wir uns vor allem mit dem Glauben der Jungfrau aus Nazaret, jenem Glauben, der im Augenblick der Verkündigung einen besonderen Ausdruck des Heils gefunden hat: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1, 38). Wir vereinen uns auch mit dem Glauben aller Heiligen: der Apostel, Märtyrer, Bekenner, Jungfrauen, Kirchenlehrer, der Männer und Frauen, die sich im Laufe der Jahrhunderte in der Heiligkeit ausgezeichnet haben. Dieser Glaube war der Weg und das Licht eines jeden von ihnen. Er hat den Weg erleuchtet und sie zum himmlischen Jerusalem geführt. Die Kirche, die auf diese Weise mit Maria und allen Söhnen und Töchtern des Gottesvolkes im Laufe der Jahrhunderte im Geheimnis der Gemeinschaft aller Heiligen vereint ist, bekennt ohne Unterlaß: „Ich glaube an die Auferstehung der Toten, ich glaube an das ewige Leben.“ 2. Mit diesem Glauben neigen wir uns über die Gräber unserer Toten, aller Toten auf dem ganzen Erdball; derer, die auf dem Weg zu ihrer Vereinigung mit Gott noch geläutert werden. Sie scheinen mit den Worten des Psalmisten zu beten: „Vernimm, o Herr, mein lautes Rufen; sei mir gnädig und erhöre mich! 234 AUDIENZEN UND ANGELUS Dein Angesicht, Herr, will ich suchen. Verbirg nicht dein Gesicht vor mir . . (Ps 27, 7-9). Zusammen mit der pilgernden Kirche auf Erden scheinen jene Verstorbenen aus der Tiefe ihrer Läuterung und der schmerzvollen Wartezeit zu wiederholen: „So gehe ich meinen Weg vor dem Herrn, im Land der Lebenden . . . “ Und die auf Erden pilgernde Kirche, die mit ihrem unaufhörlichen Gebet ihren Spuren folgt, antwortet: „Hoffe auf den Herrn und sei stark! Hab festen Mut und hoffe auf den Herrn!“ (Ps 27, 14). Sorge um Chile Nach dem Angelus sagte der Papst: Meine Gedanken sind heute der chilenischen Nation, von der unaufhörlich besorgniserregende Nachrichten eintreffen, zugewandt. Während ich meine besorgte Anteilnahme am leidvollen Geschick jenes Volkes, dem ich mich in diesem schwierigen Augenblick besonders nahe fühle, zum Ausdruck bringe, bete ich inständig für dieses Volk zu Gott. Eingedenk der edlen Traditionen demokratischen Lebens und christlichen Engagements, von dem seine Geschichte gekennzeichnet ist, wünsche ich von Herzen, daß in dem Land — wie es die gemeinsamen Bestrebungen aller seiner Bürger sind - wieder Ruhe, Eintracht und Friede zurückkehren mögen. Die italienische Kirche begeht heute den Tag des ausländischen Arbeitnehmers, der dieses Jahr unter dem Thema steht: „Jugendliche in der Emigration . . . Furcht oder Hoffnung?“ Es handelt sich dabei um einen wichtigen Anlaß, der an die zahlreichen Mitbürger erinnern soll, die auf der Suche nach Arbeit und einer sicheren Zukunft ihr Land verlassen mußten; aber er bietet auch Gelegenheit, über die Lage der Einwanderer in Italien nachzudenken, von denen über 300 000 Jugendliche sind. Ich lade alle Gläubigen ein, für diese Emigranten und Einwanderer zu beten, damit sie sich mit dem Geist menschlicher Solidarität aufgenommen fühlen, der ihnen durch die Liebe und Hilfe der Brüder Trost und Mut für ihr Leben gibt. Der Herr vergelte es allen reichlich, die diesen Menschen gegenüber Taten der Hochherzigkeit setzen. 235 AUDIENZEN UND ANGELUS Ehrfurcht vor Gottes Werk Generalaudienz am 21. November 1. Vor dem Hintergrund der in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Lehre wollen wir einen Entwurf der Spiritualität der Ehe versuchen. Im geistlichen Leben der Eheleute sind auch die Gaben des Heiligen Geistes wirksam, insbesondere das „donum pietatis“, das heißt die Gabe der Ehrfurcht vor dem, was Gottes Werk ist. 2. Diese Gabe, verbunden mit Liebe und Keuschheit, hilft, im Ganzen des ehelichen Zusammenlebens jenen Akt zu bestimmen, in dem sich, zumindest als Möglichkeit, die bräutliche Bedeutung des Leibes mit der auf Fortpflanzung hingeordneten verbindet. Sie leitet dazu an, unter den möglichen Ausdrucksformen der Liebe die einzigartige, ja außerordentliche Bedeutung jenes Aktes zu verstehen: seine Würde und die schwere Verantwortung, die sich daraus ergibt und mit diesem Akt verbunden ist. Daher besteht der Gegensatz zur Spiritualität der Ehe gewissermaßen in dem subjektiven Mangel an diesem Verständnis, das von der Praxis und Mentalität der Empfängnisverhütung herrührt. Zudem bedeutet dieser Mangel an Verständnis einen enormen Schaden für die innere Kultur des Menschen. Die Tugend der ehelichen Keuschheit und noch mehr die Gabe der Achtung für das, was von Gott kommt, prägen die Spiritualität der Eheleute, um die besondere Würde dieses Aktes, dieser Liebesbezeu-gung, zu schützen, in dem die Wahrheit der Sprache des Leibes nur zum Ausdruck kommt, wenn die Möglichkeit der Zeugung neuen Lebens gewahrt ist. Verantwortete Elternschaft bedeutet die der Wahrheit entsprechende geistliche Bewertung des ehelichen Aktes im Bewußtsein und Willen der beiden Ehepartner, die in dieser Liebesbezeugung, nachdem sie die inneren, äußeren und besonders die biologischen Umstände bedacht haben, ihrer so gereiften Bereitschaft zur Elternschaft Ausdruck geben. 3. Die Achtung für das Wirken Gottes trägt dazu bei, daß der eheliche Akt nicht herabgesetzt und nicht seiner inneren Größe im Ganzen des ehelichen Zusammenlebens beraubt, daß er nicht zur Gewohnheit wird und daß in ihm eine angemessene Fülle persönlicher und sittlicher, aber auch religiöser Gehalte zum Ausdruck kommt: die Achtung vor der Majestät des Schöpfers, des einzigen und letzten Herrn und Hüters der 236 AUDIENZEN UND ANGELUS Lebensquelle, sowie vor der bräutlichen Liebe des Erlösers. Das alles schafft und erweitert sozusagen den inneren Raum für die gegenseitige Freiheit der Hingabe, in der die bräutliche Bedeutung des Mann- und Frau-Seins voll und ganz offenbar wird. Das Hindernis für diese Freiheit ist im inneren Drang der Begierde gegeben, die auf das andere Ich als Lustobjekt gerichtet ist. Die Achtung vor dem, was von Gott geschaffen wurde, befreit von diesem Drang; sie befreit von allem, was das andere Ich zum bloßen Objekt reduziert: sie stärkt andererseits die innere Freiheit zur Hingabe. 4. Das läßt sich nur durch ein tiefes Verständnis der Personenwürde des weiblichen wie des männlichen Ich in ihrem Zusammenleben verwirklichen. Dieses spirituelle Verständnis ist die grundlegende Frucht der Gabe des Geistes, der den einzelnen dazu anspornt, das Werk Gottes zu achten. In diesem Verständnis und somit indirekt aus jener Gabe gewinnen alle Ausdrucksformen der Liebe, die der ehelichen Verbindung Bestand geben, die wahre bräutliche Bedeutung. Diese Verbindung drückt sich nur unter bestimmten Umständen durch den ehelichen Akt aus, sie kann und muß aber immer wieder, Tag für Tag, durch verschiedene Ausdrucksformen der Liebe bekundet werden, die von der Fähigkeit zu einer selbstlosen Emotion des Ich in bezug auf das Frau-Sein und umgekehrt auf das Mann-Sein bestimmt ist. Die Haltung der Ehrfurcht vor Gottes Werk, die der Geist in den Eheleuten weckt, ist für jene Ausdrucksformen der Liebe: von höchster Bedeutung, weil Hand in Hand mit ihr die Fähigkeit zu tiefem Wohlgefallen, Bewunderung und selbstloser Aufmerksamkeit für die sichtbare und zugleich unsichtbare Schönheit des Frau-Seins und Mann-Seins geht und schließlich eine Hochschätzung der selbstlosen Hingabe des anderen. 5. Das alles entscheidet die geistliche Identifizierung dessen, was männlich oder weiblich, körperlich und zugleich personal ist. Dieser geistlichen Identifizierung entspringt das Wissen um die Vereinigung durch den Leib im Schutz der inneren Freiheit der Hingabe. Durch die Liebesbezeugun-gen helfen die Eheleute einander, in ihrem Bund zu verharren; gleichzeitig schützen diese Ausdrucksformen der Liebe in beiden jenen tiefen Frieden, der gewissermaßen der innere Widerhall der Keuschheit ist, die von der Gabe der Ehrfurcht vor dem von Gott Geschaffenen geleitet wird. Diese Gabe bringt eine tiefe und allumfassende Achtung der Person in ihrem Mann- und Frau-Sein mit sich und schafft das für die Gemeinschaft der Personen geeignete innere Klima. Nur in diesem Klima der 237 AUDIENZEN UND ANGELUS Personengemeinschaft der Eheleute kommt es auf richtige Weise zu jener Fortpflanzung, die wir als verantwortlich bezeichnen. 6. Die Enzyklika Humanae vitae erlaubt uns, eine Spiritualität der Ehe zu entwerfen. Diese ist das menschliche und übernatürliche Klima, in dem sich unter Berücksichtigung der biologischen Ordnung und zugleich auf der Grundlage der vom „donum pietatis“ getragenen Keuschheit die innere Harmonie der Ehe bildet unter Beachtung dessen, was die Enzyklika als die „beiden Sinngehalte“ des ehelichen Aktes bezeichnet (vgl. Humanae vitae, Nr. 12). Diese Harmonie bedeutet, daß die Eheleute in der inneren Wahrheit der Sprache des Leibes Zusammenleben. Die Enzyklika Humanae vitae erklärt das Band zwischen dieser Wahrheit und der Liebe als unauflöslich. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Unsere kurze Betrachtung bei der heutigen Generalaudienz gilt der Spiritualität der christlichen Ehe. Durch die Gnade des Ehesakramentes besitzen die Eheleute spezifische Gaben des Heiligen Geistes, besonders die Gabe der Ehrfurcht vor dem, was Gott geschaffen hat und durch sie wirkt. Diese hilft ihnen, verbunden mit der Tugend der ehelichen Keuschheit, die hohe Würde ihrer innigen ehelichen Begegnung zu erkennen und zu schützen, in der sie sich in innerer Bereitschaft zu einer verantwortlichen Elternschaft ihre gegenseitige Liebe bezeugen. Die Achtung vor dem Werk Gottes bewahrt die Eheleute davor, daß ihre intime Gemeinschaft zu einer flachen, inhaltsleeren „Gewohnheit“ verkümmert. Sie schafft und erweitert den Raum innerer Freiheit und der Ehrfurcht voreinander, da sie von den Fesseln der sinnlichen Begierde befreit. Die Tugend der ehelichen Keuschheit und der Gottesfurcht befähigt die Eheleute, ihre innige eheliche Gemeinschaft durch vielfältige andere Liebesbezeugungen ständig zu vertiefen, den ehelichen Akt jedoch nur dann zu vollziehen, wenn es die Umstände sittlich erlauben. Eine tiefe christliche Spiritualität schenkt den Eheleuten und ihren Familien eine wahrhaft menschliche und geistliche Atmosphäre, innere Harmonie und einen tiefen Frieden. Herzlich grüße ich zum Schluß alle anwesenden deutschsprachigen Pilger und erbitte euch als Frucht eurer Romwallfahrt neuen Glaubensmut für eure christliche Bewährung im Alltag. Für Gottes Schutz und Beistand erteile ich euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. 238 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Jugend der Welt nach Rom eingeladen Angelus am 25. November 1. „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen. Da nämlich durch einen Menschen der Tod gekommen ist, kommt durch einen Menschen auch die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15, 20-22). Mit diesen Worten des ersten Briefes des Paulus an die Korinther bekennt die Kirche heute Christus als König der Zeiten und Herrn der Herrscher. 2. Wenn wir den Angelus beten, schließen wir uns Maria an, die bei der Verkündigung vom Engel folgende Worte über ihren Sohn vernahm: „Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen, und seine Herrschaft wird kein Ende haben“ (Lk 1, 33). Am heutigen Fest wird das Reich Christi auch in der Seligsprechung von drei Dienern Gottes offenbar: - Jose Manyanet y Vives, einem spanischen Priester und Gründer der Kongregation der Söhne der Heiligen Familie und des Instituts der Missionarinnen der Heiligen Familie von Nazaret; - Daniel Brottier, einem französischen Priester aus der Kongregation vom Heiligen Geist und des Unbefleckten Herzens Mariens; - Schwester Elisabeth von der Dreifaltigkeit, einer französischen Ordensfrau aus dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen. Das sind drei Angehörige jenes Reiches, dem sie niemand mehr entreißen wird. 3. Im Laufe des Monats November gehen wir besonders häufig an die Gräber unserer Verstorbenen. Vom Christkönigsfest fällt auf diese Gräber das Licht der Auferstehung: „Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“ Daraus wächst der Glaube an die „Auferstehung des Fleisches und das ewige Leben“: „Alle werden in Christus lebendig gemacht werden.“ An den Gräbern der Verstorbenen, die ein Zeugnis für den Tod des Menschen sind, erflehen wir das Leben: - damit alle „in Christus lebendig gemacht werden“; - damit sie an diesem Reich teilhaben, das „kein Ende haben wird“; - damit „Gott herrscht über alles und in allem“ (1 Kor 15, 28). 239 AUDIENZEN UND ANGELUS Nach dem Angelusgebet fuhr der Papst fort: Nun wende ich mich besonders an die Jugend an dem Fest, an dem die Kirche das Reich Christi verkündet, das bereits gegenwärtig ist, aber noch geheimnisvoll wächst auf seine volle Offenbarung hin. Ihr Jugendlichen seid unersetzliche Träger der Dynamik des Reiches Gottes, ihr seid die Hoffnung der Kirche und der Welt. Wie bekannt, wird 1985 als Internationales Jahr der Jugend begangen. Die Kirche, die alle Jugendlichen zum Aufbau einer menschenwürdigeren Welt ermutigt, die die Herrschaft des Herrn widerspiegelt, darf bei diesem Jahr nicht fehlen, sondern muß gemeinsam mit all jenen Jugendlichen, die Christus begegnet sind, ihr eigenes Zeugnis und ihren eigenen Beitrag leisten. Darum möchte ich die Jugend der ganzen Welt einladen, zu Beginn der Karwoche, am vorhergehenden Samstag und am Palmsonntag des kommenden Jahres zu einer Begegnung mit dem Papst nach Rom zu kommen. Wir werden miteinander feiern, verkündigen und bezeugen, daß „Christus unser Friede ist“, Herr des Friedens im Herzen der versöhnten Menschen, die so zu Bauleuten des Friedens werden. Ich bitte die Bischöfe aller Nationen, die internationalen katholischen Bewegungen und Verbände, diese Initiative zu unterstützen, die Teilnahme vieler junger Menschen zu fördern und Begegnungen zur Vertiefung des Themas des Treffens zu veranstalten. Die Begegnung mit der Ewigen Stadt wird der Lebenskraft der Kirche von heute Ausdruck verleihen. Ich grüße die 150 jugendlichen Pilger aus Verona, Animatoren und Freunde von RADIOTELEPACE, zusammen mit allen Hörern der Kirche von Verona und der Nachbardiözesen, die jetzt durch den Diözesan-sender mit dem Petersplatz verbunden sind. Ihr Jugendlichen verfügt stets über unglaubliche Energien und versteht es, sie mit Einfallsreichtum und Geschick, mit hochherzigem Geist und in ehrlicher Absicht in den Dienst des Guten zu stellen. Macht euch also immer und gewissenhaft zu Herolden der Wahrheit in den modernen sozialen Kommunikationsmitteln; und inspiriert euren Dienst am Glauben, damit er in denen, die euch hören, eine Atmosphäre der Annahme und Verfügbarkeit für das Wort des Evangeliums schafft und dieses voll geschätzt, verstanden und gehört wird. Dazu erteile ich euch meinen Segen. 240 AUDIENZEN UND ANGELUS „Die menschliche Liebe im Heilsplan“ Ansprache bei der Generalaudienz am 28. November 1. Die Reihe der Katechesen, die ich vor mehr als vier Jahren begonnen habe und heute abschließe, kann man unter dem Titel „Die menschliche Liebe im göttlichen Heilsplan“ oder genauer: „Die Erlösung des Leibes und die Sakramentalität der Ehe“ zusammenfassen. Sie gliedern sich in zwei Teile. Der erste Teil gilt der Analyse der Worte Christi, die sich als Einleitung in das vorhegende Thema eignen. Diese Worte wurden im Gesamtzusammenhang der Frohbotschaft ausführlich analysiert, und im Laufe der Überlegungen über mehrere Jahre hin haben wir die drei Texte herausgestellt, die im ersten Teil der Katechesen besprochen wurden. Da ist vor allem der Text, in dem Christus im Gespräch mit den Pharisäern über die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe auf den „Anfang“ Bezug nimmt (vgl. Mt 19,8; Mk 10.6-9). Sodann die Worte, die Christus in der Bergpredigt über die Begierde als „im Herzen begangenen Ehebruch“ geschlossen hat (vgl. Mt 5,28). Schließlich die von allen Synoptikern überlieferten Worte, in denen Christus die Auferstehung der Toten im Jenseits anspricht (vgl. Mt 22,30; Mk 12,25; Lk 20,35). Der zweite Teil der Katechesen galt der Analyse des Ehesakraments auf der Grundlage des Epheserbriefes (Eph 5,22-23), der auf den biblischen „Anfang“ der Ehe Bezug nimmt, wie das Buch Genesis ihn schildert: „. .. Der Mann verläßt Vater und Mutter und bindet sich an seine Frau, und sie werden ein Fleisch“ (Gen 2,24). Die Katechesen des ersten und zweiten Teiles verwenden wiederholt den Ausdruck „Theologie des Leibes“. Dabei handelt es sich gewissermaßen um einen „Arbeitsbegriff“. Die Einführung von Begriff und Gehalt der „Theologie des Leibes“ war für die umfassendere Grundlegung des Themas „Die Erlösung des Leibes und der sakramentale Charakter der Ehe“ notwendig. Denn man muß sogleich feststellen, daß der Begriff „Theologie des Leibes“ weit über den Inhalt der von uns angestellten Überlegungen hinausreicht. Diese Überlegungen gehen auf viele Probleme nicht ein, die inhaltlich zur Theologie des Leibes gehören (wie z. B. das in der biblischen Botschaft so bedeutsame Problem von Leiden und Tod). Das sei klar gesagt. Trotzdem muß auch ausdrücklich anerkannt werden, daß der Gang der Überlegungen zum Thema „Die Erlösung des Leibes und die Sakramentalität der Ehe“ korrekterweise dort ansetzen kann, wo das Licht der Offenbarung auf die Wirklichkeit des menschli- 241 AUDIENZEN UND ANGELUS chen Leibes fällt, also bei der „Theologie des Leibes“. Das wird unter anderem von den Worten des Buches Genesis bestätigt: „Die beiden werden ein Fleisch sein“, Worte, die vom Ursprung her und thematisch unserem Thema zugrunde liegen. 2. Die Überlegungen zum Sakrament der Ehe wurden unter Berücksichtigung der beiden für dieses (wie für jedes andere) Sakrament wesentlichen Dimension - der Dimension des Bundes und der Gnade sowie der Dimension des Zeichens - angestellt. Anhand dieser beiden Dimensionen sind wir in Verbindung mit den Schlüsselworten Christi immer wieder auf die Überlegungen zur Theologie des Leibes zurückgekommen. Auch als wir am Ende dieses Katechesenzyklus die Enzyklika Humanae vitae behandelt haben. Die in diesem kirchlichen Dokument in unserer Zeit enthaltene Lehre steht in lebendiger Beziehung sowohl zur Sakramentalität der Ehe als auch zur biblischen Problematik der Theologie des Leibes und hat ihren Mittelpunkt in den Schlüsselworten Christi. In einem gewissen Sinn kann man sogar sagen, daß sämtliche Überlegungen, die von der Erlösung des Leibes und der Sakramentalität der Ehe handeln, einen umfassenden Kommentar zu der in der Enzyklika Humanae vitae enthaltenen Lehre darstellen. Ein solcher Kommentar erscheint sehr notwendig. Denn indem die Enzyklika auf manche heutige Fragen im Bereich der Ehe- und Familienmoral Antwort gibt, hat sie, wie wir wissen, gleichzeitig auch andere Fragen biologisch-medizinischer Art aufgeworfen. Aber auch (und vor allem) diese Fragen haben theologischen Charakter; sie gehören zu jenem Bereich der Anthropologie und Theologie, den wir „Theologie des Leibes“ genannt haben. Die angestellten Überlegungen wollen sich den zur Enzyklika Humanae vitae aufgeworfenen Fragen stellen. Die Reaktion auf die Enzyklika bestätigt die Bedeutung und Schwierigkeit dieser Fragen. Dies wurde auch in weiteren Lehräußerungen Pauls VI. bestätigt, wo er die Möglichkeit hervorhob, die Darlegung der christlichen Wahrheit in diesem Bereich zu vertiefen. Es wurde zudem vom Apostolischen Schreiben Familiaris consortio bekräftigt, Frucht der Bischofssynode von 1980: De muneribus familiae christianae. Das Dokument enthält einen besonders an die Theologen gerichteten Aufruf, die biblischen und personalistischen Gesichtspunkte der in Humanae vitae enthaltenen Lehre vollständiger herauszuarbeiten. Auf die Fragen, die die Enzyklika aufwirft, eingehen heißt, sie formulie- 242 AUDIENZEN UND ANGELUS ren und gleichzeitig eine Antwort auf sie suchen. Die Lehre von Familiaris consortio fordert, daß sich sowohl die Formulierung der Fragen als auch die Suche nach entsprechender Antwort auf die biblischen und personali-stischen Gesichtspunkte konzentriere. Diese Lehre gibt auch die Richtung für die Entwicklung der Theologie des Leibes an und mithin die Richtung ihrer allmählichen Ergänzung und Vertiefung. 3. Die Analyse der biblischen Gesichtspunkte zeigt die Art der Verwurzelung der von der Kirche unserer Tage verkündeten Lehre in der Offenbarung auf. Das ist wichtig für die Entwicklung der Theologie. Die Entwicklung, das heißt der Fortschritt in der Theologie, verwirklicht sich ja dadurch, daß das Studium des Offenbarungsschatzes immer wieder aufgenommen wird. Die Verwurzelung der von der Kirche verkündeten Lehre in der gesamten Überlieferung und in der göttlichen Offenbarung selbst ist immer für die vom Menschen gestellten Fragen offen und bedient sich auch der Mittel, die der modernen Wissenschaft und der heutigen Kultur am besten entsprechen. Es scheint, daß auf diesem Gebiet die intensive Entwicklung der philosophischen Anthropologie (besonders der Anthropologie, die der Ethik zugrunde liegt) sich sehr eng mit den Fragen berührt, die von der Enzyklika Humanae vitae im Hinblick auf die Theologie und insbesondere die theologische Ethik aufgeworfen wurden. Die Analyse der personalistischen Gesichtspunkte der in diesem Dokument enthaltenen Lehre ist von entscheidender Bedeutung, um festzustellen, worin der wahre Fortschritt, also die Entwicklung der Menschen, besteht. Denn in der gesamten modernen Zivilisation - besonders in der westlichen - gibt es eine unterschwellige und zugleich ziemlich offene Tendenz, diesen Fortschritt mit dem Maß der Sachen, das heißt der materiellen Güter, zu messen. Die Analyse der personalistischen Gesichtspunkte der Lehre der Kirche, die in der Enzyklika Pauls VI. enthalten ist, läßt den entschlossenen Aufruf laut werden, den Fortschritt des Menschen mit dem Maß der Person, das heißt nach dem, was ein Gut des Menschen als Mensch ist -was der Würde seines Wesens entspricht -, zu beurteilen. Die Analyse der personalistischen Aspekte führt zur Überzeugung, daß die Enzyklika als fundamentales Problem den Gesichtspunkt der authentischen Entwicklung des Menschen vorlegt; diese Entwicklung mißt man in der Tat grundsätzlich nach der Ethik und nicht bloß nach der Technik. 243 AUDIENZEN UND ANGELUS 4. Die der Enzyklika Humanae vitae gewidmete Katechese bildet nur einen, und zwar den abschließenden Teil jener Katechese, die die Erlösung des Leibes und die Sakramentalität der Ehe behandelten. Wenn ich die Aufmerksamkeit besonders auf diese letzten Katechesen lenke, so nicht nur deshalb, weil das in ihnen behandelte Thema aufs engste mit der zeitgenössischen Welt verbunden ist, sondern vor allem, weil in ihm jene Fragen ihren Ursprung haben, die gewissermaßen die Gesamtheit unserer Reflexionen durchziehen. Daraus folgt, daß dieser abschließende Teil nicht künstlich an diese Gesamtheit angehängt, sondern mit ihm auf organische und homogene Weise verbunden ist. Jener Teil, der sich in der Gesamtordnung am Ende befindet, steht gewissermaßen gleichzeitig am Anfang des Ganzen. Das ist vom Gesichtspunkt der Struktur und der Methode her wichtig. Auch der geschichtliche Zeitpunkt hat anscheinend seine Bedeutung: Die vorliegenden Katechesen begannen in der Tat während der Vorbereitung zur Bischofssynode 1980, die dem Thema Ehe und Familie galt (De muneribus familiae christianae), und enden nach der Veröffentlichung des Apostolischen Schreibens Familiaris consortio, das Frucht der Arbeiten dieser Synode ist. Es ist allen bekannt, daß die Synode von 1980 auch auf die Enzyklika Humanae vitae Bezug genommen und deren Lehre voll und ganz bestätigt hat. Das bedeutungsvollste Moment scheint jedoch jenes wesentliche zu sein, daß man in der Gesamtheit der vorgenommenen Reflexionen auf folgende Weise genau erklären kann: um sich den Fragen zu stellen, die die Enzyklika Humanae vitae vor allem in der Theologie aufwirft, um diese Fragen zu formulieren und eine Antwort auf sie zu suchen, gilt es, jenen biblisch-theologischen Bereich zu finden, auf den wir anspielen, wenn wir von der Erlösung des Leibes und der Sakramentalität der Ehe sprechen. In diesem Bereich finden sich die Antworten auf die fortdauernden Gewissensfragen von Männern und Frauen und auch die Antworten auf die schwierigen Fragen der zeitgenössischen Welt hinsichtlich von Ehe und Fortpflanzung. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Mit herzlicher Aufmerksamkeit grüße ich euch alle und jeden einzelnen und möchte einige Worte an euch richten. Heute beschließe ich einen Zyklus von vier Jahren, in denen ich bei den Generalaudienzen das Thema der Liebe von Mann und Frau in der Ehe nach dem Heilsplan Gottes behandelt habe. Die Katechesen hierüber wollen einen Beitrag 244 AUDIENZEN UND ANGELUS sein zu einer „Theologie des Leibes“ und zugleich ein Kommentar zur Enzyklika Humanae vitae von Papst Paul VI. Wie das jede theologische Reflexion tun muß, sind wir dabei zu den Quellen unseres Glaubens in der Heiligen Schrift gegangen, vor allem zu einigen Schlüsselworten Jesu selbst und des hl. Paulus. Weil es um eine „Theologie des Leibes“ gehen sollte, wurden die personalen Aspekte des Menschenleibes besonders intensiv behandelt: Ist doch der Leib mehr als eine bloße Sache, ein Ding. Im Leib drückt sich die menschliche Person aus; durch den Leib kann die Person unter den irdischen Bedingungen von Raum und Zeit leben und mit anderen Menschen Gemeinschaft bilden. Der Aufweis dieser personalen Aspekte führt zu einer Ethik des Leibes mit Kriterien für die wichtige Frage nach dem wahren Fortschritt des Menschen, die aus dem bloßen Befund der technischen Möglichkeiten von Biophysik und Medizin nicht hinreichend beantwortet werden kann. Mögen die Erwägungen dieser letzten vier Jahre von Gott gesegnet sein und in den Hörern und Lesern zu einer vertieften Wertschätzung des Menschen in all seinen Dimensionen führen, des Menschen, für den sich Gottes Liebe in Christus Jesus so sehr engagiert hat. Euch allen aber erbitte ich Besinnung und gläubige Einkehr, damit ihr die kommende Adventszeit sinnvoll und fruchtbar verleben könnt. Gott segne euch und eure Familien! Advent als „ Wiederkehr“ und „Heimsuchung“ Vor dem Angelus am 1. Adventssonntag, 2. Dezember 1. „Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn“ (1 Kor 1,9). Wenn wir heute, am ersten Adventssonntag, den Angelus beten, soll in uns wieder das Wissen um die Wahrheit lebendig werden, die diese Worte des Paulus im Brief an die Korinther enthalten. Wir sind berufen zur Gemeinschaft mit Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Wir sind zu dieser Gemeinschaft berufen aufgrund der Tatsache, daß er Mensch geworden ist: „Und das Wort ist Fleisch geworden“ (Joh 1,14). Durch das Wirken des Heiligen Geistes ist der Sohn - das Wort - im 245 AUDIENZEN UND ANGELUS Schoß der Jungfrau von Nazaret empfangen und von ihr als Mensch geboren worden. In dieser Empfängnis und in dieser Geburt Jesu Christi als Mensch sind wir alle zur Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes berufen worden. Das ist das Evangelium, die Frohbotschaft! 2. „Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! Blick vom Himmel herab und sieh auf uns! Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat, den Sproß, den du dir gezogen! Deine Hand schütze den Mann zu deiner Rechten, den Menschensohn, den du dir großgezogen!“ (Ps 80,15-16.18). So betet die Kirche mit den Worten des Psalmisten in der Liturgie des heutigen Sonntags. Das ist wahrhaftig der Ruf des Advents. Der Psalmist sagt zu Gott: „Wende dich uns zu!“ Der Psalmist sagt: „Sorge!“ Der Psalmist sagt: „Schütze!“ Wie aktuell sind doch diese althergebrachten Worte des Psalmisten! Wie sehr entspringen sie der Tiefe der Seelen, des Herzens der Kirche in der Zeit, in der wir leben! Laßt uns den Advent des Jahres 1984 als Zeit der „Wiederkehr“ und der „Heimsuchung“ Gottes leben und erleben! Er „schütze“ immer im Menschen und in der ganzen sichtbaren Welt, was „seine Rechte gepflanzt hat“! Christus gestern und heute - derselbe. Über die Wahrheiten des Glaubens Ansprache bei der Generalaudienz am 5. Dezember „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden“ (Mk 16,16). „ . . . Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ {Rom 10,14). 1. Wir befinden uns in Jerusalem, am Pfingsttag, als die im Abendmahlssaal versammelten Apostel „alle mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden“ (Apg 2,4). Bei dieser Gelegenheit „kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt“, und „es erschienen 246 AUDIENZEN UND ANGELUS ihnen Zungen wie von Feuer“ (Apg 2,2.3). Der bis dahin verschlossene Abendmahlssaal wurde weit geöffnet, und die Apostel gingen den jüdischen Pilgern aus verschiedenen Ländern und Nationen, die an jenem Tag in Jerusalem weilten, entgegen. Alle staunten, als sie die Apostel -bekanntlich Galiläer - in verschiedenen Sprachen reden hörten: „Wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,4). Da spricht Petrus zu der beim Abendmahlssaal versammelten Menge. Er beruft sich auf den Propheten Joel, der „die Ausgießung des Geistes Gottes auf jeden Menschen“ (vgl. Apg 2,17) verkündet hatte - und legt dann seinen Zuhörern die Frage nach Jesus von Nazaret vor. Er erinnert sie daran, daß Gott die messianische Sendung Jesu „durch machtvolle Taten, Wunder und Zeichen“ beglaubigt hat (Apg 2,22) - und daß Gott, nachdem Jesus „ausgeliefert, ans Kreuz geschlagen und getötet“ worden war (vgl. ebd., V. 23), seine Sendung durch die Auferstehung endgültig bestätigt hat: „Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt“ (ebd., V. 24). Petrus nimmt hierzu Bezug auf Psalm 16, in dem die Verkündigung der Auferstehung enthalten ist. Vor allem jedoch beruft er sich auf sein eigenes und das Zeugnis der übrigen Apostel: „dafür sind wir alle Zeugen“ (Apg 2,32). „Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt“ (ebd., V. 36). 2. Mit dem Pfingstereignis beginnt die Zeit der Kirche. Diese Zeit der Kirche bezeichnet auch den Beginn der apostolischen Glaubensverkündigung. Die Apostel hatten von Christus den Auftrag erhalten, „hinauszugehen in die ganze Welt und alle Völker zu lehren“ (vgl. Mt 28,19; Mk 16,15). So beginnen sie also, diesen Auftrag in Jerusalem für ihr eigenes Volk auszuführen, aber gleichzeitig auch für die gerade anwesenden Vertreter verschiedener Völker und Sprachen. Die Verkündigung des Evangeliums ist nach dem Auftrag des Erlösers, der zum Vater zurückkehrte (vgl. z. B. Joh 14,28; 16,10), mit dem Aufruf verbunden, sich auf den Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit taufen zu lassen. Darum antwortet Petrus am Pfingsttag auf die Frage seiner Zuhörer: „Was sollen wir tun, Brüder?“ (Apg 2,37): „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen“ (ebd., V. 38). „Die nun, die sein Wort annahmen, ließen sich taufen. An diesem Tag wurden ihrer Gemeinschaft etwa 3000 Menschen hinzugefügt“ (ebd., V. 41). So nahm die Kirche als Gemeinschaft der Getauften, die „festhielten an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten“ (ebd., V. 42), ihren Anfang. Die Geburt der 247 AUDIENZEN UND ANGELUS Kirche fällt mit dem Beginn der Evangelisierung zusammen. Man kann sagen, daß dies zugleich der Beginn der Katechese ist. Von nun an ist jede Predigt des Petrus nicht allein Verkündigung der Frohbotschaft von Jesus Christus und somit ein Akt der Evangelisierung, sondern auch Erfüllung eines Lehrauftrags, der auf den Empfang der Taufe vorbereitet: es ist die Taufkatechese. Jenes „Festhalten“ der ersten Gemeinde der Getauften „an der Lehre der Apostel“ ist wiederum Ausdruck der systematischen Katechese der Kirche in ihren Anfängen. 3. Wir berufen uns ständig auf diese Anfänge. Wenn „Jesus Christus gestern, heute und in Ewigkeit derselbe ist“ (Hebr 13,8), dann entsprechen Evangelisierung und Katechese der Kirche in allen Zeiten und Generationen jener Identität. Auch in unserer Zeit, nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, haben sich zwei aufeinanderfolgende Sitzungen der Bischofssynode mit dem Problem der Evangelisierung und der Katechese im Sendungsauftrag der Kirche in der Welt von heute beschäftigt. Frucht dieser Arbeit sind die beiden päpstlichen Dokumente Evangelii nuntiandi und Catechesi tradendae. Sie erklären, worin die enge Beziehung zwischen Katechese und Evangelisierung besteht, und weisen auf die je eigene Funktion der einen und der anderen hin. 4. Wenn die Kirche auch in unserer Zeit „an der Lehre der Apostel festhalten“ soll, ist dafür die unermüdliche Verkündigung des Evangeliums „an alle Geschöpfe“ (Mk 16,15) unerläßlich und zugleich die systematische Katechese nach den Anweisungen von Catechesi tradendae. Simon Petrus hat am Pfingsttag in Jerusalem die Katechese der Kirche begonnen. Sein derzeitiger Nachfolger auf dem römischen Bischofsstuhl hält es in seinem Amt als Stellvertreter Christi für seine besondere Pflicht, diesen Dienst des Petrus weiterzuführen. Mit der heutigen Generalaudienz möchte er daher im Rahmen einer systematischen Gesamtkatechese mit einer Reihe von Unterweisungen über Wahrheiten des Glaubens und der christlichen Moral beginnen; das heißt, er möchte euch und dem ganzen christlichen Volk wieder die Großtaten vor Augen führen, die Gott in seiner Liebe geoffenbart und für uns vollbracht hat, sowie auch die Lehraussagen, die die Kirche darüber im Laufe der Jahrhunderte bis in unsere Zeit gemacht hat. Schon jetzt wendet er sich an den Heiligen Geist, der am Pfingsttag die erste Katechese des Simon Petrus inspirierte und bittet ihn demütig um das Licht und die Gnade des apostolischen Wortes. 248 AUDIENZEN UND ANGELUS In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet“ (Mk 16,16). Zu diesem Herrenwort fragt der hl. Paulus später im Römerbrief: „Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ (Röm 10,14). Seit der Geburtsstunde der Kirche am Pfingstfest ist die Verkündigung der Frohen Botschaft die vorrangige Aufgabe der Glaubensboten. Christus selbst hatte den Aposteln aufgetragen: „Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen!“ (Mk 16,15). Durch die Herabkunft des Heiligen Geistes öffnet sich der bis dahin verschlossene Abendmahlssaal. Sofort beginnt Petrus seine erste große Glaubenspredigt über Jesus Christus und das uns von ihm angebotene Heil. Auf die Frage seiner Zuhörer, was sie tun sollten, antwortet er: „Kehrt um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen . . . “ (Apg 2,38). Die Verkündigung des Evangeliums ist vom ersten Augenblick an immer auch eine Einladung und Vorbereitung zum Empfang der Taufe. Schon am Pfingstfest ließen sich viele taufen. So entstand die Kirche als die Gemeinschaft der Getauften. Für alle Zeiten bleiben die Evangelisierung und die Katechese die zentralen Aufgaben der Kirche. Erst jüngst hatten zwei Bischofssynoden sie zu ihrem besonderen Thema. Ihre Überlegungen liegen uns in zwei bedeutenden Dokumenten vor, in Evangelii nun-tiandi und Catechesi tradendae. Sie erklären, worin die heutige Audienz eine neue Reihe von katechetischen Unterweisungen über die christliche Glaubens- und Sittenlehre beginnt, wie sie uns Gott geoffenbart und die Kirche in ihrer theologischen Reflexion überliefert hat. Ich erbitte dafür schon jetzt den besonderen Beistand des Heiligen Geistes. Von Herzen wünsche ich allen deutschsprachigen Pilgern und Hörem eine gnadenreiche Adventszeit und erteile euch in der Liebe Jesu Christi meinen Apostolischen Segen. 249 AUDIENZEN UND ANGELUS Das Zeichen des „neuen Anfangs“ Vor dem Angelus am 8. Dezember 1. „Singet dem Herrn ein neues Lied“ (Ps 98,1). Von diesen jubelnden Worten der Liturgie wird heute die ganze Kirche eingeladen. „Das neue Lied“ ist die Unbefleckte Empfängnis derjenigen, die im Mysterium der Menschwerdung als Mutter des Gottessohnes ausersehen war. Die Kirche singt heute in der Adventszeit dieses Lied, das die Erfüllung jenes Mysteriums ankündigt. 2. „Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er hat wunderbare Taten vollbracht! Er hat mit seiner Rechten geholfen und mit seinem heiligen Arm“ (Ps 98,1). Ursprünglich bezeugten die Worte dieses Liedes die Befreiung Israels aus der Knechtschaft Ägyptens. Heute verkünden sie die Bewahrung vor der Knechtschaft der Sünde. Sie berichten von dem Wunder der Gnade Gottes. Dieses Wunder ist ein noch größerer Sieg als jener, den der Gott Israels über die Unterdrücker seines Volkes vollbracht hat. Das Wunder der Unbefleckten Empfängnis ist der Sieg Christi, des Erlösers. Die Sünde als Erbe Adams - die Erbsünde - wird im Augenblick der Empfängnis derjenigen besiegt, die auserwählt war, die Mutter des Erlösers zu sein. Dieses Gnadenwunder ist von der „Rechten“ und vom „heiligen Arm“ desjenigen vollbracht worden, der ans Kreuz geschlagen wurde, um die ganze Menschheit von den Sünden zu erlösen. Sie, die von Ewigkeit an auserwählt war, seine Mutter zu sein, ist in bevorzugter Weise erlöst worden! 3. Das ist das Zeichen des „neuen Anfangs“, die Offenbarung des „neuen Lebens“ in den innersten Tiefen des menschlichen Seins. Das ist das unleugbare Zeugnis des Heils: Gott ist Retter und Heiland! „Alle Enden der Erde sahen das Heil unseres Gottes“ (Ps 98,3). Die Kirche in Rom - und an allen Enden der Erde - stimmt das Lied von der Unbefleckten Empfängnis an. Mit diesem Lied verkündet sie das Heilswerk, das durch Gottes Willen in der Geschichte des Menschen auf der ganzen Erde konkrete Gestalt annimmt. 250 AUDIENZEN UND ANGELUS Advent - Nahen der Rettung Vor dem Angelus am Sonntag, 9. Dezember 1. „Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr seinem Volk und seinen Frommen, den Menschen mit redlichem Herzen. Sein Heil ist denen nahe, die ihn fürchten. Seine Herrlichkeit wohne in unserm Land!“ (Ps 85,9-10). Mit diesen Worten haben wir in der heutigen Liturgie gebetet. 2. Siehe, die Jungfrau aus Nazaret hört, was Gott ihr durch seinen Boten sagt: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären: dem sollst du den Namen Jesus geben . . . Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,31-35). Die Jungfrau aus Nazaret hört, was Gott zu ihr sagt. Sie hört: Sie hört nicht nur das Wort, sondern sie gehorcht dem Wort und antwortet: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38). Auf diese Weise erfüllt sich der Advent: der erste Advent der Menschheit. Advent bedeutet das Nahen der Rettung, bedeutet die Herrlichkeit Gottes auf Erden. 3. Advent ist Begegnung. Davon spricht auch der Psalm: „Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Friede küssen sich“ (Ps 85,11). Siehe zugleich mit dem Wort, das im Schoß der Jungfrau Fleisch geworden ist, kommt die Gerechtigkeit herab. Sie kommt von Gott. Sie kommt als Gnade und Friede: Gnade und Friede der Versöhnung mit Gott im ewigen Sohn. Was verlangt jene Gerechtigkeit, die dem Menschen in Christus angebo-ten wird, als Erwiderung? Was muß der Mensch in seinem Herzen tragen? Er muß die Treue in seinem Herzen tragen, denn: „Treue sproßt aus der Erde hervor; Gerechtigkeit blickt vom Himmel hernieder“ (Ps 85,12). 4. Genauso geschah es im Herzen der Unbefleckten Jungfrau. Darum hat sich in ihm der erste Advent der Menschheit erfüllt. 251 AUDIENZEN UND ANGELUS Sie ist darüber hinaus zum Vorbild der Kirche geworden. Sie ist zum Vorbild des endgültigen Advent geworden. Nach dem Angelusgebet fuhr der Papst fort: Ich richte einen herzlichen Gruß an die rumänischen Pilger, Priester und Laien auf dem Petersplatz, die unter Führung des Ordinarius von Jasi, Msgr. Petru Ghergel, zur Bischofsweihe des Apostolischen Administrators von Bukarest, Msgr. Joan Robu, die in der Cappella Paolina im Vatikan stattgefunden hat, nach Rom gekommen sind. In froher Erwartung meines Zusammentreffens mit euch morgen früh grüße ich euch herzlich und segne euch. Katechese in den ersten Jahrhunderten Ansprache bei der Generalaudienz am 12. Dezember „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet“ (Mk 16,16). „ . . . Wie sollen sie an den Glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ (Röm 10,14). 1. Auch heute nehmen wir auf diese beiden Sätze aus dem Neuen Testament Bezug, um - in Anknüpfung an die vorige Generalaudienz -die einführenden Überlegungen zum Thema Katechese fortzusetzen. Am Pfingsttag weckte Simon Petrus durch seine Verkündigung der Wahrheit über Jesus, den Gekreuzigten und in der Kraft des Heiligen Geistes Auferstandenen, in dreitausend Menschen den Glauben und bereitete sie auf die Taufe vor. Man kann dieses Kerygma (Verkündigung) des Petrus auch als eine erste Katechese, also Unterweisung, insbesondere als die Katechese zur Vorbereitung auf die Taufe ansehen. Auf diese Weise bestätigten sich die Worte Christi über jene, die „glauben und sich taufen lassen“ (vgl. Mk 16,16). Zugleich aber zeigte sich, welch unumgängliche Voraussetzung für den Glauben die Verkündigung und das Hören des Wortes Gottes ist: „ . . . Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“, mahnt der hl. Paulus. 2. Von ihrer Geburtsstunde in Jerusalem am Pfingsttag an „hält die Kirche an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft“ (vgl. Apg 252 AUDIENZEN UND ANGELUS 2,42), das heißt, daß diejenigen, die lehren, und diejenigen, die unterweisen werden, einander im Glauben begegnen. Ebendies ist die Bedeutung des griechischen Wortes katecheo (Katechese). Es bedeutete ursprünglich „von oben (ex alto) rufen“ oder auch „Widerhall erzeugen“ (catä = von oben, echeo = (er)klingen, zum Ausdruck bringen). Daraus ergibt sich dann die Bedeutung „unterweisen“ (wenn die Stimme des Lehrers in der Stimme des Schülers widerhallt, so daß die Antwort des Schülers wie das bewußte Echo des Lehrers ist). Diese letzte Erklärung ist wichtig, weil sie darauf hinweist, daß eine Unterweisung wie die Katechese nicht nur einseitig, wie eine Lektion erfolgt, sondern auch als Gespräch durch Frage und Antwort. In diesem Sinn erscheint das Wort „Katechese“ an vielen Stellen des Neuen Testaments und später in den Werken der Kirchenväter. Zusammen mit ihm erscheint auch das Wort „Katechumene“, was wörtlich heißt, „der, der unterwiesen wird“. In unserem Zusammenhang handelt es sich offensichtlich um den Menschen, der in den Glaubenswahrheiten und Gesetzen eines dem Glauben entsprechenden Verhaltens unterwiesen wird. Das Wort „Katechumene“ wird vor allem auf diejenigen angewandt, die sich in Übereinstimmung mit der Weisung, die Christus mit den Worten ausgedrückt hat: „Wer glaubt und sich taufen läßt“, auf die Taufe vorbereiten. In diesem Sinne beschreibt der hl. Augustinus den katholischen Katechumenen als den, der „die Taufe empfangen soll“ (vgl. Contra litteras Petiliani III, 17,20: PL 43,357); als denjenigen, der im Hinblick auf die Taufe in den Glauben und das christliche Verhalten „eingeführt werden soll“ (vgl. De catechicandis rudibusl, 1: PL 40,310). Diese Präzisierung (und zugleich auch Einengung) des Begriffs „Katechumene“ - und indirekt auch des Begriffs „Katechese“ - hängt mit der Praxis der ersten Christen zusammen. Wie am Pfingsttag in Jerusalem, so empfingen auch in der ganzen Frühzeit der Kirchengeschichte vor allem Erwachsene den Glauben und die Taufe. Der Taufe ging eine entsprechende Vorbereitung voraus, die eine ziemlich lange Zeit dauerte: in der Regel zwei bis drei Jahre. Etwas Ähnliches geschieht im übrigen auch heute, besonders in den Missionsländern, wo das Katechumenat der Taufvorbereitung der Erwachsenen dient. Diese Vorbereitung bestand von Anfang an nicht nur in der Darlegung der Glaubenswahrheiten und der Grundsätze christlichen Verhaltens, sondern auch in einer schrittweisen Einführung der Katechumenen in das Leben der kirchlichen Gemeinde. Die Katechese wurde zur „Initiation“, das heißt zur Einführung in das „Mysterium“ der Taufe und dann in das gesamte sakramentale Leben, dessen Höhe- und Mittelpunkt die Eucharistie ist. 253 AUDIENZEN UND ANGELUS Man braucht nur den Ritus des Tauf Sakraments (und zwar sowohl der Erwachsenen- wie der Kindertaufe) aufmerksam zu lesen, um sich von der tiefen und grundlegenden Bekehrung zu überzeugen, für die dieses Sakrament wirksames Zeichen ist. Wer die Taufe empfängt, bekennt nicht nur den Glauben (gemäß dem Apostolischen Glaubensbekenntnis); zugleich „entsagt er Satan - und allen seinen Werken - und allen seinen Verführungen“ und gibt sich eben dadurch dem lebendigen Gott hin: Die Taufe ist die erste und grundlegende Weihe der menschlichen Person, durch welche sie kraft des in diesem Sakrament wirkenden Heiligen Geistes („die Geburt aus Wasser und Geist“, vgl. Joh 3,5) in Jesus Christus dem Vater zu eigen gegeben wird. Der hl. Paulus sieht im Eingetauchtwerden in das Taufwasser das Zeichen des Eingetauchtseins in den Erlösertod Christi, um an jenem übernatürlichen neuen Leben teilzuhaben, das in der Auferstehung Christi offenbar geworden ist (vgl. Röm 6,3-5). 3. Das alles zeugt von der Intensität und Tiefe jener Katechese, die seit den ersten Jahrhunderten der Kirche durch das Katechumenat mit der Spendung der Taufe sowie der Zulassung zur Eucharistie und zum gesamten sakramentalen Leben verbunden war. Diese Intensität und Tiefe sollten sich deutlich im gesamten katechetischen Dienst widerspiegeln. Die Kirche hielt tatsächlich immer „an der Lehre der Apostel und an der Gemeinschaft“ fest, und die Katechese als grundlegender Ausdruck dieses „Festhaltens an der Lehre der Apostel“ reichte natürlich über das Katechumenat hinaus in der Absicht, den Gläubigen eine immer tiefere und geistvollere Kenntnis des Geheimnisses Christi zu bieten. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Ein herzliches Willkommen zu dieser adventlichen Audienz hier im Petersdom. Verkündigung und Glaube sind der Gegenstand unserer augenblicklichen einführenden Erörterungen zum Thema Katechese. Petrus verkündete am Pfingstfest die Frohe Botschaft von Christus. Über dreitausend kamen zum Glauben und ließen sich taufen. Die erste Predigt des Petrus ist zugleich seine erste Katechese zur Vorbereitung der Zuhörer auf den Empfang der Taufe. Glaube und Taufe sind die beiden notwendigen Antworten auf die kirchliche Verkündigung. „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden“, sagt Christus (Mk 16,16). Mit der Taufkatechese war in der frühen Kirche zugleich ein besonderes Katechumenat verbunden. Die Taufbewerber, vielfach erwachsene Personen, wurden durch zwei bis drei Jahre allmählich in die Glaubenslehre 254 AUDIENZEN UND ANGELUS und in das Leben der Kirche eingeführt und gründlich auf den Empfang des Taufsakramentes vorbereitet. Diese Glaubenseinführung war von tiefem Ernst gekennzeichnet, ihr Ziel war die innere Bekehrung des Taufbewerbers. In der Taufe widersagt der Gläubige dann dem Satan und seinen Werken und wird durch das Untertauchen in Wasser zuinnerst mit dem Erlösertod und mit der Auferstehung Christi verbunden. Seien auch wir gerade jetzt in der Adventszeit wie die ersten Christen eifrig im Hören des Wortes Gottes! Einen besonders herzlichen Gruß richte ich an die Gruppe der Armen Schulschwestern von Unserer Lieben Frau. Für eure derzeitigen Beratungen im internationalen Seminar über euren apostolischen Dienst in der Jugenderziehung erbitte ich euch Gottes Licht und Führung. Junge Menschen zu erziehen bedeutet für Christen immer auch wesentlich, sie zu Christus zu führen und zu lebendigen Gliedern der Kirche heranzubilden. Als katholische Erzieherinnen und als Ordensfrauen nehmt ihr in einer besonderen Weise teil am kirchlichen Auftrag der Glaubensverkündigung. Seid stets - auch und gerade in der Erziehung junger Menschen -treue und gewinnende Zeugen für Christus und die Kirche. Von Herzen erteile ich dafür euch und allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern meinen besonderen Apostolischen Segen. Auf das heilige Weihnachtsfest hin Vor dem Angelus am 3. Adventssonntag, 16. Dezember 1. „ . . . Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,49). Die im Verlauf des Besuches bei Elisabeth gesprochenen Worte drücken das aus, was im Herzen der Jungfrau aus Nazaret nach der Verkündigung vor sich geht. Die von Freude erfüllte Verehrung Gottes und die von Gottesverehrung erfüllte Freude: das ist der Zustand ihrer beglückten Seele, das sind die tiefsten Gefühle, die ihr Herz hegt. Sie offenbaren sich uns vor allem in den Worten des Magnifikat. Im Magnifikat wird jene demutsvolle Dankbarkeit sichtbar, die das untrügliche Zeichen der Begegnung mit dem lebendigen Gott ist. Maria 255 AUDIENZEN UND ANGELUS antwortet auf das Geschenk vom Himmel nicht nur mit Worten, sondern mit der ganzen Stille des Adventsgeheimnisses, das sich in ihr erfüllt. Denn sie ist diejenige, in der der Advent der ganzen Menschheit seine volle Gestalt angenommen hat: in ihr hat er seinen „Zenit“ erreicht. Doch dieser „Zenit“ des Advents fährt in seinem Lauf fort und erreicht seine Fülle in der Kirche. Als Erdenpilgerin, die sucht und sinnt nach dem, was oben ist, erlebt die Kirche das Kommen des Herrn, „bis sie mit ihrem Bräutigam vereint in Herrlichkeit erscheint“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 6); und der von der Kirche gelebte Advent ist Sakrament oder Zeichen und Werkzeug der Einheit mit Gott. 2. Die Kirche singt in ihrer Liturgie jeden Tag mit der Muttergottes das Magnifikat. Auf diese Weise erstreckt sich der Advent, der sich in der Gottesmutter erfüllt hat, über alle Lebenstage der Kirche. In der Adventszeit des Kirchenjahres liest und erlebt die Kirche in den Worten des Magnifikat immer wieder neu jene einmalige und unwiederholbare „Erwartung“ der Mutter auf das Kind, das aus ihrem Schoß geboren werden, das zur Welt kommen soll. Wenn wir am heutigen Sonntag den Angelus beten, erweisen wir in besonderer Weise dieser gesegneten „Erwartung“ die Ehre. Möge sie zum Licht unseres Advents werden! Möge sich in ihr unsere Hoffnung erneuern! 3. Vor wenigen Tagen wurde das Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute veröffentlicht, die Frucht der von der Bischofssynode im Herbst 1983 durchgeführten Arbeit. Ich fordere alle Gläubigen auf, dieses Dokument zu lesen. In ihm stellt die Kirche, die um das tiefe Drama der Entzweiungen und Ungerechtigkeiten, die die Menschheit heimsuchen, weiß, die aber auch der verzehrenden Sehnsucht nach Versöhnung und Frieden Beachtung schenkt, die im Herzen von Millionen Menschen schlägt, mit mutiger Offenheit dem modernen Menschen wieder die Aufforderung Christi zur Umkehr des Herzens vor Augen als Voraussetzung für die Versöhnung mit Gott, mit sich selbst, mit den Brüdern und der ganzen Schöpfung. Eine Aufforderung, die zu einem nicht leichten Weg verpflichtet. Das weiß die Kirche. Darum gibt sie auf den Seiten des Dokuments auch den konkreten Weg an, um zu dem ersehnten Ziel zu gelangen: Es ist ein Weg, auf dem der Mensch Christus findet, den Pilger, der an seiner Seite geht und ihn • durch das Wort der Schrift, das Verstehen und Gebet der 256 AUDIENZEN UND ANGELUS Gemeinschaft und die Gnade des vom Diener der Kirche gespendeten Sakraments aufrichtet. Ich hoffe und wünsche, daß die aufmerksame Lektüre dieses Dokuments eine geeignete Vorbereitung auf das heilige Weihnachtsfest sein und so die ehrfürchtige Aufnahme des menschgewordenen Wortes begünstigen möge. Nach dem Angelusgebet segnete der Papst die Krippenfiguren und sagte: In Fortführung einer schönen, zur Tradition gewordenen Initiative sind heute auf dem Petersplatz unzählige Kinder aus den römischen Pfarreien anwesend, die den Wunsch haben, daß der Papst die Krippenfiguren segnet, die sie dann zu Hause in die Krippe legen. Es ist für mich ein großer Trost, meine Lieben, zu wissen, daß ihr so aufmerksam auf das Geheimnis Jesu achtet, der um der Rettung aller Menschen willen in der Armut der Grotte von Bethlehem geboren ist. Ich bin sicher, daß eure hochherzige Anhänglichkeit an diese erhabenen Lehren euch in den kommenden heiligen Tagen besonders sensibel machen wird für die Not eurer Altersgefährten, besonders jener, die sich in manchen Gegenden der Welt aus Mangel an Nahrung in Lebensgefahr befinden. Ich begleite euch mit meinem Gebet, damit auch ihr, wie das Jesukind, „heranwachst, zunehmt an Weisheit und Gefallen findet bei Gott und den Menschen“ (vgl. Lk 2,52), ich ermutige euch zu euren Werken der Nächstenliebe, und während ich euch und euren Angehörigen meinen Apostolischen Segen erteile, wünsche ich euch schon heute frohe Weihnachten! Katechese gründet im Glauben Ansprache bei der Generalaudienz am 19. Dezember 1. Vorige Woche haben wir von der Katechese im Katechumenat gesprochen, wie es sich in der ältesten Zeit der Kirchengeschichte herausgebildet hat. Als sich dann immer allgemeiner der Brauch durchsetzte, die Kinder bald nach der Geburt zu taufen, verschwand mit der Zeit das Katechumenat in seiner ursprünglichen Form. Wie bereits erwähnt, ist es dort erhalten geblieben, wo sich Erwachsene auf die Taufe vorbereiten: In diesem Fall ist das Katechumenat noch immer eine Zeit besonders intensi- 257 AUDIENZEN UND ANGELUS ver Katechese, verbunden mit der Einführung in das Mysterium der Taufe und des ganzen sakramentalen Lebens sowie mit der schrittweisen Einübung der Katechumenen im Leben der kirchlichen Gemeinschaft. Der Brauch, die Kinder kurz nach der Geburt zu taufen, entwickelte sich als Ausdruck des lebendigen Glaubens der Gemeinden und vor allem der Familien und der Eltern, die nun, selber im Glauben gereift, ihren Kindern dieses Geschenk möglichst bald nach der Geburt vermitteln wollten. Diese Gepflogenheit hat sich, wie wir wissen, in der Kirche als Zeichen der zuvorkommenden Liebe Gottes bis heute erhalten. Die Eltern erbitten für ihre neugeborenen Kinder die Taufe und versichern, sie christlich erziehen zu wollen. Um diese Zusicherung noch zu bekräftigen, bitten sie weitere Personen, die sogenannten Paten, die Pflicht der Mithilfe zu übernehmen - und sie gegebenenfalls zu vertreten -, um das neugetaufte Kind im Glauben der Kirche zu erziehen. Die christlichen Wahrheiten des Glaubens Diesem allgemeinen gepflogenen Brauch kommt für die Katechese eine herausragende Bedeutung zu. Die Erziehung eines getauften Kindes im Glauben der Kirche kann nicht ohne systematische Katechese erfolgen. Das, was bei der Erwachsenentaufe im Programm des Katechumenats vor der Zulassung zu diesem Sakrament enthalten war, wird in der neuen Situation in die Zeit nach der Taufe gewissermaßen verlegt, in der der junge Christ bereits imstande ist, in den christlichen Wahrheiten des Glaubens und der Moral unterrichtet zu werden und dabei schrittweise, Stufe um Stufe, in das sakramentale Leben der Kirche hineinzuwachsen. Auf diese Weise wird einerseits die besondere Beziehung der Katechese zur Taufe, eine Beziehung, die von Anfang, vom Pfingsttag an hervortritt, gewahrt. Andererseits wird die Katechese aufgrund der von Eltern und Paten übernommenen Verpflichtung in die Zeit nach der Taufe verlegt, beträchtlich erweitert und erstreckt sich sozusagen auf das ganze Leben des Christen. 2. Kann man sagen, daß dieses Leben damit gewissermaßen zu einem „zweiten Katechumenat“ wird? Wenn wir unter „Katechumenat“ die eigentliche Vorbereitung auf die Taufe verstehen, kann natürlich eine solche Redeweise allenfalls übertragene Bedeutung besitzen. Wenn hingegen „Katechumenat“ nicht so sehr die erwähnte Einrichtung, als vielmehr die innere Bereitschaft bedeutet, im Glauben auszuharren und in ihm zu reifen, dann hat der Ausdruck „zweites Katechumenat“ eine sehr 258 AUDIENZEN UND ANGELUS zutreffende Bedeutung. Die Katechese ist ja Antwort auf ein Bedürfnis des Glaubens: das Bedürfnis nämlich ihn zu bekennen, in ihm zu bleiben und zu wachsen. Eine Einführung in das Geheimnis Christi Die Verpflichtungen, die Eltern und Paten bei der Taufe eines Neugeborenen übernehmen, betreffen vor allem die Zeit der Kindheit und Jugend. Denn wenn die Katechese als Einführung in das Geheimnis Christi nicht der Taufe vorausgegangen ist, wird sie um so intensiver bei der Vorbereitung auf die übrigen Sakramente der christlichen Initiation (Eucharistie und Firmung) wie auch bei der Vorbereitung auf das Bußsakrament gefordert. Aber auch die weiteren Abschnitte des christlichen Lebens dürfen vom katechetischen Bemühen nicht ausgeschlossen werden (ständige Katechese). Insbesondere bei der Wahl des Lebensstandes darf eine auf das Sakrament der Ehe bezogene Katechese nicht fehlen. Wo es um das Sakrament der Priesterweihe geht, ist der gesamte Ausbildungsgang im Seminar auch gewissermaßen eine „große Katechese“. Dem entsprechen in gewisser Weise das Noviziat und die folgenden Stufen der Ausbildung im Fall des Ordensberufes. Verschiedene Formen der geistlichen Übungen sowie auch die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil eingeführten Bußgottesdienste können eine Katechese für das Bußsakrament sein. Auch für das Sakrament der Krankensalbung gibt es verschiedene Möglichkeiten der Katechese. 3. Insofern als das sakramentale Leben der Christen einen immer neuen und unmittelbaren Aufruf zur Katechese - und zwar einer intensiveren und ins einzelne gehenden Katechese - darstellt, muß man sagen, daß die bei der Taufe begonnene Katechese nicht nur die gelegentliche, sondern vor allem die systematische Katechese meint: das, was die Kirchenväter „christlichen Unterricht“ (institutio christiana) nannten. Dabei geht es nicht um ein wissenschaftliches Kennenlernen der in diesem Fall christlichen Religion, sondern vielmehr um eine umfassende Vertiefung der Glaubensinhalte - des Wortes Gottes, das geoffenbart und von der Kirche systematisch gelehrt wird (Lehramt und Leben). Die Katechese erwächst aus dem Glauben und dient ihm. Eben deshalb sollte sie das ganze Leben des Christen je nach den verschiedenen Abschnitten des Lebensweges begleiten, je nach den verschiedenen Aufgaben und Verpflichtungen und den vielfältigen Situationen, durch die dieser Weg verläuft. Es geht darum, daß „jedes Wort, das aus Gottes 259 AUDIENZEN UND ANGELUS Mund kommt“ (vgl. Mt 4,4), stets den Menschen erreichen kann und nicht „ohne Wirkung bleibt“ (vgl. Jes 55,11), sondern sich unter jedem Aspekt des menschlichen Lebens ständig als fruchtbar erweist. In deutscher Sprache sagte der Papst: Liebe Brüder und Schwestern! Herzlich grüße ich euch zu dieser vorweihnachtlichen Audienz. Unsere heutigen Überlegungen gelten weiterhin der Einführung in die christliche Glaubensunterweisung, in die sogenannte Katechese. Diese war in der frühen Kirche, als vor allem Erwachsene getauft wurden, mit einem mehrjährigen Katechumenat verbunden, wodurch die Taufbewerber gründlich auf den Empfang der Taufe vorbereitet wurden. Mit der späteren Einführung der Kindertaufe übernahmen dann vor allem die Eltern und die Taufpaten die Verpflichtung, die Getauften im Laufe des heran-wachsenden Alters allmählich im Glauben der Kirche zu unterrichten und sie darin zu erziehen. Auch dies verlangt eine gewisse systematische Katechese. Diese konzentriert sich besonders auf eine gründliche Glaubensvorbereitung für den Empfang der weiteren Sakramente, für die Eucharistie und die Beichte und für die Wahl des eigenen Lebensstandes: die Ehe, das Priestertum, das Ordensleben. Somit erstreckt sich die Katechese gleichsam auf das ganze Leben des Christen. Sie gründet im Glauben und dient dem Glauben, auf daß dieser immer lebendiger werde und das Leben des Menschen wahrhaft christlich präge. Einen besonders herzlichen Gruß richte ich heute an die Pilger aus Waldmünchen im Bistum Regensburg mit ihrem Bischof Manfred Müller und hohen Vertretern aus Land und Gemeinde. Aufrichtig danke ich allen Verantwortlichen für den herrlichen Christbaum aus euren heimatlichen Wäldern, der nun in der Weihnachtszeit hier auf dem Petersplatz die Krippe ziert. Ich nehme diesen Baum mit Freude entgegen als Zeugnis eures Glaubens und eurer treuen Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri. Er erinnert uns im Zusammenhang des Weihnachtsgeheimnisses an den uns in Christus neu geschenkten Baum des Lebens. Christus selbst ist zugleich die Frucht, unsere Speise, die uns ewiges Leben vermittelt. Öffnen wir ihm wieder weit unsere Herzen, Familien und Gemeinden, daß er uns wieder reich beschenkt mit seinen weihnachtlichen Gnaden. Das wünsche und erbitte ich euch, allen hier anwesenden deutschsprachigen Pilgern und euren Lieben in der Heimat mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Ein gnadenreiches Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr! 260 AUDIENZEN UND ANGELUS Die Ankunft des Erlösers Vor dem Angelus am Sonntag, 23. Dezember 1. „Seht, nun ist alles erfüllt, was der Engel von der Jungfrau gesagt hat.“ Von dieser Erfüllung legt die Kirche heute, am 23. Dezember, an der Vorvigil der Christgeburt, Zeugnis ab. Der Engel sprach zu Maria: „Du wirst einen Sohn empfangen, einen Sohn wirst du gebären; dem sollst du den Namen Jesus geben“ (Lk 1,31). Der Augenblick der Erfüllung dieser Worte steht nahe bevor. Die ganze Adventsliturgie ist von dieser Nähe erfüllt. 2. In den letzten Adventstagen grüßen wir den, der kommen soll, mit den wunderbaren Antiphonen, die sozusagen eine Synthese des Geheimnisses der Menschwerdung sind. Zu dem, der von der Jungfrau geboren werden und den Namen Jesus erhalten soll, spricht die Kirche: - O Weisheit, hervorgegangen aus dem Munde des Höchsten . . . - O Adonai, Herr und Führer des Hauses Israel . . . - O Sproß aus der Wurzel Isais, gesetzt zum Zeichen für die Völker . . . - O Schlüssel Davids, Zepter des Hauses Israel - du öffnest, und niemand kann schließen, du schließt, und keine Macht vermag zu öffnen . . . - O Morgenstern, Glanz des unversehrten Lichtes und Sonne der Gerechtigkeit . . . - O König aller Völker und Schlußstein . . . - O Immanuel . . . 3. „Siehe, die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sie wird ihm den Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.“ Das sind Worte, die Jesaja (7,14) einige Jahrhunderte vor Christus geschrieben hat. Maria geht mit Josef nach Betlehem. Die Ankunft des Erlösers erreicht ihren Zenit. 261 AUDIENZEN UND ANGELUS Nachdenken an der Krippe Vor dem Angelus am 26. Dezember Liebe Brüder und Schwestern! 1. Heute kehren wir noch einmal bei unserem gemeinsamen Angelusgebet zur Betrachtung des großen Weihnachtsfestes zurück, das wir gestern gefeiert haben. Gott ist für uns Mensch geworden! Das göttliche Wort ist Mensch geworden wie wir, um sicherzustellen, daß er in unserer menschlichen Geschichte und unserem persönlichen Dasein mit seiner Liebe, seinem Heil, seiner Vorsehung immer gegenwärtig ist. Das Weihnachtsfest verlangt Glauben, weil Weihnachten ein Geheimnis ist. Unserer Vernunft gelingt es nicht zu begreifen, wie Gott uns bis zu diesem Punkt hin lieben konnte. Das Erkennungszeichen für die Hirten war die Krippe im Stall, wo Maria das Kind Jesu hineingelegt hatte: Es war also ein Zeichen äußerster Armut und tiefster Demütigung. Dieses so verwirrende Ereignis lehrt uns zu verstehen, daß die Botschaft Christi, des göttlichen Erlösers, die Demütigung der Vernunft ist. Nur die Demut, die zum Vertrauen und zur Anbetung wird, kann die heilbringende Demütigung Gottes verstehen und annehmen. Kehren wir also täglich zum Nachdenken an die Krippe zurück, bitten wie Maria und Josef, uns die Gnade anbetender Demut und vertrauensvollen Glaubens zu vermitteln! 2. Heute gedenken wir auch des Martyriums des hl. Stephanus, des ersten Märtyrers, der mutig sein Leben hingab, um seinen Glauben an Christus zu bezeugen. Er lehrt auch unsere Zeit, daß die Botschaft der Wahrheit und des Heils, die Jesus der Menschheit gebracht hat, eine feste Überzeugung und einen unerschrockenen Mut verlangt. Jesus hat das Licht gebracht, und wie Stephanus müssen wir mit diesem Licht die Finsternis, die uns umgibt, zerstreuen, Nachstellungen und Versuchungen überwinden, das Böse bekämpfen. Wie Stephanus müssen wir an jedem Ort die Gewißheit mit uns tragen, daß wir nur durch Christus den Sinn unseres Erdenwegs erkennen und die Kraft und Freude finden, uns in den Werken der Gerechtigkeit und der Liebe zu engagieren. Er muß uns immer Beispiel sein und uns mit seinem Schutz begleiten. 3. Ich möchte heute an die Opfer des schrecklichen Blutbads von Sonntagabend erinnern. Die heitere und frohe Atmosphäre von Weihnachten 262 AUDIENZEN UND ANGELUS ist in Italien durch das schreckliche Attentat auf den Schnellzug Neapel-Mailand überschattet worden. Wir stehen verwirrt und betroffen vor soviel Greuel und Grausamkeit. Und trotzdem fordert die Erinnerung an Weihnachten uns auf, nicht das Vertrauen auf die Liebe des Höchsten zu verlieren. Jesus wurde gerade darum in Betlehem geboren, um uns zu versichern, daß in unserer menschlichen Geschichte die Macht Gottes, der den Menschen liebt, gegenwärtig ist. Ich bete weiterhin für die unschuldigen Opfer und um Trost und Beistand für alle, die die unermeßliche Tragödie beweinen; ich bin mit meinem Herzen dem Schmerz der Verwandten und den Verletzten nahe und fordere alle zum Gebet und zum Einsatz auf, daß das Böse durch das Gute überwunden werde. Das Heil der Welt Vor dem Angelus am Sonntag, 30. Dezember 1. „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft - und sie empfing vom Heiligen Geist.“ Diese Empfängnis durch den Heiligen Geist gibt dem menschlichen Leben des Ewigen Wortes seinen Anfang. Im Schoß der Jungfrau-Mutter wird der empfangen, der von Ewigkeit her aus dem Vater als ihm wesensgleicher Sohn gezeugt ist. Diese Empfängnis durch den Heiligen Geist ist die Bedingung für die Geburt Gottes. In der dazu bestimmten Zeit kommt der Sohn Gottes, empfangen im Schoß der Jungfrau, in der Nacht von Betlehem zur Welt und offenbart sich als Mensch. Mit der Geburt Jesu von Nazaret kommt mitten in der Menschheit jene wunderbare Familie zu ihrer fruchtbaren Fülle, in der der Sohn Gottes Mensch werden sollte. Maria war schon vor der Empfängnis durch den Heiligen Geist die Braut des Josef, und nach der Geburt - auch sie geschah durch das Wirken des Heiligen Geistes -wurde er, der Gemahl der Jungfrau, vor den Menschen der Pflegevater Jesu. Er durfte Anteil haben an der Sorge des Ewigen Vaters für seinen Ewigen Sohn, der als Mensch in der Nacht von Betlehem geboren wurde. 2. Heute wendet sich die Kirche mit besonderer Verehrung und Liebe an die Heilige Familie von Nazaret. Gleichzeitig wendet sie sich - durch diese 263 AUDIENZEN UND ANGELUS in der Menschheitsgeschichte einzigartige Familie - an alle Familien der Menschen. Und sie betet für sie. Sie sagt ihnen mit den Worten des Apostels, die wir heute in der Sonntagsliturgie vernehmen: „In eurem Herzen herrschte der Friede Christi“ (Kol 3,15). „Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei euch“ (Kol 3,16). Jede Familie hat ihren Ursprung im Ehebund von Mann und Frau, die im Zusammenwirken mit der Schöpferkraft Gottes Eltern werden. Im Geheimnis der Geburt Gottes sind sie aufgerufen, mit den Augen des Glaubens ihre Berufung zu betrachten, ihre menschliche und christliche Berufung. Das Heil der Welt kam aus der Herzmitte der Heiligen Familie und ist ein für allemal in der Geschichte des Menschen verwurzelt. Das Heil der Welt, die Zukunft der Menschheit, der Völker und der Gesellschaft führt immer durch das Herz jeder Familie. Hier wird es gebildet. Wir wollen heute für jede Familie der Welt beten, damit sie so auf ihre Berufung Antwort geben kann, wie es die Heilige Familie von Nazaret getan hat. Ganz besonders wollen wir für die Familien beten, die Leid zu tragen haben, die sich in vielfältigen Schwierigkeiten befinden, die bedroht sind in ihrer Unauflöslichkeit und in ihrem Dienst an der Liebe und am Leben, wozu sie von Gott berufen sind. 264 II. Predigten und Ansprachen bei den Reisen Pastoraireise nach Bari (26. Februar) REISEN „Möge der hl. Nikolaus sprechen“ Predigt bei der Eucharistiefeier auf dem Messegelände in Bari 1. Wer ist dein Gott, Nikolaus? Wer ist dein Gott, von dem du Zeugnis gibst? Viele Bürger kommen in die Stadt Bari an der adriatischen Küste. Es kommen Pilger aus Italien, vor allem aus dem Süden, und Püger aus dem Ausland, aus West und Ost. Hier finden sie die Reliquien, die sterblichen Überreste des Heiligen, der im 4. Jahrhundert Bischof von Myra in Kleinasien war. Von dort hat sich seine Verehrung in alle Richtungen ausgebreitet, so daß Nikolaus ein weltweit bekannter und in der ganzen Christenheit verehrter Heiliger geworden zu sein scheint. Seine Gestalt hört nicht auf, Begegnungspunkt zwischen Ost und West zu sein, und hat gerade in unserer Zeit verstärkter ökumenischer Bemühungen neue Bedeutung gewonnen. Seit vielen Jahrhunderten zieht der hl. Nikolaus von Myra unaufhörlich die Menschenherzen durch das besondere Zeugnis an, das er Gott gegeben hat: dem Gott Jesu Christi, dem Gott der Vorsehung . . . Alle, die herkommen, scheinen diesem Zeugnis des Heiligen zu folgen, sie scheinen immer wieder zu fragen: Nikolaus, sage uns, wer ist dieser Gott, für den du Zeugnis gegeben hast? Bringe uns diesen Gott nahe! Es ist seltsam: Die Geschichte hat nur wenige Tatsachen aus dem Leben des Heiligen festgehalten, doch dieses Zeugnis ist auf uns gekommen. Ja, es hat sich in der Erinnerung des Gottesvolkes, in der liturgischen Verehrung der Kirche, in der sakralen Kunst und auch in den Volksbräuchen vieler Nationen erhalten. 2. Die Liturgie dieses Sonntags läßt uns eine Antwort auf die Frage finden, die wir an Nikolaus, den Bischof von Myra, richten, dessen Reliquien hier in Bari ruhen. Dieser Gott, für den unser Heiliger Zeugnis gibt, ist das höchste Gut und die Quelle alles Guten. 268 REISEN Davon spricht in seiner ganz typischen Sprache der Antwortpsalm der heutigen Liturgie: „Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe, von ihm kommt mir Hilfe. Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; darum werde ich nicht wanken“ (Ps 62,2-3). Jeder dieser beiden Verse drückt mit diesen Worten einen einzigartigen Gedanken aus: Gott ist die Quelle alles Guten, und darum ruht in ihm die tiefste Hoffnung des Menschen. Denn Gott ist nicht nur das unendlich Gute an sich, sondern er ist das Gute für den Menschen: Er will das Gute für den Menschen, er will selbst das letzte Gut für den Menschen sein. Er will das Heil des Menschen sein: „In Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe.“ Er ist das feste, zuverlässige Fundament, auf dem der Mensch den Bau seines Lebens und seiner Bestimmung errichten kann. Deshalb vergleicht der Psalmist den Gott der menschlichen Hoffnung mit einem Felsen und einer Burg: „Bei Gott ist mein Heil, meine Ehre; Gott ist mein schützender Fels, meine Zuflucht“ (Ps 62,8). In den Erfahrungen der Vorläufigkeit, inmitten der wechselvollen Geschicke des Erdendaseins ist Gott für den Menschen eine entscheidende Stütze, aus der er die unerläßliche Kraft des Geistes schöpft. Der Gott des Psalmisten der heutigen Liturgie ist der Gott des Bischofs Nikolaus von Myra. Aus ihm hat er seine Hoffnung und seine innere Kraft geschöpft. In ihm hat er den Halt für sich und die ihm anvertraute Herde gefunden. Gott, die Quelle alles Guten, war für Nikolaus auch die Inspiration zu allem Guten, das er in seinem Leben den anderen zu tun bemüht war. Und genauso denkt die lebendige Tradition der Kirche von ihm: Nikolaus, der Wohltäter. Nikolaus, dessen Blick auf Gott, die Quelle alles Guten, gerichtet war, hat allen Gutes getan. 3. Der Herr, für den er mit seinem Leben Zeugnis gegeben hat, ist der Gott Jesu Christi, also der zuvorkommende Vater, der unaufhörlich seine Vaterschaft gegenüber den Kreaturen und vor allem dem Menschen gegenüber durch Werke der Vorsehung kundtut. Davon zeugen die Worte Christi im heutigen Evangelium: „Seht euch die Vögel des Himmels an: Sie säen nicht, sie ernten nicht und sammeln keine Vorräte in Scheunen; euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? . . . 269 REISEN Wenn aber Gott schon das Gras so prächtig kleidet, das heute auf dem Feld steht und morgen ins Feuer geworfen wird, wieviel mehr dann euch, ihr Kleingläubigen! . . . Euer himmlischer Vater weiß, daß ihr das alles braucht“ (Mr6,26.30.32). Gott, der die Quelle alles Guten im Schöpfungswerk ist, ist auch die unaufhörliche Vorsehung der Welt und des Menschen. Es ist sein steter Wunsch, daß an den Gütern, die er ins Leben gerufen hat, die Geschöpfe und insbesondere der Mensch teilhaben; tatsächlich ist ja der Mensch von Gott unter allen Geschöpfen der sichtbaren Welt deutlich ausgezeichnet worden. Von Anfang an hat Gott den Menschen mit besonderer Liebe umgeben. Und diese Liebe weist zugleich väterliche und mütterliche Merkmale auf, wie der Prophet Jesaja in unserer ersten Lesung bezeugt: „Kann denn eine Frau ihr Kind vergessen, eine Mutter ihren eigenen Sohn? Und selbst wenn sie ihr Kind vergessen würde: Ich vergesse dich nicht“ (Jes 49,15). 4. Die Vaterschaft Gottes war für den Bischof von Myra eine besondere Inspiration - die Vaterschaft, aber auch die Mutterschaft, von der der Prophet spricht. Er war ein großer Zeuge der göttlichen Vorsehung: Das beweisen die Ereignisse seines Lebens, die in der Überlieferung des Gottesvolkes und der Erinnerung festgehalten werden. Die Geschichte der Heiligen in der Kirche hat viele ähnliche Zeugen der göttlichen Vorsehung hervorgebracht. Nikolaus ist gleichsam ihr Vorbild und Vorkämpfer. Er hat nicht nur dadurch Zeugnis von der göttlichen Vorsehung gegeben, daß er selbst ein unbegrenztes Vertrauen besaß, sondern auch, weil er bestrebt war, die Vorsehung für die anderen zu sein. Er nahm sich der Nächsten an wie ein Vater und eine Mutter und half, soweit es im Bereich seiner menschlichen Möglichkeiten lag, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Er war gewiß den Worten des göttlichen Meisters treu: „Sorgt euch also nicht um morgen; denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Tag hat genug eigene Plage“ (Mt 6,34). Wie alle heroischen Zeugen der göttlichen Vorsehung war er ein Mann von grenzenloser Zuversicht. Ja, die göttliche Vorsehung, die väterliche und in gewissem Sinne auch mütterliche Güte Gottes hat im gesamten Leben des Bischofs Nikolaus von Myra ein beredtes Zeugnis gefunden. Seit Generationen pilgern die Kirche des Ostens und Westens und sogar Menschen, die außerhalb der Kirche stehen, zu diesem Zeugnis hin. 270 REISEN 5. Der hl. Nikolaus steht vor uns als Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes (vgl. 1 Kor 4,1). Und durch seinen ganzen bischöflichen Dienst, durch die Verwaltung der Geheimnisse Gottes, scheint das tiefere Licht des Evangeliums hindurch: das Reich des Gottes der Liebe. Wenn Nikolaus jahrhundertelang ein so beredtes Zeugnis der göttlichen Vorsehung war, dann deshalb, weil er die Worte Christi buchstäblich genommen hat und sich für den Dienst an Gott entschieden hatte. In der Tat sagt Christus: „Niemand kann zwei Herren dienen . . . Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon“ {Mt6,24). Nikolaus hat sich ungeteilt für den Dienst an Gott entschieden. Und in diesem ungeteilten Dienst hat sein ungewöhnliches Zeugnis für den Gott der Liebe, den Gott der Vorsehung, seinen Ursprung. Er selbst konnte „Vorsehung“ für die anderen sein, weil er in seinem ganzen Leben zuerst das Reich Gottes gesucht hat. So wie Christus gesagt hat: „Euch aber muß es zuerst um Gottes Reich und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird euch alles andere dazugegeben“ {Mt 6,33). Mitunter hören wir die Worte des heutigen Evangeliums mit einer gewissen Skepsis. Darf sich der Mensch nicht um sein Leben sorgen? Doch der göttliche Meister sagt nicht: „Sorgt euch überhaupt nicht“, sondern: Sorgt euch nicht übertrieben, ermüdet euch nicht. Er rät nicht zu unbeschwerter Sorglosigkeit, sondern nennt die richtige Wertordnung. Der Schlüssel zum Verständnis aller dieser Gleichnisse - die Lilien des Feldes, das Gras auf dem Feld, die Vögel des Himmels - ist eben der Satz: „Euch muß es zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen; dann wird auch alles andere dazugegeben“ (ebd.). Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes ist ein unvergleichlich höheres Gut als alles, für das sich der Mensch abmühen mag, wenn er dem Mammon dient. Nikolaus von Myra war ein Mann, der in seinem Leben dieser vorrangigen Sorge um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit Ausdruck gab. Alles andere für seine eigenen Bedürfnisse und für die der anderen ist ihm dazugegeben worden. Er ist während all der Jahrhunderte ein so beredter Zeuge der fürsorglichen Vorsehung Gottes gewesen, weil er mit ungeteiltem Herzen den Dienst an Gott und zugleich damit die von Christus verkündete Wertordnung angenommen hat. 6. Wir kommen als Pilger zum Heiligtum des hl. Nikolaus in die Stadt Bari während des Heiligen Jahres der Erlösung, während des außerordentlichen Jubiläumsjahres. REISEN Spricht das Geheimnis der Erlösung etwa nicht in besonderer Weise von der göttlichen Vorsehung? Spricht es nicht von Gott, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, . . . das ewige Leben hat“ (Joh 3,16)? Ist diese Liebe etwa nicht der entscheidende Maßstab der Vorsehung? Der wichtigste und überfließende Maßstab? Wir kommen nach Bari, um uns - zusammen mit dem hl. Bischof Nikolaus - vor dieser göttlichen Vorsehung einzufinden. Um uns nach dem Zeugnis, das uns der Heilige hinterlassen hat, zu ihr zu bekennen, sie anzurufen. Bestätigt etwa das Geheimnis der Erlösung nicht die Wahrheit, daß es uns zuerst um das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit gehen muß? Ist die Wahrheit des Evangeliums nicht gerade im Leben des Menschen unserer Zeit besonders bedroht? Sind wir nicht Zeugen einer Umkehrung der evangelischen Wertordnung? Bemächtigt sich nicht in zunehmendem Maße der Dienst am Mammon (in verschiedenen Formen) des Denkens, Fühlens und des Willens des Menschen und verdunkelt das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit? Verliert der Mensch im „ausschließlichen Dienst“ am Irdischen nicht die richtige Dimension seines Menschseins und seiner Bestimmung? Möge in diesem Heiligen Jahr der Erlösung noch einmal das Zeugnis des hl. Nikolaus zu uns sprechen, der sich an Gott als die Quelle alles Guten hielt und so selbst gut war, anderen Gutes tat und wahrhaft „ein Mensch für die anderen“ war; er war Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes. Möge dieses Zeugnis zu uns sprechen! „Bei Gott allein kommt meine Seele zur Ruhe, denn von ihm kommt meine Hoffnung. Nur er ist mein Fels, meine Hilfe, meine Burg; darum werde ich nicht wanken“ (Ps 62,6—7). Amen. 272 REISEN Verpflichtung beider Schwesterkirchen Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in der St.-Nikolaus-Basilika in Bari Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Bischof von Rom kommt heute als Pilger hierher nach Bari, wo der Leib eines heiligen Bischofs aus dem Orient ruht; wie jeder Pilger will er den Appell, der von einem Wallfahrtsort ausgeht, hören und in Gebet umsetzen. Hier setzt sich auf geheimnisvolle Weise ein einzigartiges Zeugnis der Heiligkeit fort, das die Herzen von Millionen Gläubiger aus Ost und West erleuchtet hat; hier läßt das Gedenken des Glaubens die -durch den Tod nicht ausgelöschte - Präsenz eines Mannes wieder lebendig werden, der an der Wende vom 3. zum 4. Jahrhundert im Orient lebte, und in dem die unverkennbare Art christlicher Genialität, die der Heilige Geist den Brüdern des Ostens zum Aufbau der Kirche verliehen hat, einen großartigen Ausdruck gefunden hat. Aber vor allem anderen weckt der Bischof von Myra, der heute als hl. Nikolaus von Bari bekannt ist, in uns die Sehnsucht nach der Einheit; das kann freilich nicht das Heimweh nach einer Vergangenheit sein, deren Erinnerung im Laufe der Zeit unerbittlich verblaßt: sondern die Erwartung einer Zukunft, die uns verheißen ist und für uns die Aufgabe und Arbeit der Gegenwart bildet. Die Einheit der jungen Kirche wurde im Blut des Kreuzes geboren und am Pfingstmorgen im Feuer des Geistes besiegelt. Die Kirche ist aufgerufen, sich in der Zeit zu verwirklichen im Gehorsam gegenüber dem Geist ihres Herrn, der sie erleuchtet und ihr hilft: Auch die Kirche ist der dramatischen Spannung des Wachstums, dem harten Gesetz der Entwicklung unterworfen. Im Abendmahlssaal von Jerusalem hat die Kirche die vollkommene, wenn auch erst embryonale Gestalt ihrer Einheit erhalten; und die Aufgabe, diese Einheit in der Mühe der Geschichte zu leben bis zur vollen Erfüllung (vgl. Eph 4,16). 2. Der Bischof von Rom kommt als Pilger an das Grab des hl. Bischofs von Myra und ehrt in ihm die Ortskirche. Die Einheit ist die reife Frucht des Geistes; sie ist die Gestalt, die nur die Liebe dem Leben geben kann: Einheit ist nicht Absorption und schon gar nicht Verschmelzung. Die beiden Schwesterkirchen des Orients und des 273 REISEN Okzidents begreifen heute, daß ohne wechselseitiges Hören der tiefliegenden Gründe, die in beiden das Verständnis verstärken für das, was sie charakterisiert; ohne wechselseitiges Schenken der Schätze der Eigenart, die beide besitzen, die Kirche Christi nicht die volle Reife jener Gestalt zeigen kann, die sie am Anfang im Abendmahlssaal empfangen hat. Der einzig gangbare Weg führt über die Ausweitung, der Gesinnung und des Herzens, die jede Begegnung voraussetzt. In dieser Richtung muß eine enorme Pastoralarbeit geleistet werden, deren Wurzel die Treue der Kirche zu ihrer Identität und ihrer Berufung ist. Die gemeinsame Präsenz von byzantinischer und lateinischer Welt hat die Geschichte dieser Stadt und dieser Region tief geprägt; und stärker als in den -in Apulien so großartigen! - Denkmälern der Geschichte lebt die Vergangenheit mit ihren Ansprüchen und Hoffnungen in den Spuren weiter, die sie in unauslöschlicher Weise in der apulischen Seele hinterlassen hat. Hier liegt der Ursprung der ökumenischen Berufung der Kirche Apuliens. Trotz der unvermeidlichen Schatten der Geschichte ist auf diesem Boden immer der komplementäre Charakter der beiden Traditionen und damit die Dringlichkeit ihrer Begegnung wahrgenommen worden. Es genügt, an die Synode der griechischen und lateinischen Bischöfe von 1098 zu erinnern, auf der Urban II. hier in dieser Basilika, „ante corpus beati Nicolai“ (vor der sterblichen Hülle des hl. Nikolaus), den Vorsitz führte in der Absicht, der Vorahnung einer nicht nur möglichen, sondern in das Wesen der Kirche eingeschriebenen Eintracht Ausdruck zu geben. Die ökumenische Feinfühligkeit der Kirche Apuliens findet heute in einer Weise Ausdruck, die unserer Zeit angepaßt ist. Ich möchte im besonderen die griechisch-byzantinische ökumenisch-patristische Sektion San Nicola erwähnen, die durch das objektive und gründliche Studium der reichen und verwickelten Vergangenheit die ökumenische Begegnung fördert; außerdem das Diözesansekretariat für den ökumenismus, das eine intensive Pastoraltätigkeit zur sorgfältigen und allmählichen Bildung des Gottesvolkes im Hinblick auf die Verwirklichung der Einheit der Christen entfaltet. All das ehrt die Kirche von Bari und huldigt dem hl. Nikolaus, diesem -nach dem Porträt, das die Überlieferung von ihm gezeichnet hat - milden, aber von unermüdlicher Tatkraft erfüllten Mann; ein großartiges Bild Christi war dieser Bischof, der den wahren Glauben verteidigt, die Gerechtigkeit geliebt, die Armen und die Witwen geschützt hat. 3. Bekanntlich sieht vor allem der byzantinische Kulturraum im hl. Nikolaus seinen besonderen Schutzpatron; und darf man unerwähnt 274 REISEN lassen, welch große Liebe der Heilige im Laufe der Jahrhunderte auch beim russischen Volk gefunden hat? Eine Liebe, die in keiner Epoche der christlichen Geschichte jenes Volkes irgendwelche Zäsuren erlitten hat. In meinem Apostolischen Schreiben Egregiae virtutis habe ich gesagt, daß Europa „sozusagen das Ergebnis zweier Strömungen christlicher Tradition“ ist, die in Rom und Konstantinopel ihre bedeutendste Ausstrahlung gefunden haben. Am Grab des Heiligen von Myra und Bari entspringen und verbinden sich diese Ströme christlicher Überlieferung, von denen aus sich die geistlichen Wege Europas verzweigen. Ich habe bei verschiedenen Anlässen und auf verschiedene Weise betont, daß Europa, Ost wie West - also der Sinn seiner Geschichte, die Tragweite und Bedeutung der Umwälzungen, von denen es erschüttert wurde, oder der Ideologien, die ihre Spuren in seiner Geschichte hinterlassen haben -, nicht verstanden werden kann, wenn man die Tragödie der gegenseitigen Entfremdung zwischen Rom und Konstantinopel übersieht. Es gibt Orte, an denen am Ende einer Pilgerfahrt einige Fäden in dem Gewebe der europäischen Geschichte sich klarer erkennen lassen. Die Reliquien des hl. Nikolaus machen Bari zu einem dieser Orte. Können die beiden Schwesterkirchen, die die geistige Dynamik Europas geschaffen haben und damit sein Schicksal entscheidend beeinflußten, dieses Europa in einem so kritischen Augenblick seiner Geschichte sich selbst überlassen? Die Kirche des Ostens wie die des Westens weiß, daß sie alles liebt, was sich heute wie gestern unter den Völkern dieses Kontinents regt und bewegt, denen sie sich in der geheimnisvollen Identifikation der Liebe unlösbar verbunden weiß, so wie sie mit allen Völkern verbunden ist, die irgendwann in einer älteren oder jüngeren Geschichtsperiode das Evangelium vernommen haben. Die Kirche begreift heute, daß sie aufgerufen ist, in Einheit diese Sorge zu bezeugen in der Überzeugung, auf diese Weise einen Beitrag von erstrangiger Bedeutung zur Entwicklung eines friedlichen und glücklichen, durch lebendigen Austausch bereicherten Zusammenlebens der europäischen Völker anzubieten. 4. In dieser Basilika sind heute der Rector magnificus und die Mitglieder des Lehrkörpers der staatlichen Universität Bari anwesend, denen ich meinen geziemenden Gruß entbiete. Jede Hochschule hat unter anderem die nicht leichte Aufgabe, die wirklichen Bedürfnisse zu interpretieren, die sich im Hintergrund des sozialen Milieus regen, und dementsprechend eine ausgewogene kulturelle und zugleich soziale Entwicklung vorzuschlagen. Sie, sehr geehrte Herren, 275 REISEN werden, um die spezifischen und vorrangigen Aufgaben Ihrer Hochschule zu bestimmen und zu verwirklichen, wegen der geographischen Lage und der Geschichte der Stadt, die Ihre Universität beherbergt, dem Mittelmeerraum besondere Aufmerksamkeit schenken müssen. Die Wogen dieses Meeres haben im Laufe der Jahrhunderte Ideen und Waren, Drohungen und Fortschritt von einem Ufer zum anderen getragen und in einer Vielfalt von Auffassungen und Sitten eine Integration geschaffen, die Sie mit den Instrumenten der Kultur zu verstehen und zu fördern suchen. Eine stärkere Integration gehört zur natürlichen Berufung des Mittelmeeres: nämlich ein wichtiges Glied im Nord-Süd-Dialog zu werden - und wie sollte man nicht, den Blick ausweitend, an Europa und Afrika denken -, ein Dialog, der heute so dringend ist für den Frieden auf unserem Planeten. Erlauben Sie mir, meine Herren, daß ich Ihnen allen, ob gläubig oder nicht, eine Frage stelle: Enthält die Tatsache, daß sich Ihre Universität in der Stadt des hl. Nikolaus befindet, mit dem die alten Kirchen an den Ufern des Mittelmeeres so sehr verbunden sind, keinen Impuls, keinen Appell, um Ihrer Arbeit eine fruchtbare Richtung zu geben? Die Kultur entsteht auf dem Weg des Menschen zur Wahrheit; und die Wahrheit gibt wieder neue Anstöße zu weiteren Forschungen, die auf die tiefen Bedürfnisse des Menschen Antwort geben. Wie ich bei anderer Gelegenheit ausführte, besteht eine organische und fundamentale Verbindung zwischen Christentum und Kultur; eine grundlegende Verbindung des Evangeliums mit dem Menschen in seiner Menschlichkeit selbst. „Um Kultur zu schaffen, muß man den Menschen ... als einen besonderen und autonomen Wert betrachten, als das Subjekt, das Träger der Transzendenz der Person ist“ (vgl. Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris, 2. Juni 1980, Nr. 10, in Wort und Weisung, 1980, S. 228). 5. Die Gesamtheit der den Menschen betreffenden Aussagen gehört zum Wesenskern der Botschaft des Evangeliums. Christus, der menschgewordene Gott, macht dem Menschen den Menschen selbst voll kund! Christus hat sich in seiner Menschwerdung gewissermaßen mit jedem Menschen vereinigt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 22). Und die Kirche ihrerseits - so schrieb ich in meiner ersten Enzyklika - „sieht es darum als ihre grundlegende Aufgabe an, darauf hinzuwirken, daß diese Einheit immer wieder Gestalt und neues Leben gewinnt. Diesem Ziel allein möchte die Kirche dienen: Jeder Mensch soll Christus finden können, damit Christus jeden einzelnen auf seinem Lebensweg begleiten kann mit jener kraftvollen Wahrheit über den Menschen und die Welt, wie sie im Geheimnis der 276 REISEN Menschwerdung und der Erlösung enthalten ist, mit der Macht jener Liebe, die davon ausstrahlt“ (Redemptor hominis, Nr. 13). Männer der Kultur und der Wissenschaft! Sie haben die heikle und hohe Aufgabe, die Wahrheit in all ihren sehr verschiedenen Ausdrucksformen zu suchen und die Jugend Apuliens auszubilden und auf diese Wahrheit hinzuweisen - haben Sie keine Angst vor Christus, sondern öffnen Sie ihm Ihre Herzen und die Ihrer Schüler! Das Ja zum Geheimnis Christi führt keineswegs zum Verzicht auf die eigene intellektuelle Freiheit. Klar und scharfsinnig antwortet auf diesen Einwand ein großer Sohn eurer Region, Abt Vito Fornari, am Ende des vorigen Jahrhunders, in einer Atmosphäre, die für das Verhältnis von christlichem Glauben und moderner Kultur nicht gerade günstig war: „Entweder wissen wir nicht, was Freiheit ist, oder es gibt keine ungerechtere Beschuldigung als diese. Die Täuschung entsteht aus der irrigen Meinung . . ., daß das Mysterium gleichsam ein Schleier sei, der verbirgt, während es doch in Wirklichkeit ein Lichtstrahl ist, den unser Auge von selbst nicht wahrnehmen könnte. Wer ist also frei: der in den vier Wänden eines Gefängnisses eingeschlossen ist, oder der, der die weite Erde durchlaufen kann? Wie kann Jesus Christus meinen Verstand versklaven, er, der dem Blick des Verstandes den unendlichen Himmel eröffnet? Jede Freiheit . . . verdanken wir Christus, auch die kostbarste aller Freiheiten, die allen vorausgeht, für alle notwendig ist: die Gedankenfreiheit“ (Deila vita di Gesü Cristo, Buch I, Vorwort, Turin 1930, S. 14-15). Ein Gegenstand besonderer Verehrung sind in eurer Region die Ikonen, die der Madonna Hodegetria geweiht sind, die uns auf dein Weg, der Pilgerschaft des Lebens zu Christus, zu Gott führt. Möge Maria der Leitstern unseres Lebens sein, hebe Brüder und Schwestern aus Apulien, möge sie durch ihre mächtige Fürsprache die volle Einheit unter allen Christen und die lebenskräftige, harmonische und fruchtbare Synthese zwischen der christlichen Botschaft und dem vielfältigen Alltagsleben erwirken. Amen. 277 REISEN Zurück zur Priorität der Landwirtschaft Ansprache an die Landbevölkerung Apuliens in Bitonto bei Bari 1. Mit großer Freude erlebe ich heute diese direkte Begegnung mit euch, liebe Brüder und Schwestern. Als Vertreter der Landbevölkerung Apuliens repräsentiert ihr in diesem eurem Land am östlichen Ende der italienischen Halbinsel einen bedeutenden Aspekt des italienischen Südens. Seid herzlich gegrüßt! Ich habe die Worte des Bürgermeisters und die Worte eines von euch Landwirten vernommen und in ihnen mit einzigartiger Intensität die gemeinsamen Gefühle mitschwingen gehört. Ihnen und euch allen möchte ich meinen tiefen und bewegten Dank aussprechen. Meine Reise nach Bari wäre unvollständig ohne diese Begegnung mit euch, Männer und Frauen von Bitonto, die ihr mit eurer täglichen Arbeit diesen Boden fruchtbar macht und reiche, überall geschätzte Erträge aus ihm hervorholt. Ich weiß, daß ich zu Menschen spreche, die mich verstehen können: Ihr seid der Natur, die Gottes Werk ist, nahe. Sie öffnet sich euch wie ein Buch, in dem ihr die Größe des Schöpfers lesen, seine Herrlichkeit bewundern, seine vorsorgende Güte erfahren könnt. Es fällt euch daher leichter als anderen, die Botschaft des Evangeliums anzunehmen. Darum fühlte sich auch Jesus bei den Menschen, die wir ihr im Kontakt mit der Natur lebten, besonders wohl. Zu ihnen sprach er von den „Vögeln des Himmels“ {Mt 6,26) und den „Lilien auf dem Feld“ {Mt 7,17), vom Wechsel der Witterung“ (vgl. Mt 16,3) und dem Reifen der Ernte {Joh 4,35); er scheute sich nicht, sich selbst, den Verkünder des Wortes, als „Sämann“ vorzustellen, der „aufs Feld ging, um zu säen“ {Mt 13,3 ff.), oder seinen himmlischen Vater mit einem „Winzer“ zu vergleichen {Joh 15,1); bekanntlich hätte Jesus kein besseres Bild zur Erklärung seiner Sendung finden können als das des „Guten Hirten“ {Joh 10,14). Ihr könnt euch also vorstellen, wie sehr mir an dieser Begegnung liegt. Unter meinen Reisen in Italien will dieser Besuch Ausdruck der besonderen Liebe zu eurer Region, einem Agrargebiet im reinsten Sinne des Wortes, sein in der Sorge des Hirten, nicht nur den großen Wohnzentren und den dazugehörigen Stadt- und Industriegebieten zu begegnen, sondern vor allem euch, die ihr durch eure Arbeit in der Landwirtschaft von der Erde lebt. Ich will euch also mit meinem Kommen meine Anerkennung und die der Kirche für die von euch geleistete Arbeit und die Werte 278 REISEN der Ehrlichkeit, Hochherzigkeit, Anhänglichkeit an die Familie, die euch auszeichnen, zum Ausdruck bringen. Ich weiß, daß meine Begegnung mit euch zu einem Zeitpunkt stattfindet, in dem neue, ernste Schwierigkeiten die Versuchung zu Entmutigung und Rückzug in gefährliche Isolierung verstärken. Aber ich weiß auch, daß ich an die Hochherzigkeit der apulischen Bevölkerung appellieren kann. Ich möchte euch daher auffordern, mit neuem Mut den Weg der wirtschaftlichen Entwicklung und der menschlichen Entfaltung fortzusetzen in der Perspektive einer Solidarität, die sich von eurer örtlichen Umgebung aus verbreitet und auf das Gemeinwohl des ganzen Südens und des ganzen Landes erstreckt. 2. Mir ist bekannt, daß man sich auch in eurer Region unmittelbar nach dem Krieg um die unumgängliche Agrarreform und im weiteren Rahmen um die Strukturen und Lebensbedingungen des Landvolkes bemüht hat. Dazu hatten aus tiefen moralischen Gründen die Bischöfe des Südens mit ihrem rechtzeitigen und vorgreifenden gemeinsamen Schreiben aufgerufen, das von Wissenschaftlern ebenso wie von Männern der Wirtschaft und der Politik einstimmig als wirksame moralische Orientierung und inspirierende Kraft der gesündesten Versuche anerkannt wurde, die in den Jahren des Wiederaufbaus Italiens nach dem Krieg durchgeführt worden sind. Was in der Folge geschah, entsprach leider nicht immer den Erwartungen. Die gegenwärtigen Schwierigkeiten der allgemeinen Wirtschaftslage haben ihre negativen Auswirkungen auf die Verhältnisse der Landwirte auch in dieser Region. Ihr sollt wissen, daß der Papst euren Sorgen nahe ist. Er, der aus einer Nation ältester bäuerlicher Traditionen und einer noch immer blühenden Landwirtschaft stammt, möchte euch den Rückhalt seiner Liebe und seiner Ermutigung bringen. Aber die ganze Kirche, zusammen mit dem Papst, wendet sich weiter heute wie gestern mit pastoraler Sorge den Problemen der ländlichen Welt zu. 3. Besonders gründlich nahm sich dieser Probleme bekanntlich ein „Bauern“-Papst, Johannes XXIII., an und behandelte sie in einer Enzyklika Mater et magistra, wo es ihm insbesondere darum ging, die Ärmsten vor den Folgen des Ungleichgewichts zwischen Wirtschaftsbereichen und Ländern mit unterschiedlichem Entwicklungsstand zu schützen. Die heutige Situation wirft ganz andere Probleme auf, trotzdem aber behalten die von Johannes XXIII. gegebenen Weisungen ihre Gültigkeit;! sie wurden übrigens in dem von Papst Paul VI. vorgetragenen Lehren wie auch jenen, 279 REISEN die ich selbst in der Enzyklika Laborem exercens in dem die Probleme der Landarbeit betreffenden Teil (vgl. Laborem exercens, Nr. 21) dargelegt habe, gebührend berücksichtigt. In der ganzen Welt zeichnet sich eine ermutigende Rückkehr zur Anerkennung der Priorität der Landwirtschaft ab, um ihr den Wert als tatsächliche Grundlage jeder gesunden Wirtschaft zurückzugeben. Die Zeit, da man das ganze Vertrauen in eine einseitige Industrialisierung lebte - mit der folgenden verheerenden Landflucht wegen der trügerischen Anziehungskraft der großen Städte und ihrer Industrien -, scheint vorbei zu sein. Es müßte also das schmerzliche Phänomen der großen Abwanderung überwunden sein, das schwerwiegendes soziales, familiäres und menschliches Ungleichgewicht mit sich gebracht hat. Der - bereits als „vorrangig“ bezeichnete - Agrarbereich bleibt das auch für eure Region. Denn die Landwirtschaft ist mit Sicherheit als wirksame Komponente einer ausgewogenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung wie auch als Arbeits- und Einkommensquelle für den größeren Teil der apulischen Bevölkerung von Bedeutung. 4. Noch sind viele Probleme zu lösen, doch ihr, liebe Brüder und Schwestern, verfügt über große Möglichkeiten, sowohl aufgrund der euch eigenen unverkennbaren Eigenschaften des Verstandes und des Fleißes als auch wegen der Natur eurer so ausgedehnten und vielgestaltigen Region, die sich von den weiten, fruchtbaren Ebenen bis zu den Hügeln und den Waldgebieten erstreckt, die eine gewaltige Reserve der Energie und unberührten Natur darstellen. Vor allem zeichnet sich die Verpflichtung ab, durch bessere Qualität der Erzeugnisse, der Produktivität der Arbeit, der Leistungsfähigkeit der Betriebe und darüber hinaus durch Gewährleistung eines direkten Zugangs zum Markt dem Bedürfnis nach Wachstum zu entsprechen. In diesem Zusammenhang appelliere ich an die wirksame Solidarität in ihren vielfältigen Aspekten. Natürlich muß jeder einzelne mit hochherziger Initiative und beständigem Eifer seinen eigenen Pflichten nachkommen. Ebenso notwendig ist es, daß der Einsatz des einzelnen von der Solidarität aller getragen wird. Diese Solidarität muß die am stärksten benachteiligten Gruppen der Landarbeiter, z. B. der Tagelöhner, berücksichtigen; sie muß auf den vorherrschenden bäuerlichen Familienbetrieb Bezug nehmen, indem sie dessen Angehörigen hilft, die Arbeitsmittel zu verbessern; sie muß die gewerkschaftliche Solidarität einbeziehen, die eine wirksame Organisation erfordert, damit auch im landwirtschaftlichen Bereich die tatsächliche 280 REISEN Beachtung und Respektierung der vertraglichen und gesetzlichen Bestimmungen sowie die rechtzeitige Kranken- und Altersversicherung gewährleistet werden, ohne die Forderungen der anderen Seite und der Nationalökonomie zu vernachlässigen. Große Perspektiven öffnen sich insbesondere für die Solidarität in der landwirtschaftlichen Genossenschaftsbewegung, die sich in den letzten dreißig Jahren auch in Apulien sehr günstig entwickelt hat; sie verdient Ermutigung und verlangt Weiterentwicklung. 5. Ich darf nicht versäumen, auf die Solidarität unter der Jugend und für die Jugend hinzuweisen, die j a in den Genuß der neuen ländlichen Lebensbedingungen gelangen soll, um ihre gerechten Bedürfnisse auf wirtschaftstechnischem wie auf geistig-kulturellem Gebiet zu befriedigen. Solidarität also, die die Jugendlichen vorbereitet und in die Lage versetzt, eine angemessen bezahlte Arbeit in einem landwirtschaftlichen Betrieb zu verrichten, dessen Größe eine aktive und funktionelle Beteiligung im Rahmen von Diensten und Möglichkeiten erlaubt, die einst nur in den großen Zentren zu finden waren, aber mit mehr Verdienst und größerer Sicherheit auf dem Arbeitsplatz. Und außerdem eine Solidarität, die den jungen Menschen die Möglichkeit gibt, in der frohen Begegnung zwischen Mann und Frau mit gleichen Erwartungen in einer erneuerten ländlichen Umgebung eine eigene Familie zu gründen, die den Eheleuten wie den Kindern immer menschlichere und bequemere Lebensbedingungen für ihren existentiellen Fortschritt und für die Wahl der Zukunft bietet. Eine neue Annahme der Frau Das ist noch ein Aspekt der Solidarität im ländlichen Bereich, auf den hinzuweisen es mich bei dieser Begegnung mit euch, liebe Brüder und Schwestern der Erde Apuliens, drängt. Das ist die Solidarität, die sich in einer neuen Annahme der Frau und im Schutz derjenigen ausdrückt, die nicht nur in der Familie, sondern auch in der Landarbeit und in allen Bereichen des sozialen Lebens mit gleicher Würde und Verantwortung tätig ist. Es ist notwendig, daß die Frau im Reichtum ihrer Fraulichkeit und ihrer Fähigkeit, die authentischeren menschlichen Werte aufzunehmen, gewürdigt wird und das spürt, so daß sie durch ihre Gegenwart an der Seite des Mannes die Spannungen, die sich aus den Schwierigkeiten des Daseins ergeben, ausgleichen kann. Und wie könnte man schließlich das ernste Problem der Arbeitslosigkeit 281 REISEN verschweigen? Es ist dringend nötig, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Schwierigkeiten zu überwinden, die für eine größere Aufnahme von Arbeitskräften der jungen Generationen wie der Erwachsenen bestehen, wobei auch die zahlreichen Apulier berücksichtigt werden müssen, die nach der großen Auswanderungsbewegung der Vergangenheit in die Heimat zurückkehren. Eine Hilfe wird dabei unter anderem das Bemühen um eine echte und breite Bildung und eine fortschrittliche Berufsvorbereitung mit laufender Weiterbildung sein, die auch die landwirtschaftliche Arbeit auf die Höhe der technischen Erfordernisse bringen soll. 6. Uber allem aber steht die Forderung nach einer entsprechenden Bildung des bürgerlichen Gewissens, besonders auf der Grundlage eines rechten sittlichen Verhaltens. Ich appelliere an alle in der öffentlichen Verwaltung, daß sie den Ruf des Gewissens zur vollen und ständigen Durchführung ihrer Aufgaben - ohne Günstlingswirtschaft und ohne Diskriminierungen - hören mögen. Aber auch die Privatleute fordere ich auf, ihre Pflichten immer bewußter wahrzunehmen und nicht zu vergessen, daß für das moralische Gewissen der Halt, den eine erleuchtete und überzeugte christliche Lebenshaltung gibt, unersetzlich ist. Die christliche Bildung kann durch Überwindung der Formalismen, die nicht dem bewußten Bekenntnis zum Glauben, das die moderne Zeit verlangt, entsprechen, eine Lebensauffassung erneuern und festigen, die den hohen religiösen Werten entspricht, die in eurem Brauchtum und euren Traditionen so offen zum Ausdruck kommen. Das setzt eine - nicht nur gelegentliche und nicht nur bei großen Anlässen vollzogene - Teilnahme am Leben eurer Kirchengemeinde, der Diözese und der Pfarreien voraus. Auf diese Weise wird es euch möglich, durch eine Katechese, die den verschiedenen Altersstufen, den vielfältigen Lebensverhältnissen und den wechselnden Problemen des Lebens angepaßt sind, euren Glauben zu einer echten Reifung des moralischen Gewissens zu vertiefen. 7. Also nicht Abkapselung und Verzicht, liebe Brüder und Schwestern, sondern mutige Öffnung zur Hoffnung hin. Keiner naiven illusorischen Hoffnung. Einer realistischen Hoffnung, weil sie sich auf persönlichen Einsatz gründet, durch ernste Vorsätze erneuert und Beständigkeit erlangt in den Realisierungen. Wenn ihr bisweilen den Eindruck habt, daß die Ungerechtigkeit vorherrscht, so wiederhole ich euch mit den Bischöfen der jüngsten, im Laufe 282 REISEN dieses Jubiläumsjahres der Erlösung gefeierten Synode: Löscht die Hoffnungen in eurem Herzen nicht aus, denn „eine echte Befreiung zu einem vollmenschlichen Leben hin ist möglich“! Denn es „ist der vom Vater für unsere Gesellschaft gewollte Plan, daß wir als eine einzige Familie in Gerechtigkeit und Wahrheit, in Freiheit und Liebe leben“. Das ist das Vermächtnis, das ich euch, Männer und Frauen dieser edlen Erde von Bitonto, die schon immer in der Olive ihr kostbares Symbol und ihr verpflichtendes Programm gesehen hat, hinterlasse: Seid Wächter der Sache der Solidarität und des Friedens; bietet allen das Zeugnis einer Gemeinschaft, die im Geist aufbauender und weitblickender Eintracht zusammenzuarbeiten weiß; arbeitet voll Zuversicht für die volle Entwicklung eures Landes; nutzt jede günstige Möglichkeit durch Überwindung der Schwierigkeiten von heute und morgen. Mit diesen Wünschen erteile ich euch und allen euren Lieben meinen Apostolischen Segen. 283 Predigten und Ansprachen von Papst Johannes Paul II. bei seiner Pastoraireise nach Südkorea, Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und Thailand (2. bis 11. Mai) REISEN ,, Licht für dieses Land“ Fernsehbotschaft an das koreanische Volk vom 28. April Geliebtes Volk von Korea! Zunächst möchte ich euch allen reiche Segnungen der Freude und des Friedens in dieser Osterzeit wünschen, in der die Christen die Auferstehung Jesu Christi von den Toten feiern. Aber Jesus Christus ist nicht nur für die da, die Christen sind. Indem er sein Leben aus Liebe zu allen Menschen hingab, überwand Jesus Christus Sünde und Tod, damit alle das ewige Leben hätten. Und darum freuen wir uns in diesen österlichen Tagen alle in seinem Frieden - jenem wahren Frieden, nach dem sich die ganze Menschheit sehnt. In wenigen Tagen werde ich eine lange Reise antreten, um zu euch zu kommen. Mit dem Herzen bin ich bereits in Korea. Ich denke in diesen Tagen ständig an euch und bete für euch. Wieder einmal breche ich als Pilger von Rom auf, diesmal um als euer aller Freund und als Apostel des Friedens nach Korea zu reisen. Als einer, der mit der Aufgabe betraut ist, der ganzen katholischen Kirche zu dienen, komme ich auf meinem Pastoralbesuch zunächst, um die Bande zur Ortskirche zu vertiefen. Aber zugleich komme ich, um die Leiden und Hoffnungen des ganzen Volkes der koreanischen Halbinsel zu teilen, und ich bete von ganzem Herzen dafür, daß ihr bald alle zu einer einzigen Familie in Liebe wiedervereint sein werdet und in Harmonie und Frieden leben könnt. Möge dieses euer Land, das soviel unter Zwietracht zu leiden hatte, die unter der ganzen Menschheit herrscht, nun zum Symbol einer in Liebe versöhnten Menschheit werden. Wie einzigartig würde ein solcher Wandel sein! In der Zeit, in der die katholische Kirche anläßlich ihrer 200-Jahr-Feier sich unter dem Leitwort „Licht für dieses Land“ um die Vertiefung des Glaubens bemüht, möge auch das ganze Volk eures Landes so leben, daß es zum Licht für die Nationen der Welt wird. Das, geliebtes Volk von Korea, ist mein inbrünstiges Gebet an unseren liebenden und barmherzigen Gott. Noch einmal wünsche ich euch allen und euren Familien den dauernden Frieden und die Freude des auferstandenen Christus. 286 REISEN An der „ Wegkreuzung der Welt“ Ansprache bei der Ankunft in Fairbanks (Alaska) am 2. Mai Gelobt sei Jesus Christus! Herr Präsident, geliebtes Volk von Alaska, verehrte Bürger Amerikas! 1. Es ist mir eine große Freude, Alaska nochmals besuchen und aus diesem nördlichen Staat an alle Bürger der Vereinigten Staaten Amerikas einen besonders herzlichen Gruß senden zu können. Ihr wißt, daß ich heute eine Pastoraireise begonnen habe, die mich nach Korea, Papua-Neu-Guinea, auf die Salomoninseln und nach Thailand führen wird, und es beglückt mich, daß es mir diese Pilgerfahrt ermöglicht, hier in Fairbanks eine Unterbrechung zu machen und unter euch zu sein. Die Anwesenheit von Präsident Reagan, der selbst gerade von einer bedeutsamen Chinareise zurückgekehrt ist, ehrt micht zutiefst. Herr Präsident, ich danke für Ihren freundlichen Willkommensgruß bei meiner Ankunft und möchte neue Freundschaft und Achtung für alle Bürger Ihrer großen Nation nochmals hervorheben. Auch danke ich Bischof Whelan für seine werte Einladung in die Diözese Fairbanks. Meine Wünsche gelten auch Bischof Kaniecki, und ich bete, daß ihm der Herr viele freudvolle Jahre im Dienst der Kirche schenken möge. Ebenso möchte ich ein Wort des Grußes an die Bischofskonferenz der Vereinigten Staaten richten, deren Mitglieder ihre brüderliche Verbundenheit mit mir durch ihren Besuch bei dieser glücklichen Gelegenheit bewiesen haben. 2. Von meinem ersten Besuch in eurem schönen Staat, liebe Einwohner Alaskas, ist mir der Willkommensgruß durch ein liebes, kleines Mädchen, Mollie Marie, in Erinnerung, das die Arme ausstreckte und mir einen Strauß Vergißmeinnicht — die Blume eures Staates — überreichte. Kurz darauf wurde dieses Kind vom himmlischen Vater heimgeholt, aber seine Geste bleibt unvergessen, und ich segne sein Andenken. In dem, was das Mädchen damals getan hat, fand ich etwas über die Bewohner dieses ausgedehnten Staates, deutlich bewahrheitet, nämlich daß ihr an den Papst denkt und für ihn betet. Heute bin ich persönlich hier, um euch zu versichern, daß ich euch nicht vergessen habe. Selbst wenn ich viele Meilen entfernt bin, ist das Volk Alaskas und der gesamten Vereinigten Staaten meinem Herzen nahe. Ich vergesse euch nicht, sind 287 REISEN wir doch durch Bande der Freundschaft, des Glaubens und der Liebe vereint. 3. In gewissem Sinn kann Alaska als eine Wegkreuzung der Welt betrachtet werden. Präsident Reagan kommt von einem Besuch bei dem geliebten Volk Chinas zurück, während ich zu einem benachbarten Land des Fernen Ostens unterwegs bin. Die Stadt Fairbanks erinnert uns auch an eine andere Richtung, wird sie doch „das Herz des goldenen Nordens“ genannt. In diesem weiträumigen Staat werden 65 Sprachen gesprochen, und Völker verschiedenster Herkunft finden hier gemeinsam mit den Aleuten, Eskimos und Indianern ihre Heimstatt. Diese wunderbare Verschiedenheit bildet den Rahmen, in dem jeder Mensch, jede Familie und jede ethnische Gruppe aufgerufen ist, mit den anderen in Harmonie und Eintracht zu leben. 4. Die Erreichung dieses Zieles erfordert von allen Einzelpersonen und Gruppen eine ständige Aufgeschlossenheit für die anderen. Die Aufgeschlossenheit des Herzens und die Bereitschaft, Verschiedenheiten anzunehmen und vorurteilsfrei auf den Standpunkt des anderen zu hören. Die Aufgeschlossenheit den anderen gegenüber schließt ihrer Natur nach jede Art von Selbstsucht aus. Sie findet ihren Ausdruck in einem ehrlichen und offenen Dialog, der auf gegenseitiger Achtung aufbaut. Die Aufgeschlossenheit anderen gegenüber beginnt im Herzen. Wie ich zu Beginn dieses Jahres in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag festgestellt habe, müssen alle Männer und Frauen, die hoffen, die Gesellschaft verändern zu können, bei der Änderung ihrer Herzen beginnen. Nur mit einem „neuen Herzen“ kann man „die Klarsicht und Unparteilichkeit zusammen mit der Freiheit des Geistes, den Sinn für Gerechtigkeit mit der Achtung vor den Menschenrechten, den Sinn für einen angemessenen Ausgleich mit weltweiter Solidarität zwischen den Reichen und den Armen, das gegenseitige Vertrauen und die brüderliche Liebe wiederfinden“ (Botschaft zum Weltfriedenstag 1984, Nr. 3). Hier in Fairbanks habt ihr Gelegenheit, diese Werte neu zu entdecken und sie in der harmonischen Beziehung zu euren Nachbarn, die die großartige Harmonie der Natur in diesem Gebiet widerspiegelt, zum Ausdruck zu bringen. Möge euch Gott die Kraft schenken, diese Harmonie in eurem Leben und euren Beziehungen zu den anderen zu verwirklichen. Möge er euch den Mut verleihen, hochherzig und selbstlos die Segnungen zu teilen, die ihr in überreichem Maß empfangen habt. Gott segne Amerika! 288 REISEN Verkündigung ist nur im Namen der Kirche authentisch Predigt beim Wortgottesdienst in Fairbanks (Alaska) am 2. Mai Liebe Brüder und Schwestern in unserem Herrn Jesus Christus! Friede sei mit euch! 1. Ich begrüße euch mit denselben Worten, die, wie wir eben gehört haben, der auferstandene Christus im Johannesevangelium an seine Jünger richtet. Ich gebrauche diesen Ausdruck nicht nur, um unsere große Freude in dieser Osterzeit hervorzuheben, sondern auch in Erinnerung an die Verheißung Christi: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ {Mt 18, 20). Da wir im Namen Christi zusammengekommen sind, ist Christus hier mitten unter uns. Meine lieben Brüder und Schwestern, empfinden wir nicht überströmende Freude, tiefe innere Ruhe, da wir wissen, daß Jesus, unser auferstandener Erlöser, unser Paschaopfer, das Licht der Welt, in unseren Herzen wohnt und uns seinen Frieden anbietet? Es drängt mich, euch zu sagen, wie schön es für mich ist, heute mit euch im Frieden des auferstandenen Christus vereint zu sein. 2. Wenn wir die Freude der Jünger beobachten, als sie den Herrn sahen, stellen wir nach den Worten des Evangeliums fest, daß sich mit ihm etwas verändert hat. Die Türen sind geschlossen, dennoch tritt er ein. Er trägt die Zeichen des Todes an sich und lebt doch. Die Evangeliumsberichte des hl. Johannes und des hl. Lukas gaben sich Mühe, uns zu schildern, daß der Leib Jesu nach seiner Auferstehung anders ist. Er ist in das Stadium seines auferstandenen und glorreichen Lebens eingetreten. Im Johannesevangelium ist es das zweite Mal, daß Jesus einer Gruppe von Jüngern erscheint. Nach der ersten Erscheinung war ihre freudige Begeisterung, Jesus zu sehen, so groß, daß sie, als sie später mit Thomas zusammenkamen, sich nicht zurückhalten konnten und ausriefen: „Wir haben den Herrn gesehen“ {Joh 20, 25). Aber Thomas wollte ihr Zeugnis nicht annehmen: „Wenn ich nicht die Male der Nägel an seinen Händen sehe, und wenn ich meinen Finger nicht in die Male der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht“ (ebd.). Es ist.wohl leicht für uns, Thomas seines Unglaubens wegen allzu streng zu verurteilen. Gebrauchen nicht auch wir oft den Ausdruck „sehen ist glauben“? Neigt unsere Zeit nicht dazu, nur zu glauben, was von den Sinnen bewiesen 289 REISEN werden kann? Ist der moderne Mensch nicht skeptisch gegenüber allem, was er nicht sehen, berühren oder hören kann? Jesus versteht Thomas und die Gründe seines Zweifels. Als er Thomas begegnet, sagt Jesus gleich zu ihm: „Streck deinen Finger aus - hier sind meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! (ebd., Vers 27). Thomas ist von der Güte, dem Erbarmen und der Geduld des Herrn so überwältigt, daß er, in demütiger Erkenntnis, kaum stammeln kann: „Mein Herr und mein Gott!“ {ebd., Vers 28). Ja, das war wirklich und wahrhaftig der Herr, verwandelt durch die Auferstehung und voll des Lebens. 3. Die Seite Christi, in die Thomas seine Hand legte, ist dieselbe, die von der Lanze des Soldaten durchbohrt worden war und aus der „Blut und Wasser floß“ {Joh 19, 34). Und mit dem Herausfließen dieses „Blutes und Wassers“ wurde die Kirche aus der Seite Christi geboren. So formt Christus durch sein Leiden und seinen Tod die Kirche aus seiner eigenen Seite, um seine Gegenwart nach der Auferstehung vor der Welt zu offenbaren. Durch Gottes Willen wird die Kirche zum Sakrament oder Zeichen Christi auf Erden. Als Leib Christi wird sie Ort der Begegnung zwischen Gott und der Menschheit: zwischen dem Schöpfer und den Geschöpfen, zwischen dem Erlöser und den Erlösten. Und wie Thomas aufgefordert wurde, zu „sehen und zu glauben“ durch das Erlebnis der auferstandenen Gegenwart Christi in seinem verherrlichten Leib, so werden auch alle Menschen aufgefordert, durch das Erlebnis dieser selben auferstandenen Gegenwart Christi in seinem mystischen Leib, der Kirche, zu „sehen und zu glauben“. 4. In unserer heutigen ersten Lesung aus der Apostelgeschichte, die uns berichtet, was sich im Haus des römischen Hauptmanns Cornelius zugetragen hat, sehen wir, daß die Botschaft des Glaubens durch die Kirche weitergegeben wird: Petrus predigte nicht allein aus eigenem Antrieb. Die Schrift erzählt uns, daß Cornelius von einem Engel die Weisung erhielt, Petrus holen zu lassen; Petrus war auf Anweisung des Heiligen Geistes dorthin gegangen. Während Petrus über die Bedeutung der Ereignisse des Lebens, des Todes und der Auferstehung Jesu predigte, „kam der Heilige Geist auf alle herab, die das Wort hörten“ {Apg 10, 44). Durch diese Predigt wurde Petrus in eine zutiefst kirchliche Aktivität verwickelt. Und das gilt für jeden Glaubensboten, denn das Evangelium Christi kann nur 290 REISEN im Namen der Kirche und in Gemeinschaft mit der Kirche authentisch verkündet werden. Mein Vorgänger, Paul VI., bezog sich in seinem Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi auf diese Wahrheit: „Auch der einfachste Prediger, Katechist oder Seelsorger, der im entferntesten Winkel der Erde das Evangelium verkündet, seine kleine Gemeinde um sich sammelt oder ein Sakrament spendet, vollzieht, selbst wenn er ganz allein ist, einen Akt der Kirche. Sein Tun ist durch institutionelle Beziehungen, aber auch durch unsichtbare Bande und die verborgenen Wurzeln der Gnadenordnung eng verbunden mit der Glaubensverkündigung der ganzen Kirche. Dies setzt voraus, daß er nicht aufgrund einer Sendung, die er sich selber zuschreibt, oder aufgrund einer persönlichen Anregung tätig ist, sondern in Verbindung mit der Sendung der Kirche und in ihrem Namen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 60). Wie gut trifft diese Beschreibung auf die Kirche in Alaska und besonders auf die Diözese Fairbanks zu, wo die Bevölkerung auf über 409 000 Quadratmeilen zerstreut ist. Müssen wir, wenn wir die Geschichte der Missionstätigkeit in diesem riesigen Gebiet lesen, nicht fragen, ob die ersten Missionare es gewagt hätten, in das Innere Alaskas vorzudringen, wenn sie nicht von einer tiefen Liebe zur Kirche Christi beseelt und von der Pflicht der Kirche, allen Menschen und Völkern das Evangelium zu verkündigen, absolut überzeugt gewesen wären? Die frühen missionarischen Anstrengungen der Oblaten von der Unbefleckten Jungfrau Maria und die darauffolgenden Bemühungen der Gesellschaft Jesu sind sehr wohl bekannt. Die Missionare ragen in dieser Geschichte als die wahren Glaubenshelden hervor, deren Mut und Eifer den Aufbau der Kirche in diesem Land ermöglichte. Heute wird die Verkündigung und Lehre des Evangeüums im Namen der Kirche von Ordens- und Weltpriestern, von Diakonen, Ordensfrauen, Ordensbrüdern und Katecheten eifrig fortgesetzt. Viele von ihnen nehmen große persönliche Opfer auf sich, legen oft weite Entfernungen zurück, um ihren Brüdern und Schwestern das Wort Gottes mit seiner Botschaft der Hoffnung und der Liebe zu bringen. Diese missionarischen Anstrengungen kommen auch heute noch unter der pastoralen Leitung der Kongregation für die Glaubensverbreitung zustande und werden von den Päpstlichen Missionswerken unterstützt. Das heißt im besonderen, daß die Evangelisierung in dieser Diözese und in vielen anderen, ähnlichen Diözesen der Welt vom Interesse und der Solidarität anderer getragen wird. In dieser Hinsicht haben die Katholiken Nordamerikas eine besondere Rolle gespielt durch ihre Unterstützung 291 REISEN und Förderung der missionarischen Anstrengungen des Hl. Stuhls. Ihnen schulden wir unermeßlichen Dank. Und heute möchte ich, während ich auf dieser Missionserde Amerikas stehe, der Kirche überall in den Vereinigten Staaten meinen herzlichen Dank aussprechen für alles, was sie für die Ausbreitung des Lichtes des Evangeliums Christi getan hat. 5. Liebe Brüder und Schwestern, laßt uns den Herrn, der Arbeiter in seine Ernte sendet, inständig darum bitten, daß viele junge Menschen ihr Leben der Missionsarbeit der Kirche widmen werden. Mögen diese jungen Menschen hochherzig auf den Ruf des Herrn zum Priestertum und zum Ordensleben antworten. Und so möge sich die Gegenwart des auferstandenen Christus in der Kirche weiter offenbaren und „der Friede verkündet werden durch Jesus Christus, der der Herr aller ist“ (Apg 10, 36). Liebe Brüder und Schwestern in Alaskas! Der Friede des auferstandenen Jesus sei allezeit mit euch! „Als Freund und Apostel des Friedens“ Ansprache bei der Ankunft in Korea auf dem Flughafen Seoul-Kimbo am 3. Mai Herr Präsident, Eminenz, liebes Volk von Korea! 1. „Ist es keine Freude, wenn ein Freund aus der Ferne kommt?“ Wir lesen diese Worte in den ersten Zeilen der Schriften Konfuzius’: Ich möchte sie erwidern und sagen: Ist es nicht eine große Freude, einen fernen Freund zu besuchen? Die freundlichen Wort des Herrn Präsidenten und der herzliche Willkommensgruß, der mir von euch allen, meine lieben Freunde in Korea, zuteil wurde, hat mich tief bewegt, denn seit ich vor mehr als fünf Jahren das Amt des Nachfolgers Petri in Rom übernommen habe, war es stets mein Gebet, mir möge eines Tages die Gnade und Freude zuteil werden, das schöne Land und das geliebte Volk von Korea besuchen zu können. Auch habe ich stets gefühlt, daß ihr meinem Herzen sehr nahe steht. Und nun bin ich hier, bin als euer Freund Gottes - für euer ganzes Land gekommen. 292 REISEN 2. Euer schönes Land hat es verstanden, aus den Prüfungen und Stürmen einer verehrungswürdigen Geschichte immer neu, lebensvoll und jung hervorzugehen. Ihr seid ein stolzes und starkes Volk, das bei allen Begegnungen mit großen Kulturen und benachbarten Mächten seiner Identität treu geblieben ist und einzigartige Früchte der Kunst, der Religion und der Lebensweisheit gebracht hat. Eure Vorfahren haben so überwältigende Geistesströmungen wie den Konfuzianismus und den Buddhismus angenommen, sich zu eigen gemacht, weitergeführt, nach ihnen gelebt und sie an andere weitergegeben. Wonhoy und Sosan, Poege und Yulgok bringen diese Tatsache in beredter Weise zum Ausdruck. So verspricht auch heute eine wunderbare Blüte des christlichen Glaubens in Korea euch und anderen spirituelle Bereicherung. Das 200jährige Bestehen der katholischen Kirche in eurem Land gibt mir Gelegenheit zu verkünden, daß der Glaube an Jesus Christus tatsächlich die Kultur, Weisheit und Würde des koreanischen Volkes bereichern kann. 3. Eure Herzen stehen offen und sind voll Wärme, Güte und Humor; es sind edelmütige Herzen, die viel gelebt und gelitten und doch nie die Hoffnung verloren haben. Eure hervorragenden Persönlichkeiten hätten nicht aus sich allein so bewundernswerte Früchte hervorbringen können; sie waren dazu nur als Söhne eines großen und guten Volkes imstande, eines Volkes, das ihr alle seid, die ihr im täglichen Leben liebend und mitteilsam allzeit die Wahrheit sucht. Heute ist Korea allen bekannt und wird wegen seines Mutes, seines Fleißes und seines Willens, aus der Asche eine vorbildliche Nation aufzubauen, bewundert. Die tragische Teilung eines einst friedlichen Volkes, die von außen aufgezwungen wurde; die tiefen Wunden des Koreakrieges und andere tragische Ereignisse in späteren Jahren - all das kann nicht euren Willen, Hindernisse zu überwinden und wieder als einzige, glückliche Familie vereint zu sein, schwächen oder zerbrechen. Die zahllosen Opfer, die zur Erreichung dieses Zieles durch rapide Industrialisierung und rasches Wirtschaftswachstum gebracht wurden, mögen, so hoffe ich aufrichtig, in erster Linie eine menschlichere Gesellschaft hervorbringen, in der wahre Gerechtigkeit und Frieden herrschen; in der das Leben heilig ist; in der leben bedeutet, für das Wohl der anderen zu arbeiten; in der regieren dienen ist; in der niemand mißbraucht, niemand übersehen oder erniedrigt wird; in der alle in wahrer Brüderlichkeit leben können. So werden die Koreaner noch mehr als Volk bewundert werden, das Fortschritt und Wohlstand erzielt, wo alle um ihrer vollen Menschen- 293 REISEN würde als Kinder Gottes willen geliebt und geachtet werden, und das wird der Nation zu großer Ehre gereichen. Wir wissen, daß der Mensch, soll er es im Vollsinn des Wortes sein, über sich selbst hinausgehen und die letzte Wirklichkeit, den letzten Sinn des Lebens suchen muß. Das war in eurer Überlieferung das Zeugnis von Yi Ch’adon. Auf andere Weise ist es das Zeugnis der 103 koreanischen Märtyrer, die aus 10 000 anderen herausragen; sie alle folgten den Spuren des Jesus von Nazaret dadurch, daß sie für die Wahrheit des ewigen Lebens starben. Erlaubt mir nun, meine herzlichen Wünsche auch an die verehrungswürdige buddhistische Gemeinschaft zu richten, die am 8. Mai das Kommen Buddhas feiert. Meine brüderlichen Grüße gelten auch der evangelischen Gemeinde zum 100jährigen Jubiläum ihres hochherzigen Dienstes und Zeugnisses in diesem Land. 4. Ich bete, daß euer geliebtes Vaterland, das seit mehr als einer Generation geteilt ist, als eine Familie wieder vereint werde, nicht durch Auseinandersetzung und Feindschaft, sondern auf dem Weg des Dialogs, durch gegenseitiges Vertrauen und brüderliche Liebe, die eine Welt Lügen straft, die im wachsenden Maße zu Mißtrauen, Haß und Gewaltanwendungen durch Waffen neigt. So werden alle Leiden der Vergangenheit und der Gegenwart nicht vergeblich gewesen sein, sondern auf dem Weg der Läuterung zu Auferstehung und neuem Leben führen. Ich danke euch für eure herzliche Gastfreundschaft. Ich bin tatsächlich als Freund aus weiter Ferne gekommen mit einer Botschaft der Achtung und der unbegrenzten Hoffnung für die Zukunft. Auf euch und eure Familien sowie auf alle Familien der Halbinsel Korea rufe ich Gottes Segen, Frieden, Freundschaft und Liebe herab. 294 REISEN „ Vermittelt Christus selbst“ Predigt bei der Eucharistiefeier im Priesterseminar in Seoul am 3. Mai 1. Gelobt sei Jesus Christus! In seinem ersten Brief an die Korinther legt der hl. Paulus Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu Christi. Er sagt: „Christus ist für unsere Sünden gestorben . . . und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden“ (1 Kor 15, 3-4). Die Grundlage für sein Zeugnis ist die Tatsache, daß der auferstandene Herr den Aposteln und Jüngern und schließlich dem Paulus selbst erschienen ist. Dieses zentrale Geheimnis des Glaubens, das Ostergeheimnis, das Geheimnis vom Tod und von der Auferstehung Christi, verkündete dieser große Apostel und Missionar den Christen in Korinth und jedem, dem er begegnete. Wie der hl. Paulus bin ich heute nach Korea gekommen, um Zeugnis zu geben von der Auferstehung Christi. Ich bin gekommen, um zu allen zu sprechen, die das Evangelium empfangen haben und an ihm festhalten, zu allen, die fest daran glauben, daß das Evangelium der Weg zum Heil ist. Ich bin auch gekommen, den gekreuzigten und auf erstandenen Jesus allen zu verkündigen, die freiwillig auf meine Stimme hören wollen. Aber ihr, liebe Seminaristen, seid zusammen mit euren Bischöfen und Obern die ersten in Korea, mit denen ich das Halleluja österlicher Freude der Kirche teile, wenn ich den Sieg des Herrn über Sünde und Tod verkünde. Ihr seid die ersten, mit denen ich die Freude des Ostermysteriums durch die Feier des heiligen Meßopfers teile. Und so sollte es sein, denn ihr seid die Zukunft und Hoffnung der Kirche in diesem geliebten Land. 2. Bereits 1820 wurden von Laien Bemühungen zur Förderung von Priesterberufen eingeleitet. Trotz der wütenden Verfolgung bildeten eure heiligmäßigen Vorfahren die „Angels’ Sodality“, um Berufe zu fördern, für sie zu beten und sie zu unterstützen. Und aus diesen Gemeinschaften glühenden christlichen Lebens gingen die ersten koreanischen Priester hervor: Pater Andrew Kim Taegon, der in dieser Kapelle verehrt wird, und Pater Thomas Choe Yang’up. Gerade als Seminaristen zeigten jene ersten koreanischen Priester, die jünger waren als die meisten von euch hier, Eifer für das Studium und Hunger nach Weisheit, verbunden mit starkem Glauben, Bereitschaft zum Gehorsam und ausdauernder Hoffnung. Dadurch, aber vor allem durch 295 REISEN ihre Bereitschaft, für Christus und das Evangelium zu sterben, leuchten sie als große und bleibende Vorbilder für euch alle. Zehn Jahre nach dem Märtyrertod von Pater Kim wurde 1855 das erste Priesterseminar in Korea gegründet: in Paeron. Dann wurden nach unermeßlichen Anstrengungen und Opfern in Puhunggol, Yongsan, Taegu und Togwon im Norden schließlich die regionalen Priesterseminare von Seoul und Kwangju errichtet. Ich freue mich, daß im vergangenen Jahr in Taegu ein Seminar seine Arbeit aufnahm und ein weiteres Seminar dieses Jahr in Suwon eröffnet wurde — zur Erinnerung an meinen Besuch in Korea. . Mit neunhundert Kandidaten seid ihr, liebe Brüder in Christus, ein Trost und eine große Hoffnung für die Kirche. Die Kirche blickt mit großer Erwartung und Hoffnung auf euch und bittet euch, durch Nachahmung des Vorbildes von Pater Kim und Pater Choe und vieler anderer, die ihr Leben im Dienst des Evangeliums hingegeben haben, noch stärker zu wachsen im Glauben an Christus. 3. Die Zeit der Vorbereitung auf das Priestertum sollte jedem von euch helfen, die Überzeugung zu festigen, daß Jesus Christus „der Weg und die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14, 6) ist. Er ist der Weg zum Vater. Jesus selbst lebt für den Vater in seiner totalen Hingabe an den Willen des Vaters, indem er das Werk der Erlösung der Welt vollbringt. Und er führt auch uns zum Vater. Das Meßopfer bildet den Mittelpunkt des Priestertums Während ihr euch im Seminar auf das Priestertum vorbereitet, müßt ihr euch bemühen, in das Geheimnis Christi einzudringen. Ihr müßt ein immer größeres Verständnis der Einheit anstreben, die zwischen Christus und dem Vater besteht, eben weil er sein Sohn ist. Im heutigen Evangelium sagt er zu uns: „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir“ (Joh 14, 10.11). Wegen dieser Einheit mit dem Vater kann er zu Philippus sagen: „Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen“ (Joh 14, 9). Jeder von euch, liebe Seminaristen, muß dieses Geheimnis Jesu Christi verstehen. Ihr müßt dieses Geheimnis so erfassen, daß es für euch zur inneren Wahrheit wird, zur Wahrheit eures Herzens. Ihr müßt das Geheimnis so erfassen, daß es von eurem ganzen Wesen Besitz ergreifen kann. Wenn ihr über das Geheimnis Christi nachdenkt, werdet ihr das Priestertum verstehen und eine priesterliche Verhaltensweise entwickeln. Seid bemüht, euch die Gesinnung und das Herz Jesu Christi anzueignen. Denkt 296 REISEN daran, daß der gekreuzigte und auferstandene Erlöser wünscht, daß ihr eines Tages die Eucharistie feiert, das Sakrament seines eigenen Opfers zur Rettung der Welt. Dieses Opfer hat seinen ewigen, niemals endenden Anfang in der Einheit des Sohnes mit dem Vater, von der das heutige Evangelium spricht. Das Meßopfer, das den Mittelpunkt eures Priestertums bildet, bleibt für immer das Opfer des Gottessohnes, der Mensch wurde, um uns zum Vater zu führen. 4. Ich möchte die Aufmerksamkeit der Kirche in Korea auf die Bedeutung lenken, die den intensiven Anstrengungen zukommt, geistliche Berufe zu fördern und für eine bestmögliche Priesterausbildung in den Seminaren zu sorgen. Eine reiche Fülle an Berufen und eine wirksame Seminarausbildung sind Beweise für die Lebenskraft der Kirche. Sie sind Zeichen dafür, daß das Kreuz und die Auferstehung Christi durch das Wirken des Heiligen Geistes in der Kirche in Korea kostbare Früchte bringen. Bei euren Bemühungen um die Förderung von Berufen, die Gott in seiner gnädigen Vorsehung in großer Zahl bereitstellt, soll die erste Form eures Einsatzes das wiederholte Gebet für dieses Anliegen sein. Betet voll Vertrauen zum Herrn der Ernte eingedenk der Verheißung Jesu, die wir auch heute wieder vernommen haben: „Alles, um was ihr in meinem Namen bittet, werde ich tun“ (Joh 14, 13). Laßt mich noch ein besonderes Wort an jene hinzufügen, die für die Ausbildung dieser jungen Männer verantwortlich sind. Liebe Brüder in Christus, zweifelt niemals daran, wie hoch die Kirche euch und eure für die Zukunft so lebenswichtige Arbeit schätzt. Wenn ich euch des Beistandes meines Gebetes versichere, so ermahne ich euch auch: Vermittelt nicht bloß Wissen über Christus und seine Kirche, sondern vermittelt Christus selbst! Christus muß durch die Reinheit und Macht des Wortes Gottes mitgeteilt werden. Weckt eine tiefe Liebe zur Person Jesu! Das Beispiel eures persönlichen Lebens soll ihn gegenwärtig machen. Eure Worte und Taten sollen ein Zeichen dafür sein, wie tief euer Glaube daran ist, daß Jesus Christus „der Weg und die Wahrheit und das Leben ist“ {Joh 14, 6). Liebe Brüder in Christus! Das Priestertum ist aus Gottes Liebe geboren. Es bedeutet alles für die Kirche in Korea. Laßt uns Gott preisen für dieses große Geschenk und für die jungen Männer, die es durch Christus, unsern Herrn, an die künftigen Generationen in diesem Land weitergeben werden. Amen. 297 REISEN Unter dem Zeichen der Heiligkeit Ansprache an die Koreanische Bischofskonferenz in Seoul am 3. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wir sind hier beisammen, um einen Akt zu vollziehen, der dem Episkopat zusteht, nämlich die Kirche in Korea Gott darzubringen. Wir tun das durch unseren Herrn und Erlöser Jesus Christus, „den obersten Hirten“ (1 Petr 5, 4) der Kirche und den Hirten und Bischof unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2, 25). Wir tun das, um der Zweihundertjahrfeier ihre volle Bedeutung zu verleihen, um öffentlich zu verkünden, daß die Kirche zu Christus gehört — die Kirche, die er auf Petrus gründete und die er seine eigene nannte: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen“ {Mt 16,18). Aber die Kirche, liebe Brüder, ist ebenso „auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut, der Schlußstein ist Christus Jesus selbst. Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn“ {Eph 2, 20-21). Das ist eine besondere Stunde in der Geschichte der Kirche in Korea. Eine Stunde für die Bischöfe als Nachfolger der Apostel, ihre apostolische Identität in der Kirche zu leben: um von neuem das Wesen der Kirche zu verkünden, ihre Prioritäten geltend zu machen, ihre Heiligkeit zu bekunden und beispielhaft zu machen. Die Feier des zweihundertjährigen Bestehens eurer Kirche konzentriert sich auf die begeisterte Verehrung eurer Heiligen, eurer Märtyrer. Durch Gottes Vorsehung befinden sich drei eurer Vorgänger, drei Bischöfe Koreas, unter den einhundertdrei Märtyrern, die am kommenden Sonntag heiliggesprochen werden. Das Beispiel der Hirtenliebe und des heiligen Lebens, das von Bischof Imbert, Bischof Berneux und Bischof Daveluy gegeben wurde, ist für euer Leben heute von besonderer Bedeutung. Es ist auch eine Ermutigung und feierliche Herausforderung für jeden koreanischen Bischof, der je leben wird, für jeden Mann, den Gott je als Bischof in diesem Land zum Hirten seines Volkes berufen wird. Ehrwürdige und in unserem Herrn Jesus Christus geliebte Brüder! Vor dem Zeugnis eurer Märtyrer und aller eurer heiligen Vorfahren ist das die Stunde, wo der Herr Jesus euch zu immer größerer Heiligkeit des Lebens ruft. 2. In der Heiligkeit des Lebens haben eure Vorgänger zusammen mit ihren Priestern, den Ordensleuten und Laien das Leben der Kirche auf 298 REISEN dieser Halbinsel gefestigt, einer Kirche, die sich nach der Liebe des Hirten sehnte und die bereits von Laien in selbstloser bahnbrechender Pionierarbeit in Glaube und Liebe aufgebaut wurde. Ich möchte heute den Bischöfen von Korea - den früheren wie den heutigen - eine Dankesschuld begleichen für die Heiligkeit, die ihr so anschaulich an den Tag gelegt habt, für die Heiligkeit, die den Glaubenseifer hervorgebracht hat, und für die vielen Gotteswerke, die der Glaubenseifer hervorgebracht hat. Damit drücke ich zusammen mit euch dem Herrn Jesus meine Dankbarkeit aus, der uns an den Ursprung allen fruchtbaren apostolischen Wirkens erinnert. „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen“ (Joh 15, 5). In dieser Stunde der Danksagung denke ich an die Opfer, die der Glaubenseifer möglich gemacht hat, an den gewaltigen Dienst, der im Namen Christi geleistet wurde, an die Liebe, die so viele veranlaßte, nicht nur für ihren Glauben zu sterben, sondern zu leben, zu arbeiten und zu leiden, damit die Offenbarung des Wortes Gottes zur Weisheit eures Volkes werde und damit das menschgewordene Wort, Christus selbst, immer mehr zum Licht für dieses Land werde. Im Namen der Universalkirche sage ich durch euch, Bischöfe, der ganzen Kirche in Korea Dank für die Errungenschaften zweier Jahrhunderte der Heiligkeit, die ihren Höhepunkt in dem Eifer finden, mit dem ihr euer 200jähriges Jubiläum feiert. 3. Voll tiefer Bewunderung erkenne ich die gegenwärtige Lebenskraft eurer Pfarreien und der verschiedenen Bewegungen an, die hervorragenden Dienste im Schul- und Krankenhauswesen, die zahlreichen schönen Pfarrgebäude und anderen Bauten, die Hand in Hand gehen mit der religiösen Begeisterung, dem Gemeinschaftssinn und dem Glaubenseifer eures Volkes. Mit Freude vernehme ich von eurem klugen Plan zur 200-Jahr-Feier und erteile allen euren systematischen und unausgesetzten Bemühungen für die Familie - das Programm zur Evangelisierung des Nachbarn, der Aufbau der Pfarrei und Gemeinde, die Konsolidierung der Diözese und schließlich die kirchliche Solidarität auf nationaler und weltweiter Ebene - gern meinen Segen. Ja, in Verbundenheit mit der Universalkirche leistet ihr einen großartigen Beitrag zum Wachstum des Leibes Christi in Korea und überall in der Welt. Und in Gottes Vorsehung hat - dank dem Geheimnis von der Gemeinschaft der Heiligen - die von Umkehr und Heiligkeit des Lebens erzeugte geistliche Dynamik Wirkungen über geographische Grenzen und äußere Hindernisse hinweg. Der hl. 299 REISEN Paulus weist uns darauf hin — und das bleibt wahr für alle Zeiten: „Das Wort Gottes ist nicht gefesselt“ (2 Tim 2, 9). 4. Was die Zukunft betrifft, Brüder, muß die Heiligkeit der Kirche auch weiter in eurem Leben und bei der Inspiration eures Wirkens Vorrang haben. Sämtliche Strukturen der Kirche, sämtliche Dienste, die sie leistet - und die ihrerseits eng mit dem fruchtbaren Zeugnis und der Hochherzigkeit eurer Märtyrer verknüpft sind -, sind mit der Heiligkeit des Lebens und mit jenem Glaubenseifer verbunden, den nur Heiligkeit ermöglichen und über lange Zeit aufrechterhalten kann. Die Wirksamkeit eurer pastoralen Führerschaft hängt vom Ausmaß eurer Heiligkeit ab -eurer Einheit und Verbundenheit mit Christus, der heute an euch die Worte wiederholt: „Wenn ihr in mir bleibt und wenn meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten“ (.Joh 15, 7). Eure Zweihundertjahrfeier schließt einen Aufruf zum aktiven Handeln um des Evangeliums willen ein. Aber im Leben der Kirche ist jeder Aufruf zum Handeln ein Aufruf zur Heiligkeit, zur Einheit mit Gott und demzufolge ein Aufruf zum Gebet, das der wahre Ausdruck für die Einheit mit Gott ist. Euer Jubiläum ist ein Aufruf zum Gebet überall in Korea. Im Gebet werdet ihr den Glauben stärken, den Glauben, den ihr Bischöfe als Doctores Fidei, als Glaubenslehrer, verkündigen müßt, den Glauben, der zur Rechtfertigung und zum ewigen Leben führt. Eure Führung als Hirten einer Herde, die sich um den einen Hirten, Jesus Christus, schart, wird niemals prophetischer sein als in dem beteuernden, ermutigenden und ansteckenden Vorbild der Heiligkeit eures Lebens. Es gibt keinen größeren persönlichen Beitrag, den ihr erbringen könnt, als die Worte des Petrus zu beachten und euch als „Vorbild für die Herde“ (7 Petr 5, 3) bereitzustellen. Vorbilder für die Herde sein heißt: heiligmäßige Bischöfe sein, Bischöfe, die in Verbundenheit und Einheit mit Christus leben, Bischöfe des Gebetes. Die gesamte Zukunft eures Dienstamtes und des Apostolats in Korea, das ganze Wachstum der Kirche muß unter das Zeichen der Heiligkeit gestellt werden. Durch die Verbundenheit mit Gott und im Gebet werdet ihr imstande sein, den Worten des hl. Paulus zu folgen: „Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn“ (Eph 6, 10). 5. In Verbundenheit mit Christus werdet ihr wieder darüber nachdenken, was Gottes Wort von der Kirche in Korea verlangt. Mit dem Mut, der einzig und allein aus der Heiligkeit erwächst, werdet ihr die vollen 300 REISEN authentischen Forderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils für eure Diözesen annehmen. Im Gebet werdet ihr die immerwährenden Lehren des Glaubens und das stets bedeutsame Neue an den unveränderlichen Dogmen der Kirche überprüfen. In lebendiger Gemeinschaft mit Christus, dem lebenspendenden Weinstock, und in Einheit mit der Universalkirche werdet ihr auch in Zukunft das Wort des Glaubens verkünden, bei dem es auf das Hören ankommt und der das Volk Gottes dazu befähigt, mit seinen Lippen zu bekennen, daß Jesus der Herr ist, in seinem Herzen zu glauben, daß Gott ihn von den Toten auferweckt hat, und es befähigt, gerettet zu werden (vgl. Röm 10, 9). Dieser Glaube - der in euren eigenen Herzen genährt und mit eurem besonderen bischöflichen Charisma verkündet wird - ist die Quelle aller Einsichten der Gläubigen, die berufen sind, zu glauben und in der Macht des Heiligen Geistes über diesen Glauben nachzudenken und ihn zu leben. Stunde der Erneuerung und Hoffnung Reflexion im Gebet über das Wesen der Kirche, wie es vom Ersten und vom Zweiten Vatikanischen Konzil verkündet wurde, und der Wunsch, alles in Übereinstimmung mit dem Willen Christi für seine Kirche zu tun, wird euch in eurer Verpflichtung zur Kollegialität und zu echter Teamarbeit bestärken, besonders in so wichtigen Bereichen wie Inkulturation, Versöhnung und Teilen, die Voraussetzungen der Evangelisierung und Katechese sind. In der Einheit und Verbundenheit mit Christus, in der Heiligkeit des Lebens werdet ihr immer wirksamer imstande sein, die Gerechtigkeit für das Leben der Kirche und für die Gesellschaft zu fördern, der die Kirche als Sauerteig dienen will. 6. Bei dieser Zweihundertjahrfeier, die eine Stunde der Erneuerung und der Hoffnung ist, erinnert euch an die Vorhaltung, die Paulus selbst von den anderen Aposteln gemacht wurde: „Nur sollten wir an ihre Armen denken“ (Gal 2, 10). Für euch heißt das: ein lebendiges Abbild Jesu in seiner Armut und Dienstbereitschaft zu sein. So werdet ihr hinausgehen zu den Armen, euch mit ihnen identifizieren, ihnen helfend beistehen und das Evangelium verkündigen. Ihr sollt ihnen Mitleid zeigen, ihre Anstrengungen, ein anständiges Leben zu führen, unterstützen und Hand in Hand mit ihnen den langen Weg gesamtmenschlicher Entwicklung und Evangelisierung gehen. Die Liebe wird das möglich machen und der Eifer euch den Weg weisen. Im Gebet werdet ihr erkennen, daß ihr eins sein müßt mit Christus, der 301 REISEN die Schrift erfüllt: „Der Geist des Herrn ruht auf mir, der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe“ (Lk 4, 18). Brüder, auch ihr seid gesalbt und zu den Armen gesandt, wo immer sie sich befinden. Und wenn ihr ihnen dient, müßt ihr ihnen zugleich mit eurem ganzen Leben das Evangelium unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus geben. Liebe Brüder, in allen euren Bemühungen, eure Berufung pastoraler Führerschaft in Einheit mit Christus zu leben, bin ich euch mit meinen Gebeten und meiner brüderlichen Liebe nahe. Mögen euch die Fürbitten Mariens, der Mutter Jesu, und die Fürsprache der Märtyrer Koreas in eurer zweihundertjährigen Hoffnung unterstützen, ein Licht für dieses Land zu sein. „Seid hochherzig, seid stark, seid wahr!“ Predigt bei der Messe mit Taufe und Firmung in Kwangju (Korea) am 4. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Ich bin froh, diese Eucharistie mit euch feiern zu können. Die Kirche in Kwangju freut sich, daß sie in ihrer Mitte 72 neue Mitglieder begrüßen kann, die das Sakrament der Taufe und der Firmung empfangen. Dieser Augenblick ist sehr wichtig, nicht nur für die, die getauft und gefirmt werden, sondern für die gesamte christliche Gemeinschaft. Die Worte unseres Herrn Jesus Christus bekommen für euch alle eine neue Bedeutung: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28, 19). Mehr noch, dieses Ereignis hat eine weitere, tiefe Bedeutung darin, daß die Kirche in Korea dem Bischof von Rom die Gelegenheit gegeben hat, diese Liturgie zu feiern und diese Sakramente zu spenden. Auf diesem Weg wird eure Gemeinschaft mit der Kirche Roms und der katholischen Kirche der ganzen Welt zum Ausdruck gebracht. Als oberster Hirt der Kirche möchte ich den Bischöfen von Korea, die mich und die vielen Priester, die konzelebrieren, einluden, meinen tiefsten Dank aussprechen. Ich bin mit euch allen im Lob Gottes verbunden: Er hört nie auf, Männer und Frauen jeden Alters zu rufen, um das Evangelium des Heiles zu ver- 302 REISEN nehmen und es im Glauben zu verwirklichen, indem sie durch die Taufe Jesus Christus als Herrn und Erlöser umarmen und nach seinem Willen leben. 2. Ich möchte nun meine Worte an jene richten, die getauft und gefirmt werden, und mit ihnen über die Bedeutung ihrer Begegnung mit Christus in den Sakramenten nachdenken. Unsere heutige erste Lesung aus dem Brief des hl. Paulus an die Römer faßt eure Erfahrungen als Katechumenen zusammen. Die Taufe ist eine Vertiefung in Christus: Ihr wurdet mit Christus begraben, so daß ihr von der Seuche befreit werdet und in ein neues Leben geht. Die Taufe bedeutet, daß unser alter Mensch mit Christus mitgekreuzigt wird. Die Sünde wird ausgelöscht, ihr werdet von der Sklaverei der Sünde erlöst. Dieses „Totsein für die Sünde“ bedeutet eine Wiedergeburt im Heiligen Geiste. Ihr werdet von der Erbsünde und von allen Sünden, die ihr vor der Taufe begangen habt, erlöst. Ihr nehmt an der Auferstehung teil, nehmt teil am neuen Leben Christi. Wie der hl. Paulus sagt: „Ihr lebt für Gott in Jesus Christus“ (Röm 6, 11). Ihr seid wie Christus, und ihr werdet durch seine Gnade zu Kindern Gottes. Ihr seid die Erben des ewigen Lebens, das Christus versprochen hat und das er uns durch seinen Tod und seine Auferstehung errungen hat. Dies ist die geistige Wiedergeburt, die durch das Sakrament der Taufe herbeigeführt wird — dieselbe Wiedergeburt im Geist, die ihr Katechumenen durch die symbolische sakramentale Waschung und die Anrufung der Heiligsten Dreifaltigkeit erfahren werdet. Irrt euch nicht: Es ist ein entscheidender Schritt, den ihr unternehmt. Er fordert von euch, die alten Gewohnheiten der Sünde abzulegen, um als „Kinder des Lichtes“ zu leben. Er verlangt freudige Zuversicht in Gottes Erbarmen und Liebe. 3. „Tot sein für die Sünde“ und „für Gott leben in Jesus Christus“ ist eine Verpflichtung für euer ganzes Leben und fordert Anstrengung für die Zukunft. Es heißt, daß ihr euch durch Gottes Gnade von Haß und Feindseligkeit frei machen müßt. Es heißt, jenen zu verzeihen, die vielleicht gegen euch gesündigt haben. Es heißt, miteinander und mit Gott in Vergebung und Liebe versöhnt zu sein. Aber die Vergebung ist eine Tat, die größer ist als unsere armen Herzen: Sie gehört Gott allein. Ich bin mir der tiefen Wunden bewußt, die eure Herzen und Seelen schmerzen aufgrund der persönlichen Erfahrungen und der jüngsten tragischen Ereignisse, die rein menschlich schwer zu überwinden sind, besonders für jene von euch, die 303 REISEN aus Kwangju kommen. Gerade aus diesem Grund wird euch in der Taufe die Gnade der Versöhnung gewährt: Sie ist ein Geschenk des Erbarmens Gottes, das offenbar wurde in Jesus Christus, der für uns gelitten hat, gestorben und auferstanden ist. Dieser Teil der Heilsbotschaft Christi ist für jene besonders bedeutsam, auf denen die Erinnerung der unglücklichen Ereignisse dieses Ortes besonders schwer lasten. Aber nun wurdet ihr durch die Taufe zum Ebenbild Christi, und jeder von euch ist dazu berufen, dem Beispiel Christi, dem wirklichen Friedensstifter und vollkommenen Vorbild der Versöhnung, zu folgen. Indem wir die Konsequenzen aus unserem Taufversprechen ziehen, werden wir Werkzeuge der Versöhnung und des Friedens inmitten von Uneinigkeit und Haß. Auf diese Weise können wir als echtes Zeichen der Heilskraft Christi, die durch uns wirkt, die Leiden der verwundeten Herzen, die mit Ängsten und Bitterkeit erfüllt sind, lindern. Gleichzeitig können wir jenen Hoffnung bringen, die Unterdrückung erleiden, und daher Werkzeuge der christlichen Befreiung und Zeichen wirklicher Freiheit werden. 4. Jesus sagt im heutigen Evangelium: „Wer Durst hat, komme zu mir und trinke“ (Joh 7, 37). Meine lieben Katechumenen! Weil ihr an diese Worte unseres Herrn glaubt, seid ihr heute alle zu ihm gekommen, um für ein neues Leben getauft zu werden. Weil sie nach ihm, der der Quell des wahren Lebens ist, gedurstet haben, haben eure bewundernswerten Vorfahren alles verlassen, um ihm, der alles ist, zu folgen. Schon bevor sie getauft wurden, vom Moment an, als sie Jünger Jesu wurden, verzichteten sie freiwillig und wissentlich auf ihr Hab und Gut, ihre Familie und sogar ihr Leben. Sie waren wirklich tot für die Sünde, dadurch, daß sie sogar den Tod auf dieser Erde auf sich nahmen, um nur für Gott, ihren Vater, zu leben. Diese tiefe, kindliche Frömmigkeit, dieses feste Bewußtsein, in Christus Kinder des gleichen Vaters zu sein, einte eure Vorfahren in Liebe und verlieh ihnen heldenhafte Treue. Euer frühester Katechismus und eure Gebete sind von diesem Geiste durchdrungen, wie von Paul Youn Chich’ung eindrucksvoll bezeugt wird. Bevor er als Märtyrer starb, sagte er: „Nachdem ich weiß, daß der Herr des Himmels mein Vater ist, kann ich nicht umhin, seine Gebote zu befolgen.“ 5. Weiterhin dadurch, daß ihr an Christus glaubt, wurdet ihr „mit dem einen Geist getränkt“ (1 Kor 12,12), wie der hl. Paulus in der zweiten Lesung sagt. Dieser Geist ist der Geist Christi, der am Pfingstfest, nach 304 REISEN seiner Verherrlichung, ausgegossen wurde. Und es ist dieses Geschenk des Heiligen Geistes, das Zeichen der messianischen Zeit, das ihr heute auf besondere Weise im Sakrament der Firmung empfangt. Die Kraft dieses Geistes wird euch befähigen, fortwährend dem Weg zu folgen, der euch zu Christus führt. Die Firmung ist das Sakrament der geistlichen Stärkung, die die geistliche Wiedergeburt eurer Taufe vervollständigt. In der Firmung werdet ihr durch die wachsende göttliche Gnade eure Freundschaft mit Gott vertiefen. Diese Gnade des Sakramentes wird für euch die Wirkung der Taufe vervollständigen, indem sie euch Mut gibt, euren Glauben zu bekennen und zu verteidigen und das Gebot Christi, euer tägliches Kreuz auf euch zu nehmen und ihm zu folgen, anzunehmen. Durch den besonderen sakramentalen Charakter wird euch die Firmung Christus, dem Propheten, Priester und König, noch mehr gleichmachen, um euch zu befähigen, für ihn noch glaubwürdiger Zeugnis zu geben in der Kirche und vor der ganzen Welt. Ihr werdet für immer das Siegel des Heiligen Geistes in euch tragen. Geschenk des Lebens Meine lieben Freunde! In den Sakramenten zeigt uns Christus, daß er selbst der Gute Hirt ist, der über seine Herde, die ihm von seinem himmlischen Vater anvertraut wurde, wacht und für sie Sorge trägt. Er tut dies durch die Kirche, die „in personam Christi“ die Taufe und Firmung spendet. In diesem Dienst der Sakramente wird die Kirche in Einheit mit dem Heiligen Geist aufgebaut, der in jedem einzelnen zum Wohl aller wirksam ist. 6. Ihr seid 72 an der Zahl. Ihr symbolisiert die hunderttausend und mehr Koreaner, die jedes Jahr durch die Gnade Gottes getauft werden, um mit Christus zu leben und für ihn Zeugnis zu geben. Wie Jesus damals 72 seiner Jünger, je zwei und zwei, aussandte, die Frohe Botschaft des Heils zu verkünden, so werdet auch ihr heute gesandt, seine Boten zu sein. Das Geschenk des Lebens Christi ist ein Geschenk, das man mit anderen in Dankbarkeit teilen soll, damit alle die Fülle des Lebens haben. Euch Katholiken Koreas wurde ein einzigartiges Vermächtnis hinterlassen, das euch in eurer Sendung stützt, leitet und inspiriert. Eure Vorfahren suchten nicht nur den Glauben inmitten der Verfolgungen, sie teilten ihn sogar anderen unter härtesten Bedingungen mit und lebten oft als Außenseiter der Gesellschaft. Denkt an das unermüdliche Apostolat vonPaul ChongHasang 305 REISEN und den unglaublichen Mut des jungen Peter Yu Taech’ol. Warum wird jemand eine Botschaft mit so schwerwiegenden Konsequenzen angenommen haben? Die Antwort ist einfach und klar: Sie glaubten an die Botschaft des Evangeliums. Aus ihrem Glauben und der starken Liebe zu Christus überwanden sie alles. Jetzt ist die Reihe an euch. Seid hochherzig, seid stark, seid wahr! Vor allem, lebt für die anderen, wie Jesus es tat: Der Geist des auferstandenen Herrn ruht auf euch. Als getaufte und gefirmte Christen seid ihr berufen, an der Eucharistie, der Quelle und dem Mittelpunkt allen christlichen Lebens, teilzunehmen. In der Eucharistie wird Jesus selbst euch auf dem Weg der Versöhnung und der wahren Gerechtigkeit stützen und zur Fülle des Lebens in das Reich seines Vaters führen, wo er lebt und herrscht mit dem Heiligen Geist, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. „Ihr sollt Jesus gleich werden“ Botschaft an die Kinder Koreas vom 4. Mai Liebe Kinder von Korea! Es ist mir eine Freude, euch heute zu begrüßen und euch eine besondere Botschaft zum Tag der Kinder anzuvertrauen. Ich will mit euch über die Liebe sprechen, die Liebe, für die ihr geschaffen wurdet, die Liebe, nach der sich jeder von euch sehnt. 1. Einer der Jünger Jesu, genannt Johannes der Evangelist, schrieb den ersten Christen in einem Brief, daß „die Liebe aus Gott ist“ und daß „Gott die Liebe ist“ (1 Joh 4, 7, 8). Gott, der die Liebe ist, und der uns so sehr geliebt hat, hat uns tatsächlich an seinem Leben Anteil nehmen lassen, gerade so wie ein Vater das Leben mit seinen Kindern teilt. Und Gott will von uns, daß wir ihn für die Liebe und das Leben, das er uns geschenkt hat, wiederlieben. Gott ist unser Vater, und er will von uns, daß wir ihn wie seine Kinder lieben. Aber Gott will auch, daß wir unseren Nächsten lieben. Das ist der Sinn unseres Lebens: Gott und den Nächsten zu lieben — unsere Eltern zu lieben, unsere Brüder und Schwestern, unsere Verwandten und Freunde, alle unsere Mitmenschen, auch jene, die uns vielleicht verletzt oder 306 REISEN beleidigt haben. Unseren Nächsten lieben heißt, für die anderen zu leben, eine helfende Hand auszustrecken, Dienste zu leisten, wenn notwendig, gerecht zu sein, aufrichtig und ehrlich, freundlich, wahrhaftig und gütig. Unseren Nächsten lieben heißt, mitzuhelfen, eine bessere Welt zu bauen. Wir tun dies nicht so sehr durch Worte als vielmehr durch unsere Taten, denn Taten sprechen lauter als Worte. Das hat der hl. Johannes gemeint, als er schrieb: „Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (i Joh 3, 18). 2. Liebe Kinder von Korea: Alle Kinder der Welt, alle Menschen der Welt verdienen eure Liebe, unabhängig von ihrer Nationalität, ihrem Geschlecht, ihrer Religion oder Rasse; gleich, ob sie stark oder schwach, reich oder arm, gesund oder krank sind. Lieben heißt, an andere Menschen zu denken, andere Menschen anzuerkennen, vom eigenen Wege abzugehen, um ihnen zu helfen, ihnen zu dienen und sie zu ermutigen. Die Welt und ihre guten Dinge mit anderen teilen auf die gleiche Art, wie sie Gott mit uns geteilt hat. Wenn ihr den Nächsten liebt, werdet ihr den Sinn des Lebens entdecken, in Wirklichkeit aber den Spender des Lebens, den Schöpfer der Welt, den Gott und Vater von uns allen. 3. Und wenn ihr Christen seid, liebe Kinder, dann habt ihr einen besonderen Grund zur Liebe: um Jesus gleich zu werden, der Gottes ewiger Sohn ist, der Sohn, der Mensch geworden ist, um sein Leben für uns am Kreuz hinzugeben aus Liebe, um uns zu helfen, den Sinn der Liebe zu verstehen, um auch uns lieben zu lehren. 4. Und heute schenke ich, Johannes Paul II., als der Stellvertreter Jesu und als Bischof von Rom, meine Liebe jedem Jungen und jedem Mädchen in Korea, jedem ohne Unterschied. Ich verkünde eure Menschenwürde als Kinder Gottes, die geschaffen wurden, um für immer an Gottes Liebe Anteil zu haben. Ich verkünde eure Rechte, wie klein oder hilflos ihr auch sein mögt, und ich verkünde eure Pflichten, die mit euren Rechten Hand in Hand gehen, und die ihr aufgerufen seid, aus Liebe zu erfüllen, um die Rechte der anderen zu schützen. Ich liebe besonders jedes Kind, das leidet, das allein ist, verlassen, besonders jene, die niemand liebt und für die niemand sorgt. Liebe Kinder, ich schenke euch die ganze Liebe meines Herzens! Ich will auch all jene ermutigen, die für euch eine Welt des Friedens schaffen wollen, in der ihr leben könnt, jene, die für eure Gesundheit sorgen, die euch lehren, die mit euch über Gott sprechen. Ich bin im Geist 307 REISEN euren Eltern verbunden, die euch das Geschenk Gottes, das Leben, gegeben haben und die die ersten sind, die euch den Sinn der Liebe lehren. Heute verbinde ich meine Liebe mit der ihrigen, und zusammen verbinden wir unsere Liebe mit der Liebe Gottes, der uns geliebt hat und will, daß auch wir lieben. Liebe Kinder von Korea! Eure Zukunft und das Schicksal dieses Landes hängt außer von Gott von eurer Bereitschaft zur Liebe ab. Dies ist meine Botschaft für heute und für die kommenden Jahre, meine Botschaft der Liebe: „Liebe Brüder, wir wollen einander lieben, denn die Liebe ist aus Gott“ (1 Joh 4, 7). Das Evangelium des Leidens Predigt beim Wortgottesdienst auf der Leprastation der Insel Sorokdo (Korea) am 4. Mai Meine lieben Freunde! 1. Während ich mich auf die lange Reise nach Korea vorbereitete, habe ich mit besonderer Erwartung eurem Besuch auf der Insel Sorokdo entgegengesehen. Und besonders, seit ich von euch einen schönen Brief erhalten habe, wollte ich um so mehr zu euch kommen: um bei euch zu sein, euch zu trösten, euch meiner Liebe zu versichern. Wie ihr wißt, finden manche große Religionen den Schlüssel zum menschlichen Verständnis des Leidens, indem sie sagen, daß schon leben leiden bedeutet oder daß das menschliche Leben ein Meer des Leidens ist. Schon die Bibel spricht vom Schweiße des Angesichts und den Schmerzen der Geburt als Preis für das Brot und das neue Leben. Diese Einsicht in die menschlichen Verhältnisse ist kein passives Verhalten oder Verzweiflung. Sie bedeutet vielmehr, daß wir menschlichen Wesen mehr sein müssen, als wir jetzt sind; wir sind dazu bestimmt, gerettet zu werden, um unser wahres Selbst zu werden. Es ist für mich eine große Freude zu wissen, daß unter euch Protestanten, Katholiken und Buddhisten in aufrichtiger Brüderlichkeit Zusammenleben. Vielleicht ist das so, weil ihr das Leiden so tief gespürt habt. Ihr, die ihr Christen seid, glaubt wahrhaftig, daß Jesus unsere Leiden an seinem 308 REISEN Leib erlitt, so daß wir „durch seine Wunden geheilt werden“ (Jes 53, 5). Und über Jesus will ich heute zu euch sprechen. 2. Während seines irdischen Lebens stand Jesus allen Leidenden besonders nahe. Er liebte die Kranken. Und unter den Menschen jener Zeit gab es viele Aussätzige, und das Evangelium gibt uns heute ein Beispiel. Laßt uns diesen Abschnitt des Evangeliums mit tiefem Glauben noch einmal lesen: „Als Jesus von dem Berg herabstieg, folgten ihm viele Menschen. Da kam ein Aussätziger, fiel vor ihm nieder und sagte: ,Herr, wenn du willst, kannst du machen, daß ich rein werde“1 (Mt 8, 1). Jesus war gerade vom Berg herabgestiegen, wo er eine Botschaft verkündet hatte, die die normale menschliche Denkweise völlig umkehrte: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden, denn sie werden getröstet werden. . . . Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5, 3-4, 11-12). Was die Menschen normalerweise als Fluch betrachten, nennt Jesus Seligpreisung. Er tat dies, denn dadurch, daß er unser Leben erlöste, gab er ihm einen unermeßlichen Wert, den nur das glaubende Herz erfassen kann. 3. Das Evangelium des Leidens ist vor allem für euch, die ihr an diesem Ort lebt, notwendig. Ihr, die ihr vom Aussatz befallen seid, ihr sollt wissen, daß Christus euch besonders nahe ist. In diesem Evangelium des Leidens finden wir die Seligpreisung jener, die inmitten der Prüfungen des Leidens ausharrten. Wir lesen: „Ihr habt von der Ausdauer des Ijob gehört und das Ende gesehen, das der Herr herbeigeführt hat. Denn der Herr ist voll Erbarmen und Mitleid“ (Jak 5, 11). Der Lohn für das menschliche Leiden ist in der Erlösung Christi zu finden, weil wir, wie der hl. Paulus sagt, durch unser Leiden „für den Leib Christi, die Kirche, ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1, 24). Auf die unsagbar quälende Frage: „Warum gerade ich?“, gibt Jesus selbst die lebende Antwort seines Todes am Kreuz; er litt ganz für die anderen, indem er sich selbst in unendlicher Liebe hingab. Seit damals tragen auch wir „das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird“ (2 Kor 4, 10). Auf diese Weise können wir verstehen, wie das Leiden Christi, sein Tod und seine Auferstehung - sein erlösender Akt der Liebe - wirklich der Schlüssel für die Würde allen Leidens sowie das Unterpfand der künftigen Herrlichkeit, „die an uns offenbar werden soll“, ist (Rom 8, 18). 309 REISEN 4. In seinem Brief an die ersten Christen empfiehlt der hl. Jakobus, daß die Ältesten der Gemeinde gerufen werden sollen, wenn jemand krank ist. Meine lieben Freunde, ich komme heute als Priester und Bischof, als Bischof von Rom, zu euch. Wie für die Ältesten der frühen Kirche, so ist es auch mein Wunsch, Gebete über euch zu sprechen, für euch den Lobpreis des Herrn zu singen, euch mit Öl im Namen des Herrn zu salben; und ich bitte Gott, daß das „Gebet des Glaubens“ eure Rettung sein möge (vgl. Jak 5, 13—15)! Möge euch der Herr mit seiner Gnade aufrichten, damit eure Seelen bereit sind für die Herrlichkeit des ewigen Lebens und damit eure Leiber, durch Krankheit geschwächt, Trost und Kraft in dieser Hoffnung finden, durch die eure Seelen leben. 5. Zum Abschluß möchte ich ein besonderes Grußwort an das Pflegepersonal und an all jene richten, die die Insassen dieses Leprapflegezentrums betreuen. Meine Freunde! Euer Dienst an der Menschheit ist besonders edel und uneigennützig, und nur wenige sind imstande, ihn zu leisten. Und doch bin ich sicher, daß ihr es seid, die am meisten empfangen, auch wenn ihr noch so selbstlos gebt. Der Widersinn der Liebe ist, daß der Schwache den Starken stützt und der Kranke den Gesunden heilt. Möge der Herr eure guten Herzen mit Freude, Frieden und vermehrter Liebe belohnen. Mein besonderer Dank gilt auch den eifrigen Mitgliedern der Katholischen Werkgemeinschaft für die Leprosen, die seit über dreißig Jahren in unermüdlichem Dienst unsere leidenden Brüder in Anyang, Ch’ilgok und sonst überall betreut hat. Mögen alle Leprakranken, mögen alle vergessenen und vernachlässigten Kranken dieses Landes und der Welt Freude und Trost in dem Wissen finden, daß Jesus sie besonders liebt. Jesus, der so gelitten hat, damit wir alle an seinem auferstandenen Leben teilhaben dürfen. Meine lieben Freunde! Ich umarme euch in der Liebe Jesu Christi, des Gottes und Erlösers der Welt! 310 REISEN Im „Land der Morgenstille“ Ansprache an das Diplomatische Korps in Seoul am 4. Mai Exzellenzen! Meine Damen und Herren! Auf vielen Reisen, die ich in Erfüllung meiner apostolischen Sendung zu den katholischen Gemeinden der verschiedenen Nationen in verschiedene Teile der Welt unternommen habe, war die Begegnung mit den Mitgliedern des Diplomatischen Korps stets ein Augenblick von großer Bedeutung. Es bereitet mir nun hier in Seoul große Freude, mit Ihnen, den Mitgliedern des bei der Regierung der Republik Korea akkreditierten Diplomatischen Korps, zusammenzutreffen. Ich danke Ihnen, daß Sie heute abend hierher gekommen sind. Der Anlaß meines Besuches ist Ihnen wohl bekannt. Die katholische Kirche in Korea feiert ihr zweihundertjähriges Bestehen im „Land der Morgenstille“. Es ist eine junge Kirche mit reicher Erfahrung und voller Hoffnung für die Zukunft. Die Menschen in Korea selbst machen den Eindruck eines jungen Volkes - trotz ihrer langen Geschichte mit einer Vitalität, die für die Zukunft Großes verspricht: ein Volk, das erfüllt ist von Hoffnungen und edlen Bestrebungen, einer ungeheuren Sehnsucht nach Frieden und Stabilität und der Heilung schmerzlicher Wunden, die noch immer tiefes Leid verursachen. Die Sehnsucht nach Frieden, Sicherheit und nationaler Einheit, die heute überall und in zunehmendem Maß zu spüren ist, ist besonders beim koreanischen Volk wahrzunehmen, und mein Besuch soll ein Hinweis darauf sein, daß dieses tiefe, edle Verlangen von mir und von der Kirche geteilt wird. 1. Als Mitglieder des Diplomatischen Korps sind Sie die offiziellen Vertreter Ihrer jeweiligen Länder. Sie dienen Ihren Ländern, indem Sie die Interessen Ihrer Völker fördern und schützen. Aber es gehört als charakteristisches Merkmal zu Ihrem Dienst, daß Sie auch aufmerksame Beobachter und empfängliche Teilnehmer am kulturellen, sozialen und Seelenleben Th res Gastlandes sein sollten. Als Diplomaten sind Sie aufgerufen, eine erhöhte Sensibilität für die wahren nationalen Werte des Landes zu haben, in dem Sie Ihre Mission ausüben. Es ist sicherlich wahr, daß Sie die bedeutsame Aufgabe, gegenseitiges Verständnis und guten Willen zu fördern, um so besser erfüllen werden, je 311 REISEN besser Sie den authentischen und ursprünglichen Charakter des koreanischen Volkes kennen und respektieren. Es ist sicher ebenso wahr, daß Verständnis und guter Wille, Zusammenarbeit und Mitverantwortlichkeit eine allgemeine Suche nach Frieden unter den Völkern auf Weltebene in Bewegung setzen kann. 2. Friede! Viel wird darüber gesprochen, doch echter Friede ist immer schwerer zu greifen. Auf der einen Seite nimmt das Potential der Kriegswerkzeuge - der Werkzeuge des Todes und der Zerstörung - ständig zu. Auf der anderen Seite haben sich die verfügbaren Strukturen des Dialogs sowohl zwischen den größeren Nationen und Bündnisblöcken als auch bei Gesprächen auf örtlicher Ebene als äußerst schwach und verwundbar erwiesen. Sollten wir also aufhören, über den Frieden zu sprechen? Oder sollten wir nicht eher Worte finden, die bei all jenen, die für die den Frieden betreffenden Entscheidungen und politischen Maßnahmen Verantwortung tragen, eine ernsthaft überdachte Antwort hervorrufen? Wäre es nicht ein Verbrechen zu schweigen, wenn es vor allem einen wirksamen Aufruf zu einer wirklichen „Umkehr der Herzen“ bei den einzelnen, bei den Regierungen und Nationen braucht? Umkehr der Herzen war das Thema meiner Botschaft zum 17. Weltfriedenstag am 1. Januar dieses Jahres: „Der Friede entspringt einem neuen Herzen.“ Wie ich ausführte, glaube ich, daß ein ernsthaftes Nachdenken über dieses Thema „uns erlaubt, zur Wurzel des Problems vorzudringen; sie ist von der Art, daß gerade jene Voraussetzungen, die den Frieden bedrohen, einer Prüfung unterzogen werden. Das Unvermögen, das der Menschheit nicht gestattet, die Spannungen aufzulösen, macht deutlich, daß die Hemmungen oder auf der anderen Seite die Hoffnungen aus einer tieferen Schicht stammen, als es die Systeme selbst sind“ (Nr. 1, in: O.R.dt., 25. 12. 83, S. 4). Diese Wandlung oder „Umkehr“ des Herzens ist nicht ein ausschließlich christliches oder überhaupt religiöses Ideal. Es ist eine ganz grundlegende und ursprünglich menschliche Erfahrung und richtet sich an die Nationen wie an den einzelnen. Ich wiederhole, was ich in der Botschaft zum Weltfriedenstag sagte: „Es handelt sich darum, die Klarsicht und Unparteilichkeit zusammen mit der Freiheit des Geistes, den Sinn für Gerechtigkeit mit der Achtung vor den Menschenrechten, den Sinn für einen angemessenen Ausgleich mit weltweiter Solidarität zwischen den Reichen und den Armen, das gegenseitige Vertrauen und die brüderliche Liebe wiederzufinden“ (Nr. 3, a.a.O., S. 5). 312 REISEN 3. Der Friede ist überall dort bedroht, wo der menschliche Geist durch Armut unterdrückt oder durch sozialpolitische oder ideologische Diktate unter Zwang gesetzt wird. In unserer Welt wird der Friede ernsthaft bedroht durch die Spannungen, die aus den ideologischen Unterschieden zwischen Ost und West aufbrechen, und durch den zunehmenden Gegensatz zwischen den entwickelten Ländern des Nordens und den Entwicklungsländern des Südens. Der Friede ist überall bedroht, wo die Grundrechte des Menschen mißachtet oder mit Füßen getreten werden; das gilt besonders für das Recht der religiösen Freiheit. Der Friede ist bedroht, wo das Wohl der menschlichen Person als ganzer nicht anerkannt, gefördert und geschützt wird; wo Menschen in ihrer einzigartigen Würde und ihrem Wert nicht geachtet werden; wo sie vorgefaßten Interessen und dem Machtstreben in allen seinen Formen untergeordnet werden; wo die Armen von den Reichen, die Schwachen von den Starken, die Ungebildeten von den Gewandten und Skrupellosen ausgebeutet werden. Der Friede ist bedroht, wo der Mensch zum Opfer des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts wird, statt zum Nutznießer der erstaunlichen Möglichkeiten echten Fortschritts zu werden, die der Mensch dem All abringt. Der Friede wird von Ereignissen bedroht; aber diese Ereignisse spiegeln ihrerseits tiefere Ursachen wider, die mit der Haltung des menschlichen Herzens in Zusammenhang stehen. Die einzige Wahl ist der ehrliche Dialog 4. Es besteht eine ernsthafte Notwendigkeit, die Grundlinien der Politik und die politischen Prioritäten neu zu überdenken. In dieser geschichtlichen Stunde bedarf es dringend der Weisheit. Es besteht immer weniger Anlaß, das Wohl der Menschheitsfamilie aufs Spiel zu setzen. Die einzige Wahl ist der ehrliche Dialog und die gegenseitige Zusammenarbeit für den Aufbau einer gerechteren Weltordnung. Worin diese gerechte Ordnung besteht, muß freilich noch im einzelnen durch einen vertrauensvollen Austausch von Gedanken und Werten, ohne vorgefaßte Vorurteile herausgefunden werden; ein Dialog, der das gemeinsame Wohl aller und die unveräußerlichen Rechte jedes einzelnen Menschen zum Ziel hat. 5. Mein Appell an Sie, meine Damen und Herren vom Diplomatischen Korps, lautet, daß Sie von allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch machen sollten, um einen solchen Dialog zu fördern. Daß neue Denkwege gefunden werden müssen, zusammen mit dem Mut, einen neu- 313 REISEN en Anfang zu setzen! Die der heutigen Weltsituation zugrunde liegenden moralischen und psychologischen Grundvoraussetzungen müssen sorgfältig und unparteiisch überprüft werden. Die vielleicht größte Schwierigkeit, zu einem konstruktiven Dialog zu gelangen, besteht, wie ich angedeutet habe, in dem Mangel an gegenseitigem Vertrauen zwischen den einzelnen Gruppen, Nationen und Bündnissen. Es herrscht eine Atmosphäre argwöhnischen Mißtrauens, die die eine Seite veranlaßt, am guten Willen der anderen Seite zu zweifeln. Das ist ein ernstes, objektives Hindernis für den Frieden, eine Folge aus den realen Umständen, die das Leben der Nationen beeinflussen. Man muß zugeben, daß sich diese Atmosphäre aus Furcht, Verdächtigung, Mißtrauen und Ungewißheit nur äußerst schwer zerstreuen läßt. Das Gefühl der Unsicherheit ist real und manchmal berechtigt. Das führt dann umgekehrt zu immer stärkeren Spannungen, die verschärft werden durch das unvermeidliche Suchen - mit allen Mitteln und auf allen Seiten - nach Sicherstellung der militärischen Überlegenheit oder Vorherrschaft durch wirtschaftliche und ideologische Kontrolle. Das Verlangen von Hunderten von Millionen Menschen nach einem besseren Leben, die Hoffnungen der Jugend auf eine bessere Welt werden unweigerlich zunichte gemacht, wenn es keinen Wandel des Herzens und keinen neuen Anfang gibt! 6. Bei Überprüfung der moralischen und psychologischen Grundvoraussetzungen, die eine Bedrohung für den Frieden, für Entwicklung und Gerechtigkeit darstellen, ist die entscheidende Forderung die Erreichung eines neuen Klimas des Vertrauens. „Der Friede sollte aus dem gegenseitigen Vertrauen der Völker erwachsen, statt den Nationen durch den Schrecken der Waffen auferlegt zu werden“ {Gaudium et spes, Nr. 82). Dieselbe Forderung nach einem Klima des Vertrauens gilt auch innerhalb einer bestimmten Nation oder eines Volkes. Es ist in besonderer Weise Pflicht der Staatsführer, ein Klima aufrichtigen guten Willens innerhalb wie außerhalb ihres Landes zu fördern. Und während sie die Komplexität internationaler Beziehungen nicht ignorieren können, sollten sie sich verpflichtet fühlen, die sehr schwierige Aufgabe des Friedensstifters zu übernehmen. Der Sache des Friedens dienen: Das ist ein Werk höchster Liebe zur Menschheit. „Dies verlangt heute sicher von den Staatsführern, daß sie mit Geist und Herz über die Grenzen ihrer eigenen Nation hinausschauen, daß sie auf nationalen Egoismus und den Ehrgeiz, andere Nationen zu beherrschen, verzichten, daß sie eine tiefe Ehrfurcht empfinden für die ganze Menschheit“ (ebd.). Ehrfurcht vor der Menschheit: Das ist in der Tat der Kern des ganzen 314 REISEN Problems. Wenn der Mensch in seiner unverletzlichen Würde und in seinen unveräußerlichen Rechten geehrt und geachtet wird, dann werden Ungerechtigkeit und Aggression als das angesehen, was sie sind: eine Anmaßung, die einen sicheren Wunsch zum Töten in sich birgt, weil sie das Gleichgewicht der natürlichen Ordnung der grundlegenden Gleichheit von Rechten und Pflichten untergräbt und eine Situation des moralischen Chaos heraufbeschwört, in der früher oder später alle zu Opfern werden. Die Worte aus dem Evangelium: „Alles, was ihr also von anderen erwartet, das tut auch ihnen!“ (Mt 7, 12), sind Ausdruck einer Grundvoraussetzung für eine menschliche Koexistenz, die ebenso für die Beziehungen zwischen einzelnen wie für die Beziehungen zwischen den Nationen gilt. 7. Ich ergreife heute hier in Seoul diese Gelegenheit, um Sie als Mitglieder des Diplomatischen Korps - und ich möchte diesen Appell auf alle Männer und Frauen ausdehnen, die eine verantwortungsvolle Stellung einnehmen — zu bitten, für den Frieden zu arbeiten, indem Sie sich bemühen, die Weltlage mit einem neuen Blick und mit dem Willen zu betrachten, sämtliche Vorurteile und einseitigen Ansichten zu überwinden. Sie haben als Diplomaten besondere Gelegenheit, den guten Willen zwischen Völkern und Regierungen zu erhalten und zu stärken. Dazu müssen Sie davon überzeugt sein, daß der Friede möglich ist; daß Friede besser ist als Krieg; daß die Menschen es verdienen, von der gegenwärtig herrschenden Logik des Schreckens und dem Mangel an Vertrauen befreit zu werden. Die Welt braucht Sie in dieser Stunde als Friedensstifter; sie braucht Männer und Frauen mit einem Sinn für die Vorsehung, die sich der Aufgabe widmen, unsere Zivilisation vor den verschiedenen Bedrohungen zu bewahren, die ihre Existenz selbst gefährden. 8. In Ihrem diplomatischen Dienst in Korea können Sie sehen, wie gegensätzliche Ideologien und die Leiden, die sie entfesseln, starkes Leid hervorrufen. Die Angst und der Schmerz eines geteilten Korea sind geradezu Symbol für eine gespaltene Welt, der es an Vertrauen mangelt und der es nicht gelingt, in brüderlicher Liebe zur Versöhnung zu gelangen. Sie sind ein Symbol für die Lage einer Welt, die nach einer Antwort schreit: nach einer neuen Haltung, nach einem neuen Herzen. Ihrer Sendung hier kommt darum besondere Bedeutung und besonderes Gewicht zu. Ich bete, daß Ihre Erfahrung Sie überzeugen möge, daß nur eine verbindliche Bejahung der fundamentalen Rechte und Werte des 315 REISEN Menschen zusammen mit einer wirksamen Achtung jeder einzelnen menschlichen Person eine dauernde Antwort auf das aufrichtige Verlangen aller Völker der Welt bringen wird, in Frieden und Brüderlichkeit zu leben. Gott, der Allmächtige, schütze und bewahre Sie und verleihe Ihnen Weisheit und Kraft, um für die Sache der Gerechtigkeit und des brüderlichen Einvernehmens unter allen Menschen und Völkern zu arbeiten. Möge Gott Sie zu Werkzeugen seines Friedens machen! Ein Privileg, auserwählt zu sein Predigt bei der feierlichen Messe und Priesterweihe in Taegu (Korea) am 5. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Liebe junge Männer, die ihr in dieser eindrucksvollen Glaubens- und Gebetsgemeinschaft die Priesterweihe empfangt! 1. Ihr werdet heute morgen hier in Taegu im Beisein eurer Bischöfe und vieler Gäste, umgeben von so vielen Priestern, Ordensleuten und Laien des Gottesvolkes dieses Landes, und von vielen jungen Menschen, die euch aufrichtig lieben und euch mit ihrem Gebet unterstützen, das Geschenk des Priesteramts empfangen. Christus selbst schenkt es euch und der Kirche. An diesem Tag, der dem „Teilen“ gewidmet ist, ist es gut für uns zu erkennen, daß es Gott selbst ist, der zuerst seine Gaben uns mitteilt. „Was hast du?“, fragt der hl. Paulus in der Lesung, die wir gerade gehört haben. „Was hast du, das du nicht empfangen hättest?“ (1 Kor 4, 7). Tatsächlich ist es Gottes Geschenk, daß ihr von diesem Augenblick an „als Diener Christi ... und als Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (7 Kor 4, 1) betrachtet werdet. Ich bin sicher, daß ihr über diese Worte tief nachgedacht habt und sie in eurem Geist und eurem Herzen eingeprägt sind. Sie drücken eure Identität als Priester Jesu Christi aus. 2. Indem ihr Priester werdet, erhaltet ihr im Sakrament die Ausgießung des Heiligen Geistes. Christus läßt euch an seinem Priesteramt teilhaben, 316 REISEN er zieht euch an sich in dem Werk der Erlösung. Es ist sicher1 ein Privileg für euch, auserwählt zu sein, aber ein Privileg, das mit einem Dienst verbunden ist - einem Dienst wie der Jesu, der kam, um zu dienen, und nicht, um sich dienen zu lassen (vgl. Mt 20, 28), wie der Mariens, der Magd des Herrn (vgl. Lk 1, 48). Christus hat euch als Diener und Verwalter auserwählt. Auf welche Art solltet ihr ihm dienen? Seine eigenen Worte sagen es: „Wenn einer mir dienen will, folge er mir nach“ (Joh 12, 26). Als Priester seid ihr aufgerufen, dem göttlichen Meister auf besondere Weise zu folgen. Ihr seid zu einer Jüngerschaft berufen, die bis ins tiefste Innere eurer Person hinabreicht. Ihr werdet im Sakrament die Rolle Christi annehmen, die jeden Bereich eures Lebens beeinflussen wird. Denn wir sprechen von der besonderen Art der Teilhabe am Paschamysterium der Passion, des Todes und der Auferstehung unseres Erlösers. Laßt uns noch einmal Christi Worte hören: „Amen, amen, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12, 24). Die Kirche besteht mit Recht darauf, daß eure Priesterweihe ein „Verlieren eures Lebens“ ist, denn indem ihr euch selbst opfert, öffnet ihr den Weg zur Fruchtbarkeit: Wenn das Weizenkorn stirbt, bringt es reiche Frucht. 3. Habt ihr manchmal Angst vor den Forderungen, die Christus an euch stellt? Ihr seid euch sicher bewußt, daß euer priesterlicher Dienst oft von euch Mut zur Selbstaufopferung verlangen wird. Dann müßt ihr euch die Antwort Jesu auf die gleichen Ängste vor Augen halten, wie sie im heutigen Evangelium lautet: „Jetzt ist meine Seele erschüttert. Was soll ich sagen: Vater, rette mich aus dieser Stunde. Aber deshalb bin ich in diese Stunde gekommen“ {Joh 12, 27). Euer Ziel als Priester ist, eins zu sein mit Christus im Werk der Erlösung. „Wo bin ich, dort wird auch mein Diener sein“ {ebd., 26). Möge das Beispiel eurer koreanischen Priestermärtyrer zu euren Herzen sprechen, indem es euch die wahre Natur eurer Berufung offenbart und jede falsche Erwartung zum Schweigen bringt. Mögen diese Männer, die zur Gänze das Paschamysterium Christi teilen, euch Beispiele selbstlosen Dienstes und priesterlicher Opferbereitschaft sein. 4. Wo wird das Paschamysterium Christi heute Wirklichkeit? Vor allem im großen Geschenk der Eucharistie, deren Verwalter ihr seid. Christus vertraut euch dieses höchste Geschenk an. In der Feier deri Eucharistie, die ihr in der Rolle Christi feiert und in der ihr sein Mysterium verkündet, 317 REISEN wiederholt ihr und feiert ihr das eine Opfer des Neuen Testaments, das Opfer, in dem Christus selbst sich dem Vater hingegeben hat als reines Opfer zur Sühne für die Sünden (vgl. Lumen gentium, Nr. 28). Nicht nur dieses Geschenk vertraut er eurem Dienst an; vielmehr lädt er euch ein, voller daran teilzuhaben. Auf diese Weise wird die Eucharistie zur Nahrung eures priesterlichen Lebens. Wie das Leben Jesu seine volle Bedeutung und seine Vollendung im Paschamysterium findet, so findet auch der Priester in der Eucharistie den vollen Sinn seines Lebens, die Quelle seiner Kraft und die Freude seines anspruchsvollen pastoralen Dienstes am Volk Gottes. Am Tisch des Wortes und des Lebensbrotes macht ihr Christus gegenwärtig, um die kirchliche Gemeinschaft aufzubauen. 5. Vor allem aus der Eucharistie werdet ihr Kraft schöpfen, Christus nachzufolgen und zu sein, wo er ist. „Wo ich bin, dort wird auch mein Diener sein“ (Joh 12, 26). Das Evangelium zeigt uns, wo Christus ist: in Armut, Einfachheit und Verwundbarkeit bei seiner Geburt; die Freuden und Nöte seiner Mitmenschen teilend; eng verbunden mit dem täglichen Leben der Männer und Frauen seines Landes; die Kinder segnend; im Gespräch mit jungen Menschen; barmherzig mit allen. Vor allem sehen wir ihn zu seinem himmlischen Vater beten, Stille und Einsamkeit suchen, um sich auf den Willen seines Vaters zu besinnen und gehorsam zu sein bis zum Tod (vgl. Phil 2, 8). Christus war überall dort zu finden, wo es der Wille des Vaters war. Und auch in unseren Tagen steht er unter den Armen, den Kranken, den Ausgestoßenen, den Verachteten, den Unterdrückten, den Sündern. Dort ist Christus. Dort ist die Kirche. Dorthin seid ihr als Priester berufen. Alle diese Menschen warten noch auf die Frohe Botschaft des Heils, die Verheißung der Seligkeiten. Christus hat jedem etwas zu geben. Jedem Mann, jeder Frau und jedem Kind, die er erlöst hat. Er öffnet die Schätze der endgültigen Wahrheit und den Reichtum der Liebe des Vaters all jenen, die auf ihn hören und ihn aufnehmen. Aber um „für andere“ zu leben, müßt auch ihr aus dieser Wahrheit und Liebe leben. Laßt euch nicht durch eine andere Botschaft täuschen, sogar wenn sie im Namen Christi verkündet wird. Ihr seid berufen, Zeugnis vom Widersinn zu geben, den Christus vorschlägt: „Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben“ {Joh 12, 25). Ja, ihr sollt die Träger der Hoffnung des ewigen Lebens sein, einer Hoffnung, die 318 REISEN jede zeitliche Wirklichkeit erhellt und vollendet: „Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren“ (ebd., v. 26). Von Verwaltern verlangt man, daß sie sich treu erweisen 6. Liebe Brüder! „Was hast du, das du nicht empfangen hättest? (2 Kor 4, 7). Das Priesteramt ist Gottes größtes Geschenk an euch. Es wird um so tiefere Wurzeln in euren Herzen schlagen und um so mehr Früchte tragen, je mehr ihr die Erwählung für dieses Geschenk verwirklicht. Wie Maria müßt auch ihr „über Gott, euren Retter, jubeln, der auf euch in eurer Niedrigkeit geschaut hat“ (vgl. Lk 1, 47—48). Die Kluft zwischen der übernatürlichen Größe des Geschenks und eurer eigenen Unwürdigkeit wird euch vor Hochmut bewahren; wie uns die erste Lesung sagt, wird sie uns davor bewahren, uns „zu rühmen“, als wäre es kein Geschenk (2 Kor 4, 7). Vor allem müßt ihr bereit sein, die Liebe mit Liebe zu beantworten: voll Hochherzigkeit und Mut euch selbst zum Heil der Welt schenken: Geschenk mit Geschenk zu vergelten. Dies ist die wirkliche Herausforderung eures Priesteramtes. „Von Verwaltern aber verlangt man, daß sie sich treu erweisen“ (2 Kor 4, 2). Daß ihr treu sein möget, das ist mein Gebet für euch, das muß eure Antwort für Christus und die Kirche sein; das ist der Beweis eurer Liebe zu euren Brüdern und Schwestern in diesem Land, die von euch erwarten, daß ihr sie führt und ihnen die Richtung weist. 7. Der Papst richtet auch ein besonderes Grußwort an all die jungen Menschen, die dieser Weihe beiwohnen. Ich freue mich außerordentlich, daß ihr so zahlreich gekommen seid. Ihr seid voller Leben und Hoffnung, ihr seid hier zusammengekommen, um am Paschamysterium des Herrn in der Eucharistie teilzunehmen und auch um Zeugen des einzigartigen Ereignisses der Priesterweihe dieser jungen Männer zu werden. Ihr werdet euch im Inneren wundern, wie es kommt, daß diese jungen Männer, die zu eurer Generation gehören, sich anschicken, in der heutigen Zeit Priester zu werden. Auch jeder von euch wird herausgefordert, dem Leben, dem einen Leben, das euch geschenkt wurde, vollen Sinn zu geben. Ihr seid jung, und ihr wollt leben. Aber ihr müßt in der Fülle und für ein Ziel leben. Ihr müßt für Gott leben, ihr müßt für euren Nächsten leben. Und niemand kann dieses Leben für euch leben. Euch gehört die Zukunft, voll von Gefahren und Möglichkeiten, Hoffnungen und Ängsten, Glück 319 REISEN und Leiden. Aber die Zukunft ist vor allem ein Ruf und eine Herausforderung, euer Leben zu „bewahren“, indem ihr es „gering achtet“, es „verliert“, wie uns das Evangelium sagt, indem ihr es durch den Dienst der Liebe anderen mitteilt. Und das Maß eures Erfolges wird das Maß eurer Hochherzigkeit sein. Mit einem Wort, ihr müßt in Jesus leben, zur Ehre des Vaters, in der Einheit des Heiligen Geistes. Amen. Für die Geburt einer „neuen Erde“ Predigt beim Wortgottesdienst mit den Arbeitern, Fischern und Bauern in Pusan (Korea) am 5. Mai Brüder und Schwestern, ihr nehmt im Herzen der Kirche einen besonderen Platz ein. War nicht Jesus selbst Arbeiter? Als er zu lehren begann, staunten die Leute und sagten: „Woher hat er das alles? Was ist das für eine Weisheit, die ihm gegeben ist? ... Ist das nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria?“ (Mk 6, 2-3). 1. Der Sohn Gottes wurde Mensch und arbeitete mit Menschenhänden. Arbeit hat im übrigen in Gottes Schöpfungsplan ihre eigene Würde. Auf der ersten Seite des Buches Genesis hören wir, daß der Mensch erschaffen wurde „als Abbild Gottes ... als Mann und Frau“. Als Gott dem Menschen das ganze Universum anvertraute, trug er ihm auf: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch ...“ (Gen 1, 27-28). So wissen wir nicht nur aus Vernunfteinsicht, sondern durch die Offenbarung, daß der Mensch durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teilhat. Er setzt es fort und vollendet es in gewissem Sinne durch seine Arbeit, seine Plage, seine tägliche Mühe, der Erde oder dem Meer den Lebensunterhalt abzuringen oder seine Kräfte auf die vielen verschiedenen Produktionsprozesse zu verwenden. Wie edel ist diese Sendung, die einzig und allein der Mensch — durch seine Arbeit — durchzuführen imstande ist! Wir Christen sind in der Tat davon überzeugt, daß die Errungenschaften der menschlichen Rasse - in Kunst, Wissenschaft, Kultur und Technik -ein Zeichen der Größe Gottes und die Blüte seines geheimnisvollen Planes sind. 320 REISEN 2. Jesus selbst hat diese Wahrheit - daß der Mensch durch seine Arbeit am Werk des Schöpfers teilhat - besonders betont. Denn Jesus war selbst ein Mensch, der arbeitete, ein Handwerker wie Josef aus Nazaret. Jesus gehörte eindeutig der „Welt der Arbeit“ an. Dasselbe gilt für die meisten seiner Jünger und Zuhörer: Sie waren gewöhnliche Fischer, Bauern und Arbeiter. Deshalb gebraucht Jesus, wenn er vom Reich Gottes spricht, stets Begriffe, die mit der menschlichen Arbeit verknüpft sind: mit der Arbeit des Hirten, des Bauern, des Arztes, des Sämannes, des Hausherrn, des Knechtes, des Verwalters, des Fischers, des Kaufmannes, des Arbeiters. Und er vergleicht den Aufbau des Reiches Gottes mit der manuellen Arbeit von Erntearbeitern und Fischern. Aus Jesu eigener Lehre ersehen wir ganz klar, daß der arbeitende Mensch viel bedeutender ist als das Produkt seiner Arbeit. Menschliche Arbeit kommt vom Menschen; sie soll dem Menschen zum Nutzen gereichen, seine ihm von Gott geschenkte Würde fördern. Auch die großartigste Stadt, der komplizierteste Computer, die größte Nation ist immer etwas, das vom Menschen gemacht wurde und dem Menschen dienen und nützen soll. Niemals umgekehrt! Darum erklärt das Zweite Vatikanische Konzil, wo es vom Wert der menschlichen Arbeit spricht: „Der Wert des Menschen liegt mehr in ihm selbst als in seinem Besitz. Ebenso ist alles, was die Menschen zur Erreichung einer größeren Gerechtigkeit, einer umfassenderen Brüderlichkeit und einer humaneren Ordnung der gesellschaftlichen Verflechtungen tun, wertvoller als der technische Fortschritt. Dieser technische Fortschritt kann nämlich gewissermaßen die Basis für den menschlichen Aufstieg bieten; den Aufstieg selbst wird er von sich allein aus keineswegs verwirklichen“ (Gaudium et spes, Nr. 35). 3. Dennoch wird diese Wertordnung nicht immer respektiert. Die heutige Gesellschaft, die so sehr von der Entwicklung einer einseitig materialistischen Zivilisation in Anspruch genommen wird, behandelt die Arbeit nicht selten als eine besondere Art von Ware. Der Mensch wird oft als bloßes Produktionsinstrument behandelt, gleich einer Maschine, die möglichst wenig kosten und höchste Produktionsleistung erbringen soll. In solchen Fällen wird der Arbeiter nicht als echter Mitarbeiter des Schöpfers geachtet. Leider ist das ganze Problem der Arbeit häufig vom Standpunkt des Konflikts zwischen „Kapital“ und „Arbeit“ aus betrachtet worden: ein Konflikt, der weitreichende soziale, ideologische und politische Verflechtungen aufweist. Dieser Konflikt ist für die Menschheit zu einer großen Tragödie und zu einer Quelle des Leidens für ungezählte Millionen 321 REISEN einzelner Menschen und Familien geworden (vgl. Laborem exercens, Nr. 11). Fremde ideologische Systeme bedrohen den Weltfrieden Ich bin mir im klaren darüber, daß die Beziehung zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Rahmen eurer koreanischen Kultur- und Gesellschaftstraditionen ihre ganz eigenen Merkmale besitzt und daß es nicht stimmt, daß der Weg zu besseren Beziehungen in einer simplifizierenden Anwendung von Normen und Methoden gefunden werden kann, die anderswo erdacht worden sind. Und noch weniger durch die Auferlegung fremder ideologischer Systeme, die flagrante Ungerechtigkeiten weiterbestehen ließen oder neue schufen, die den Weltfrieden bedrohen. Gerechtigkeit verlangt, Wege zu finden, um den Arbeitern größeren Anteil an den organisatorischen Aspekten der Produktion und am Gewinn zu gewähren, und ich freue mich zu erfahren, daß Initiativen in dieser Richtung unternommen worden sind. Gerechtigkeit fordert auch, daß die Arbeiter ihrerseits Nutzen ziehen aus dem Erfolg des Unternehmens, in dem sie arbeiten, und daß ihnen die Befriedigung zuteil wird zu erfahren, daß sie somit durch fleißige und gewissenhafte Arbeit zur sozialen Entwicklung ihres Landes beitragen. 4. Natürlich wissen wir, daß Arbeit nicht alle Erfüllung und Befriedigung bedeuten kann. Ja, Arbeit schließt Mühe und Kampf ein, das habt ihr alle erfahren. Die Arbeit wurde zutiefst von der Sünde beeinträchtigt, wie wir im Buch Genesis lesen: „Mit Schweiß im Gesicht wirst du dein Brot essen...“ {Gen 3, 19). Deshalb können wir niemals die volle Bedeutung der Arbeit ergründen, ohne auf das Ostergeheimnis Jesu Christi zu blicken, in welchem er die Sünde bezwang und damit alle Arbeit umwandelte. Seine Arbeit, sein Leiden, sein Gehorsam bis zum Tod erhalten ihre volle Bedeutung in seiner Auferstehung: Das ist das „Evangelium der Arbeit“, wie es im Leben und in der Lehre unseres Erlösers enthalten ist. Und so haben wir Christen in der menschlichen Arbeit einen kleinen Anteil am Kreuz Jesu Christi. Wir müssen lernen, diese menschliche Erfahrung in der Haltung Christi zu leben. Wenn wir unsere Arbeit mit der Sendung unseres Erlösers vereinen, helfen wir, die neue Erde zu schaffen, wo die Gerechtigkeit wohnt (vgl. 2 Petr 3, 13), und wir tragen entscheidend zum Kommen des Gottesreiches bei. Liebe Arbeiter, Bauern und Fischer, ich weiß, daß ihr in Solidarität mit Millionen eurer Arbeitsgefährten viel leiden mußtet und weiter leidet für 322 REISEN die Geburt dieser „neuen Erde“ in eurem Land. Ihr habt euch, oft trotz Gleichgültigkeit, Mißverständnis und Behinderung, als Christen bewußt dazu verpflichtet, die Rechte und das Wohl der Arbeitsgefährten und Bauern zu fördern, die geduldig und tapfer ihr Kreuz tragen. Wir müssen alle in brüderlicher Liebe Zusammenarbeiten, um deutlich zu machen, daß eine gerechtere Verteilung der Güter der Welt Zugang zu diesen Gütern besonders durch einen gerechten Lohn bedeutet. Schöpft Mut aus den Worten des Evangeliums! Die Seligpreisungen und die Weherufe des Propheten, die ihr soeben gehört habt, sind genau die Worte, mit denen der Herr zugunsten der Armen und Unterdrückten gegen jede Form von Ungerechtigkeit und sozialem und persönlichem Egoismus appelliert. Schöpft Mut, „denn euch gehört das Reich Gottes!“ (Lk 6, 20). Und wenn ihr mit Recht Gerechtigkeit für eure Sache und für euer Leben fordert, so vergewissert euch, daß eure eigenen „Werke des Glaubens“ {Jak 2,17) stets die Gerechtigkeit für euren Nächsten fördern. 5. Liebe Brüder und Schwestern in Korea! Ihr nehmt wirklich im Herzen Jesu und seiner Kirche einen besonderen Platz ein. Ich weiß, daß der Anteil der Christen unter den Industriearbeitern, Bauern und Fischern klein ist: Gerade darin liegt eine große Herausforderung an die Hirten der Kirche in Korea und an euch selbst. Seid gewiß, daß das Leben und die Lehren unseres Herrn Jesus Christus, des Zimmermanns aus Nazaret, Antworten auf die Zweifel und Fragen arbeitender Männer und Frauen bereitstellen können. Allein Jesus Christus vermag, eure Hoffnungen zu unterstützen und eure Ängste zu zerstreuen. Er allein kann euch die Bedeutung eurer täglichen Mühe zeigen. Macht also in seinem Namen und zusammen mit seiner Kirche weiter und strebt durch friedliche und ehrliche Mittel nach menschlicher Würde, fördert die Menschenrechte und schafft für euch, eure Kinder und Kindeskinder eine bessere Welt! Jesus segne eure Arbeit! Er segne eure Familien und Freunde und schenke euch in überreichem Maße seinen Frieden! Mögen durch seine Gnade alle eure Tätigkeiten mit dem Gebet verbunden sein, damit ihr reiche „Werke des Glaubens“ hervorbringt, die zur Rechtfertigung und zum ewigen Leben führen. 323 REISEN Missionare für viele Länder Ansprache bei der Begegnung mit den Diözesanpriestern und Ordensleuten in der Sogang-Universität in Seoul am 5. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. „Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich“ (Mt 5, 10). Die Wahrheit dieser Worte unseres Heilands, die Wahrheit der Seligpreisungen, offenbart sich im heroischen Zeugnis der koreanischen Märtyrer. Diese heiligen Männer, Frauen und Kinder, die grausame Verfolgung und Tod erlitten haben, sind wahrhaft selig. Sie sind ein Zeichen der Macht Gottes, die Angst und Schwäche in tapferes Zeugnis für Christus verwandelt. Weil sie für die Sache des Evangeliums den Tod erlitten, erhielten sie im Himmel großen Lohn und wurden durch die Kirche in der ganzen Welt geehrt. In der Gegenwart des Erlösers freuen sie sich darüber, daß sie „gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden“ (Apg 5, 41). Die Wahrheit der Seligpreisungen offenbart sich aber auch im Priestertum und Ordensleben, wofür es eine besondere Art von Seligpreisungen gibt. Als Priester und Ordensleute legt ihr Zeugnis dafür ab, was es heißt, von Gott gesegnet zu sein. In eurem Zölibat oder eurer geweihten Ehelosigkeit, die ihr aus Liebe zu Christus angenommen habt, findet ihr eure Hoffnung in den Worten: „Selig, die ein reines Herz haben, denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5, 8). Und ihr versucht auf verschiedenen Wegen, einzeln oder gemeinsam, der Seligpreisungen inne zu werden, ein Leben zu leben, das euch überzeugend beweist, daß die Seligpreisungen wirklich verläßlich, daß sie der sicherste Weg zur Heiligkeit sind. 2. Ich möchte für einen Augenblick meine Worte direkt an meine Brüder im Priesteramt wenden. Eine meiner größten Freuden bei der Reise nach Korea ist, daß ich hier, in eurem Land, eure Märtyrer heiligsprechen kann. Unter ihnen waren Priester, auch der erste koreanische Priester, Father Andrew Kim Taegon. Das historische Ereignis der Heiligsprechung lenkt die Aufmerksamkeit auf euer ruhmvolles, christliches Erbe. Aber gleichzeitig weckt das in euren Herzen größeren Eifer für die Heiligkeit, den Wunsch, die Märtyrer auf eure persönliche Weise nachzuahmen. Liebe Brüder, bedenkt, daß priesterliche Heiligkeit bedeutet: Christus 324 REISEN ähnlich sein, den Willen des Vaters tun, in eurem Pastoralamt glaubwürdig sein. Ihr seid berufen, „im Glauben an den Sohn Gottes zu leben“ (Gal 2, 20) und das Wort Gottes zu lieben. Täglich nährt ihr euer Denken und euer Herz am Tisch des Wortes, den euch die Kirche in der Feier der Eucharistie und des Stundengebetes so reich hergerichtet hat. Das Wort Gottes treibt euch dazu, Gottes Namen mit frohem Herzen zu preisen und seinen Geboten und Räten zu folgen. Es spornt euch zu immer selbstloserem Dienst an eurem Volk durch Verkündigung der Heilsbotschaft an und zur Leitung der Gläubigen im Gebet. Wenn ihr versucht, dem euch anvertrauten Gottesvolk Hirtenliebe zu schenken, müßt ihr eine besondere Liebe zu den Armen und abseits Stehenden haben, zu denen, die vergessen sind, zu den Kranken oder den mit ihren eigenen Sünden Beladenen. Ihr seid berufen, einen kostbaren Teil eurer Zeit der Feier des Bußsakraments zu widmen und euer Volk zu unterweisen, wie wertvoll und wichtig dieses Sakrament für ihr christliches Leben ist. Zweifelt nie an der Wirksamkeit des Bußamtes. In ihm versöhnt der Herr Jesus selbst die Herzen mit sich und schüttet seinen Lohn und seine Liebe aus. Und auch ihr seid berufen, Christi Lohn und Liebe zu erfahren und Zeugnis für euren Glauben zu geben durch den persönlichen Empfang dieses großen Sakraments. Vor allem die Eucharistie muß eurer Pastoraltätigkeit Richtung geben, und aus ihr blüht Gottes reichste Gnade. Das Zweite Vatikanische Konzil gibt uns die herrliche Versicherung: „Im Mysterium des eucharistischen Opfers, dessen Darbringung die vornehmliche Aufgabe des Priesters ist, wird beständig das Werk der Erlösung vollzogen“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 13). 3. Und jetzt möchte ich zu den Ordensmännern und -frauen von Korea sprechen, zu euch, die Gott besonders liebt und die Kirche besonders achtet. Liebe Brüder und Schwestern, als Ordensleute habt ihr besonderen Anteil an der Sendung Christi. Durch euer persönliches und liturgisches Gebet und durch die spezifischen Charismen eurer Institute nehmt ihr eine wichtige Rolle in der Kirche ein. Vor allem euch ist es gegeben, für Jesus Christus Zeugnis abzulegen, der immer dem Vater gehorsam war und arm wurde, um uns reich zu machen. Einige von euch wurden zur kontemplativen Form des Ordenslebens berufen, in der ihr durch Gebet und Buße, als eurer spezifischen Rolle, eine tiefere Verbindung mit Gott in der Liebe sucht. Auf diese Weise stellt ihr die Kirche als die Braut Christi dar, und ihr lebt in lebendiger Einheit mit Jesus durch euer ständiges Fürbittgebet für das Volk Gottes. 325 REISEN Andere von euch sind berufen, sich unermüdlich den verschiedenen Werken des Apostolats zu widmen. In Krankenhäusern und Schulen, in Pfarreien und auf Spezialgebieten der Dienstleistung legt ihr für Christus Zeugnis ab und arbeitet zusammen mit den Laien und dem Klerus in dem gleichen Sendungsauftrag. Zu welcher Form des Ordenslebens auch immer der Herr Jesus euch berufen hat, ihr habt durch eure Ordensweihe an seinem Leiden, seinem Tod und seiner Auferstehung in besonderer Weise Anteil. Jesus sagt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12, 24). Das Ordensleben ist gleich dem Martyrium eine besondere Aufforderung Gottes, ein solches Weizenkorn zu werden, darauf zu vertrauen, daß das Sterben in Christus überreiche Frucht bringt und zum ewigen Leben führt. Mit allen Getauften, aber in stärkerer Weise durch eure Ordensweihe habt ihr am Kreuz des Erlösers teil, wenn ihr euch bemüht, täglich die Lasten und Schwierigkeiten auf euch zu nehmen, die zur menschlichen Arbeit und zu den sozialen Beziehungen gehören, freudig und im Vertrauen auf das Kreuz, das ihr aus Liebe zu Christus umarmt und das für euch ein neuer Lebensbaum ist. Das große Charisma des Ordenslebens ist selbstlose Liebe — selbstlose Liebe zu Christus und den Gliedern seines Leibes. Es drückt sich im Dienst aus und verzehrt sich im Opfer. Dann werdet ihr soviel geben, wie ihr liebt, und wenn die Liebe vollkommen ist, ist auch das Opfer vollständig. 4. Ich fordere euch alle auf, euch täglich mit mir im Dank an Gott zu vereinen und im Lobpreis für die vielen Berufungen zum Priestertum und Ordensleben, die die Kirche Koreas in den letzten Jahren gekennzeichnet haben. Das ist ein Zeichen der Lebendigkeit eures Glaubens; es ist aber auch ein Zeichen für die Kraft des Paschamysteriums Christi und die Wirksamkeit seines kostbaren Blutes. In der Tat, die Kirche in eurem Land kann man sich nicht vorstellen ohne euer lebendiges Wirken in den Pfarreien, Schulen, Krankenhäusern und auf anderen Spezialgebieten der apostolischen Arbeit. Und euer Dienst bietet große Hoffnung für die Zukunft, nicht nur für die Kirche in eurem Land, sondern für alle Länder, die Missionare aus Korea erhalten werden. Die ganze Kirche zählt auf euren missionarischen Beitrag. Ich ermutige euch, für noch mehr Berufungen zu beten und darauf zu vertrauen, daß sie in dem Volk, dem ihr dient, ständig zunehmen. Bittet die koreanischen Märtyrer, Fürsprache in diesem besonderen Anliegen einzulegen, das für die Zukunft dieses Landes so wichtig ist. Und möge 326 REISEN euer Leben, das eine Verkörperung der Seligpreisungen ist, ein beredtes Zeichen für die Gegenwart Christi in der Welt sein. 5. Mit einem Wort, liebe Priester und Ordensleute: Millionen eurer Brüder und Schwestern in Korea, einschließlich vieler Nichtchristen, sprechen mit den Worten zu euch, die an den Apostel Philippus in Jerusalem gerichtet wurden: „Wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12, 21). Ja, meine Brüder und Schwestern, ihr müßt euer Volk Jesus sehen lassen; ihr müßt eurem Volk Jesus mitteilen: den betenden Jesus, den Jesus der Seligpreisungen, den Jesus, der in euch dem Vater gehorsam sein möchte, arm, freundlich, demütig und barmherzig, rein, friedfertig, geduldig und gerecht. Das ist der Jesus, den ihr repräsentiert: der ewige Sohn des Vaters, der im Schoß der Jungfrau Maria Fleisch annahm und in euch sichtbar sein möchte. Der Jesus des Paschamysteriums, der in der Kraft seines Geistes und durch die Mitarbeit seiner Kirche die ganze Menschheit zum Vater führen will. Das ist die feierliche Herausforderung an euer Leben: der Welt Jesus zeigen; Jesus der Welt mitteilen. „ ... damit die Kirche Kulturschöpfer wird“ Ansprache an die Repräsentanten der Wissenschaft und Kultur in der Sogang-Universität in Seoul am 5. Mai Meine Damen und Herren! Liebe Freunde! Mit großer Freude treffe ich heute abend mit Ihnen zusammen. Als prominente Erzieher, Wissenschaftler, Künstler, Schriftsteller und Rechtsanwälte stehen Sie in vorderster Reihe bei den wertvollen Bemühungen des Menschen, sich selbst zu verstehen und zu verwirklichen in einem immer breiteren Horizont des Wissens, neuer Formen und neuer Weitsicht. Sie haben die edle und schwierige Aufgabe, sowohl Leistungen zum Besten des Menschen zu erbringen als auch neue Grenzgebiete der Kultur zu erforschen. Seien Sie versichert, daß die Kirche Ihre Berufung und Sendung hochzuschätzen weiß. 327 REISEN 1. Wir sind uns alle bewußt, daß der Mensch nur durch seine Kultur, durch die Freiheit, ganzheitlich und mit allen seinen besonderen Fähigkeiten zu wachsen, wahrhaft Mensch sein kann. Und der Mensch, der solches Wachstum sucht, ist auch mit höchster Würde und Freiheit ausgestattet, wie es zu einem als Gottes Ebenbild erschaffenen und von Christus erlösten Wesen gehört. Darum sind Sie als Christen zu einer noch höheren Sendung berufen, nämlich, die menschliche Kultur selbst zu evangelisieren. Und ich bin wirklich ergriffen zu hören, daß es in Korea auf allen Gebieten des kulturellen Engagements so viele katholische Laien, Männer und Frauen, gibt. Sie haben in der Tat eine schwierige, aber großartige Aufgabe. Das ist Ihr Apostolat. Das Zweite Vatikanische Konzil hat dem Dialog zwischen Glaube und Kultur neue Anstöße gegeben. Denn es war klar geworden, daß sich zwischen der Kirche und den verschiedenen, überall in der Welt entstehenden kulturellen Veränderungen eine dramatische Distanz herauszubilden drohte. Während die moderne Welt von ihren Errungenschaften und Leistungen in Wissenschaft und Technik fasziniert war, hatte sie mit der Zeit ihren tragenden Grund verloren und Ideologien und sittlichen Kriterien Glauben geschenkt, die nicht mit dem Evangelium im Einklang stehen. Darum war es der Wunsch des Konzils, die ganze Kirche zu verpflichten, auf den modernen Menschen zu hören, um ihn verstehen zu können, und nach einer neuen Form des Dialogs Ausschau zu halten, die es der Einzigartigkeit der evangelischen Botschaft ermöglichen sollte, Sinne und Herzen der heutigen Menschen zu durchdringen. Ich meinerseits bin mir der lebenswichtigen Bedeutung dieser Aufgabe brennend bewußt und deshalb am Dialog zwischen der Kirche und der Welt der Kultur stark interessiert. Erst im vergangenen Jahr habe ich den Päpstlichen Rat für die Kultur gegründet, der die Zusammenarbeit hervorragender Männer und Frauen in allen in Frage kommenden Bereichen fördern soll. Ich bin fest davon überzeugt, daß der Dialog zwischen Kirche und Kultur für die Zukunft der Menschheit von großer Bedeutung ist. 2. Es gibt zwei wichtige, ergänzende Aspekte der Frage, die den beiden Dimensionen entsprechen, in denen die Kirche tätig ist. Das eine ist die Dimension der Evangelisierung der Kulturen, das andere ist die Verteidigung des Menschen und seines kulturellen Fortschritts. Die Kirche muß allen Völkern alles werden. Es steht uns ein langer und wichtiger Inkulturationsprozeß bevor, damit das Evangelium in die wahre 328 REISEN Seele lebendiger Kulturen eindringen kann. Durch die Förderung dieses Prozesses antwortet die Kirche auf das tiefe Verlangen der Völker und hilft ihnen, zum Glauben zu kommen. Die ersten Christen Koreas, Ihre Vorfahren, haben das sehr klar erkannt. Nachdem sie Christus durch ein ernsthaftes Suchen nach dem vollen Menschsein kennengelernt hatten, unternahmen sie beispielhafte Anstrengungen, um das Evangelium den Denkmodellen und dem Gefühlsklima des Volkes einzuverleiben. Dem Beispiel dieser Bereitschaft, eine Haltung des Austausches und der Verständigung mit der kulturellen Identität des Volkes einzunehmen, folgend, müssen wir nun auch dafür arbeiten, die verschiedenen Kulturen selbst einander näherzubringen. Und das müssen wir tun, damit die einzelnen Kulturen andere noch mehr bereichern, so daß universale Werte das Erbe aller werden können. In dieser Hinsicht ist Ihre Rolle als Brückenbauer zwischen den Kulturen von lebenswichtiger Bedeutung. Aber Ihr Beitrag wird um so gültiger sein, je tiefer Sie in Ihrer eigenen Identität als Koreaner verwurzelt und je mehr Sie sich bewußt sind, auch das heilende Wort des Evangeliums in diesen Dialog einzubringen. Denn wir glauben, daß das Evangelium alle Kulturen durchdringen, erheben und reinigen muß. Aber natürlich wirkt diese Bereicherung auch auf andere Weise. Die uralte Erfahrung so vieler Völker, der Fortschritt von Wissenschaft und Technik, die Entwicklung der sozialen Institutionen, die Entfaltung der Künste: Das alles sind Wege, auf denen die Wesensnatur des Menschen sich voller enthüllt. Sie erschließen neue Straßen zur Wahrheit und vertiefen für uns das Verständnis der Geheimnisse Gottes. Fortschritte in den kosmischen Wissenschaften, in den biologischen Wissenschaften, in Kommunikation, Medien, Massenerziehung, Psychologie, Produktionsmittel, elektronischer Datenverarbeitung — das alles kann eine höhere Wertschätzung des Menschen herbeiführen. Denn diese großartigen Leistungen der Menschheit sind ein Zeichen für die Größe Gottes und die Entfaltung seines geheimnisvollen Planes. Durch sie wird ein Tor zu Gottes Schöpfung und zur Bedeutung seines Geschenkes der Erlösung geöffnet. In diesem Zusammenhang können wir ganz klar sehen, wie gefährlich jede Dichotomie zwischen dem Evangelium und authentischen Kulturen ist. Wir alle tun gut daran, uns der bedeutsamen Worte Pauls VI. zu erinnern: „Der Bruch zwischen Evangelium und Kultur ist ohne Zweifel das Drama unserer Zeitepoche, wie es auch das anderer Epochen gewesen ist“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 20, in: Wort und Weisung, 1975, S. 552). 329 REISEN 3. Wir sollten mit Recht die gottgegebene Macht und Schönheit des arbeitenden Menschen begrüßen und bewundern. Doch eben weil die Macht, die er ausübt, so groß ist, braucht der Mensch so dringend auch einen klaren Sinn für Unterscheidung. Diese Macht bringt Wunder hervor; sie kann aber den, der sie unklug mißbraucht, auch zerstören. Darum dürfen wir nie vergessen, daß das Evangelium uns dazu anhält, den Menschen an sich, um seiner selbst willen, als lebendiges Abbild Gottes zu lieben. Gottes Erbarmen und Liebe, die uns in seinem für uns Mensch gewordenen Sohn offenbart wurde, hält uns dazu an, zu verkünden, daß dem Menschen Achtung, Ehre und Liebe um seiner selbst willen gebührt und daß er in seiner vollen Würde geschätzt werden muß. Kein Mensch darf jemals zum Werkzeug gemacht werden; Verachtung und Mißtrauen gegenüber einem einzelnen Menschen ist Verachtung und Mißbrauch gegenüber dem Schöpfer selbst. Da es dem Menschen an echter „Weisheit“ beim Gebrauch seiner Fähigkeiten mangelt, ist er durch nicht wiedergutzumachende Befleckung, durch Erbmanipulationen, durch die Auslöschung ungeborenen Lebens in seiner biologischen Existenz bedroht. Sein sittliches Dasein kann zum Raub eines nihilistischen Hedonismus, eines zügellosen Genusses und zur Zerstörung jedes Wertgefühls werden. Und in unseren Tagen beuten ungerechte Wirtschaftssysteme in einem bisher unbekannten Maße ganze Völker aus, politische und ideologische Maßnahmen vergewaltigen die Seele ganzer Völker mit dem Ergebnis, daß sie zu gleichförmiger Apathie oder zu einer Haltung totaler Verachtung der anderen gezwungen werden. 4. Als Christen können wir angesichts so vieler Bedrohungen der Würde des Menschen, des Friedens, des echten Fortschritts nicht schweigen. Unser Glaube verpflichtet uns, allem Widerstand entgegenzusetzen, was einzelne, Gruppen und ganze Völker daran hindert, ihrer höheren Berufung entsprechend wahrhaft sie selbst zu sein. Unser christlicher Glaube verpflichtet uns vor allem, nicht bloß zu verurteilen: Er führt uns dazu, aufzubauen, zu lieben! Ich habe es mir angelegen sein lassen, vor allen Mitgliednationen der UNESCO zu verkünden, was ich nun seiner Bedeutung wegen vor Ihnen wiederholen möchte: „Man muß den Menschen seinetwegen und nicht aus irgendeinem anderen Motiv oder Grund bejahen; einzig und allein seinetwegen. Mehr noch: Man muß den Menschen lieben, weil er Mensch ist. Man muß Liebe zum Menschen fordern wegen seiner besonderen Würde, die er besitzt. Die volle Bejahung des Menschen gehört zum Wesen der christlichen Bot- 330 REISEN schaft und der Sendung der Kirche ..(Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris, 2. Juni 1980, Nr. 10, in: Wort und Weisung, 1980, S. 228). Evangelium ist Sauerteig der Kultur Ähnlich schrieb ich am Schluß der Enzyklika Redemptor hominis, daß „der ,Weg‘ des täglichen Lebens der Kirche der Mensch ist“ (Nr. 21). Ja, der Mensch ist „der Weg der Kirche“, denn wie könnte jemand ohne diese liebevolle Achtung vor dem Menschen und seiner Würde die Worte von der Wahrheit und vom Leben verkünden? 5. Sie haben also eine doppelte Sendung: die Evangelisierung der Kultur und die Verteidigung des Menschen. Das Evangelium selbst ist ein Sauerteig der Kultur, insofern es dem Menschen auf seinen Wegen des Denkens, Verhaltens, Arbeitens, Rühens, das heißt also in seiner kulturellen Dimension, begegnet. Anderseits wird Ihnen Ihr Glaube Vertrauen in den als Gottes Abbild geschaffenen und von Christus erlösten Menschen geben, den Sie um seiner Sache willen verteidigen und lieben werden. Und weil Ihr Glaube eine tiefe Erkenntnis der Grenzen des Menschen und seiner Sündhaftigkeit einschließt, werden Sie sich der Herausforderung stellen und die Evangelisierung der Kultur mit Realismus und dem erforderlichen Mitempfinden vornehmen. Mit einem Wort, Sie sind auf gerufen mitzuhelfen, damit die Kirche in ihrer Beziehung zur modernen Welt Kulturschöpfer wird. Es ist in der Tat eine große Sendung, die Ihnen als Männer und Frauen der Kultur in besonderer Weise anvertraut ist und durch die Sie vor der Welt Zeugnis von der Frohbotschaft des Evangeliums geben sollen. Ich bin mir sehr wohl der besonderen Herausforderungen bewußt, vor die Sie in diesem Zusammenhang im heutigen Korea gestellt sind. Wenn Sie die Jugend erziehen, nach wissenschaftlicher Erkenntnis streben und sie weitergeben, wenn Sie Kunstwerke schaffen, die den Geist der Zeit zum Ausdruck bringen, wenn Sie gerechte Beziehungen zwischen den Völkern zu verwirklichen suchen - immer wird Ihnen zugleich mit der Verantwortung eine Chance geboten: Sie haben tatsächlich eine große Berufung und einen großen Auftrag. Und das in einem Augenblick in Ihrer Geschichte, in dem das Erbe der Vergangenheit in Frage gestellt und sogar ungerechtfertigt verworfen wird, in dem unangepaßte neue Strömungen Verwirrung hervorrufen, in dem sich die Gegensätze zwischen den Generationen verschärfen, in dem das soziale und politische Klima bisweilen eine klare 331 REISEN ethische Sicht der Wirklichkeit verhindern, in dem private Interessen und persönliches Wohl zum obersten Gebot erhoben werden und allgemein anerkannte Normen und Werte mitunter zu leeren Formeln geworden zu sein scheinen. Doch je schwieriger die Aufgabe ist, um so dringender und lohnender ist es, diese Herausforderung anzunehmen, so daß alle im auferstandenen Herrn leben können. Und Ihr Volk ist ja ein elastisches Volk, voll Lebenskraft, Optimismus, Kreativität, mit Charakter und Herz - ein Volk, das stets einen tief religiösen Charakter und tiefe Menschlichkeit erkennen ließ. Ich vertraue darauf, daß Sie auch weiterhin ein Volk von hoher Kultur sein werden, offen für Gott und offen für die ganze Menschheit! Am Gipfel all Ihrer Weisheit steht die große Offenbarung Gottes: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1, 14). Jesus Christus, dieses fleischgewordene Wort, führe Sie bei Ihrer Arbeit! Die selige Mutter, die das Wort, Gottes Weisheit, gebar, stehe Ihnen heute und immer bei. Die nicht zum Fest kommen Vor dem Regina Caeli in Seoul am 6. Mai Soeben haben wir miteinander den glücklichsten Tag, das größte Fest in der ganzen Geschichte der Kirche in Korea, gefeiert. Unsere Herzen sind voller Freude. Wie könnten wir dem Herrn des Himmels, unser aller Vater, der in diesem seinem geliebten Land Korea so „große Dinge“ getan hat, je genug Dank sagen und ihn genügend preisen? Und dafür, daß er uns in diesen heiligen Märtyrern so herrliche Vorbilder des Glaubens, des Mutes und der Liebe geschenkt hat? Die Universalkirche ist heute hier bei euch auf dem Youido-Platz, an diesem glorreichen Tag, sie freut sich mit euch und preist den Herrn: Gloria in excelsis Deo! Heute wurden eure heiligen Vorfahren mit dem Triumph des auferstandenen Herrn verherrlicht. Weil sie von ihm Zeugnis gaben bis zum Tod, vereint mit seinem Kreuz, nehmen sie nun für immer an seinem auferstandenen Leben teil. So sind sie eingegangen in die Freude Mariens, die am 332 REISEN Fuße des Kreuzes am Leiden und Sterben ihres Sohnes, unseres Erlösers, teilhatte. Die Königin der Märtyrer freut sich mit euch! Aber wie es meist bei großen Festen der Fall ist, können wir nicht umhin, unserer Lieben zu gedenken, die nicht kommen und an dieser Freude teilnehmen konnten: die Brüder im Norden dieses Landes und auch jene in China, durch das Korea Christus kennenlernte. Wir beten, daß sie weiterhin stark sein mögen, um ihren Glauben zu bezeugen. Möge Maria, unser aller Mutter, sie trösten und stärken. Darum flehen wir sie nun als Königin des Himmels an. „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen“ Predigt bei der feierlichen Messe und Heiligsprechung von 1Q3 Märtyrern in Seoul am 6. Mai „Mußte der Messias nicht all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24, 26). 1. Diese Worte aus dem heutigen Sonntagsevangelium wurden von Jesus gesprochen, als er in Begleitung zweier seiner Jünger von Jerusalem nach Emmaus ging. Sie erkannten ihn nicht und erzählten ihm als vermeintlich Unbekanntem alles, was sich in den letzten Tagen in Jerusalem zugetragen hatte. Sie sprachen vom Leiden und vom Tod Jesu am Kreuz. Sie sprachen von ihren zerstörten Hoffnungen: „Wir hatten gehofft, daß er es sei, der Israel erlösen werde“ {Lk 24, 21). Diese Hoffnungen wurden mit dem Tod Jesu begraben. Die beiden Jünger waren niedergeschlagen. Obwohl sie gehört hatten, daß die Frauen und die Apostel am dritten Tag nach dem Tod Jesu dessen Leichnam nicht mehr im Grab gefunden hatten, waren sie doch völlig ahnungslos, daß er lebend gesehen worden war. Diese Jünger wußten nicht, daß sie in seiner Begleitung gingen, daß sie mit ihm sprachen. „Sie waren mit Blindheit geschlagen, so daß sie ihn nicht erkannten“ {Lk 24, 16). 2. Dann begann ihnen Jesus aus der Heiligen Schrift zu erklären, daß der Messias all das leiden mußte, um in die Herrlichkeit der Auferstehung zu gelangen. Die Worte allein hatten jedoch nicht die volle Wirkung. 333 REISEN Obwohl ihnen das Herz in der Brust brannte, als sie diesem Unbekannten zuhörten, blieb er für sie doch ein Unbekannter. Erst beim Abendmahl, als er das Brot nahm, den Lobpreis sprach, das Brot brach und es ihnen gab, „da gingen ihnen die Augen auf und sie erkannten ihn“ (Lk 24, 31), aber dann entzog er sich ihren Blicken. Als sie den auferstandenen Herrn erkannten, wurden sie für alle Zeit Zeugen der Auferstehung Jesu Christi. Durch sie, durch alle Apostel, durch die Männer und Frauen, die Zeugen des Lebens und Todes Jesu Christi seines Evangeliums und seiner Auferstehung waren, verbreitete sich die Wahrheit über ihn zunächst in Jerusalem, dann in ganz Judäa und dann in anderen Ländern und bei anderen Völkern. Sie hielt ihren Einzug in die Geschichte der Menschheit. 3. Die Wahrheit von Jesus Christus erreichte auch koreanischen Boden. Sie kam durch Bücher aus China in dieses Land. Und auf ganz wunderbare Weise veranlaßte die göttliche Gnade bald eure gelehrten Vorfahren zunächst zu einer geistigen Suche nach der Wahrheit des Wortes Gottes und dann zu einem lebendigen Glauben an den auferstandenen Erlöser. Im Streben nach immer größerer Teilhabe am christlichen Glauben sandten eure Vorfahren einen der Ihren 1784 nach Peking, wo er getauft wurde. Aus diesem guten Samen entstand die erste christliche Gemeinde in Korea, eine in der Geschichte der Kirche einmalige Gemeinde, weil sie zur Gänze von Laien gegründet wurde. Diese eben flügge gewordene, so junge und doch so glaubensstarke Kirche widerstand einer fanatischen Verfolgungswelle nach der anderen. So konnte sie sich in weniger als einem Jahrhundert bereits einiger zehntausend Märtyrer rühmen. Die Jahre 1791, 1801, 1827, 1839, 1846 und 1866 sind für immer mit dem heiligen Blut eurer Märtyrer gekennzeichnet und tief in eure Herzen eingeprägt. Obwohl die Christen im ersten halben Jahrhundert nur zwei Priester aus China hatten, die ihnen - nur für einige Zeit - beistanden, vertieften sie ihre Einheit in Christus durch Gebet und brüderliche Liebe; sie mißachteten die sozialen Klassenunterschiede und ermutigten zu geistlichen Berufen. Und sie suchten immer engere Verbindung mit ihrem Bischof in Peking und mit dem Papst im fernen Rom. Nach jahrelangen Bitten um Entsendung von mehreren Priestern hießen eure christlichen Vorfahren 1836 die ersten französischen Missionare willkommen. Einige von ihnen zählen auch zu den Märtyrern, die ihr Leben um des Evangeliums willen hingaben und heute bei diesem historischen Festgottesdienst heiliggesprochen werden. Die großartige Blüte der Kirche im heutigen Korea ist wahrhaftig Frucht 334 REISEN des heldenhaften Zeugnisses der Märtyrer. Noch heute hält ihr unsterblicher Geist die Christen in der Kirche des Schweigens im Norden dieses so tragisch geteilten Landes aufrecht. 4. Heute ist es mir als Bischof von Rom und Nachfolger des hl. Petrus auf diesem Apostelstuhl gegeben, an dem Jubiläum der Kirche in Korea teilzunehmen. Ich habe bereits einige Tage als Pilger in eurer Mitte verbracht, wobei ich als Bischof und Papst meinen Dienst an den Söhnen und Töchtern der geliebten koreanischen Nation erfüllte. Der heutige Gottesdienst stellt den Höhepunkt dieses pastoralen Dienstes dar. Denn seht: Durch diese Heiligsprechungsliturgie werden die seligen koreanischen Märtyrer in die Liste der Heiligen der katholischen Kirche aufgenommen. Es sind echte Söhne und Töchter eurer Nation, zu denen eine Reihe von Missionaren aus anderen Ländern hinzukommen. Es sind eure Vorfahren, dem Blut, der Sprache und Kultur nach. Zugleich sind sie eure Väter und Mütter im Glauben, einem Glauben, für den sie durch das Vergießen ihres Blutes Zeugnis ablegten. Vom 13jährigen Peter Yu bis zum 72jährigen Mark Chong: Männer und Frauen, Kleriker und Laien, Reiche und Arme, gewöhnliche Leute und Adelige, viele von ihnen Nachkommen früherer Märtyrer, die keiner mehr kennt - sie alle starben um Christi willen. Hören wir die letzten Worte der Teresa Kwon, einer der frühen Märtyrerinnen: „Da der Herr des Himmels der Vater der ganzen Menschheit und der Herr der Schöpfung ist, wie kannst du da von mir verlangen, ihm die Treue zu brechen? Selbst in dieser Welt wird keinem, der seinen Vater oder seine Mutter hintergeht, vergeben werden. Um so weniger werde ich von ihm lassen, der unser aller Vater ist.“ Eine Generation später erklärte Peter Yus Vater Augustine standhaft: „Da ich einmal Gott kennengelernt habe, kann ich unmöglich von ihm lassen.“ Peter Cho geht noch weiter, wenn er sagt: „Selbst wenn einer vermutet, sein Vater habe ein Verbrechen begangen, kann er doch nicht leugnen, daß er weiter sein Vater ist. Wie kann ich dann sagen, ich kenne den himmlischen Herrn und Vater nicht, der so gut ist?“ Ähnlichkeit mit dem Tod Christi am Kreuz Und was sagte die 17jährige Agatha Yi, als ihr und ihrem jüngeren Bruder fälschlicherweise gesagt wurde, ihre Eltern wären vom Glauben abgefallen? „Ob meine Eltern vom Glauben abgefallen sind oder nicht, das ist ihre Sache. Was uns betrifft, so können wir den Herrn des 335 REISEN Himmels, dem wir immer gedient haben, nicht verraten.“ Als sie das hörten, lieferten sich sechs andere erwachsene Christen freiwillig dem Märtyrertod aus. Agatha, ihre Eltern und jene sechs anderen werden alle heute heiliggesprochen. Außer ihnen gibt es unzählige andere unbekannte, demütige Märtyrer, die nicht weniger treu und tapfer dem Herrn gedient haben. 5. Die koreanischen Märtyrer haben Zeugnis gegeben für den gekreuzigten und auferstandenen Christus. Durch das Opfer ihres eigenen Lebens sind sie in ganz besonderer Weise Christus gleich geworden. Die Worte des hl. Apostels Paulus hätten wahrhaftig von ihnen gesprochen worden sein können: „Wir tragen immer das Todesleiden Jesu an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. Denn immer werden wir ... um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird“ (2 Kor 4, 10-11). Der Tod der Märtyrer hat Ähnlichkeit mit dem Tod Christi am Kreuz, weil wie dieser auch ihr Tod zum Beginn neuen Lebens geworden ist. Dieses neue Leben ist nicht nur an ihnen selbst - an denen, die für Christus den Tod auf sich nahmen - offenbar geworden, sondern es erreichte auch andere. Es wurde zum Sauerteig der Kirche als der lebendigen Gemeinschaft von Jüngern und Zeugen Jesu Christi. „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christen.“ Dieser Satz aus den ersten Jahrhunderten des Christentums findet vor unseren Augen seine Bestätigung. Heute ist es der Wunsch der Kirche auf koreanischem Boden, auf feierliche Weise der Heiligsten Dreifaltigkeit Dank zu sagen für das Geschenk der Erlösung. Von diesem Geschenk schreibt der hl. Petrus: „Ihr wurdet ... nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft, nicht um Silber und Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi“ (7 Petr 1,18-19). Diesem erhabenen Preis, diesem Preis der Erlösung, möchte eure Kirche auf der Grundlage des Zeugnisses der koreanischen Märtyrer ein bleibendes Zeugnis des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe hinzufügen. Möge durch dieses Zeugnis Jesus Christus in eurem Land immer weiter bekannt werden: der gekreuzigte und auferstandene Christus, Christus, der Weg, die Wahrheit und das Leben. Christus, wahrer Gott: der Sohn des lebendigen Gottes. Christus, wahrer Mensch: der Sohn der Jungfrau Maria. In Emmaus erkannten einst zwei Jünger Christus, „als er das Brot brach“ (Lk 24, 35). Mögen auf koreanischem Boden immer mehr Jünger ihn in 336 REISEN der Eucharistie erkennen. Empfangt seinen Leib und sein Blut unter den Zeichen von Brot und Wein, und er, der Erlöser der Welt, möge euch in der Einheit seines Leibes empfangen durch die Kraft des Heiligen Geistes. Möge dieser feierliche Tag zu einem Unterpfand des Lebens und der Heiligkeit für künftige Generationen werden. Jesus Christus ist von den Toten auferstanden und lebt heute in seiner Kirche. „Der Herr ist wirklich auferstanden“ (Lk 24, 34). Amen. Halleluja! Im Anschluß an seine Predigt in Englisch sagte der Papst auf französisch: Wie sollten wir nicht mit lebhafter Dankbarkeit und Bewunderung an die französischen Missionare der Auslandsmissionen in Paris erinnern, die von weither gekommen waren, um dieser jungen Kirche ihren Evangelisierungseifer zur Vertiefung des Glaubens zu bringen, und an das Geschenk ihres bischöflichen und priesterlichen Dienstes, der allein der Gemeinde ihre kirchliche Struktur gibt, indem er die Gläubigen mit Christus, ihrem Haupt, vereint und sie in die Universalkirche eingliedert. Ich möchte wenigstens Msgr. Imbert namentlich nennen, der als erster Bischof in diesem Land das Wort Gottes verkündete, und Msgr. Berneux, der sich darum bemühte, den Gläubigen Bücher über die christliche Lehre und Spiritualität zur Verfügung zu stellen; und wir loben auch den Eifer und rühmen das Martyrium von ungefähr zehn französischen Missionspriestern: Mit ihnen waren sie Tag und Nacht für die Sache des Evangeliums tätig, indem sie in der Zeit der Verfolgung den Glauben stärkten und sogar versuchten, Priesterberufe im Land zu wecken, und sie nahmen für Christus das Opfer ihres Lebens auf sich. Ich begrüße hier die französischen Bischöfe und Pilger, die gekommen sind, um die Landsleute dieser wertvollen Diener des Evangeliums, ihre Familien, ihr Missionsinstitut und ihre Diözesen zu vertreten. Möge der Heilige Geist unter ihnen neuen missionarischen Eifer wecken, wie ich in Lisieux gebetet habe: Die Kirche hat ihn immer sehr nötig! 337 REISEN Einen brüderlichen Dialog pflegen Ansprache bei der Begegnung mit den Repräsentanten der traditionellen Religionen in Seoul am 6. Mai Liebe Freunde! Während der Vorbereitung auf meine Koreareise habe ich mit besonderen Erwartungen diesem Treffen mit Ihnen entgegengesehen, den geistlichen Führern in diesem altehrwürdigen Land. Sie wissen, daß der Hauptgrund meiner Reise die mir übertragene Pflicht ist, die Jünger Jesu Christi, die Glieder der katholischen Kirche sind, in ihrem Glauben zu führen und zu stärken. Doch ich will auch meine hohe Wertschätzung für das jahrtausendealte, wertvolle Kulturerbe und die bewunderungswürdigen Traditionen ausdrücken, deren Hüter und lebendige Zeugen Sie sind. Ich danke Ihnen, daß Sie mir heute durch Ihre Anwesenheit die Gelegenheit dazu geben. 1. Die katholische Kirche ist bemüht, in einem freundlichen Dialog mit allen großen Religionen zu stehen, die die Menschen durch die Geschichte geführt haben. Dies sollten wir fortsetzen, damit unser gegenseitiges Verständnis und unsere Zusammenarbeit wachsen und die geistlichen und sittlichen Werte, die wir hochhalten, den Männern und Frauen unserer Zeit Weisheit und innere Stärke bieten können. In der Tat, die Religionen haben heute, in einer sich rasch wandelnden Gesellschaft wie in Korea, mehr denn je eine lebensnotwendige Funktion inne. In dem Sinn, wie der einzelne sein wahres Selbst finden muß, indem er über sich hinausgeht und Harmonie mit dem Universum und mit anderen anstrebt, so muß auch eine Gesellschaft, eine Kultur, eine Gemeinschaft von Menschen versuchen, die geistlichen Werte, die ihre Seele sind, zu pflegen. Und dieser Imperativ ist um so dringender, je tiefer der Wandel ist, von dem unser Leben heute betroffen ist. 2. In dieser Hinsicht schaut die Welt mit besonderem Interesse auf Korea. Denn das koreanische Volk hat im Laufe der Geschichte mit der großen ethischen und religiösen Einsicht des Buddhismus und Konfuzianismus den Weg zur Selbsterneuerung und zur Festigung des ganzen Volkes in Tugend und in edler Absicht gesucht. Der tiefe Respekt vor Leben und Natur, die Suche nach Wahrheit und Harmonie, die Selbstver- 338 REISEN leugnung und das Mitleid, daß unaufhörliche Streben, über sich hinauszugehen, diese Attribute zählen zu den edelsten Merkmalen Ihrer geistlichen Tradition, die die Nation und die Menschen durch ihre unruhigen Zeiten zum Hafen des Friedens geführt hat und auch weiterhin führen wird. Unsere Verschiedenheit im religiösen und ethischen Glauben fordert uns auf, den wahren, brüderlichen Dialog zu pflegen und besonders das zu berücksichtigen, was die Menschen gemein haben und was die Einheit unter ihnen fördert (vgl. Nostra aetate, Nr. 1). Solch eine konzentrierte Anstrengung wird zweifellos ein Klima des Friedens schaffen, in dem Gerechtigkeit und Erbarmen gedeihen können. 3. Wir Katholiken haben soeben das Jubiläumsjahr der Erlösung gefeiert. In dieser Zeit der Gnade waren wir bestrebt, das Geschenk der Versöhnung zu leben, das uns durch Christus gewährt wurde, und haben uns bemüht, uns selbst mit Gott und unseren Mitmenschen zu versöhnen. Wäre es nicht eine gute Sache, wenn auch zwischen den Gläubigen verschiedener Traditionen und zwischen den Religionen selbst eine ähnliche Begegnung der Geister und Herzen verwirklicht werden könnte durch unseren gemeinsamen guten Willen und unsere Pfücht, dem echten Wohl der Menschheitsfamilie zu dienen? Wenn die katholische Kirche Jesus Christus verkündet und in den Dialog mit den Gläubigen anderer Religionen eintritt, so tut sie dies, um Zeugnis von seiner Liebe für alle Menschen zu allen Zeiten zu geben, einer Liebe, die für die Versöhnung und Erlösung der Welt am Kreuz offenbar wurde. In diesem Geist sucht die Kirche, eine tiefere Gemeinschaft mit allen Völkern und Religionen zu fördern. 4. Darf ich einen besonderen Gruß an die Anhänger der buddhistischen Tradition richten, die sich anschicken, die Ankunft Buddhas zu feiern? Möge Ihre Freude groß sein und Ihr Glück vollkommen. Ich erneuere meine aufrichtigen Gefühle der Hochachtung und meines guten Willens. Mögen wir alle erleuchtet werden, unsere schwere Verantwortung klug wahrzunehmen. Ich danke Ihnen. 339 REISEN In Verbindung mit der Universalkirche Ansprache an die Mitglieder des nationalen Pastoralrats Koreas im Catholic Medical College in Seoul am 6. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! „Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ {Mt 28, 19). Diese letzte Weisung des auferstandenen Herrn, der die Apostel bis zu den Enden der Erde aussendet, die Frohe Botschaft zu verkünden, ist der wirkliche Grund, weshalb wir heute hier versammelt sind. Bei der 200-Jahr-Feier des christlichen Glaubens in eurem Land habt ihr froh und dankbar beschlossen, mit Gottes Gnade „Licht für dieses Land“ zu bringen. Bei dieser nationalen Pastoraltagung möchtet ihr gemeinsam — in enger Zusammenarbeit mit euren Bischöfen und in Einheit mit der ganzen Kirche - beten und nach Wegen suchen, diesen Beschluß in lebendige Wirklichkeit umzusetzen. 1. Jesus Christus, der euch diese Sendung anvertraut hat, war nicht nur der erste und größte Verkündiger des Evangeliums, sondern selbst die Frohe Botschaft vor Gott (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 7). Wenn ihr wissen wollt, was euer Auftrag ist und wie ihr ihn erfüllen könnt, müßt ihr euch also zu ihm hinwenden. Jesus sagt: „Ich muß . . . das Evangelium vom Reich Gottes verkünden; denn dazu bin ich gesandt worden“ {Lk 4, 43). „Von da an begann Jesus zu verkünden: Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe“ {Mt 4, 17). Aber was ist dieses Himmelreich? In Jesu eigenem Mund wird diese Botschaft von Hoffnung und Heil zu Seligpreisungen: „Selig, die arm sind vor Gott . . . Selig die Trauernden . . . Selig, die keine Gewalt anwenden . . . Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit . . . Selig die Barmherzigen . . . Selig, die ein reines Herz haben . . . Selig, die Frieden stiften . . . Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden . . . Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet“ {Mt 5, 3-11). 340 REISEN Christus hat das nicht nur gepredigt. Durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung wurde er selbst zu Gottes Heilsbotschaft (vgl. Mk 1,1; Röm 1, 3). Er selbst ist „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Joh 14, 6). Aus dieser Tatsache hat das Zweite Vatikanische Konzil einen Schluß gezogen, der uns alle angeht: „Unter Führung des Geistes Christi muß die Kirche denselben Weg gehen, den Christus gegangen ist, nämlich den Weg der Armut, des Gehorsams, des Dienens und des Selbstopfers bis zum Tod hin, aus dem er dann durch seine Auferstehung als Sieger hervorging. Denn solchermaßen sind alle Apostel in der Hoffnung gewandelt“ (Ad gentes, Nr. 5). Die ersten Christen hatten keinen Wohlstand, kein Ansehen, keine Macht, nicht einmal Kirchengebäude. Aber wie Jesus selbst und durch ihn wurden sie mit seinem Geist erfüllt, sie legten für die Frohe Botschaft mit ihrem Leben Zeugnis ab und gewannen so viele zur Umkehr (vgl. Apg 2, 42 ff.). 2. Und eure heiligen Vorfahren? Sie glaubten fest an die Seligkeiten und lebten sie. Sie machten die Gegenwart Jesu sichtbar und glaubwürdig durch ihr Leben. Nur dieses lebendige Zeugnis, getragen von großer Liebe und evangelischem Eifer, kann erklären, wie die Kirche unter der grausamsten Verfolgung gewachsen ist. Ein kostbares Erbe in den Beispielen eurer Vorfahren Heute fragt ihr euch, wie ihr wieder Zeugnis für die Frohe Botschaft vom Gottesreich geben könnt. Die Kirche in Korea ist weithin als blühend bekannt. Sie hat Großes getan. Deshalb müßt ihr eure Herzen in froher Dankbarkeit zu Gott wenden. Ihr steht vor manchen Herausforderungen: Wie kann eine Kirche wie die eurige die Seligpreisungen in der gegenwärtigen Situation eurer Familien, eures sozialen und nationalen Lebens in die Praxis umsetzen? Was müßt ihr tun, damit ihr nicht nur an Zahl wachst, sondern auch an christlicher Reife, an geistlicher Tiefe? Über all das wird eure Pastoraltagung sprechen. Das sind die Anliegen, mit denen sich eure Diskussionen und Überlegungen: beschäftigen werden. 3. Ihr habt das Glück, ein beneidenswertes, ja kostbares Erbe in den herausragenden Beispielen eurer Vorfahren zubesitzen, die euch anspornen und in das dritte Jahrtausend christlicher Geschichte führen können. Zunächst das Band brüderlicher Liebe, die keine Grenzen kennt: Vor- 341 REISEN nehme und einfache Leute, reich und arm, finden sich zusammen, beten und leiden zusammen und teilen alles als Brüder und Schwestern, die sich in der Not helfen. Keine Gruppe dominiert über die andere, und keine wird vernachlässigt, wie das sooft in der Welt geschieht. Der kleinste und ärmste fühlt sich in der Gemeinschaft des Glaubens zu Hause. Wie wird sich die Kirche in Korea verhalten, wenn sie diese Tugenden verwirklichen will, damit die Armen, die Arbeiter, die abseits Stehenden ohne Unterschied der Person geliebt und bedient werden? Damit der Geist der Seligpreisungen über jede Form von Diskriminierung und Selbstsucht siegen kann? Dann gibt es das unvergleichliche Beispiel einer Laienschaft voll apostolischer Initiativen und voll Eifer. Der Tradition der ersten Pioniere folgend, die aus eigenem Antrieb den Glauben suchten, studierten, zusammen beteten und die Frohe Botschaft verbreiteten, bildeten sich Gruppen von Katecheten und Katechetinnen um 1780. Auf die gleiche Weise muß heute dem unschätzbaren Werk der „Myongdo Society“, der „Gesellschaft, die den Weg erleuchtet“, während der Jahrzehnte der Verfolgung nachgeeifert werden. Möge das selbstlose Apostolat des hl. Paul Chong Hasang euch anspornen! Eure Vorfahren forderten kein Entgelt und keine Anerkennung, sondern dienten freundlich und hochherzig den anderen und verkündeten das Evangelium. Bewundernswert ist das Glaubensleben in der Familie. Von den 103 heute kanonisierten Märtyrern kommen viele aus den gleichen Familien, sind blutsverwandt oder Nachkommen von Märtyrerfamilien. Das ist so, weil sie zusammen gebetet haben und zusammen im Glauben gereift sind, weil sie gelernt haben, Gott zu fürchten und zu lieben und die Menschen als Gotteskinder, die alle zu seiner Familie gehören, zu behandeln, zu achten und zu lieben. Die Familie ist die „Hauskirche“, wo die Eltern „für ihre Kinder die ersten Glaubensboten“ sind und wo die Berufungen sich festigen (vgl. Lumen gentium, Nr. 11). Die gläubige christliche Familie ist „ein Raum, wo das Evangelium ins Leben übersetzt wird und wo daher dieses Evangelium aufleuchtet“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 71). Wie werdet ihr, auf den großen spirituellen und kulturellen Traditionen Asiens aufbauend, immer mehr eine Kirche betender Familien und ein Beispiel für die übrige Welt? 4. Eure Vorfahren im Glauben machten bewunderungswürdige Anstrengungen, das Evangelium in ihrer eigenen Kultur und nationalen Identität einzupflanzen. In einfacher, aber tiefer und schöner Sprache predigten sie und komponierten Lieder, Gebete, Hymnen, verfaßten Katechismen und 342 REISEN Andachtsbücher, die tief in ihrer eigenen Kultur wurzelten und direkt zu Seele und Herz des Volkes sprachen. Wenn diese Bemühungen nachgeahmt und unterstützt werden, führen sie um so sicherer zur Evangelisierung der Kultur und ihrer Identität. Besonders heute, wo der Einfluß nichtassimilierter fremder Zivilisation mit einem anderen Lebensstil und anderen Denkformen im Wachsen ist, die auch Verwirrung im Leben der Kirche schaffen, wird eure vorsorgliche und aufklärende Arbeit unschätzbar sein. 5. Fest verwurzelt in ihrer eigenen Identität, haben eure Vorfahren nie aufgehört, die engstmögliche Verbindung mit der Universalkirche in Glauben, Gottesdienst und Leben zu suchen. Keine Anstrengung, kein Opfer war zuviel, um Beziehungen zum Bischof von Peking und zum Nachfolger Petri zu schaffen und lebendig zu erhalten. Der hl. Paul Chong Hasang wanderte neun Tage zu Fuß und im geheimen nach Peking, um den dortigen Bischof zu sehen. Und wie wollt ihr jetzt das Universale im Besonderen suchen und das Besondere in einer Weise leben, die die ganze Kirche bereichert? Eure koreanischen Ahnen fanden den Glauben über China. Aber, obwohl sie ihrer eigenen Identität treu blieben, standen sie immer in voller Einheit mit der Universalkirche. So gaben sie ein lebendiges Beispiel dafür, daß die eigene Identität und wahre Katholizität, ohne sich gegenseitig auszuschließen, einander bedürfen. Und es ist gut zu sehen, daß ihr, liebe Gläubige von Korea, euch ernsthaft bemüht, dieses kostbare Erbe schöpferisch für heute und morgen auszuwerten. Möge das große und weise Volk Chinas, das zuerst den Glauben empfangen hat, versuchen, als treue Chinesen diesen Glauben in voller Gemeinschaft mit der ganzen Kirche zu leben, zur Freude und zur Bereicherung aller. 6. Zweifellos bringt unser Zeitalter eine Menge vollkommen neuer Herausforderungen mit sich, durch nie dagewesenen, schnellen und tiefen Wandel. Aber, je mehr ihr in dem dritten Jahrhundert der Anwesenheit der Kirche in eurem Land fortschreitet, laßt euch bei der Verkündigung der Frohen Botschaft von einem klaren Zeugnis des Lebens leiten, von Versöhnung durch Umkehr und Teilen in Liebe, was die Themen meines Pastoralbesuches in Korea sind. Auf diese Weise werdet ihr „Licht für dieses Land“ bringen, aber vor allem werdet ihr selbst „Licht für dieses Land“ sein. Möge die Gesellschaft der heiligen Märtyrer euch an diesem Tag begleiten, möge die selige Gottesmutter Maria, der „Meeresstern“, euch und eure Lieben in den Himmel ihres Sohnes, unseres Herrn Jesus 343 REISEN Christus, geleiten, dem „Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft gebühren in alle Ewigkeit“ (Offb 5, 13). „Die ganze Kirche ist mit euch“ Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend im Sportpalast in Seoul am 6. Mai Liebe Jugend von Seoul, liebe Jugend von Korea! 1. Ich freue mich sehr, euch zu begegnen und in der Liebe Jesu Christi, unseres Herrn, zu umarmen. Ich freue mich, euch zu begegnen, gerade weil ihr jung seid. Jung sein heißt, Aufrichtigkeit schätzen zu können. Heißt, nach dem Weg eines sinnvollen Lebens zu suchen. Jung sein heißt, sich zu begeistern für Wahrheit, Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden, Schönheit und Güte. Jung sein heißt, Lust am Leben zu haben, an einem glücklichen, sinnvollen Leben: einem Leben, das es wert ist, gelebt zu werden. Jung sein heißt, voller Ideale und Hoffnungen zu sein. Es heißt auch, Einsamkeit zu erfahren und die Angst, daß diese wertvollen Hoffnungen nicht erfüllt werden. Und je mehr ihr das Leben liebt und je größer eure Hoffnungen sind, um so stärker sind manchmal auch eure Ängste. Denn was auf dem Spiel steht, ist zu wichtig, verlorenzugehen: das einmalige Leben, das Gott euch geschenkt hat, das niemand für euch leben kann. Junger Christ zu sein ist all das und noch mehr: es bedeutet, in Christus zu leben! 2. Als Leitwort dieses Treffens habt ihr gewählt: „Gott - ich - die Menschen.“ Das sind sehr bedeutsame Worte. Aber für euch sind es mehr als Worte. Sie werfen Fragen voller Hoffnung und Angst auf. Sie sind die großen Herausforderungen und Bestrebungen, von denen der Erfolg eures Lebens abhängt. Deshalb wollt ihr über diese Dinge sprechen, sie erforschen, darüber im Gebet meditieren und für sie aktiv werden - allein, mit anderen, mit Gott. Als typische junge Menschen habt ihr wichtige Fragen über das Leben: über das Leben zu Hause, in der Schule und im weiteren Kontext mit der Gesellschaft der Erwachsenen. Es gibt viele Dinge in eurem Leben, die 344 REISEN euch Sorgen machen: Warum muß die Schule Ort eines so unbarmherzigen Konkurrenzkampfes sein? Warum ist so ein Unterschied zwischen dem, was euch zu Hause gesagt wird, und dem, was ihr in der Schule hört? Warum wollen euch die Erwachsenen anscheinend nicht verstehen und euch, eure Ideen und eure Wünsche nicht anerkennen? Was müßt ihr von aller Unehrlichkeit denken, von allen Widersprüchen und Ungerechtigkeiten in eurer Umgebung, die euch allen als unvermeidlich im sozialen Kontext dargestellt werden? Warum muß das Leben ein Kampf gegen künstlich aufgestellte Hürden sein, besonders für jene von euch, die schon in ihren jungen Jahren so schwer arbeiten müssen? Was könnt ihr für den Frieden im eigenen Land und in der heutigen Welt, die iso voll von Gewalttätigkeiten und Haß ist, tun? Ihr habt auch Fragen über die Kirche. Steht sie euch genügend nahe? Ist sie wirklich imstande, euch zu inspirieren, nach dem Evangelium zu leben, mehr für die Armen und Schwachen Sorge zu tragen, jede Form des Egoismus zu überwinden und jedes Menschenwesen als Bruder und Schwester zu behandeln? Ihr stellt diese Fragen, weil ihr wirklich besorgt seid. Und ihr glaubt, daß das, was ihr erhofft, errungen werden kann. Deshalb seid ihr die Hoffnung unserer aller Zukunft, und deshalb liebe ich euch so sehr. Manchmal werdet ihr mißverstanden. Ihr kämpft gegen eine Mauer der Verständnislosigkeit. Aber verliert nicht den Mut! Man muß seinen Weg gehen. Habt Mut! Der Herr ist mit euch auf eurem Weg. Weil ihr mit dem Herrn gehen wollt, deshalb seid ihr mit all euren Freuden und Sorgen, euren Ängsten und Hoffnungen zu Jesus Christus gekommen. Der hl. Petrus sagt: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6, 68). Ja, Jesus Christus hat Worte des ewigen Lebens für euch, für alle jungen Menschen in Korea, für alle jungen Menschen der ganzen Welt. Heute abend spricht Jesus zu euch mit den Worten des hl. Paulus an seinen Jünger Timotheus: „Kämpft den guten Kampf des Glaubens, ergreift das ewige Leben, zu dem ihr berufen seid“ (2 Tim 6, 12). Die meisten von euch haben Jesus schon durch die Taufe angenommen und wurden für den guten „Kampf des Glaubens“ im Sakrament der Firmung gestärkt. Aber was ist dieser Glaube? Die Grundsätze des Evangeliums nicht verwässern Es ist der Glaube an „Christus Jesus, der vor Pontius Pilatus das gute Bekenntnis abgelegt hat“ (2 Tim 6, 13). Ihr kennt den Abschnitt aus dem 345 REISEN Johannesevangelium. Pilatus wollte wissen, welche Anklage gegen Christus vorgebracht wurde. Er wollte wissen, wer Jesus ist. Jesus bekannte aufrichtig, wer er ist: „Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, daß ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18, 37). Aber was ist die Wahrheit, für die Christus Zeugnis ablegt? Es ist die Tatsache, daß Gott uns liebt, daß er selbst die Liebe ist, daß, wer immer Jesus sieht, den Vater sieht (vgl. Joh 14, 9). Die Wahrheit ist, daß Gott, der Vater Jesu, auch unser Vater ist: „der selige und einzige Herrscher, der König der Könige und Herr der Herren, der allein die Unsterblichkeit besitzt, der in unzugänglichem Licht wohnt, den kein Mensch gesehen hat noch je zu sehen vermag“ (7 Tim 6, 15-16). Diesen Gott, den die Menschheit und jede oder jeder von uns auf ihre oder seine Weise gesucht hat, wird uns und der ganzen Welt durch Jesus verkündet. Jesus besiegelte das Bekenntnis seiner Wahrheit, indem er sein Leben für uns am Kreuz hingegeben hat und von den Toten auferstanden ist. 4. Wenn ihr diese Wahrheit annehmt und wenn ihr am Paschaopfer Christi teilhabt, dann tut ihr das, was der hl. Timotheus empfahl: „Ergreife das ewige Leben, zu dem du berufen worden bist...“ (i Tim 6, 12). Es ist nicht leicht. Zuerst werdet ihr gegen den Unglauben ankämpfen müssen: euren eigenen und dann gegen den Unglauben jener, die wie Pontius Pilatus gleichgültig sind oder die Hoffnung schon aufgegeben haben, jemals den wahren Sinn ihres Lebens zu finden. Wie Pilatus fragen auch sie ohne Hoffnung: „Was ist Wahrheit?“ und gehen ohne Antwort fort. Dann müßt ihr gegen die Versuchung kämpfen, die Grundsätze des Evangeliums zu verwässern, gegen die Versuchung, die Botschaft Jesu zu verfälschen, indem ihr die Forderungen der persönlichen und sozialen Moral, die er an jene, die ihm folgen, gestellt hat, abschwächt. Gegen diese Versuchungen kämpfen heißt, den „guten Kampf des Glaubens zu kämpfen“. 5. Es ist jetzt an euch, euch zu fragen, wie auch ihr im praktischen Leben „das gute Bekenntnis ablegen“ könnt, an eurer Stelle, hier und jetzt, „bei Gott, von dem alles Leben kommt, und bei Christus Jesus“ (1 Tim 6, 13) und bei unseren Zeitgenossen. Mit anderen Worten, wohin gehen „Gott — ich - die Menschen“? Welchen Weg werde ich einschlagen? In der Lesung aus dem ersten Brief an Timotheus, die wir vernommen haben, werden zwei Lebenshaltungen beschrieben, zwei mögliche 346 REISEN Lebenseinstellungen. Eine davon ist verkehrt und muß abgelehnt werden, die andere ist der rechte Weg zum „Leben, das wahres Leben“ ist (ebd., Vers 19). Zuerst kommt die Einstellung der „Reichen in dieser Welt“, die überheblich sind und all ihr Vertrauen in den Reichtum setzen und was damit verbunden ist: Privilegien, Macht, Einfluß. Dann kommt die Einstellung jener, die ihr Vertrauen auf Gott setzen, die Gutes tun, die „reich an guten Werken“ sind. Es ist nicht so sehr die Frage, Reichtum zu besitzen oder nicht: Was wirklich zählt, sind die Haltung des Herzens und die guten Werke, die ihm entspringen. Sogar junge Menschen und materiell Arme können „reich“ im Herzen und „überheblich“ im Geist sein, wenn sie den Horizont ihrer Hoffnungen und Träume auf egoistisches Streben nach Macht und materiellem Wohlstand beschränken. Wie ihr selbst wißt, ist die Versuchung in der Tat groß, diesen Weg einzuschlagen. Ihr spürt es besonders, wenn ihr „realistisch“ — sagt ihr -glaubt, es sei sinnlos, sich zu bemühen, gut und uneigennützig zu sein in einer Welt voller Ungerechtigkeit, die kalt und haßerfüllt ist, in der es anscheinend keinen Platz für die „Gewaltlosen“ und die „vor Gott Armen“ gibt, von denen Jesus in den Seligpreisungen spricht. Aber gegen diese Abwertung kämpfen heißt, „den guten Kampf des Glaubens kämpfen“. Wenn ich eure offenen, jungen Gesichter heute abend hier sehe, dann weiß ich, daß ihr richtig leben wollt. Ich bin überzeugt, daß ihr den Weg, den Christus gelehrt hat, wählen und nicht aufgeben werdet. Und da ihr euch bemüht, eine bessere Welt zu bauen, werdet ihr euch in acht nehmen vor den Versuchungen, die euer eigenes Leben verunsichern — der Versuchung, Ungerechtigkeit mit Ungerechtigkeit, Gewalt mit Gewalt oder jede andere Art von Bösem mit Bösem zu vergelten. Eure Waffen sind anderer Art. Sie sind Wahrheit, Gerechtigkeit, Friede und Glaube - und sie sind unüberwindlich. Die Macht, die ihr im „guten Kampf des Glaubens“ ausübt, ist „das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes“ (vgl. Eph 6, 17). Nur das Wort Gottes zeigt den Weg, der zum Sieg führt, und zwar über die Versöhnung und die Liebe. 6. Es ist wichtig für euch, festzustellen, daß ihr nicht allein steht. Die ganze Kirche ist mit euch bei eurer Entscheidung, dem Weg unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus zu folgen. Ihr seid die junge Generation der Kirche in Korea, die jetzt der Heiligsten Dreifaltigkeit für die hundert Jahre ihrer Mission in eurem Heimatland dankt. 347 REISEN Zeigt der Welt den Weg der Wahrheit Es ist jetzt an euch, dieses Erbe in seiner Fülle zu erfassen und es an die kommenden Generationen weiterzugeben. Aus diesem Grund ist es wichtig, daß ihr euch in der Kirche zu Hause fühlt, daß ihr euren Platz in der Kirche einnehmt, besonders indem ihr mehr und mehr am Leben eurer Pfarrgemeinde und der Apostolatsarbeit teilhabt. „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ {Mt 5, 16). Zeigt der Welt, daß ihr den Weg der Wahrheit, der Güte und des Erbarmens, der Rechtschaffenheit und der Liebe, der Vergebung und, wo notwendig, der Versöhnung und der Offenheit gegenüber allen gewählt habt. Ja, den Weg der Hochherzigkeit, der Selbstdisziplin und des Gebetes. Und wenn euch jemand fragt, warum ihr so lebt, dann werdet ihr antworten: „Weil ich an Jesus Christus glaube!“ 7. Ihr werdet Kraft brauchen, aber Gott wird euch seine Gnade schenken. Die Gnade ist wahrhaftig die Kraft Gottes, die euch den Weg zum Leben, das wahres Leben ist, weisen wird. Liebe, junge Menschen! Nur in der Verbundenheit mit Christus durch das Gebet — mit Christus, eurem Bruder und Retter, mit Christus, dem Sohn des ewigen Vaters - werdet ihr den vollen Sinn des Lebens begreifen, die Gnade erhalten, es in Fülle zu leben, es in Christus zu leben! „Die Gnade sei mit euch!“ Und in diesem schönen Monat Mai, dem Monat der Jugend und dem Monat der seligen Gottesmutter Maria, möge sie, die „voller Gnaden“ ist, euch lieben und mit ihrem Sohn Jesus Christus ewig bei euch bleiben! „Begegnung hat neue Hoffnung gegeben“ Grußwort vor dem Abflug von Seoul am 7. Mai Da ich nun von euch und eurem schönen Land Abschied nehme, ist mein Herz voll von Dankbarkeit, Freude und Hoffnung. 1. Ich bin zutiefst dankbar für die rührende Wärme und Freundlichkeit, die ich empfangen habe, für die edle Gastfreundschaft, die mir von der Regierung wie von der Kirche und vom ganzen koreanischen Volk zuteil 348 REISEN wurde. Meinen ganz besonderen Dank spreche ich denen aus, die in aller Stille viele verborgene Opfer gebracht haben, damit dieser Besuch anderen Freude bringe. Eine beispielhafte Nation und christliche Gemeinschaft aufbauen Vor allem aber danke ich Gott, unserem Vater, daß er mich diese Pilgerfahrt in euer Land unternehmen ließ, daß er es mir gewährte, seine edlen Söhne und Töchter - den hl. Andreas Kim und seine 102 Märtyrergefährten - zur Ehre der Altäre zu erheben. 2. Ich verlasse euch, aber ich empfinde auch große Freude - Freude vor allem darüber, daß ich die Gelegenheit hatte, bei der 200-Jahr-Feier und der Heiligsprechung bei euch zu weilen. Das war gewiß eine große Erfahrung nicht nur für die katholische Kirche, sondern für das ganze koreanische Volk, das durch diese heiligen Vorfahren geehrt wird. Es war wirklich eine große Freude für mich, an eurem Glück teilzunehmen. Das Leben wäre traurig und öde, es würde ihm Freude und Glanz fehlen ohne solche Fröhlichkeit und ohne Offenheit für die jenseitigen Werte, die diese Ereignisse verkörpern. 3. Und diese unsere Begegnung hat mir viel neue Hoffnungen gegeben. Die jugendliche Lebenskraft, der leidenschaftliche Eifer, aufzubauen, die Bereitschaft, alle notwendigen Anstrengungen und Opfer zu bringen, eine beispielhafte Nation und echte, christliche Gemeinschaft aufzubauen - all das weckt Vertrauen und Hoffnung für ein würdiges Morgen. Zugleich drängt mich all das, mit tiefer Trauer, Sympathie und Sorge eurer Eltern und Kinder, Geschwister, Freunde und Verwandten im Norden zu gedenken, die an eurer Festesfreude nicht teilnehmen konnten und die alle voll Schmerz und Erwartung sich danach sehnen, in einer einzigen glücklichen Familie wiedervereint zu sein. Laßt darum mein Abschiedswort in ein glühendes Gebet ausmünden: Der barmherzige und gütige Herr gewähre euch allen wahres Glück und Frieden in einer Gesellschaft der Gerechtigkeit und der brüderlichen Liebe. Habt Dank, und Gott segne euch! 349 REISEN Gott hat dieses Land gesegnet Predigt bei der Messe im Murray-Stadion in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 7. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Jesus Christus! 1. „Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage . . . Ich habe euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15, 14 f.). Diese Worte spricht Jesus im Abendmahlssaal in der Nacht vor seinem Leiden. Es waren Worte der Freundschaft und Liebe für die, die er zu seinen engeren Jüngern berufen hatte, Worte des Trostes und der Ermutigung für die, die er erwählt hatte, sein Heilswerk, dem Willen des Vaters gehorsam, fortzusetzen. Heute feiert und lebt die Kirche diese Worte Christi in der Abendliturgie, die wir in diesem Stadion von Port Moresby mit euch darzubringen die Freude haben. Ich spreche diese Worte zu euch, denen Christus mitteilte, was er von seinem Vater gehört hatte - euch, die ihr getan habt, was er euch aufgetragen hat. Heute richte ich diese Worte an alle, die das Werk der Apostel in Papua-Neuguinea fortsetzen: an die hier versammelten Bischöfe mit ihren Priestern, an die Ordensmänner und -frauen und die Laienapostel dieses Landes, ganz besonders an die vielen eifrigen Katecheten. 2. In diesem Augenblick wenden sich meine Gedanken in besonderer Weise den Missionaren zu: denen, die als erste die Botschaft Christi auf diese Inseln gebracht haben, und denen, die ihr Werk heute fortsetzen. Ich kann nicht die ganze Geschichte des Evangeliums in Papua-Neuguinea wiederholen, aber ich möchte mich vor der heiligen Geschichte der Evangelisierung hier verneigen und einige der Apostel nennen, die lebten und starben, damit die Söhne und Töchter dieses Ortes Jesus Christus, den Sohn Gottes und Erlöser der Welt, kennen und lieben lernten. Den ersten Versuch der Evangelisierung machten 1847 die Maristen auf den Inseln Woodlark und Rooke. Aber sie mußten weichen. Fünf Jahre später wurde ein zweiter Versuch von den PIME-Missionaren gemacht. Aber nach nur drei Jahren wurden sie gezwungen, ihre Missionsarbeit aufzugeben, nachdem einer von ihnen sein Leben als Glaubenszeuge 350 REISEN hingegeben hatte: der selige Johannes Mazzuconi, der 1855 auf Woodlark den Tod erlitt und kürzlich in Rom seliggesprochen wurde. Mit der Ankunft der Missionare vom Heiligsten Herzen am Fest des hl. Erzengels Michael 1882 begann eine neue Ära der ununterbrochenen Evangelisierung im heutigen Papua-Neuguinea. Drei Missionare unter Führung von P. Andre Navarre landeten auf der Matupitinsel im Hafen von Rabaul, Neubritannien. Mit Dank erinnern wir an das Volk von Nodup und ihren „großen Mann“ To Litur, der die Missionare in ihrer Mitte willkommen hieß und ihnen Unterkunft und Land zum Leben bot. Nach dem bescheidenen Beginn in Nodup nahm die Evangelisierung mit unermüdlichen Schritten durch den Eifer der Missionare und unter der erleuchtenden Führung einer Anzahl heiligmäßiger und opferbereiter Bischöfe ihren Fortgang. Unter ihnen verdient der Apostolische Vikar von Neubritannien, Bischof Louis Couppe, besondere Erwähnung. 1885 entschlossen sich die Missionare vom Heiligsten Herzen zu einer neuen Missionsunternehmung, diesmal entlang der als Papua bekannten Küste von Neuguinea, nicht weit von dem Ort, wo wir heute die Eucharistie feiern. Hier wurde am 4. Juli das heilige Meßopfer zum ersten Mal auf dem Boden von Papua dargebracht, ein Jubiläum, dessen noch immer in besonderer Weise gedacht wird. Unter den apostolischen Arbeitern, die von der Vorsehung zur missionarischen Tätigkeit an der Papuaküste und ihrem Hinterland geschickt wurden, verdienen zwei heilige Bischöfe besondere Erwähnung: Bischof Henri Verjus, der in jungen Jahren starb, nachdem seine Gesundheit durch die Entbehrungen und Opfer eines heroischen Lebens zerrüttet worden war; und Bischof Alain Guynot de Boismenu, der als zweiter Apostolischer Vikar von Neuguinea die missionarische Sache viele Jahre lang förderte u'nd ein leuchtendes Beispiel heiligmäßigen Lebens hinterließ. Ich darf hier nicht unerwähnt lassen, daß die Arbeit der Missionare vom Heiligsten Herzen von Anfang an eifrig von den Töchtern U. L. Frau vom Heiligsten Herzen unterstützt wurde. Später kamen die Missionsschwestern vom Heiligsten Herzen Jesu dazu. Fünf tapfere Frauen des letztgenannten Instituts mußten später unter die „Märtyrer von Baining“ eingereiht werden. 1896 eröffnete die Gesellschaft des Göttlichen Wortes unter der Führung von P. Eberhard Limbrock entlang der Nordostküste von Neuguinea ein drittes Missionsunternehmen. Während ihre Brudermissionare das Evangelium an der Küste predigten, waren die Patres William Ross und Ivo Schäfer Pioniere in der Verkündigung des Evangeliums von Christus, dem Herrn, unter der Bevölkerung der Gebirgstäler. Was ganz klein auf der 351 REISEN Tumleo-Insel bei Aitape begonnen hat, umfaßt heute die beiden Erzdiözesen von Madang und Mount Hagen mit zusammen acht Suffragan-sitzen. Drei Jahre später unternahmen die Maristenpatres einen vierten Missionsversuch auf den nördlichen Salomoninseln. Sie faßten 1899 zuerst Fuß auf den Shortlandinseln, später verlegten sie das Zentrum ihrer missionarischen Tätigkeit nach Kieta auf Bougainville. Heute gibt die Diözese Bougainville mit ihren eingeborenen Bischöfen ein breites Zeugnis von der Arbeit der eifrigen Missionare. Wie wir heute sehen, hat Papua-Neuguinea statt vier verschiedener Missionsgebiete jetzt vier Metropolitansitze mit 14 Diözesen. Gott hat dieses Land sehr gesegnet und läßt die mutigen Bemühungen der Missionare, die in Christi Auftrag mit der Botschaft des Heils und der Bruderliebe gekommen sind, Früchte tragen. 3. Den großartigen und preiswürdigen Einsatz all dieser Missionare und vieler anderer vor Augen, kommen uns die Worte der ersten Lesung der heutigen Liturgie in den Sinn: „Ich vergesse, was hinter mir liegt (einschließlich Familie, Freunde und Heimat), und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist, das Ziel vor Augen“ (vgl. Phil 3, 13-14). So bauten sie das Reich Gottes, die Kirche Jesu Christi, unter ihren Brüdern und Schwestern auf den fernen Inseln des heutigen Papua-Neuguinea auf. Für die Sache des Evangeliums „gaben sie alles auf“, um „Christus zu gewinnen“ {Phil 3, 8) und ihm neue Glieder des Gottesreiches zuzuführen, die wie sie durch sein Kreuz und seine Auferstehung erlöst wurden. Die jungen Kirchen wachsen ihrer Reife entgegen Es ist heute mein herzlicher Wunsch, den lebendigen Gott zu preisen und ihm Dank zu sagen, zusammen mit euch, liebe Brüder und Schwestern, für diesen herrlichen Ruf, der reiche Frucht in eurem Land wachsen ließ. Te Deum laudamus! Die unter jungen Völkern und Nationen lebende Kirche wächst allmählich ihrer Reife entgegen, wenn die Söhne und Töchter des Landes den göttlichen Ruf des Evangeliums aufnehmen und beantworten, nicht nur durch gläubiges Leben nach den Sakramenten von Taufe und Firmung, sondern auch durch Annahme der evangelischen Berufung zum Priesteramt und Ordensleben. 352 REISEN 4. Die Kirche als Leib Christi wächst in diesem Land von sich aus durch die eigenen, unverwechselbaren Gaben von Natur und Gnade, aber in Einheit mit der Universalkirche. Ich bete inständig darum, daß die Kirche in Papua-Neuguinea, so wie sie an Größe und Reife wächst, auch eine große Blüte an Berufungen zum Priestertum und Ordensleben erfahre. Möge eine ständig zunehmende Zahl eurer Söhne und Töchter aufmerksam und willig die Worte Christi hören und annehmen, die von einer besonderen Erwählung durch Gott, von apostolischer Fruchtbarkeit sprechen: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15, 16). Es ist Gottes Plan, daß die Priester und Ordensleute den christlichen Familien helfen und daß, umgekehrt, die christlichen Familien für Glaubensbedingungen sorgen, in denen junge Menschen Gottes Ruf hören können. Die Missionskirche in diesem Land ist sich der Wichtigkeit, die Berufe zu festigen, bewußt. Die Einrichtung von Ausbildungsschulen für Katecheten und Lehrer sorgt für Berufungen in den verschiedenen Regionen. Das Resultat dieser Bemühungen sah man, als Louis Vangeke, der erste Priester dieses Landes, der 1937 die Priesterweihe erhalten hatte, 1970 in Sydney (Australien) von Paul VI. zum Bischof geweiht wurde. Große Anstrengungen erforderte die Gründung von kleinen Seminaren. Das erste entstand 1937 in Vunapope, Neubritannien, und das zweite ein Jahr später in Alexishafen bei Madang. Andere Initiativen folgten, und eine besondere Erwähnung verdient die wertvolle Arbeit der;Seminarbildung während der schwierigen Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg. Heute seid ihr mit dem großen Regionalseminar von Bomana gesegnet, das junge Männer aus allen Ortskirchen auf das Priestertum;vorbereitet. Diese Seminare sind eine große Hoffnung für die zukünftige Kirche in Papua-Neuguinea. So wie sie an Zahl wachsen, ist auch die Kirche sicher, bodenständig zu werden. Heute dienen vier Söhne eures Landes als Bischöfe in eurer Mitte. Ich danke Gott, daß viele Frauen aus Papua-Neuguinea den Ruf zum Ordensleben angenommen haben. 1912 wurde die erste Schwesternkongregation am Ort gegründet: die Töchter der Maria Immaculata. Und sechs Jahre später fingen die Mägde des Herrn in Papua an. Zusammengefaßt: Viele junge Frauen haben sich den Missionskongregationen angeschlossen und haben daheim und draußen Dienst geleistet. Auch die Brüderorden haben gute Berufe und das trotz verschiedener Schwierigkeiten, die im heutigen Papua-Neuguinea nicht fehlen. Ich bete darum, daß Gott ihre Zahl vermehre. 353 REISEN 5. Heute versammeln wir uns in diesem Stadion, um zu bezeugen, daß die Kirche Christi ein lebendiger Tempel, voll von Männern und Frauen dieses Landes ist. Aus diesem historischen Anlaß erheben wir unsere Herzen in innigem Gebet für mehr Priester- und Ordensberufe, so daß das Werk der Evangelisierung fortgeführt werden kann. Sie sind so notwendig für das Leben und das ständige Wachstum der Kirche in Papua-Neuguinea, so notwendig für das Wohl des ganzen Gottesvolkes. Wie Jesus sagt: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ (Mt 9, 37-38). Laßt uns deshalb beten, liebes Volk von Papua-Neuguinea, im Namen Christi, im Wissen darum, daß „der Vater alles geben wird, um was wir in seinem Namen bitten“ (vgl. Joh 15, 16). Laßt uns voll Vertrauen und Liebe darum beten. Laßt uns darum beten zur Ehre der Heiligsten Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Amen. Ein Teil der Heilsgeschichte Predigt bei der Messe in Mount Hagen (Papua-Neuguinea) am 8. Mai 1. „Die Gnade Jesu Christi, des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes seien mit euch allen!“ (2 Kor 13, 14). Ich grüße euch, Volk aus dem Hochland und Bürger von Papua-Neuguinea. Ich grüße euch, Angehörige verschiedener Stämme mit verschiedenen Sitten und Sprachen. Ich grüße euch, Söhne und Töchter der Kirche, und im besonderen euch, Gläubige von Mount Hagen, die ihr in besonderer Weise der Heiligsten Dreifaltigkeit geweiht seid. Durch die Teilhabe an dem einen Brot, der Eucharistie, dem Leib Christi, seid ihr zu einem Volk Gottes geworden, dem mystischen Leib Christi, seiner heiligen Kirche. Die Kirche von Papua-Neuguinea feiert hundert Jahre nach ihrem Beginn ihre Einheit mit der Universalkirche durch die Gegenwart des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Christi. 2. Die Geschichte der Evangelisierung in eurem Land und das Wachstum der Kirche hier enthüllt uns die großen und wunderbaren Werke, die der Herr in eurer Mitte getan hat. Laßt uns für einen Moment diesen Teil der Heilsgeschichte betrachten, der sich in eurem Land ereignet hat. 354 REISEN Nachdem erste Evangelisierungsversuche fehlgeschlagen waren, konnte am Ende des letzten Jahrhunderts ein fortlaufendes Missionsunternehmen in Gang gesetzt werden. Die Missionare vom Heiligsten Herzen brachten das Evangelium nach Neubritannien und an die südliche Küste der Insel Neuguinea. Einige Jahre später begann die Gesellschaft vom Göttlichen Wort die Nordküste von Neuguinea zu evangelisieren, und die Maristen begannen mit der missionarischen Arbeit auf Bougainville. Aus diesen ursprünglichen Missionsbereichen sind fünf Apostolische Vikariate entstanden: Rabaul, Papua, Ost-Neuguinea, Zentral-Neugui-nea und die nördlichen Salomoninseln. Diese wiederum wuchsen auf 15 an, bis 1966 die Hierarchie in Papua-Neuguinea errichtet wurde in Anerkennung der Tatsache, daß die Mission zur Ortskirche herangereift war. Heute gibt es vier Metropolitansitze mit 14 Diözesen: — Rabaul mit den Suffragandiözesen Bougainville und Kavieng; — Port Moresby mit den Suffragandiözesen Alotau-Sideia, Bereine, Daru und Kerema; — Madang mit den Suffragandiözesen Aitape, Lae, Vanimo und Wewak; — Mount Hagen mit den Suffragandiözesen Goroka, Kundiawa, Mendi und Wabag. Die Kirche hat in der Tat überall in dem geliebten Volk dieses Landes Wurzel geschlagen: von euren kleineren Inseln bis zur großen Insel Neuguinea. In Einheit mit der ganzen Kirche in Papua-Neuguinea bringen wir heute alle Lob und Dank der Heiligsten Dreifaltigkeit dar, weil Gottes ewiger Plan der Offenbarung und des Heils sich im Volk Gottes in diesem Land verwirklicht hat - der ewige Plan, von dem der hl. Paulus in seinem Epheserbrief schreibt. 3. Zur rechten Zeit wurde das in Jesus Christus offenbarte göttliche Geheimnis den Söhnen und Töchtern von Papua-Neuguinea vermittelt, das Geheimnis, das durch den Heiligen Geist zuerst den Propheten und am Pfingsttag den Aposteln offenbart wurde. Durch den missionarischen Dienst der Kirche wurden die Söhne und Töchter dieses Landes „Miterben, die zu demselben Leib gehören und an derselben Verheißung in Christus Jesus teilhaben durch das Evangelium“ (Eph 3, 8-9). Alle, die zu diesem kirchlichen Dienst der Evangelisierung beigetragen haben oder noch beitragen - ich spreche von den Missionaren und ihren Mitarbeitern, den verstorbenen und den lebenden -, danken heute der Heiligsten Dreifaltigkeit, daß ihnen „die Gnade geschenkt wurde: den 355 REISEN Heiden als Evangelium den unergründlichen Reichtum Christi zu verkündigen und zu enthüllen, wie jenes Geheimnis Wirklichkeit geworden ist, das von Ewigkeit her in Gott, dem Schöpfer aller Dinge, verborgen war“ {Eph 3, 8-9). 4. Bei dieser Eucharistiefeier wenden wir uns an den himmlischen Vater, indem wir unsere Hoffnung und Zuversicht „auf Christus Jesus, unseren Herrn“, setzen. „In ihm haben wir den freien Zugang durch das Vertrauen, das der Glaube an ihn schenkt“ (Eph 3, 11-12). Wir wiederholen, wie Christus am Tag vor seinem Leiden und Tod für seine Jünger gebetet hat: „Heiliger Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir“ (Joh 17, 11). „Heilige sie in der Wahrheit, dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt. Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind“ {Joh 17, 17-19). So betete Christus zu seinem Vater vor dem Tod. Und er betete nicht nur für die Apostel, die mit ihm im Abendmahlssaal waren, sondern „für alle, die durch ihr Wort an mich glauben“ {Joh 17, 20). Er betete für die, die das Licht des Evangeliums hier nach Papua-Neuguinea gebracht haben. Er betete für die, die die Frohe Botschaft angenommen haben, die in den letzten hundert Jahren in seinem Namen verkündet wurde. Er betete für die, die ihren Glauben an ihn bekennen und ihn an die anderen weitergegeben haben. In seinem hohepriesterlichen Gebet betete Jesus für alle, die an ihn glauben bis an das Ende der Zeit. Er schloß jedes Volk und jede Nation in dieses Gebet ein, so wie er sie in seine Erlösung einschloß, die er durch sein Kreuz und seine Auferstehung vollbracht hat. 5. Zusammen mit euch möchte ich heute die Heiligste Dreifaltigkeit preisen und ihr danken für das Volk von Papua-Neuguinea, das Gott gehört. Es ist ein durch das kostbare Blut Jesu Christi erlöstes Volk. Ich danke, weil ihr zur Gemeinschaft der Kirche Christi gehört, weil ihr in Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist steht, so wie Christus in seinem hohepriesterlichen Gebet betete: ,;Alle sollen eins sein. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, daß du mich gesandt hast . . . und die Meinen ebenso geliebt hast wie mich“ {Joh 17, 21.23). Ich bete darum, daß diese göttliche Liebe sich immer mehr in euch 356 REISEN offenbare; daß sie euch sicher in die Zukunft führe; daß ihr durch das Leben hier auf Erden - und wie herrlich ist die Erde um euch - gehen könnt, ohne den Blick auf das ewige Leben und die ewige Gemeinschaft mit Gott zu verlieren. Auf diese Weise wird das Geheimnis, „das von Ewigkeit her in Gott verborgen war“, volle Wirklichkeit und sichtbar im Leben eines jeden von euch und in der ganzen Menschheit nach dem ewigen Plan, „den er durch Christus Jesus, unseren Herrn, ausgeführt hat“ (Eph 3, 11). Das Leiden in Christus leben Ansprache bei der Begegnung mit den Kranken in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 8. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Möge der Friede unseres Herrn Jesus Christus eure Herzen erfüllen! Ich begrüße diese Gelegenheit, bei euch zu sein, die ihr die Last der Krankheit und des Schmerzes tragt, und euch zu ermutigen, eure Leiden mit den Leiden Christi zu vereinigen. Als Jesus seine Apostel beauftragte, „verkündet das Evangelium allen Geschöpfen“ (Mk 16, 15), versprach er, daß untrügliche Zeichen ihre Arbeit begleiten würden. „In meinem Namen“, sagte er, „werden sie Dämonen austreiben, sie werden in neuen Sprachen reden . . . und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden“ {Mk 16, 17, 18). Diese Worte unseres Erlösers offenbaren uns, wie eng die Sorge um die Kranken mit der Verkündigung des Evangeliums verbunden ist und einen wichtigen Teil des kirchlichen Auftrags in der Welt bildet. Es ist also nicht überraschend, daß die Missionare, die nach Papua-Neuguinea kamen, nicht nur die Frohe Botschaft der Erlösung brachten, sondern auch für die Kranken sorgten. In der Tat hinterließ ihr liebendes Erbarmen für die Leidenden einen tiefen Eindruck bei euren Vorfahren. Angesichts dieses Beispiels der Nächstenliebe und des Glaubens hießen sie die Missionare unter ihnen willkommen und öffneten die Türen ihrer Herzen dem Evangelium unseres Herrn Jesus Christus. 357 REISEN 2. Mit ähnlichen Gefühlen komme ich heute zu euch. Ich komme, um euch von meiner Liebe zu euch in Jesus Christus zu sprechen und euch der pastoralen Sorge der gesamten Kirche zu versichern. Die Kirche, wie Jesus, ihr Erlöser, will immer denen nahe sein, die leiden. Sie trägt sie im Gebet zum Herrn. Sie bietet ihnen Trost und Hoffnung. Sie hilft ihnen, einen Sinn in ihrer Angst und in ihrem Schmerz zu finden, indem sie sie lehrt, daß Leiden weder eine Strafe Gottes ist noch durch Zauberkraft oder böse Geister ausgelöst wird. Vielmehr weist die Kirche auf Christus, der durch sein Kreuz und seine Auferstehung alles menschliche Leiden erlöst und so dem Geheimnis des menschlichen Daseins einen Sinn gegeben hat. Die Kirche bietet Erbarmen und Stärke durch das Sakrament der Krankensalbung an. Der Beschreibung des hl. Jakobus zufolge, betet der Priester, der das Sakrament spendet,- über den Kranken und „salbt sie mit öl im Namen des Herrn“ (Jak 5, 14). Auf diese Weise hilft der Herr in seiner Liebe und seinem Erbarmen dem Kranken mit der Gnade des Heiligen Geistes; er befreit ihn von Sünde, rettet und richtet ihn auf. Das Sakrament der Kirche ist für den Kranken eine tröstliche, erhebende und heiligende Erfahrung; es ist eine persönliche Begegnung mit Christus, dem Erlöser, der die Menschheit heilt. Liebe Brüder und Schwestern, ich will, daß ihr wißt, wie wichtig ihr in der Kirche seid, denn ihr erfüllt eine unersetzliche Funktion in ihrer Erlösungssendung. Wenn ihr eure Leiden in Vereinigung mit unserem heilenden Herrn erduldet, wie der hl. Paulus sagt, so werdet ihr „für den Leib Christi, die Kirche, in eurem irdischen Leben das ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1, 24). Ihr wirkt zusammen mit Christus, die Erlösung nach Papua-Neuguinea und in die Welt zu bringen. In eurem Bestreben, das Geheimnis des Leidens in Vereinigung mit Christus zu leben, seid Männer und Frauen des Gebetes. Der hl. Jakobus sagt: „Betet füreinander, damit ihr geheiligt werdet. Viel vermag das inständige Gebet eines Gerechten“ (Jak 5, 16). Versucht, auf eine besondere Weise eure leidenden Brüder und Schwestern zu ermutigen und zu unterstützen. Erduldet euren eigenen Schmerz aus Liebe zu Christus, damit er euch ein Herz voll Mitleid und Erbarmen schenke. Möge unser himmlischer Vater „euch durch Christus Jesus alles, was ihr nötig habt, aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit schenken“ (Phil4, 19). Und möge die Liebe Jesu immer in euren Herzen sein. 358 REISEN Die Wahrheit des Evangeliums verkünden Ansprache an die Bischofskonferenz von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln in Port Moresby am 8. Mai Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Ich freue mich, mitten in einem Tag, der den verschiedenen pastoralen Tätigkeiten gewidmet ist, die Zeit zu haben, mit euch, den Nachfolgern der Apostel in Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln, allein zu sein. Es war eine große Freude, mit euch und eurem Volk Gottes Namen zu preisen und dem Herrn der Geschichte für die zahlreichen Gaben zu danken, mit denen er die Kirchen in euren Ländern gesegnet hat. Vor allem bin ich der Heiligsten Dreifaltigkeit dafür dankbar, daß ich die Gelegenheit hatte, das eucharistische Opfer hier in Port Moresby und in Mount Hagen zu feiern, und ich freue mich auf die Liturgiefeier morgen in Honiara. Auch wenn ich alle anderen Ereignisse, die zu diesem Pastoral-besuch gehören, hochschätze, sind dies die Höhepunkte meines Aufenthaltes bei euch. In der dogmatischen Konstitution über die Kirche spricht das Zweite Vatikanische Konzil zu uns über die eine Identität, wenn es sagt: „Der Bischof ist, mit der Fülle des Weihesakraments ausgezeichnet, ,Verwalter der Gnade des höchsten Priestertums“, vorzüglich in der Eucharistie, die er selbst darbringt oder darbringen läßt und aus der die Kirche immerfort lebt und wächst“ (Lumen gentium, Nr. 26). 2. Wenn wir uns hier treffeft, freue ich mich über die Weise, wie Gott das missionarische Wirken des vergangenen Jahrhunderts reiche Frucht bringen ließ. In der Tat hat es eine große Blüte des christlichen Glaubens auf diesen Inseln gegeben trotz der mannigfaltigen Hindernisse, die oft unüberwindlich scheinen mußten. Ich denke an die verschiedenen Schwierigkeiten, u. a. das Reisen, mangelnde Wege und Verbindungsmöglichkeiten und die Probleme, die entstehen, wenn man einem Volk, das hundert verschiedene Sprachen und Dialekte hat, Christus verkünden will. Von ganzem Herzen danke ich euch für das, was ihr getan habt und noch für das Evangelium tut, und für eure Liebe zu Jesus Christus und seinem Volk. Außerdem freue ich mich über die Weise, wie die jungen Missionskirchen mit großen Schritten der Reife entgegengehen. Beispiele hierfür sind, um nur einige zu nennen, die Errichtung einer ordentlichen kirchlichen 359 REISEN Hierarchie durch Papst Paul VI. im Jahr 1966 und jüngeren Datums, die Errichtung eines Metropolitansitzes in Honiara und Mount Hagen. 3. Die Kirche in euren Ländern ist vom Heiligen Geist mit der Einheit in der Verschiedenheit beschenkt worden. Die Gläubigen gehören einer großen Vielfalt von Kulturen und des Milieus an, die sich in ihrer Sprache und den Überlieferungen widerspiegelt. Auch die Missionare kommen aus der ganzen Welt und aus verschiedenen Ordensinstituten. Eure Diözesen unterscheiden sich sehr voneinander in bezug auf ihre geschichtliche Entwicklung und auf ihre gegenwärtige Pastoralsituation. Und mitten in all dieser Verschiedenartigkeit seid ihr eins in Glaube, Hoffnung und Liebe, eins in der Lehre und in der Disziplin der katholischen Kirche, eins in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 4. Eine der mannigfaltigen Weisen, in denen diese Einheit sichtbar wird, ist die Zusammenarbeit und das gemeinsame Handeln der Bischofskonferenzen von Papua-Neuguinea und den Salomoninseln. Ich möchte euch in diesem wichtigen kollegialen Bemühen ermutigen, das mit eurer brüderlichen Liebe und dem pastoralen Eifer für die universale Mission, die euch als den Nachfolgern der Apostel anvertraut wurde, verbunden ist. Es besteht heute mehr denn je zuvor in der Geschichte der Kirche die Notwendigkeit eines Forums, auf dem die Bischöfe ihre Einsichten und Erfahrungen austauschen, ihre Hilfsmittel Zusammenlegen, ihre Programme entwerfen können, um den dringenden Erfordernissen und Problemen der Kirche und der Gesellschaft begegnen zu können. Diese Notwendigkeit wurde vom Zweiten Vatikanischen Konzil mit folgenden Worten ausgedrückt: „Alle Bischöfe haben nicht nur für eine bestimmte Diözese, sondern für das Heil der ganzen Welt die Weihe empfangen. Der Auftrag Christi, allen Geschöpfen das Evangelium zu predigen (Mk 16, 15), gilt mit und unter Petrus zuerst und unmittelbar ihnen. Daraus wächst jene Gemeinschaft und Zusammenarbeit der Kirchen, die für die Fortführung des Werkes der Evangelisierung heute so notwendig ist. Kraft dieser Gemeinschaft tragen die einzelnen Kirchen auch für alle anderen Sorge, sie erschließen einander ihre Nöte und treten miteinander in Austausch“ (Ad gentes, Nr. 38). 5. Die konkrete Verwirklichung dieser kirchlichen Gemeinschaft und das gemeinsame Handeln durch die Bischofskonferenz nimmt unterschiedliche Formen an. Ich möchte zwei von ihnen betonen, denen besondere 360 REISEN Bedeutung bei unseren Bemühungen, das Evangelium zu verkünden, zukommt. An erster Stelle sollten sich die Bischofskonferenzen den größeren pasto-ralen Problemen zuwenden, die das Leben der Kirche berühren. Oft hilft es den Ortskirchen, Priestern, Ordensleuten und Katecheten sehr, wenn die Bischöfe nach der notwendigen Überlegung und Beratung einen gemeinsamen pastoralen Standpunkt in besonderen Fragen, einnehmen. Es gibt viele Punkte, die auf eine klärende und ermutigende Weisung der Bischöfe warten. Gerade die Familie, die Sakramente, die Evangelisierung, die Katechese und das Gebet sind hierfür Beispiele. Gemeinsame Pastoraldokumente geben Gelegenheit, die offizielle Lehre der Kirche in klaren und verständlichen Begriffen darzulegen, wobei die konkreten Situationen und Probleme in Erwägung zu ziehen sind. Ich möchte euch auch persönlich ermutigen, in euren Diözesen über diese Initiative der Bischofskonferenzen hinaus bei der Verkündigung des Evangeliums vom geschriebenen Wort Gebrauch zu machen und so eure Rolle als authentische Lehrer der katholischen Lehre wahrzunehmen. Ein zweiter Aspekt, der nicht übersehen werden darf, entspringt unserer prophetischen Mission als Bischöfe. Es gibt tiefreichende Verbindungen zwischen Evangelisierung und menschlichem Fortschritt, da die Menschen, denen wir das Evangelium verkünden, zur gleichen Zeit von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren beeinflußt werden. Daher ist es wichtig, sich Fragen sozialer Ordnung zu stellen, wie z. B. der menschlichen Arbeit, der politischen Ethik, des Alkoholismus, der bürokratischen Korruption. Im Licht des Evangeliums hat die Kirche immer etwas zu Fragen zu sagen, die das Wohl der Gesellschaft berühren. 6. Erlaubt mir nun, eure Aufmerksamkeit auf die Rolle der Laien zu lenken. Seit vielen Jahren höre ich von dem hervorragenden Beitrag der Katecheten und Laiengemeindeleiter zur Evangelisierung. Sie haben einen wahrlich unverzichtbaren Beitrag zum Leben und zur Mission der Kirche in euren Ländern geleistet und leisten ihn immer noch. Ihre Rolle als Übersetzer und Assistenten der Priester und Ordensleute ist von größter Bedeutung wie auch ihre eigenen Aufgaben der Katechese, des christlichen Dienstes und der Durchdringung der Gesellschaft mit dem Sauerteig des Evangeliums. Ich empfehle euch, diese Laienleiter eurer Gemeinden zu ermutigen und zu unterstützen, besonders durch eure Ausbildungszentren, die einen äußerst wertvollen Dienst an der Katechese und Evangelisierung leisten. Ebenso bin ich erfreut, von den vielen Laienbewegungen zu hören, die 361 REISEN hier gedeihen. Wenn solche Bewegungen gemeinsam mit der Ortskirche handeln, sind sie in der Tat ein Zeichen für das Wirken des Heiligen Geistes in eurem Volk und können den Laien helfen, den Glauben in verstärktem Maß in ihr tägliches Leben einzubringen. Zur gleichen Zeit brauchen diese Bewegungen die Führung und Liebe des Klerus. Ich weiß, daß ihr euch dieser Notwendigkeit bewußt seid und in den letzten Jahren dafür gesorgt habt, kirchliche Repräsentanten für solche Gruppen zu ernennen, die ihnen helfen, mögliche Irrtümer zu vermeiden und die Sache der Wahrheit und der Liebe unter den Gläubigen zu wahren. Wenn ich von den Laien spreche, muß ich auch die lebensnotwendige Zelle jeder Gemeinschaft erwähnen, die Familie. In jeder Gesellschaft von heute sind Ehe und Familienleben von sittlichen und sozialen Übeln bedroht. Und zu keiner Zeit in der Geschichte war die Stabilität und Vitalität eines christlichen Zuhauses notwendiger. Als Bischöfe haben wir die große Verantwortung, den Familien und Eheleuten beizustehen. Unser besonderer Dienst ist es, die Wahrheit des Evangeliums zu verkünden, die Lehre der Kirche über Ehe und Familie in ihrer Reinheit und Unversehrtheit weiterzugeben. Wir sind es Jesus Christus schuldig, niemals daran zu zweifeln, daß die Kraft seiner Gnade im Leben seines Volkes triumphiert. 7. Wenn ich eure Kirchen besuche, die soviel für die Zukunft verheißen, möchte ich euch Mut machen bei euren Bemühungen um Berufe für das Priester- und Ordensleben. Eure jungen Kirchen nähern sich schnell einer größeren Eigenverantwortung und einem geringeren Verlaß auf Missionare und die Hilfe anderer Christen rundum auf der Welt, und so wird die Notwendigkeit von Priester- und Ordenskandidaten besonders dringend. Der entscheidendste Faktor dieser Übergangszeit ist der stete Zuwachs von Berufungen aus eurem eigenen Volk, begleitet von einer liebevollen Sorge für die geistliche, erzieherische und kulturelle Bildung dieser jungen Männer und Frauen. In dieser Hinsicht leistet das Große Regionalseminar in Bomana einen lebenswichtigen Dienst an der Kirche, einen Dienst, ohne den die künftige Entwicklung eurer eigenen Diözesen nicht sichergestellt werden könnte. Wie ihr wißt, ist es wichtig, daß die Kandidaten für die Priesterweihe und den Ordensstand gut vorbereitet werden, um ein zölibatäres Leben zu führen, und ihnen geholfen wird, ein eifriges Gebetsleben zu entfalten, das in der Eucharistie und im Stundengebet seine Wurzel hat. Ich weiß, daß die Sorge um Berufe eine Hirtenpflicht ist, die euch ebenso am Herzen liegt wir mir. Ich versichere euch, daß ich eins bin mit eurem 362 REISEN Gebet, um dieses lebenswichtige Werk zu fördern. Möge die Mutter Jesu euer Leben mit Freude und Hoffnung erfüllen. 8. Liebe Brüder in Christus! Es ist wirklich eine große Freude, mit euch in Papua-Neuguinea und auf den Salomoninseln zusammen zu sein. Ich danke euch für eure herzliche Gastfreundschaft und alle Vorbereitungen, die ihr für meinen Pastoralbesuch getroffen habt. In den Banden der hierarchischen Gemeinschaft und des kollegialen Dienstes, die uns einen, in der universalen Gemeinschaft der Nächstenliebe und des Glaubens, die alle Ortskirchen untereinander und mit dem Herrn verbindet, wollen wir gemeinsam vorausschreiten im Namen Jesu. Laßt uns gemeinsam die Heilsbotschaft verkünden. Und laßt uns Gott loben und preisen, dessen „Macht, die in uns wirkt, unendlich mehr tun kann als wir erbitten oder uns ausdenken können; er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten“ (Eph 3, 20-21). Als ,,Gesandte für Christus“ dienen Ansprache bei der Begegnung mit dem Klerus, den Ordensleuten und Repräsentanten der Laien in Port Moresby (Papua-Neuguinea) am 8. Mai Liebes, gläubiges Volk von Port Moresby und Papua-Neuguinea! 1. Jesus Christus, der Sohn Gottes, ist „für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“ (2 Kor 5, 15). Meine Brüder und Schwestern in Christus, die Erlösung der. Welt wurde durch das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi bewirkt. Vor der Erlösung war die Menschheit Sklavin der Sünde und mehr zum Herrschen als zum Dienen, mehr zum Leben für sich selbst als zum Leben für andere geneigt. Durch das Geheimnis seines Kreuzes und seiner Auferstehung jedoch wurde uns die Freiheit und Gnade geschenkt, nicht mehr für uns selbst, sondern für ihn zu leben. Welch wundervolle Gabe Christi, unseres Erlösers! Eben aus diesem Grund starb Christus für uns alle, um uns von den Fesseln der Selbstsucht zu erlösen, denen wir nie entgangen wären; um uns frei zu machen und uns die Fähigkeit zu verleihen, für ihn zu leben. 363 REISEN Dies ist die Gabe, die Christus für uns alle erwirkt hat: für den Klerus, die Ordensleute und Laien. Es ist die Gabe, die die Missionare nach Papua-Neuguinea gebracht hat, die sie in ihren Herzen trugen und in diesem Land in die Praxis umsetzten. Ich denke an das Beispiel des seligen Giovanni Mazzuconi, der sein Leben für Christus hingab. Sein Martyrium ist eine beredte Kundgabe der Lehre Jesu, die wir im heutigen Evangelium vernommen haben: „Darum kann keiner von euch mein Jünger sein, wenn er nicht auf seinen ganzen Besitz verzichtet“ (Lk 14, 33). Alle haben teil am „Amt der Versöhnung“ 2. Durch das lebenspendende Taufwasser haben wir alle die Gnade empfangen, für Christus zu leben. So wurden wir alle zu Teilhabern an dem Werk gemacht, das zu vollbringen er selbst gekommen ist: zu Teilhabern an der Versöhnung der Welt mit Gott. Wir haben das heute in der ersten Lesung gehört: „Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5, 18). Alle Glieder der Kirche haben am „Amt der Versöhnung“ teil, jeder entsprechend den Gaben, die er empfangen hat. 3. Die Laien ringen durch ihr tägliches Zeugnis für Christus in der Familie, am Arbeitsplatz und in allen gewöhnlichen Lebensumständen mit den Gegensätzen und Spaltungen, die in einer von der Sünde gezeichneten Gesellschaft noch immer bestehen, und sind bemüht, ein Reich der Wahrheit und Gerechtigkeit, ein Reich des lebendigen Gottes, ein Reich der Liebe und des Friedens aufzubauen. Die Eheleute leisten einen wichtigen Beitrag zur Einheit und Stabilität der Gesellschaft, indem sie ihr Versprechen lebenslänglicher Treue erfüllen und für die hochherzige Liebe Christi zu seiner Braut, der Kirche, Zeugnis ablegen. Die im Glauben und im Gebet vereinte christliche Familie ist eine Schule, wo gegenseitiges Verzeihen, Geduld und Liebe gelehrt werden. In der Familie werden die Kinder darauf vorbereitet, ihren Anteil am Leben und an der Sendung der Kirche zu übernehmen. Die Laienführer und Katecheten dienen auch als „Gesandte für Christus“, indem sie um die Förderung von Harmonie und Frieden bemüht sind. Hier in Papua-Neuguinea war euer apostolischer Eifer eine Lebensnotwendigkeit für die Weitergabe der Botschaft des Evangeliums an eure Brüder und Schwestern. Deshalb möchte ich euch für eure Hochherzigkeit und Treue und für eure enge Zusammenarbeit mit dem Klerus und den Ordensleuten loben. 364 REISEN Die Ordensleute spielen aufgrund ihrer Weihe für das der Kirche eigene Amt der Versöhnung eine besondere Rolle. Durch ihren Wunsch, Christus mit ungeteiltem Herzen zu lieben (vgl. 1 Kor 7, 35), legen sie öffentlich Zeugnis für das Evangelium der Erlösung und Versöhnung ab. Deshalb ist für jede Ordensgemeinschaft ihre innere Einheit bedeutsam; sie müssen „ein Herz und eine Seele“ (Apg 4, 32) sein. Liebe Ordensleute: Diese lebendige Einheit unter euch, die eurem öffentlichen Zeugnis für das Evangelium zugrunde liegt, wird durch euer gemeinsames Gebetsleben und durch eure Gelübde, insbesondere durch das Gelübde des Gehorsams gestärkt. Bedenkt stets, daß Sünde und Uneinigkeit zuerst „durch den Ungehorsam eines Menschen“ in die Welt gekommen sind, während die Versöhnung „durch den Gehorsam des einen“ (Röm 5, 19), den Gehorsam Christi, wiederhergestellt wurde. Wenn ihr also Christus durch den Gehorsam ihm und der Kirche gegenüber nachahmt — der durch euren Gehorsam gegen die Obern zum Ausdruck kommt -, so habt ihr am Versöhnungsamt der Kirche Anteil, wie ich es erst kürzlich in meinem Apostolischen Schreiben an die Ordensleute feststellte: „Man kann also sagen, daß jene, die sich entscheiden, nach dem evangelischen Rat des Gehorsams zu leben, sich in einer einzigartigen Weise zwischen das Geheimnis der Sünde und das Geheimnis der Rechtfertigung und der Heilsgnade stellen. Sie befinden sich an diesem ,Platz' mit dem ganzen sündigen Untergrund ihrer menschlichen Natur, mit dem ganzen Erbe ,der Hoffart des Lebens', mit der ganzen egoistischen Neigung, lieber zu herrschen als zu dienen. Aber gerade durch das Gelübde des Gehorsams entscheiden sie sich, sich nach dem Bilde Christi umzuwandeln, der ,durch seinen Gehorsam die Menschen erlöst und geheiligt hat'. Im Rat des Gehorsams möchten sie ihre eigene Aufgabe im Erlösungswerk Christi und ihren Weg der Heiligung finden“ (Redemptionis donum, Nr. 13). 4. Und nun möchte ich ein Wort an meine Brüder, die Priester, richten. Die Worte des hl. Paulus in der ersten Lesung heute nachmittag haben für uns, die wir am Amtspriestertum teilhaben, besondere Bedeutung. Der Apostel sagt: „Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, . . . indem er . . . uns das Wort der Versöhnung anvertraute“ (2 Kor 5, 19). Als zur Verkündigung des Wortes Gottes auserwählte Männer, als Priester, die für diese erhabene Aufgabe durch das Weihesakrament gestärkt wurden, müssen wir unser ganzes Leben in den Dienst des 365 REISEN Wortes stellen; Christus soll es sein, „der durch uns mahnt. . . laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5, 20). In der hierarchischen Gemeinschaft mit dem Ortsbischof tätig, streben die Priester danach, die Einheit der örtlichen christlichen Gemeinschaft aufzubauen und brüderlichen Geist zu pflegen, der nicht nur die Ortskirche, sondern ebenso die Weltkirche umschließt. Da der Dienst an der Einheit für die heutige Welt lebenswichtig ist, erweist es sich als besonders bedeutsam, daß die Priester nie durch ihre Aktivitäten Spaltungen aus-lösen, sondern auf die Einheit der Gemeinschaft bedacht sind, wenn sie den Gläubigen das Wort Gottes darbieten. Vor allem jedoch, liebe Brüder, müßt ihr die Versöhnung in Welt und Kirche durch die eifrige Spendung des Bußsakraments und die Feier der Eucharistie fördern. Zweifelt nie daran, daß die Zeit, die ihr mit Beichthören verbringt, großen Wert hat. In dieser Zeit vertretet ihr den erbarmenden Erlöser, der sich über die Bekehrung der Sünder freut. Gedenkt auch der Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils: „Die christliche Gemeinde wird nur auferbaut, wenn sie Wurzel und Angelpunkt in der Feier der Eucharistie hat“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 6). Wir leben nicht für uns, sondern für Christus 5. Im Evangelium, das wir heute abend gehört haben, spricht Jesus von jemandem, der „einen Turm bauen will“ (Lk 14, 28). Er warnte davor, die Wichtigkeit einer sorgfältigen Kostenberechnung außer Augen zu lassen, bevor man sich entschließt zu bauen; sonst würden die Leute den Baumeister „verspotten“ und sagen: „Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen“ {Lk 14, 30). Liebe Brüder und Schwestern in Christus, auch wir wollen in Einheit mit Jesus, unserem Erlöser, etwas bauen. Wir wollen das Reich des lebendigen Gottes bauen. Laßt uns bei unseren Wünschen nicht die Berechnung der Kosten vergessen, der Kosten des Jüngerdaseins. Denn Jesus hat uns gewarnt: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“ {Lk 14, 27). Wollen wir für Christus und nicht länger für uns selbst leben, am Amt der Versöhnung teilhaben und das Reich Gottes bauen, so müssen wir das Kreuz tragen und Jesus nachfolgen. Laßt uns nicht davor Angst haben, Zeichen des Widerspruchs zu sein. Laßt uns das Kreuz in die Arme schließen und darauf vertrauen, daß es ein „Baum des ewigen Lebens“ ist; laßt uns auf das sichere Versprechen der Auferstehung vertrauen. Gemeinsam mit der Jungfrau Maria und mit allen Heiligen wollen wir das 366 REISEN Reich Gottes hier auf Erden bauen, damit wir auf ewig mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist leben können. Amen. „Hand in Hand“ mit den Einheimischen Predigt bei der Messe auf dem Town Ground in Honiara (Salomoninseln) am 9. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Jesus Christus! „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ {Gal4, 4). 1. Heute spricht die erste Lesung von der Fülle der Zeit. Das bezieht sich auf die Erfüllung der Menschheitsgeschichte im ewigen Plan der Heiligsten Dreifaltigkeit. Der Brief an die Galater spricht von diesem Plan und worin seine Erfüllung besteht. Erstens, Gottes eigener Sohn kam in die Welt, um uns zu Adoptivkindern Gottes zu machen; wir sind nicht mehr länger Sklaven, sondern Kinder. Zweitens, in der Kraft des Heiligen Geistes, den Gott in unsere Herzen gesandt hat, können wir rufen: „Abba, Vater!“ Wir dürfen Gott unseren Vater nennen. Und schließlich, mit dem eingeborenen Sohn Gottes werden wir Kinder und Erben. Als die Zeit erfüllt war, wurde jedem Volk die Möglichkeit gegeben, innerlich am Leben des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes teilzuhaben. 2. Die Verkündigung der „Fülle der Zeit“ wird Evangelisierung genannt; sie ist die Weitergabe der Frohbotschaft von der Erlösung. Und vor ungefähr 150 Jahren wurde die Fülle der Zeit hier auf den Salomoninseln verkündet. Obwohl die Spanier, von Franziskaner-Missionaren begleitet, 1568 nach Point Cruz kamen, beginnt in der Tat die Geschichte der Evangelisierung erst 1845. Die ersten hierher gesandten Missionare waren Maristen unter der Führung von Bischof Epalle. Trotz ihres Eifers und ihres Mutes mußten sie die Mission zwei Jahre später verlassen, nachdem Bischof Epalle und einige andere ihr Leben für den Glauben gelassen hatten. Das nächste größere Evangelisierungsprogramm wurde von anglikanischen Missionaren getragen, die aus Neuseeland kamen. Durch ihre 367 REISEN nachhaltigen Erfolge bei der Predigt des Evangeliums und der Gründung christlicher Schulen begann die Botschaft Christi in den Herzen des Volkes Wurzeln zu schlagen. Kurz darauf folgten verschiedene missionarische Unternehmungen, darunter solche von Mitgliedern der South Seas Evangelical Mission, der Methodistischen Kirche, der Siebentage-Adven-tisten und andere. Sie alle suchten nicht nur Christus besser bekannt zu machen, sondern arbeiteten auch für die Gesundheit und Erziehung des Volkes. Die katholische Kirche erneuerte ihren Einsatz hier genau am Ende des 19. Jahrhunderts. Wie damals waren es die Maristen, die mit der Arbeit begannen, und 1904 wurden sie von den Missionsschwestern der Gesellschaft Mariens unterstützt, die rasch Klöster auf allen Missionsstationen gründeten. Das Werk der Evangelisierung auf den Salomoninseln fand große Unterstützung durch die unermüdliche und sehr fähige Führung der Bischöfe, die hier ihren Dienst ausübten; Bischof Bertreux, der erste Apostolische Vikar auf den südlichen Salomoninseln, wurde ausersehen, die erste Phase der missionarischen Arbeit zu beaufsichtigen, und die ersten Versuche zur Ausbildung örtlicher Katecheten und ihrer Leiter wurden von ihm gemacht. Sein Nachfolger, Bischof Raucaz, führte dieses Werk mit unermüdlichem Eifer fort. Unter anderem ermutigte er die Gründung der ersten Schwesternkongregation am Ort, der Töchter der Maria Immaculata. Bischof Aubin, der Nachfolger von Bischof Raucaz, legt Zeugnis für die tragische Leidenszeit und Verwüstung durch den Zweiten Weltkrieg ab. In dieser Zeit wurden die meisten Missionare entweder ermordet oder zum Rückzug gezwungen. Nach dem Krieg aber leitete der Bischof mit Hilfe vieler neuer Missionare das schnelle Wachstum der Kirche in seinem Territorium. Er veranlaßte die Gründung verschiedener Institutionen, darunter einer Anzahl katholischer Schulen und im besonderen der ersten Zentralschule, die der Leitung der Maristen-Schulbrüder unterstellt wurden. 1958 trat Bischof Stuyvenberg die Nachfolge von Bischof Aubin an; er hat bis heute gewirkt und die Evangelisierungsarbeit geleitet. In dieser Zeit haben Dominikaner und Dominikanerinnen die Missionsarbeit auf den westlichen Salomoninseln übernommen, unter der Hirtenleitung von Bischof Crawford. Es gab die ersten eingeborenen Berufungen, und die Schulung von Katecheten und Laien-Gemeindeleitern fand große Unterstützung durch die Eröffnung des Apostolischen Zentrums bei Honiara. 368 REISEN Die Kirche ist ihrer Natur nach eine sichtbare Gemeinschaft In all dem läßt sich klar die Vorsehung Gottes bei der Erfüllung des ewigen Heilsplans erkennen. 3. Im heutigen Evangelium hören wir die Worte, mit denen Elisabeth die Mutter unseres Erlösers bei ihrem Besuch grüßte: „Selig ist die, die geglaubt hat, daß sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ“ (Lk 1, 45). Ich möchte diese Worte für alle wiederholen, die auf den Salomoninseln Christus im Glauben angenommen haben: „Selig seid ihr, die ihr geglaubt habt.“ Aus diesem Glauben wurde eine neue Gemeinschaft des Gottesvolkes, der Kirche, geboren. Ihrer Natur nach ist diese Gemeinschaft sichtbar; sie stützt sich auf das Wort Gottes und lebt durch die Sakramente. Wer in die Gemeinschaft der Kirche durch das lebensspendende Wasser der Taufe eintritt, das die Sünde abwäscht, empfängt das Geschenk der Gnade und Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Im Sakrament der Firmung werden wir erfüllt vom Heiligen Geist, der uns in Überfülle als Gottesgeschenk gegeben wird. Er kommt, um in uns eine größere Liebe zu Gott und zum Nächsten zu entfachen und uns für das treue, tägliche Leben nach dem Glauben zu stärken. Die Eucharistie ist die Quelle und der Mittelpunkt unseres ganzen christlichen Lebens. In der Feier der Eucharistie haben wir an dem Kreuzesopfer teil, das der ganzen Welt die Erlösung gebracht hat. Auf das eucharistische Opfer sind die verschiedenen Tätigkeiten der Kirche ausgerichtet, so daß Gott dem Vater, Gott dem Sohn und Gott dem Heiligen Geist immer mehr Herrlichkeit und Lobpreis gegeben wird. 4. Die Kirche auf den Salomoninseln, die in Gemeinschaft mit der katholischen Kirche in der ganzen Welt lebt, blüht. Eure Missionare arbeiten Hand in Hand mit den Eingeborenen dieses Landes. Ihr hattet Priester und Ordensleute, die durch ihr Leben besonderer Weihe und ihren Dienst die Gemeinschaft der Gläubigen in Glaube, Hoffnung und Liebe aufzubauen suchten. Ich freue mich, unter ihnen eine wachsende Zahl von eingeborenen Priestern, Brüdern und Schwestern zu finden, und ich bete darum, daß die Priester- und Ordensberufe überreich blühen werden. Die Laien erfüllen eine unersetzliche Rolle im Leben und in der Sendung der Kirche. Ich möchte ein besonderes Wort des Dankes an eure Katecheten richten, die Hand in Hand mit euch für die Heilsbotschaft 369 REISEN wirken, und an eure christlichen Familien, die so wichtig für eine gesunde und dynamische Christengemeinschaft sind. Das ganze apostolische Leben der Kirche zielt auf Versöhnung: die Versöhnung des Menschen mit Gott und die Versöhnung der Menschen untereinander. Aus diesem Grund ist das Bußsakrament sehr wichtig, denn in diesem intimen Gespräch mit Jesus Christus, der unser verzeihender Herr ist, werden unsere Sünden vergeben, und wir sind wieder verbunden mit Gott. Buße hilft auch, die Barrieren zu überwinden, die ein Volk vom anderen trennen, und eine Gesellschaft im Zeichen von Harmonie und Frieden aufzubauen. In unbegrenzter Liebe zu allen, die krank sind, hat der Herr das Geschenk der Versöhnung im Sakrament der Krankensalbung wiederholt. Den Eheleuten hat Christus das Ehesakrament geschenkt. In diesem großen Sakrament werden die christlichen Paare in Christus eins und empfangen die Gnade, ein Leben lang in Liebe und Treue zu leben und ihre Kinder in einem Zuhause, wo Versöhnung und Liebe herrschen, großzuziehen. Das Sakrament der heiligen Weihen dient auch der Sache der Versöhnung, denn dadurch, daß Diakone, Priester und Bischöfe sich bemühen, den ihnen Anvertrauten Hirtenliebe zu schenken, reißen sie Mauern von Ignoranz und Sünde nieder und fördern die Einheit der Ortskirche. 5. Für das ganze Werk der Evangelisierung und Versöhnung, das auf den Salomoninseln stattgefunden hat, möchte der Bischof von Rom heute mit euch das Magnifikat singen, das von den Lippen der Muttergottes kam, als die „Fülle der Zeit“ zu ihr gekommen war. In Vereinigung mit der Jungfrau Maria preisen wir dich, o Herr, und unsere Seele jubelt über Gott, unseren Retter, denn er hat mit Huld auf den schlichten Beginn der missionarischen Tätigkeit auf den Salomoninseln geschaut. Du hast große Dinge an denen, die hier leben, getan, und heilig ist dein Name. Du erbarmst dich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die dich fürchten. Als dieses Land von den Schrecken des Zweiten Weltkrieges verwüstet wurde, hast du es nicht verlassen, sondern die Kraft deines Armes gezeigt, die Niedrigen erhöht und die Hungernden mit deinen Gaben beschenkt. Du hast die Kirche auf den Salomoninseln erblühen lassen, an dein Erbarmen gedacht und es weiter ausgeschüttet von Geschlecht zu Geschlecht. O gnädiger Gott, dein ewiger Heilsplan ist ein Plan der Gerechtigkeit und Liebe. Du sendest den Heiligen Geist in unsere Herzen, damit wir rufen 370 REISEN können: „Abba, Vater!“ Für alle deine Werke danken wir dir. In der Gemeinschaft Mariens und aller Heiligen singen wir dir Lob. Wir preisen deinen Namen auf immer. Durch Christus, unseren Herrn. Amen. In französischer Sprache sagte der Papst: Ich weiß, daß auf diesen Salomoninseln heute zahlreiche Gläubige französischer Sprache anwesend sind, die von mehreren Inseln im Pazifik und besonders aus der Diözese Noumea hierhergekommen sind. Ich danke ihnen für ihren Besuch und begrüße sie mit großer Freude. Liebe Brüder und Schwestern, über alle Verschiedenheit der Rassen, Interessen und möglichen Spannungen hinaus seid ihr aufgerufen, dasselbe Geschenk des Herrn zu teilen, indem ihr das Evangelium annehmt und die Taufe empfangt. Ihr seid demselben Christus einverleibt worden, der für uns alle gestorben und aüferstanden ist. Ihr habt denselben Heiligen Geist empfangen, den Geist der Heiligkeit und der Liebe. Und dieser Geist, der in euch wohnt, hält euch dazu an, durch das Gebet in immer lebendigere Beziehung zu Gott zu treten, zu hungern und zu dürsten nach der Gerechtigkeit, menschliche und christliche Gemeinden aufzubauen, wo untrennbar voneinander Gerechtigkeit, Friede und brüderliche Liebe herrschen. Das ist das Zeugnis, das eure Landsleute von wahren Christen erwarten. Ihr sollt dazu beitragen, die Respektierung der Kulturen, die Rechte der einzelnen und auch das Gemeinwohl jedes Landes zu schützen. Bleibt vereint um eure Bischöfe. Und seid euch bewußt, daß ihr, obwohl über den weiten Ozean verstreut, in der Universalkirche vereint seid, in der der Nachfolger des Petrus den Auftrag hat, seine Brüder im Glauben zu stärken und sie um den einen Hirten, den Herrn Jesus Christus, zu sammeln. In seinem Namen segne ich euch und alle, die ihr vertretet, aus tiefstem Herzen. 371 REISEN „Mutter der immerwährenden Hilfe“ Weihegebet an die Muttergottes zum Abschluß der Messe in Honiara (Salomoninseln) am 9. Mai An diesem Tag, an dem wir uns zu Ehren der seligen Jungfrau Maria hier eingefunden haben, wollen wir uns voll Liebe und Vertrauen an sie wenden: O heilige Muttergottes, ich, Johannes Paul II., vertraue dir die Söhne und Töchter der Kirche auf den Salomoninseln an. Sie sind die Brüder und Schwestern deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, die durch sein kostbares Blut erlöst und durch seine Gnade evangelisiert wurden. O liebevolle Mutter unseres Erlösers, ich vertraue dir die Familien, die Mütter, Väter und Kinder dieses Landes und besonders die Kranken, Leidenden und Alten an. Lege Fürsprache für sie ein bei deinem Sohn, dem Quell allen Lebens. O Maria, Königin des Friedens, ich vertraue dir die Nation der Salomoninseln an und alle Männer und Frauen, die hier wohnen. Ich bitte dich, stehe ihnen in ihren Schwierigkeiten bei und stärke sie in ihren Hoffnungen. Sei für sie alle die Mutter der immerwährenden Hilfe. Bring sie alle dem Vater dar, indem du durch Jesus, das ewige Wort, der dein Sohn wurde, seine barmherzige Güte und die Gaben der Einheit und des Friedens erflehst. Erwirke für ihre lieben Toten und für alle, die während des Zweiten Weltkrieges auf ihrem Boden im Kampf fielen, die ewige Ruhe. O Maria, Jungfrau und Mutter, bitte den Heiligen Geist, in den Herzen der Bewohner der Salomoninseln das Werk zu vollenden, das durch die Verkündigung des Wortes Jesu begonnen wurde, dem zusammen mit dem Vater und eben diesem Heiligen Geist Ehre und Lob sei jetzt und in alle Ewigkeit. Amen. 372 REISEN Der Name stammt von König Salomon Grußwort vor dem Abflug von den Salomoninseln am Flugplatz von Honiara am 9. Mai Liebe Freunde! 1. Da dieser Tag allzurasch zu Ende geht, würde ich gern länger bei euch bleiben. Doch warten bereits andere Verpflichtungen auf mich, und so muß ich Abschied nehmen. Doch ehe ich abreise, möchte ich meinen aufrichtigen Dank für den freundlichen Empfang und die herzliche Gastfreundschaft zum Ausdruck bringen. Es war ein wahrhaft vom Herrn gesegneter Tag. Diese so reichen und erfüllten Stunden bei euch haben mir Gelegenheit gegeben, mit vielen verschiedenen Menschengruppen zusammenzutreffen, einschließlich der Kranken und der Gefangenen, denen die Kirche wie ihr Herr und Erlöser Jesus Christus besondere Liebe und Sorge bezeigt. Es war mir eine große Freude, mit den Gliedern der katholischen Kirche die Eucharistie zu feiern und mitten unter euch das Evangelium zu verkündigen. Gemeinsam haben wir unserem himmlischen Vater für das in diesem Land durchgeführte Evangelisierungswerk und für die Art und Weise gedankt, wie der christliche Glaube in euren Herzen tief Wurzeln geschlagen hat. 2. Ich möchte noch ein besonderes Wort des Dankes all jenen zukommen lassen, die diesen unvergeßlichen Besuch so gut vorbereitet und organisiert haben. Insbesondere danke ich Seiner Exzellenz dem Generalgouverneur und den Regierungsverantwortlichen und zivilen Behörden. Sehr dankbar bin ich auch allen, die für Sicherheit und gute öffentliche Ordnung Sorge getragen haben. Ein herzliches Wort des Dankes ergeht an meine Brüder im Bischofsamt in diesem Land sowie an ihre zahlreichen Mitarbeiter, die sich solche Mühe mit der Vorbereitung dieses historischen Ereignisses machten und es zu einem besonderen Augenblick der Gnade für uns alle werden ließen. 3. Diese junge Nation leitet, so wird mir gesagt, ihren Namen von König Salomon her, einem Mann, der für seine Weisheit und Gelehrsamkeit bekannt war. Von überall her kamen in jener Zeit Männer und Frauen zu König Salomon nach Jerusalem, um seinen Rat einzuholen und aus seiner 373 REISEN Weisheit Nutzen zu ziehen. Heute ist der Papst aus Rom auf die Salomoninseln gekommen mit dem Wunsch, einen Pastoralbesuch abzustatten und von denen, die hier leben, zu lernen. Und ich bin in der Tat durch den Aufenthalt bei euch bereichert worden. Ich habe Nutzen gezogen aus eurer Weisheit, die eurem reichen kulturellen Erbe innewohnt und in eurer Freundlichkeit und Herzlichkeit zum Ausdruck kommt. Zum Abschied mache ich mir die Worte des hl. Paulus zu eigen: „Ich . . . ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging . . ., bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1.3). Eure Familien seien gesegnet mit der Weisheit und dem Frieden des Herrn! Gott segne die Salomoninseln! „Große Hoffnung für die Zukunft der Kirche“ Gruß wort vor dem Abflug von Papua-Neuguinea auf dem Flugplatz von Port Moresby am 10. Mai Liebe Freunde! Dieser kurze Aufenthalt in Papua-Neuguinea hat mir große Freude bereitet. Während dieser Tage hatte ich das wunderbare Erlebnis, bei der Kirche in diesem geliebten Land zu weilen, umgeben von der lebhaften Zuneigung seines hochherzigen und gastfreundlichen Volkes. Tief ergriffen und mit aufrichtiger Dankbarkeit sage ich euch allen Lebewohl. 1. Ein besonderes Wort des Dankes möchte ich all jenen sagen, die diesen Pastoralbesuch ermöglicht haben: allen voran Seiner Exzellenz dem Generalgouverneur, dem Premierminister und allen verehrten Mitgliedern der Regierung. Dankbar bin ich auch allen, die die verschiedenen Etappen meines Aufenthaltes hier so gut vorbereitet und organisiert haben. Mein besonderer Dank ergeht an meine ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt und den Klerus, die Ordensleute und Laien für alles, was sie in ihren Diözesen getan haben, um geistlich auf dieses historische Ereignis vorzubereiten. 374 REISEN 2. Die verschiedenen persönlichen Kontakte, die dieser Besuch mir gewährt hat, waren sehr erfreulich und bereichernd. Sie haben es mir ermöglicht, das Leben und die Lebendigkeit dieser jungen und hoffnungsvollen Nation zu sehen. Ich konnte mich davon überzeugen, daß der katholische Glaube in diesem Land tiefe Wurzeln geschlagen hat und in reichem Maße Früchte zu tragen beginnt. Bei meinen Begegnungen mit dem Klerus und den Ordensleuten, mit den Katecheten und den Mitgliedern christlicher Familien und besonders mit der Jugend und den Kranken konnte ich sehen, daß die Zukunft der Kirche in Papua-Neuguinea zu großer Hoffnung berechtigt, einer Hoffnung, die der Heilige Geist erfüllen kann. Ich weiß auch, daß durch diesen Pastoralbesuch das Band kirchlicher Gemeinschaft, das den Bischof von Rom mit den Ortskirchen in diesem Land verbindet, gefestigt und gestärkt wurde. Für diese vielen Segnungen sei der Name des Herrn gepriesen in Ewigkeit! Gepriesen sei Jesus Christus, der Sohn Gottes und Erlöser der Welt! 3. Da ich nun von eurem Land Abschied nehme, möchte ich euch versichern, daß ich euch niemals vergessen werde. Ihr habt einen festen Platz in meinem Herzen, und ich werde immer für euch beten. Ich bitte unseren ewigen Vater, über euch zu wachen und euch in seiner Liebe zu erhalten, und ich bete darum, daß seine Gedanken sich auf jene erstrek-ken mögen, mit denen ich nicht Zusammentreffen konnte, auf all jene, die in den Küsten- und Bergregionen und in den entferntesten Gebieten dieser Nation leben. Gott segne euch mit Frieden und Freude! Gotte segne Papua-Neuguinea! „Sprichwörtliche Toleranz Thailands“ Ansprache bei der Begegnung mit dem König von Thailand in Bangkok am 10. Mai 1. Dies ist für mich ein Augenblick großer Freude. Mit dieser Freude habe ich auch thailändischen Boden betreten. Ich fühle mich sehr geehrt, von Euren Majestäten im „Land des Lächelns“, als das Thailand in der ganzen Welt bekannt ist, empfangen zu werden. 375 REISEN Ich schätze zutiefst die Freundlichkeit, die mir von Euren Majestäten durch die Einladung in ihr schönes Land erwiesen wurde. Mit Respekt und Hochachtung erwidere ich Ihre gütige Freundschaftsbekundung. Ich drücke meine tiefempfundene Dankbarkeit für den besonderen Akt des Wohlwollens von seiten Eurer Majestäten aus, mich von Seiner Hoheit dem Kronprinzen in ihrem Namen vom Flugplatz abholen zu lassen. Ebenso bin ich dankbar für die Unterstützung des Herrn Premierministers. Indem ich ihm danke, entbiete ich allen, die eine Regierungsverantwortung bekleiden und dem Wohl des Thai-Volkes dienen, meine ehrerbietigen Grüße. Einen besonders herzlichen und brüderlichen Gruß richte ich an Kardinal Michael Kitbunchu, den Erzbischof von Bangkok, den ersten Thai-Bischof in der Geschichte der katholischen Kirche, und meine anderen Brüder im Bischofsamt. 2. Mein Besuch ist ein Tribut an die langen und freundschaftlichen Beziehungen zwischen Thailand und dem Hl. Stuhl. Indem ich hierherkomme, habe ich die Ehre, den Besuch zu erwidern, den Eure Majestäten meinem Vorgänger Johannes XXIII. im Jahr i960 abgestattet haben. Ebenso sehe ich dem bevorstehenden Treffen mit Seiner Heiligkeit dem Höchsten Patriarchen im Rachabophit-Tempel voll Erwartung entgegen sowie der Kommemoration an den Besuch des früheren Höchsten Patriarchen bei Paul VI. im Jahr 1972. Meine Vorgänger konnten diese Besuche nicht erwidern. Daher bin ich glücklich, dies jetzt tun zu können. Ich bin sehr erfreut, meine katholischen Brüder besuchen zu können, mit ihnen zu beten und sie in ihrem brüderlichen Dienst zu ermutigen. 3. Ich weiß, daß mein Aufenthalt in Thailand trotz seiner Kürze mir Gelegenheit geben wird, die tiefen menschlichen Werte aus erster Hand kennenzulernen, auf denen das soziale Leben und die Kultur Thailands mit ihrem Brauchtum und ihren Traditionen fußt. Gast zu sein in dem Land, das Freiheit als konstitutives Merkmal seines Volkes verkündet, ist in der Tat eine große Ehre. In unserer heutigen Welt erinnert die Geschichte der Freiheit der Thai und die sprichwörtliche Toleranz Thailands an das tiefste Sehnen der Menschheitsfamilie, in Frieden, Harmonie und Brüderlichkeit zu leben. Besonders ihre Achtung des Menschenrechts auf Religionsfreiheit gereicht Ihrem Land zu großer Ehre. Mein Besuch soll Ausdruck meines persönlichen Dankes und des Dankes der gesamten katholischen Kirche an Eure Majestäten, die Regierung und das Volk dieses edlen Landes sein für die hochherzige Gastfreundschaft, 376 REISEN die Tausenden und Abertausenden von Flüchtlingen aus den Nachbarländern gewährt wurde. Ihre liebevolle Sorge für diese bedürftigen und leidenden Menschen gibt mir das Gefühl enger Verbundenheit mit Ihnen allen, meine Brüder und Schwestern der Thai-Nation, und ich fühle mich hier in Ihrem herrlichen Land wie zu Hause. Euren Majestäten und Ihrem ganzen geliebten Volk erflehe ich Gottes gnadenreichen Segen. „Jesus ist unser Frieden“ Predigt bei der Messe im Stadion von Bangkok am 10. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Es ist unser Vorrang als Glieder der Kirche, uns um den Tisch unseres Herrn Jesus Christus zu vereinen und seinen Leib und sein Blut im Sakrament der Eucharistie zu empfangen. Dieser Vorrang ist auch eine Pflicht, die sich aus dem Auftrag des Herrn an seine Apostel in der Nacht, bevor er litt und starb, ergibt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Versammelt zur Eucharistiefeier, finden wir unsere Identität als Katholiken, weil hier unsere Einheit mit Christus, als einzelne und als Gemeinschaft, ihren höchsten Ausdruck findet: Wir sind verbunden mit Christus, unserem Erlöser, in seinem Akt vollkommener Lobpreisung, in seiner Ganzhingabe als Opfer an den Vater. Eine kleine Herde, aber im Meßopfer mit der Gesamtkirche vereint Es könnte keine geeignetere Zusammenkunft zu Beginn meines Besuches in eurem Land geben, liebe Katholiken von Thailand, als uns zusammenzufinden im Namen Christi und zusammen dieses Gedächtnis unserer Erlösung zu feiern. Es ist wichtig für euch, jeden Sonntag auf diese Weise zusammenzukommen, weil ihr in der Messe immer wieder die Quelle der Einheit als Brüder und Schwestern in Christus entdeckt, einer mit dem anderen eng verbunden. Ihr mögt einen kleinen Teil der Bevölkerung eures Landes bilden und eine kleine Herde von Jüngern Christi sein, doch Christus, der gute Hirt, sorgt für euch und wacht über euch mit besonderer Liebe. Und wenn ihr eure Herzen und Geister im Opfer mit Christus 377 REISEN vereint, werdet ihr zur selben Zeit geistlich mit der gesamten Kirche Christi, der universalen Versammlung aller Gläubigen, der toten und lebenden, die den einen Leib Christi bildet, vereinigt sein. 2. Als Kirche bietet sich euch ständig die einzigartige Gelegenheit, die geheimnisvolle Natur der göttlichen Vorsehung widerzuspiegeln, die euch auserwählt hat, die christliche Botschaft zu hören und Zeugnis zu geben von der Liebe Gottes, die sich offenbarte in der Person Jesu, unseres Heilands. Was ist das für eine Welt, in die euch Gott ruft, um Christus zu bezeugen? Einer ihrer Aspekte wurde uns durch euren Kardinal zu Beginn dieser Liturgie angedeutet. Ihr habt den Vorrang, in einem Königreich zu leben, dessen Einwohner Religionsfreiheit genießen, wo Männer und Frauen die Freiheit besitzen, Gott gemäß den Geboten eines rechten Gewissens zu verehren. Für diese Situation - die mit dem allgemeinen Menschenrecht übereinstimmt - danke ich mit euch Gott. Zusätzlich lebt ihr in einer Welt, in der die Mehrheit eurer Mitbürger dem Buddhismus anhängt, diesem Komplex von religiösem Glauben und philosophischen Ideen, der in der Geschichte, Kultur und Psyche der Thai wurzelt und der eure Identität als Nation tief beeinflußt. In einem bestimmten Ausmaß kann man sagen, daß ihr als Volk von Thailand die Erben der alten und ehrwürdigen Weisheit seid, die darin enthalten ist. 3. Wie könnt ihr als Christen, als Glieder der katholischen Kirche, die Christus als den Erlöser der Welt anerkennt, auf Christi Ruf zur Jüngerschaft antworten, obwohl ihr inmitten einer religiösen Umgebung lebt, die verschieden von der eurigen ist? Die Heilige Schrift gibt Einsichten für eine Antwort auf diese Frage. Die zweite Lesung aus dem Jakobusbrief spricht von „einer weltlichen Weisheit“, der eine „Weisheit von oben“ gegenübersteht, die rein, friedlich, freundlich, offen für Vernunft, voll von Erbarmen und guten Früchten, frei von Ungewißheit und Unaufrichtigkeit ist. Euer kulturelles Erbe als Thai-Volk ist eng verbunden mit der heimischen buddhistischen Tradition, die einen fruchtbaren Boden für den Samen des von Jesus Christus verkündeten Gottesvolkes bietet, um Wurzeln zu schlagen und zu wachsen. In der Praxis des Buddhismus läßt sich eine edle Neigung erkennen, sich von der „weltlichen Weisheit“ zu trennen, um eine innere Reinigung und Freiheit zu entdecken und zu erreichen. Dieses Ziel wird in Gebet und Meditation verfolgt, gepaart mit der Praxis sittlicher Tugend. Wie das Zweite Vatikanische Konzil so klar zeigt, blickt die Kirche mit aufrichti- 378 REISEN gern Respekt auf die religiöse Weisheit, die die nichtchristlichen Traditionen in sich bergen, und lehnt nichts ab, was in ihnen wahr und heilig ist (vgl. Nostra aetate, Nr. 2). Die Früchte einer „friedvollen“ und „freundlichen“ Weisheit werden im Charakter der Thai sichtbar; und sie werden hochgeschätzt und respektiert von denen, die das Glück haben, euch zu begegnen und diese eure innere, geistliche Qualität kennenzulernen. 4. Als Thai-Menschen, die das Zeichen des christlichen Glaubens tragen, lernt ihr diese Weisheit voll durch die Person und die Botschaft Jesu Christi kennen. Seine Weisheit ist für euch und für alle Gläubigen in den. acht Seligpreisungen erklärt, die Christus selbst im heutigen Evangelium verkündet. Diese Seligpreisungen erzählen von Gottes Wohlwollen für die, die nach seinen Geboten leben wollen. Die Annahme dieser Lehre Jesu als Lebensmodell ist Frucht des Heiligen Geistes, jenes Geistes, „der aus der Höhe über uns ausgegossen wird“ (Jes 32, 15) und die menschlichen Herzen und Seelen grundlegend wandelt. Das Ausgießen des Geistes bringt die Wandlung aller Geschöpfe mit sich und schafft Bedingungen, unter denen sich alle wahrer Glückseligkeit erfreuen können, der Glückseligkeit jener, die wahrlich „gesegnet“ sind. Auf dieses Weise verstehen wir, daß Weisheit keine primäre menschliche Leistung ist: Weisheit kommt von Gott und enthüllt sich in einem guten Leben. 5. Das christliche Leben wird durch den Glauben an die erlösende Kraft des Kreuzes und der Auferstehung Christi gelebt; es ist die Antwort derer, die aufrichtig danach trachten, dem Weg des Evangeliums nach den Seligpreisungen zu folgen. Wie zeigt sich diese Weisheit, die sich durch Christus im Leben derer offenbart, die die erlösende Kraft seines Kreuzes und seiner Auferstehung erfahren? Wieder bieten uns unsere Schriftlesungen Licht zur Meditation. Vorrangig unter den Gaben, die von oben kommen, ist das Geschenk des Friedens, das Thema der heutigen Liturgie, und die Meinung, in der wir diese Messe feiern. In unserer ersten Lesung aus dem Propheten Jesaja lernen wir, daß Frieden die Wirkung der Gerechtigkeit sein wird. Aber er wird nur über uns kommen, wenn der Geist „aus der Höhe über uns ausgegossen wird“. Die gesamte Kirche ist verpflichtet, für den Frieden zu beten, für das Geschenk Gottes zu beten, und zwar auf möglichst wirkungsvolle Weise: durch Teilhabe an Christi vollkommenem Selbstopfer, wenn er für uns eintritt bei seinem himmlischen Vater. In der Eucharistie werden wir unserer Verpflichtung als Christen, unablässig zu beten, gewahr, beson- 379 REISEN ders als Glaubensgemeinschaft, so daß wir Christi Geschenk des Friedens als Volk Gottes erhalten, das in der Gegenwart des Vaters versammelt ist. Frieden stiften durch Gerechtigkeit und Nächstenliebe Unsere Pflicht, für das Geschenk des Friedens zu beten, entbindet uns nicht von der Pflicht, für den Frieden zu wirken. Ich spreche hier von dem Frieden, der durch Gerechtigkeit und Nächstenliebe kommt und mit dem Frieden Christi verbunden ist, der von Gott kommt. Unsere Verpflichtung zum Frieden heißt: der Versuchung zur Gewalt zu widerstehen. Das schließt die ständige Zügelung der Leidenschaften, Achtung vor der Würde der anderen, Erbarmen, Demut und all diese Fähigkeiten ein, die aus einem Herzen strömen, das nach dem Bild des Herzens Christi gestaltet ist, des Friedensfürsten. Auch hier, als Volk, das durch die buddhistische Tradition eures Landes bereichert ist, seid ihr mit einer besonderen Sensibilität für den Verzicht auf Gewalt zur Verteidigung der persönlichen Rechte begabt, so daß des Herrn ausdrückliches Gebot, Friedensstifter zu sein, eine Resonanz in euren Geistern und Herzen weckt, die .euch hilft, nicht den vielen Versuchungen zur Gewalt zu unterliegen, die die Welt verfolgen. Von dieser Perspektive aus können wir den Sinn der Worte des hl. Jakobus besser verstehen: „Wo Frieden herrscht, wird für die Menschen, die Frieden stiften, die Saat der Gerechtigkeit ausgestreut“ {Jak 3, 18). Wie kann das geschehen? Es findet in den Christen Raum durch die Annahme des Lebensmodells, das Christus in seiner Bergpredigt gezeichnet hat. Dieses Programm ist die neue Weisheit, die von oben kommt und im scharfen Kontrast zur weltlichen Weisheit steht. Ihr gegenüber stehen Materialismus und Hedonismus. Die Seligpreisung „Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden“, gewinnt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung. Der wahre Friedensstifter ist der, der nicht nur auf die Anwendung von Gewalt als normalem Handlungsverlauf verzichtet, sondern auch den Mut hat, die Feinde des Friedens zu bekämpfen. Der Friedensstifter kämpft nicht mit physischen Waffen oder gegen eine andere Person oder eine andere Nation, sondern gegen die Selbstsucht in all ihren Formen, die uns hindert, die anderen als Brüder und Schwestern einer einzigen Menschheitsfamilie zu sehen. Er kämpft gegen Gleichgültigkeit oder Apathie gegenüber Armut, Schmerz und Leiden, weil aus der christlichen Sicht des menschlichen Lebens diese Situationen weder Fatalismus rechtfertigen noch Zeichen der Verwünschung sind. Vielmehr 380 REISEN führen sie uns zur Erlösung, wenn sie verbunden sind mit dem Kreuz und der Auferstehung Jesu Christi, unseres Heilands, dessen unschuldiges Leiden für immer ein Zeichen der Hoffnung für alle Menschen bleibt. 7. Brüder und Schwestern in Christus! In jeder Eucharistiefeier erneuert Christus das Geschenk seiner selbst als Mittler und Versöhner, indem er die verstreuten Kinder Gottes wieder sammelt und der gesamten Menschheitsfamilie das Geschenk des Friedens bringt. In der Messe wird Christus unser Frieden. Und Jesus Christus ist unser Frieden, den wir der Welt anzubieten wünschen. Herr, mach uns zu Werkzeugen deines Friedens. Herr, schenke uns deinen Frieden! „Alle Sprachbarrieren überschritten“ Ansprache im Flüchtlingslager Phanat Nikhom (Bangkok) am 11. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es war mein dringender Wunsch, im Verlauf meines Besuches in Thailand mit euch zusammenzutreffen. Obwohl mein Aufenthalt hier in Phanat Nikhom sehr kurz ist, ist er für mich von tiefer Bedeutung. Ihr sollt wissen, daß meine Worte alle Sprachbarrieren überschreiten: Sie werden in der Sprache des Herzens gesprochen. Mein Herz wendet sich euch zu: Es ist das Herz eines Bruders, der im Namen Jesu Christi zu euch kommt, um euch eine Botschaft des Mitleids, des Trostes und der Hoffnung zu bringen; es ist ein Herz, das jeden einzelnen von euch als Freund und Mitmensch umfängt; ein Herz, das all jene überall in der Welt zu erreichen sucht, die eure Lage und Lebenserfahrung als Flüchtlinge teilen. 2. Hört diese Worte, die aus meinem Herzen kommen: Ich möchte, daß ihr von meiner Liebe erfahrt. Wir sind wahrhaftig Brüder und Schwestern, Glieder derselben Menschheitsfamilie, Söhne und Töchter desselben liebenden Vaters. Ich möchte eure Leiden, eure Not, euren Schmerz mit euch teilen, damit ihr wißt, daß sich jemand um euch sorgt, sein Mitgefühl mit eurer Notlage ausdrückt und sich bemüht, euch zu helfen, damit ihr Unterstützung, Trost und einen Grund zur Hoffnung findet. 381 REISEN Habt Selbstvertrauen! Vergebt niemals eure Identität als freie Menschen, denen ein Platz in dieser Welt zusteht. Gebt niemals eure Persönlichkeit als Volk auf! Bleibt fest in euren jeweiligen Kulturen verwurzelt: Daraus kann die Welt viel lernen und euch in eurer Einmaligkeit schätzen und anerkennen. Habt Hoffnung in die Zukunft! Unsere Welt befindet sich in voller Entwicklung. Sie braucht euch und euren Beitrag. Nehmt jede Gelegenheit wahr, die sich euch bietet, eine Sprache zu erlernen und eine Fertigkeit zu vervollkommnen, damit ihr in der Lage seid, euch dem Land, das euch seine Tore öffnen und sich durch eure Anwesenheit bereichern wird, sozial anzupassen. 3. An die Katholiken unter euch möchte ich ein besonderes Wort richten: Gott hat nie gesagt, daß Leiden etwas Gutes an sich sei, aber er lehrte uns durch seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, der für unsere Sünden gelitten hat und gestorben ist, daß unsere Leiden, wenn sie sich mit denen Christi vereinen, für das Heil der Welt von Bedeutung sind. Jesus Christus, Gottes Sohn, der am dritten Tag auferstanden ist, ist der Grund unserer Hoffnungen - jetzt und in Zukunft. 4. Liebe Flüchtlinge, das abschließende Wort, das ich als euer Bruder zu euch spreche, ist ein herzliches Danke in eurem Namen an alle, die euch in dieser schweren Zeit eures Lebens beistehen: - an die Regierung von Thailand, die mir diesen Besuch bei euch ermöglicht hat und die die Türen dieses Landes so vielen Flüchtlingen aus anderen südostasiatischen Ländern geöffnet hat; - an die vielen nationalen und internationalen Organisationen, konfessionellen wie nichtkonfessionellen Charakters, die die Leidensrufe ihrer Mitmenschen vernommen und auf so vielfältige Weise in dieser dringenden Mission des Erbarmens geantwortet haben; und schließlich - an die zahlreichen Freiwilligen, besonders die vielen Jugendlichen, die aus allen Teilen der Welt gekommen sind, um sich in den Dienst der Flüchtlinge zu stellen. Ich danke euch allen für eure Hochherzigkeit, eure Opfer und eure humanitäre Sorge. 5. Liebe Freunde! Wißt, daß ich alles in meiner Macht Stehende tue, um euch zu helfen und andere um Hilfe für euch zu bitten. Ich bin euch in eurem Leid nahe und bitte Gott, euch Kraft zu geben und es euch bald 382 REISEN möglich zu machen, den Frieden und die Sicherheit eines festen Zuhauses zu finden. Möget ihr in euren Herzen Gottes Liebe erfahren! Euer Ja zur Einladung Christi Ansprache bei der Begegnung mit Priestern, Ordensleuten und Laien in der Kathedrale in Bangkok am 11. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Gnade, Erbarmen und Friede von Gott, dem Vater, und von Jesus Christus, dem Sohn des Vaters, in Wahrheit und Liebe seien mit euch (vgl. 2 Joh 1, 3). Ich habe mit großer Erwartung diesem Treffen mit euch, Priestern, Ordensleuten und Laien, Männern und Frauen, entgegengesehen. Ich habe mich danach gesehnt, euch, die ihr eine so bedeutende Rolle in der Evangelisierung und dem kirchlichen Leben Thailands spielt, zu begrüßen. So viele Male sind meine Gedanken vom Stuhle Petri, des Apostelfürsten, dessen Grab sich unter dem Hauptaltar der Vatikanbasilika befindet, zu euch gegangen: „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken“ {Eph 1, 16). Im Rahmen der pastoralen Motive für meinen Kurzbesuch in eurem Land messe ich diesem Treffen besondere Bedeutung bei. Euch ist in der Tat im Einklang mit euren verschiedenen Rollen die Aufgabe anvertraut, in Einheit mit den Bischöfen die Herde Christi zu leiten und ein klares und eindeutiges Zeugnis eines christlichen Lebens zu geben, das das Volk Gottes nähren und zu den Herzen und Gewissen der Männer und Frauen guten Willens sprechen wird. 1. „Darum höre ich nicht auf, für euch zu danken“: an erster.Stelle für die zahlreichen Berufungen zum Priestertum, die der Vater in der Kirche Thailands gedeihen ließ. Ich danke außerdem für die Vitalität der vielen religiösen Kongregationen, die Zeugnis geben von den fruchtbaren Charismen, die der Geist Christi über der Kirche in Thailand ausgegossen hat. Ich danke Gott für den Mut und die Beharrlichkeit der Laien in ihrem christlichen Leben. 383 REISEN Und ich danke euch allen und euren Brüdern und Schwestern, die heute nicht hier sein konnten, für die hochherzige und glaubensvolle Antwort, die ihr Priester und Ordensleute wie auch ihr Laien auf den Ruf Gottes gegeben habt. Ich bete dafür, daß ich Petri Aufgabe, euch in eurem Glauben zu stärken, erfüllen möge: daß ihr im Glauben an den Sohn Gottes leben möget, der euch geliebt und sich für euch hingegeben hat (vgl. Gal 2, 20); daß ihr eurer Berufung treu bleibt und niemals euer großes Privileg aus dem Blick verliert: mitzuwirken bei der Aufgabe, Christus der Welt mitzuteilen und sein Reich der Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe aufzubauen. Im täglichen Meßopfer Christus begegnen Wie ihr sehr wohl wißt, erwartet das Privileg einer christlichen Berufung eine volle Antwort. Es verlangt eine tägliche Bekräftigung eures ersten Ja zur Einladung Christi. Es verlangt eine Erneuerung eures Taufgelübdes, eine Erneuerung eurer religiösen Weihe und des Versprechens eures Priestertums. Möge es eure Freude sein, den Weg, den ihr in der Nachfolge Christi, des Gottessohnes und Heilands der Welt, eingeschlagen habt, zu Ende zu gehen. 2. Ich weiß von den vielen und verschiedenen Wegen, auf denen ihr euren Dienst am Volk Gottes leistet. Unter euren Tätigkeiten besteht jedoch ein Unterschied, der eurer jeweils spezifischen Berufung entspricht. Zunächst möchte ich zu euch Priestern sprechen. Ihr müßt beachten, was die Apostelgeschichte in besonderer Weise lehrt. Die ersten Jünger sahen es als ihre Hauptaufgabe an, „beim Gebet und beim Dienst am Wort zu bleiben“ (Apg 6, 4). Ihr habt das Vorrecht, durch euer persönliches und liturgisches Gebet täglich Christus zu begegnen, besonders in der glaubenserfüllten Feier der Sakramente - vor allem des eucharistischen Opfers, der Quelle und des Höhepunktes des ganzen christlichen Lebens (vgl. Lumen gentium, 11), das euch Freude und Kraft bringen wird. In der andächtigen Betrachtung des geoffenbarten Wortes Gottes werdet ihr „innige und beständige Gemeinschaft mit dem Vater“ (Optatam totius, 8) finden durch seinen Sohn Jesus Christus. Auf diese Weise werdet ihr bessere Werkzeuge der Kraft des Heiligen Geistes werden, um das Volk Gottes in eine heilige Wohnung für Gott zu verwandeln: „Denn wir sind Gottes Mitarbeiter“ (1 Kor 3, 9). 3. Euer Dienst am Wort schließt die Aufgabe einer adäquaten Glaubensunterweisung eurer christlichen Gemeinden mit ein, so daß sie ihren 384 REISEN Glauben in reifer und verantwortlicher Weise leben können. Das verlangt, daß ihr euch Zeit nehmt für das Studium und daß ihr beständig bemüht seid, der eindringlichen Ermahnung des ersten Petrusbriefes zu folgen: „Seid stets bereits, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig“ (1 Petr 3, 15). Auch könnt ihr nicht eure Aufgabe übersehen, denen, die noch nicht getröstet worden sind durch das Evangelium Christi, die Verkündigung der christlichen Botschaft in angemessener Weise zu vermitteln. Die Mitteilung der Frohen Botschaft muß begleitet werden vom Beispiel eines Lebens, das seinen Ursprung in Jesus selbst hat. Erlaubt mir, liebe Priester, euch zu sagen, was der hl. Paulus an die Philipper schrieb: „Vor allem: lebt... so, wie es dem Evangelium Christi entspricht. Ob ich komme und euch sehe oder ob ich fern bin, ich möchte hören, daß ihr in dem einen Geist feststeht, einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpft“ (Phil 1, 27). Ich versichere euch, daß dies mein tägliches Gebet für euch ist! 4. In besonderer Weise ist es Pflicht der Ordensleute der Kirche, ein lebendiges Beispiel für ein christliches Leben zu geben. Liebe Ordensleute, von euch, die ihr dem Herrn geweiht seid, erwarten die Gläubigen und Ungläubigen dieser Welt die besondere Liebe, die Christus als sein „neues“ Gebot gelehrt hat: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: Wenn ihr einander liebt“ (Joh 13, 35). Die Liebe Christi, die Schule und Stütze eures Lebens in der Gemeinschaft und die Kraft eurer apostolischen Tätigkeiten, wird die wirksamste Verkündigung der Wahrheit des Evangeliums sein, indem sie der Kirche Thailands innere Stärke und Vitalität gibt. Ich möchte euch meiner Zuneigung versichern und euch sagen, mit wieviel Vertrauen ich meine Hoffnung auf euch setze! 5. In der Gemeinschaft, die die Kirche bildet, haben die Laien ihre besondere und unverzichtbare Rolle. Zu euch, liebe Menschen in der Welt, sage ich: Aufgrund eurer Eingliederung in Christus durch die Taufe nehmt ihr aktiv und in ganz persönlicher Weise an der Verantwortung teil, entsprechend der Wahrheit und den Werten des Evangeliums die Welt umzuformen. Eure Aufgabe ist es, so zu leben, daß euer christlicher Glaube in die sozialen, kulturellen, beruflichen und alltäglichen menschlichen Tätigkeiten übergeht, die ihr ausübt. Die Kirche in Thailand bedarf sehr eurer aktiven Mitarbeit! Für zahlrei- 385 REISEN che und wirksame erzieherische, soziale und brüderliche Dienste Sorge zu tragen, ist eure Herausforderung, die schwer auf euren Schultern lastet. Indem ihr diese Herausforderung annehmt, errichtet ihr das Reich Gottes in einer sichtbaren Weise und leistet gleichzeitig einen sehr wertvollen Beitrag für die Entwicklung und das Wohl eures Landes. Seid euch des Segens und der Unterstützung des Papstes gewiß! Gebt meine Grüße euren Familien und Gemeinden weiter, besonders den Jungen und Alten und denen, die auf irgendeine Weise Not leiden. 6. Liebe Priester, Ordensleute und Laien, Männer und Frauen, eure jeweiligen Berufungen sind verschieden. Jede offenbart auf eigene Weise, daß der große Reichtum der Heilssendung Christi in der Kirche wirkt. Jede Berufung und jede kirchliche Aufgabe hat ihre Lebens- und Energiequelle in der Feier der Eucharistie. Christus ruft euch, damit ihr einander am Tisch des Wortes und seines Leibes und Blutes begegnet und Kraft schöpft für eure Apostolate. Ich freue mich zu hören, daß besondere Bemühungen unternommen werden, um die Schätze der Liturgie den Gläubigen zugänglicher zu machen. Das wird eine reichhaltige Nahrung sein für das geistliche Leben der Kirche in Thailand. Ich hoffe, daß immer mehr Laien am Stundengebet teilnehmen werden können, das der Lobeshymnus Gottes durch Christus und die ganze Kirche ist. Dieses Gebet der Kirche gehört dem ganzen Volk Gottes. 7. Eure Begegnung mit Christus in der Liturgie und im persönlichen Gebet wird der Ausgangspunkt für die Erfüllung eurer missionarischen Berufung; denn die ganze Kirche ist zur Mission berufen. Alle Glieder der Kirche haben an dieser Aufgabe teil, und nicht nur die Brüder und Schwestern, die die Ortskirchen in anderen Teilen der Welt zu euch geschickt haben als lebendiges Zeichen kirchlicher Gemeinschaft und Katholizität. Und euch, Missionare aus anderen Ländern, grüße ich besonders herzlich! Empfangt den Dank der Kirche und des Papstes dafür, daß ihr euch der Kirche in Thailand geschenkt habt! Der Herr Jesus selbst nimmt eure Opfergabe an und bringt sie vor seinen Vater, vereint mit seinem eigenen Opfer. Die gesamte Kirche in Thailand muß missionarisch sein. Nicht aus einem Geist des Wettbewerbs heraus oder aus einem Verlangen, Gesichtspunkte aufzulasten, die sich von den traditionellen Werten der beachtenswerten kulturellen Tradition dieses Volkes unterscheiden, sondern nur aus der Notwendigkeit heraus, das göttliche Leben, das der 386 REISEN Heilige Geist in euch nährt, wie auch eure Freude in Christus mitzuteilen. Möge unser Vater im Himmel durch euch in den tiefen Werten, die eure Thai-Kultur kennzeichnen, bekannt werden! Möge der Heilige Geist Christus in euch Gestalt werden lassen und ihn durch euer Leben und eure Lehre der Welt mitteilen. Möge Maria, die Mutter unseres göttlichen Heilandes, für immer die Ursache unserer Freude sein! „Der Herr faßt euch an der Hand“ Predigt bei der Messe und Priesterweihe im Diözesanseminar in Sampran am 11. Mai Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Wir haben uns heute nachmittag hier eingefunden, um ein sehr schönes Ereignis zu feiern. 23 junge Männer, die von Gott in der Taufe berufen und in besonderer Weise zum Dienst in seiner Kirche auserwählt worden sind, werden zu Priestern Jesu Christi geweiht. Das ist für die gesamte katholische Kirche dieser Generation und aller Zeiten ein bedeutsamer Augenblick. Er ist eine weitere Offenbarung der Liebe Gottes für sein Volk; der Gute Hirt läßt seine Herde niemals unbehütet. Zugleich hat diese Zeremonie besondere Bedeutung für die Kirche in Thailand; sie ist ein Zeichen geistlicher Reife. Diese Priesterweihe stellt die Zeit der Ernte dar, den freudigen Augenblick, in dem die von Gott ausgesäte und von den Familien und Lehrern aufgezogene Saat einer göttlichen Berufung im Leben der einzelnen jungen Männer Früchte trägt, die heute vor uns stehen und mich als den im Namen Christi und seiner Kirche Handelnden bitten, ihnen die sakramentale Gnade des Priestertums zu übertragen. Wenn ich um mich blicke und das Knabenseminar der Erzdiözese und etwas weiter weg das Priesterseminar sehe, das Christus als dem „Licht der Welt“ geweiht ist; wenn ich an die in nahezu allen Diözesen Thailands bestehenden Knabenseminare sowie an das von den Bischöfen eingerichtete mittlere Seminar denke; wenn meine Gedanken zu allen Ordensgemeinschaften gehen, die für die Ausbildung ihrer Kandidaten auf das Priesterseminar angewiesen sind; wenn ich all die großartigen Werke 387 REISEN sehe, dann muß ich zurückdenken an die bescheidenen Anfänge des ersten Kollegs in Ayudhaya im Jahr 1666. Ich preise Gott und danke ihm für die vielen Gnaden, die er euch im besonderen durch die Voraussicht eurer Bischöfe geschenkt hat. Hier schlägt das Herz der Kirche in Thailand, nicht nur der Erzdiözese Bangkok, sondern jeder Ortskirche. Hier bildet ihr durch Gebet und Studium die künftigen Priester eures Landes aus und bringt in ihnen die gesunden Traditionen zur Entfaltung, so daß sie befähigt werden, die Herzen des Thai-Volkes anzusprechen, damit diese den Herrn Jesus Christus erkennen können, „wenn er das Brot bricht“ (Lk 24, 35). 2. Als Mitarbeiter ihrer Bischöfe und Teilhaber am Dienst Christi, des Lehrers, Priesters und Königs, werden diese 23 jungen Männer das Priesteramt in der Kirche ausüben. Durch ihre sakramentale Weihe werden sie gesalbt im Heiligen Geist, mit einem besonderen Merkmal gezeichnet und übernehmen auf diese Weise die Rolle Christi, so daß sie in der Lage sind, in seinem Namen und in seiner Person zu handeln. Wenn uns der Prophet Jesaja die wichtigsten Merkmale des Messias beschreibt, stellt er uns zugleich ein Bild des Priesters vor, der Christus gleich geworden ist: „Seht, das ist mein Knecht, ich halte ihn an der Hand; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist in ihn gelegt, damit er den Völkern das Recht bringt“ (Jes 42, 1). Dadurch, daß Christus die Gerechtigkeit brachte, nahm er die charakteristischen Züge des Gottesknechtes Israels an und wurde berufen, zu leiden und sich für die Erlösung der Menschheit zu opfern. Der erste Petrusbrief ist noch deutlicher in der Formulierung der Dimension des Opfers am Erlösungswerk Christi: Christus „hat unsere Sünden mit seinem Leib auf das Holz des Kreuzes getragen, damit wir tot seien für die Sünden und für die Gerechtigkeit leben. Durch seine Wunden seid ihr geheilt“ (7 Petr 2, 24). Hier erkennen wir den Umfang des Selbstopfers Christi: Er erlitt den Tod, um uns von unseren Sünden zu befreien, damit wir die Neuheit des Lebens in Gott erfahren. 3. Der Priester des Neuen Testaments findet seine Identität in der Person und Sendung Christi. Er fährt fort, die Heilstat Christi sichtbar zu machen. Seine Hingabe in der Weihe verkörpert die Selbstentäußerung Christi. Der Priester ist dazu berufen, die Frohbotschaft von der Erlösung zu verkündigen, die Gemeinschaft der Gläubigen zu sammeln und zu führen und als Verwalter der heiligen Geheimnisse zu dienen. Im Namen des Erlösers versöhnt der Priester die Sünder mit Gott und mit der Kirche im 388 REISEN Bußsakrament. Durch die Feier der Eucharistie verkündet der Priester den Tod und die Auferstehung des Herrn, in der Jesus selbst den neuen Bund in seinem Blut bestätigt. In alldem ist Christus, wie der hl. Petrus sagt, „der Hirte und Bischof“ unserer Seelen (vgl. 1 Petr 2, 25). Er ist tatsächlich der Gute Hirt, der sein Leben hingibt für die Schafe, der seine Schafe kennt und dessen Schafe ihn kennen (vgl. Joh 10, 11.14). Durch die sakramentale Weihe teilt der Priester in besonderer Weise die Hirtensorge Christi für seine Kirche. Er tut das in Übereinstimmung mit der Sendung des leidenden Gottesknechtes bei Jesaja: „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht und den glimmenden Docht löscht er nicht aus... Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen“ (Jes 42, 3-4). Mit Geduld und Demut erfüllt er die Aufgabe Christi als Hirte und Haupt, indem er eine geistliche Macht ausübt, die ihm zum Aufbau des Leibes Christi gegeben ist. Indem er sich demütig in den Dienst derer stellt, die seiner Sorge anvertraut sind, läßt sich der Priester in allen Dingen vom Willen dessen leiten, der keines seiner Schafe verloren und alle gerettet wissen wollte (vgl. Joh 10, 16). 4. Meine lieben Diakone, junge Männer, die vor der Priesterweihe stehen: Eure Berufung ist wahrhaftig erhaben, da sie mit der Würde ausgestattet ist, die Christus selbst ihr verliehen hat. Es ist eine besondere Gabe Gottes, von der zum Wohl der Kirche und zur Rettung der Welt Gebrauch gemacht werden soll. Hört die Worte des Propheten Jesaja, als er von einer solchen Berufung spricht: „Ich, der Herr, habe dich gerufen, denn ich handle gerecht, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, was ich meinem Volk verhieß zu vollbringen, und ein Licht für die anderen Völker zu sein“ (Jes 42, 6). Bleibt dieser Berufung treu! Der Herr faßt euch an der Hand. Er hat euch bei eurem Namen gerufen. Er hat euch dazu bestimmt, was er seinem Volk verhieß zu vollbringen, und ein Licht für die anderen Völker zu sein. Er erwählt euch, damit ihr in der Person Christi den neuen, in seinem Blut errichteten Bund darbietet und das Licht der Heilsbotschaft Christi überall in der Welt verbreitet. Bleibt dieser Berufung treu! Seid hochherzig in eurem Dienst. Folgt dem Beispiel Christi, der gekommen ist, um zu dienen, und nicht, sich dienen zu lassen. Nehmt als eine besondere Herausforderung den Auftrag an, den Menschen eures Heimatlandes das Evangelium zu verkünden. Ermu- 389 REISEN tigt und stärkt jene, die die Botschaft Christi bereits gehört haben, und verkündet sie zuversichtlich und beharrlich denen, die noch nicht zum Glauben gefunden haben. Eure Berufung verlangt von euch eine missionarische Gesinnung. Als Priester der Kirche, die das universale Heilssakrament ist, seid ihr aufgerufen, euch selbst als Lösegeld für alle anzubieten, dem Beispiel dessen zu folgen, der sich freiwillig angeboten hat, damit alle frei würden. Das heißt, daß ihr ständig mit Christus verbunden und vereint bleiben müßt: durch Gebet, Opfer, Leiden und Gehorsam gegen seinen Willen. Das erfordert Edelmut und Hochherzigkeit, die euch veranlassen werden, Gott jeden Tag für das Geschenk des Zölibats zu danken, das sowohl ein Zeichen pastoraler Liebe wie auch ein Ansporn zu dieser Liebe ist. Wenn ihr über die Notwendigkeit nachdenkt, die Heilssendung der Kirche „bis an die Grenzen der Erde“ (Apg 1, 8) auszudehnen, so weiß ich auch, daß ihr euch bemühen werdet, hochherzig der Aufforderung zu entsprechen, euren Dienst in Diözesen auszuüben, die unter dem Mangel an Berufung leiden. Liebe Brüder und Söhne, seid beständig in eurer Liebe zu Christus und seiner Kirche. Als Priester werdet ihr Mitarbeiter Christi, des Erlösers, sein; ihr seid Männer der Vergebung und des Erbarmens Gottes. Unterlaßt es niemals, dieses Erbarmen denen zu verkündigen, die es am nötigsten haben: den Armen, den Kranken, den Sterbenden, den Traurigen und jenen, die in die Sünde verstrickt sind. Und zeigt Gottes Erbarmen euren Brüdern im Priesteramt, die sich im Augenblick der Enttäuschung und Not vielleicht um Ermutigung und brüderliche Hilfe an euch wenden. Kurz, seid in allem, was ihr tut, für die, denen ihr begegnet, ein zweiter Christus. 5. Geliebtes Volk von Thailand, meine Brüder und Schwestern in Christus, diese jungen Männer sind im Begriff, im Sakrament der Priesterweihe mit dem Zeichen des Priesteramtes Christi versehen zu werden. Betet für sie: um Eifer und persönliches Glück und um Beharrlichkeit als heiligmäßige Priester Jesu Christi. Betet auch für jene, die weiter Opfer bringen, damit andere junge Männer die Stimme des Herrn hören und seinem Beispiel folgen mögen. Betet um gute und zahlreiche Priester- und Ordensberufe. Ladet Jesus ein, in eure Häuser, eure Schulen, eure Jugendbewegungen einzukehren, damit viele junge Menschen den Ruf Christi, alles zu verlassen und ihm zu folgen, annehmen mögen. In dieser Stunde der Freude und des Dankes wollen wir unsere Herzen erheben zu Jesus Christus, dem Guten Hirten, dem Hohenpriester unserer 390 REISEN Erlösung. Er hat seiner Kirche das priesterliche Dienstamt geschenkt. Er, Jesus Christus, führt uns zu seinem Vater und ist mit dem Vater und dem Heiligen Geist ein Gott in alle Ewigkeit. Amen. „Maria, sei dem Gottesvolk nahe!“ Weihegebet an die Muttergottes zum Abschluß der Messe im Diözesanseminar in Bangkok am 11. Mai Zum Abschluß dieser heiligen Messe, in diesem Augenblick besonderer Gnade, wenden sich unsere Herzen mit großer Dankbarkeit und Freude an die heilige Gottesmutter: O selige Jungfrau Maria, ich danke dir für deine mütterliche Liebe zu all deinen Söhnen und Töchtern in Thailand. Als Bischof der Universalkirche vertraue ich sie alle deinem unbefleckten Herzen an und bitte dich, sie immer zu behüten und sie auf den Wegen der Heiligkeit und des Friedens zu geleiten. O Maria, Mutter der Priester, mit kindlicher Ergebenheit vertraue ich dir diese neugeweihten Priester an, die dein Sohn berufen hat, seine Freunde zu sein, und die er aussendet, die Frohbotschaft der Erlösung zu verkünden. Bewahre ihre Treue im hochherzigen Dienst am Volk Gottes. Ziehe sie immer enger an dein reines Herz und an das heiligste Herz deines Sohnes. O Jungfrau Maria, Mutter der Kirche, bei jedem Schritt der menschlichen Geschichte bist du dem Gottesvolk nahe, unterstützt es mit deinen Gebeten und schenkst ihm Mut, Zeugnis zu geben von der Wahrheit des Evangeliums. Lege heute Fürsprache ein für alle Geistlichen, Ordensleute und Laien Thailands, damit sie, stark im Glauben und in der Hoffnung, ausharren in der Liebe Jesu Christi, deines Sohnes, unseres Herrn, der lebt und herrscht mit dem Vater und dem Heiligen Geist, ein Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 391 REISEN Sinn für Gastfreundschaft Ansprache an Regierungsmitglieder, Diplomatisches Korps und Vertreter der Religionsgemeinschaften im Regierungspalast von Bangkok am 11. Mai Herr Premierminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Freunde! 1. Es ist mir eine besondere Freude, heute abend zu Ihnen zu sprechen, Sie und jene, die Sie vertreten, sehr herzlich zu grüßen und Ihnen meinen tiefempfundenen Dank für Ihre Anwesenheit auszudrücken. Die freundschaftlichen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Königreich von Thailand reichen 300 Jahre weit zurück in die Geschichte. 1669 wurde während der Regierungszeit von König Narai dem Großen und unter dem Pontifikat von Papst Innozenz XI. das erste Apostolische Vikariat in der heiligen Stadt Ayutthaya errichtet. Moderne Zeiten zeugten von wachsendem Verlangen nach engeren Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Thailand, bis 1969 offizielle diplomatische Beziehungen aufgenommen wurden. Der gegenwärtige Status der Beziehungen spiegelt das gegenseitige Vertrauen wider, das zwischen dem Heiligen Stuhl und Thailand besteht. Der Regierung von Thailand ist eingehend versichert worden, daß es auf keiner Ebene zwischen der Loyalität eines Thai-Bürgers zu seinem Land und seiner Annahme des Evangeliums und seiner Zugehörigkeit zur katholischen Kirche Unverträglichkeiten gibt. Die Förderung der Tugend der Vaterlandsliebe hat in der Tat eine lange Tradition in der katholischen Kirche, wie die Geschichte der vielen heroischen katholischen Patrioten verschiedener Länder rund um die Welt beweist. 2. Die katholische Kirche ist eine universale Gemeinschaft, deren Glieder fast allen Ländern und Kontinenten, Nationen, Rassen, Sprachen und Kulturen angehören. Sie sieht es als einen bedeutenden Teil ihrer Mission an, Wege des Verständnisses und des friedvollen Zusammenarbeitens unter den Völkern zu suchen und fördert die Initiativen zur Sicherung und Verteidigung der von Gott gegebenen Würde der menschlichen Person. Daher möchte ich heute abend die Gelegenheit wahrnehmen, Ihre Aufmerksamkeit als Repräsentanten der Regierungen und Nationen auf ein 392 REISEN Problem von ungeheurer Größe zu lenken. Darüber zu schweigen wäre eine Verleugnung dessen, was die katholische Kirche über die menschliche Würde lehrt und darüber, wie einzelne und ganze Nationen zur Verteidigung dieser Würde antworten können und sollen. Ich spreche von der Not der vielen tausend Flüchtlinge, die in diesem Land zur Zeit leben. Meine tiefe Sorge um ihr Wohlergehen und ihre Zukunft drängt mich, dieses Thema bei dieser Begegnung zu erwähnen und in ihrem Namen zu sprechen. Dank des Entgegenkommens der Regierung Thailands hatte ich heute morgen die Gelegenheit, das Flüchtlingslager in Phanat Nikhom zu besuchen, ein Auffang- und Durchgangslager für mehr als 17 000 Männer, Frauen und Kinder, die aus ihren eigenen Ländern vertrieben wurden und hier in Thailand Asyl gesucht haben. Es war ein tief bewegendes Erlebnis für mich, weil ich zur gleichen Zeit, da ich in die Gesichter so vieler leidender Menschen blickte, daran denken mußte, daß es noch viele Tausende in ähnlicher Situation gibt, die in den verschiedenen Lagern in diesem Land leben. Das Gewissen der Menschheit auf das Übel aufmerksam machen Das traurige Los dieser tapferen und unglücklichen Menschen darf von der internationalen Gemeinschaft nicht ignoriert werden. In der Tat muß das Gewissen der Menschheit stets auf die schwierige Situation aufmerksam gemacht werden, damit durch eine schnelle und entschlossene Aktion eine angemessene Lösung herbeigeführt wird. 3. Die Armut dieser Opfer politischer Unruhen und Bürgerkriege ist so extrem, auf praktisch allen Ebenen menschlichen Daseins, daß es für einen Außenstehenden kaum vorstellbar ist. Sie haben nicht nur ihren materiellen Besitz und ihre Arbeit verloren, mit der sie einst den Lebensunterhalt für ihre Familien verdienten und die Zukunft ihrer Kinder sicherten, sondern ihre Familien selbst wurden entwurzelt und versprengt: Eheleute wurden voneinander, Kinder von ihren Eltern getrennt. In ihrer Heimat haben sie die Gräber ihrer Vorfahren zurückgelassen und so auf eine sehr ernstzunehmende Weise einen Teil ihrer selbst zurückgelassen, wodurch sie noch ärmer wurden. Viele unter den Flüchtlingen haben große Gefahren auf ihrer Flucht zu Land oder zu Wasser ausgestanden. Allzu viele gelten als vermißt oder starben auf der Flucht, oft Opfer schamloser Ausbeutung. Hier völlig mittellos angekommen, befinden sie sich in einem Zustand totaler Abhän- 393 REISEN gigkeit von anderen, was Nahrung, Kleidung, Schutz und jegliche Entscheidung für die Zukunft betrifft. Um wieviel größer ist die Armut der alten, kranken und behinderten Menschen, die besondere Schwierigkeiten haben, ein Land zu finden, das ihnen dauerhaft Asyl gewährt. Diese zahllosen Opfer erleiden wirklich ein grausames Unglück: Einerseits sind sie nicht in der Lage, in ihre eigenen Länder zurückzukehren, anderseits können sie nicht unbegrenzt unter den gegenwärtigen Umständen leben. Was sollen sie tun? Bringt ihnen der Weg, den sie gezwungenermaßen eingeschlagen haben, eine echte Hoffnung für die Zukunft? Verzweifelte Appelle leidender Menschen 4. Die verzweifelten Appelle dieser leidenden Männer, Frauen und Kinder sind von vielen mitleidigen Menschen in Thailand und auf der ganzen Welt gehört worden. Das gibt einen Hoffnungsschimmer. Bei dieser Gelegenheit möchte ich gern meine Bewunderung und Hochachtung für die verschiedenen Gruppen ausdrücken, die den Flüchtlingen während des Aufenthaltes in diesem Land beigestanden haben. An erster Stelle möchte ich der Regierung und dem Volk von Thailand für die Bereitschaft danken, das Land zu sein, das vielen tausend Flüchtlingen aus anderen Teilen Südostasiens seit vielen Jahren erstes Asyl bietet. Die internationale Gemeinschaft weiß um die vielen Schwierigkeiten, die sie auf sich genommen haben. Diese Schwierigkeiten sind nicht nur materieller Natur. Die innere und äußere politische Ordnung der Nation ist von dem ständigen Flüchtlingsstrom in Mitleidenschaft gezogen. Die Aussiedlung dieser Menschen in Aufnahmeländer schreitet durchaus nicht im gleichen Maße fort. Die Geschichte wird den Sinn für Gastfreundschaft, den Respekt vor dem Leben und die tiefverwurzelte Hochherzigkeit, die das Volk Thailands gezeigt hat, aufzeichnen. Die nationalen Eigenschaften haben die Thai-Behörden in die Lage versetzt, große Schwierigkeiten auf sich zu nehmen und so vielen Menschen, die am Rande der Verzweiflung leben, einen Strahl der Hoffnung zu bieten. Gegenüber Seiner Majestät dem König, der Regierung und dem Volk von Thailand wiederhole ich nochmals meine tiefe Hochachtung. Ebenso erkenne ich mit tiefer Wertschätzung die Arbeit der Hochkommission für Flüchtlinge der Vereinten Nationen an. Die große Sorge dieser Organisation für den Schutz und Beistand der Flüchtlinge auf der ganzen Welt hat es nicht nur dazu gebracht, mit der konkreten Hilfe von 394 REISEN Regierungen die finanzielle Last des ersten Asyls, sondern auch die Verantwortung zu übernehmen, Nationen zu ermutigen, Flüchtlinge aufzunehmen und ihnen eine echte Chance zu bieten, sich niederzulassen und ein neues Leben zu beginnen. Die hochherzige Antwort der vielen Gastnationen ist wohlbekannt und hat sicher den dauerhaften Dank der Flüchtlinge geerntet. Gleiche menschliche Solidarität wird von vielen regierungsunabhängigen Organisationen konfessioneller wie nichtkonfessioneller Natur in offenkundiger Weise gezeigt. Unter ihnen möchte ich die Arbeit des COERR (Catholic Office for Emergency Relief and Refugees) nennen, und ich bin froh, die vielen anderen nationalen und internationalen Organisationen erwähnen zu dürfen, die in dieser dringenden Mission des Mitleids Zusammenarbeiten. Diese Vereinigungen haben den Flüchtlingen beigestanden, indem sie Gelegenheiten zur schulischen Erziehung geschaffen sowie ihnen geholfen haben, ihre kulturelle Identität zu wahren, und ihnen moralischen und psychologischen Beistand angeboten haben. Außerdem ist die Mitwirkung vieler katholischer Organisationen ein Ausdruck der Hochherzigkeit und Solidarität zahlreicher Ortskirchen in anderen Teilen der Welt. An dieser Stelle möchte ich gern ein besonderes Wort des Dankes denen sagen, die den Flüchtlingen religiösen Beistand geleistet haben, indem sie ihren geistlichen Hunger stillten und zur gleichen Zeit den Glauben der Betroffenen respektierten. Schließlich kann ich nicht schweigend über die Mitwirkung vieler Freiwilliger hinweggehen.'Vor allem junge Leute, die aus allen Teilen der Welt gekommen sind, um sich für den Dienst an den Flüchtlingen einzusetzen. Die gemachten Erfahrungen werden sich ihnen tief einprägen und ihnen vielleicht eine neue Orientierung in ihrem eigenen Leben geben. All den einzelnen und Gruppen sage ich ein Wort tiefen Dankes und Lobes. Obwohl sie nicht allen Nöten ihrer unglücklichen Brüder und Schwestern abhelfen können, zeigen diese hochherzigen Leute den Flüchtlingen durch ihr vorbildliches Beispiel der Zusammenarbeit, daß sie nicht verlassen sind und daß sie noch einen Grund zur Hoffnung haben, sogar mitten in einer unaussprechlichen Tragödie. Wenn wir überdies die ungeheure Zahl der Menschen betrachten, die in den Lagern leben, helfen die vielen Organisationen und Gruppen, uns daran zu erinnern, daß jeder Flüchtling ein individueller Mensch ist mit seiner oder ihrer eigenen Würde und persönlichen Geschichte, mit seiner oder ihrer eigenen Kultur, Erfahrungen und rechtmäßigen Erwartungen. Viele Flüchtlinge haben mir geschrieben, ihre Ängste und ihre Bestrebun- 395 REISEN gen ausgedrückt; ich war tief bewegt durch ihre Bitten um Aufmerksamkeit und Hilfe. 5. Die vielen Bemühungen, das Leiden der Flüchtlinge zu mildern, dürfen jedoch keine bequeme Entschuldigung für die internationale Gemeinschaft sein, sich nicht mehr um die weitere Zukunft dieser Menschen zu kümmern. Die Tatsache bleibt bestehen, daß es etwas Abstoßendes und völlig Widersinniges ist für Hunderttausende von Menschen — aufgrund ihrer Rasse, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer politischen Überzeugungen, ihrer Religion oder weil sie Gewaltakten ausgesetzt oder durch Bürgerkriege oder politische Unruhen vom Tod bedroht sind -, gezwungenermaßen ihre Heimatländer verlassen müssen. Das Exil ist eine schwerwiegende Vergewaltigung des menschlichen Gewissens und der Lebensordnung einer Gesellschaft; es steht eindeutig im Gegensatz zur Erklärung der Menschenrechte und zum internationalen Recht selbst. Daher müssen die Regierungen der Welt und die internationale Gemeinschaft in ihrer Gesamtheit ihre Aufmerksamkeit auf langfristige politische Lösungen für diese komplexe Situation konzentrieren. Umsiedlung allein kann niemals die endgültige Antwort auf das Leid dieser Menschen sein. Sie haben ein Recht darauf, zu ihren Wurzeln zurückzugehen, heimzukehren in ihr Geburtsland mit seiner nationalen Souveränität, seinem Recht auf Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Sie haben ein Recht auf all die kulturellen und geistlichen Beziehungen, die sie in ihrem Menschsein nähren und aufrechterhalten. 6. Schließlich kann das Problem nicht gelöst werden, ohne daß Bedingungen für eine echte Versöhnung geschaffen werden: Versöhnung zwischen den Nationen, zwischen den verschiedenen Bereichen einer vorgegebenen nationalen Gemeinschaft, innerhalb jeder ethnischen Gruppe und zwischen den ethnischen Gruppen untereinander. Mit einem Wort, es besteht die dringende Notwendigkeit, das Vergangene zu vergeben und zu vergessen und gemeinsam an einer besseren Zukunft zu arbeiten. Fundamentaler Instinkt des menschlichen Geistes Im Zusammenhang mit meinem Appell zur Versöhnung möchte ich den verschiedenen Repräsentanten anderer Religionen und geistlichen Traditionen danken. Ihre Mitarbeit zeigt die gemeinsame Überzeugung der Pflicht, klarer die zur geistlichen Dimension menschlichen Daseins gehörenden Werte wahrzunehmen. Von dieser Perspektive aus kann man 396 REISEN leicht erkennen, daß vereinte Bemühungen von Christen und Mitgliedern nichtchristlicher Religionen in der Aufgabe, Einzelpersonen und Gruppen miteinander zu versöhnen, ein fruchtbares Feld gemeinsamer Arbeiten bieten können. Das ist in besonderer Weise wahr, da solche Bemühungen einem fundamentalen Instinkt des menschlichen Geistes entsprechen. 7. Meine sehr verehrten Damen und Herren, an dieser Stelle möchte ich heute abend den Appell erneuern, den ich bei anderen Gelegenheiten vor Repräsentanten von Regierungen und internationalen Organisationen geäußert habe: Zunahme und Intensivierung aller Bemühungen, damit die Flüchtlinge — hier in Thailand wie überall — in ihrem Heimatland wiederaufgenommen werden, wo sie ein naturgegebenes Menschenrecht haben, in Freiheit, Würde und Frieden zu leben. Die katholische Kirche gibt ihrerseits die Zusicherung ihrer nicht nachlassenden Unterstützung für alle Maßnahmen, die dieses Ziel verfolgen. Sie verspricht ebenfalls ihre beständige Bereitschaft, soweit sie kann und allein aus ihrer Liebe und Achtung der menschlichen Person bei allen Bemühungen zu helfen, die als Ziel haben, die gerechten Bedingungen und Umstände herzustellen, auf die jeder Flüchtling ein Recht hat und ohne die echter und dauerhafter Friede nicht möglich ist. Möge unser gemeinsames Bestreben im Namen der Würde der menschlichen Person den überreichen Segen Gottes auf uns kommen lassen, der die Quelle aller menschlichen Würde ist und der uns dazu aufruft, diese Würde anzuerkennen und zu respektieren als sein kostbares Geschenk. Möge Gott Sie in der großen Mission im Dienst an der Menschheit in Not schützen. „Ihr sollt Bruder, Vater und Freund sein“ Ansprache an die Thailändische Bischofskonferenz in Bangkok am 11. Mai Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Mein Herz ist in dieser Stunde kollegialer Verbundenheit von Dankbarkeit erfüllt. Ich danke dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der mir die Gelegenheit gegeben hat, Thailand diesen Pastoral-besuch abzustatten und mitten unter euch das Paschamysterium zu ver- 397 REISEN künden. Und ich danke euch, ehrwürdige, liebe Brüder, daß ihr meine Anwesenheit bei euch gewünscht und mich mit solcher Herzlichkeit und brüderlicher Liebe aufgenommen habt. Kraft des Todes und der Auferstehung Christi erfahren und erleben wir in besonderer Weise die Einheit der Kirche, und in dieser kirchlichen Einheit leben wir das Leben Christi. Ja, Jesus Christus, der Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, ist bei uns und in uns. Wenn wir unsere Einheit in ihm feiern, lebt in uns das Geheimnis seines auferstandenen Lebens. Jesus Christus ist in seiner Kirche lebendig, und seine Kirche ist in ihm lebendig. Als Hirten der Herde sind wir versammelt, um das Geheimnis der lebendigen Anwesenheit Christi in seiner Kirche zu feiern. Denn ich bin nach Thailand gekommen, um dem Christus zu huldigen, der in eurem Volk lebt, dem Christus, der in eurem Volk selbst Thai geworden ist. Das Geheimnis der Kirche ist das Geheimnis vom lebendigen Christus 2. Die christlichen Gemeinden, denen zu dienen wir berufen sind, liebe Brüder im Bischofsamt, sind die Gemeinden, die das Leben Christi in all seinen Dimensionen leben. In eurem Volk setzt Christus sein Gebetsleben fort. Durch die Glieder seines Leibes, der Kirche, verehrt er seinen Vater, dankt ihm und bietet Sühne und Fürbitte für die Welt an. Das Geheimnis vom erlösenden Leiden Christi wird in der Gemeinschaft, der ihr Tag für Tag dient, erneuert. Durch die leidende Menschheit ergänzt Christus das Maß seines eigenen Leidens (vgl. Kol 1, 24). In der Gemeinschaft der Gläubigen ist der auferstandene Christus unablässig am Werk für das Heil der Welt. In seinem Eifer bietet er sich selbst dem Vater als Sühneopfer für die Bekehrung der Sünder an. Er übt seine Macht aus, Sünden zu vergeben, er rührt die Gewissen, versöhnt die Herzen. Er steht inmitten der Gemeinschaft als der leidende Knecht des Herrn und der Menschheit und lädt jedermann ein, an seiner Demut und Freundlichkeit teilzuhaben. In der Kirche verkündet Christus weiterhin das Evangelium vom Reich Gottes. Er selbst erteilt Katechese. Er selbst offenbart seinen Vater und den Heiligen Geist. Das wirkliche Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit erfüllt sich in der Kirche. Durch seine Glieder, das heißt, indem er in seinen Gliedern wirksam ist, liebt Jesus seinen Vater so, daß er in aller Wahrheit sagen kann: Ich liebe den Vater (vgl. Joh 14, 31). Und indem er die Kirche liebt, erfüllt der Vater Christi eigene Worte: „Deshalb liebt mich der Vater“ {Joh 10, 17). 398 REISEN Liebe Brüder, das Geheimnis der Kirche ist das Geheimnis: vom Leben Christi, das Geheimnis vom lebendigen Christus. Und dieses Geheimnis leben wir zusammen mit unserem Volk. Alle unsere pastoralen Anstrengungen zielen dahin, dem Gläubigen zu einer innigeren Teilhabe am Leben Christi zu verhelfen. 3. Ein höheres Bewußtsein vom tiefen Geheimnis des Lebens Christi in uns unterstützt uns bei unserem apostolischen Wirken. Dieses vom Glauben genährte Bewußtsein gibt uns pastorale Stärke. Wenn wir erkennen, daß der lebendige Christus in uns gegenwärtig ist, begreifen wir tiefer, daß „Gott uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben hat, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (2 Tim 1, 7). In dieser Überzeugung verwurzelt, strahlt ihr neue Hoffnung aus, wenn ihr das Evangelium des Friedens verkündet und eurer Herde, mag sie noch so klein sein, dient. Euer Dienst gewinnt zusätzlich an Überzeugungskraft, wenn ihr euch klarmacht, wie bedeutsam die Verheißung Christi ist: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 20). In dem Zeugnis, das ihr gebt, offenbart sich erfrischende Freude; ihr vermittelt euren Ortskirchen ruhige Zuversicht. Mit erneutem Eifer verkündet ihr dann das Leben, das euch verkündet wurde, „das von Anfang an war ..., das ewige Leben, das beim Vater war und uns offenbart wurde“ (1 Joh 1, 1-2). Das Leben Christi und in Christus, das Leben der Heiligsten Dreifaltigkeit ist der große Schatz, den ihr mit allen teilt, die sich freiwillig entschlossen haben, euch zuzuhören und euer Zeugnis, eure Lehre, eure Glaubensverkündigung anzunehmen. 4. Dieser große Schatz muß auf besonders dynamische Weise den jungen Menschen der Kirche dargeboten werden. Sie sind es, die am meisten von den Problemen der modernen Welt überflutet werden; die einer besonderen Gnade Christi bedürfen, um den christlichen Kampf gegen Versuchung und Sünde durchzustehen. In Christus können die jungen Leute die Antworten auf die tiefen Fragen finden, die allen christlichen Entscheidungen zugrunde liegen. Wie sehr brauchen sie pastorale Hilfe von seiten ihrer Bischöfe und Priester, um sich in ihrer christlichen Berufung zu entfalten und auszuharren. Wenn wir von den jungen Menschen und ihren Bedürfnissen sprechen, können wir nicht das schreckliche Problem der Drogen in der heutigen Welt übergehen, ebensowenig wie die Ursachen dieser Erscheinung und die erforderlichen Mittel, um dieser Krise der Menschheit zu begegnen. Die ganze menschliche Gemeinschaft muß mobilisiert werden, um diesem 399 REISEN Problem entgegenzutreten. Aber hier ist es die besondere Aufgabe der Kirche, zur menschlichen Würde zu erziehen, zur Selbstachtung, zu den Werten des Geistes, zur Suche nach jener wahren Freude, die im Herzen fortdauert und sich nicht in vorübergehender sinnlicher Erregung erschöpft. In dieser Beziehung sind insbesondere die katholischen Schulen in der Lage, einen hervorragenden Beitrag zu einer soliden Erziehung zu leisten, die die Jugend braucht, um die Versuchung der Drogen zu überwinden. Die katholischen Schulen sorgen für ein geeignetes Milieu, um die Informationen zu geben, die jungen Menschen helfen, dem auf sie ausgeübten Druck zu widerstehen, und ihnen Gelegenheit zu geben, mit ihren Lehrern die Vorsichtsmaßnahmen zu erörtern, die die Erfahrung lehren kann. Vor allem aber bietet die Macht des Wortes Christi, das durch das Dienstamt der Bischöfe dargelegt wird, allen Jugendlichen die tiefgehende Lösung der mannigfachen Probleme, die ihr Gewissen rühren, wenn sie sich bemühen, das Leben Christi zu leben. Im Bereich der Drogen und auf vielen anderen Gebieten müssen die Hirten der Herde wachsam inmitten der Gläubigen stehen und die große Motivierung der christlichen Berufung verkünden, die darin besteht, das Leben Jesu Christi zu leben. 5. Als Bischöfe seid ihr aufgerufen, eurem Volk dabei zu helfen, sich den vielen Problemen zu stellen, die das Leben als einzelne und als Mitglieder einer Familie und der Gesellschaft betreffen. Wenn euer Volk ständig an seine christliche Würde - an sein Leben in Christus - erinnert wird, wird es eine immer wieder neue Motivierung haben, sich den Herausforderungen zu stellen, die vom Evangelium Christi ausgehen, das uns viel über öffentliche und private Moral, über die Notwendigkeit der Verehrung Gottes und des Dienstes an unserem Nächsten zu sagen hat. Zögert als Bischöfe niemals, euren Gemeinden gegenüber hervorzuheben, wie sehr ihre christliche Berufung ihnen eine wichtige Sendung als christliche Zeugen auferlegt. Christus selber hat es so ausgedrückt: ,,So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5, 16). „Gelobt sei Jesus Christus in Thailand“ Liebe Brüder im Bischofsamt! Ich bin euch nahe in dem Bemühen, euren Jugendlichen und den christlichen Familien, aus denen sie kommen, sowie der ganzen christlichen Gemeinschaft zu helfen, das Leben Christi voll 400 REISEN und ganz zu leben. Wenn ihr euch um die Förderung von Priester- und Ordensberufen bemüht und jeder von euch sich anstrengt, den Priestern, die mit euch am Aufbau der Kirche in Glaube und Liebe arbeiten, Bruder, Vater und Freund zu sein, sollt ihr wissen, daß ihr wiederum vom Papst, vom gesamten Kollegium der Bischöfe und von der ganzen Kirche getragen und geliebt werdet. Denn das ist das Geheimnis der Kirche: das Leben Christi zu leben und es miteinander zu leben. Alles, was wir als Bischöfe tun, muß von der Haltung des Guten Hirten gekennzeichnet sein, der durch uns seine Herde weiter lieben möchte, weil er gekommen ist, „damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 10). Ehrwürdige und liebe Brüder, das ist der Sinn unseres Lebens und unseres heiligen Dienstes: in Christus Jesus zu leben und diesem Leben in anderen zu dienen. Gelobt sei Jesus Christus! Gelobt sei Jesus Christus in Thailand! Dank für die Flüchtlingshilfe Grußwort vor dem Abflug von Thailand auf dem Flughafen in Bangkok am 11. Mai Eure Königliche Hoheit, Herr Ministerpräsident, liebe Freunde! Die Stunde ist gekommen, wo ich von Thailand Abschied nehmen und meinen allzu kurzen Besuch in diesem bezaubernden Land und bei seinem liebenswürdigen Volk beenden muß. Ich möchte all jenen meine dankbare Anerkennung zum Ausdruck bringen, die diesen Besuch ermöglicht haben. 1. Allen voran bin ich Ihren Majestäten dem König und der Königin sehr dankbar, die mich freundlicherweise zum Besuch Thailands einluden und es mir, wie bereits erwähnt, ermöglichten, den Besuch zu erwidern, den sie vor 20 Jahren meinem Vorgänger Johannes XXIII. abgestattet haben. 401 REISEN Ein Band gegenseitiger Liebe zwischen Volk und Herrscherhaus Durch das Wohlwollen Ihrer Majestäten hatte ich Gelegenheit, aus erster Hand die traditionelle Höflichkeit und Gastfreundschaft des Thai-Volkes kennenzulernen, menschliche Eigenschaften und Tugenden, die in bemerkenswerter Weise in Ihrer Person veranschaulicht sind. Das Band der gegenseitigen Liebe, das das Volk Thailands mit seinen Herrschern verbindet, tritt klar zutage in der unermüdlichen Sorge Ihrer Majestäten für das Wohlergehen und Glück ihrer Untertanen, was ihnen wiederum die bleibende Liebe und Wertschätzung des'Thai-Volkes einbringt. Als „Vertreter aller Religionen“ in Thailand hat Seine Majestät der König persönliches Interesse an der freien Ausübung anderer Religionen als des Buddhismus in seinem Land bezeigt. Auch aus diesem Grund wurde ich durch seine Einladung geehrt. Seine Majestät hat mir desgleichen die Ehre erwiesen, daß er den Kronprinzen beauftragte, mich in seinem Namen zu begrüßen, und für diese große Geste der Achtung und Freundschaft bin ich ihm zutiefst dankbar. 2. Mein Aufenthalt auf thailändischem Boden hat es mir auch ermöglicht, Seine Heiligkeit den Obersten Patriarchen aller Buddhisten in diesem Land zu begrüßen. Es war ein Vorrecht für mich, diesem ehrwürdigen und hochgeehrten religiösen Führer zu begegnen. Ich bin sicher, daß unsere Begegnung ein gutes Zeichen ist für die Zukunft der buddhistisch-katholischen Beziehungen hier und überall in der Welt. 3. Danken möchte ich dem Herrn Premierminister und den anderen Ministern und Beamten der Regierung, die mit allen, die meine Reise in Ihr Land vorbereiteten, freundlich zusammengearbeitet haben. Zutiefst dankbar bin ich allen, die'mithalfen, das Programm meines Besuches in allen seinen vielfältigen Aspekten zu koordinieren. Eine besondere Erfahrung war für mich der Besuch im Lager der südostasiatischen Flüchtlinge in Phanat Nikhom. Im Namen der tausend und abertausend leidenden Männer, Frauen und Kinder, die vor der Unruhe und dem Chaos in ihren Heimatländern geflohen sind, um in Thailand einen sicheren und ruhigen Zufluchtsort zu finden, möchte ich meine tiefe Dankbarkeit für die hochherzige humanitäre Hilfe Thailands an den Flüchtlingen wiederholen. 4. Schließlich sage ich den geliebten Katholiken Thailands Lebewohl und herzlichen Dank. Dem Kardinal, den Bischöfen, den Priestern, den 402 REISEN Ordensleuten und all den eifrigen Laien, die vor und während meines Aufenthaltes bei euch so emsig tätig waren, sage ich ein ganz aufrichtiges Dankeschön. Dieser Besuch bei dem edlen Volk von Thailand und besonders bei den treuen und standhaften Katholiken dieses Landes wird sich für immer in meine Erinnerung und mein Herz einprägen. Ich werde weiter für euch beten, wie ich es für alle Völker tue, damit Gott euch mit Glück, Wohlergehen und bleibendem Frieden segne. Thailand, „Land der Freien“, ich grüße dich! Volk von Thailand, ich sage dir Lebewohl! Volk von Thailand, Gott segne dich! 403 Pastoralbesuch in Viterbo (27. Mai) REISEN Nicht eine eigene Ideologie, sondern Christus verkündigen Ansprache an die Priester, Ordensleute und Seminaristen in Viterbo Liebe Priester, Ordensleute und Seminaristen! 1. Eine der Begegnungen, der ich mit großer Sehnsucht bei meinem heutigen Pastoralbesuch entgegengesehen habe, ist das Zusammentreffen mit euch hier in dem herrlichen Heiligtum der Madonna della Quercia, das seit Jahrhunderten Zentrum und Herz der Marienverehrung in Viterbo ist. Mein erstes Empfinden in diesem Augenblick ist tiefe Freude darüber, unter denen zu sein, die - ob Welt- oder Ordenspriester - durch Auflegen der Hände des Bischofs für immer an den Funktionen und heilbringenden Kräften Christi, des obersten und ewigen Priesters, teilhaben. Nicht vergessen will ich auch die geweihten Personen, die in vielen wichtigen Bereichen, wie Katechese, Erziehung, Krankenfürsorge, ein wertvolles kirchliches Apostolat ausüben; und ebenso gedenke ich der Seminaristen, die dieses Jahr das 50jährige Bestehen des regionalen Priesterseminars feiern, das an diese der Gottesmutter geweihte Kirche angrenzt. Ein Gedanke besonderer Genugtuung und Wertschätzung gilt eurem eifrigen Bischof, Msgr. Luigi Boccadoro, der gerade gestern, am 26. Mai, sein 50jähriges Priesterjubiläum gefeiert hat. Ihm spreche ich meine herzlichsten Glückwünsche aus. Ziel ist die Verherrlichung Gottes in Christus Diese Begegnung gibt uns die Möglichkeit, miteinander - unter dem mütterlichen Blick der seligen Jungfrau - über die Bedeutung unseres Lebens, unserer priesterlichen „Identität“ nachzudenken, also über den wahren und tiefen Sinn, der alle unsere Tage, alle unsere Handlungen seit dem Augenblick beseelen und lenken muß, in dem wir uns Gott hingege- 406 REISEN ben und von ihm durch die Kirche das wunderbare Geschenk des Priesteramtes empfangen haben, um Mitarbeiter der Bischöfe bei der Verwirklichung des apostolischen Sendungsauftrags zu sein, der von Christus seiner Braut, der Kirche, anvertraut wurde. In einer glücklichen Synthese sagte das Zweite Vatikanische Konzil, „das Ziel, auf das Dienst und Leben der Priester ausgerichtet sind, ist die Verherrlichung Gottes, des Vater, in Christus“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 2). Diese Verherrlichung besteht darin, daß die Menschen das von Gott in Christus gewirkte Werk freiwillig und dankbar annehmen und sie in ihrem ganzen Leben kundtun. Wenn die Priester also ihre priesterliche Wirklichkeit intensiv leben, indem sie sich dem Gebet, der Anbetung, der Verkündigung des Gotteswortes, der Darbringung des eucharistischen Opfers, dem Dienst der Versöhnung oder den anderen Sakramenten widmen, leisten sie einen persönlichen, wertvollen und verdienstreichen Beitrag zur Vermehrung der Verherrlichung Gottes und zur Bereicherung der Menschen mit göttlichem Leben. 2. Vor knapp einem Monat habe ich voll innerer Bewegung und Ergriffenheit die Heilige Pforte der Petersbasilika zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung, des Jahres des Erbarmens des Herrn, geschlossen. In diesem außerordentlichen Heiligen Jahr, das in allen Ortskirchen mit großem Eifer gelebt wurde, habe ich mich ganz besonders an die Priester gewandt, nicht nur damit sie das Bewußtsein vom Geheimnis der Erlösung, der lebendigen Quelle des sakramentalen Priestertums, vertieften, sondern damit sie freudige und würdige Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes wären (vgl. 1 Kor 4,1). Wie viele Gnaden, wieviel Erbarmen, wieviel Vergebung hat Gott in diesem Heiligen Jahr durch das hochherzige und unermüdliche Wirken der Priester in der ganzen Welt und auch durch euren Dienst, meine hier anwesenden Priester und Ordensmänner von Viterbo, gespendet! Den Dank, den ich bei so zahlreichen Gelegenheiten den Priestern in der ganzen Kirche ausgesprochen habe, spreche ich heute auch euch aus, da ihr gewiß im Innersten eures Herzens die Erinnerung an die Rückkehr vieler Brüder in das Haus des Vaters bewahrt! Im Lichte des Erlebnisses des außerordentlichen Heiligen Jahres möchte ich euch bei dieser Begegnung sagen: Liebe Mitbrüder im Priesteramt, seid immer und unter allen Umständen würdige Priester Christi! In ganz besonderer Weise seid ihr und sollt ihr Diener des Wortes Gottes sein (vgl. 2 Kor 11,7). Eure erste Pflicht ist die Verkündigung der Botschaft Christi (vgl. Gal 2,5). 407 REISEN Diese vorrangige Verpflichtung schließt ein dauerndes, mit einer vertieften Meditation verbundenes Studium der Heiligen Schrift, der Kirchenväter, der Überlieferung, des Lehramtes der Kirche ein. Die Verkündigung wird - je nach Umständen und Personen - in verschiedenen Formen konkreten Ausdruck finden können und müssen: Sie kann Katechese sein; oder Prüfung der Probleme unserer Zeit im Lichte der göttlichen Offenbarung; oder weiterführende Vertiefung je nach den verschiedenen Bedürfnissen, wobei man sich aber immer vor Augen halten muß, daß der Priester nicht sich selbst, seine persönliche Vorstellung von der Wirklichkeit, seine eigene Ideologie verkünden kann und darf, sondern durch sein Wort und sein Leben Christus, Christus als den Gekreuzigten (vgl. 1 Kor 1,23; 2,2) verkündigen muß, indem er das Evangelium verkündet, das „eine Kraft Gottes ist, die jeden rettet, der glaubt“ (Röm 1,16). 3. Außerdem seid ihr Verwalter der Sakramente, insbesondere der Eucharistie und der Versöhnung. Ich möchte euch auffordern, eure Augen immer weiter zu öffnen, damit ihr tiefer erkennt, was es bedeutet, die Eucharistie zu feiern, das Opfer Christi, das unseren Lippen und unseren Händen als Priester in der Gemeinschaft der Kirche anvertraut ist; damit ihr besser versteht, was es bedeutet, die Sünden nachzulassen und das menschliche Gewissen mit dem grenzenlos heiligen Gott, dem Gott der Wahrheit und der Liebe, zu versöhnen; was es heißt, in persona Christi, in der Rolle Christi, zu handeln. Ihr seid die Diener einer außergewöhnlichen, erhabenen, übernatürlichen Sache! Und das verlangt und erfordert ein klares Wissen um die Größe der Sendung, die Christus euch durch die Hände der Kirche anvertraut hat; es verlangt und erfordert ein inneres Leben und auch ein äußeres Zeugnis, das in vollkommener Einheit und Übereinstimmung mit dieser höchsten Zielsetzung steht. Das alles mag menschlich gesehen hart und schwierig sein. Aber Christus, der euch zu seiner Nachfolge berufen hat, um euch zu tauglichen Werkzeugen seiner Erlösung zu machen, wird euch die Gnade und die Kraft verleihen, damit ihr eure Sendung würdig erfüllt. Dazu wird es notwendig sein zu beten, zu beten, ohne nachzulassen (vgl. Lk 18,1); im ständigen Gespräch des Gebets und der Meditation um die stärkende Kraft von oben zu bitten; immer mit Christus, dem Leben unseres Lebens, verbunden zu sein (vgl. Gal 2,20). Laßt euch nicht entmutigen angesichts der objektiven Schwierigkeiten des Apostolats in der heutigen Zeit! Besonders aber gebt nicht der im modernen Leistungs- und Erfolgsdenken immer weiter verbreiteten Versuchung der „Nutzlosigkeit“ eures Dienstes nach! In meiner Predigt bei 408 REISEN der Heilig-Jahr-Messe für die Priester habe ich gesagt: „Bitten wir Christus um eines allein: daß jeder von uns besser, reiner und wirksamer seiner Gegenwart als Hirt unter den Menschen der heutigen Welt diene! Das ist ja auch so wichtig für uns selbst, damit uns nicht die Versuchung der „Nutzlosigkeit“ befällt, die Versuchung, sich überflüssig zu fühlen. Denn es ist nicht wahr! Mehr denn je sind wir notwendig, weil Christus mehr denn je notwendig ist! Mehr denn je notwendig ist der gute Hirte!“ (Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Priester, 23.2.1984, Nr. 5 in: O.R.dt. vom 2.3.1984, S. 4). 4. Bevor ich das hochverehrte Gnadenbild der Madonna della Quercia kröne, vor dem ihr euch so oft zu Gebet und Meditation einfindet, möchte ich eure Gedanken und Gefühle in einem Gebet an die Jungfrau Maria zum Ausdruck bringen, damit sie uns beschütze und uns beistehe. Gebet zur Madonna della Quercia O Madonna della Quercia, seit Jahrhunderten verehrt dich das gläubige Volk von Viterbo voll inniger Frömmigkeit und glühendem Vertrauen in diesem Heiligtum, das die Kunst schön, hell und freundlich gestaltet hat. Viele Jahrhunderte ist es her, als sich ein Mann, der von seinen Feinden verfolgt wurde, erschöpft und angsterfüllt vor deinem Bild niederwarf, das an einer Eiche befestigt war, den Baumstamm umfaßte und dir, seiner einzigen und letzten Hoffnung, sein Leben anvertraute, das in drohender Gefahr schwebte. Du hast ihn gerettet! Heute komme auch ich, der Nachfolger Petri, als Pilger und Bittender, um dich zu verehren, dich anzurufen, dich um deine Hilfe für die Kirche und für die ganze Menschheit zu bitten. Rette auch uns, o seligste Jungfrau! Schütze die Kirche auf diesem Erdenweg, der durch Gefahren und Nachstellungen führt! Laß sie stets Zeichen und Werkzeug der von deinem Sohn vollbrachten Erlösung sein! Schütze diese Stadt und ihre Bewohner vor allem Übel, besonders aber vor dem Übel der Sünde, das sie von deinem göttlichen Sohn trennt, der um unseres Heiles willen Mensch geworden, gestorben und auferstanden ist! 409 REISEN Schütze die Priester, diese Priester hier! Bewirke, daß sie jeden Tag im Glauben und im Gebet das Geschenk Gottes wieder lebendig werden lassen, das sie durch das Auflegen der Hände des Bischofs empfangen haben (vgl. 2 Tim 1,6); damit sie stets fröhliche, unermüdliche Zeugen und Diener der Erlösung sind! Schütze die Ordensleute, diese Ordensleute hier! Bewirke, daß sie durch die freudige Verwirklichung der evangelischen Räte der Ehelosigkeit, der Armut und des Gehorsams hier auf Erden ein glaubwürdiges Zeugnis von dem neuen Himmel und der neuen Erde geben, die wir in christlichem Glauben und christlicher Hoffnung erwarten (vgl. Jes 65,17; 2 Petr 3,13). Schütze die Seminaristen, diese Seminaristen hier, die sich auf das Priestertum vorbereiten! Laß sie immer offen und gelehrig sein für das Wort deines Sohnes, der sie in seine Nachfolge berufen hat! Wecke in den jungen Menschen von heute, die auf der Suche nach Idealen und echten Werten sind, die Bereitschaft, mit der ganzen stürmischen Begeisterung ihrer Jugend Gott zu dienen! O Madonna della Quercia, laß die Völker und Nationen in Eintracht, Gerechtigkeit und Frieden leben! Amen. Christus ist der Maßstab unseres Verhaltens Predigt bei der Messe in Viterbo 1. „Alle Welt bete dich an und singe dein Lob, sie lobsinge deinem Namen! Kommt und seht die Taten Gottes! Staunenswert ist sein Tun an den Menschen“ (Ps 66,4-5). Die Kirche verehrt heute Gott mit dem Antwortpsalm ihrer Liturgie, und in diesem Psalm spiegelt sich die tiefe Freude der Osterzeit wider. Die Tat Gottes: die staunenswerte Tat, die er inmitten der Menschen vollbracht hat. Er hat sie in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, vollbracht. Gott hat diese Tat durch ihn vollbracht, der gehorsam war bis zum Tod am Kreuz (Phil 2,8) und durch diesen aus der Liebe zum Vater und zu den Menschen erwachsenen Gehorsam den Tod besiegt und das Leben in seiner ganzen endgültigen Wahrheit und Wirklichkeit offenbar gemacht hat. 410 REISEN Diese Tat ist von Gott und vom Herrn Christus vor den Augen der Zeugen vollbracht worden. Ihre Stimme ist es, die mit dem Ruf des Psalms alle einlädt, zu kommen und das Werk der Auferstehung und der Erlösung zu schauen. Alle sind aufgerufen, am Ostergeheimnis Christi teilzuhaben. Die ganze Erde und die ganze Schöpfung besingen auf neue Weise die Herrlichkeit Gottes: Auch die Erde und die Geschöpfe nehmen teil an der Auferstehung Christi. 2. Die Kirche ist Verkünderin und Dienerin dieser Herrüchkeit. Sie ist die „Psalmistin“ der staunenswerten Taten, die Gott an den Menschen getan hat. Und gleichzeitig liest die Kirche am heutigen Sonntag der Osterzeit aufmerksam die Apostelgeschichte, um wieder einmal in Erinnerung zu rufen, wie die Auferstehung Christi zunächst auf die Menschen gewirkt hat. So lesen wir, daß der Diakon Philippus in Samaria Christus verkündigte und durch Zeichen die Wahrheit der verkündeten Lehre bekräftigte. Und so nahm Samaria das Wort Gottes an. Auf den Spuren des Philippus zogen die Apostel Petrus und Johannes in jene Stadt, um den Getauften und denen, die den Heiligen Geist empfingen, im Namen des Herrn Jesus die Hände aufzulegen (vgl. Apg 8,5-8.14-17). 3. Ich darf heute in Viterbo an das Geschehen erinnern, das sich nach dem Bericht der Apostelgeschichte in den ersten Tagen der Kirche zugetragen hat. Die Geschichte der Kirche entwickelt sich seit den Zeiten der Apostel von Generation zu Generation und von Jahrhundert zu Jahrhundert. Und auch eure Stadt, liebe Brüder und Schwestern, hat ein eigenes Kapitel dieser Geschichte geschrieben, die seit den Tagen der hl. Apostel Petrus und Paulus in besonderer Weise mit Rom und mit ganz Italien verbunden ist. Denn eure berühmte Stadt ist, wie wir wissen, geschichtlich mit dem Papsttum verbunden: Sie war im 13. Jahrhundert einige Jahrzehnte lang Sitz des Nachfolgers Petri. Hier fanden auch einige Konklaven statt; aus einem von ihnen ging ein Papst hervor, der später seliggesprochen wurde: Gregor X. Durch die Anwesenheit des päpstlichen Hofes erlebte die Stadt damals einen beachtlichen Aufschwung sowohl in städtebaulicher wie in kommerzieller und kultureller Hinsicht. Aber über all das hinaus läßt sich feststellen, daß eure Stadt, die wenige Jahre vorher von der frommen Anwesenheit der hl. Rosa erleuchtet worden war, mit der gastfreundlichen Aufnahme des Apostolischen Stuhls ein neues, wertvolles Zeugnis christlichen Glaubens und kirchlicher Gemeinschaft abgab, an das mit Recht noch nach Jahrhunderten erinnert wird. 411 REISEN „Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde!“ (Ps 66,1). Städte und Nationen sollen ihn preisen. Preise ihn, du Stadt Viterbo, mittelalterlicher Sitz der Nachfolger des Petrus. Danke Gott für die Taten, die er unter deinen Vorfahren durch den Dienst der Bischöfe von Rom vollbracht hat und die er weiterhin vollbringt. 4. Am heutigen Sonntag erlebt die Kirche, die von österlicher Freude erfüllt ist und sich auf die Himmelfahrt des Herrn vorbereitet, zugleich die Verheißung „eines anderen Beistandes“: des „Geistes der Wahrheit“ {Joh 14,16.17). Der Herr Christus, der am Vorabend seines Leidens den Aposteln den Heiligen Geist verspricht, den er senden würde, sagt: Ich werde euch nichts als Waisen zurücklassen, sondern ich komme wieder zu euch“ (Joh 14,18). Wir bereiten uns wie jedes Jahr auf Pfingsten vor. Diese Vorbereitung schließt auch die Freude auf ein neues Kommen Christi selbst ein. Er, der nach seiner Auferstehung und Verherrlichung im Vater bleibt, kommt zugleich zu uns im Heiligen Geist, im Beistand, im Geist der Wahrheit. Und in dieser seiner Wiederkunft offenbart sich unsere Einheit und Verbundenheit mit dem Vater: „An jenem Tag werdet ihr erkennen: Ich bin in meinem Vater, ihr seid in mir, und ich bin in euch“ (Joh 14,20). Die Kirche sieht sich heute als das Volk Gottes, das in Jesus durch die Kraft des Heiligen Geistes mit dem Vater vereint ist. Und die Kirche freut sich über diese Wahrheit, diese Wirklichkeit. Die Kirche findet darin immer aufs neue die unerschöpfliche Quelle ihrer Sendung und ihres Strebens nach Heiligkeit. 5. Die Sendung der Kirche, ihr Streben nach Heiligkeit verwirklicht sich durch die Liebe. Christus sagt im heutigen Evangelium: „Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt; wer mich aber liebt, der wird von meinem Vater geliebt werden, und auch ich werde ihn lieben und mich ihm offenbaren“ {Joh 14,21). So also führt uns die Liebe in die tiefste Kenntnis Jesu Christi ein. Die Liebe erschließt dem menschlichen Herzen das Geheimnis dieser Einheit mit dem Vater in Christus durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in uns wirksam ist. Und darum ist die Liebe das größte Gebot des Evangeliums. In ihr erfüllen sich alle Gebote und Räte. Sie ist „das Band, das vollkommen macht“ {Kol 3,14). 412 REISEN Welche Freude ist es für mich, liebe Bewohner von Viterbo, heute an einige große Gestalten der ferneren und näheren Vergangenheit zu erinnern, die hier, in eurer Stadt, dem evangelischen Aufruf zur Liebe hochherzig entsprochen haben. Was für eine großartige Antwort der Liebe finden wir in jenem wunderbaren jungen Mädchen, eurer hl. Rosa! Sie steht trotz des Zeitenwandels auch heute noch als Vorbild für die Mädchen und jungen Frauen da, die sie auffordert, das Absolute Gottes tief und gründlich in ihr Leben einzubeziehen in einer vollen Hingabe der Liebe, die über jeden menschlichen Respekt hinausgeht! Bei diesem Anlaß gedenken wir auch der hl. Giacinta Marescotti, die aus einem ganz anderen sozialen Milieu kam und in einer anderen geschichtlichen und kulturellen Atmosphäre gelebt hat und doch durch so vieles mit der jungfräulichen Rosa verbunden ist! Wie diese war Giacinta äußerst empfänglich für die Tatsache, daß die Weihe an Gott und die vollkommene Liebe, auf die sie sich stützt, eine volle Hingabe an das Gemeinwohl der Kirche wie der Gesellschaft einschließen. Und diesen beiden außergewöhnlichen Frauen gelang es mit der Kraft des Geistes, jenes Ideal auf eine noch heute vorbildliche Weise zu verwirklichen. Sodann wollen wir auch den hl. Crispin erwähnen, den ich zu meiner Freude heiliggesprochen habe: die sympathische Gestalt eines Kapuziner-Laienbruders, der vor einigen Jahrhunderten gelebt hat, dessen Vorbild aber äußerst aktuell ist: Es ist das Beispiel eines in einer heiligen Freude gelebten Christentums, die als schwieriger innerer Sieg ein ausgesuchter Dienst am Nächsten ist, der des Friedens und des Trostes bedarf. Mit dieser jovialen und gutherzigen Haltung verstand es der hl. Crispin, zu einem echten „Menschenfischer“ zu werden, der die Seelen für die Liebe zum Kreuz Christi und die Suche nach Heiligkeit gewann. „Jauchzt vor Gott, alle Länder der Erde!“ Preise ihn, Stadt Viterbo, und blicke auf die Werke, die Gott unter deinen Vorfahren vollbracht hat. Diese Werke sind die lebendigen Menschen, in denen das Ostergeheimnis Christi in der Heiligkeit ihres Lebens seinen vollen Ausdruck gefunden hat. 6. Und hört zum Schluß auch noch die Worte des hl. Petrus. Man könnte sagen, daß ihr, Bewohner von Viterbo, auf Grund eurer Vergangenheit in besonderer Weise mit der Gestalt des Apostels verbunden seid, der den römischen Stuhl begründet hat. Hier also die Worte aus dem ersten Brief des Apostels Petrus, dem die zweite Lesung der heutigen Liturgie entnommen ist: 413 REISEN „Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt. . .!“ (1 Petr 3,15). Das ist also eine erste Aufforderung an euch: zu einem leuchtenden, bewußten, mutigen Glauben. Einen solchen Glauben fordert der gekreuzigte und auferstandene Christus von uns auch in unserer Zeit. Von ihm nimmt auch die ganze christliche Hoffnung ihren Ausgang. Und hier die weiteren Worte des Apostels: „Aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen ... Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse“ {1 Petr 3,16-17). Die zweite Aufforderung: dem Glauben sollen die Werke entspringen. Der Glaube soll die Gewissen formen. Der gekreuzigte und auferstandene Christus ist der vollkommenste „Maßstab“ unseres Verhaltens. Liebe Brüder und Schwestern! Nehmt diese Aufforderung des hl. Apostels Petrus an! Denkt über sie nach! Paßt sie den Notwendigkeiten und Bedürfnissen eures Alltagslebens an! Damit ein jeder von euch an jenem Kapitel der Kirchengeschichte weiterschreibt, das hier eine so reiche Vergangenheit besitzt. Der auferstandene Christus und der Heilige Geist, der Beistand und Tröster, der Geist der Wahrheit, sei mit euch. Erhebt die Herzen! Sursum corda! Amen. 414 REISEN Auch Viterbo ist eine marianische Stadt Regina Caeli in Viterbo Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Das ist die Stunde, in der wir die Jungfrau Maria durch das Gebet des „Regina Caeli“ ehren wollen. Ich möchte, daß das Marienlob, das wir gleich zum Himmel emporsenden, vor allem ein inniger Dank an diejenige sein soll, die die Kirche als die selige Mutter des Erlösers verehrt; an sie, die die Kirche, der mystische Leib Christi, auch als ihre Mutter betrachtet; an sie, die in Viterbo im Laufe der Jahrhunderte so viele Zeichen ihres mütterlichen, hebevollen Schutzes hinterlassen hat. Die Chroniken von Viterbo berichten, daß im August des Jahres 1467 ganz Südetrurien von der Geißel der Pest heimgesucht wurde. 30000 Menschen kamen in Campo Graziano zusammen und riefen die Jungfrau Maria um ihren Schutz für die Stadt Viterbo an. Die Pest nahm ein Ende, und wenige Tage später fanden sich 40 000 Menschen ein, um zu danken. Als sichtbares Zeichen ihrer Dankbarkeit entstand das Heiligtum der Madonna della Quercia, das von den Gläubigen dieser Gegend und auch den Päpsten so sehr verehrt und geehrt wurde. Ich habe an dieses historische Ereignis erinnert, um hervorzuheben, daß auch Viterbo eine marianische Stadt ist und sich als solche betrachtet, weshalb ich euch ermutigen möchte, eure Verehrung zur allerseligsten Jungfrau Maria, dem Schild und Schutz auch gegen die Übel der heutigen Gesellschaft, zu mehren. Sie begleite und schütze euch. 2. Ich fordere euch auf, auch die Priester- und Ordensberufe eurer Stadt und Diözese in ihre Hand zu geben. In der Kathedrale sind die Angehörigen der Seminaristen versammelt, die ich im Vorübergehen begrüßte. Im Namen der Kirche danke ich diesen Eltern, die einwilligen, daß ihre Söhne der göttlichen Berufung folgen, und ermutige sie, sie durch Gebet und Beispiel bis zum Ziel des Priestertums und darüber hinaus zu unterstützen. Gleichzeitig richte ich an die Gemeinden von Tuscania, Monte-fiascone, Acquapendente und Bagnoregio die Aufforderung, sich an Maria, die Königin der Apostel, zu wenden, damit sie die christlichen Familien, in denen die Priester- und Ordensberufe die erste Anregung erhalten, erleuchte, schütze und verteidige. Die ganze Kirche braucht hochherzige Seelen, die es auf sich nehmen, ihre Kräfte ganz für das Evangelium einzusetzen. Das ist ein ernstes Problem, das alle betrifft, denn vor allem von ihrer Präsenz hängt die christliche 415 REISEN Beseelung der Gesellschaft ab. Es ist ein Grundproblem der Kirche, dessen Lösung den Nachweis ihrer geistlichen Lebenskraft und zugleich die Voraussetzung dieser Lebenskraft darstellt und Vorbedingung für ihre Sendung und Entwicklung ist. In der österlichen Freude betrachten wir Maria, die Himmelskönigin, neben ihrem Sohn, der in die Herrlichkeit eingegangen ist; bitten wir sie heute und später für die Berufe in euren Gemeinden und der ganzen Kirche: Sie möge sie in großer Zahl wecken und für sie das Licht des Heiligen Geistes erwirken. Nach dem Gebet des Regina Caeli sagte der Papst: 1. Von Tag zu Tag verschlimmert sich der Krieg zwischen Iran und Irak, und die Ruinen, die Zerstörungen, die Toten werden immer mehr - man spricht von 300 000 Toten innerhalb von vier Jahren - und verheeren das Leben dieser beiden Nationen. Der Kampf droht sich auf die Nachbarländer auszuweiten und eine Krise hervorzurufen, die noch schwerer ist und den ganzen geographischen Raum in Mitleidenschaft zieht mit möglicherweise unkontrollierbaren Auswirkungen. Wir müssen beten, damit der Herr alle verantwortlichen Autoritäten erleuchte, einen Akt guten Willens zu vollbringen, der die bei den bisherigen Beilegungsversuchen vorliegenden Schwierigkeiten überwindet und den beiden Brudervölkern den Frieden wiederbringt, den sie gewiß wünschen und erhoffen. 2. Vor einigen Tagen habe ich Frau Tatjana Bonner empfangen, die mich gebeten hat, für ihren Adoptivvater Prof. Andrej Sacharow und ihre Mutter Jelena zu beten und beten zu lassen. Ich tue das mit ganzem Herzen und empfehle euch zu beten, damit Gott die Erwartung und Hoffnung so vieler Persönlichkeiten von Rang und Menschen verschiedener Nationen und aller Kreise erhöre, die sich um die Gesundheit und Freiheit des Wissenschaftlers und seiner Ehefrau ängstigen. Beten wir auch für alle Männer und Frauen, die um ihrer tiefsten Überzeugungen willen in jeder Region oder Situation gefangen, verschleppt oder Freiheitsbeschränkungen unterworfen sind: Eine große Zahl verschiedenen religiösen Bekenntnisses leidet für ihre Glaubensüberzeugung. Man spricht nicht viel darüber, wie das vor allem geschieht, wenn die Tatsachen sich verallgemeinern und sich über Jahre, ja manchmal über Jahrzehnte hinziehen. Ein großer Teil von ihnen ist den meisten unbekannt: Nur Gott kennt jeden einzelnen dieser Glaubenshelden. Beten wir, damit sie geistliche Kraft für ihre Prüfung finden und die Stunde ihrer vollen Freiheit bald schlage. 416 Pastoraireise in die Schweiz (12. bis 17. Juni) REISEN „Offen für Christi Geist“ Femsehbotschaft an das Schweizer Volk vor der Pastoraireise am 11. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern in der Schweiz! In den nächsten Tagen darf ich Ihrem Land meinen Besuch abstatten, der schon seit langem geplant gewesen ist. Ich freue mich sehr darauf. Meine Reise ist in erster Linie ein kirchliches Ereignis. Denn sie gilt vor allem den katholischen Christen in der Schweiz, die mit dem Bischof von Rom als dem Nachfolger des heiligen Petrus in besonderer Weise verbunden sind. Es ist mir aber eine grosse Freude, auch mit den Vertretern der anderen Kirchen zusammenzukommen, um mit ihnen in Gespräch und Gebet unsere gemeinsame Verantwortung für die Einheit der Christen zu bedenken und zu vertiefen. Über den Tagen meines Pastoralbesuches steht das Motto: «Offen für Christi Geist». Ich habe dafür gebetet, dass Sie, die gläubigen Christen in der Schweiz, und auch ich selber diesen Geist Christi lebendig erfahren. Möge der Geist Christi unsere Herzen erfüllen, wenn wir miteinander auf Gottes Wort hören und den Tod und die Auferstehung unseres Erlösers feiern. Möge der Geist Christi aber auch mit uns sein in den zahlreichen anderen Begegnungen, die vorgesehen sind. Indem ich auch Sie dafür aufrichtig um Ihr Gebet bitte, grüsse ich Sie alle sehr herzlich. Ich danke schon jetzt für das Wohlwollen, das so viele von Ihnen mir und meinem Dienst in der Kirche entgegenbringen. In diesen Dank schliesse ich auch Ihre Behörden ein, besonders die Kantons- und Landesregierungen, die mir grosszügige Gastfreundschaft gewähren werden, wie auch die vielen Organisatoren und Helfer, die mir durch ihren persönlichen Einsatz diesen Pastoralbesuch in Ihrem Land ermöglichen. Möge der Herr unsere kommenden Begegnungen, Ihr Land und alle seine Bewohner mit seinem besonderen Segen begleiten! (Französisch) Ich freue mich sehr, dass ich zum ersten Mal Gelegenheit habe, mich über die Massenmedien an alle Bürger und Bewohner der Schweiz zu wenden, wohin reisen zu können ich das Glück habe. Und um euch zu grüssen, erlaube ich mir, den Gruss des auferstandenen Jesus an seine Jünger zu wiederholen: «Friede sei mit euch!» (Joh 20,19). Ihr wisst, dass dieser - so starke - Wunsch sich an alle Jünger des Herrn, die von heute wie die von gestern, richtet. Mehr als ein Wunsch ist es eine 418 REISEN Verheissung des Geistes, zu dessen «Früchten» der Friede gehört (vgl. Gal 5,22); ebenso ist es ein Aufruf und eine Ermutigung zu einer herrlichen und anspruchsvollen Berufung. Aber ich glaube, dass der Friede gleichsam die besondere Berufung eines Landes sein oder werden kann. Dieser Appell war in der Geschichte der Schweiz oft zu hören, wenn euch innere Schwierigkeiten bedrohten. Aber euer Vertrauen in die höheren Kräfte des Friedens hat euch diese Schwierigkeiten überwinden lassen. Die Geschichte auf internationaler Ebene wird gleichfalls festhalten, dass ihr verstanden habt und noch immer versteht, an vielen bescheidenen und schwierigen Vorhaben aktiv mitzuwirken, die von den Menschen guten Willens unternommen werden, damit das Ideal des Friedens trotz allem ein Grund zu echter Hoffnung bleibt. Ja, «der Friede sei mit euch»! Und meine Pilgerreise in eurer Mitte möge dafür ein neuer Ausdruck und eine neue Erfahrung in der Liebe sein!' (Italienisch) Liebe Brüder und Schwestern der italienischen Schweiz! Meinen herzlichen Gruss euch allen! Während ich diesen Grass an euch richte, fühle ich in mir schon die Freude auf die bevorstehende Begegnung mit euch aufsteigen. «Denn ich sehne mich danach, euch zu sehen; ich möchte euch geistliche Gaben vermitteln, damit ihr dadurch gestärkt werdet, oder besser: damit wir, wenn ich bei euch bin, miteinander Zuspruch empfangen durch euren und meinen Glauben» (Röm 1, 11-12). Ich freue mich, dass mein Pastoralbesuch bei der Kirche der Schweiz im Gedenkjahr des 400. Todestages des grossen Bischofs, Freundes und himmlischen Patrons eurer Lande, des heiligen Karl Borromäus, stattfindet. Auf der «Via Gentium» (Völkerstrasse), die eure Regionen durchquert, wanderte einst die Botschaft des Evangeliums dank der Arbeit der Missionare und Mönche, aber auch dank des Zeugnisses der Wanderer, der Kaufleute, der Soldaten, und fasste schon in längst vergangenen Zeiten in Europa tief Wurzel. Euer Land - das von besonderer Naturschönheit umgeben ist - ist noch heute ein Durchgangs- und Fremdenverkehrsland: möge es stets Zeugnis geben von Christus und dem Evangelium! Die Jungfrau Maria - die von euch mit soviel kindlicher Frömmigkeit in zahlreichen Heiligtümern, wie dem von Sasso di Locarno oder dem von Morbio Inferiore, verehrt wird, Heiligtümer, die ich in Gedanken besuchen werde, wenn ich vor dem Gnadenbild der Madonna delle Grazie im San-Lorenzo-Dom in Lugano knie - segne unsere Begegnung und öffne unsere Herzen dem Wirken des Geistes Christi, damit durch den hochherzigen 419 REISEN Beitrag aller der Sauerteig des Evangeliums weiter und mit erneuerter Wirkkraft in der heutigen Gesellschaft tätig ist und die Menschen der jetzigen Generation in Christus ihren Erlöser zu erkennen vermögen, wenn sie in ihm die befriedigende Antwort auf die grundlegenden Fragen ihres Herzens finden. Im Geist der Freundschaft und der Liebe Christi Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen Zürich-Kloten am 12. Juni (Deutsch) 1. Mit grosser Freude komme ich heute in das Land der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Dies ist eine weitere bedeutende Station auf meinem Pilgerweg, der mich seit meiner Berufung zum Bischof von Rom im Namen des Evangeliums zu meinen Glaubensbrüdern und -Schwestern und zu vielen Menschen guten Willens in die verschiedenen Länder und Kontinente führt. Gott hat es so gefügt, dass dieser Besuch nicht schon im Frühjahr 1981 erfolgen konnte, sondern erst heute stattfindet. In dem Augenblick, da ich als Nachfolger des Apostels Petrus den Schweizer Boden betrete, grüsse ich mit Hochachtung und im Geist der Freundschaft und der Liebe Jesu Christi, des Erlösers des Menschen, alle Bürger dieses geschätzten Volkes, besonders die katholischen und evangelischen Christen. Ich grüsse ehrerbietig alle, die diese hier vertreten, vor allem Sie, sehr verehrter Herr Bundespräsident, zusammen mit den Repräsentanten aus Staat und Gesellschaft, den hochwürdigsten Herrn Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz, Bischof Schwery, die Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt sowie alle Gäste, die mich durch ihre Anwesenheit beehren. Aufrichtig danke ich den Verantwortlichen für die freundliche Einladung und dem Herrn Bundespräsidenten für seinen herzlichen Will-kommensgruss. 2. Während mein erster Besuch in der Schweiz im Jahre 1982 einigen bedeutenden internationalen Institutionen gegolten hat, die in Ihrem Land gastliche Aufnahme gefunden haben, so will der heutige hauptsächlich ein Pastoralbesuch bei der hiesigen Ortskirche sein. Noch bevor die geschichtliche Entwicklung die freien Städte und Kantone dieser Alpenre- 420 REISEN gion zu einem gemeinsamen Staatsgebilde zusammengeführt hat, war es der christliche Glaube, der die Menschen und Volksstämme dieser majestätischen Berge und Täler trotz ihrer unterschiedlichen Herkunft und Sprache in der einen Kirche Jesu Christi vereint hat. Von den frühen Anfängen an ist das Christentum tief verankert in der Seele und den Traditionen des Schweizervolkes. Die vielfältigen Begegnungen der kommenden Tage mögen dazu dienen, uns wieder neu auf diese gemeinsame christliche Berufung zu besinnen und als Gottesvolk des Neuen Bundes zusammen mit Christus Gott, dem Schöpfer und Vater aller Menschen, für seine «Grosstaten» (vgl. 1 Petr 2,9-10) zu danken und ihn zu preisen. Die Herausforderung, die das moderne Zeitalter für die Menschheit und für das Christentum bedeutet, lässt uns Christen nur um so schmerzlicher die unseligen Spaltungen und Polarisierungen empfinden, die uns wie in der Vergangenheit auch heute noch untereinander entzweien. Das in einer zunehmend säkularisierten Umwelt von allen Christen gemeinsam verlangte Zeugnis für Christus und den von ihm erlösten Menschen verpflichtet uns zu noch grösseren Anstrengungen, um alle äusseren und inneren trennenden Hindernisse allmählich in der vollen Wahrheit und Liebe Christi zu überwinden, «damit die Welt glaubte (Joh 17,21). Deshalb freue ich mich auch besonders über die Begegnungen, die ich während meines Besuches mit den getrennten Glaubensbrüdem und -Schwestern werde haben können. Gebe Gott, dass diese das gegenseitige Verständnis vertiefen und unser gemeinsames Glaubenszeugnis stärken und weiterentfalten mögen. 3. Meine hohe Wertschätzung gilt bei diesem Besuch zugleich dem ganzen geliebten Schweizervolk, das sich nicht nur durch seinen blühenden wirtschaftlichen Wohlstand, sondern auch durch seine vorzügliche Gastfreundschaft und solidarische internationale Zusammenarbeit ein grosses Ansehen in der Völkergemeinschaft erworben hat. Seine traditionelle Neutralität sicherte ihm lange Zeiten des Friedens und des sozialen Fortschritts und bot zugleich die günstige Voraussetzung für ein aüsgedehntes humanitäres Wirken, besonders in Zeiten schwerer internationaler Konflikte. Es sei hier - stellvertretend für alle anderen Hilfeleistungen, besonders für die notleidenden Völker in den Entwicklungsländern - nur an die Gründung und die verdienstvolle Tätigkeit des Internationalen Roten Kreuzes erinnert. Nicht unerwähnt lassen möchte ich schliesslich noch die besondere Verbundenheit der Schweiz mit dem Stuhle Petri durch die Päpstliche Schweizergarde, in der seit mehreren Jahrhunderten junge Schweizer Bür- 421 REISEN ger dem Nachfolger Petri bei der Wahrnehmung seiner vielfältigen apostolischen Aufgaben Schutz und Hilfe gewähren und ihre Treue sogar schon mit ihrem Blut besiegelt haben. Für all das möchte ich durch meinen Besuch dem Schweizervolk und besonders den katholischen Gläubigen im Namen Christi und der Kirche aufrichtig danken und sie zugleich in der Treue zu ihrer christlichen Berufung und Sendung in der Welt von heute ermutigen und bestärken. (Französisch) 4. Es versteht sich von selbst, dass ich schon bei meiner Ankunft auch ein paar Worte in Ihren anderen drei Landessprachen sagen möchte. Diese Pilgerreise führt mich ja in ein Land, dessen traditionelle sprachliche Vielfalt der gemeinsamen Identität und dem Zusammenhalt seiner Bewohner nicht entgegensteht, sondern vielmehr zur Bereicherung eines kostbaren Kulturerbes beiträgt. Die Mehrsprachigkeit Ihres Landes verschafft ihm die Wertschätzung zahlreicher Gesprächspartner in der ganzen Welt und ermöglicht es, sie grosszügig bei sich aufzunehmen. Die Ausstrahlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft wird dadurch noch um so grösser. In Verbundenheit mit den vielen Menschen, die Ihnen danken möchten für das, was sie von Ihnen empfangen durften, rufe ich voll Freude Gottes Segen auf alle Schweizer herab, die heute auch mir ihre Gastfreundschaft anbieten. (Italienisch) In Ihrem Land, wo sich mehrere Kulturen begegnen, wird auch Italienisch gesprochen. Deshalb richte ich auch in dieser Sprache ehrfurchtsvolle und herzliche Grüsse an die Schweizer Bürger aller Stände und Berufe und jeglicher Herkunft. Möge der dreieinige Gott, unter dessen Schutz Ihr Land vom Anfang seiner Geschichte an gestellt ist, Ihnen weiterhin Frieden, tatkräftige Eintracht, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Solidarität schenken - Zeichen jener klassischen, nie eingeschlummerten Tugenden, auf denen der echte, ganzheitliche Fortschritt des Landes beruht. (Rätoromanisch) Herzlich grüsse ich nun in der vierten Landessprache die Bewohner der rätoromanischen Schweiz. Von Herzen wünsche ich ihnen und ihren Familien alles Gute, Glück und Frieden im Herrn. (Deutsch) Gott segne auf die Fürsprache Ihres Schutzpatrons, des heiligen Nikolaus von der Flüe, die Schweiz und alle ihre Bewohner! 422 REISEN Die Eucharistie: Grundelement der Kirche Predigt bei der Messe im Cornadero-Stadion in Lugano am 12. Juni (Italienisch) 1. «Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten» (Apg 2,42). Der eben gelesene Text aus dem 2. Kapitel der Apostelgeschichte stellt uns die Anfänge der Kirche vor Augen, kurz nachdem sie am Pfingsttag aus dem Abendmahlssaal an die Öffentlichkeit getreten war. Sie wurde durch die Macht des Heiligen Geistes aus dem Ort der Erwartung und des Gebetes hinausgeführt, um unter den Menschen aus verschiedenen Nationen «Gottes grosse Taten» zu verkünden (Apg 2,11). Am vergangenen Sonntag, dem Pfingstfest, hatten wir die Freude, eben diesen Tag, den «der Herr gemacht hat», wiederzuerleben, den Tag der Geburt der Kirche. Heute sind wir im Bericht der Apostelgeschichte - so könnte man sagen -Zeugen eines gewöhnlichen Tages dieser eben geborenen Kirche. Wir sehen die Gemeinde, die unerschütterlich «an der Lehre der Apostel festhält ..., am Brechen des Brotes und an den Gebeten». Diese Gemeinde lebt noch in täglicher Verbindung mit dem Tempel in Jerusalem (nimmt also noch am Gottesdienst des Alten Bundes teil) und bricht zur selben Zeit daheim das Brot (vgl. Apg 2,46), feiert schon die Eucharistie, das Sakrament des neuen und ewigen Bundes - das Sakrament, durch das sich seit fast zweitausend Jahren die Kirche gebildet hat und weiter bildet. 2. Dieser Text der Apostelgeschichte ist wichtig. In ihm werden einige tragende Elemente der Kirche Christi deutlich: das Wort Gottes; eine Gemeinde von Gläubigen, die es entgegennimmt und sich zur Feier der Eucharistie versammelt im Verein mit den Aposteln, die in der Folgezeit dafür besorgt sein werden, sich in der Person der Bischöfe Nachfolger zu sichern. Von damals bis heute und bis zum Ende der Zeiten gibt es die volle Wirklichkeit der Kirche nur aufgrund dieser Wesenselemente. Schon die Kirche der ersten Zeiten, die im Abendmahlssaal in Jerusalem und in der um die Apostel vereinten Urgemeinde beginnt, ist so gestaltet. Sie ist - so könnte man sagen - Ortskirche und gleichzeitig auch Weltkirche. Ortskirche, weil sie an einen Ort, an Jerusalem, gebunden ist; aber auch Weltkirche, weil in ihr, wie sich am Pfingsttag zeigt, Menschen aus verschiedenen Nationen Zusammenkommen. Durch das Sprachenwun- 423 REISEN der beglaubigt der Geist diese Vielgestalt, indem er jedermann die Apostel in seiner Muttersprache vernehmen lässt. Beseelt vom gleichen Heiligen Geist möchten wir diese beiden Dimensionen der Kirche bei der heutigen Begegnung und die ganze Woche hindurch mit Freude annehmen. Der Besuch des Bischofs von Rom und Nachfolgers des Petrus will mit besonderer Deutlichkeit zeigen, dass eure Diözese Lugano und alle Diözesen der Schweiz - alle Kirchen, die sich in eurem Vaterland finden -, wenn sie ihr eigenes Leben leben, gleichzeitig das Leben der Weltkirche leben: der einen Kirche in der ganzen Welt. Die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Die Kirche ist das Volk Gottes: «das Volk, dessen Gott der Herr ist, die Nation, die er sich zum Erbteil erwählt hat» (Ps 32,12). Die Psalmworte der heutigen Liturgie sprechen von Israel, dem Gottesvolk des Alten Bundes. Und gleichzeitig sprechen sie vom neuen Israel, der Kirche, die sich weit über die alttestamentlichen Grenzen einer einzigen Nation hinaus ausgedehnt hat. «In allen Völkern der Erde wohnt dieses eine Gottesvolk, da es aus allen seine Bürger nimmt, Bürger eines Reiches freilich nicht irdischer, sondern himmlischer Natur. Alle über den Erdkreis hin verstreuten Gläubigen stehen mit den übrigen im Heiligen Geiste in Gemeinschaft, und so weiss ‘der, welcher zu Rom wohnt, dass die Inder seine Glieder sind‘» (Lumen gentium, Nr. 13). Das Volk: das ist die Gemeinschaft der lebenden Menschen, die Gott liebend umarmt: alle miteinander und zugleich jeden einzelnen persönlich. Er umarmt sie als Schöpfer und Vater, als Erlöser und als Geist, der alles durchdringt. «Der Herr blickt herab vom Himmel, er sieht auf alle Menschen. Von seinem Thronsitz schaut er nieder auf alle Bewohner der Erde. Der ihre Herzen gebildet hat, er achtet auf all ihre Taten» (Ps 33,13-15). Alle und jeder einzelne sind durchdrungen vom ewigen Plan der göttlichen Liebe. Alle und jeder einzelne sind «losgekauft» durch denselben unendlichen Preis der Erlösung in Christus. Alle und jeder einzelne sind dem Hauch des einzigen Geistes der Wahrheit unterworfen. 424 REISEN 3. Die heutige Liturgie spricht uns von dieser Einheit durch das evangelische Gleichnis vom Weinstock und den Reben. Jesus sagt zu seinen Jüngern in seiner Abschiedsrede im Abendmahlssaal: «Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Winzern (Joh 15,1). Auf dem weiten Boden der Menschheit hat der himmlische Vater diesen Weinstock gepflanzt: den in der Zeit von der Jungfrau Maria geborenen Sohn Gottes. Und alle Menschen sind wie Reben vom Saft des neuen Lebens durchdrungen, das in diesem Weinstock ist. «Jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt - sagt Jesus -, schneidet der Vater ab, und jede Rebe, die Frucht bringt, reinigt er, damit sie mehr Frucht bringt» (Joh 15,2). Was ist die Kirche - in ihren beiden Dimensionen, der weltkirchlichen und der ortskirchlichen? Sie ist das Umfeld des neuen Daseins des Menschen. Durch dieses Umfeld hat der Mensch, das Erdenkind, ein neues Dasein in Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Wie eine Rebe am Weinstock. So ist mithin auch das Dasein der Kinder Gottes. Deshalb ist die Kirche der Ort der göttlichen Hege und Pflege. Wir alle, die wir die Kirche bilden - miteinander und einzeln -, sollen Frucht bringen in Christus. «Wie die Rebe aus sich keine Frucht bringen kann, sondern nur, wenn sie am Weinstock bleibt, so könnt auch ihr keine Frucht bringen, wenn ihr nicht in mir bleibt... Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir, könnt ihr nichts vollbringen... Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet. Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe!» (Joh 15,4-5,8-9). 4. In unserer Betrachtung über die Kirche in allen ihren Dimensionen müssen wir ständig auf diese erstaunliche Analogie zurückkommen. In ihr liegt der tiefste Grund der Einheit und zugleich der Vielfalt der Kirche. Diese Analogie hat auch deshalb ihre besondere Bedeutung, weil sie zeigt, wie die beiden Dimensionen der Kirche, die in den Begriffen «Weltkirche» und «Ortskirche» zum Ausdruck kommen, richtig zusammengehören können, so dass dabei doch gleichzeitig der ganze Reichtum, der in jeder Dimension enthalten ist, bewahrt wird. Die Einheit entspringt dem Weinstock Christus durch das Wirken des Heiligen Geistes, der am Pfingsttag auf die Apostel herabgesandt wurde. Und deshalb ist sie Einheit in Leib und Geist, wie der Verfasser des Ephe-serbriefes verkündet: «Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, 425 REISEN eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist» (4,4-6). So kommt also die Einheit der Kirche letzten Endes vom Vater. Sie kommt vom Vater durch Christus, den Weinstock, im Heiligen Geist. «Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält», schreibt der Apostel (Eph 4,3). Das ist eine Aufforderung, die bleibenden Wert hat. Auch die Christen von heute müssen sich damit auseinandersetzen. Jede um ihren Bischof versammelte Ortskirche ist wirklich und voll Kirche. Dieses Bewusstsein ist nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil so stark geworden, dass wir heute mit einer folgenreichen Formulierung sagen können, dass die eine und einzige katholische Kirche in und aus Teilkirchen, d. h. Diözesen, besteht (vgl. CIC 368). Das bedeutet: Wo eine Gemeinde mit ihrem Bischof im Glauben und in Treue zum auferstandenen Herrn um ihren Bischof versammelt ist, da ist wirklich Kirche. Aber die Wirklichkeit des mystischen Leibes Christi erschöpft sich darin nicht. Die Teilkirche kann also nicht allein bleiben, sie kann nicht nur auf örtlicher Ebene in Brüderschaft leben, sondern muss auch die Gemeinschaft mit den andern Kirchen verwirklichen. Wir lesen im Neuen Testament, wie schon unter den verschiedenen Kirchen von damals Einheit bestand, die durch Austausch von Hilfen und Informationen, durch Reisen und gastliche Aufnahme bezeugt wurde, und vor allem durch das entschiedene Festhalten am gleichen Glauben, an den gleichen Sakramenten, an der von den Aposteln eingeführten Kirchenzucht, die einmütig angenommen und von ihren Nachfolgern ständig erneuert wurde. Zumal die Apostelgeschichte informiert uns: Als von Jerusalem aus die Ausbreitung des Evangeliums begann und sich im Anschluss daran an den verschiedenen Orten, wo die Botschaft ankam, neue Gemeinden bildeten, bezogen sich diese Gemeinden weiterhin auf einen Mittelpunkt, auf eine Mutterkirche, die damals Jerusalem war, der Ort, wo in der ersten Zeit Petrus mit den anderen Aposteln lebte. Auch die Christen von heute sind verpflichtet, in dieser Einheit zu leben: Es kann keine Ortskirche geben, die nicht in Gemeinschaft mit den anderen steht, die sich nicht den Leiden und Freuden der anderen Ortskirchen öffnet, die nicht versucht, sich mit ihnen über die konkrete Weise abzustimmen, vor der Welt von heute die ewigen Werte des Evangeliums zu bezeugen. Es kann keine Ortskirche geben, die nicht eine aufrichtige, tiefe Gemeinschaft mit dem Stuhl des Petrus pflegt. 426 REISEN 5. Die Kirche ist «eine». Jede Vielfalt ruht in dieser Einheit. Diese Vielfalt ist - wie wir im folgenden beim Apostel Paulus lesen - eine Vielfalt von Berufungen: «um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi» (Eph 4,12). Für den Aufbau des Leibes Christi heute, so wie von der ersten Generation an die Apostel, die Propheten, die Evangelisten, die Hirten und die Lehrer diesen Leib aufgebaut haben. Die Vielfalt der Berufungen ist soweit echt, als sie sich aus der Einheit ergibt und diese auf baut. Was sich auf die Personen bezieht, gilt auch für die Gemeinden. Jede Gemeinde in der Kirche ist soweit echt (der evangelischen und apostolischen Überlieferung entsprechend), als sie sich aus der Einheit entwickelt und diese gleichzeitig aufbaut. Jede Ortskirche ist soweit echt (der evangelischen und apostolischen Begriffsbestimmung entsprechend), als sie sich aus der Einheit der Weltkirche entwickelt und diese mit aufbaut. 6. Bei dieser Eucharistiefeier zu Beginn meines Pastoralbesuches in der Schweiz möchte ich alle kirchlichen Gemeinden grüssen, die in euren Ortskirchen vereint sind. Die Kirche von Basel, von Chur, von Lausanne, Genf und Freiburg, von St. Gallen, von Sitten und auch die vom italienischsprachigen Bünden. Mit besonderer Herzlichkeit grüsse ich die Diözese Lugano, wobei ich besonders an Bischof Emesto Togni, an die Priester, die Ordensmänner und -frauen und alle Laien denke. Ich grüsse all diese Kirchen mit einer Verehrung, die ihrer evangelischen und apostolischen Würde entspricht. Ich gebe ihnen den brüderlichen Friedenskuss. Gleichzeitig drücke ich den herzlichen Wunsch aus, dass jede dieser Kirchen fest in der Einheit der Weltkirche bleibe und so die Sendung erfülle, von der der Heilige Geist im Brief an die Epheser spricht: «So sollen wir alle zur Einheit im Glauben und in der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, damit wir zum vollkommenen Menschen werden und Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellen» (4,13). Mit anderen Worten, als Diener und Hüter der Einheit der Kirche wünsche ich euch, liebe Brüder und Schwestern, dass sich in euch das Geheimnis vom Weinstock und den Reben erfülle. Jeder, der eine Gnade empfangen hat, nutze sie hochherzig und mit Beständigkeit «in dem Mass, wie Christus sie ihm geschenkt hat» (Eph 4,7). Diese Gnadengabe baut immer die Kirche auf, in ihrer weltkirchlichen wie in ihrer ortskirchlichen Dimension. 427 REISEN 7. Zum Empfang dieser Gnadengabe hat euch, liebe Katholiken der Schweiz, eure Geschichte vorbereitet. Sie ist ja die Geschichte eines Landes, in dem Einheit und Verschiedenheit sich in täglicher Erfahrung friedlicher Eintracht, gegenseitiger Achtung, tatkräftiger Zusammenarbeit zu verbinden wussten. Diese Traditionen können euch von grosser Hilfe sein, um euch für die Verpflichtung zu einem hochherzigen Festhalten an der weltkirchlichen Dimension der Kirche innerlich aufzuschliessen. Das wird euch Katholiken des Tessins noch erleichtert durch die Kirchengeschichte eurer Gemeinschaft, die aus dem reichen religiösen Erbe schöpfen konnte, das Männer von der Gestalt eines heiligen Ambrosius und eines heiligen Karl Borromäus geschaffen haben. Eure Situation als relativ junge Diözese in geographischer Grenzlage ist ein Anreiz zur Suche nach einer immer tieferen Gemeinschaft mit den anderen Kirchen, doch in Treue zu jener besonderen kirchlichen Prägung, die im Lauf der Jahrhunderte bei den Generationen eurer Vorfahren herangereift ist, unter der Führung eurer Bischöfe, unter denen ich dem Diener Gottes Msgr. Aure-lio Bacciarini ein besonderes Gedenken widmen möchte. 8. Seid euch der Grösse eurer ruhmreichen Vergangenheit bewusst! Ich wünsche euch das Übermass der Gnadengaben Christi. Ich wünsche euch, «offen für Christi Geist» zu sein, nach dem Leitwort, das ihr für meinen Besuch gewählt habt. Es ist ein Wahlspruch, der das tiefste Bedürfnis jeder Teilkirche, die ihre eigene Sendung voll leben will, treffend zusammenfasst. Sie muss ein gut strukturierter und wirksamer Organismus sein, um das Heil Gottes vor der Welt tatkräftig bezeugen zu können. Aber sie muss zuerst und vor allem vom Geist Christi beseelt und ständig neugestaltet werden. Er ist es, der das «Angesicht der Erde erneuert». Spüren nicht alle - am Ende des 20. Jahrhunderts nach Christus -, wie sehr das Angesicht der von Menschen bewohnten Erde einer Erneuerung bedarf? Die entscheidende Erneuerung kann nur aus dem lebenspendenden Wirken des Geistes kommen. Nur er kann «die Welt überzeugen» (vgl. Joh 16,8) von der Gottheit Christi, des Erlösers der Menschen und der wahren Hoffnung der Geschichte. Sagen wir also mit dem Psalmisten: «Unsere Seele hofft auf den Herrn, er ist für uns Schutz und Hilfe. Ja, an ihm freut sich unser Herz, wir vertrauen auf seinen heiligen Namen» (Ps 33,20-21). Ja, vertrauen wir! Amen. 428 REISEN Ein Zeichen des Willens zur Einheit Ansprache beim Besuch des ökumenischen Rates der Kirchen in Genf am 12. Juni (Französisch) Liebe Brüder und Schwestern! «Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus» (Eph 1,2). 1. Ich danke Ihnen für die Einladung, Sie während meines Pastoral-besuchs bei den Katholiken der Schweiz hier im Ökumenischen Zentrum zu besuchen. Es ist besonders bedeutungsvoll, dass wir uns, zu gemeinsamem Gebet und brüderlichem Gespräch in dieser Zeit des Jahres treffen, wo die Christen weltweit das Pfingstereignis feiern. In der Tat ist, wie der heilige Irenäus sagt, «an Pfingsten der Geist auf die Jünger herabgestiegen, um allen Völkern den Eintritt zum Leben zu eröffnen und das Neue Testament zu erschliessen ... Deshalb lobpriesen sie, von ein und derselben Stimmung beseelt, in allen Sprachen Gott, während der Geist die getrennten Stämme zur Einheit zurückführte und die Erstlinge aller Völker dem Vater darbot» (Adv. Haer. III, 17,2). Pfingsten, die Gabe des Geistes, ist für die Kirche die stets lebenspendende Quelle ihrer Einheit und der Ausgangspunkt ihrer Sendung. Gerade in diesen Tagen begegnen wir uns also. Schon die schlichte Tatsache, dass ich hier als Bischof von Rom unter Ihnen weile, der brüderlich den Ökumenischen Rat der Kirchen besucht, ist ein Zeichen dieses Willens zur Einheit. Von Beginn meines Dienstes an als Bischof von Rom habe ich mit Nachdruck betont, dass die Mitarbeit der katholischen Kirche in der ökumenischen Bewegung unwiderruflich und die Suche nach der Einheit eine ihrer pastoralen Prioritäten ist (vgl. z. B. Angelus-Ansprache am 24. Juli 1983 mit dem Aufruf, für die VI. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen zu beten, in: Osservatore Romano, deutsch, 29.7.83, S. 3). Der neue Codex des kanonischen Rechts bringt im übrigen sehr klar zum Ausdruck, dass es die Pflicht der katholischen Bischöfe ist, gemäss dem Willen des Herrn die ökumenische Bewegung zu fördern (CIC, can. 755, § 1). 2. Gewiss - wenn die katholische Kirche die schwierige ökumenische Aufgabe auf sich nimmt, tut sie es mit Überzeugung. Trotz des moralischen Versagens, welches das Leben ihrer Glieder und selbst ihrer Ver- 429 REISEN antwortlichen im Laufe der Geschichte gekennzeichnet hat, ist sie überzeugt, dass sie in voller Treue zur apostolischen Überlieferung und zum Glauben der Väter im Dienst des Bischofs von Rom den sichtbaren Bezugspunkt und den Garanten der Einheit bewahrt hat. Hat nicht bereits der heilige Ignatius von Antiochien die Kirche, «die im Gebiet der Römer den Vorsitz führt», als diejenige gegrüsst, die der Gemeinschaft «der Liebe vorsteht» (Brief an die Römer, Praescr. 4)? Die katholische Kirche glaubt denn auch, dass der Bischof, der dem Leben jener Ortskirche vorsteht, die durch das Blut des Petrus und Paulus befruchtet ist, vom Herrn den Sendungsauftrag erhält, Zeuge des Glaubens zu bleiben, zu dem sich die beiden Häupter der apostolischen Gemeinschaft bekannt haben und der in der Gnade des Heiligen Geistes die Einheit der Gläubigen bewirkt. In der Gemeinschaft mit diesem Bischof stehen heisst sichtbar bezeugen, dass man Gemeinschaft hat mit allen, die denselben Glauben bekennen, den sie seit dem Pfingsttag bekannt haben und den sie bekennen werden, «bis er kommt», der Tag des Herrn. Das ist unsere katholische Überzeugung, und unsere Treue zu Christus verbietet uns, sie aufzugeben. Wir wissen auch, dass das für die meisten von Ihnen - deren Gedächtnis vielleicht durch gewisse schmerzliche Erinnerungen gezeichnet ist, für die mein Vorgänger Papst Paul VI. Sie um Verzeihung gebeten hat - Probleme schafft. Aber wir müssen darüber offen und freundschaftlich diskutieren, mit jenem verheissungsvollen Emst, den das Dokument von «Glaube und Kirchenverfassung» über «Taufe, Eucharistie und Amt» schon zu erkennen gegeben hat. Wenn die ökumenische Bewegung wirklich vom Heiligen Geist getragen ist, wird der Augenblick kommen. 3. Die katholische Kirche und die Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen haben eine lange gemeinsame Geschichte; wir teilen die schmerzlichen Erinnerungen an dramatische Trennungen und gegenseitige Verurteilungen, die die Einheit tief verletzten. Es ist eine Geschichte, während der wir weiterhin viele der Elemente oder Güter teilen, aus denen insgesamt die Kirche erbaut wird und Leben gewinnt (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 3). Diese Geschichte wird nun zur Geschichte der Wiederentdeckung der unvollständigen, aber tatsächlich zwischen uns bestehenden Gemeinschaft; alle Elemente, die diese Gemeinschaft ausmachen oder ausmachen sollten, werden allmählich in ihre richtigen Perspektiven eingeordnet - mit allen Konsequenzen, die dieses neue Verständnis für unsere gegenseitige Zusammenarbeit und das gemeinsame Zeugnis mit sich bringt. 430 REISEN 4. Zunächst sind wir uns unserer gemeinsamen Taufe und ihrer Bedeutung bewusst geworden. Die Erklärungen der Versammlungen von Neu-Delhi oder Evanston geben hier derselben Überzeugung Ausdruck wie das Ökumenismusdekret des Zweiten Vatikanischen Konzils: «Der Mensch wird durch das Sakrament der Taufe, wenn es gemäss der Einsetzung des Herrn recht gespendet und in der gebührenden Geistesverfassung empfangen wird, in Wahrheit dem gekreuzigten und verherrlichten Christus eingegliedert (...). Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind» (Unitatis redintegratio, Nr. 22). Gewiss ist die Taufe «nur ein Anfang und Ausgangspunkt, da sie ihrem ganzen Wesen nach hinzielt auf die Erlangung der Fülle des Lebens in Christus» (ebd.). Aber da wir alle eine wahre Taufe empfangen haben, sind wir alle in dieselbe unteilbare Liebe des Vaters hineingenommen, von demselben unteilbaren Geist Gottes lebendig gemacht, dem einen Sohn eingegliedert. Wenn wir untereinander getrennt sind, so werden wir doch von ein und derselben Umarmung umfangen, von dem, was der heilige Irenaus «die beiden Hände des Vaters» (Sohn und Geist) nannte. Das ist es, was uns drängt, die Gemeinschaft zwischen uns wieder aufzunehmen. Es geht darum, uns als das anzunehmen, was wir für Gott sind kraft der «einen Taufe» wegen des «einen Gottes und Vaters aller, der über allem und durch alles und in allem ist» (Eph 4,6). Wenn wir auch noch getrennt sind, sind wir doch alle im Pfingstgeheimnis, das das Geschehen von Babylon umkehrt. Unsere Spaltungen sind somit ein Gegensatz zu dieser bereits bestehenden Einheit und darum erst recht ein Skandal. 5. Gemeinsam haben wir gelernt, uns verbunden zu fühlen in der Wertschätzung des Wortes Gottes. Dank der Erneuerung der Bibelstudien, wo die Exegeten aller christlichen Konfessionen Seite an Seite arbeiteten, haben sich manche alte Polemiken, die uns seit Jahrhunderten in Gegensatz zueinander brachten, als unbegründet erwiesen. Hier muss man wohl Kardinal Bea erwähnen, der die zehn letzten Jahre eines langen, dem Studium und der Auslegung der Heiligen Schrift gewidmeten Lebens in den Dienst der Einheit stellte. Wenn das Zweite Vatikanische Konzil versichert: «Wie die christliche Religion selbst, so muss auch jede kirchliche Verkündigung sich von der Heiligen Schrift nähren und sich an ihr orientieren» (Dei Verbum, Nr. 21), drückt das nur eine gemeinsame Gewissheit aus. Immer mehr wird das Wort Gottes auch in Beziehung zum Leben und zum Zeugnis der kirchlichen Gemeinschaft als Trägerin dieses Geistes verstanden, von dem Jesus sagte: «Er wird euch alles 431 REISEN lehren», «er wird euch in die ganze Wahrheit führen» (Joh 14,26; 16,13). Sollten wir da, selbst wenn wir uns über die Auslegung gewisser wichtiger Punkte dieses Gotteswortes noch nicht völlig einig sind, nicht die positive Bedeutung dieser wachsenden Einmütigkeit hervorheben? 6. Es gibt noch einen weiteren Aspekt des christlichen Geheimnisses, der uns nun mehr verbindet als früher. Wir haben gemeinsam gelernt, die ganze Rolle des Heiligen Geistes besser zu erfassen. Diese Wiederentdeckung - die der Erneuerung der katholischen Liturgie den Stempel aufdrückte — hat uns für neue Dimensionen unseres kirchlichen Lebens empfänglich gemacht. Der Geist ist Quelle einer Freiheit, die uns gestattet, das, was wir von den uns vorausgegangenen Generationen erhalten, in voller Treue zu erneuern. Er lässt neue Wege ausfindig machen, sobald wir miteinander auf eine Einheit zugehen sollen, die auf der Wahrheit beruht und zugleich auf die reiche Mannigfaltigkeit von echt christlichen Werten Rücksicht nimmt, die ihre Quelle in einem gemeinsamen Erbe haben (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 4). 7. Durch dieses neue Aufmerksamwerden auf die Gegenwart des Geistes hat unser Gebet eine besondere Gestalt angenommen. Es hat sich mehr der Danksagung geöffnet, in der wir uns von unseren eigenen Sorgen losreissen, um unseren Blick auf das Werk Gottes und das Wunder seiner Gnade zu richten. Dieser Blick lässt uns lebendiger bewusst werden, was Gott mit seinem Volk vorhat, in der Gewissheit des Primats der göttlichen Initiative. Wir begnügen uns nicht mehr damit, miteinander Gott anzurufen und zu bitten; wir sind nun mehr darauf bedacht, Gott für das Werk seiner Gnade zu danken. Das Gebet nimmt in unseren Bemühungen einen erstrangigen Platz ein. Obwohl es uns noch nicht möglich ist, durch den Empfang der Kommunion am selben Tisch die Eucharistie des Herrn gemeinsam zu feiern, ist uns immer mehr daran gelegen, das gemeinsame Gebet zum Mittelpunkt unserer Begegnungen zu machen, selbst dann, wenn es nüchterne Arbeitssitzungen sind. Unter diesem Gesichtspunkt ist es überaus bedeutsam, dass die Versammlung von Vancouver im vergangenen Sommer von dieser Tatsache eines gemeinsamen Gebetes beherrscht wurde, um das man täglich in Würde und Glaubenseifer besorgt war, und dass das Gebetszelt in der öffentlichen Meinung zum Symbol dieses so bedeutenden ökumenischen Ereignisses wurde. Begegnen wir einander nicht auch heute im Gebet? Dieses gemeinsame Wachsen in der Treue zum Gebot des Apostels: «Betet ohne Unterlass! Dankt für alles!» (1 Thess 5,17-18) 432 REISEN ist das unzweifelhafte Zeichen dafür, dass bei unserem Suchen der Geist des Herrn anwesend ist. Das zeigt an, dass wir auf dem richtigen Weg sind. 8. Dadurch, dass wir einander näherkamen und so miteinander in dieser Gebetserfahrung voranschritten, ist es uns möglich geworden, die reale «brüderliche Solidarität» mit dem Ökumenischen Rat und seinen Mitgliedskirchen zu entwickeln, von der Papst Paul VI. sprach (Botschaft an die Versammlung von Nairobi, 1975). Auf diese Weise hat sich eine vielgestaltige Zusammenarbeit entwickelt. Zunächst bei der ernsten, beharrlichen theologischen Forschung von «Glaube und Kirchenverfassung». Es handelt sich um eine grundlegende ökumenische Arbeit, da die Einheit im Glaubensbekenntnis die Bedingung für den Erfolg sämtlicher gemeinsam unternommener Anstrengungen darstellt; diese sind aber ihrerseits ein wichtiges Mittel, um Fortschritte auf dem Weg zu dieser Einheit im Glauben zu machen. 9. Ein gemeinsamer Dienst an der Menschheit im Namen des Evangeliums ist in der Tat notwendig, um die Wahrheit zu tun und somit zum Licht zu gelangen (vgl. Joh 3,21). Es ist kein Zufall, dass die Erklärungen der Versammlung von Uppsala über den Dienst an der Schöpfung und die Aussagen der Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute in mehreren Punkten übereinstimmen. Die Untersuchungen des ökumenischen Rates über Gerechtigkeit und Frieden, sein Engagement im Dienst an den Armen und Notleidenden, sein unablässiger Einsatz für die Verteidigung der Freiheit und der Menschenrechte stimmen mit der ständigen Sorge der katholischen Gemeinschaften überein. Die Verteidigung des Menschen, seiner Würde, seiner Freiheit, seiner Rechte, des Vollsinns seines Lebens sind tatsächlich eine Hauptsorge der katholischen Kirche. Sie bemüht sich überall da, wo sie kann, zur Förderung der Voraussetzungen beizutragen, die für die Entwicklung des Menschen in der vollen Wahrheit seiner Existenz notwendig sind. Denn sie ist überzeugt, dass «dieser Mensch der erste Weg ist, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrags beschreiten muss» (Redemptor hominis, Nr. 14). Indem sie sich für den Menschen einsetzt, in welchem politischen System eines Landes er auch leben mag, achtet die Kirche darauf, Kirche und Staat zu unterscheiden und ihre relative Selbständigkeit zu betonen. Sie respektiert die vornehme und schwierige Funktion jener, die für das Gemeinwohl zu sorgen haben; sie steht mit ihnen im Dialog und sogar in festen Beziehungen, um gemeinsam Frieden und Gerechtigkeit zu fördern. Dabei bleibt sie sich bewusst, dass es nicht ihre Sache ist, sich in die 433 . REISEN Regierungsformen einzumischen, mit denen die Menschen ihre zeitlichen Angelegenheiten regeln, noch jene Bemühungen zu unterstützen, die diese gewaltsam ändern möchten. Doch sie ruft die Laien auf, sich aktiv an der Gestaltung und Lenkung der weltlichen Angelegenheiten zu beteiligen und sich dabei nach den Prinzipien des Evangeliums zu richten; auch behält sie sich die Freiheit vor, von der Ethik aus zu urteilen, ob die Verhältnisse dem Fortschritt der Personen und Gemeinschaften forderlich sind oder, im Gegenteil, den Rechten der Personen, der zivilen und religiösen Freiheit schweren Schaden zufügen (vgl. Gaudium et spes, Nn. 42, 75). Was diesen letzten Punkt betrifft, so wünscht die katholische Kirche, dass zusammen mit ihr auch die anderen Kirchen und christlichen Gemeinschaften ihre Stimme erheben, auf dass die authentische Gewissens- und Kultusfreiheit der Bürger garantiert sei sowie die Freiheit der Kirchen, ihre Amtsträger auszubilden und über die notwendigen Mittel zu verfügen, um den Glauben ihrer Gläubigen zur Entfaltung zu bringen. Viele Menschen guten Willens und internationale Institutionen sehen heute ein, wie wichtig dieses Grundrecht ist; doch angesichts der Schwere der Tatsachen scheint es mir notwendig, dass die Gesamtheit der Christen und der christlichen Gemeinschaften - wenn sie die Möglichkeit haben, sich zu äussem - hier ihr gemeinsames Zeugnis geben in einer Frage, die für sie lebenswichtig ist. 10. Wir sollten übrigens uns immer mehr zusammentun auf allen Gebieten, wo der Mensch - weil seine Umwelt es ihm schwermacht - grossen Schwierigkeiten begegnet, im sozialen, ethischen und religiösen Bereich entsprechend der Würde seiner Berufung zu leben. So viele menschliche Werte im Leben der Einzelpersonen wie der Familie sind verdunkelt: gerechte zwischenmenschliche Beziehungen, echte Liebe, brüderliche Offenheit und Grossmut gegeneinander! Trotz unserer Trennungen und häufig verschiedener Handlungsweisen im sozialen Denken und Tun treffen wir uns oft und bezeugen ein und dieselbe Schau, die sich auf dieselbe Lesung des Evangeliums gründet. Zwar kommt es vor, dass wir über die Mittel verschiedener Meinung sind. Unsere Standpunkte auf ethischem Gebiet sind nicht immer identisch. Doch das, was uns schon verbindet, lässt uns hoffen, dass es uns eines Tages gelingen wird, in diesem Grundbereich zu einer Konvergenz zu gelangen. Ja, der Wille, «Christus nachzufolgen» in seiner Liebe zu den Notleidenden, führt uns zu gemeinsamem Handeln. Mag diese Gemeinschaft im evangelischen Dienst noch so vorläufig sein, lässt sie uns doch ahnen, was 434 REISEN sein könnte, was sein wird: unsere volle und vollkommene Gemeinschaft im Glauben, in der Liebe, in der Eucharistie. Es handelt sich also nicht um eine rein zufällige Begegnung, die allein vom Mitleid angesichts des Elends oder von der Reaktion auf die Ungerechtigkeit angeregt wurde. Dieser gemeinsame Dienst gehört zu unserem gemeinsamen Hinschreiten zur Einheit. 11. Wir begegnen uns auch in der Sorge um die Zukunft der Menschheit. Unser Glaube an Christus verbindet uns in einer gemeinsamen Hoffnung, um den Kräften der Zerstörung, die die Menschheit bedrohen, ihre geistigen Fundamente zersetzen, sie an den Rand des Abgrunds fuhren, entgegenzutreten. Das Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes darf nicht von all dem vernichtet werden, was die Sünde im menschlichen Herzen entfacht, es darf nicht endgültig zugrunde gehen. Das aber fuhrt uns zu einer scharfen Wahrnehmung unserer eigenen Verantwortung als Christen im Hinblick auf die Zukunft des Menschen und macht uns auch die Schwere unserer Trennungen bewusst. In dem Mass, in dem unsere Spaltungen in einer Welt, die dem Selbstmord zugeht, unser Zeugnis verdunkeln, stellen sie ein Hindernis zur Verkündigung der Frohbotschaft vom Heil in Jesus Christus dar. 12. Unsere Gemeinschaft im Handeln gründet auf dem gemeinsamen Bemühen um die Evangelisierung. Es ist kein reiner Zufall, dass Sie, Herr Dr. Potter, eingeladen worden waren, vor den zur Synode von 1974 in Rom versammelten Bischöfen zu sprechen, deren tiefe Überlegungen über die Evangelisierung in der modernen Welt im Apostolischen Schreiben Evangelii nuntiandi enthalten sind. Sie haben vor der Synode dargelegt, wie der Ökumenische Rat die missionarische Aufgabe versteht. Bereits bei dieser Gelegenheit wurde klar, dass die grossen und dringlichen Probleme der Evangelisierung und ihrer Methoden, des Dialogs mit den anderen Religionen, der Beziehungen zwischen Evangeliüm und Kultur allen Christen aufgegeben sind und sie zu einer neuen Treue in ihrer Sendung auffordem. Unsere Begegnungen und unser Gedankenaustausch über dieses Thema haben uns gezeigt, dass wir alle übereinstimmend sagen können, «dass es keine wirkliche Evangelisierung gibt, wenn nicht der Name, die Lehre, das Leben, die Verheissungen, das Reich, das Geheimnis Jesu von Nazaret, des Sohnes Gottes, verkündet werden» (Evangelii nuntiandi, Nr. 22). Aber wir anerkennen auch «die Unmöglichkeit es hinzunehmen, dass das Werk der Evangelisierung die äusserst schwierigen und heute so stark 435 REISEN erörterten Fragen vernachlässigen kann und darf, die die Gerechtigkeit, die Befreiung, die Entwicklung und den Frieden in der Welt betreffen. Wenn das eintreten würde, so hiesse das, die Lehre des Evangeliums von der Liebe zum leidenden und bedürftigen Nächsten vergessen» (ebd., Nr. 31). 13. Für die katholische Kirche sind es die Bischöfe, die die Verantwortung für die Ausrichtung und Koordinierung sämtlicher Aspekte der Evangelisierungsbemühungen tragen; sie müssen helfen, deren authenische Inspiration zu bewahren, die entscheidende Freiheit der Glaubenszugehörigkeit zu respektieren und zu vermeiden, dass man in Proselytenmacherei verfallt oder sich den Ideologien des Augenblicks verschreibt. Die harmonische Entwicklung einer Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche verlangt, in bezug auf die Sendung des Bischofs diese Überzeugung zu berücksichtigen, die ja im übrigen von mehreren Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates geteilt wird. 14. Vor genau 15 Jahren hat mein Vorgänger Papst Paul VI. Ihnen einen Besuch abgestattet und war glücklich über die Entwicklung der Beziehungen zwischen dem Ökumenischen Rat und der katholischen Kirche. Es drängt mich, Ihnen, wie ich es bereits mehrmals getan habe, meinen Wunsch auszusprechen, dass diese Zusammenarbeit zwischen uns, wo immer es möglich ist, vermehrt und intensiviert werde. Die Gemischte Arbeitsgruppe zwischen der katholischen Kirche und dem Ökumenischen Rat der Kirchen hat eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Sie muss erfinderisch sein, um die Wege zu finden, die es uns schon von jetzt an ermöglichen werden, «uns bewusst im grossen Auftrag zu vereinen, der da heisst: Christus der Welt zu offenbaren» (Redemptor hominis, Nr. 11). Wenn wir gemeinsam seine Wahrheit tun, werden wir sein Licht offenbar machen. Dieses Bemühen um ein gemeinsames Zeugnis ist eine der Prioritäten, die der Gemischten Arbeitsgruppe aufgetragen sind. Das wird eine neue Bemühung um ökumenische Bildung und um Vertiefung in die Glaubenslehre erfordern. Unser Zeugnis wird ja nur dann voll und ganz gemeinsam sein können, wenn wir zur Einheit im Bekenntnis des apostolischen Glaubens gelangt sind. 15. Heute dürfen wir vor Gott und Jesus Christus in der Kraft des Heiligen Geistes Dank sagen für die Fortschritte, die wir miteinander auf dem Weg zur Einheit gemacht haben. Diese Fortschritte verbieten uns, wieder rückwärts zu schreiten. Während ich Ihnen für alles danke, was dieser Rat seit 436 REISEN seinen Anfängen von sich aus getan hat, um uns zu helfen, zusammenzuwachsen, kann ich Sie nur an den entschiedenen Willen der katholischen Kirche erinnern, alles zu tun, damit eines Tages das Licht der wiederhergestellten koinonia leuchte. Und wie sollten wir das tun, ohne uns weiter um das Wachstum in der gegenseitigen Achtung, im gegenseitigen Vertrauen, in der gemeinsamen Suche nach der einen Wahrheit zu bemühen? Der Weg ist lang. Es gilt, dabei die einzelnen Etappen einzuhalten. Doch wir haben Vertrauen auf den Heiligen Geist. Liebe Brüder und Schwestern in Christus! Wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. zu Beginn der zweiten Periode des Zweiten Vatikanischen Konzils (29. September 1963), wo er gerade die schwere Frage der Einheit ansprach, so möchte auch ich unter Euch ein demütiger Verehrer und Diener Christi sein, jenes Christus, der in seiner Majestät in unseren herrlichen Kirchen des Orients und Okzidents dargestellt wird! Er ist es, der in der Herrlichkeit seines Vaters über unserer Versammlung von Glaubenden steht und sie segnet. Wir, denen so viele Aufgaben im Dienst der Kirche anvertraut sind, wenden uns an ihn und seinen Vater mit der Bitte um die Gabe des Lichtes und die Kraft des Heiligen Geistes, damit wir besser Zeugnis geben und dem Heil der Menschen dienen können. Irgendwie wie die Apostel und die ersten Jünger, die im Abendmahlssaal mit Maria, der Mutter Jesu, versammelt waren. Christus der Erlöser ist unser Anfang, unser Weg und unser Geleiter, unsere Hoffnung und unser Ziel. Möge er seiner Kirche auf Erden verleihen, dass sie in ihrem Geheimnis und in ihrer sichtbaren Einheit immer mehr eine Epiphanie der Liebe sei, die den Vater mit dem Sohn und dem Heiligen Geist verbindet. Auf dem gemeinsamen Erbe der Urkirche Ansprache beim Besuch im Orthodoxen Zentrum des ökumenischen Patriarchats in Chambesy am 12. Juni (Französisch) Eminenz, hebe Brüder in Christus! Die Begegnung zwischen Brüdern im Namen Jesu Christi ist immer eine Quelle der Freude. Ihr so brüderlicher Empfang vermehrt in mir die Freude darüber, dass ich unter Ihnen weilen darf. Ich danke Ihnen von ganzem Herzen. 437 REISEN In diesen Tagen, die auf das Pfingstfest folgen, das Katholiken und Orthodoxe in diesem Jahr am gleichen Sonntag feierten, richten sich unsere Gedanken auf das Kommen des Heiligen Geistes und auf die ausserordentlichen Werke, die er bei den Menschen vollbringt. So tritt uns das Bild von der ersten Gemeinschaft der Christen vor den Blick, die ganz vom Heiligen Geiste erfüllt war: «Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten» (Apg 2,42). Die Apostel und die ersten Jünger hatten das Kommen des Heiligen Geistes erwartet «einmütig im Gebet zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern» (Apg 1,14). Weil wir auf die volle Gemeinschaft zwischen unsem Kirchen warten, hören wir deshalb nicht auf, auf diese Gabe zu hoffen, indem wir inständig den anflehen, der die Einheit bewirkt: «der Tröster, der Geist der Wahrheit, der überall gegenwärtig ist und alles erfüllt». Dieses Orthodoxe Zentrum des Ökumenischen Patriarchates erweist durch seine vielfältigen Aktivitäten einen brüderlichen Dienst an allen orthodoxen Kirchen und fordert ein besseres Verstehen zwischen Orient und Okzident. Diese gegenseitige Kenntnis ist noch zu vertiefen unb von allen Vorurteilen und falschen Meinungen zu läutern, damit die Wahrheit uns frei macht. Um das zu erreichen, werden in diesem Zentrum regelmässig Kolloquien veranstaltet, damit eine neue Generation herangebildet wird, die im Dialog und durch den Dialog geformt ist. Ich hoffe, dass sie vom Herrn gesegnet sind und Früchte tragen. In Ihnen grüsse ich auch alle orthodoxen Kirchen, die hier ihr Sekretariat zur Vorbereitung des «grossen heiligen Konzils» haben. In der Phase der Vorbereitung sowie der Realisation und der Umsetzung in die Praxis ist die konziliare Erfahrung für das Leben der Kirche und für ihre Mission fruchtbar. In tiefer Gemeinschaft mit Ihnen wünsche ich, dass die Vorbereitung Ihres Konzils unter den bestmöglichen Bedingungen erfolgen kann, dass es Ihnen eine reiche Erfahrung bringt und eingehen kann auf die Bedürfnisse der orthodoxen Kirchen in ihren verschiedenen Situationen, in denen sie leben und durch die Verkündigung des immergültigen Wortes Gottes Zeugnis geben von dem Tod und der Auferstehung Christi für das Heil aller Menschen. Das Zweite Vatikanische Konzil hat einen entscheidenden Beitrag zum Suchen nach der vollen Einheit zwischen den Christen geleistet, denn die Erneuerung der Kirche ist mit der grossen Sache der Einheit aufs engste verbunden. Ich erinnere mich an das Geschehen in der Konzilsaula. Die Anwesenheit von Beobachter-Delegierten der anderen Kirchen, eingeschlossen die orthodoxen Kirchen, drückte an und für sich die tragische 438 REISEN Realität unseres Getrenntseins aus; aber sie war auch Zeugnis für den tiefen Wunsch aller, zur vollen Einheit zurückzufinden. Dies war eine Quelle wahrer Freude, manchmal sogar von Begeisterung. Jeder weiss, welchen Nutzen die Anwesenheit der Beobachter-Delegierten für die Überlegungen der Konzilsväter gebracht hat. Ich bete für das Gedeihen der orthodoxen Kirchen, die reich an theologischen, spirituellen und kanonischen Traditionen sind, welchehervorge-hen aus dem gemeinsamen Erbe der Urkirche und durch alle Zeiten hindurch belebt wurden durch die ununterbrochene Gegenwart von heiligen Männern und Frauen, die ihr Leben in den Dienst unseres Herrn Jesus Christus gestellt haben. Während unsere Kirchen aufmerksam auf das, was der Heilige Geist ihnen heute sagt, hinhören, steigt unsere Danksagung zum Herrn auf, der uns der vollen Einheit entgegenschreiten lässt. Unsere Kirchen sind jetzt in einem Dialog engagiert, der zum Ausdruck kommt im theologischen Studium, in den brüderlichen Beziehungen, die immer intensiver werden, in wechselseitigen Aufmerksamkeiten und einem Geist der Solidarität, die auf Grund der fast totalen Glaubensgemeinschaft, die zwischen uns besteht, immer weiter zunehmen. Dieses Engagement und diese verschiedenen Schritte erlauben uns zu hoffen, dass die noch bestehenden Schwierigkeiten nach und nach überwunden werden und dass bald der gesegnete Tag kommt, an dem wir gemeinsam das eucharistische Brot brechen und aus dem einen Kelch trinken können. Nochmals danke ich Ihnen für diesen so herzlichen Empfang. Auch möchte ich von hier aus meinem lieben Bruder, Seiner Heiligkeit dem Patriarchen Dimitrios I., meinen innigen Gruss entbieten. In meinem Herzen bewahre ich die kostbare Erinnerung an unsere Begegnung und hoffe, dass der Herr uns ermöglichen wird, sie zu erneuern. Über Sie alle, die Sie in diesem Zentrum im Dienst der orthodoxen Kirchen stehen, erflehe ich den göttlichen Segen. «Die Gnade Jesu Christi des Herrn, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit Euch allen!» (2 Kor 13,13) 439 REISEN Ein Neuanfang ist möglich Ansprache an die Ordensleute der Schweiz in der Franziskanerkirche «Les Cordeliers» in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen aus der Westschweiz und anderen Regionen der Schweiz, Gelobt sei Jesus Christus! 1. «Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen» (Mt 18,20). Dieses Versprechen erfüllt uns mit einer geistlichen Freude, die sich schwer ausdrücken lässt. Ihr seid in sehr grosser Zahl gekommen. Ich danke euch herzlich im Namen des Herrn. Wir haben, vom Heiligen Geist beseelt, zusammen Lob und Bitten zum Vater emporsteigen lassen durch seinen Sohn, unseren einzigen Mittler und Erlöser. Und jetzt liegt es mir am Herzen, die Mahnung des Apostels Paulus an die Christen von Ephesus zu kommentieren, die wir gerade gehört haben: «Ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält» (Eph 4,1-3). 2. Eure Kongregationen und Gemeinschaften sind, wie ich weiss, in Sorge, weil die Zahl von Kandidaten für das Ordensleben abgenommen hat. Diese objektive Tatsache ist zum Teil mit sozio-kulturellen, aber auch religiösen Gründen erklärbar. Sie ist aber nicht ein unvermeidliches Schicksal und darf euch nie zur Entmutigung fuhren. Ein Neuanfang ist möglich, und ihr könnt mit der Hilfe des Herrn den Preis dafür auslegen. Gerade die Mahnungen des heiligen Paulus an die Epheser sind für euch alle eine dringende Aufforderung, euch überzeugen zu lassen, dass eine Wiederbelebung eurer Institute unter anderem notwendigerweise eine Erneuerung des gemeinschaftlichen Lebens verlangt. Die Vergangenheit kannte grosse Kommunitäten, mit den Vorteilen und vielleicht auch mit gewissen Schwerfälligkeiten, die sich aus diesem Lebensstil ergeben. Heute sind diese Kommunitäten durch Überalterung, Austritte und Nachwuchsmangel kleiner geworden sowie auch durch die Gründung zahlreicher Bruderschaften geringeren Umfangs, die neue Formen der Präsenz in der Welt der Menschen übernehmen möchten (vgl. die Anspra- 440 REISEN che an die Ordensleute in Säo Paulo, 22. Juni 1980). Im gegenwärtigen Zeitpunkt scheint es, dass die richtige Mitte gefunden oder wiedergefunden werden muss. Um ausstrahlen zu können, muss eine Ordensgemeinschaft sichtbar und lebendig sein, aus einer hinreichenden Zahl von Mitgliedern bestehen, die sich in ihren Charismen und Funktionen ergänzen. Sie muss gleichzeitig von einem starken Geist zugleich schüchter und echter Gemeinsamkeit bei der Suche nach dem Herrn, in den apostolischen Freuden und Leiden gekennzeichnet sein und in vernünftiger Weise offen für sinnvolle Initiativen. Die heutige Jugend verschliesst sich nicht, wie oft leichtfertig gesagt wird, dem Anruf des Evangeliums. Gewiss, sie kann sichspontaner neuen Instituten zuwenden; sie fühlt sich aber auch angezogen von den alten Kongregationen, die sich lebendig zeigen und an klug vorgetragenen radikalen Forderungen festhalten. Der Beweis dafür ist schon lange da, man braucht nur die Kirchengeschichte zu befragen. Anpassungen sind manchmal notwendig. Wenn diese aber von Erlahmung diktiert sind oder dahin führen, können sie die Jugend auf keinen Fall ansprechen; denn im Grunde genommen hat die Jugend nach wie vor die Fähigkeit zu radikaler Hingabe, obwohl diese Fähigkeit oft nur zögernd zum Vorschein kommt oder blockiert scheint. Diese Erneuerung kann stark begünstigt werden durch eine aktive, vertrauensvolle, verstärkte Zusammenarbeit zwischen euren, Ordensfamilien, vor allem dann, wenn sie den gleichen Geist, die gleichen Gebräuche und verwandte Zielsetzungen haben. Die Föderationen, Verbände und sogar Zusammenschlüsse, die schon die Päpste Pius XI. und Pius XII. im Auge hatten und vom Konzil und Paul VI. gemäss den Hinweisen im Dekret Perfectae caritatis (Nr. 22) und im Motu proprio Ecclesiae sanctae (Nr. 39, 40 und 41) angeregt wurden, immer in Achtung vor der persönlichen Freiheit, können für das Leben der Kirche und der Institute selbst von Vorteil sein. In jedem Fall kann das gemeinschaftliche Leben nicht ohne Selbstlosigkeit und Demut bestehen und sich entfalten. So bringt es seine Früchte: Läuterung des Gefühlslebens, persönliches Reiferwerden, echte Entfaltung der menschlichen und geistlichen Qualitäten. In einer zerstrittenen Welt, wo oft Sonderinteressen, individuelle und kollektive Egoismen, Missachtung der Person und ihrer Rechte triumphieren, macht das Zeugnis wahrer Ordensgemeinschaften, die im Heiligen Geist vereint sind und wirklich als Brüder und Schwestern leben, das Evangelium glaubwürdig und bildet für die Welt ein starkes Zeichen der Hoffnung. 441 REISEN 3. Ich muss noch unterstreichen, wie sehr die Erneuerung des Lebens in der Ordensgemeinschaft ihre Quelle und ihre Dynamik in der Eucharistie findet, dem «Sakrament huldvollen Erbarmens, Zeichen der Einheit und Band der Liebe» (vgl. Sacrosanctum Concilium, Nr. 47). Die Eucharistie wird der sichere Weg zur Gemeinschaft, d. h. zur Einheit und Vereinigung mit Gott in Christus, der sichere Weg zur Gemeinschaft aller mit allen in brüderlicher Liebe. Macht nicht die Eucharistie aus der Gemeinschaft «einen Leib und einen Geist» (Eph 4,4)? Die Eucharistie ermöglicht jedem Mitglied und der ganzen Gemeinschaft, Schritt um Schritt ihr Ostern zu vollziehen, ihren Übergang von einem mehr oder weniger von Egoismus oder Schwäche geprägten Dasein zu einem Leben, das sich immer mehr Gott und den andern schenkt. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, räumt der täglichen Eucharistiefeier stets den ersten Platz ein. Nehmt euch die nötige Zeit dafür und beteiligt euch daran lebendig mit der Würde und Sammlung, die jede Eucharistiefeier charakterisieren und auch jene erbauen soll, die sonst noch daran teilnehmen. Eine Ordensgemeinschaft bezeugt ihre Echtheit und ihren Eifer vor allem durch die Art, wie sie den Leib und das Blut des Herrn feiert, verehrt und empfangt. Diese Realität, die im Mittelpunkt eures Lebens steht, sollte andere Momente oder Formen des Kontaktes mit Gott, die im Leben jedes Ordensmannes und jeder Ordensfrau unentbehrlichen Übungen geistlichen Atemholens, nicht mindern oder gar ersetzen. Wir wissen alle, dass ungenügendes Atemholen der Gesundheit schadet und sich verheerend auswirken kann. Seid einander behilflich, das Stundengebet zu halten oder ihm wieder einen guten Platz einzuräumen, desgleichen dem persönlichen Gebet, der Schrift- und Väterlesung, der eucharistischen Anbetung, der Marienfrömmigkeit entsprechend den Weisungen des Lehramts, dem monatlichen Einkehrtag, dem regelmässigen, eifrigen Empfang des Sakraments der Versöhnung, das euch immer wieder den Weg der Umkehr ein-schlagen lässt. In jeder Ordensfamilie sollte man diese Möglichkeiten, sich dem Herrn zu nähern, ausgewogen ins Tagesprogramm einbauen. Für diejenigen unter euch, die unter der Leitung der Bischöfe in verschiedenen apostolischen Tätigkeiten engagiert sind, sind die Eucharistie und auch die anderen geistlichen Übungen Quelle einer frohen Treue zum Herrn und einer seinem Geist entsprechenden Hingabe. Das wird die Pastorale Tätigkeit in der Pfarrei, im Gesundheitswesen, in der Sozialarbeit oder in der Schule beseelen und beleben. Und ihr, liebe Ordensmänner und -frauen, die ihr euch dem beschaulichen Leben widmet, schöpft aus der Eucharistie und den anderen For- 442 REISEN men gemeinsamen oder persönlichen Gebets, die in euren Klöstern Brauch sind, die innere Kraft zu eurer stillen Ausstrahlung auf Einkehr-Suchende und Besucher. Möge das Geheimnis eures eigenen Glücks darin bestehen, dass ihr um des Herrn willen alles verlassen habt und im Namen der Kirche eure geistliche Sendung an einer Menschheit erfüllt, die sich von hindernden Beschäftigungen, von verzehrenden Sorgen und von gleissenden irdischen Gütern in Beschlag nehmen lässt. Noch ein Wort an euch, Brüder und Schwestern, die Alter oder Krankheit zwingt, auf eure hochherzigen apostolischen Tätigkeiten zu verzichten, sei das in eurem Land oder in der Mission. An manchen Tagen zumindest werdet ihr das Gefühl haben, unnütz zu sein. Die Eucharistie und all eure Gebetszeiten sind für euch ein Weg, die geheimnisvolle Fruchtbarkeit der Selbsthingabe Christi, der auch die erzwungene Untätigkeit am Kreuz gekannt hat, zu ergründen und zu erleben. Ja, die Eucharistie gleicht eure Person, die grundlegend durch die Taufe, später durch die Ordensgelübde geheiligt wurde, dem Mysterium Jesu Christi an, der Gott, seinem Vater, vorbehaltlos zur Verfügung stand und sich allen seinen Brüdern ganz geschenkt hat, vor allem den Armen! 4. Liebe Ordensmänner und Ordensfrauen der ganzen Schweiz! Bewahrt Mut und Zuversicht und werdet euch wieder der Grösse eurer Ordensberufung und ihrer Bedeutung für euch selbst, für die Kirche und die heutige Gesellschaft bewusst! Im Apostolischen Schreiben Redemptionis donum, das zu veröffentlichen mir am Ende des vergangenen Heiligen Jahres am Herzen lag, wollte ich mit den Ordensmännem und Ordensfrauen der ganzen Welt die Worte Jesu, die die Berufung betreffen, neu lesen und betrachten. So den zumindest tief ergreifenden Text: «Da sah ihn Jesus an, und weil er ihn liebte» (Mk 10,21), sagte er zu ihm: «Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach» (Mt 19,21). Der Blick und der Ruf Jesu betreffen immer eine «bestimmte Person». Es geht um eine «auserwählende Liebe», die einen «bräutlichen Charakter» hat. Die Liebe Christi «umfasst die ganze Person, Seele und Leib, ob Mann oder Frau, in ihrem absolut einmaligen personalen Tch‘» (vgl. Redemptionis donum, Nr. 3). In der persönlichen und freien Antwort an Jesus von Nazaret, den Erlöser der Welt, habt ihr euch einverstanden erklärt, ein Lebensprogramm aufzugeben, das sich um das «Haben» dreht, um euch auf die engen, aber grossartigen Pfade des «Seins» einzulassen. Ich wünsche von Herzen und 443 REISEN bitte den Herrn, dass jeder und jede von euch die Schönheit und Bedeutung des Ordensberufes entdecken möge. In seiner schlichten Verwirklichung im täglichen Leben kann und soll dieser prophetisch sein in dem Sinn, dass er den Männern und Frauen unserer Zeit zeigen kann und soll, was wirklich den Menschen aufbaut, dank dem Suchen, Beurteilen, Aneignen und Entwickeln von Überzeugungen und Daseinsformen, die den Wandel der Zeit und der Bräuche überdauern. Wie die christliche Berufung überhaupt, ist eure Berufung eschatologisch, nur noch viel ausgeprägter. Sie müsste dazu beitragen, die Welt aus dem Versinken in das Konsumdenken und in gewisse falsche Werte herauszubringen (vgl. ebd., Nr. 4-5). Ja, die heutige Welt und ganz besonders die Jugend könnte durch eure Gemeinschaften und euren Lebensstil den Wert eines armen Lebens im Dienst der Armen entdecken, den Wert eines Lebens, das freiwillig die Ehelosigkeit auf sich nimmt, um sich Christus zu weihen und mit ihm vor allem die am wenigsten Geliebten zu lieben; den Wert eines Lebens, wo Gehorsam und brüderliche Gemeinschaft die Auswüchse einer oft eigenwilligen und unfruchtbaren Unabhängigkeit diskret anfechten. «Möge dieses Zeugnis überall gegenwärtig und allgemein verständlich sein. Der Mensch unserer Zeit, geistig so ermüdet, finde darin eine Stütze und Hoffnung... Die heutige Welt... möge die Frohe Botschaft nicht aus dem Mund trauriger und entmutigter Verkünder vernehmen ..., sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut ist, die als erste die Freude Christi in sich aufgenommen haben» (Redemptionis donum, Nr. 16; Evangelii nuntiandi, Nr. 80). Ich bin zu euch als Diener der Einheit und der Wahrheit gekommen und bitte Gott, der «Licht», «Liebe» und «Leben» ist, in euren Gemeinschaften und Bruderschaften einen neuen evangelischen Geist zu wecken. Ich vertraue der Jungfrau Maria, dem Vorbild eines für Gott entschiedenen Lebens, den Eifer und die Ausdauer eines jeden von euch an. Mein Gebet begleitet euch stets. Habt die Güte, auch meinen apostolischen Dienst mit eurer geistlichen Hilfe zu begleiten. Im Namen des Herrn segne ich von ganzem Herzen eure Person, eure Institute, eure Klöster und euren Dienst am Evangelium! 444 REISEN Wege aus der Krise von Wissenschaft und Kultur Ansprache in der Universität Freiburg am 13. Juni (Französisch) Herr Rektor, Meine Damen und Herren Mitglieder des Lehrkörpers und Vertreter der Kultur, Meine Herren Repräsentanten der Regierung von Freiburg und des Bundesrates, Liebe Brüder im Bischofsamt, Liebe Studenten und Sie alle, Freunde dieser Universität! 1. Ich danke dem Herrn Rektor von ganzem Herzen für seine freundlichen Begrüssungsworte und für die feinfühlende Erinnerung an die Bande zwischen der Universität Freiburg und meiner Heimat Polen. Ich freue mich zutiefst über diesen Kontakt mit der Freiburger Universitätsgemeinschaft, deren Ausstrahlung weit über dieses Land hinausreicht. Ich möchte in erster Linie die Eigentümlichkeit Ihrer Hochschule betonen. Sie scheint mir die politische Idee der Schweiz widerzuspiegeln: den Sinn für das Mass, die Achtung vor den religiösen und kulturellen Überlieferungen jedes Kantons und vor der Autonomie der verfassungsmässigen Autoritäten. Die Universität Freiburg ist gleichzeitig Staatsuniversität und Hochschule der Schweizer Katholiken. So darf man ihre Respektierung des Pluralismus und ihre Treue zum Erbe der christlichen Zivilisation gleicherweise bewundern. Und Sie alle haben das Glück, mitzuhelfen, dass Ihre Universität ein Ort des Dialogs wird zwischen Wissenschaft und Glauben, zwischen den Kulturtraditionen der Menschheit; ein Ort, wo man auch die Vertreter anderer Hochschulzentren zu empfangen weiss; ein Ort fruchtbarer Zusammenarbeit zwischen den Professoren der verschiedenen theologischen Fakultäten der Schweiz. Es liegt mir daran, bei dieser freundschaftlichen Begegnung mit Ihnen über Wissenschaft und Kultur zu sprechen, über die Krise, die sie durchmachen, und über die Wege, diese Krise zu überwinden. 2. Die moderne Kultur, gekennzeichnet durch den erstaunlichen Aufschwung der Wissenschaft und deren praktischer Anwendung, steckt in einer tiefen Krise. Aber es wäre zu wenig, bei diesem anklagenden Befund zu bleiben, pessimistisch oder einer vergangenen Zeit nachtrauemd. Es gilt vor allem, die Prinzipien jeder echten Kultur wiederzufinden und zu 445 REISEN vertreten, die der Menschheit ein wahrhaft konstruktives Wirken ermöglichen. Unsere Zeit und die vorausgegangenen Epochen haben zu leichthin geglaubt, die wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften seien der Inbegriff oder doch der Garant des menschlichen Fortschritts, Urheber von Freiheit und Glück. Heute bedenken viele Wissenschaftler und mit ihnen eine wachsende Zahl unserer Zeitgenossen, dass die unüberlegte Veränderung der Welt das komplexe und empfindliche Gleichgewicht der Natur zu stören droht; und sie haben Angst vor technischen Entwicklungen, die zu schreckenerregenden Werkzeugen der Zerstörung und des Todes werden können, wie auch vor anderen neuen Entdeckungen, welche die schwere Gefahr der Manipulation und Versklavung des Menschen in sich bergen. Deshalb sind manche Geister versucht, dem grossen modernen Abenteuer der Wissenschaft überhaupt zu misstrauen. Im übrigen aber geben sich immer mehr Gelehrte Rechenschaft von ihrer menschlichen Verantwortung und sind überzeugt, dass es keine Wissenschaft ohne Gewissen geben darf. Diese Grundüberlegung ist eine positive und ermutigende Errungenschaft unserer Zeit, die die Grenzen der Wissenschaftsgläubigkeit - die nicht der Wissenschaft selbst gleichzusetzen ist - besser ermisst. 3. In diesem Zusammenhang wird die Verantwortung und Grösse Ihrer Sendung als christliche Intellektuelle sichtbar. Sie müssen sich mehr und mehr bewusstmachen, welches Geschenk der Schöpfer dem Menschen gemacht hat, indem er ihm Vernunft verlieh. Von Gott - dem Grund aller Wahrheit und dem Ursprung allen Sinnes - kommt das unbezähmbare Streben der menschlichen Vernunft nach der Wahrheit. Die Vernunft ist fähig, die Wahrheit zu erkennen und in ihr ihre Vollendung zu finden. Der Intellektuelle, der über den Sinn seiner Sendung nachdenkt, begreift, dass die Seele dieser Sendung die Liebe zur Wahrheit schlechthin ist. Seine Grundhaltung kann nur die Erforschung und die Annahme der Wahrheit sein. Dazu braucht es viel Seelenstärke, innere Freiheit, Unabhängigkeit von herrschenden Geistes- und Modeströmungen sowie Loyalität und Demut. Doch die grösste Freude der Intellektuellen ist am Ziel ihres angestrengten Forschens wohl das «gaudium de veritate», die Freude über die Wahrheit, von der der heilige Augustinus mit Begeisterung sprach. Gewiss vergesse ich nicht die Fragen ohne Antwort und die schmerzliche Bedrängnis vieler Geister bei der ehrlichen Suche nach der Wahrheit. Auch diese Leiden zeugen von der Grösse und vom Adel der Berufung zum Intellektuellen, und selbst sie sind eine Form des Dienstes an der Wahrheit. Wenn die Wissenschaft Werk der Vernunft ist, dann wird man 446 REISEN die Krise der heutigen Kultur nicht dadurch überwinden, dass man ihr misstraut. Man muss vielmehr Vertrauen in die immense Forschungsanstrengung der Menschen setzen: ihre wachsenden Entdeckungen bereichern unser Erbe an Wahrheiten und entsprechen so dem Plan des Schöpfers. Allerdings werden die Wissenschaftler, bei allem berechtigten Stolz auf die technische Anwendung ihres Wissens, diese Ergebnisse nicht mit dem höchsten Ziel der Wissenschaft gleichsetzen. Diese würde sonst zu einem simplen Werkzeug zur Unterwerfung der Natur herabgemindert. Die Gelehrten müssen sich immer bewusstmachen, dass die entdeckten Wahrheiten vorab ihren Wert in sich selbst haben. 4. Im übrigen unterliegt die wissenschaftliche Arbeit einer strengen Methode. Es gehört zur Natur der Wissenschaften, genaue, aber begrenzte Ergebnisse zu erzielen, und zwar so sehr, dass sie nicht in der Lage sind, grundsätzliche Fragen, die sich aus ihren Entdeckungen ergeben, selbst zu beantworten. Die Wissenschaft kann die Frage nach ihrer Bedeutung nicht beantworten. Und die gegenwärtige Krise ist weithin eine Krise der Wissenschaftlichkeits-Ideologie, die beharrlich behauptet, das wissenschaftliche Projekt genüge sich selbst, als könnte es von sich aus alle wesentlichen Fragen beantworten, die der Mensch sich stellt, und die Kultur als Verwirklichung des Menschen in der Ganzheit seines Seins schaffen. Die Einsicht in die Grenzen der Wissenschaft ist eine grosse Chance, die sich unserer Zeit bietet. Sie weist uns auf eine der Hauptaufgaben der Kultur hin: die Integration des Wissens im Sinne einer Synthese, wo die beeindruckende Gesamtheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse ihren Sinn findet im Rahmen einer ganzheitlichen Schau des Menschen und des Universums, des «ordo rerum». Ich weiss um die Schwierigkeiten dieses Unterfangens in einer Zeit, wo viele Geister versucht sind, vor der Zersplitterung des Wissens zu resignieren oder umgekehrt übereilte und haltlose Synthesen anzunehmen. Aber die Universität von heute kann und muss der bevorzugte Ort sein, wo die verwendeten Methoden und die erzielten Resultate in den verschiedensten Forschungssektoren miteinander konfrontiert werden. Diese Konfrontation ist unerlässlich, um die Grundlagen eines integralen Humanismus zu schaffen, der etwas ganz anderes ist als die willkürliche Aneinanderreihung von Teilerkenntnissen über den Menschen, der doch in seiner Einheit und in seiner überzeitlichen Dimension begriffen werden muss. 447 REISEN (Deutsch) 5. An diesem Punkt möchte ich die Aufgabe betonen, die bei dieser Integration der Philosophie und insbesondere der Seinsphilosophie zukommt. Seit ihrer Gründung ist die Universität Freiburg durch viele Metaphysiker berühmt geworden. Ebenso möchte ich kurz an das erinnern, was ich bei Gelegenheit der Hundertjahrfeier des Todes von Albert Einstein gesagt habe. Die Konflikte, die ehemals daraus entstehen konnten, dass religiöse Instanzen auf die Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse einwirkten, liegen nicht in der Natur von Verstand und Glauben und sind nunmehr überholt. Sollten sie wieder auftreten, dann ist ein Dialog, der frei ist von dem Verstand fremden Leidenschaften und bereit, sich vor den Pressionen einer nur oberflächlich informierten und auf die Tragweite wissenschaftlicher Probleme oft wenig bedachten öffentlichen Meinung streng abzusichern, am ehesten imstande, die aufgetretenen Fragen zu klären und eine mögliche Konvergenz der Wahrheiten zu entdecken. Zwischen den Ergebnissen der Wissenschaft, dem Werk des Verstandes, und den Aussagen des Glaubens dürfte es also keinen Gegensatz geben. Selbstverständlich kann und soll die Theologie, die in wissenschaftlicher Weise den «intellectus fidei», das «Verständnis des Glaubens», erarbeitet, im Rahmen einer Universität wie der Ihrigen einen wesentlichen und entscheidenden Beitrag für die genannnte Integration des Wissens leisten. Die Kultur der Gegenwart, gekennzeichnet durch eine Anhäufung von Einzelwissen, das in einer lebendigen und sinnvollen Einheit zusammengefasst werden muss, braucht diese Weisheit, wie sie vom griechischen Denken ererbt und im Licht des Evangeliums vertieft worden ist. Wenn das Wissen zu den höchsten Wirklichkeiten hinführt und versucht, von hier aus die anderen Seinsbereiche zu beurteilen, dann wird solches Wissen zu Weisheit. Indem diese alle Dinge im Licht der höchsten Prinzipien ordnet, gibt sie den Einzelerkenntnissen ihre wohlgegliederte Einheit und ihren wahren Sinn. Darum ist die Weisheit eine wahre Schöpferin von Kultur, und nur durch sie wird der Forscher zu einer wahrhaft geistigen Persönlichkeit. Ich wünschte mir, dass die Freiburger Universität solche Gelehrte hervorbringe und forme, die unsere Zeit, die geprägt ist von der Wissenschaft und ihrer Anwendung, so nötig braucht. 6. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich eine letzte Überlegung. Sie betrifft die Freiheit. Ein bedeutender Ort des Wissens und der Kultur muss in gleicher Weise ein bedeutender Ort der Freiheit sein. Wegen ihrer Verwurzelung in Geist und Vernunft sollte diese Freiheit sich nicht als schranken- 448 REISEN lose, willkürliche Kraft verstehen. Frei ist der Mensch, der imstande ist, sich nach dem Massstab höchster Werte und Ziele zu entscheiden. Sie erinnern sich gewiss an jenes kraftvolle Wort des Evangeliums: «Die Wahrheit wird euch befreien» (Joh 8,32). Der Mensch, der die Wahrheit findet, entdeckt dabei zugleich die Grundlage seiner Vollkommenheit und Selbständigkeit. Von einer ähnlichen Überlegung her ist es leicht zu verstehen, dass die Wissenschaft nur dann wirklich frei ist, wenn sie sich von der Wahrheit bestimmen lässt. Darum sollte wissenschaftliches Wirken nicht so sehr abhängen von unmittelbaren Zielen, von gesellschaftlichen Ansprüchen oder wirtschaftlichen Interessen. So ist Forschungsfreiheit ein grundlegendes Gut, auf das die Universitätsgemeinschaft zu Recht sorgfältig bedacht ist. Ausschliesslich geleitet von den strengen Regeln seiner Methode und vom rechten Gebrauch seines Verstandes, weist der Gelehrte bei seiner Forschung alle Faktoren zurück, die ihn von aussen her beeinflussen wollen, das heisst, die nicht zum Gegenstand seiner Forschung gehören. Damit jedoch sein Wirken voll glaubwürdig sei, muss der Forscher andererseits bei seiner Arbeit jene Anforderungen respektieren, die sich aus der eigenen Logik von Wissenschaft überhaupt ergeben. Ich nenne hier die Treue zu jener Wirklichkeit, die erforscht werden soll, eine stetige Selbstdisziplin und Freiheit von selbstsüchtigen Interessen, Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die dazu führt, die eigenen Forschungsergebnisse mit denen von Kollegen zu vergleichen und sie eventuell sogar in Frage zu stellen, wenn sie mit Kompetenz kritisiert werden. Und wenn es sich um theologische Forschung handelt, umfasst die genannte Treue zum Forschungsobjekt vor allem die Treue zu jener Wahrheit, die von Gott kommt und der Obhut der Kirche anvertraut ist. Ich darf hier mit Freude feststellen, dass sich eine wachsende Zahl von Gelehrten und Forschem von hohem Niveau und mit besonders klarem Blick für die Belange dieser Welt ihrer ethischen Verantwortung für das politische und menschliche Zusammenleben sowie auch - wenn sie Christen sind - für die kirchliche Gemeinschaft immer mehr bewusst werden. So macht die Freiheit den Gelehrten offen und bereit für die Wahrheit -und die Wahrheit, die er begreift und deutet, begründet ihrerseits seine Freiheit. Diesen freien Zugang zur Wahrheit zu erhalten, das gehört zur Verantwortung der Wissenschaftler und zur Grösse ihrer Berufung. 7. Mögen diese meine Worte alle Mitglieder der grossen Universitätsfamilie von Freiburg und ihre heutigen Gäste in ihrem jeweiligen Wirken ermutigen und mit Zuversicht erfüllen! Das ist mein aufrichtiger Wunsch 449 REISEN für Sie alle, ganz besonders aber für euch Studenten. Und warum? Weil es euch bereits jetzt - und morgen noch mehr - zukommt, die Zivilisation der Jahrzehnte, die am Horizont Sichtbarwerden, mitzugestalten. Auf örtlicher, nationaler und weltweiter Ebene werdet ihr darauf zu achten haben, dass die Person des Menschen in allen Bereichen seiner Existenz Sicherheit und Entwicklung erfährt. Noch einmal danke ich Ihnen sehr herzlich für den freundlichen Empfang, den Sie mir gewährt haben, und empfehle Sie alle und jeden einzelnen mit Ihren Aufgaben an Gott, den Herrn der Geschichte. „Das Wort Gottes ist unserem Wort vor auf gegangen“ Ansprache bei der Begegnung mit den Theologieprofessoren in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Meine Herren Professoren! 1. Nachdem ich der Gesamtheit der Vertreter der Universitätswelt dieses Landes begegnet bin, bin ich glücklich, mich für einen Moment Ihnen, den Professoren der drei Theologischen Fakultäten Chur, Luzern und Freiburg widmen zu können. Ich erinnere mich mit Vergnügen daran, vor einigen Jahren eine Einladung in die Universität erhalten zu haben, wo wir jetzt wieder versammelt sind. Da ich lange Zeit Ihre Aufgabe wahrgenommen habe, habe ich mit Interesse und Sympathie den Vorsitzenden der Theologischen Kommission der Schweizer Bischofskonferenz und die Dekane die Situation, das Funktionieren und die Sorgen Ihrer Institutionen darstellen gehört. Unsere Zeit ist knapp bemessen. Gestatten Sie mir also, sofort «medias in res» zu gehen und Ihnen einige Gedanken über die spezifische Arbeit des Theologen und, in kürzerer Form, über die Ausbildung der künftigen Priester vorzutragen. 2. (Ziele der Theologie) Die Aufgabe des Theologen versetzt ihn an die Schwelle des Geheimnisses Gottes. Darum beseelt ihn Danksagung und inspiriert ihn die Kontemplation, wenn der Verstand sich bemüht, dem Menschen den Sinn der Hoffnung zu eröffnen. Gott offenbart sich ja, gibt sich zu erkennen; Gott liebt 450 REISEN den Menschen und die Welt, und er lässt sich heben. Der Logos, das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, gab uns Macht, Kinder Gottes zu werden (vgl. Joh 1,9.12). Die Gegenwart Gottes erkennen wir durch den Glauben und die Liebe, die der Geist in unsere Herzen ausgegossen hat mitsamt der Dynamik der Hoffnung (vgl. Röm 5,5). Sache der Theologen ist es, die Begegnung mit dem Gott der Liebe, der sich offenbart, und dessen Erkenntnis dem Verständnis der Gläubigen nahezubringen, dessen Schönheit jedem Menschen aufgehen zu lassen, der nach der Quelle und dem Sinn seines Lebens sucht. Das Wort Gottes wurde uns geschenkt als Ausdruck der Grundereignisse der Heilsgeschichte, deren Sinn es enthüllt; es drückt den den Menschen geoffenbarten Plan Gottes aus. Die Kirche hört nicht auf, seine Botschaft zu übermitteln. Sie gehören zu denen, welche die Schrift als ein massloses Geschenk entgegennehmen in Verbundenheit mit der Kirche, die sie trägt1 und in der Überlieferung darbietet, und Sie haben die Sendung, ihre unerschöpflichen Reichtümer zu erforschen, um den Brüdern zu helfen, darin «den Weg und die Wahrheit und das Leben» zu finden, d. h. auf Christus zuzugehen (vgl. Joh 14,6). Als Diener der Wahrheit Gottes ist der Theologe in der Kirche am grossen Vorgang der Tradition beteiligt, der sich durch die Geschichte fortsetzt. Indem er heute inmitten seiner Brüder und vor der Welt auf den Anruf des Petrus antwortet, «steht er Rede und Antwort über die Hoffnung, die in ihm ist» (vgl. 1 Petr 3,15). Der Theologe hört auch die vielfältigen Rufe der Welt, dieser unruhigen, im Wandel begriffenen Welt, in der wir leben. Ungewiss seiner Zukunft, tappt der heutige Mensch herum; oft nimmt er den Sinn seiner Geschichte und die Kriterien seines Verhaltens nicht mehr klar wahr. Vor der religiösen Wirklichkeit stellt er immer kritischere Fragen. Der Glaube der Gläubigen ist auf die Probe gestellt. Mehr denn je hat der Theologe im Dienst; seiner Brüder an der Glaubenserziehung teil: er erklärt die alten und neuen Fragen, indem er den Blick dem Licht Gottes öffnet. Seine Arbeit besteht weniger darin, den Forschungsbereich ins Unendliche auszudehnen, vielmehr hat er die Teilprobleme in die richtige Perspektive rund um den Mittelpunkt des Glaubens zu setzen. Heute müssen das geistliche Leben, das Handeln und das Zeugnis der Christen von neuer Einsicht in das Mysterium Gottes, Christi und der Kirche getragen werden, ehe sie die vielen Fragen der Praxis treffend beantworten können. Es gibt, wie Sie wissen, einen Bereich, wo die Zusammenarbeit der Theologen besonders wichtig ist, das ist die Arbeit für die Einheit der Christen. Es ist gut, dass jeder hierzu seinen Beitrag leistet, in der Wahrheit, im klaren Bewusstsein seiner kirchlichen Identität und als Träger seines Erbes in 451 REISEN Lehre, Moral und Liturgie, und gleichzeitig aufgeschlossen, die Identität des anderen achtend. 3. (Theologie und Geisteswissenschaften) Auf der wissenschaftlichen Ebene, auf der die Theologie arbeitet, kann sie nur durch die Strenge ihrer Forschung bleibende Glaubwürdigkeit finden. Diese Forderung führt zur Auseinandersetzung mit all den Forschungsbereichen, die wir global «Geisteswissenschaften» nennen: die Gesamtheit der Methoden und Entdeckungen auf dem Gebiete der Geschichte, der Sprachen, der Gesellschaftswissenschaften, der Psychologie. Wenn die Theologie heute die christliche Botschaft zum Ausdruck bringt, greift sie auf diese Geisteswissenschaften zurück, und das ist nützlich, um auf die Fragen der Gegenwart zu antworten und das Wort Gottes auf neuem Boden zur Sprache zu bringen. Dabei muss jedoch die kritische Funktion der Theologie ausgeübt werden: man muss aufmerksam unterscheiden. Die Denkströmungen, die Forschungstechniken dürfen niemals gegenüber der Botschaft den Vorrang haben. Keine Redeweise darf als solche normativ werden, denn Gott lässt sich nicht in ein geschlossenes Denksystem einfügen, und die Rede von Gott lässt sich keiner anderen Rede gleichsetzen. Das Wort Gottes hat gegenüber unserem Wort den Vorrang, und keine Generation wird seine Tragweite je ausschöpfen. Gegenstand der theologischen Rede ist der lebendige und persönliche Gott. Die Offenbarung schenkt uns Einsicht in seine Wirklichkeit und in sein Werk, aber es liegt nicht in unserer Macht, ihn in den Griff zu bekommen. Die Theologie kennt ihre Grenzen, denn sie weiss um die Grösse dessen, wovon sie handelt. Die Ausgewogenheit der theologischen Rede und selbst die Strenge ihrer t Forschung wären gestört, wenn die heute zur Verfügung stehenden Instrumente des Denkens nicht hellsichtig mit denen verglichen würden, die zu früheren Arbeiten beigetragen haben. Man muss auch das, was das philosophische Erbe zur Schulung des Denkens beiträgt, kennen und in die Praxis umsetzen. Damit die Theologie sich selber treu bleibt, muss man die Gesamtheit der Disziplinen beherrschen, die ihr von Nutzen sind, und dabei mit klarem Blick auf den spezifischen Charakter ihres Beitrags achten. Während sie sich in das Geistesleben unserer Zeit integriert, wird die theologische Arbeit sich doch auch in der Kontinuität der lebendigen Tradition ansiedeln und sich in die Bahn versetzen, die das Wort Gottes in der Geschichte durchläuft. 452 REISEN (Deutsch) (Der Theologe und das Lehramt) 4. Die Ausübung seiner Sendung verbindet den Theologen eng mit dem Gesamtgeschehen der Kirche. Für das Volk Gottes legt er die Heilige Schrift aus und erläutert er die Tradition in Einheit mit dem Lehramt. Seine Arbeit ist auf das Lehramt bezogen, ohne jedoch mit diesem zu verschmelzen. Hören wir hierzu vor allem das Zweite Vatikanische Konzil, das in der Konstitution über die göttliche Offenbarung sagt: «Es zeigt sich ..., dass die Heilige Überlieferung, die Heilige Schrift und das Lehramt der Kirche gemäss dem weisen Ratschluss Gottes so mit einander verknüpft und einander zugesellt sind, dass keines ohne die anderen besteht und dass alle zusammen, jedes auf seine Art, durch das Tun des einen Heiligen Geistes wirksam dem Heil der Seelen dienen» (DV 10). Das Konzil spricht hier eine methodische Grundregel der Theologie aus: Diese stützt sich auf alles, was der Kirche anvertraut ist - auf das überlieferte Glaubensgut (depositum fidei) - und auf die Entscheidungen, die das Lehramt der Kirche im Laufe der Geschichte getroffen hat. Im Gnadenlicht des Heiligen Geistes ergänzen sich diese verschiedenen Funktionen. Der Papst und die Bischöfe in Einheit mit ihm haben als erste die Aufgabe, den Glauben zu verkünden und die Authentizität: seiner Ausdrucksformen festzustellen. Kraft ihres bischöflichen Amtes bestärken sie die Sendung der Theologen und haben ihnen gegenüber eine regulierende Funktion. In einem brüderlichen Dialog und durch offene, vertrauensvolle Begegnungen müsste es möglich sein, Fragen und mögliche Besorgnisse der einen wie der anderen Seite besser verstehen zu lernen. In diesem Geist vertrauensvoller Verbundenheit bin ich heute zu Ihnen gekommen. Eine solche gegenseitige Solidarität ist um so notwendiger, weil die Aufgabe des Theologen schwierig und risikoreich ist. Er muss unter anderem auch kontroverse Fragen studieren; das ist seine Pflicht. Weil er aber nicht nach eigenem Gutdünken wirkt noch im Dienst einer einzelnen Gruppe steht, ist er nicht zum Richter berufen, sondern zum loyalen Mitarbeiter derjenigen, die durch ihr Amt die Aufgabe der Einheit für alle haben; er muss es auch hinnehmen können, dass er von seiner Ebene aus nicht alle Probleme lösen kann, die sich ihm stellen. Eine solch anspruchsvolle Arbeit nach den strengen Regeln der Wissenschaft muss sich mit der demütigen Haltung eines Jüngers des Herrn verbinden; sie muss mit innerer Zustimmung von der Tatsache ausgehen, dass Freiheit der Forschung keine völlige Autonomie bedeutet, sondern sich nach ihrem Objekt richtet und dem Volke Gottes dienen soll. Durch 453 REISEN einen grösseren als wir, durch Christus, ist uns die Verantwortung für die paedagogia fidei, die Glaubenserziehung, übertragen; darum müssen wir besonders auf die «Schwachen» und die «Armen» achten. Die meisten Forschungsergebnisse würden dadurch gewinnen, dass sie durch andere Gelehrte jenseits der Grenzen einer theologischen Schule oder eines Landes geprüft werden, bevor man sie der breiten Öffentlichkeit vorstellt. Man muss darauf achten, jene Gläubigen, die in Glaubensfragen weniger unterrichtet sind, nicht zu verwirren, indem man sie offiziell nicht anerkannten und bisweilen noch unausgereiften Thesen ohne genügende Differenzierung aussetzt. (Geistliche Haltung) 5. Ich weiss um Ihre nicht leichte Aufgabe. Sie verlangt von Ihnen eine um so grössere Uneigennützigkeit, je mehr Sie Ihren Auftrag mit Leidenschaft erfüllen. Bleiben Sie sich deshalb stets bewusst, dass der Gegenstand Ihrer Forschung und Lehre die Offenbarung Gottes für das Heil der Menschen ist. Grundlage auch Ihres Engagements ist es, Ihrer Tätigkeit entsprechend Jünger Christi, unseres Herrn und Erlösers, zu sein: Das entscheidende Licht auf Ihrem Weg empfangen Sie durch das Gebet, in der Betrachtung des Geheimnisses Christi. Dort finden Sie die wahre Weisheit. Wenn man sich im Glauben durch Christus ergreifen lässt, entdeckt man, dass ihm, dem einzigen Meister, zu dienen eine Quelle tiefster Freude sein kann. Wenn man sich vom Geist der Liebe leiten lässt, entdeckt man das Glück echter Freiheit (vgl. 2 Kor 3,17). Sie sind mit vielen Geistesgaben beschenkt. Nach dem Mass dieser Gaben sind Sie berufen, Zeugen Christi in dieser Welt zu sein, wo viele Menschen nach Licht im Glauben suchen, wo viele Brüder und Schwestern sogar zum entscheidenden Zeugnis, dem Martyrium, gerufen sind. (Priesterseminar) 6. Als Zeugen des kirchlichen Glaubens haben Sie darin eine besonders wichtige Verantwortung, dass Sie von den schweizerischen Bischöfen beauftragt sind, für die theologische Ausbildung der Kandidaten zum Priesteramt in ihren Diözesen Sorge zu tragen. Sie leisten so für die Kirche einen erstrangigen Dienst. Sie wissen, dass dieser auch mir sehr am Herzen liegt; denn ich denke an all jene Gemeinden, in welche diese Seminaristen einmal gesandt werden und die mit ihrem Dienst rechnen. Sie leiten diese jungen Menschen an, die Heilige Schrift mit Gewinn zu lesen, die Reichtümer der Tradition zu entdecken und ein kritisches Verständnis für die Probleme des Menschen zu entwickeln. Es ist von Vorteil, 454 REISEN dass das Hochschulniveau dieser Studien es den jungen Menschen ermöglicht, ihr Urteilsvermögen zu stärken und sich zuverlässige wissenschaftliche Methoden anzueignen, indem man sie mit theologischer Forschung vertraut macht. In Ihren Fakultäten teilen die Seminaristen ihre theologische Ausbildung mit anderen Studenten, die nicht beabsichtigen, Priester zu werden. Das gibt den einen wie den anderen die Gelegenheit, die besondere Rolle des von Christus eingesetzten Priestertums von den verschiedenen Diensten, die Laien in der Kirche übernehmen können, zu unterscheiden. Es ist darum wichtig, mit den Studenten die Ekklesiologie des Konzils sowie die Theologie der Sakramente und des Priesteramtes besonders zu vertiefen. Sie wissen allerdings auch, dass man diese beiden Ausbildungswege nicht voll und ganz miteinander vermischen darf. Wegen der besonderen Verpflichtung, auf die sich die Seminaristen vorbereiten, und ihrer bevorstehenden Aufnahme in das Presbyterium ihrer Diözese müssen sie in den Jahren ihrer Vorbereitung auf die Priesterweihe bereits in einem priester-lichen Klima leben. Sie brauchen eine eigenständige geistliche Begleitung in einem Seminar, wo das Gebet, das liturgische Leben und die Betrachtung des Priestertums breiten Raum einnehmen. Eine solche Einrichtung, in der sie vom Beginn ihrer Studien an Zusammenleben, begünstigt ihre Verbindung mit dem Bischof und den Priestern der Diözese. Es ist sogar wünschenswert, dass sie solche pastorale Erfahrungen machen, durch die sie ihren künftigen Dienst kennenlernen und ihre Antwort auf die besondere Priesterberufung festigen können. Ihre Ausbilder sollten bezeugen, dass man es sich nicht selbst aussucht, Priester zu sein, sondern dass man dazu berufen wird, ja dass das Priestertum einer der schönsten Dienste ist, den Gott anvertraut, und dass dieses dem Herrn geweihte Leben zur Freude führen kann! Möge das Zeugnis der theologischen Lehrer dazu beitragen, echte Diener des Evangeliums im Priesteramt der Kirche heranzubilden! (Schluss) 7. Zum Abschluss möchte ich die Worte des heiligen Paulus aufgreifen: «Als Diener Christi soll man uns betrachten und als Verwalter von Geheimnissen Gottes. Von Verwaltern aber verlangt man, dass sie sich treu erweisen» (1 Kor 4,1-2). Möge Gott Ihnen geben, treu befunden zu werden in der Erfüllung der grundlegenden Aufgaben, die die Kirche Ihnen anvertraut, verbunden mit der Freude, den Menschen im Geist Christi zu dienen! Ich bin froh über diese heutige Begegnung mit Ihnen und bitte den Herrn von ganzem Herzen, Sie zu segnen. 455 REISEN Ein Haus der Hoffnung Ansprache an die Kranken im Freiburger Kantonsspital am 13. Juni (Französisch) Auf dem Weg von der Universität zum Priesterseminar, der mich am Kantonsspital vorbeifuhrt, möchte ich der barmherzige Samariter sein, der nicht einfach vorübergeht. Ich möchte euch, meine lieben Kranken, meine Achtung und meine liebevolle Zuneigung zum Ausdruck bringen. Möge es euch gelingen, inmitten eurer körperlichen und seelischen Leiden, eurer Ungewissheiten und eurer Hoffnungen, das Gefühl der Nutzlosigkeit zu überwinden, das euch manchmal erfasst. Mögt ihr in euch, in der Freundschaft eurer Brüder, Verwandten und Freunde und im Glauben an Christus die Kraft finden, alle Fragen «Warum?», die in euren Herzen aufsteigen, durchzustehen und euch nützlich zu wissen für die Welt und die Kirche. Euch, die ihr in den vielfältigen Diensten dieses Hauses arbeitet, möchte ich meine Anerkennung und meine Bewunderung aussprechen. (Deutsch) Ich wünsche euch, liebe Brüder und Schwestern, dass ihr wie der Samariter im Evangelium aus tiefem Mitgefühl heraus konkret handelt, um jedem leidenden Menschen ohne Ansehen der Person je nach eurem Aufgabenbereich direkt oder indirekt leibliche und seelische Hilfe zu bringen. Dann wird das Spital ein Haus der Hoffnung, weil dank eurer wahren Liebe zu jedem Menschen und zum ganzen Menschen die Wissenschaft und die Technik im Dienst des Lebens und der Gesundheit stehen. (Italienisch, Spanisch und Portugiesisch) Euch allen Gesundheit und Frieden! Ich segne euch im Namen des Herrn. 456 REISEN Offen für alle Nationen Predigt bei der Eucharistiefeier in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Der Herr ist es, der uns, gleich welcher Herkunft, Sprache und Nation, hier versammelt wie am Pfingsttag. Vor ihm «seid ihr nicht mehr Fremde oder Leute auf der Durchreise». Er versammelt euch in einer einzigen Familie, um euch zu heiligen und im Dienst an allen Menschen zu allen Nationen zu entsenden. Und er hat heute mir diesen Dienst bei euch und für euch übertragen. Meine Freude ist gross, euch alle hier versammelt zu sehen, aus so vielen Ländern der Welt, auch aus Polen, meiner Heimat, und manche kommen von sehr weit, unter beschwerlichen Umständen, wenn ich insbesondere an Südostasien denke. Seit langem freute ich mich darauf, mit euch zu beten in dieser Stadt, die ich gut kenne und sehr liebe. Mein Gruss und mein Dank gelten jedem von euch. Besonders freut mich die Anwesenheit der Kinder, die diese Begegnung vorbereitet haben und die aus der ganzen welschen Schweiz zusammengeströmt sind. Ich begrüsse auch die anderen Christen, unsere orthodoxen Brüder und die Mitglieder der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen und Gemeinschaften; uns verbindet eine grosse Hoffnung: dass der Herr uns eins mache, «damit die Welt glaubt» (Joh 17,21). (Deutsch) Herzlich begrüsse ich auch die Gläubigen deutscher Sprache aus dem Freiburgischen oder aus den Nachbardiözesen. Mit uns allen zusammen seid ihr Zeugen dafür, dass die Vielfalt der Sprachen im gemeinsamen Lob Gottes zu einer Bereicherung für das Leben der Kirche in eurem Land werden kann. (Französisch) 2. «Nun lobt den Herrn, den Gott des Alls, der Wunderbares auf der Erde vollbringt» (Sir 50,22). So drückt sich das Buch des Weisen Sirach aus, wenn es an die grossen Werke Gottes in der Natur und Geschichte erinnert. Und ihr, öffnet die Augen, betrachtet voll Bewunderung die Natur, blickt auf eure Berge und Seen! Schaut auf eure Brüder und Schwestern: Gott gibt ihrem Leben seine Würde vom Mutterschoss an (vgl. ebd.). Das ganze Weltall preist Gott, den Schöpfer der Welt und des Menschen. Betet 457 REISEN ihn an. Lobt ihn. Dankt ihm für die Freude des Herzens, die Würde, den Frieden, die Freiheit, deren ihr euch in diesem Lande erfreut. Selbst die Arbeit eurer Hände, der Reichtum eurer Kultur - der eure fleissige Mitwirkung erfordert - sind auch Gaben Gottes. Vor allem dankt dem Erlöser, der voll Liebe, Güte und Erbarmen ist (vgl. Ps 145): Er hat euch zu Söhnen und Töchtern Gottes gemacht; er hat euch so oft als dem Volk des Bundes seine Treue, sein Erbarmen, seine Vergebung bewiesen. Er hat euch sein Wort geschenkt (vgl. Joh 17,14) und euren Glauben; er lässt euch an seinem Leben in seiner Kirche teilhaben, indem er euch zu einem heiligen Tempel im Herrn macht (vgl. Eph 2,21). Ja, könnten wir mit dem Psalmisten sagen: «Ich will dich preisen Tag für Tag» (Ps 145,2)! Eine solche Danksagung aus demütigem Herzen prägt das tägliche Gebet des Christen und ist Mittelpunkt der Eucharistiefeier. 3. «Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt» (Joh 17,18). So betet Christus Jesus vor seinem Vater in dem Augenblick, als er diese Welt verlässt. Ein Apostel ist ein «Gesandter»; jeder Jünger Christi ist ebenfalls aufgerufen, sein tätiger Zeuge zu sein, Zeuge jenes Christus, der in die Welt gekommen ist, «um der Wahrheit Zeugnis zu geben; zu retten, nicht zu richten; zu dienen, nicht sich bedienen zu lassen» (Gaudium et spes. Nr. 3). Es ist, als würde Christus euch sagen: «Ich brauche dich, deine Hände, deine Lippen, deine Augen, dein Herz, um meine Botschaft bis an das Ende der Welt und bis in die geheimsten Tiefen der Menschen zu tragen. Die Talente, die du empfangen hast, musst du den anderen zugute kommen lassen.» Das Herz Christi steht allen Nationen offen. Ebenso darf das Herz seines Jüngers seinen Horizont nicht nur auf seine Nachbarn, sein Dorf, seine Stadt, sein Umfeld, sein Land beschränken, sondern soll das Wohl und den Fortschritt aller Menschen suchen. Es muss von der Leidenschaft zum Reich Gottes erfasst sein, damit dieses auf der ganzen Erde kommt; so wird die Welt «erfüllt sein von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist» (Jes 11,9). 4. Nun aber besteht das ewige Leben darin, dass sie ihn erkennen, den einzigen wahren Gott, und Jesus Christus, seinen Gesandten (vgl. Joh 17,3). Die Sendung schliesst also zunächst das Angebot der Frohbotschaft von der Liebe Gottes an alle Geschöpfe ein - was nicht vom gelebten Zeugnis im Dienst des Reiches Gottes zu trennen ist. Dieses Reich ist mit dem Glauben verbunden und mit der Verkündigung, die den Glauben wecken soll (vgl. Mk 1,15; 16,15.20). Ich weiss, dass es im Kanton Freiburg zahl- 458 REISEN reiche Missionare, Priester, Ordensleute und Laien gibt, die diesen Anruf verstanden haben. Und gerade hier an der Universität oder an der Schule des Glaubens wollt ihr Männer und Frauen ausbilden, die bereit sind, sich den religiösen Bedürfnissen all ihrer Brüder überall in der Welt zu öffnen und ihnen zu entsprechen. Das Reich Gottes, das ist auch das Reich der Gerechtigkeit, der Liebe, des Friedens, und die Sendung muss in der ganzen Welt, besonders aber in den armen Ländern, Bedingungen schaffen, die es den Bewohnern erlauben, in Würde zu leben und sich in jeder Hinsicht zu entwickeln. Wie es euch eure Bischöfe in Freiburg gesagt haben (Pastorale Richtlinien, Februar 1983, S. 5,1.3): «Weckt... den Sinn für die Weltmission der Kirche, indem ihr die brüderliche und karitative Hilfe fordert, aber auch das Bewusstsein für die Verantwortung des Westens gegenüber der Dritten Welt; denn es gilt, bei uns jene Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, welche diese Länder in immer grössere Armut bringen.» 5. Die Universalität der Welt findet hier ja eine gewisse Verwirklichung. Euer Bischof erwähnte soeben mehr als sechzig Nationen, die in dieser Stadt vertreten sind, mit einer Zahl von Ausländern, die mindestens ebenso hoch ist wie die Zahl der in diesem Land geborenen Schweizer. Ja, Freiburg ist eine Stadt der Begegnung, eine internationale Stadt, ein Mikrokosmos, und ich wünsche mit euch, dass sie immer mehr ihre universelle Berufung, ihr Offensein für alle diese Brüder und Schwestern lebt, die ihre Gäste sind. So werdet ihr euch nicht damit begnügen, euren in die Ferne aufgebrochenen Missionaren materielle und geistliche Hilfe zu leisten oder auch einen Teil eures materiellen und kulturellen Reichtums freiherzig für die «Länder des Hungers» zu bestimmen, sondern werdet hier selbst einen Stil des täglichen Lebens und der Beziehungen verwirklichen, wo der Fremde sich zu Hause fühlt, sich in den Aufbau des Volkes Gottes integriert fühlt. 6. Aber was wird die Eigenart dieser universalen Sendung, dieses Zeugnisses sein? «Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen .. . und ihr werdet meine Zeugen sein ... bis an die Grenzen der Erde» (Apg 1,8). Was Christus uns den anderen bringen, bezeugen heisst, ist nicht in erster Linie ein äusserer Reichtum; es ist nicht der Überschuss einer Überlegenheit, die wir uns selbst oder durch ein Zusammenspiel glücklicher geschichtlicher Zufälle erworben hätten. Es ist der Geist, den wir aus dem Herzen Christi schöpfen und der in unserem Leben durch Gnade bereits am Werke ist. In diesem Sinne hat Christus für seine Apostel im Augenblick 459 REISEN seines Opfers, seiner letzten Hingabe gebetet: «Vater, bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind wie wir... Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie vor dem Bösen bewahrst... Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit ... Und ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind» (Joh 17,11.15.17.19). Liebe Brüder und Schwestern, durch die Taufe seid ihr geheiligt, gottgeweiht. Ihr seid zu Gliedern Christi geworden; durch ihn, mit ihm und in ihm seid ihr Gott dem Vater dargebracht worden; ihr habt den Heiligen Geist empfangen, der euch die Empfindungen des einen Sohnes eingibt und euch ihn der Welt verkünden lässt. Christliche Laien, lebt aus dieser Taufe! Lasst Tag für Tag durch den Geist Christi diese Heiligung euch durchdringen, um in wahrer Liebe davon Zeugnis zu geben. Stärkt eure Treue zu Christus! Sucht seine Wahrheit, nicht eure! Gott hat euch mitten in die Welt gestellt - in der Stadt oder auf dem Lande, Studenten oder Lehrlinge, verlobt oder verheiratet, Arbeiter, vielleicht zur Zeit arbeitslos, Angestellte, Arbeitgeber, im Dienst des Staates oder eurer Armee, Bauern, Kauf leute, Industrieunternehmen Das ist eure Welt, in die Gott euch gestellt hat und in der ihr nach seinem Willen bleiben sollt: «Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst.» Doch lasst euch nicht von den falschen Göttern dieser Welt, von all den «künstlichen Paradiesen» verführen! Tilgt aus eurem Leben das, was vom Bösen kommt, was der Klarheit des Evangeliums im Wege steht. Dann werdet ihr den Menschen als Zeugen Christi dienen können. Dann wird Wirklichkeit, worum wir am Beginn dieser Messe gebetet haben: «Dass die Macht des Evangeliums die Welt wie ein Sauerteig durchdringe» und dass ihr, immer auf der Suche nach dem Geist Christi, durch die rechte Erfüllung eurer Aufgaben am Kommen seines Reiches mitarbeitet (vgl. Oration). 7. Sein Reich lässt sich nicht vom Geist des Dienens, der Einheit, der Suche nach der Wahrheit trennen, wie sie Christus versteht. Ich habe das in der Enzyklika Redemptor hominis ausgesprochen: «Die Teilnahme an der königlichen Sendung Christi besteht darin, dass wir in uns und in den anderen die besondere Würde unserer Berufung entdek-ken ... Diese Würde drückt sich aus in der Bereitschaft zum Dienst nach dem Beispiel Christi, der ‘nicht gekommen ist, um sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen‘ (...). Man kann nur wirklich ‘herrschen1, indem man ‘dient1 (...), Dienen verlangt gleichzeitig geistige Reife» (Nr. 21). In den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils kommt das 460 REISEN Wort «Dienst» im Zusammenhang mit der Sendung der Kirche und ihrer Mitglieder mehr als hundertmal vor. Stellt euch einer in den Dienst des anderen. Dient euren Angehörigen. Dient den Fremden. Dient den Ärmsten. Ihr, liebe Brüder und Schwestern in der Schweiz, die ihr für eure Gastfreundschaft berühmt seid, wisst sehr wohl, was zu diesem Dienst gehört: den anderen als Gottesgeschenk, als Bruder in Christus, mit seinem Hunger nach Leben, nach Liebe, nach Würde aufzunehmen; ihn zu achten, ihn zu verstehen zu suchen, seinen Wert und seine Bedürfnisse zu schätzen, ihm Platz zu machen in unserer kleinen Welt, ihm die notwendige Hilfe zuteil werden zu lassen und seine Hilfe anzunehmen. Das setzt die Demut voraus, die sich mit jener eurer Gebirgsseen vergleichen lässt, die, wie es eure Dichter gesagt haben, «den tiefsten Punkt gewählt haben, um den Himmel widerzuspiegeln». Das setzt Freundlichkeit, Liebe, Geduld, Verzeihung voraus. Jeder mag sich mit dem heiligen Paulus fragen: «Sind meine Nachbarn für mich Fremde, Durchreisende, die ich kaum grüsse, oder sind sie wahrhaftig meine Brüder und Schwestern, Mitglieder derselben Gottesfamilie?» 8. Dieser Geist des Dienens geht Hand in Hand mit der unermüdlichen Suche nach der Einheit unter euch, doch nicht nach irgendwelcher Einheit, einer Einheit, die lediglich in einem verträglichen, aber teilnahmslosen Nebeneinander bestände, sondern der tiefen, geheimnisvollen Einheit zwischen Getauften, die hier auf Erden die Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn widerspiegelt: «Damit sie eins sind wie wir». Kraft der Taufe «seid ihr jetzt nicht mehr Fremde ... Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut... Durch den Herrn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaute (Eph 2,19.20.22). Das sagt euch heute der heilige Paulus. Und ich wiederhole es für euch, Katholiken - ob ihr nun Schweizer Bürger oder Gastarbeiter oder Flüchtlinge aus dem Ausland seid die ihr den Unterschied eurer Generationen, eurer Milieus, eurer Herkunftsländer, eurer Rassen spürt. Ich sage es euch Christen allen, die ihr beherzt und zweifellos voll Schmerz den Skandal der Spaltung der Jünger Christi ertragt. Es müssen Fortschritte gemacht werden, damit die Christen, die in Jesus den einzigen Herrn und Retter, den einzigen Gründer ihrer Kirche anerkennen, so weit kommen, dass sie in einer vollen, sichtbaren Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe leben, die sich danach sehnt, dasselbe Brot des Lebens zu teilen. Das ist ein Gebot Christi, «damit die Welt glaubt». Sein Geist «nimmt weg, was trennt» (Hochgebet zum Thema Versöhnung). 461 REISEN Mein Gebet ausweitend, wünsche ich auch euch, allen Männern und Frauen dieses Landes, dass ihr in Solidarität miteinander und mit der übrigen Welt, in einer universalen Brüderlichkeit, wo jeder seinen Platz hat, die irdische Stadt aufbaut. Lasst euch vom Beispiel der Gläubigen aus den ersten Jahrhunderten der Kirche erleuchten und antreiben: «Seht, wie sie einander lieben!» Ja, «die Einheit der menschlichen Familie wird durch die Einheit der Familie der Kinder Gottes, die in Christus begründet ist, in vieler Hinsicht gestärkt und erfüllt» (Gaudium et spes, Nr. 42; vgl. auch Nr. 3). 9. Brüder und Schwestern, ich habe euch diese Dinge gesagt, damit ihr die Freude Christi in euch habt und sie in Fülle habt (vgl. Joh 17,13). Wir kehren zum Abschiedsgebet Jesu an seinen Vater zurück: «Heilige sie in der Wahrheit; dein Wort ist Wahrheit.» Der Geist des Dienens und der Einheit sind die Zeichen dafür, dass die Menschen in der Wahrheit Christi geheiligt sind. Diese Gnade der Heiligung ist es, die Jesus uns durch sein Opfer am Kreuz und seine Auferstehung erworben hat, die in der Eucharistie vergegenwärtigt werden: »Ich heilige mich für sie, damit auch sie in der Wahrheit geheiligt sind» (Joh 17,19). Mit ihm werden wir dann zur Heiligung des Menschen beitragen können (vgl. das Gabengebet). Nähern wir uns ihm in der Wahrheit, in der Liebe, um wie Maria und die Apostel zu Pfingsten seinen Geist der Heiligkeit und der Einheit zu empfangen. Mich selbst, der ich das Amt des Apostels Petrus erhalten habe, um euch im Glauben zu stärken und euch um Christus, den Eckstein (vgl. Eph 2,20; 1 Petr 2,4), zu versammeln, und jeden von euch, liebe Brüder im Bischofs- oder Priesteramt, liebe Ordensmänner, Ordensfrauen, getaufte und gefilmte Laien, fragt Christus: «Bist du bereit, dein Leben hinzugeben, es zu ‘heiligen1 im Dienst aller Menschen, damit das Evangelium des Heils zu allen Nationen gelangt?» Amen. 462 REISEN Notwendig, delikat und verdienstvoll Ansprache an das Diplomatische Korps in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Im Verlauf meiner Pastoralbesuche in den verschiedenen Ländern behalte ich mir immer eine kurze Begegnung mit dem bei der Regierung akkreditierten Diplomatischen Korps vor. Ich möchte das Interesse an einer solchen Begegnung unterstreichen; ich weiss, dass auch Sie Wert darauf legen. Diese Begegnung nimmt unter den anderen, die vor allem Christen in einer religiösen und pastoralen Absicht zusammenfuhren, einen besonderen Platz ein. Sie gestattet mir, durch Ihre Person die staatlichen Autoritäten und die Völker vieler Länder zu grüssen; mit manchen von diesen bin ich mittlerweile durch meine Reisen vertraut; die meisten sind beim Heiligen Stuhl vertreten. Und vor allem möchte ich mit Ihnen die Probleme der Weltgemeinschaft erörtern, für die Sie Auftrag und Zuständigkeit haben. Diese Sendung ist so wichtig und schwierig, dass sie immer, von der Antike bis in unsere Tage, in hohem Ansehen stand und sogar für die mit einer solchen Verantwortung ausgestattete Person und ihre Aktionsfreiheit eine Garantie der Unantastbarkeit besessen hat. Dieses Prinzip bleibt grundlegend, auch wenn man gewisse Vorkommnisse bedauern muss, die ihm mitunter widersprechen. 2. Was ich auf jeden Fall unterstreichen will, ist der Wert der Arbeit, die Diplomaten zugunsten ihrer Landsleute und des Weltfriedens leisten. Es sind Menschen, die aufgrund ihrer kulturellen Bildung, ihrer spezifischen Vorbereitung, ihrer Fähigkeiten, ihrer Sicht der Menschen; Dinge und Ereignisse, ihrer Weisheit und ihrer Heimattreue für eine länger dauernde Mission oder in manchen Fällen für die Lösung bestimmter Angelegenheiten ausgewählt werden. Alle, die zu diesem Zweig des, politischen Handelns eines Staates gehören, haben, unabhängig davon, wo sie auf der Stufenleiter der Hierarchie stehen, die Ehre und Verpflichtung, sich ihrer besonderen Verantwortlichkeiten gegenüber den Obrigkeiten ihrer Länder, aber auch gegenüber der internationalen politischen Gemeinschaft, in deren Bereich sie arbeiten, bewusst zu sein. Ich denke an die Botschafter und ihre Mitarbeiter. Ich denke auch an die Vertreter und an die Beob- 463 REISEN achter bei den zahlreichen internationalen Organisationen von grosser Berühmtheit, die ihren Sitz in diesem Land haben. Sicher hat die Entwicklung der Zeit und der Gesellschaften zur Umgestaltung gewisser äusserer Formen der klassischen Diplomatie, zur Veränderung mancher ihrer Aufgabenbereiche und Funktionen beigetragen. Die ausserordentliche Schnelligkeit der Information und der Nachrichtenübermittlung, die mühelose Herstellung von Kontakten auf höchster Ebene ermöglichen es den Verantwortlichen für das nationale Leben, viele bedeutsame Angelegenheiten, die einst fast ganz in die Zuständigkeit Ihrer beruflichen Vorgänger fielen, auf direktem Weg zu behandeln. Doch das vermindert nicht die Existenzberechtigung dieser unerlässlichen Mitarbeiter, die die Diplomaten nun einmal sind. Im Gegenteil, in dem Masse, in dem neue Probleme, Interessen und Bedürfnisse auftauchen, die gegenseitige Abhängigkeit sich verstärkt, die Beziehungen der Zusammenarbeit zwischen Ländern an Zahl und Umfang zunehmen, bleibt die Anwesenheit erfahrener Männer, guter Kenner des internationalen Lebens, die Verantwortungssinn haben und mit grosser Redlichkeit handeln, im Ausland unentbehrlich. Sie bleiben diejenigen, die die Instruktionen Ihrer Regierungen weitergeben und deren Willen zum Ausdruck bringen, die diskreten Diener der Interessen Ihrer Völker, die Arbeiter für den Frieden. Eine Aufgabe, die vielleicht nicht immer richtig verstanden wird, die aber notwendig, heikel und verdienstvoll ist. Ihre Tätigkeit ist in der Tat weder unabhängig noch der rein persönlichen Inspiration überlassen. Die Arbeit des Diplomaten ist auf internationaler Ebene der Ausdruck einer bestimmten Weise, die Geschicke dieses oder jenes Landes zu leiten. Man könnte sagen, sie spiegelt die Grundsätze oder den Pragmatismus wider, die sich aus dem Regierungsprogramm für die verschiedenen Beziehungen mit den anderen Ländern ergeben. Diese Funktion ist in einem ausserordentlichen Grad den Missionschefs Vorbehalten, welche die Person des Staatschefs vertreten und die Rolle des offiziellen Sprechers der Politik ihrer Regierung spielen. Ihre Mission konfrontiert Sie mit den Lebensproblemen der Gesellschaft, um zum Fortschritt ihrer Lösung beizutragen. Es sind die grossen menschlichen Ziele, die ich jetzt anführe, so wie ich das bei den Staatschefs selber tue, denn sie liegen der Kirche am Herzen. 3. Sie müssen die Interessen Ihres Landes verteidigen und fördern. Sie müssen einen günstigen Boden schaffen für die wirtschaftlichen, finanziellen und kulturellen Austausche zwischen Ihrem und den anderen Ländern. Sie müssen die Sympathien wecken und stärken bzw. die Anti- 464 REISEN pathien beseitigen, die die normalen Kontakte und Freundschaften behindern. Sie müssen Ihre Rolle spielen auf dem Gebiet der bilateralen und der internationalen Politik. In Ihre Zuständigkeit fällt es, in die zahlreichen brennenden Probleme einzugreifen, die gegenwärtig die ganze Welt erschüttern. Sie kennen sie gut. Jedes von ihnen kann den zerbrechlichen und schwankenden Frieden in Gefahr bringen: bereits bestehende regionale Konflikte; Wettrüsten; Verbreitung von Atomwaffen; Hunger, Dürre und Elend jeder Art in verschiedenen Teilen der Welt; Missachtung der Gerechtigkeit und der Menschenrechte; ideologische Spannungen usw. Bei all diesen Problemen ist die Diplomatie präsent; gemäss ihren Regeln - Höflichkeit, Diskretion, Verhandlung - setzt sie sich angesichts der heutigen schweren Ängste und Nöte dafür ein, Möglichkeiten zu einer möglichst gerechten und wirksamen befriedigenden Lösung zu finden, weitere Leiden der Völker zu verhindern und ihnen einen Hoffnungsschimmer zu schenken. 4. Das Land, in dem Sie zur Zeit Ihre diplomatische Mission ausüben, scheint vor den schweren Problemen, die ich soeben aufgezählt habe, geschützt zu sein, aber es bietet im Gegensatz dazu eine Möglichkeit des Abstandes, um die Bedeutung dieser Probleme für andere Länder zu erfassen. Die Schweiz hat um die Erhaltung des Friedens gekämpft, um die respektvolle Koexistenz zwischen Bevölkerungsgruppen, die ihrer Tradition und ihren Sprachen nach sehr verschieden sind, um die Förderung ihrer Demokratie und Freiheit. Angesichts dessen müssen Sie zerstörerische Bürgerkriege, Konflikte zwischen Nachbarländern, Totalitarismen, Unterdrückung der fundamentalen Freiheiten - darunter der religiösen Freiheit - verabscheuen. Der internationale Terrorismus, der Unschuldige trifft und Länder verunsichert, die sich nach dem Frieden sehnen, dürfte bei keinem Verantwortlichen Gunst oder gar Mittäterschaft finden, schon gar nicht bei den Diplomaten, deren Mission Gewalt«lösungen» nicht zulässt. Das zunehmende Phänomen der politischen Flüchtlinge -die hier zahlreich sind - muss Ihnen die grundlegende Frage nicht nur nach der Aufnahme und Hilfe seitens Ihrer Länder stellen, sondern auch nach den unzulässigen Gründen, die so viele Männer und Frauen dazu treiben, ihre Heimat zu verlassen, um ihre Gedanken- und Glaubensfreiheit zu bewahren. Der Zustrom ausländischer Arbeitskräfte drängt auch zur Reflexion über die Arbeitsbedingungen und die Bedingungen des Familienlebens dieser Arbeiter. Schliesslich sollte Sie die allgemeine Wohlstandssituation der Mehrheit der Bürger dieses Landes - was den materiellen Wohlstand und die Gesundheit betrifft - nicht diejenigen ver- 465 REISEN gessen lassen, denen es in so vielen Gegenden der Welt sogar am Lebensminimum fehlt. Sie werden das um so weniger vergessen, als die Schweiz internationale Organisationen beherbergt, die sich dieser Probleme anzunehmen versuchen. 5. Sie wissen wohl, dass sich die Kirche, deren Sendung die Verbreitung des Evangeliums ist, gleichzeitig für die Förderung der integralen Würde des Menschen einsetzt, und das ohne jedes andere Interesse, sei es politischer oder wirtschaftlicher Art. Sie erinnert ständig an die wesentlichen Grundsätze zugunsten der menschlichen Person, der sozialen Eintracht, der Völkerrechte, zugunsten der Gerechtigkeit, des Friedens und einer wahren Brüderlichkeit zwischen allen Menschen. In dieser Absicht und im Namen dieses Zieles bietet der Heilige Stuhl den für das Gemeinwohl Verantwortlichen seine Zusammenarbeit an; ihnen spreche ich wie Ihnen, meine Herren Missionschefs, die Sie hier anwesend sind, meine Wertschätzung und meine Wünsche aus für die Tätigkeit und die Anstrengungen, die Sie im Hinblick auf den Bau einer besseren Welt entfalten, die sich auf die Wahrheit, die Gerechtigkeit, die Liebe und die Freiheit gründet, die einzigen wahren Pfeiler des Friedens in der menschlichen Gesellschaft. Das war der Wunsch, den Johannes XXIII. in der Enzyklika Pacem in terris ausgesprochen hat, und er hatte persönlich die diplomatische Mission von innen her erlebt. Exzellenzen, meine Damen und Herren! Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und bitte Gott um seinen Segen für Sie selbst, für Ihre Familien und für Ihren Beitrag zum Wohl der Menschheit. Achtung der Rechte aller Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Meine werten Herren und sehr lieben Brüder! Es ist mir wirklich eine Freude, mich mit den Vertretern des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes zu treffen. So halte ich es immer im Verlauf meiner apostolischen Reisen durch die Welt, wenigstens jedesmal wenn es möglich ist. 466 REISEN Ich brauche mich nicht länger über die Bedeutung dieser Begegnungen zu verbreiten. Sie gestatten eine gewisse Vertiefung unseres Glaubens und ein Gebrauchmachen von unserem gemeinsamen biblischen Erbe; sie tragen dazu bei, die Vorurteile und sogar Schranken abzubauen, die noch zwischen den Christen und den Juden bestehen. Wie könnten die Christen gleichgültig bleiben gegenüber den Problemen und Gefahren, die Ihnen Sorge bereiten, wenn auch nicht in der Schweiz, so doch in vielen Gebieten der Welt? Anderseits muss die Lehre der christlichen Kirchen auch die Forschungsergebnisse über das uns gemeinsame Erbe und über die Verwurzelung des Christentums in der biblischen Tradition berücksichtigen. Das ist ein Weg, der unseren Dialog festigt. In dieser Hinsicht bin ich dem Herrn Vertreter des Israelitischen Gemeindebundes dankbar, dass er Wert darauf legte, in positiver Weise über das Jüdisch-Christliche Forschungsinstitut der katholischen Theologischen Fakultät Luzern zu berichten. Ich hätte mich auch gern, meine werten Herren und lieben Brüder, mit Ihnen über ein grundlegendes Problem unterhalten: über das Problem des Friedens. Ist das biblische Schalom, mit dem man sich für gewöhnlich in den Ländern des Orients grüsst, nicht auch ein Anruf an unsere Verantwortung? In der Tat, wir alle sind aufgefordert, leidenschaftlich für das Gut des Friedens zu Werke zu gehen. Der Heilige Stuhl seinerseits bemüht sich ständig, auf einen Frieden hinzuarbeiten, der auf Gerechtigkeit gegründet ist, auf Achtung der Rechte aller, auf Beseitigung von Ursachen, die Feindschaft hervorrufen, angefangen bei solchen, die im Herzen des Menschen verborgen sind. Er empfiehlt unaufhörlich die Wege des Dialogs und der Verhandlung. Er hat weder Vorurteile noch grundsätzliche Vorbehalte im Hinblick auf irgendein Volk. Er möchte allen seine Sorge und Anteilnahme zeigen, zur Entwicklung der einen und der anderen beitragen, und zwar auf der Ebene der Freiheit in ihrem wahrsten Sinn wie auf der Ebene der inneren und äusseren Eintracht und der wahren Güter, die jeden Menschen und jede Gesellschaft fordern können. Das ist ein Ideal, zu dem der ausdauernde Dialog und die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Juden und Christen viel beitragen können. Gestatten Sie, dass ich diese kurze brüderliche Begegnung mit dem Wunsch schliesse, den Sie so sehr lieben: «Shalom aleijem!» (Der Friede sei mit euch!). Er kommt mir von Herzen, für Sie, die Sie hierher gekommen sind, um mich zu treffen, aber auch für Ihre Familien, für die jüdischen Gemeinden in der Schweiz, für alle, die über die Welt hin verstreut sind, und für alle Menschen guten Willens. 467 REISEN Die ganze Kirche braucht euch Ansprache bei der Begegnung mit der Westschweizer Jugend in Freiburg am 13. Juni (Französisch) Liebe junge Menschen! Seid bedankt für diesen Empfang. Seid bedankt für eure Anwesenheit. Es ist für mich eine grosse Freude, diesen Abend mit euch zu verbringen. Ihr seid Träger der Zukunft der Gesellschaft und der Kirche. Es ist mein Wunsch, dass diese Augenblicke, die wir miteinander in Freude, im Zuhören, in der Reflexion und im Gebet erleben, für euch, für mich und für diejenigen, die uns von ferne folgen, ein grosses Zeichen der Hoffnung darstellen mögen. Durch euch und mit euch will der Geist Christi seine Kirche beleben und eine gerechtere, solidarischere, brüderlichere Welt aufbauen. Seien wir heute abend und morgen gemeinsam immer offener für den Geist Christi! Liebe junge Menschen, (Eine zwiespältige Welt) 1. Euer Zeugnis und eure Fragen würden eine lange Diskussion verdienen. Alle Probleme, die ihr angeschnitten habt, sind sehr ernst zu nehmen und zeigen eure Besorgnisse angesichts der Welt und der Kirche von heute und morgen. Es ist mir unmöglich, in wenigen Minuten auf alles zu antworten. Ich wünsche jedoch, dass ihr unseren Gedankenaustausch von heute abend mit den Verantwortlichen eurer Jugendbewegungen, mit euren Katecheten, Priestern und Bischöfen weiterfuhrt. Von mir aus möchte ich mich mit dem einen oder anderen Punkt befassen, der mir grundlegend erscheint und die Fragen berührt, die sich die Jugend in der ganzen Welt stellt. Ich habe die gleichen Probleme mit jungen Leuten zahlreicher anderer Länder angesprochen: in Rom, Paris, Lourdes, Wien, Warschau, Lissabon, Galway, Cardiff, Boston, Mexiko, Belo Horizonte und Seoul. Die Zukunft der Welt erscheint euch eher trübe. Arbeitslosigkeit, Hunger, Gewalt, die Bedrohungen der Menschheit durch das Anhäufen von Waffen mit entsetzlicher Zerstörungskraft, das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd, die geistige Verarmung der Konsumgesellschaft in zahlreichen Ländern sind alles Ursachen von Unruhe und Ängsten. Euch jungen Leuten sage ich: Lasst euch nicht von Schwarzseherei und 468 REISEN Entmutigung unterkriegen! Ihr seid die Welt von morgen. Von euch in erster Linie hängt die Zukunft ab. Von uns Älteren empfangt ihr eine Welt, die euch enttäuschen mag, aber sie hat gleichzeitig ihre Reichtümer und Schwächen, ihre Werte und Gegenwerte. Die ausserordentlichen Fortschritte der Wissenschaft und der Technik sind zwiespältig. Sie können dem Besten und dem Schlimmsten dienen. Sie können Menschenleben retten oder vernichten. Sie können eine bessere und gerechtere Güterverteilung in der Welt ermöglichen oder aber die Anhäufung der Güter in den Händen kleiner Gruppen, was das Elend der Massen noch vermehrt. Sie können den Frieden begünstigen oder aber die Menschheit mit der Bedrohung durch schreckliche Zerstörungen belasten. (Das Herz ist zu ändern) 2. Alles hängt davon ab, welcher Gebrauch vom Fortschritt der Wissenschaft und Technik gemacht wird. Alles hängt letzten Endes vom Herzen der Menschen ab. Das Herz der Menschen ist es, das man ändern muss. Zweifellos gilt es, gewisse Strukturen zu verändern, die Ungerechtigkeit und Elend hervorrufen, aber gleichzeitig muss man das Herz der Menschen ändern. Hier, liebe junge Leute, ist die Grossbaustelle der Welt, auf der ihr euch einsetzen müsst. Arbeitet gemeinsam mit euren Händen und Herzen, mit eurem Verstand und eurem Glauben am Aufbau einer neuen Welt, in der es allen möglich sein soll, in einer Atmosphäre der Sicherheit und des gegenseitigen Vertrauens zu leben und sich zu entfalten. Durch Hass, Gewalt und Unterdrückung - wie immer diese aussehen mag - wird man nicht die Zukunft der Menschheit bauen. Auf dem Triumph des Egoismus von einzelnen und Gruppen erbaut man nicht die Zukunft der Menschheit. Die Zukunft der Menschheit kann nicht auf einem falschen Freiheitsbegriff errichtet werden, der die Freiheit der anderen nicht respektiert. Die Konsumgesellschaft, in der wir leben, und die Angst vor einer ungewissen Zukunft verleiten dazu, nach der eigenen unmittelbaren Befriedigung zu suchen. Man zieht sich zurück auf sein kleines persönliches Glück, auf seine Gefühle, dreht sich im Kreis, ist überreizt, unaufhörlich auf der Jagd nach neuen, rasch wieder vorübergehenden Erregungen, und ist einzig auf sich selbst und seine Vergnügungen bedacht. So kann man eigentlich nicht leben. Das ist nicht die Welt, die ihr haben wollt. Das wäre eine hoffnungslose Welt, die das Leben des Menschen jedes Sinnes entleerte. (Teilen) 469 REISEN 3. Ihr habt für die Lesung aus dem Evangelium den Bericht über die Brotvermehrung vorgesehen. Jesus hat die Brote vermehrt, damit sie an alle Anwesenden ausgeteilt würden, und er trägt den Jüngern diesen Dienst auf. Christus ist es, der euch alle heute zu einem ernsthaften und beharrlichen Einsatz für eine brüderliche Verteilung der materiellen und geistigen Güter aufruft, die in der Welt in ungeheurer Menge vorhanden sind. Beginnt damit heute in euren Schulen, an euren Lehr- und Arbeitsplätzen, in euren Wohnvierteln, in euren Dörfern. Beginnt damit heute durch echte Hinwendung zu den anderen und ihren Bedürfnissen, durch den Geist des Dienens und der brüderlichen Hilfe, durch den Sinn für Gerechtigkeit, durch die Einübung der Selbsthingabe. Die Umwandlung der Welt beginnt heute bei euch und in eurer Umgebung. Doch für die Verwirklichung dieser grossartigen Aufgabe, für die ihr der zukünftigen Menschheit gegenüber verantwortlich seid, gibt es einige unerlässliche Bedingungen. An zwei davon möchte ich euch erinnern. (Tiefe, Innerlichkeit, der Heilige Geist) 4. Um eure Sendung zu erfüllen, dürft ihr nicht an der Oberfläche eurer Person leben, sondern müsst tiefer gehen. Es gilt, die Tiefendimension der menschlichen Person zu erschliessen: die Kraftquellen eures Herzens, den Wert der anderen, den Sinn des Geschehens. Ein oberflächliches Dasein löst schmerzliche Unzufriedenheit aus. Ist das nicht das Unbehagen, das viele junge Menschen spüren, die auf der Suche nach einem echten Weg sind? Das Echte findet sich in der Tiefe. Eine «Tiefe», wie die Droge sie vortäuscht, ist etwas Künstliches. Es gibt aber leider eine Pseudo-Erkenntnis, eine Pseudo-Freiheit, ein naives sexuelles Sich-gehen-Lassen, die ebenso gefährliche und tödliche Drogen sind wie die Halluzinogene. Sich seiner selbst bewusst zu werden, sich selbst präsent zu sein, die wahren Sehnsüchte der Person aufzudecken, seine Fähigkeiten und seine Grenzen zu erkennen und anzunehmen - das sind auch die Vorbedingungen für eine echte Beziehung zu den anderen. Schliesslich müssen wir in uns selbst und in den anderen die geheimnisvolle Gegenwart Gottes entdecken, von dem wir das Leben haben, in dem wir uns bewegen und sind (vgl. Apg 17,28); wir müssen die Quelle eines neuen Lebens und eines neuen Dynamismus zur Umgestaltung der Welt entdecken. Ohne mich, sagt uns Jesus, könnt ihr nichts tun (vgl. Joh 15,5). Wenn ihr es versteht, euch vom Lärm zu lösen und still zu werden, um zu euch selber und zu Gott in euch zu finden, dann werdet ihr den zersetzenden Einflüssen der äusseren Welt und dem Egoismus, der sich immer wie- 470 REISEN der im eigenen Inneren erhebt, Widerstand leisten können. Genau vor einem Jahr habe ich es zu meinen jungen Landsleuten in Jasna Göra so gesagt: «Ich wache, das bedeutet, dass ich mich bemühe, ein Mensch mit Gewissen zu sein. Dass ich dieses Gewissen nicht betäube, nicht umforme. Dass ich Gut und Böse beim Namen nenne, nicht aber verwische. Dass ich mir das Gute herausarbeite und mich bemühe, vom Bösen loszukommen» (Ansprache vor polnischen Jugendlichen am 18. Juni 1983 in Jasna Göra, Osservatore Romano, deutsch, 1.7.83, S. 4). Ihr werdet Gottes Plan für jeden von euch, der in eure Fähigkeiten und Grenzen eingetragen ist, nur entdecken um den Preis eines tieferen Nachdenkens und des Stillewerdens. Wenn wir von Wissen um sich selbst, von Innerlichkeit, Besinnung und Stille sprechen, so ist das keine Aufforderung zur Flucht aus der Wirklichkeit, sondern im Gegenteil zu ihrer gründlichen Erforschung, um ihre geistige Dimension zu entdecken. Es geht also nicht darum, am Rande des Lebens zu stehen, sondern in seine Mitte vorzudringen, um im Glauben dem Geist zu begegnen, der in unseren Herzen und in den Herzen der Menschen am Werk ist. Unser Blick auf die Menschen und die Ereignisse ist allzuoft kurzsichtig. Wir sollten doch jedem Menschen mit unendlicher Hochachtung gegenübertreten und im Kern der Ereignisse lesen, worum es zutiefst geht, sollten die hochgespielten oder lächerlich gemachten Werte erkennen, das Wirken des Heiligen Geistes, das von den Menschen angenommen oder durchkreuzt wird. In der Taufe und in der Firmung ist euch der Heilige Geist geschenkt worden. Er wird euch leiten bei der Suche nach persönlicher Verinnerlichung und nach dem verborgenen Sinn der Ereignisse. Seid offen für Christi Geist: Er ist der Geist der Wahrheit, und die Wahrheit wird euch frei machen. Was ich euch vorschlage, ist eine grosse Sache. Das Erringen einer grösseren Tiefe ist der Schlüssel zu einem Leben, das sich zu leben lohnt, weil es zu einer ausserordentlichen, niemals abgeschlossenen Entdeckung seiner selbst, der anderen, der Welt und Gottes wird. Es ist auch der Weg zu brüderlicher Gemeinschaft zwischen allen Menschen, gegründet auf der Gemeinschaft mit Gott in Christus und in seinem Geist. (Lebendige Gemeinschaft) 5. Doch um dieses wahrhaft geistliche Abenteuer bestehen zu können, muss man - und das ist mein zweiter Hinweis - in Gemeinschaft, in der Kirche, leben. Ist nicht gerade die Kirche die Gemeinschaft derer, die an 471 REISEN Jesus glauben und die sich von seinem Geist schon jetzt auf den Wegen des Reiches Gottes führen lassen wollen? Wenn ihr eine neue Welt aufbauen wollt, dann macht euch gemeinsam daran, euren Blick zu vertiefen, eure Standpunkte mit Hilfe des Wortes Gottes zu stärken, euch gegenseitig zu helfen im täglichen Einsatz, euch an Tagen der Mutlosigkeit gegenseitig Stütze zu sein. Die Kirche sollte - nein, was sage ich -, sie muss diese brüderliche Gemeinschaft sein, wo man seine Kräfte erneuern, seine Freuden und Sorgen teilen, sich im Glauben und im Gebet vereinen kann, wo man gemeinsam in der Eucharistie das Kreuzesopfer und die wirkliche, geheimnisvolle Gegenwart des auferstandenen Christus feiert, sich aus ihm und seinem Geist nährt. Ihr habt recht, in unseren Gemeinschaften, in unseren Pfarreien muss wieder ein echtes Zusammenleben zustande kommen. Die Sonntagsmesse muss mit grösserer Freude und intensiver erlebt werden. Euer Platz soll in euren Pfarrgemeinden sein! Ihr sollt präsent sein, um der Kirche eine neue Jugend zu geben, um ihr immer mehr ein Gesicht «ohne Flecken, ohne Falten» zu geben, wie Christus es wollte (Eph 5,27). Doch erlaubt, dass ich euch auch sage: Habt ein wenig Geduld! Eine christliche Gemeinde, die aus Menschen verschiedenen Alters und ganz verschiedener Mentalität besteht, lässt sich nicht an einem Tag umgestalten. Jeder hat seine Qualitäten, aber auch seine Schwächen und seine Grenzen. Solltet ihr nicht zuerst den Wert dessen anerkennen, was diejenigen, die euch vorausgingen, oft unter Mühen aufgebaut haben? So werdet ihr ein Zeugnis von eurer Reife geben. Glaubt mir, die ganze Kirche zählt auf euch, sie braucht euch, um immer mehr das zu werden, was sie sein soll: eine grosse, lebendige, brüderliche Familie von Gläubigen, die offen sind für Christi Geist, die mitten in der Welt Zeugnis geben von dem Heil, das Christus uns gebracht hat, und die unergründliche Liebe bekunden, die den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist vereint. Ja, meine lieben jungen Freunde, sucht, vom Geist Christi beseelt, die Tiefe in einer Welt, in der euch alles zu oberflächlichem Konsum auffor-dert. Findet euch zusammen, bildet lebendige Zellen der Kirche Christi! Dann werdet ihr Menschen, die wie Christus für die anderen da sind. Ihr werdet mit allen jungen Leuten der Welt eine neue Zivilisation der Gerechtigkeit und der Liebe aufbauen. (Deutsch) Einen sehr herzlichen Gruss in ihrer Muttersprache richte ich heute abend auch hier schon an die deutschsprachigen Jugendlichen in der Schweiz. Übermorgen werde ich Gelegenheit zu einer gleichen brüderlichen Begeg- 472 REISEN nung mit ihnen in Einsiedeln haben. Meine Worte an die Jugend hier in Freiburg und dann in Einsiedeln gelten unterschiedslos euch allen, die ihr euch in diesem Land zu Christus bekennt oder euch noch auf dem Weg zu ihm befindet. Christus führe euch alle seinen Weg zur Wahrheit und zum Leben! Um die Erkenntnis der Fülle der Wahrheit Ansprache bei der Begegnung mit der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz in Kehrsatz am 14. Juni (Deutsch) Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Exzellenz, Brüder und Schwestern in Christus! 1. «Als der Pfingsttag gekommen war, befanden sich alle am gleichen Ort» (Apg 2,1). Dieses Bild steht mir vor Augen, wenn ich in dieser Morgenstunde unter Ihnen sein darf, um an Ihren Sorgen und Hoffnungen teilzunehmen und mich mit Ihnen in der Kraft des Pfingstgeistes zum gemeinsamen Gebet zu vereinen. Ich danke Ihnen als den Vertretern christlicher Kirchen und Gemeinschaften in diesem Land für das Geschenk dieser Begegnung; im besonderen danke ich den Mitgliedern dieses Gremiums, die mündlich oder schriftlich zum fruchtbaren Austausch von Überzeugungen und Anliegen beigetragen haben. «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus. Er hat uns mit allem Segen seines Geistes gesegnet durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel» (Eph 1,3), so leitet der Verfasser des Epheser-briefes sein Loblied auf den Heilsplan Gottes ein. Dieser dreifältige Gott «werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus, in allen Generationen, für ewige Zeiten» (Eph 3,21). 2. Sie haben zu Recht, Herr Präsident, in Übereinstimmung mit allen hier Anwesenden die Bedeutung unserer Dialoge über das Wesen und die Sendung der Kirche unterstrichen. Wir alle bedenken stets aufs neue das tiefe Geheimnis der Kirche und beten ohne Unterlass, dass der Herr uns in der sichtbaren Gestalt der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche zusammenführen möge. Sie, geehrter Herr Pastor Küster, haben mit Ihrem Wort eindringlich auf die wachsende Herausforderung aller 473 REISEN Christen hingewiesen, die darin besteht, dass weite Teile unserer Gesellschaft durch den Verlust ihres Glaubens und der ethischen Werte in reiner Diesseitigkeit und Orientierungslosigkeit unterzugehen drohen. Hier hegt in der Tat eine grosse geschichtliche Verantwortung vor uns, bei der keine christliche Gemeinschaft für sich isoliert bleiben darf, sondern zu einem höchstmöglichen Mass von gemeinsamem Zeugnis für das Evangelium in allen Bereichen des Lebens gerufen ist. Als Jünger des einen Herrn Jesus Christus sind wir auf dem Fundament der Heiligen Schrift und der frühen Glaubensbekenntnisse, unseres gemeinsamen Erbes, verpflichtet, diesem Ruf nach bestem Gewissen zu folgen, wenn wir nicht noch weitere Schuld auf uns laden wollen. Sehr geehrte Frau Stucky-Schaller, auch das von Ihnen zur Sprache gebrachte Anliegen verbindet uns. Es genügt, einen Blick auf die Heilige Schrift zu werfen, um zu erkennen, welch grosse Sendung der Frau im Heilsgeschehen Gottes zukommt. Gott hat im Alten wie im Neuen Bund immer wieder Frauen zum Werkzeug seines Heilsplans berufen. Er hat ihrer bedurft und bedarf ihrer heute und morgen. Wir haben uns darum ernsthaft zu fragen, ob die Frau heute in Kirche und Gesellschaft bereits jenen ihr vom Schöpfer und Erlöser zugedachten Platz einnimmt und ihre Würde und ihre Rechte in gebührender Weise anerkannt werden. Diese Fragen gehören bekanntlich schon zur Tagesordnung der Gespräche zwischen unseren Kirchen; und wir dürfen hoffen, dass sie zu einer gemeinsamen Klärung und Meinungsbildung führen. N och viele weitere Gedanken, Antworten und Anfragen würde ich bei dieser Begegnung gern zur Sprache bringen. Ich denke an die gemeinsame Erklärung der christkatholischen Kirche und des Bundes der Baptistengemeinden und habe auch das ‘Statement1 und die Fragen der Heilsarmee vor Augen. Ich vertraue darauf, dass Geist und Anliegen dieser unserer Begegnung in anderer Weise und auf nicht minder verheissungsvollen Wegen ihre Fortsetzung finden. Nicht zuletzt stehen dafür auch meine Mitarbeiter in Rom zur Verfügung. 3. Die ökumenische Gemeinschaft, die in der Schweiz im Laufe der Jahre gewachsen ist, hat begonnen, Früchte zu tragen. Gott hat Ihrer Arbeitsgemeinschaft die Gnade geschenkt, schon seit 1971 in einem vorbildlichen Geist der Brüderlichkeit und Versöhnungsbereitschaft Fragen und Anfragen zu behandeln, die die Christen in diesem Lande bewegen. Sie ringen in Offenheit um die Erkenntnis der Fülle der Wahrheit, im demütigen Hören auf das Wort Gottes, in Treue zur apostolischen Überlieferung und in echter Solidarität. 474 REISEN Dankbar stellen wir fest, dass die göttliche Vorsehung unsere getrennten Gemeinschaften insgesamt fähig und bereit gemacht hat, jahrhundertealte Vorurteile gegeneinander abzubauen und sich aus der Befangenheit in manchen ungerechten oder gar polemischen Vorstellungen über die jeweils anderen Konfessionen zu befreien. Darüber hinaus drängt uns der göttliche Geist, dass wir wieder zu einer vollen Gemeinschaft des Zeugnisses in Wahrheit und Liebe zusammenfinden. 4. Ist es nicht der Heilige Geist, der die Verschiedenheiten der Gaben und Dienste wirkt und doch in Christus die Gläubigen so innig verbindet, dass er das Lebens- und Einheitsprinzip der Kirche ist (vgl. Ökumenismusde-kret 2,2)? In allen unseren Bemühungen, uns gegenseitig in der Wahrheit besser zu verstehen, sehen wir uns verwiesen auf das Mysterium des Heiligen Geistes. Nach dem Ausweis der Schrift ist er nicht nur als die stets neue und aktuelle «Dynamis Gottes» am Werk, sondern vergegenwärtigt auch in der Geschichte den menschgewordenen und erhöhten Herrn Jesus Christus in der Knechtsgestalt seiner Kirche. Dieses Glaubensgeheimnis gilt es immer wieder in Demut zu meditieren und betend zu verehren. Schliesshch bleibt hinzuzufügen: Niemand kann rechtschaffen heben, wenn ihm nicht der Geist der Kraft und Liebe von Gott gegeben ist. Einzig die Kraft der götthchen Liebe kann die in Jahrhunderten gewachsenen und zum Teil immer noch vorhandenen Barrieren innerhalb der Christenheit abbauen; kann die Rangstreitigkeiten unter den Jüngern Christi in einen edlen geistlichen Wettstreit um wandeln und uns gemeinsam zu Boten seiner Liebe machen, «damit die Welt glaubt» (Joh 17,21). 5. Ich möchte Sie ermutigen, in Wahrheit und Liebe Ihre theologischen Dialoge fortzufuhren und sogar zu intensivieren. Ich möchte Sie ermutigen, Ihre Bemühungen um eine gemeinsame Pastoral, wo immer sie verantwortet werden kann, vor allem im Hinblick auf die konfessionsverschiedenen Ehen und die ausländischen Bewohner dieses Landes zu verstärken. Ich möchte Sie zur engen Zusammenarbeit in gesellschaftspolitischen Fragen und in den grossen weltweiten Anliegen der Verwirklichung der Menschenrechte und des Einsatzes für den Frieden auffordem. Der Geist Gottes hat uns befähigt, ein weitgespanntes Netz christlicher Liebestätigkeit zu entfalten und darin das Gesetz zu erfüllen (vgl. Röm 13,10). «Die Bruderliebe soll bleiben» (Hebr 13,1). Lassen wir uns dabei nicht entmutigen, wenn wir der Spannung ausgesetzt bleiben zwischen dem schon Erreichten und dem allseits Erstrebten, zwi- 475 REISEN sehen der Sehnsucht und der Geduld, jener Spannung, die sich oft aus dem «Tun der Wahrheit in Liebe» (Eph 4,15) ergibt. Tun wir zuallererst das Wichtigste: Beten wir ohne Unterlass (vgl. Lk 18,1). Ich möchte Sie sogleich jetzt zum gemeinsamen Gebet einladen, von dem alles seinen Anfang nehmen und in das alles einmünden soll zur grösseren Ehre Gottes und zum Heil der Welt. Wir dürfen keine Zeit verlieren Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Kehrsatz am 14. Juni (Französisch) Herr Präsident, meine Brüder und Schwestern in Christus! 1. Wir haben miteinander gebetet. Es war für mich eine grosse Gnade, die ich mit Ihnen geteilt habe. Indem wir zusammen das Vaterunser sprechen, sind wir im Namen des Herrn vereint, denn der Geist Gottes ist es, der uns erlaubt, «Vater» zu sagen, er legt die Gesinnung des Sohnes in uns hinein (vgl. Phil 2,5), und darum ist es auch der Geist Gottes, der uns erlaubt, «Brüder» und «Schwestern» zu sagen. Ich bin glücklich, dass ich zu Ihnen kommen durfte. Ich danke Ihnen für Ihre Einladung. Herr Präsident, ich habe nie vergessen, was Sie mir vor drei Jahren so vornehm geschrieben haben, als ich aus den bekannten Gründen auf meine Reise zu Ihnen verzichten musste. Ich würdige Ihre hohen Gefühle, Ihren Freimut, Ihren Glauben und Ihre Zuversicht. Sie haben sie aufs neue bewiesen, und ich danke Ihnen dafür von ganzem Herzen. Das Wort Gottes und das Zeugnis für Jesus treibt mich, unter Ihnen zu sein. Möge die Gnade des Herrn, in geistlicher Einheit mit allen Christen dieses Landes, mir helfen, dieser Absicht zu entsprechen! Die grundlegende Einheit, die uns der Geist Gottes in der Taufe geschenkt hat, strebt ihrer Natur nach «zu einer einen, sichtbaren Kirche Christi hin, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist, damit sich die Welt zum Evangelium bekehre und so ihr Heil finde zur Ehre Gottes» (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Wir erkennen mit Dank alles an, was der Herr - in der Kraft seines Geistes - durch die brüderlichen Gespräche und die ökumenische Zusammenarbeit überall in der Welt und vor allem in 476 REISEN Ihrem Land gewirkt hat, um uns noch mehr fähig zu machen, gemeinsam Zeugnis zu geben für die Versöhnung, die uns in Jesus Christus geschenkt worden ist. 2. In diesem Jahr steht vor unserem Geist die Erinnerung an den Eifer, der zwei markante religiöse Persönlichkeiten der Schweizer Geschichte beseelte: Die eine ist Huldrych Zwingli, dessen 500-Jahr-Feier Sie durch verschiedene Veranstaltungen zu Ehren seiner Person und seines Werkes begehen; die andere, Jean Calvin, wurde vor 465 Jahren geboren. Ihr Zeugnis hat sich nicht nur im Bereich der Theologie und der Kirchenstruktur, sondern auch auf kulturellem, sozialem und politischem Gebiet geschichtlich ausgewirkt. Das Erbe des Denkens und der ethischen Zielrichtungen jedes dieser beiden Männer ist mit Kraft und Dynamik in verschiedenen Teilen der Christenheit lebendig geblieben. Auf der einen Seite können wir nicht vergessen, dass ihr Reformwerk für uns eine ständige Herausforderung bleibt und uns unsere kirchlichen Spaltungen immer gegenwärtig macht. Auf der anderen Seite jedoch kann niemand leugnen, dass manche Elemente der Theologie und Spiritualität beider uns weiterhin tief verbinden. Die Tatsache, dass wir die verwickelten Ereignisse der damaligen Geschichte verschieden beurteilen, wie auch die Differenzen, die in Zentralfragen unseres Glaubens bestehen bleiben, müssen uns nicht für immer trennen. Vor allem darf die Erinnerung an die Ereignisse der Vergangenheit nicht die Freiheit unserer gegenwärtigen Bemühungen einschränken, die Schäden, die diese Ereignisse ausgelöst haben, zu beseitigen. Die Aufarbeitung der Erinnerung ist ein Hauptelement des ökumenischen Fortschritts. Sie führt zur freimütigen Anerkennung der gegenseitigen Verletzungen und begangener Irrtümer in der Art und Weise, wie man aufeinander reagiert hat, obwohl doch alle die Absicht hatten, die Kirche dem Willen ihres Herrn gemässer zu machen. Vielleicht kommt der Tag, und ich hoffe er kommt bald, wo Katholiken und Reformierte der Schweiz in der Lage sind, gemeinsam die Geschichte jener verwirrten und verwickelten Zeit mit der Objektivität zu schreiben, die nur eine tiefe Bruderliebe schenkt. Dann wird es uns möglich sein, ohne etwas zu verschweigen, die Vergangenheit dem Erbarmen Gottes zu überlassen und uns in aller Freiheit auf die Zukunft vorzubereiten, um sie seinem Willen entsprechender zu machen (vgl. Phil 3,13). Er will ja, dass die Seinigen ein Herz und eine Seele seien (vgl. Apg 4,24), um sich im Lob und in der Verkündigung der Herrlichkeit seiner Gnade zu vereinigen (vgl. Eph 1,6). 3. In der Tat geht es für jeden Christen darum, diese tiefe, ständige Umkehr des Herzens vorzunehmen, und für jede Gemeinschaft darum, 477 REISEN sich unablässig zu bestreben, sich in immer tieferer Treue zu erneuern. Das sind nach meiner Überzeugung die notwendigen Grundlagen für jedes persönliche und gemeinschaftliche ökumenische Engagement (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 6). Doch all unsere menschlichen, manchmal allzu menschlichen, Bemühungen müssen fortwährend geweckt, ausgerichtet, trainiert und geläutert werden in einer Fürbitte, in der wir unsere Überzeugung bekunden, dass Gott allein wachsen lässt (vgl. 1 Kor 3,6). Sie haben sehr richtig gesagt: Wenn wir füreinander beten, machen wir uns dem Geist verfügbar, der uns versöhnen will. So ändern wir unsere Haltung gegenüber den anderen und finden uns im beidseitigen Wissen um die gleichermassen anerkannte und liebend angenommene Abhängigkeit von unserem einzigen Herrn wieder. 4. Es ist klar: Wenn wir uns auf dieser Ebene begegnen, wird uns die ganze Dynamik, die sich aus unserer gemeinsamen Taufe ergibt, stark dazu drängen, miteinander den Leib und das Blut des Herrn zu empfangen, ohne die wir kein Leben in uns haben können (vgl. Joh 6,53). Dieser Wunsch, den Sie, Herr Pfarrer, eben ausgesprochen haben, ist auch ganz tief der meine. Das vor allem ist der Sinn des gegenwärtigen Dialogs sowohl auf nationaler Ebene zwischen Ihrem Kirchenbund und der Katholischen Kirche in der Schweiz als auch auf internationaler Ebene zwischen dem Reformierten Weltbund und dem Sekretariat für die Einheit sowie in der Kommission «Glaube und Kirchenverfassung» des-Weltrates der Kirchen. Die Eucharistiefeier ist für die Kirche ein greifbares Glaubensbekenntnis, und die vollständige Übereinstimmung im Glauben ist die Voraussetzung für eine gemeinsame Eucharistiefeier, die wirklich authentisch und wahr sein will. Wir dürfen kein trügerisches Zeichen geben. Unser ganzer Dialog strebt eine solche gemeinsame Eucharistiefeier an. Es würde aber nichts nützen, das Leid der Trennung zu verdrängen, wenn wir nicht seine Ursache zu heilen versuchen würden: eben diese Trennung. Gebe der Herr, dass der Tag komme, an dem sich unsere gemeinsame Sehnsucht erfüllt! 5. Zur Vorbereitung auf diesen Tag wollen wir uns jetzt schon bemühen, all das gemeinsam zu tun, was wir gemeinsam tun können. Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht (vgl. Joh 3,21). Dieses gemeinsame, wirksame Zeugnis aller Christen ist von grosser Dringlichkeit. Wir dürfen keine Zeit verlieren, denn in diesem Land, wo Sie zusammen mit den anderen Christen das Evangelium des Heils bezeugen, gibt es heute Männer und Frauen, denen Gott nichts mehr bedeutet, für die Jesus 478 REISEN nichts mehr ist - dabei ist er der grösste Schatz, den Gott der Welt gegeben hat. Das unterstreicht die Dringlichkeit einer neuen Evangelisierung. Und zudem ist das Gesicht dieser von Jesus geheilten Welt heute vielerorts von Krieg, Hunger, Ungerechtigkeit und zahllosen Anschlägen auf die Würde der menschlichen Person schrecklich entstellt. Wir würden den Namen Christi zu Unrecht tragen, wenn wir angesichts so vieler Geschehnisse, die sich dem göttlichen Plan, alles in Christus zu versöhnen und die Menschen in der Liebe zu sammeln, widersetzen, uns nicht gemeinsam immer mehr - auch zusammen mit allen Männern und Frauen guten Willens -dafür engagierten, dass heute jeder Mensch, sei er Mann oder Frau, in seiner Würde respektiert wird und sich des Friedens und der Freiheit erfreuen kann. Welcher Christ würde zu behaupten wagen, dass er schon alles getan hat, was er tun konnte, damit dieses Ziel erreicht wird? Die Not ist ungeheuer und «die Liebe Christi drängt uns» (2 Kor 5,14). Das sollte uns nicht entmutigen, sondern uns in Demut, Wachsamkeit und Vertrauen auf die Gnade Christi erhalten. Unser Tun ist nur Mitwirken am Tun des Herrn, an der Liebe, die durch den Heiligen Geist, den er uns geschenkt hat, in unsere Herzen ausgegossen worden ist (vgl. Röm 5,5). Gestatten Sie mir, Ihnen im Namen des Herrn zu danken und mit Ihnen Gott, der uns auf den schwierigen Weg des Ökumenismus gerufen hat. Er, der das Werk in uns begonnen hat, möge es auch zu Ende führen (vgl. Phil 1,6). Der Wunsch, dieses Ziel zu erreichen, darf uns nie die herrlichen Gaben missachten lassen, die er uns geschenkt hat und auf diesem Weg weiterhin schenkt. Wir müssen ihm dafür danken. Er helfe uns, uns alles zu vergeben, was wir einander zu vergeben haben! Er helfe uns, seinem Wort treu zu bleiben. Und er gebe uns die Gnade der vollen, sichtbaren Einheit zwischen uns. Verständnis und achtungsvolle Freundschaft Ansprache an den Schweizer Bundesrat in Kehrsatz am 14. Juni (Französisch) Herr Bundespräsident, meine Herren Bundesräte! Die edlen Worte, die Sie an mich gerichtet haben, bewegen mich sehr. Ich bin dankbar, die Gastfreundschaft dieses Landes in Anspruch nehmen zu dürfen. Ich freue mich, anlässlich dieses Höflichkeitsbesuches - wie ich 479 REISEN das immer tue, ich halte es für meine Pflicht - meine achtungsvollen und herzlichen Grüsse an den zu richten, der die Ehre hat, gemeinsam mit dem ganzen Bundesrat das Geschick der Schweizerischen Eidgenossenschaft zu lenken und das ganze Schweizervolk zu repräsentieren. Die Ehrerbietung und Höflichkeit, mit der Sie mich in corpore empfangen - wie auch die Sympathie der Bevölkerung, der ich hier begegne -, gehen mir zu Herzen, und ich spreche Ihnen dafür meinen herzlichen Dank aus. Der Pastoralbesuch in diesem Lande gilt, wie ich bereits sagte, in erster Linie der römisch-kathoüschen Gemeinschaft der Schweiz und den anderen Christen oder Glaubenden, die mit mir zum Meinungsaustausch über unsere gemeinsamen geistlichen Anliegen Zusammentreffen wollen. Meine Sympathie gilt jedoch dem gesamten Schweizervolk, und wo fände ich eine bessere Gelegenheit als hier, vor seinen höchsten Repräsentanten, um ihm meine achtungsvolle und herzliche Ehrerbietung zu erweisen? Ich will es mir nicht verwehren, bei diesem Anlass auf die Einzigartigkeit Ihrer Heimat und Ihrer Geschichte einzugehen, wie sie von aussen, in den Augen eines Freundes, sichtbar wird. 2. Die meisten Länder Europas haben aus der natürlichen Einheit ihres Gebietes, ihrer Sprache oder ihrer Religion Gestalt angenommen. Die Schweiz ist in ihrem Ursprung, ihrer Entfaltung und ihrer Fortdauer vielmehr das Ergebnis des gemeinsamen Wollens und der Beharrlichkeit ihrer Bewohner. Das Wirken des Menschen jedoch, mag es auch noch so hartnäckig sein, hätte nicht die Jahrhunderte überdauern können - wie es für die fast siebenhundert Jahre alte Eidgenossenschaft zutrifft -, wäre es nicht von Anfang an auf einem bestimmten Menschenbild aufgebaut gewesen. Dank ihrer Treue zu dieser einzigartigen humanitären Berufung ist es der Schweiz in der Tat gelungen, die Wechselfälle einer oft sehr bewegten Geschichte und Umwelt heil zu überstehen. Am Firmament dieser Grundanschauung vom Menschen glänzt unablässig der Polarstem der Freiheit, ein sehr wertvolles Gut und das höchste Wagnis des Menschen, dessen Fülle er allein sichern kann. Um alle ihre Reichtümer zu entwickeln und nach aussen auszustrahlen, muss sich jedoch die persönliche Freiheit im Rahmen von ebenso freien Gemeinden entfalten, die ihr Schicksal selbst bestimmen. Das haben die Eidgenossen seit ihrem ersten Zusammenschluss verstanden und im Lauf ihrer langen Geschichte sorgsam bewahrt. 3. Doch während die Geschichte die Schweizer zusammengeschlossen hat, hätte die Geographie sie trennen können: An Knotenpunkten von 480 REISEN Strassen und später an den Verbindungswegen der Länder und Zivilisationen gelegen, mussten sie sehr früh lernen, in der Verschiedenheit zu leben und, ohne ihre besonderen Eigenarten aufzugeben, diejenige des anderen anzunehmen und als andersartig zu achten. So kam es zu einer langen Lernzeit der Toleranz, zu der der heilige Niklaus von der Flüe, der Schutzherr der eidgenössischen Einigkeit, in Wort und Beispiel massgebend beigetragen hat. Aus dieser einzigartigen Ausübung der Toleranz, die noch schwieriger wurde, als die grosse Spaltung der abendländischen Christenheit sich bis in die Eidgenossenschaft hinein fortsetzte, ist die schweizerische Neutralität hervorgegangen. Zuerst als noch nicht formulierte Richtlinie des eigenen Interesses schützte sie die Kantone vor zentrifugalen Kräften, die ihre schwache Einheit hätten zerbrechen können. Im Laufe der Jahre sollten jedoch auch die anderen Nationen, in erster Linie die angrenzenden, in der Anerkennung der schweizerischen Neutralität als eines Unterpfands des Friedens und der Stabilität für ganz Europa ihren Vorteil erbücken. Es wurde somit notwendig, noch weiter zu gehen und die Neutralität nicht nur als Mittel zum Schutz vor den Unruhen der grossen Politik zu sehen. Es war zwingend geworden, in einem Geist der Solidarität und der Anteilnahme die äusseren, altruistischen Aspekte noch mehr hervortreten zu lassen, mit einem Wort, sich immer mehr für eine weite, leidende Welt zu öffnen. Angesichts der Probleme, die die grosse Menschheitsfamilie bedrücken und ihrer endlosen Dramen, wäre es des Zeichens auf der Schweizerfahne unwürdig, tatenlose Zuschauer zu bleiben. Die Schweiz ist dazu berufen, nach Kräften für das Gemeinwohl dieser leidgeprüften, brüderlichen Menschheit zu wirken. Diesen Wunsch sprechen wir auch für ihre Zukunft aus. 4. Heute sind Sie die höchsten Vertreter dieses Landes, das auf einer soliden Verfassung mit den Grundpfeilern direkte Demokratie, Föderalismus und Rechtsstaatlichkeit aufgebaut ist. Mehr als ein Land könnte Sie um diese Weisheit beneiden! Wie sollte man nicht wünschen, dass die Schweizer zu ihrem eigenen Wohl weiterhin ihr positives Verständnis von der Freiheit und Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz entwickeln, ihre Achtung vor den Verschiedenheiten - ich denke an die ethnischen Minderheiten mit ihrer Sprache, ihren Gebräuchen und ihrem wirtschaftlichen und sozialen Leben -, ihre aktive Teilnahme am öffentlichen Leben und ihre loyale Zusammenarbeit zum Wohl der Gesamtheit? Ihre Vorfahren haben auch den Entschluss gefasst, die Bundesverfassung im 481 REISEN Namen des allmächtigen Gottes zu verkünden: Das ehrt alle Schweizer und legt ihnen gleichzeitig eine besondere Verantwortung auf. 5. Sie können auch einen Beitrag zum Fortschritt des Friedens und der Gerechtigkeit jenseits Ihrer Grenzen, unter den Völkern Europas und der Welt leisten. Sie können das in dem Masse, in dem Sie selbst die Menschenrechte bestätigen und garantieren: die Würde des arbeitenden Menschen und seine Teilhabe an der Verantwortung, die Priorität der Person vor dem Haben, die Aufnahme derjenigen, die vor der Gewalt oder der unendlichen Armut ihrer Länder flüchten, die Suche nach frei ausgehandelten Lösungen - mit einem Wort: die Forderungen der sozialen Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens. Ja, Ihre Geschichte, Ihre Kultur und Ihre politische Realität sollen Sie ermutigen, Ihre eigene Rolle in der Völkergemeinschaft zu spielen. Arbeiten Sie wie in der Vergangenheit, um zwischen den Frauen und Männern dieser Welt, über die politischen Grenzen und die wirtschaftlichen Interessen hinweg, die Beziehungen und den Austausch zu verstärken; denn so können sie besser die Bande der Einheit und der gegenseitigen Abhängigkeit entdecken, die ihrer gemeinsamen Menschennatur entspringen. Ihre Stimme in den internationalen Organisationen, von denen zahlreiche Ihre Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, Ihre Stimme in Ihren Beziehungen zu den anderen Nationen der Welt wird um so mehr Autorität haben, wenn Sie weiterhin die Notwendigkeit verkünden, die Beziehungen zwischen den Menschen und den Völkern auf die Liebe zur Gerechtigkeit zu gründen. 6. Exzellenz, Sie wissen um das Interesse und den Beitrag, den der Heilige Stuhl, im Zusammenhang mit seiner Mission geistlicher Art, diesen humanitären Zielen zum Vorteil aller Menschen ohne Rücksicht auf Rasse, politisches Regime oder Religion schenkt: und das sowohl im Rahmen seiner bilateralen Beziehungen zu den Staaten als auch in seinem Wirken bei den Internationalen Organisationen. Benedikt XV. schlug übrigens während des Ersten Weltkriegs dem Bundesrat gemeinsame Initiativen zugunsten der Kriegsopfer vor, aus denen das «Gefangenenhilfswerk» hervorging. Im Gefolge dieser Zusammenarbeit wurden mit der Schweizerischen Eidgenossenschaft wieder regelmässige Beziehungen aufgenommen, wie sie früher mehr als 300 Jahre lang -mit gewissen Unterbrechungen - in Form einer Apostolischen Nuntiatur bestanden hatten. Während des Zweiten Weltkrieges konnten der Heilige Stuhl und die 482 REISEN Schweiz gemeinsam einige selbstlose Initiativen ergreifen, um so vielen gequälten und durch die menschliche Tragödie, die viele Länder Europas erfasst hatte, ins Unglück gestürzten Menschen materielle und moralische Hilfe zu leisten. Dank der besonderen Lage Ihres Landes und der des Heiligen Stuhles inmitten der in den Konflikt verwickelten Parteien wurde so zahlreichen Männern und Frauen das Leben gerettet. Sie fanden eine wenigstens vorübergehende Zuflucht, die ihnen die notwendige Pflege, das Überleben und die Freiheit sicherte. Freilich, wir waren nicht in der Lage, alle Leiden zu lindem, noch konnten wir in jenen schwierigen und dunklen Zeiten dem Leid in seinem ganzen Ausmass abhelfen. Viele haben jedoch auf beiden Seiten mit echtem Verantwortungsbewusstsein, mit Grossmut und Opferbereitschaft im Namen Gottes und aus Bruderliebe gearbeitet. Diese Geschichte ist heute ehrlichen Geistern, die sich um objektive Information bemühen, wohlbekannt. Unsere Beziehungen wickeln sich derzeit in einer Atmosphäre loyalen Verständnissen und achtungsvoller Freundschaft ab. Der Heilige Stuhl schätzt die Tatsache, dass die Eidgenossenschaft und die Zivilbehörden auf den verschiedenen Ebenen die friedliche Entfaltung des religiösen katholischen Lebens im ganzen Land ermöglichen. Somit kann die katholische Kirche in der Schweiz, ohne irgendein Vorrecht zu beanspruchen, in Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl den Glauben ihrer Gläubigen vertiefen und gemeinsam mit den anderen Christen dafür arbeiten, dass die Botschaft des Lebens und der Liebe Christi weiterhin der Sauerteig zu einem gesellschaftlichen Leben bleibt, das im Christentum verwurzelt ist. Ich wünsche auch, dass auf Weltebene die Bemühungen der Schweiz und des Heiligen Stuhles immer mehr gerade dann sich treffen, wenn es darum geht, friedliche Lösungen, Engagements zu gemeinsamer Hilfe für die Ärmsten und Garantien für die Achtung des Menschen - der stets eine göttüche Würde behält - zu fördern. 7. Diese wenigen Tage, die ich in Ihrem Land von so eindrückhcher Schönheit verbringen darf, werden es mir sicher erst recht gestatten, Ihre Landsleute zu schätzen, die für ihre Liebe zur Arbeit, ihre Ordnung, ihre Klugheit, ihre Gastfreundschaft und auch für ihren Glauben mit Recht bekannt sind. Mein Aufenthalt macht mich mit ihren menschlichen und geistlichen Problemen vertraut, und ich gebe meinerseits mein Zeugnis, das der katholischen Kirche. Ich bin überzeugt, dass das geliebte Schweizervolk sich weiterhin von seiner christlichen Geschichte inspirieren und sich noch mehr den Bedürf- 483 REISEN nissen all derer öffnen wird, die nicht überall in der Welt die gleichen materiellen und kulturellen Möglichkeiten haben. Ich bitte Gott, er möge alle Bewohner dieses Landes segnen und denke dabei besonders an Sie, Herr Bundespräsident und meine Herren Bundesräte. Gleichzeitig danke ichlhnennochmalsfürdiegastfreundlicheAufnahme. „Macht den Zaun nicht zu weit Predigt bei der Messe in Flüeli am 14. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! «Der Name Jesus sei euer Grass!» Mit diesem Grasswort eures Landesvaters darf ich hier im Flüeli in eure Mitte treten. Hier hat der heilige Bruder Klaus gelebt und gewirkt. Hier hat er mit seiner Frau Dorothea 23 Jahre lang ein glückliches Familienleben geführt und seine zehn Kinder grossgezogen. Hier hat er in schwerem innerem Ringen den Entschluss gefasst, um des Namens Christi willen Brüder, Schwestern, Frau und Kinder, Äcker und Haus zu verlassen (vgl. Mt 19,29), um Gott allein zu dienen. Hier hat er im Ranft, auf eigenem Grand und Boden, zwanzig Jahre lang ein Einsiedlerleben geführt, weltabgeschieden und doch offen für die Nöte der Welt und seiner Heimat. Im Namen Jesu grüsse ich die Schweizer Bürger, die heute in diesen Gemeinden wohnen und das kostbare Andenken dieses aussergewöhn-lichen Heiligen hüten; ebenso alle Gläubigen, die sich von nah und fern mit uns, mit ihren Bischöfen und Priestern zu dieser Eucharistiefeier versammelt haben. Einen ehrerbietigen Grass richte ich auch an die anwesenden Vertreter aus Staat und Gesellschaft, denen die Sorge für das Wohl der Bürger in den Kantonen anvertraut ist und für die das Wirken des heiligen Nikolaus von der Flüe für Frieden und Gerechtigkeit heute in einer besonderen Weise Vorbild und Verpflichtung sein kann. 1. «Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist» (Röm 14,17), so hörten wir eben in der Lesung aus dem Römerbrief. Der Apostel Paulus hat diese Worte der Gemeinde von Rom in einem damaligen konkreten Kontext geschrieben. Wir möchten sie heute im Blick auf dieses Land und diesen Heiligen aus- 484 REISEN legen, der ein Symbol für das Land und Volk ist: Nikolaus von der Flüe und die Schweiz. Diese Wahrheit vom Reich Gottes ist im Leben des Nikolaus zur äusser-sten Konsequenz gekommen, weit über normale menschliche Massstäbe hinaus. Er ist ein Mann, der viele Jahre seines Lebens hindurch auf Speise und Trank verzichtet hat, um das Reich Gottes zu bezeugen. Im Leben und Wirken von Bruder Klaus in der Schweiz hat sich das Reich Gottes als «Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist» erwiesen. Vor über fünfhundert Jahren erging von diesem Ort aus, aus der Stille des Gebetes und der Gottverbundenheit im Ranft, seine Friedensbotschaft, die die entzweiten und zerstrittenen Eidgenossen auf der Tagsatzung zu Stans wieder zur Einigkeit gebracht und einen neuen Abschnitt eurer Geschichte eingeleitet hat. Hier im Flüeli, wo uns die Gestalt von Bruder Klaus immer noch lebendig vor Augen steht, glauben wir auch heute noch seine Stimme zu hören, die uns zum Frieden mahnt, zum Frieden in eurem eigenen Land, zur Verantwortung für den Frieden in der Welt, zum Frieden im eigenen Herzen. 2. Euer Landesvater mahnt auch heute noch zum Frieden im eigenen Land. «Mein Rat ist auch, dass ihr in diesen Sachen gütlich seiet, denn ein Gutes bringt das andere. Wenn es aber nicht in Freundschaft möchte geschlichtet werden, so lasst doch das Recht das beste sein», so schreibt Bruder Klaus im Jahre 1482 an Bürgermeister und Rat von Konstanz. Güte und Wohlwollen sind die erste und grundlegende Bedingung für den Frieden, im Leben einer Gemeinschaft wie im Leben jedes einzelnen. «Bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat», so ermahnt der heilige Paulus die Getauften (Kol 3,12-14). Damit diese Mahnung in der harten politischen und sozialen Wirklichkeit eines Landes nicht bloss ein frommes Ideal bleibt, müssen wir sehen, wie sie sich ins öffentliche Leben umsetzen lässt. Die Geschichte des Stanser Ereignisses kann es uns zeigen: Es gilt, einander anzunehmen bei aller Verschiedenheit und dafür verzichten zu können auf die Durchsetzung mancher sogar berechtigter Ansprüche. 3. Heute sind diesem Einander-Annehmen neue Aufgaben gestellt. Die Kluft zwischen den Generationen ist grösser geworden. Die Jugendlichen müssen die Erwachsenen, die Erwachsenen die Jugendlichen, und beide zusammen müssen die ältere Generation annehmen. Gerade da braucht es heute viel «Güte und Freundlichkeit»: in Freundschaft die Probleme 485 REISEN der anderen Generation verstehen, ihre berechtigten Anhegen anerkennen, in gemeinsamem Bemühen nach neuen Lösungen suchen. Lasst euch in eurem Bemühen um gegenseitiges Verstehen nicht entmutigen! Bisher habt ihr euch in eurem Land als Mit-Eidgenossen verschiedener Sprache, verschiedener Kultur und verschiedenen Bekenntnisses gegenseitig angenommen; heute muss sich dieses Einander-Annehmen ausweiten auf Menschen ganz anderer Denk- und Lebensweise und vielleicht auch ganz anderer Religion, die bei euch Arbeit und Schutz suchen, indem sie euch ihre Dienste - und ihre Menschlichkeit! - anbieten. Gewiss eine schwierige Aufgabe, aber nicht schwieriger als das bisher erreichte Zusammenwachsen der Eidgenossenschaft und ihrer vielfältigen Menschengruppen. Seht in euren Gästen zuallererst Menschen, die mit euch in den grundlegenden Freuden und Sorgen, Wünschen und Hoffnungen zuinnerst verbunden sind und euer eigenes menschliches Los teilen! 4. Nicht immer kann jedoch das Einander-Annehmen in lauter «Güte und Freundschaft» geschehen; oft fehlt das Verständnis, oft fehlt der gegenseitige Kontakt. Darum gilt der weitere Rat des heiligen Bruder Klaus: «Wenn es aber nicht in Freundschaft möchte geschlichtet werden, so lasst das Recht das beste sein.» Frieden beruht auf der Freundschaft, aber noch grundlegender auf der Gerechtigkeit. Der Schutz der Menschenrechte und der Einsatz für den Frieden gehören notwendig zusammen. Euer Staat rühmt sich, ein Rechtsstaat zu sein. Ein Rechtsstaat aber kann sich heute nicht bloss auf das bisher formulierte Recht stützen; den rasch sich wandelnden Verhältnissen entsprechend muss auch neues Recht geschaffen werden, ein Recht, das vor allem die Ungeschützten und Zurückgestellten verteidigt: das ungeborene Leben, die Jungen und die Alten, die Ausländer, die ausgebeutete Natur. Nehmt diese vordringlichen Aufgaben mutig in die Hand und versucht sie mit jener Weisheit zu lösen, von der Bruder Klaus sagt: «Weisheit ist das allerliebst deswegen, weil sie alle Ding zum besten anfangt.» Jedes Einander-Annehmen, geschehe es nun in der Freundschaft oder in weiser Gerechtigkeit, setzt die Bereitschaft zum Verzicht auf Eigenes voraus: Verzicht auf eigene Rechte, Verzicht auf Besserwissen, Verzicht auf ein kämpferisches Durchsetzen des eigenen Standpunktes. Der Friede ist ein so hohes Gut, dass er immer nur um den Preis persönlicher oder gemeinschaftlicher Opfer erkauft werden kann. 5. Brüder und Schwestern! Nikolaus von der Flüe erinnert uns auch an unsere Verantwortung für den Frieden in der Welt. Es gehört bereits zum 486 REISEN Grundauftrag der Kirche, das Reich Gottes zu verkünden, das ein Reich von «Gerechtigkeit, Frieden und Freude» ist. Dieses Evangelium des Friedens verkündigt die Kirche heute mit besonderem Nachdruck, angesichts der weltweiten Bedrohung unserer Tage. Politisch-ideologische Spannungen, Hunger und Verelendung, Überschuldung vieler Staaten, vielfältige Verletzung der Menschenrechte: diese Quellen von Angst bis hin zur Verzweiflung wirken sich heute weltweit aus und lassen auch die bessergestellten Völker nicht unbeeinflusst. Alle Völker müssen sich heute gemeinsam diesen Herausforderungen stellen und menschenwürdige, gerechte Auswege suchen. Auch die Kirche Christi ist bereit, ihren Beitrag dazu zu leisten. In den Botschaften zum jährlichen Weltfriedenstag, in vielfältigen Friedensinitiativen und Kontakten mit Politikern, Diplomaten und Wissenschaftlern sucht sie unermüdlich dafür zu werben, dass es in der heutigen Lage keine Alternative zu Dialog, Interessenausgleich und gerechten Vereinbarungen gibt. 6. Was die Schweiz und ihre Beziehungen zu anderen Staaten betrifft, so hat Bruder Klaus damals seinen Mitbürgern nach der Überlieferung diesen Rat gegeben: «Macht den Zaun nicht zu weit... Mischt euch nicht in fremde Händel.» Dieses Prinzip hat schliesslich zu eurer anerkannten und sicher verdienstvollen Neutralität geführt. In ihrem Schutz ist die kleine Schweiz heute zu einer Wirtschafts- und Finanzmacht geworden. Wacht als demokratisch verfasste Gemeinschaft aufmerksam über alle Vorgänge in dieser mächtigen Welt des Geldes! Auch die Finanzwelt ist Menschenwelt, unsere Welt, unser aller Gewissen unterworfen; auch zu ihr gehören ethische Grundsätze. Wacht vor allem darüber, dass ihr mit eurer Wirtschaft und eurem Bankwesen der Welt Friedensdienste leistet und nicht -vielleicht indirekt - zu Krieg und Unrecht in der Welt beitragt! Die schweizerische Neutralität ist ein hohes Gut; nutzt ihre Möglichkeiten weiterhin voll aus, um Flüchtlingen Asyl zu gewähren und um Hilfswerke zu fördern, die nur von einem neutralen Land aus möglich sind. Nicht wenige meiner eigenen Landsleute haben zu verschiedenen Zeiten in eurem Land Zuflucht gefunden - so zum Beispiel in einem Lager hier in Flüeli -, und immer wieder hört man mit Dankbarkeit von der raschen und grosszügigen Hilfe der Schweizer in Katastrophenfällen. Ja, «macht den Zaun nicht zu weit», aber scheut euch nicht, über den Zaun hinauszuschauen, macht die Sorgen anderer Völker zu euren eigenen und bietet über die Grenzen hinweg eine helfende Hand, und dies auch auf der Ebene eurer staatlichen Organe und Finanzmittel. Die internationalen 487 REISEN Organisationen mit Sitz in Genf bedeuten eine ehrende Verpflichtung für die ganze Schweiz und für jeden einzelnen Schweizer. 7. Liebe Brüder und Schwestern! Nikolaus von der Flüe mahnt uns zum Frieden im eigenen Land und zum Frieden in der Welt, er ermahnt uns aber vor allem zum Frieden im eigenen Herzen. Jesus preist in der Bergpredigt nicht einfach die Friedfertigen, sondern die Friedensstifter, jene, die mit dem Einsatz ihres ganzen Wesens «Frieden machen». Der Friede muss erarbeitet, erlitten, erbetet werden. Ein Mensch aber, der mit sich selbst uneins ist, der im inneren Unfrieden lebt, kann keinen Frieden stiften. Darum weist uns Bruder Klaus auf die tiefste Quelle allen Friedens hin, wenn er an den Rat von Bern schreibt: «Fried ist allweg in Gott, denn Gott ist der Fried.» Gott in der Einheit seiner drei Personen ist das Urbild und die Quelle allen Friedens; er schenkt uns diesen Frieden als erste Gabe der Erlösung, als Anfang der Herrschaft Gottes auf Erden, als Geschenk des Heiligen Geistes: «Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede,... Treue» (Gal 5,22). «Das Reich Gottes ... ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist» (Röm 14,17). Wir müssen dem Geist für seinen Frieden danken und ihn bitten, sein Wirken in uns noch zu vertiefen. Dann kann der Friede, den Gott in uns wirkt, aus dem Innersten unserer Person ausstrahlen und andere überzeugen. Im Frieden Jesu Christi, den die Welt nicht geben kann (vgl. Joh 14,27), können wir selbst echte Friedensstifter werden. In dieser Gesinnung sind wir heute zum heiligen Nikolaus von der Flüe gepilgert. Diesen Frieden «im Heiligen Geiste wollen wir uns mit seiner Fürsprache erbeten! Am Bruder Klaus haben sich in wunderbarer Weise die Worte der heutigen Liturgie erfüllt: «Wirf deine Sorge auf den Herrn, er hält dich aufrecht! Er lässt den Gerechten niemals wanken» (Ps 55,23). Und im Antwortpsalm hören wir geradezu unseren Heiligen beten: «Unsere Tage zu zählen, lehre uns (o Gott), damit wir ein weises Herz gewinnen!... Lass deine Knechte dein Walten sehen und ihre Kinder dein herrliches Tun!» (Ps 90,12.16). Ja, das «herrliche Tun» Gottes erblickt der heilige Mensch überall dort, wo wahrhaft Frieden gestiftet wird. Diese Botschaft brachten die Engel schon in der Nacht der Geburt des Herrn. Auf Schweizer Erde hat Bruder Klaus sie aufgenommen. Sein Friedenswerk hat er mit einem eindrucksvollen Zeugnis für die Ehre Gottes verbunden, die er seinen Landsleuten über Generationen hin bis heute vor Augen stellt. 488 REISEN 8. Im heutigen Evangelium spricht Christus zu Petrus und den anderen Aposteln: «Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Und wer um meines Namens willen Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder, Äcker und Häuser verlassen hat, wird das Hundertfache dafür erhalten und das ewige Leben gewinnen» (Mt 19,28.29). Seht, das ist Nikolaus von der Flüe, euer Landsmann! Vor 517 Jahren hat er um seiner Berufung willen seine Frau, seine Kinder, sein Haus, seine Äcker verlassen: Er hat die Worte des Evangeliums wörtlich genommen! In den Schweizer Kantonen hat sich sein Name eingeprägt: Er ist ein echter Zeuge Christi! Ein Mensch, der das Evangelium bis zum letzten Wort verwirklicht hat. Ehren wir auch seine Frau Dorothea: In einem durchlit-tenen Entschluss hat sie den Gatten freigegeben. Zu Recht trägt sie in den Augen vieler das heroische Lebenszeugnis des Bruders Klaus mit. So bleiben die heiligen Menschen im Volke Gottes wie ein lebendiges Beispiel des Weges, der Wahrheit und des Lebens, das Christus selber ist. Die Heiligen sind aber auch Richter: «Ihr werdet die zwölf Stämme Israels richten», so lautet das Evangelium. Ja, sie richten die Herzen, die Gewissen, unsere Taten. Sie richten die Lebensformen und Sitten. Sie richten die Generationen: vor allem die Generationen jenes Landes, aus dem Christus sie jeweils berufen hat. Söhne und Töchter der Schweiz! Nehmt das Beispiel des Bruders Klaus an, stellt euch unter sein Urteil! Unter seinem Beispiel und Urteil soll die Geschichte eures Landes vorangehen. Seit so vielen Generationen ist unter euch ein Mensch geistig gegenwärtig, der mit seinem ganzen irdischen Leben die Wirklichkeit des ewigen Lebens in Gott beikräftigt hat. Schaut auf ihn! Und schaut auf diese Wirklichkeit Gottes! Gebt ihr aufs neue Raum in eurem Bewusstsein, in eurem Verhalten, in eurem Gewissen, in eurem Herzen! «Unsere Tage zu zählen, lehre uns (o Gott), damit wir ein weises Herz gewinnen!... Lass deine Knechte dein Walten sehen und ihrelKinder dein herrliches Tun»: Das gewähre uns der himmlische Vater als ein besonderes Erbe vom heiligen Bruder Klaus, dem Patron eures Vaterlandes. Amen. 489 REISEN Die Sünde verblendet und führt in die Irre Gebet am Grab des hl. Nikolaus von Flüe in Sächseln am 14. Juni (Deutsch) 1. Mein Herr und mein Gott, grosses Vertrauen auf dein gütiges Wirken in unserer Zeit hat mich an diese heilige Stätte geführt. Von hier aus ist auf die Fürsprache des heiligen Bruder Klaus schon so viel Segen und Gnade für den Frieden ausgegangen. So viele Menschen erfahren heute das Unwesen der Sünde: Sie wendet von dir ab und verspricht den Menschen dafür die grosse Freiheit, das Glück und den Frieden. In Wirklichkeit aber bringt sie Egoismus, Konflikte, Unzufriedenheit und Unfrieden, Krieg und Vernichtung. Die Sünde verblendet den Menschen und führt in die Irre. Gott der Wahrheit und des Erbarmens, du hast uns deinen Sohn als unseren Erlöser gesandt, Freiwillig hat er den bitteren Karfreitag der ganzen Welt auf sich genommen und kraft deines allmächtig wirkenden Heiligen Geistes über Sünde und Tod gesiegt. Wie damals seinen verzagten Aposteln ruft uns auch heute der auferstandene Herr zu: «Der Friede sei mit euch!» 2. Mein Herr und mein Gott, an Pfingsten hast du deinen göttlichen Geist ausgegossen in die Herzen der Menschen: den Geist, der die Menschen aus verschiedenen Sprachen und Kulturen zur einen Sprache der Liebe und des Friedens, zur Gemeinschaft der Kirche zusammengeführt hat. Ergriffen von deinem pfingstlichen Wirken unter den Menschen, knie ich heute als Bittender am Grab des heiligen Bruder Klaus, den du in besonderer Weise zum Friedensstifter berufen hast. Im Vertrauen auf seine Fürsprache vereinige ich meine Gebete und Bitten um Frieden und Versöhnung unter den Menschen mit denen dieses grossen Heiligen. In schwerer Zeit hast du den heiligen Bruder Klaus berufen, «Gewissen» der Mitbürger zu sein und Frieden zu stiften. Dank deiner Führung wurde die Gemeinschaft der Ehe und Familie auf dem Flüeli zum Ort des Glaubens und des Gebetes. Dank deiner gütigen Vorsehung fand Bruder Klaus in Dorothea eine verständige Gattin, die mit ihm gerungen und gebetet hat um die Kraft, deinem göttlichen Willen zu gehorchen. Du hast Dorothea berufen, an Stelle ihres Gatten die Verantwortung für Familie, Haus und Hof zu übernehmen, damit der Weg des Heiügen frei werde für das Leben im Ranft, frei für das Gebet, frei für deinen Auftrag, Frieden zu stiften. 490 REISEN Gott, du Quelle des Friedens, zusammen mit den vielen Menschen, die hier um Frieden gebetet haben, danke ich dir für diesen grossen Fürsprecher und Vorkämpfer des Friedens, den heiligen Bruder Klaus. Wir danken dir für die Berufung von Menschen, die heute helfen, deinen Willen zu erkennen und zu erfüllen. Lass uns mit Bruder Klaus und seiner heilig-mässigen Frau Dorothea immer mehr einsehen, dass echte Versöhnung und dauerhafter Friede allein von dir kommt. Darum öffnen wir uns deinem Geist, indem wir dich für den Frieden im eigenen Herzen und den Frieden in der Welt mit dem Lieblingsgebet des Heiligen gemeinsam inständig bitten: Mein Herr und mein Gott, nimm alles von mir, was mich hindert zu dir. Mein Herr und mein Gott, gib alles mir, was mich führet zu dir. Mein Herr und mein Go.tt, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir. Amen. i Wie Maria offen sein für Christi Geist Predigt zur Laudes mit dem Benediktinerkonvent in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind an diesem neuen Morgen im Heiligtum Unserer Lieben Frau von Einsiedeln versammelt zum Lobe Gottes. Von Herzen grüsse ich die treuen Hüter dieses Gnadenortes, die Söhne des heiligen Benedikt und ihre ganze Klostergemeinschaft; ich grüsse diejenigen, die heute hierher gepilgert sind, wie auch alle jene, die zu Hause in ihren Familien diesen Gottesdienst mitfeiem. Im ersten Psalm haben wir soeben gesungen: «Gott, du mein Gott, dich suche ich; meine Seele dürstet nach dir... Darum halte ich Ausschau 491 REISEN nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen ...» (Ps 63,2.3). Die Stimme dieses Psalmes ist unsere Stimme: «Gott, du mein Gott, dich suche ich...»In jedem Menschenherzen ist diese Sehnsucht eingepflanzt - wenn sie auch manchmal verschüttet ist: die Sehnsucht nach einer uns für immer beglückenden Fülle des Lebens, die Sehnsucht nach Gott! Wenn unsere innere Stimme nicht übertönt wird, hören wir unser Herz nach einer Erfahrung Gottes rufen. Immer wieder kommen auf unsere Lippen die Worte des Psalmisten: «Gott, du mein Gott,... meine Seele dürstet nach dir...» Wir suchen ein Glück, das es nur in ihm zu finden gibt. Gott lässt sich jedoch nicht erfahren, wie man die Dinge der Natur erfahrt. Deshalb halten wir wie der Psalmist Ausschau nach ihm in seinem «Heiligtum». Wir können Gott nur im Glauben begegnen. Jesaja spricht in der heutigen Lesung von seiner eigenen, persönlichen Gotteserfahrung. Er schaut auf geheimnisvolle Weise den heiligen Gott und hört den Preisgesang: «Heilig, heilig, heilig ist der Herr!» (Jes 6,3). Als Mensch erlebt er den heiligen, ehrfürchtgebietenden Gott und zugleich seine eigene Sündhaftigkeit: «Wehe mir!» Die Erfahrung der Nähe Gottes ist für den Menschen eine Grenzerfahrung. Aber der Prophet vernimmt sogleich das verzeihende Wort: «Deine Schuld ist getilgt!» (ebd., 6,5-7). Die Nähe des heiligen Gottes ist eine liebende und heilende Nähe. Eine beglückende Erfahrung: Wen Gott in seine Nähe ruft, den heilt er! 2. An diesem Morgen halten wir wie der Psalmist gemeinsam Ausschau nach Gott im Heiligtum Marias. Mehr noch als der Prophet Jesaja erlebte Maria, was es heisst, die Nähe Gottes erfahren zu dürfen. Maria ist die Jungfrau, deren Herz nicht geteilt ist; sie sorgt sich nur um die Sache des Herrn und will ihm allein gefallen in ihrem Tun und Denken (vgl. 1 Kor 7,32-34). Gleichzeitig empfindet jedoch auch sie heilige Scheu vor Gott und «erschrickt» über die Worte des Gottesboten. Diese Jungfrau hat Gott auserwählt und geheiligt als Wohnung seines ewigen Wortes. Maria, die erhabene Tochter Zion, erfuhr wie niemand sonst, wie nahe die «Macht und Herrlichkeit» Gottes ist. Sie ruft voller dankbarer Freude aus im Magnifikat: «Meine Seele preist die Grösse des Herrn ... Der Mächtige hat Grosses an mir getan. Sein Name ist heilig.» Maria ist sich zugleich ihrer Geschöpflichkeit zutiefst bewusst: «Auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut.» Sie weiss, dass alle Geschlechter sie seligpreisen werden (vgl. Lk 1,46-49), aber sie weist von sich weg auf Jesus hin: «Tut, was er euch sagt!» (Joh 2,5). Sie kümmert sich um die Sache des Herrn. In einer immer neu geforderten Verfügbarkeit für ihren Gott ging Maria den «Pil- 492 REISEN gerweg des Glaubens» (Lumen gentium, Nr. 58). Die Jungfrau von Naza-ret hat das unbegreifliche Handeln Gottes mit den Augen des Glaubens betrachtet. Zweimal betont Lukas, dass sie «in ihrem Herzen» bedachte, was sich ereignet hatte (Lk 2,19.51). Solcher Glaube wird seliggepriesen: «Selig ist, die geglaubt hat...» (vgl. Lk 1,45). i 3. Liebe Brüder und Schwestern! Folgt dem Pilgerweg des Glaubens, den Maria gegangen ist! Öffnet wie sie euer Herz ganz für die Sache des Herrn! Ich richte diese Einladung an alle, an Bischöfe, Priester und Diakone, an Ordensleute und Laien, an Männer und Frauen. In uns allen lebt ja die tiefe Sehnsucht der Menschen nach der Erfahrung des lebendigen Gottes. Diese Sehnsucht hat immer wieder Menschen auf den Weg gläubiger Christusnachfolge gerufen. Ist dieses Marienheiligtum nicht geprägt von der Sehnsucht zahlloser Pilger im Glauben nach der Erfahrung von Gottes Gegenwart in dieser Welt? Hier durften diese suchenden Menschen ein-treten in eine Atmosphäre des Gebetes. An dieser Stätte hat der heilige Einsiedler Meinrad (t 861) in der Stille Gott gesucht. Heilige pilgerten hierher: die Bischöfe Ulrich (f 983), Wolfgang (f 994) und Konrad (f 995), die Pilgerin Dorothea von Montau (um 1384), der Beter Nikolaus von Flüe (um 1474), der Erneuerer des kirchlichen Lebens; Karl Borro-mäus (1570), der Glaubenslehrer Petrus Canisius (f 1597), der Büsser Benedikt Josef Labre (f 1783), die Helferin der Armen Johanna Antida Thouret (1795) und unzählige namenlose Heilige. Sie und alle Pilger waren sich ihrer Hilfsbedürftigkeit und Sündhaftigkeit bewüsst. Zusammen mit Maria, der Mutter Jesu, verharrten sie hier im Gebet, offen für Gott und seinen Geist. So wird Glaube weitergegeben: der lebendige Glaube des Gebetes, die persönliche Erfahrung mit Gott. Wer die Gemeinschaft von Glaubenden aufsucht, im besonderen wer sich Maria nähert, tritt in eine Atmosphäre des Geistes ein. Maria erhielt ja vom Engel die Zusage der Gnade! und des Geistes (vgl. Lk 1,28.35). Wie Maria wollen wir offen sein für Gottes Geist, damit wir seine Kraft erfahren, die uns ausrüstet für den Dienst und das Zeugnis, zu dem wir berufen sind. 4. Liebe Brüder und Schwestern! Sorgt euch um die Sache des Herrn! Haltet Ausschau nach dem heiligen Gott! Ich erinnere noch einmal an die Berufungsvision des Propheten Jesaja. In der persönlichen Erfahrung des dreimalheiligen Gottes wurzelt seine Sendung zu den Menschen. Er wird fähig, die Stimme des Herrn zu hören. Er vernimmt die Frage nach der Bereitschaft zum prophetischen Dienst. Und er gibt seine Zustimmung 493 REISEN zur Sendung, die von oben kommt: «Hier bin ich, sende mich!» (Jes 6,8). Nun erhält er den Auftrag: «Geh und sag diesem Volk: Hören sollt ihr...» (vgl. Jes 6,8-9). Der Prophet wird von Gott bedingungslos in Dienst genommen. Er steht fortan ungeteilt auf der Seite Gottes. Aber er wird auch solidarisch bleiben mit dem Volk, zu dem er gesandt ist. Auch Maria hat zunächst die Nähe des Herrn erfahren dürfen: «Der Herr ist mit dir!» Sie hat die Zusage der Gnade erhalten, bevor sie um ihre Bereitschaft zu der einmaligen Sendung gefragt wurde, Mutter des Messias zu werden. Darauf gibt sie ihr vorbehaltloses Ja zu ihrer Mitwirkung im Heilswerk Gottes: «Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast» (Lk 1,28.30). Sie handelt überlegt; aber auch sie setzt keine Bedingungen. Sie ist dienstbereit, weil sie den heiligen Gott nahe weiss. Mit Geduld geht sie den «Pilgerweg des Glaubens» bis unter das Kreuz ihres Sohnes. Auf diesem Weg ist sie ganz solidarisch mit uns: eine mitfühlende Mutter und Schwester. Nehmen wir, liebe Brüder und Schwestern, uns Maria, die Mutter Jesu, die zugleich die Mutter der Kirche und unsere Mutter ist, zu unserem Vorbild und zu unserer Weggefährtin auf dem Weg unserer irdischen Pilgerschaft! In allen Situationen unseres Lebens wollen wir mit ihr Ausschau halten nach dem heiligen Gott, der immer anders und grösser ist als wir, der uns aber doch stets geheimnisvoll nahe ist und uns liebt. Im Blick auf diesen Gott, der in Christus unser Vater geworden ist, sprechen auch wir: «Hier bin ich, sende mich!» - «Mir geschehe nach deinem Wort!» Im Dienst vor Gott und im Dienst an den Menschen. Amen. Daß die Kirche in diesem Land erstarke! Gebet an die Muttergottes in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Sei gegrüsst, Maria, Unsere Liebe Frau von Einsiedeln! 1. Wir grüssen dich, wie dich einst Elisabeth gegrüsst hat: «Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen, und gesegnet ist die Frucht deines Leibes ... Selig ist die, die geglaubt hat, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen liess» (Lk 1,42). Wir grüssen dich, vielgeliebte Tochter des himmlischen Vaters, Mutter 494 REISEN des Sohnes Gottes, Heiligtum des Heiligen Geistes. Du hast bei Gott Gnade gefunden. Der Heilige Geist kam über dich und die Kraft des Höchsten hat dich überschattet (vgl. Lk 1,30.35). Du bist diei«Frau», die den «Sohn geboren» hat (Gal 4,4), den Gott zum «Erstgeborenen von vielen Brüdern» bestellt hat (Röm 8,29), denen du in mütterlicher Liebe nahe bist. Wir grüssen dich, erhabene Tochter Zion. Du bist den «Pilgerweg des Glaubens» gegangen (Lumen gentium, Nr. 58), bis du unter dem Kreuz deines Sohnes standest. So entsprach es dem Heilswillen Gottes, den du von ganzem Herzen bejaht hast. Als mitfühlende Mutter hast du mit deinem Sohn gelitten, als er sich ein für allemal für uns dem Vater dargebracht hat (vgl. Hebr 7,27). Wir grüssen dich, Mutter unseres Herrn Jesus Christus. Als! Jesus - am Kreuz erhöht - dich sah, sagte er im Blick auf Johannes zu dir:- «Frau, sieh, dein Sohn!» (Joh 19,26). Mit den Aposteln, mit den Frauen und den Brüdern einmütig im Gebet verharrend, hast du für die Kirche um die Gabe des Heftigen Geistes gefleht. Dieser Geist gab den Aposteln und allen Glaubensboten die Kraft, die Sendung auszuführen, die der Herr ihnen anvertraut hat: «Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern!» (Mt 28,19). Allerseligste Jungfrau Maria, du demütige Magd des Herrn! In deinem gläubigen Gehorsam und deiner Treue zu Christus, in deiner standhaften Haltung und mütterlichen Liebe bist du das «Urbild der Kirche» (Lumen gentium, Nr. 63), die durch deinen Sohn von Gott erlöst und begnadet ist. Zugleich bist du selbst ihr erlesenstes Glied und weiltest inmitten der Apostel, die am Tag der Sendung des Geistes Menschen «aus allen Völkern unter dem Himmeb> (Apg 2,5) durch ihre Predigt zu Umkehr und Taufe geführt und der Gemeinschaft der Glaubenden hinzugefügt wurden (vgl. Apg 2,4.14.38.41). 2. Da mir aufgetragen ist, der Kirche von Rom als Bischof vorzustehen, die auf die Apostel Petrus und Paulus gegründet und dazu berufen ist, den «Vorsitz in der Liebe» zu führen (vgl. Ignatius v. Ant., Röm: 1), empfehle ich dir, Mutter des Herrn, heute dieses Land, die Schweiz, wo ich durch meinen Pastoralbesuch den mir übertragenen Petrusdienst an der Einheit der Kirche zu erfüllen suche. Ich reihe mich ein in die Schar der vielen Pilger, die in diesem deinem Heiügtum und an anderen Gnadenorten dich ehren und zu dir ihre Zuflucht nehmen. Sie alle empfehle ich deiner mütterlichen Sorge und deinem Schutz, wie ich dir die ganze Kirche und alle Menschen anvertraut habe. 495 REISEN Mutter Gottes und Mutter der Menschen, «empfiehl uns deinem Sohne, stelle uns vor deinem Sohne!» Er ist unser Mittler und Beistand beim Vater. Wir bitten dich, Mutter unseres Erlösers, lege in der Herrlichkeit des Himmels Fürbitte ein für uns bei deinem Sohn: - dass die Kirche in diesem Land erstarke in der Treue zu Christus: (Alle: Wir bitten dich, erhöre uns) - dass alle bereitwillig ja sagen zur Sendung, die ihnen in der Kirche, in der Familie oder in der Welt aufgetragen ist; ... - dass sich die Einheit des Geistes unter den Christen erneuere; ... - dass alle, die an Leib und Seele leiden, Hilfe und Trost finden; ... - dass alle Völker und Menschen in Freiheit und Frieden leben können; - dass das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit zu uns komme;... Maria, Mutter der Kirche, Unsere Liebe Frau von Einsiedeln, bitte für uns! Amen. Ist die Heiligung der Menschen erste Zielsetzung der Seelsorge? Ansprache an die Schweizer Bischofskonferenz in Einsiedeln am 15. Juni (Französisch) Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Unsere Begegnung fallt mitten in meinen Pastoralbesuch. Oder besser: Sie steht in dessen Zentrum. Dieser Meinungsaustausch ist ja in gewisser Hinsicht der wichtigste Augenblick: Wir Bischöfe bekunden uns gegenseitig unsere Brüderlichkeit und unsere gemeinsame Sorge um die Verkündigung des Evangeliums an die uns anvertrauten Menschen. Alles, was ich hier unternehme - mit meiner besonderen Verantwortung als Bischof von Rom an der Spitze des Bischofskollegiums -, tue ich mit euch und für euch, die ihr die tägliche Sorge für diese Kirche mit ihren Leiden und Freuden tragt. Ich hoffe, dass das eine Hilfe und eine Ermutigung für euch sein wird, und ich selbst freue mich, das Zeugnis eurer Schweizerischen Gemeinschaft mit ihren verschiedenen Gesichtem zu erhalten. Bei eurem ad-limina-Besuch im Juli 1982 hatte ich mit euch eine Reihe von Forderungen erörtert, deren ihr selbst euch sehr wohl bewusst wart 496 REISEN und die Bedeutung behalten. Ich brauche das Gespräch von damals heute nicht wieder aufzunehmen. Im übrigen haben wir gerade vorhin unsere Gedanken zu einigen entscheidenden Punkten ausgetauscht, die Gläubige und Bischöfe hier besonders bewegen und bei denen es um bedeutungsvolle Fragen geht: dazu gehören unter anderem die bischöfliche Kollegialität in ihren Beziehungen zum Heiligen Stuhl; die Verantwortlichkeiten der Laien in der Kirche, die Praxis des Busssakraments, einige besondere Aspekte der Liturgie, das Problem der Priesterausbildung in den Seminaren sowie Fragen im Zusammenhang mit der ökumenischen Entwicklung. Wir haben miteinander über die für diese Bereiche geeigneten Richtlinien gesprochen. Einige dieser Probleme sollen anlässlich weiterer Begegnungen ausführlicher behandelt werden. Bei diesem Gespräch hier soll vor allem die Frage der Kollegialität im Blickfeld unserer Aufmerksamkeit stehen und sodann die Ihrer Autorität als Bischöfe. Und als Brüder wollen wir uns insbesondere mit dem wichtigen Problem der Evangelisierung in der Kirche und in der Gesellschaft beschäftigen. Zuvor möchte ich euch sagen, wie sehr ich die Loyalität und Klarheit eurer Vorstösse beim Heiligen Stuhl zu schätzen weiss. Die Probleme, die ihr anführt, oder die Fragen, die ihr stellt, werden mit aller Klarheit beschrieben. Im Jahr 1982 habt ihr einen emstzunehmenden und anspruchsvollen Kontakt zu den meisten vatikanischen: Amtsstellen gesucht; dann habt ihr eure Überlegungen mitgeteilt in der Absicht, im gegenseitigen Verständnis voranzukommen, dem Heiligen; Stuhl Gelegenheit zu geben, die Zuspitzung bestimmter Probleme bei euch zu begreifen, und es ihm auch zu ermöglichen, andererseits mit euch über das zu reden, was im Hinblick auf die lebendige Tradition im Lauf der Jahrhunderte für die Gesamtkirche wesentlich ist. Ich weiss, dass ihr die Etappen dieser Reise mit grosser Sorgfalt vorbereitet habt. Bisweilen wurde die Planung da und dort von Ereignissen oder Kontakten, denen auch Platz eingeräumt werden muss, durcheinandergebracht. Es gilt halt manchmal, der Spontaneität der Herzen freien Lauf zu lassen. Ich bin euch dankbar für das, was ihr getan habt, um euren Gläubigen und dem Schweizer Volk die geistliche und menschliche Rolle des Papstes und den Sinn dieses Pastoralbesuches verständlich zu machen. Es ist vorgekommen, dass ihr unter gewissen Reaktionen in eurer Umgebung zu leiden hattet. Wie der heilige Petrus in seinem ersten Brief schrieb, muss man es mitunter hinnehmen, dass man nicht verstanden wird: «Wenn ihr euch voll Eifer um das Gute bemüht... Fürchtet euch nicht vor ihnen und lasst euch nicht erschrecken ... Seid stets bereit, 497 REISEN jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig» (1 Petr 3,13.14-16). Sicher, wir sollen uns immer darum bemühen, die «Runzeln» von unserer Kirche zu beseitigen, sie heiliger, mit dem Glauben an Christus den Erlöser und mit einer grossen Demut übereinstimmender zu machen; und wir sollen auch bei den anderen das Gute und die christlichen Tugenden anerkennen, überall wo sie am Werk sind, und uns sogar darüber freuen. Das geht Hand in Hand mit der Treue zu dem, was für unsere katholische Identität wesentlich ist und was wir gerade in Ehrfurcht vor dem Gewissen aller gelassen bekräftigen und entfalten sollen. Und manchmal werden wir unter unserer Treue zu leiden haben, wie es der Bischof von Rom erlebt, wie es die Apostel und die Kirche aller Zeiten erlebt haben, wie Christus, der diese Prüfung bis zum Äussersten erfahren hat. Hier nun erweist sich die Gemeinschaft, die uns verbindet, die euch mit dem Nachfolger Petri verbindet, als grundlegend, eine Gemeinschaft in Liebe und Suche nach der Wahrheit mit dem Freimut, dem Vertrauen und der Geduld, die dies voraussetzt. 2. Ihr Bischöfe der Schweiz lebt unter euch bereits eine Form kollegialer Zusammenarbeit. Schon lange vor dem Zweiten Vatikanum, das die Bischofskonferenzen aufgewertet hat, seit dem vorigen Jahrhundert sind die Schweizer Bischöfe regelmässig - oft hier in Einsiedeln - zusammengekommen. Das Empfinden eurer Bevölkerung weist sicher grosse Unterschiede auf, aber es gibt doch recht verwandte Pastoralprobleme, und es ist angebracht, dass ihr eure Überlegungen und bestimmte seelsorgliche Mögüchkeiten gemeinsam besprecht und in den entscheidenden Punkten ähnliche oder sogar gemeinsame Massnahmen ergreift. In eurer zahlen-mässig kleinen Bischofskonferenz ist es zudem für euch leicht, eure Meinung zu äussern, eure Verantwortung auszuüben, wie ich mich heute selbst überzeugen kann. Die Aufgaben, die im Dienst der Gesamtheit wahrgenommen werden müssen, sind freilich zahlreich und schwer. Kommissionen leisten euch nützliche Hilfe im Sinne der Beratung; sie können jedoch aus sich selbst heraus weder eure Verantwortung noch eure Autorität besitzen und müssen, immer in enger Verbindung mit euch, darauf achten, den tatsächlichen geistlichen Bedürfnissen aller im Rahmen der allgemeinen Normen der Kirche zu entsprechen. Aber die Kollegialität im engeren Sinn ist mehr als eure Zusammenarbeit untereinander. Sie verbindet alle Bischöfe untereinander und mit dem Nachfolger Petri, um die Glaubenslehre zu lehren, die gemeinsame Kirchenordnung zu vollziehen und den Bedürfnissen und der Entfaltung der 498 REISEN Gesamtkirche gerecht zu werden. Sie leitet sich von der Kollegialität der Zwölf her, die um Petrus vereint waren, fährt sie weiter und wird auf ähnliche Weise ausgeübt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat sie in grundlegenden Texten, besonders in der Konstitution Lumen gentium, dargelegt. Es ist wichtig, unsere Priester und Gläubigen einzuladen, diese Texte wieder zu lesen, zu studieren und darüber nachzudenken. Die Solidarität der Bischöfe wird dort sehr nachdrücklich unterstrichen durch die Ausdrücke Bischofskollegium, Gremium bzw. der Bischöfe und hierarchische Gemeinschaft aller Bischöfe mit dem Papst; (vgl. Erläuternde Vorbemerkung zum Kap. III von Lumen gentium, Nr. 4). Unsere Kollegialität ist affektiv: Die brüderlichen, vertrauensvollen Beziehungen sollen darin stets einen breiten Raum einnehmen, wie es für Jünger Christi normal ist, dessen erstes und wichtigstes Gebot lautet, die Liebe und die Einheit zu leben: das ist sein Testament. Zugleich ist unsere Kollegialität effektiv: sie setzt die Gemeinsamkeit im Denken hinsichtlich der Lehre und die Gemeinsamkeit des Willens im Hinblick auf den grossen Sendungsauftrag der Kirche voraus. Von Kollegialität sprechen heisst also eure vollkommene Solidarität mit dem Haupt des Kollegiums betonen und damit eure Verantwortung in der Gesamtheit des Kollegiums, die ihr in dem Bewusstsein wahmehmt, dass eure offiziellen Erklärungen, eure Aktionen, eure Weisungen, die Art und Weise, euer Bischofsamt in der Schweiz auszuüben, notwendigerweise auch «für die anderen sind», deren seelsorglichen Einsatz sie mitprägen. «Als Glieder des Bischofskollegiums ... sind (die einzelnen Bischöfe) zur Sorge für die Gesamtkirche aufgerufen... Diese Sorge trägt im höchsten Masse zum Wohl der Gesamtkirche bei. Alle Bischöfe sollen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen sowie die Gläubigen zur Liebe zum ganzen mystischen Leib Christi anleiten ...» (Lumen gentium, Nr. 23). So werdet ihr das Wohl der Teilkirche sicherstellen, wo ihr das sichtbare Prinzip und Fundament der Einheit seid (vgl. ebd.). Hier kann es manchmal eine gewisse Spannung geben zwischen Wünschen oder Bedürfnissen, die von den Christen an der Basis aufgrund besonderer; oder neuer Umstände oder Empfindungen erfahren werden auf der einen und den vom Lehramt der ganzen Kirche ausgesprochenen Prinzipien oder Weisungen auf der anderen Seite. Dieses Problem gleicht dem der Inkulturation in den jungen Kirchen. Es stimmt im übrigen, dass die Christen an Ort und Stelle und ihre Bischöfe doch wohl am ehesten die geeignete Form finden werden, um diese Prinzipien mit überzeugenden Begründungen oder genauen Anwendungen geltend zu machen. Es stimmt auch, dass sie 499 REISEN stärker dem Druck der Umwelt und von Meinungen und Handlungsweisen ausgesetzt sind, die nicht notwendigerweise vom Glauben herrühren oder die nicht alle mit ihm im Zusammenhang stehen. Die Gesamtkirche, zumal der Bischof von Rom mit den Amtsstellen des Apostolischen Stuhles, leistet da den unschätzbaren Dienst - vielleicht manchmal in mehr allgemein gehaltener Sprache und durch Verfügungen, die weniger auf besondere Umstände bezogen sind -, den sicheren Weg vorzuzeichnen, der sich auf die lebendige Überlieferung stützt, die verschiedenen Aspekte des christlichen Mysteriums und der christlichen Ethik berücksichtigt, Vereinfachungen und Klippen vermeidet und alle Kirchen solidarisch zusammenhält. Das hatz. B. die Bischofssynode von 1980 getan, und das Apostolische Schreiben Familiaris consortio hat das Wesentliche dieser Arbeit übernommen, um die Eheprobleme zu klären und das Vorgehen der Bischöfe und der Gläubigen in der Welt zu bestimmen. In gleicher Weise hat die letzte Synode die Reflexion über die Busse und das Sakrament der Versöhnung weitergebracht; das entsprechende Dokument wird zur Zeit unter Beteiligung des Generalsekretariats der Synode vorbereitet. Das einzige Klima, das sich für diese Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und den Teilkirchen empfiehlt, ist das des Dialogs, des Vertrauens, der Bereitschaft, der vollen Gemeinschaft - cum Petro et sub Petro - in dem, was reiflich überlegt, beschlossen und für die Gesamtkirche angenommen wurde. Und dessen Zeugen und Urheber seid in erster Linie ihr, liebe Brüder. Ja, wir wollen ständig für die Erhaltung dieses Klimas arbeiten. Man darf nicht versäumen, häufig die Gründe für die Praxis der Kirche zu erläutern, woium ihr euch ja bemüht. Schliesslich kommt es darauf an, das christliche Volk aufzufordem, seine Aufmerksamkeit nicht nur auf die Pastoralen Methoden zu konzentrieren, sondern auf das Ziel, das Jesus seiner Kirche gesteckt hat, und auf den Geist der Verkündigung des Evangeliums. So gesehen bleibt jeder ernsthafte Christ wirklich demütig und sucht sich dem Heiligen Geist und der Gesamtheit seiner Brüder zu öffnen, die überall in der Welt «ihre allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äussem» (Lumen gentium, Nr. 12). 3. (Worauf es bei der Evangelisierung ankommt) Darum sollen wir immer wieder uns selbst und unseren Christen die grundlegenden Fragen stellen: Wird mit unserer Verhaltensweise Jesus Christus ob gelegen oder ungelegen in Respekt vor den Personen und Gruppen verkündet, um die Echtheit des Glaubensaktes in Freiheit, aber klar und unerschrocken zu gewährleisten entsprechend den letzten Wor- 500 REISEN ten Christi an seine Apostel: «Geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern» (Mt 28,19-20)? Richtet sich das: Gebet wirklich an Gott im Bestreben, seinen Willen zu suchen und anzunehmen? Ist die Heiligung der Menschen die erste Zielsetzung der Seelsorge? Steht man zur Wahrheit auch um den Preis des Kreuzes und von Verzichten? Sind sich die Diener Christi ihrer gewaltigen Sendung bewusst, im Namen Christi zu sprechen und zu handeln? Wird die Kirche in solidarischer Weise als Leib Christi auferbaut? Sind diejenigen, die eine engagierte Stellung in der Kirche einnehmen und denen darin die sozialen Kommunikationsmittel oder andere Verantwortlichkeiten übertragen sind, offen für das, was die anderen Christen denken und fühlen, die sich weniger äus-sem, obwohl sie vielleicht die Mehrheit darstellen? Erwägt man wirklich ausgewogen die Tragweite, die Grenzen und sämtliche Folgen der praktischen Massnahmen, die man den anderen Gemeindegliedem vorschlagen möchte? Wie steht es mit dem Frieden, der Einheit, der Liebe zwischen den Jüngern Christi? Liebe Brüder, angesichts der Prüfüngen, die die Kirche heute! durchmacht - das Phänomen der Säkularisierung, die den Glauben zu zerstören oder an den Rand zu drängen droht, der Mangel an Priester- und Ordensberufen, die Schwierigkeiten für die Familien, die Ehe christlich zu leben -, wollen wir an die Notwendigkeit des Gebets erinnern. Die Gnaden der Erneuerung oder der Umkehr werden nur einer betenden Kirche zuteil. In Getsemani betete Jesus, dass sein Leiden und Sterben dem Willen des Vaters entspreche zum Heil der Welt; er bat seine Apostel, zu wachen und zu beten, um nicht in Versuchung zu geraten (vgl. Mt 26,41). Leiten wir unser christliches Volk, die einzelnen Menschen und die Gemeinden an, im Verein mit Maria inständig zum Herrn zu beten. 4. (Die Autorität der Bischöfe) Um uns die Erfüllung unserer Sendung als Hirten zu ermöglichen, wollte Christus, dass wir über die für den Dienst an der Wahrheit notwendige Autorität verfügen. Vorangehen, führen, den Weg weisen; uns darum kümmern, dass dieser für alle offen und doch authentisch bleibt, klarstellen, beschwichtigen, sammeln - das ist unser tägliches Brot. Das Konzil sagte in bezug auf die Laien: «Den geweihten Hirten sollen sie ihre Bedürfnisse und Wünsche mit der Freiheit und dem Vertrauen, wie es den Kindern Gottes und den Brüdern in Christus ansteht, eröffnen. Entsprechend dem Wissen, der Zuständigkeit und der hervorragenden Stellung, die sie einnehmen, haben sie die Möglichkeit, bisweilen auch die Pflicht, ihre Meinung in dem, was das Wohl der Kirche angeht, zu erklä- 501 REISEN ren. Gegebenenfalls soll das durch die dazu von der Kirche festgesetzten Einrichtungen geschehen, immer in Wahrhaftigkeit, Mut und Klugheit, mit Ehrfurcht und Liebe gegenüber denen, die aufgrund ihres geweihten Amtes die Stelle Christi vertreten» (Lumen gentium, Nr. 37). Im selben Sinn fuhr die Konstitution Lumen gentium fort: «Die Laien sollen das, was die geweihten Hirten in Stellvertretung Christi als Lehrer und Leiter in der Kirche festsetzen, in christlichem Gehorsam bereitwillig aufnehmen» (ebd.). Ja, die Einheit mit dem Bischof ist die unerlässliche Vorbedingung für die Haltung des gläubigen Katholiken. Und man kann nicht vorgeben, mit dem Papst zu sein, ohne auch zu den ihm verbundenen Bischöfen zu stehen, oder aber mit den Bischöfen zu sein, ohne zum Haupt des Bischofskollegiums zu stehen. Was die von den Gläubigen aufgeworfenen Fragen betrifft, muss man es hinnehmen, dass trotz des Erbarmens, das stets die Regel sein muss und das Erbarmen Gottes widerspiegelt, manche dieser Fragen und Probleme ohne befriedigende Lösungen bleiben, weil es der Charakter der Probleme selbst ist, der das verhindert. Ich denke an bestimmte Fälle von geschiedenen Eheleuten oder von Priestern, auch an manche Situationen von konfessionsverschiedenen Ehen. In all den Fällen muss man helfen, eine vertiefte geistliche Haltung zu finden, die auf ihre Weise von der Wahrheit Zeugnis gibt. Hier will ich mich nicht näher über eure Rolle im Verhältnis zu den Priestern, Laien, Ordensleuten äussem, da ich Gelegenheit habe, in eurer Gegenwart direkt mit ihnen zu sprechen. Was aber die Priesteramtskandidaten betrifft, so ermuntere ich euch herzlich zu dem, was ihr für die Wek-kung von Berufungen zu tun sucht: Seien wir überzeugt, dass es nicht an Berufüngen fehlen wird, aber dass gleichzeitig diese jungen Leute, die von dem Verlangen beseelt sind, sich dem ausschliesslichen Dienst Christi und seiner Kirche hinzugeben, nach einer echten Ausbildung streben. Die Versuche einer «Klerikalisierung des Laienstandes» oder einer «Laisierung des Klerus» - um gewisse Tendenzen freimütig beim Namen zu nennen - sind bei der Ausübung des kirchlichen Dienstes wie beim Wecken von Berufüngen zum Scheitern verurteilt. Die vom Zweiten Vatikanum vorgezeichnete klare Linie muss alle leiten, denen die schwere Verantwortung der Weckung von Berufüngen obliegt. Und dasselbe gilt naturgemäss auch für die spirituelle, liturgische, pastorale - ebenso wie für die theologische - Ausbildung. Diese soll man den Seminaristen in einer Gemeinschaft vermitteln, die einzig und allein auf das priesterliche Leben ausgerichtet ist mit all seinen Anforderungen, die es kennzeichnen und denen 502 REISEN man sich nicht entziehen kann. Wir haben gerade vorhin über dieses Problem gesprochen. Die Kirche empfiehlt den Diözesanbischöfen stets, die Seminare gleichsam als die Pupillen ihrer Augen zu betrachten. 5. (Christliche Hoffnung) Als Prinzip der Einheit ihrer Diözesangemeinde sind die Bischöfe zusammen mit dieser Gemeinde Zeugen der christlichen Hoffnung inmitten ihres ganzen Volkes, damit das verkündete und gelebte Evangelium dort als eine Frohbotschaft, als ein Heil erscheint. Die Gesellschaft eures Landes lebt sicher schon viele menschliche und christliche Werte, die in diesen Tagen oft angesprochen worden sind: Arbeitseifer, weithin anerkannte Disziplin, Mitverantwortung der Bürger, Rechtschaffenheit, Klugheit, bereitwillige Aufnahme von Ausländem, Armen und Flüchtligen, Grossherzigkeit für die Dritte Welt und humanitäre Hilfswerke, Abscheu vor Gewalt, Friedensliebe, Ehrfurcht gegenüber den anderen bei all ihrer Verschiedenheit... Es ist Aufgabe der Kirche, gestützt auf diese Werte, die ja ihre Wurzeln in der christlichen Geschichte haben, die geistigen Motive und die höchsten Anforderungen solcher Verhaltensweisen entdecken zu lassen, ihren Sinn zu vertiefen und ihre Tragweite zu erweitern. Und ich weiss, liebe Brüder, dass das eure ständige Sorge ist; eine Reihe eurer Dokumente und Eingaben zeugen davon, erst vor kurzem auch wieder. Ihr fordert z. B. dazu auf, von der Philanthropie zur Nächstenliebe überzugehen, vom Mitleid mit dem Elend zur Ehrfurcht vor der menschlichen Würde, ja zur Liebe zum Menschen als eines Ebenbildes Gottes, zur Erkenntnis Christi, der will, dass ihm im geringsten der Seinen gedient werde. Ihr möchtet, dass zum Asyl, das den Zuwanderern oder Flüchtlingen gewährt wird, die Herzlichkeit und Wärme des brüderlichen Verständnisses, der Freundschaft, der Zusammenarbeit hinzukomme. Ihr achtet darauf, dass man in diesem Bereich die Forderungen der sozialen Gerechtigkeit und die verschiedenen Menschenrechte nicht vernachlässigt. Ihr tragt dazu bei, den Geist und das Herz für die grossen Probleme der Welt und für die Plagen und Nöte zu öffnen, die andere Umwelten und andere Völker heimsuchen: Hunger, Drogen, Bruderkriege. Die fundamentale Bedeutung der Kinder- und Jugenderziehung lässt euch zusammen mit den Eltern nach den geeignetsten Mitteln und Möglichkeiten suchen, um diese Erziehung nicht nur durch die Katechese, sondern durch katholische Schulen und andere Erziehungseinrichtungen sicherzustellen. Schliesslich seid ihr stets auf die Werte der Familie bedacht, die auf eine harte Probe gestellt werden, wenn die Liebe von Braut- und Ehepaaren auf 503 REISEN der Suche nach unmittelbarem Vergnügen für sich in egoistischer Weise gelebt wird und keine endgültige Bindung an die Person des Partners und die aus der Verbindung hervorgegangenen Kinder vorhanden ist. Ihr fühlt das dringende Bedürfnis, zu dieser Treue wie zur hochherzigen Annahme des Lebens zu erziehen. Es wäre denn auch ein Widerspruch, wollte man den Unterernährten der Welt Hilfe bringen, nicht aber bei sich selbst das Leben des Kindes im Mutterleib vom Augenblick der Empfängnis an oder den Wert des sich zu Ende neigenden Lebens bis zum natürlichen Tod respektieren. Alle diese sittlichen Forderungen werden in einer Gesellschaft, der die religiösen Motive zur Ehrfurcht vor dem Menschen verlorengehen, nicht immer verstanden und angenommen; sie können sogar Auflehnung aus-lösen oder Anklagen, man mische sich in die Politik ein. Doch letzten Endes wird man den Mut der Kirche anerkennen, wenn man einmal begreift, dass sie zutiefst die Würde des Menschen, seine Freiheit und seine Hoffnung verteidigt. Dazu muss man, wie ihr wisst, die öffentliche Meinung auf die grossen damit verbundenen menschlichen Anliegen aufmerksam machen. Christen dürfen diese moralischen Forderungen niemals von den Bedingungen des geistlichen Fortschritts des Menschen trennen, der als Ebenbild Gottes geschaffen, von Christus erlöst und damit fähig ist, mit der Gnade trotz seiner Schwächen den steilen Weg der Seligpreisungen einzuschlagen, der der Weg des Friedens, der Freude und des Lebens ist. Liebe Brüder im Bischofsamt, hier unterbrechen wir unser Gespräch, um mit euren Mitarbeitern, den Priestern eurer Diözesen, zusammenzutreffen. Ich bitte den Herrn, euch in eurer herrlichen Sendung, deren Last ich mit euch trage, zu inspirieren und zu stärken. Sein Heiliger Geist schenke euch, wie einst den Aposteln, den Mut jener, die Zeugnis geben, und die Hoffnung derer, die das Unsichtbare im Blick haben! 504 REISEN Verkündigung in ungläubiger Welt Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizer Klerus in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Liebe Brüder in der Gnade des Priestertums! 1. Es ist mir eine grosse Freude, euch, Priester aus den 26 Kantonen der Schweiz, hier in Einsiedeln zu treffen, und ich messe dieser Begegnung grosse Bedeutung bei. Durch euch, die ihr von euren Mitbrüdem entsandt oder spontan hierher gekommen seid, wende ich mich an den gesamten Klerus eures Landes. Tag für Tag ist es euch vergönnt, an der Basis eine unersetzüche Arbeit zu verrichten, damit die Kirche in der Schweiz wachse in Wahrheit, Liebe und Heiligkeit. Ihr seid die ersten Mitarbeiter eurer Bischöfe, mit denen ich soeben gesprochen habe. Sie haben euch das Priesteramt übertragen, das ihr allein in Gemeinschaft mit ihnen ausüben könnt. Sie sind darauf bedacht, eure verschiedenen Dienste auf das geistliche Wohl der ganzen Diözese hinzuordnen. Sie hegen für euch herzliche Zuneigung und möchten euch, soweit es in ihren Kräften liegt, persönlich nahe sein, um euch zu verstehen, euch zu helfen, das je Bessere zu erkennen, euch zu bestärken und euch als Wegführer zu dienen. Denn sie sind die Väter des Presbyteriums, die Hirten aller, verantwortlich für ihre Einheit und Treue, für ihre wahre und harmonische Entwicklung. Dasselbe möchte auch der Bischof von Rom heute unter euch tun: nicht um den eigenen, ordentlichen und täglichen Auftrag eurer Bischöfe zu ersetzen, sondern um ihn zu bestärken. Er ist überall - wie Petrus - der Hirt, der sich um das Leben der Gläubigen und Priester, der «Lämmer» und «Schafe», wie Jesus sagte (Joh 21,15ff), sorgt. Er ist fortwährend mit jeder Ortskirche verbunden, die sich ja als Teil des ganzen Leibes versteht, in Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegiums (vgl. Konzilskonstitution «Lumen gentium» 22, Abs. 2; Erläuternde Vorbemerkung 4). In diesem Sinne bin ich gekommen, um euch zur Fortführung eures herrlichen Auftrags als Priester zu ermutigen. Und ich will es in aller Klarheit und im Vertrauen tun: Wie ihr aus eigener Erfahrung wisst, kann sich das Volk Gottes nur im gegenseitigen Vertrauen seiner Glieder als lebendige Einheit auferbauen. So ist es sehr wichtig, dass allen - Papst, Bischöfen, Priestern, Ordensmännem, Ordensfirauen und Laien - jenes Vertrauen 505 REISEN entgegengebracht wird, das ihrer Verantwortung im Leibe Christi entspricht. Ich habe alle mit Freimut dargelegten Fragen und Besorgnisse aufmerksam gelesen und gehört. Und ich habe sie ernst genommen. Ich weiss jedoch nicht, wieweit sie dem Denken und den Sorgen des gesamten Klerus der Schweiz entsprechen, an den ich mich wende. Mir scheint, das entscheidende Problem ist die Verkündigung des Evangeliums Jesu Christi in einer Welt wie der euren: oft indifferent, vom Materialismus angelockt, mitunter ungläubig. Darüber vor allem wollte ich zu euch reden. Zuvor aber liegt mir daran, einige Fragen zu klären, die euch beschäftigen; sie betreffen die Beziehungen zwischen der Ortskirche und der Weltkirche, für die mir der Herr die besondere Verantwortung übertragen hat. Und hier ist es meine Pflicht als Papst, meine Brüder zu bestärken, den Weg zu zeigen, den Willen Jesu Christi und seiner Kirche zu lehren. 2. Das Zweite Vatikanische Konzil war zweifellos in mehrfacher Hinsicht ein providentielles Ereignis, unter anderem auch, was die Einheit und die Universalität der Kirche betrifft. In diesem Sinne muss man seine ökumenischen Aussagen sehen, wie auch jene über die Beziehungen der Kirche zu den «nichtchristlichen Religionen» und über die Situation der Kirche in der Welt von heute. Das Konzil hat neue Grundlagen geschaffen, welche die Sendung der Kirche verstehen und erfüllen helfen. 3. In einem engen Zusammenhang mit der Frage der Einheit und Universalität der Kirche steht die Lehre über die Kollegialität des Episkopats, über die ich eben mit euren Bischöfen gesprochen habe. Ohne das ganze Thema wiederaufzunehmen, rufe ich euch in Erinnerung, dass die Sendung der Bischöfe immer einen «universellem) Charakter hat. «Daher stellen die Einzelbischöfe je ihre Kirche, alle zusammen aber in Einheit mit dem Papst die ganze Kirche im Band des Friedens, der Liebe und der Einheit dar» (Lumen gentium, 23). Selbst wenn sich die Sendung jedes Bischofs direkt auf eine bestimmte Diözese in einem Land bezieht, in welcher er die Jurisdiktion ausübt, sind die Bischöfe als Glieder des Bischofskollegiums und rechtmässige Nachfolger der Apostel «aufgrund von Christi Stiftung und Vorschrift zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten... Alle Bischöfe müssen nämlich die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen.» So spricht das Vatikanum II. Daraus folgt, dass die Bischöfe im konkreten Rahmen ihres Amtes der Einheit dienen. Im Lichte dieser Forderung muss man die «Autonomie», die Verantwortlichkeit einer örtlichen Bischofskonferenz 506 REISEN verstehen. Autonomie und Initiativen dürfen also nie irgend etwas recht-fertigen, was mit der Einheit der katholischen Lehre des Glaubens, der Moral und der sakramentalen Disziplin in Widerstreit steht. Das fuhrt nicht zur «Einförmigkeit» der Kirche in allen Äusserungen des Gebetes, des Lebens und des apostolischen Handelns der Gemeinschaften, wo die Vielfalt ein Zeichen des Reichtums und sogar eine Notwendigkeit der Akkulturation darstellt; aber es ist eine Frage der Identität der Kirche mit sich selbst, dass rund um das «verum» und «sacrum» die Einheit erwächst. Wenn die Bischöfe mit ihrer Weihe und der Aufnahme ins Bischofskollegium diese universelle Verantwortung auf sich nehmen, so kann man das auch in einem gewissen Masse von den Priestern, ihren Mitarbeitern, und auch von den Laien sagen, die durch ihre Taufe Glieder der Kirche mit den entsprechenden Rechten und Pflichten geworden sind. Das Konzil unterstreicht diesen «übernatürlichen Glaubenssinn», den Christus seinem ganzen Volk verleiht (Lumen gentium, 12). Das gleiche Konzil präzisiert, der Glaubenssinn sei «vom Geist der Wahrheit geweckt und genährt» und besteht weiter «unter der Leitung des heiligen Lehramtes, in dessen treuer Gefolgschaft es nicht mehr das Wort von Menschen, sondern wirklich das Wort Gottes empfangt» (Lumen gentium, 12). 4. Hier zeigt sich providentiell die Institution der Bischofssynode, die nicht eine so umfassende Form der Kollegialität ist wie das Konzil, die aber zu diesem eine gewisse Analogie aufweist (vgl. Rede an den Rat des Generalsekretariats der Synode vom 30. April 1983). Nun hat die Bischofssynode in der nachkonziliären Zeit besonders wichtige Fragen aufgegriffen, die den von mehreren unter euch aufgeworfenen Problemen entsprechen. Ich denke vor allem an die Synode von 1971 über das priesterliche Amt und die Gerechtigkeit in der Welt, an die Synode von 1980 über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute, an die Synode von 1983 über die Versöhnung und die Busse (zu der bald ein Text folgen wird, der unter Mitarbeit des Rates des Synodensekretariates vorbereitet wird). : Ja, die von der Synode gutgeheissenen Stellungnahmen bilden eine wesentliche Hilfe zur Klärung der zahlreichen pastoralen Probleme, wie zum Beispiel die - gewiss schmerzliche - Frage der wiederverheirateten Geschiedenen, die des Status der Priester... Auf diese Weise kann die Praxis übereinstimmen mit der Glaubenslehre und mit der unerlässlichen sakramentalen Disziplin der Kirche. 507 REISEN 5. Ich möchte im besonderen die Synode von 1971 erwähnen. Aufgrund von Fragen und vielleicht gewissen Verunsicherungen jener Zeit hat die Synode das grundlegende Problem der «Identität des Priesters» erhellt. Dieses Problem erforderte eine Erläuterung im Verhältnis zu jenem der «gemeinsamen Priesterschaft der Laien» und zu den Erklärungen des Konzils zum Thema des Laienstandes und des Laienapostolates. Und in der Tat muss dieses Apostolat weiterentwickelt werden. Es ist eine Zielvorstellung des Konzils, dass die Laien den Hirten (Bischöfen und Priestern) helfen in ihrem Apostolat und vor allem durch «die Heiligung der Welt». Vor diesem Hintergrund wird die vom Weihesakrament hergeleitete Identität des Priesters nicht nur bestätigt, sondern verstärkt und erneuert. Wie ich schon den Bischöfen gesagt habe, geht es in keiner Weise darum, die Laien zu «klerikalisieren», noch die Kleriker zu «laisieren». Die Vertiefung ihrer eigenen Identität weist vielmehr den Weg, wie die Priester wirklich das Konzil realisieren können. In diesen Rahmen gehören die Entschliessungen der Synode von 1971, besonders jene, die die Begründung, die Motive und die Pflicht zur Wahrung des Zölibats in der lateinischen Kirche betreffen (2. Teil, N. 4). Ich selbst habe dieses Problem in meinem ersten Brief an die Priester zum Gründonnerstag 1979 behandelt. Ich sagte: «Die Bedeutung dieses Problems ist so schwer, seine Bindung an die Worte des Evangeliums selbst so eng, dass wir... in diesem bestimmten Fall nicht in anderen Kategorien denken können als das Konzil, die Bischofssynode und der grosse Papst Paul VI.... Um verfügbar zu sein zu einem solchen Dienst (am Volk Gottes), zu solcher Hingabe, zu solcher Liebe, muss das Herz des Priesters frei sein. Der Zölibat ist das Zeichen einer Freiheit im Blick auf den Dienst» (N. 8). Nach der Tradition der katholischen Kirche ist der Zölibat nicht nur eine juristische Beifügung zum Weihesakrament, sondern das persönliche und in voller Reife eingegangene Engagement gegenüber Christus und der Kirche. Dispensen, selbst wenn sie möglich sind, vermögen den Charakter dieses Engagements nicht zu verdrängen, zu verringern oder vergessen zu machen. Zudem ist die Treue zur einmal angenommenen Lebensform ein Erfordernis für die Würde der Person selbst. Welche Anforderungen stellen doch das Evangelium und die Kirche an die Eheleute! (Französisch) 6. Nachdem diese Fragen, in Beantwortung eurer Sorgen, geklärt sind, komme ich zur pastoralen Situation, die manchen von euch als entmutigend erscheinen mag. Was ihr sicher tief empfindet, ist der zunehmende 508 REISEN Druck einer Welt, die auf Gott verzichtet oder glaubt, ohne Gott auskom-men zu können. Das zeigt sich statistisch in der Zahl der Taufen oder des Kirchenbesuchs. Doch es geht um ein verbreitetes, weiter und tiefer reichendes Phänomen, das den Glauben selbst berührt. Manche zweifeln, andere formen den Glauben um oder weisen ihn ganz zurück; In einer solchen Situation, die besonders für die Überflussgesellschaft der westlichen Welt charakteristisch ist, können Priester versucht sein, den Mut aufzugeben. Es ist bedenklich, sehen zu müssen, wie die Zahl der Gottesdienstbesucher abnimmt, und festzustellen, dass die Welt anscheinend in religiöse Gleichgültigkeit versinkt oder sich «falschen Göttern» zuwendet. Gleichzeitig nimmt, zweifellos aus demselben Grunde, auch die Zahl der Priester ab und steigt die der Berufungen zum Priestertum kaum an. Gewiss entstehen in dieser «Diaspora» kleine glaubensstarke Gruppen, die wahrhaft Zeugen Jesu Christi sind. Ihr tut gut daran, sie als vielversprechende Zeichen zu beachten, und ich teile diese Hoffnung mit euch. Dennoch bleibt das Gesamtproblem bestehen; ihm müssen wir uns mutig und gelassen stellen. Und ich füge hinzu: in der Wahrheit des Christentums. 7. Die Kirche zählt gerade auf euch, um - wie einer von euch sagte - die Herausforderung der Verweltlichung und der Gleichgültigkeit anzunehmen. Um ihr zu begegnen, sucht ihr das Antlitz Gottes, seine ungeschul-dete Liebe und Barmherzigkeit besser darzustellen. Ihr vertieft die Achtung vor dem Menschen, vor seiner Würde und Freiheit.! Ihr fordert kleine, lebendigere und engagiertere Gemeinschaften. Ihr möchtet, dass sie von Freude, Begeisterung und Hoffnung erfüllt seien, und erhofft euch aus ihrem evangelischen Zeugnis einen neuen Frühling der Kirche, und sei er noch so bescheiden. Dies alles ist wichtig, und ich werde darauf zurückkommen. Doch zuvor möchte ich euch sagen, was mir vorrangig erscheint: das ist unser Glaube selbst. Wir glauben, dass Christus der Erlöser ist. Wir glauben, dass er uns für das Heil der Menschen zu seinen Priestern macht. Selbst wenn die Welt um uns herum zweifelt an der Gegenwart eines Gottes, der sie liebt, an der Fähigkeit Christi, sie zu erneuern, an der Kraft des Heftigen Geistes, der sein Werk der Heiligung weiterführt, selbst wenn die Welt nicht das Bedürfnis verspürt, ein solches Heil zu empfangen, und anscheinend alles nur von ihren technischen Möglichkeiten erwartet oder ihren Horizont auf ein materialistisches Leben einschränkt, bewahrt die Kirche die Überzeugung, dass es keinen anderen Namen gibt, durch den die Menschen gerettet werden können, als den Namen Jesu (vgl. Apg 4,12): Er ist der Weg, die Wahrheit, das Leben. Und diesen Glauben 509 REISEN verkündet sie klar und deutlich, gelegen oder ungelegen. Es ist gerade die Kraft dieser Frohen Botschaft, die mit der Gnade Gottes in den Herzen über alle Erwartung hinaus eine Bewegung zum Glauben hin auslöst. Stets müssen die Anfangsworte Jesu kraftvoll verkündet werden: «Kehrt um und glaubt an das Evangelium!» (Mt 1,15). Es ist normal, nach Anzeichen des Frühlings Ausschau zu halten; aber man braucht nicht zu warten, bis man sie sieht, um sagen zu können, dass das Leben da ist. Ganz gewiss müssen wir alle pastoralen Mittel einsetzen, aber wichtiger ist diese Zuversicht im Glauben. Mit einem Wort, Hebe Freunde, setzen wir genügend Glauben in unser Priestertum, das wir von Christus empfangen haben? Glauben wir fest, dass Christus uns geheiligt und gesandt hat (vgl. Joh 17,18), dass er durch unseren Dienst wirkt, wenn wir nur sein Werk tun? Glauben wir stark genug, dass das Samenkorn des Wortes, dass das Zeugnis seiner Liebe nicht fruchtlos bleiben? Sind wir, nachdem wir uns frei entschieden haben, bereit, ihm zu folgen, wenn sein Geheimnis auf das Unverständnis der Menschen stösst, wenn sein Weg der des Kreuzes und der Verzichte ist (vgl. Joh 6,66.71; Lk 9,23-26)? Denn das ist - das war immer - das Los des Apostels, des Jüngers, des Priesters. Glauben wir auch, dass der Herr die gleiche Gabe der Berufung zum Priester allen verleiht, die er zur Teilhabe an seinem Vermittlerwerk aufruft? Je mehr die Welt entchristlicht wird, um so mehr tut es ihr not, in der Person des Priesters diesen radikalen Glauben wahrzunehmen, der wie ein Leuchtturm in der Nacht oder wie der Fels ist, auf den er sich stützt. Und Christus wird jene nicht verlassen, die ihm - von ihm ergriffen - ihr ganzes Leben geweiht haben. Das ist im Grunde die Quelle unserer Hoffnung. Das befähigt uns, die Welt mit neuen Augen zu sehen, wie am Pfingstmorgen. Und ich muss sogar dies beifügen: Sollten unsere in Christi Namen geleisteten Evangelisierungsanstrengungen allenfalls Erfolg bringen, so ist dieser Befund nicht die eigentliche Triebfeder unseres Mutes und nicht der letzte Grund unserer Freude. Am Tag, als die siebzig Jünger, alle frohge-stimmt, bei der Rückkehr von ihrer Mission zu Jesus sagten: «Herr, auch die bösen Geister sind uns in deinem Namen untertan», erwiderte Jesus: «Nicht darüber freuet euch, dass euch die Geister untertan sind, sondern freuet euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind» (Lk 10,17.20). Ebenso, Hebe Brüder im Priesteramt, seid nicht traurig, weil die bösen Geister euch nicht sichtbar untertan sind, dass die Welt sich nicht auf Anhieb der Botschaft fügt, sondern freut euch, das Werk Christi getan und euren Anteil an seinem Los im Himmel verdient zu haben. Dieses Werk ist vollendet, eure Namen sind im Himmel geschrieben, wenn ihr 510 REISEN nach dem Glauben die ganze Fülle des sakramentalen Priestertums zu leben sucht, diese unsägliche Gabe, die Christus euch geschenkt hat und für die ihr jederzeit Dank wissen sollt. 8. Unser Glaube zeigt sich besonders im Platz, den wir dem Gebet im Mittelpunkt unseres Dienstes geben. Die Jünger Jesu verspürteneine gewisse Entmutigung, weil das Böse ihrem Bemühen, zu predigen und zu heilen, widerstand. Doch Jesus antwortete ihnen: «Diese Art Geist lässt sich nur durch Gebet und Fasten austreiben» (vgl. Mk 9,29 und Mt 17,21). Christus ist es, der diese säkularisierte Welt bekehren und erlösen wird; er wird es durch die Handlungen unseres Priesteramtes wirken, aber unter der Bedingung, dass man sich nicht mit deren rituellem, formellem Vollzug begnügt: «Imitamini quod tractatis». Sie müssen eingebettet sein in ein ganzes Klima von Gebet und Opfer, wodurch sich unsere ganze Person ganz tief mit dem Mittlerwerk Christi vereint. Die täglich gefeierte Eucharistie ist ohne Frage das Höchste in unserem Priesterleben. Ich denke auch an das tägliche Gebet, an das Stundengebet, das wir im Namen der Kirche im Ablauf unseres Tages verrichten; an die Gnade der Versöhnung, die wir anbieten und für uns selbst erbitten; auch an alle anderen Sakramente und die Vorbereitung darauf mit den Gläubigen. Die vielfältigen pastoralen Begegnungen sind weiterhin eine wundervolle Gelegenheit, die geduldige, zuversichtliche Fürsorge Christi für alle zu verkörpern und diese Männer und Frauen inmitten ihrer Sorgen zu begleiten, um sie mit den Forderungen des Glaubens zu konfrontieren. Ja, anhand unseres Verhaltens, der Sorgfalt und Überzeugung, mit denen wir allen unseren priesterlichen Aufgaben nachkommen, entdecken die Einzelmenschen, Familien und Gruppen, selbst wenn sie der religiösen Praxis entfremdet sind, den Glauben, der uns innewohnt, und das Mysterium, das wir tragen, sogar als die stets zur Demut verpflichteten «irdenen Gefasse», die wir sind (vgl. 2 Kor 4,7). Der Priester verkündet das Evangelium vor allem durch die Wahrhaftigkeit seines Lebens. Christus sagte ja zu den Aposteln: «Wenn der Heilige Geist auf euch niederkommt, werdet ihr... meine Zeugen sein» (Apg 1,8). Es ist heilsam für uns, den Blick auch auf die vorbildlichen Priester zu heften, die uns vorangegangen sind und die - jeder auf seine Art -die Gnade des Priestertums ansichtig machten: die Heiligen Franz von Sales, Vinzenz von Paul, Johannes Bosco, Jean-Marie Vianney - Patron der Pfarrer -, Pater Charles von Foucauld, der heilige Maximilian Kolbe. In der gleichen Linie des Gebetes und des Zeugnisses liegt der Schlüssel für das schwere Problem der Berufungen. Sie erwachsen aus dem Gebet 511 REISEN und aus der Kraft des Heiligen Geistes, der durch das «beispielhafte» Leben der Priester wirkt. 9. Was die Botschaft selbst betrifft, ist sie wahrhaftig so beschaffen, dass sie die Menschen von heute genau wie jene von gestern berührt, ihre Erwartung oder ihre unausgesprochenen Bedürfnisse erfüllt, sofern sie wirklich das Evangelium und die Seligpreisungen widerspiegelt. Diese Welt, die auf die individuelle Freiheit so viel Wert legt, braucht wirklich ein Wort, das dieser Freiheit Sinn gibt, indem es den Menschen aufruft, verantwortungsvoll zu sein, Miterschaffer mit Gott, frei zu sein auch von jeder Sklaverei, angefangen bei jener, in der ihn die Sünde gefangenhält. Christus lädt ihn ein, sich aus Liebe in die Hände des Vaters zurückzugeben, der ihn als erster selbstlos geliebt hat und will, dass der Mensch seine Freiheit im Geschenk der Liebe vollende. Die Gier nach Besitz und Genuss, der Hang, den anderen zu beherrschen und als Objekt zu behandeln, hinterlassen in der Tat eine Unzufriedenheit, der gegenüber die Seligpreisungen eine Gute Nachricht bedeuten: Sie lehren uns, das Glück zu finden, indem wir - wie Christus und mit ihm - arm, keusch, barmherzig, friedfertig und durstig nach Gerechtigkeit sind, die Würde des Nächsten in seinem Geist und in seinem Körper achten. Die verweltlichte Gesellschaft, in der ein gewisser Materialismus im Überfluss herrscht, bedarf zweifellos eines Wortes und eines Zeugnisses, die dank diesem Überfluss zur Schaffung eines Raums der Grossherzigkeit und des Teilens einladen. Es ist uns also aufgetragen, durch eine evangelische Pastoral der Seligpreisungen das wahre Antlitz Gottes und des Menschen aufzuzeigen und so auf immer neue Art zur Erfahrung der Liebe zu Gott und zu den Menschen hinzuführen. Doch wir wissen auch, dass diese Botschaft prophetisch ist. Sie zieht an und ist gleichzeitig Zeichen des Widerspruchs. Sie prüft die menschlichen Begriffe von Glück, Freiheit, Ehrlichkeit kritisch, um sie zu reinigen. Und sie enthält nicht nur die verlockenden Aspekte der Seligkeiten: sie setzt den Vollgehalt der Gebote voraus, die Moses gegeben und von den Propheten erläutert wurden, sie umfasst die Gesamtheit der Offenbarung und ihre Konsequenzen, so wie die Kirche sie vorzulegen hat. Gott ist Gott, erhaben über unser Denken und grösser als unser begrenztes und sündiges Herz. Wie schon betont muss deshalb der Priester, bei all seinem Bemühen, auf der sprachlichen Ebene die Hindernisse zu glätten und das Tor zum Königreich allen zu öffnen, die mehr oder weniger auf Gott zugehen, darauf gefasst sein, dass die Botschaft nicht gleich die Zustimmung aller findet: denn diese erfordert eine Umkehr. Wir müssen unter unseren Zeit- 512 REISEN genossen leben wie Brüder und dabei doch die «Zeugen und Ausspender eines anderen als des irdischen Lebens» sein (Dekret Presbyterorum ordi-nis N. 3). (Italienisch) 10. Schliesslich möchte ich von der Hoffnung reden, die in der Erneuerung des Grundgeflechts der Gemeinschaft liegt. Der Priester findet zunächst seine Stütze in der Freundschaft und Zusammenarbeit mit den andern Priestern und mit seinem Bischof; dies wurzelt in einer sakramentalen Brüderlichkeit. Ich freue mich über die Fortschritte auf dieser Ebene durch die Einrichtung der Priesterräte und der anderen Formen kollegialen Lebens. Ich würdige auch die zwischen den Schweizer Priestern geschaffene praktische Solidarität, die den Mangel an Mitteln in einzelnen Kantonen dank dem «Solidaritätsfonds» etwas ausgleicht. In bezug auf die Gläubigen wäre es weder normal noch gesund, bliebe deriPriester isoliert in der Gemeinschaft, die ihm anvertraut ist. Er ist für sie da, und er stützt sich auf sie. Sein Auftrag ist es, die andern instand zu setzen, ihre verschiedenartigen Ämter, Berufungen, Charismen, Verantwortlichkeiten und Apostolatsformen auszuüben, zunächst die Diakone, die ebenfalls ordinierte Amtsträger sind, dann die Ordensleute, die getauften und gefirmten Laien. Diese Verantwortlichkeiten richten sich nicht nur auf die Dienste an der Christengemeinde - Katechese, Liturgie, Caritas -, sondern auch auf das christliche Zeugnis in der Welt inmitten der zeitlichen Obliegenheiten. Ich freue mich also über alles, was in der Schweiz - von den Konzilstexten angeregt - getan wurde, um diese Mitverantwortung zu entwickeln, die auf verschiedenen Ebenen zum Ausdruck kommt: in den diözesanen, kantonalen und pfarreilichen Seelsorgeräten oder gelegentlich auch in angemessenen Formen interdiözesaner Zusammenarbeit. Nicht nur der Priester findet hier eine Stütze und Hilfe, die das Apostolat bereichert und erweitert, sondern die Gemeinschaften werden selber Zeichen der Kirche, Zeichen der brüderlichen Verbundenheit. Der Einklang untereinander gewährt allen eine verantwortliche Rolle beim Aufbau des Leibes Christi; sie ermöglicht es den Minderheiten, sich auszudrücken und ernst genommen zu werden; und sie erlaubt es dem Bischof und dem Priester, sich in organischer Verbindung mit ihrem Volk zu wissen. Um den Erfolg dieser Bewegung, die auch nicht ohne Unsicherheiten und Fehler ist, besser zu gewährleisten, fuge ich drei Bemerkungen an, die ergänzen, was ich über die Identität des Priesters gesagt habe. Der Priester bleibt der Hirt der Gesamtheit. Er ist nicht nur der «Vollamtliche», der allen zur Verfügung steht, sondern er hat auch bei der Ver- 513 REISEN Sammlung aller den Vorsitz - namentlich steht er an der Spitze der Pfarreien damit alle den Zugang zur Gemeinschaft und zur sie vereinenden Eucharistie finden, den sie zu Recht erwarten, welches immer ihr religiöses Empfinden oder ihr apostolisches Engagement seien. Die kleinen Gemeinschaften bedeuten eine Chance des Dynamismus, der Hefe im Teig; doch vor allem dann, wenn sie auf Affinitäten beruhen, reichen sie nicht hin, um Zeugnis zu geben von der Kirche, die alle sozialen Schranken überschreitet, oder um allen, die im geistlichen Leben vorwärtskommen möchten, einen festen Bezugspunkt, eine Nahrung und eine Mitbeteiligung zu sichern. Der Priester handelt in persona Christi, im Namen des Hauptes des Leibes, zumal in den Sakramenten, aber auch in der Verkündigung des Evangeliums. Es ist erfreulich zu sehen, wie Laien und Ordensfrauen ihren wertvollen Beitrag in verschiedenen Formen der Katechese und der Vorbereitung auf die Sakramente leisten, aber der Priester behält darin seine spezifische Verantwortung: von ihm verlangt man ganz besonders das Wort Gottes (vgl. Dekret Presbyterorum ordinis, N. 4), und er bleibt, in gewissen Fällen mit dem Diakon, der ordentliche Spender der Sakramente. In diesem Sinne muss schliesslich der Priester die notwendige Autonomie in seinem Amt gemessen. Er ist nicht der Delegierte der Gemeinde: er ist zu ihr gesandt. Der Gehorsam seinem Bischof gegenüber, das Zeugnis eines einfachen, armen Lebens, sein Zölibat tragen dazu bei, seine besondere Beziehung zu Christus und zur Gemeinschaft hervorzuheben. Liebe Freunde, die Treue zu unserer wundervollen Berufung stellt uns in eine Fülle der Freude, die nichts trüben soll und die niemand uns nehmen kann. Ich wünsche euch diese vollkommene Freude, die denen verheissen ist, die dem Herrn nachfolgen. Und ich wünsche, dass sie durch euch ausstrahlt auf das Antlitz der kirchlichen Gemeinschaft. Möge Unsere Liebe Frau, «causa nostrae laetitiae», euch in der Freude erhalten! 11. Zum Schluss habe ich noch eine Frage für euch. Sie betrifft den wesentlich universellen Charakter eurer priesterlichen Sendung. Mit seinem Bischof und unter dessen Führung hat der Priester eine unmittelbare Verantwortung in der Ortskirche und eine mittelbare für die Gesamtkirche. Das gilt übrigens für jeden Christen. Die Kirche lebt in einer Epoche des Kampfes für die Gerechtigkeit und für den Frieden in der heutigen Welt, und sie versucht, sich ihrer Wesensart gemäss daran zu beteiligen. Wie in ihren Anfängen und später zu verschiedenen Zeiten ihrer 514 REISEN Geschichte ist die Kirche unserer Zeit wieder eine Kirche der Märtyrer. Unter diesen sind Laien, auch Bischöfe und Priester, die auf mannigfaltige Weise «um des Namens Jesu willen Schmach leiden» (vgl. Apg 5,41). Sie leiden wegen ihrer Treue zum Priestertum, wegen ihres in Wahrheit und Liebe geleisteten Hirtendienstes. Liebe Freunde, seid mit diesen Brüdern verbunden. Seid solidarisch mit ihnen. Ihr Zeugnis hilft euch, unter anderem, richtig einzuschätzen, welche Anforderungen das Priestertum an jeden von uns stellt, die wir hier in Ländern leben, in denen grundsätzlich die Religionsfreiheit besteht. Das Zeugnis dieser Brüder, von denen ich eben sprach, zeigt,: wie weit die Liebe zu Christus, zur Kirche und zu den unsterblichen Seelen gehen kann! Lernen wir diese Liebe! Lernen wir sie in Demut, jeden Tag! Von dieser Liebe her wächst die Kirche. Im Heiligtum von Einsiedeln bitte ich die Mutter Christi, die Kirche in der Schweiz möge wachsen. Sie möge kraft einer grossen Liebe fortschreiten! i In einer Zeit der Verweltlichung und des Materialismus Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern des Laienapostolats in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. «Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!» (Röm 1,7). Von Dankbarkeit und Freude erfüllt grüsse ich euch, die Vertreter aktiver Laien im Dienst der Ortskirchen in der Schweiz. Mein Gruss gilt den Laientheologen und Laientheologinnen, den Katecheten und Katechetinnen, die von den Diözesanbischöfen in den haupt- oder nebenamtlichen Dienst der Seelsorge und der Verkündigung der christlichen Botschaft berufen sind. Ich begrüsse die Vertreter und Vertreterinnen der verschiedenen Räte, die in Kirchgemeinden und Pfarreien tätig sind. Ich grüsse die Vertreter der vielen katholischen Vereine und Verbände, die so grosse Arbeit leisten und die Seelsorge auf unterschiedliche Weise unterstützen. Ebenso alle, die dem Geist Christi 515 REISEN folgend in «Geistlichen Bewegungen» das Leben in der Kirche entfachen und fördern. Schliesslich richte ich meinen besonderen Gruss auch an alle diejenigen, die unauffällig aus dem Geist Christi und in Treue zur Kirche tagtäglich ihre Pflicht erfüllen in der Familie und am Arbeitsplatz. Als Bischof von Rom, dem in der Nachfolge des heiligen Petrus die oberste Hirtensorge für die Kirche aufgetragen ist, möchte ich euch in eurem Glauben bestärken: Als Laien bildet ihr das Volk Gottes, ihr seid Glieder am Leibe Christi zusammen mit den Bischöfen und Priestern. Wir alle sind gemeinsam durch den Glauben und die Taufe hineingenommen in das Geheimnis Christi, als die vielen Rebzweige verbunden mit dem wahren Weinstock, Jesus Christus, der uns immer wieder neue Lebenskraft spendet (vgl. Joh 15,1-8). Darum muss es stets unser erstes Anhegen sein, dieser Lebensmitte und diesem Fundament der ganzen Kirche, Christus, treu zu bleiben. Nur in ihm wird uns die Kirche zur Heimat; in ihm verbindet sie alle zu einer Gemeinschaft des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe. Der pfingsthche Geist, der einst - entgegen der babylonischen Verwirrung, entgegen allen egoistischen Bestrebungen der Sünde - Menschen über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg geeint hat, belebt auch die Kirche unserer Tage. Dieser Geist des gekreuzigten und auferstandenen Herrn lebt in uns. Darum öffnet ihm euer Herz und euren Sinn! Redet miteinander und arbeitet Hand in Hand in diesem Geist: die Laien mit den Priestern und die Priester mit den Laien. «Jeder von uns empfing die Gnade in dem Mass, wie Christus sie ihm geschenkt hat» (Eph 4,7). Darum lernt einander verstehen in den verschiedenen Diensten, die alle das gleiche Ziel anstreben. Steht füreinander ein, wie Christus für euch alle einsteht. Seid einander Heimat; schenkt einander gerne, was ihr alle von Gott umsonst empfangen habt: die Gnade der Erlösung und der Liebe. Die Kirche Christi, liebe Brüder und Schwestern, hat dank des Fundamentes, das Christus ist, und dank der Führung seines Geistes viele Stürme ihrer langen Geschichte überstehen können. Modernes Denken und Empfinden, die Entwicklung neuer menschlicher Möglichkeiten haben die Kirche vor neue schwere Fragen gestellt. Die Zahl der Gläubigen, welche sich ganz der Kirche verbunden fühlen und für die Kirche ein-setzen, ist mancherorts kleiner geworden. Aber auch wenn schwere Stürme über die Kirche hinweggehen, wird sie niemals untergehen. Bestrebungen, die Gott ins Abseits drängen wollen und Zweifel an allem begünstigen, dürfen uns nicht zur Resignation verleiten. Auch ist es nicht die Art eines Jüngers Christi, die Welt zu verurteilen. Vielmehr haben wir uns als Kirche der Herausforderung und dem Ruf der Zeit zu stellen. Wir 516 REISEN glauben, dass es keine Zeit gibt und geben wird, der die Botschaft vom kommenden Reich Gottes vorenthalten werden darf. Christus sendet in alle Welt und zu allen Generationen mit dem Versprechen: !«Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt» (Mt 28,20). Gerade denen, die den letzten Sinn des Lebens und das Ziel der Geschichte aus den Äugen verlieren, haben wir die christliche Frohbotschaft im Wort und im lebendigen Zeugnis zu bringen. In der Tat, die Kirche hat allen Grund, den Weg ihres mutigen Glaubenszeugnisses vertrauensvoll fortzusetzen: Denn der pfingstliche Geist stärkt sie und erweckt in ihr immer wieder neue Kräfte. (Französisch) 2. Liebe, im Dienst der Evangelisierung engagierte Laien! Man braucht nicht auf die besondere Notwendigkeit der heutigen Evangelisierung hinzuweisen. Ihr wisst sehr wohl, dass die Zahl der Jungen und Alten wächst, die von Fragen und oft Leiden wegen der soziö-kulturellen Veränderungen unserer Zeit bedrängt sind. Ihr wisst, dass die vitalen Bereiche des Lebens in der Gesellschaft - die Familie, die weiten Bereiche der Kultur, das Bildungswesen, die Welt der Arbeit, die Anwendung der Naturwissenschaften, die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse -klarsichtige Führer verlangen, die ihren Brüdern und Schwestern behilflich sein können, diese vielen und komplizierten Fragen zu entziffern und mit ihnen zu leben, damit sie darin nach und nach ihren Weg zur menschlichen Reife und christlichen Vollkommenheit finden. Der ständige Weitergang der Geschichte verlangt immer wieder neue Apostel, die das Evangelium verkünden und in den irdischen Wirklichkeiten daraus leben, wie die Hefe im Teig. Diese neuen Apostel werden eifrige Jünger Christi sein, im vollen Kontakt mit ihrer Zeit und ihren jeweiligen Lebensbereichen. Sie werden zugleich Christen sein, die sich sehr engagieren in der ihrer gesellschaftlichen und beruflichen Rolle am ehesten entsprechenden apostolischen Bewegung, die immer bemüht sein soll, sich mit anderen Vereinigungen ergänzend zusammenzufinden, i Das Apostolat ist um so glaubwürdiger und wirksamer, wenn die einzelnen Bewegungen einander in ihrer Verschiedenheit akzeptieren und in. brüderlicher Zusammenarbeit zum gemeinsamen Ziel der Evangelisierung beitragen. Dann sind sie eine Bereicherung der Einheit der Kirche bei ihrer Sendung. Jugendliche und erwachsene Mitglieder der Bewegungen, nehmt mehr und mehr euren Platz in den Pfarreien und Diözesen ein in Einigkeit untereinander, mit euren Priestern und euren Bischöfen! Ohne mich bei den Zwecken und Methoden jeder Bewegung aufzuhalteü, möchte ich euch sehr lebhaft ermutigen, täglich aus den Quellen des christlichen 517 REISEN Lebens zu schöpfen. Darin ist das Beispiel des Herrn Jesus beeindruckend und vorbildlich. Mitten in seiner Sendung unterbricht er seine Tätigkeit, um ausdrücklich mit seinem Vater zu sprechen, ihm zu sagen, dass er sich nach seinen Plänen richten will, dass er die Freuden und die Enttäuschungen seiner Verkündigung der Guten Nachricht in diese Sohnesbeziehung einbezieht. Nach dem Beispiel ihres Meisters bekunden die ersten Apostel, ganz besonders der heilige Paulus, klar diese ständige Verschränkung von Aktion und Kontemplation. Letzten Endes ist jeder Apostel berufen, das Geheimnis des Gottessohnes, des Gesandten vom Vater, zu leben und den anderen zu offenbaren: das Mysterium des menschgewordenen Wortes, das gekommen ist, um die Würde des Menschen und seiner Tätigkeiten zu enthüllen und zu heiligen, den Sinn seines Erdendaseins und seiner ewigen Bestimmung zu erhellen, dem Leiden des einzelnen sowie den Wechselfallen der Geschichte die Fatalität zu nehmen, und zwar mit der freien Mitwirkung des Menschen. Christus der Erlöser durchformt die Apostel von heute und befähigt sie so, ihr Leben voll für die menschliche und christliche Befreiung ihrer Zeitgenossen einzusetzen, angefangen bei denen, die ihnen am nächsten stehen, gleich welcher Gesellschaftsschicht diese angehören. Voraussetzung dafür ist, dass sie sich regelmässig aus seinem Wort und aus den seiner Kirche anvertrauten Sakramenten nähren. (Italienisch) 3. Liebe Brüder und Schwestern, Delegierte der Pastoralräte! Die gegenwärtige Zeit ist von starken und diffusen Tendenzen der Verweltlichung und des Materialismus gekennzeichnet, die leider in die Mentalität, die Vorstellungen, das Verhalten des heutigen Menschen eingedrungen sind. Diese Wirklichkeitsvorstellungen - die den Erfolg, den Konsum, die Effizienz um jeden Preis als «Werte» preisen und leben -sind eine eigentliche Herausforderung an die Botschaft des Evangeliums. Die einzige echte und gültige Antwort darauf ist der Glaube, wenn er von allen, die an Christus glauben, klarsichtig, folgerichtig, mutig gelebt wird. Der Heilige Geist hat durch das providentielle kirchliche Ereignis des Konzils in der Kirche verschiedene Formen von erneuertem apostolischem Einsatz geweckt, die typisch und spezifisch für den Einsatz der Laien sind. In diesen Jahren wurde in zahlreichen Teilkirchen gründlicher darüber nachgedacht, wie man die kirchlichen Strukturen neuen Situationen anpassen könne, und man suchte auch nach besseren, geeigneteren Ausdrucksformen für die Teilhabe der Laien an der Sendung der Kirche. Die Pflicht zum Nachdenken und zur Anpassung hat auch die katholischen Laienbewegungen in der Schweiz erfasst und in ihnen das Wissen 518 REISEN um ihre eigene Rolle in der Kirche, das sie zu neuen Formen der Zusammenarbeit mit den legitimen Hirten treibt, wieder belebt. Ich möchte im besonderen den seinerzeitigen Beitrag der Laien zur Durchführung der Synode und ihre aktive Präsenz in den Pastoralräten unterstreichen, wo ihr Enthusiasmus, ihre Energien, ihre Erfahrung gehört wird. Doch ist es klar, dass diese Versuche und Bemühungen ihre letzte, authentische Bedeutung dann gewinnen, wenn sie dazu beitragen, dass in der Kirche Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen. Durch die neuen Strukturen sollen die Teilkirchen und die Gemeinden - wie auch ihre einzelnen Glieder - immer mehr zum «Salz der Erde» und zum «Licht der Welt» werden (vgl. Mt 5,13ff). Als das Konzil von der Teilhabe der Laien an der Heilssendung der Kirche sprach, lag ihm daran, vor allem auf den Grundelementen zu bestehen. Es sagte: «Durch die Sakramente, vor allem durch die heilige Eucharistie, wird jene Liebe zu Gott und den Menschen mitgeteilt und genährt, die die Seele des ganzen Apostolates ist» (Lumen gentium, Nr. 33). Ohne dieses Ideal christlicher «Heiligkeit», zu dem wir alle berufen sind und in dem unser ganzes Handeln als Getaufte seinen Ursprung, seine Bedeutung und seine Zielsetzung findet, ist der Einsatz in den apostolischen Werken und Strukturen, wie sehr sie auch den neuen Verhältnissen angepasst sein mögen, dazu verurteilt, zu verarmen und mit der Zeit zu vertrocknen. Die ständige Umkehr des Herzens (vgl. Mt 3^2; 4,17; Mk 1,15) muss unsere Arbeit in den verschiedenen Pastoralräten beseelen und anregen. Und diese innere Erfahrung ist die unerlässliche Voraussetzung, damit die Teilhabe, selbst die selbstlose und aktive, der Laien an den verschiedenen Diensten und Aufgaben im Bereich der kirchlichen Gemeinschaft und Sendung nicht nur äussere Praxis im bürokratischen Verwaltungsstil bleibt, sondern Verheissung und Quelle der Bereicherung in der Vielfalt der Berufungen und Charismen und in der Einheit des mystischen Leibes Christi ist. Und diese Einheit muss die sprachlichen und kulturellen Unterschiede überwinden und zum Dialog, zur Zusammenarbeit, zur Solidarität, zur gegenseitigen Ergänzung anspomen im Geist loyalen Gehorsams gegenüber den Bischöfen, den Hirten und Leitern der einzelnen Diözesangemeinden. (Deutsch) 4. Schliesslich möchte ich noch ein kurzes Wort an euch, meine Brüder und Schwestern, richten, die ihr hauptamtlich im kirchlichen Dienst steht. Ich habe schon in den vorhergehenden Erwägungen nachdrücklich unterstrichen, dass die Verbundenheit mit Christus die Basis jedes frucht- 519 REISEN baren Laienapostolates ist. Bei euch ist sie in doppelter Weise gefordert: wegen eures persönlichen, je eigenen Weges zum Heil; und zum andern, weil ihr bereit seid, euch für die Erfüllung einiger wichtiger pastoraler oder amtlicher Aufgaben der Kirche zur Verfügung zu stellen. Eure Berufswahl ist in der Tat eine mutige Entscheidung. Besonders in einer Zeit, in der eine bestimmte Öffentlichkeit an den kirchlichen Dienstträgem eher die Schwächen sucht und die angebotene Hilfe übersieht; in der man nicht nur die Kirche, sondern Gott selbst häufig ins Abseits drängt. Ihr wisst dämm und habt sicher die Last eines solchen Dienstes schon zur Genüge selber gespürt. Deshalb gilt euch mein besonderer Dank, dass ihr das Wagnis eines solchen kirchlichen Berufes eingegangen seid. Ich möchte euch in eurem Dienst im Sendungsauftrag der Kirche von Herzen ermutigen. Setzt alles daran, dass auch in einer säkularisierten Umwelt die Botschaft Christi nicht ungehört verhallt. Versteht eure Berufsarbeit nicht als reinen Broterwerb. Das wäre dem inneren Sinn des Evangeliums zuwider. Bezeugt es vielmehr durch euer Wort und Beispiel, vor allem durch euer Leben. In unseren Tagen steht und fallt die Annahme der Botschaft mit der Glaubwürdigkeit des Boten, mit eurer Zeugniskraft. Darin zeigt sich der Anspruch, den euer Dienst an euch selbst richtet. Alle Christen sind zum Zeugnis aufgerufen, vor allem jedoch diejenigen, die von Berufs wegen in einer besonderen Weise mit der Kirche verbunden sind. Damit eure Arbeit im Dienst der Frohen Botschaft Jesu Christi wirklich fmchtbar werden kann, genügt nicht nur eine rein fachliche Qualifikation, ihr selbst müsst vom Geist Christi zutiefst beseelt und durchdrungen sein. Tragt Sorge dafür, dass euer persönliches Lebenszeugnis und eure berufliche Tätigkeit dem entsprechen, was Christus von seiner Kirche und die Kirche von ihren Mitarbeitern erwartet. Ob ihr in der kirchlichen Verwaltung arbeitet oder unmittelbar im pasto-ralen Dienst steht, gefordert ist von euch vor allem eine grundsätzliche Identifikation mit der Kirche, wie sie euch konkret begegnet: mit ihren menschlichen Schwächen, aber auch mit ihrem fordernden geistlichen Anspruch. Nicht kritische Distanz, sondern Vertrauen und Solidarität um der gemeinsamen Sache Christi willen befähigen euch zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem Apostolat des Amtes, mit den Bischöfen und Priestern, den Trägem besonderer kirchlicher Verantwortung. Das Apostolat der Laien und das Apostolat des Amtes dürfen nicht in Gegensatz zueinander gebracht werden, sind sie doch zuinnerst einander zugeordnet. 520 REISEN Ich weiss um die besonderen Schwierigkeiten derer, die im direkten Dienst der Glaubensunterweisung stehen. Obgleich viele geistige Strömungen die Katechese heute herausfordem, vertraut darauf, dass der Geist Gottes mit seiner Wahrheit in der Kirche lebt und wirkt. Begnügt euch nicht mit blosser Sachinformation, sein Wort ist stets Aufruf zum Zeugnis und zur Nachfolge. Eure Glaubensunterweisung sei stets von der Bereitschaft getragen, das verbindliche Zeugnis der Kirche und die Entscheidung derer anzunehmen, die in der Kirche von Gott den Auftrag zur Wahrung des Glaubensgutes haben. Bemüht euch darum, stets Diener und Lehrer der Wahrheit zu sein, damit «euch die Wahrheit des Evangeliums erhalten bleibe» (Gal 2,5). 5. Euch allen, Brüder und Schwestern, ob ihr direkt in der Seelsorge einer Pfarrei tätig seid, ob ihr durch eure Arbeit in Räten und Kommissionen, in Vereinen und Verbänden der Seelsorge vor-arbeitet, ob ihr in «Geistlichen Bewegungen» wirkt, danke ich nun zum Schluss noch einmal aufrichtig für euren Einsatz. Euch, die ihr euch so vielfältig als Laien in der Kirche einsetzt, rufe ich zu: «Wenn nicht der Herr das Haus baut, dann müht sich umsonst, der daran baut» (Ps 127,1). Je mehr ihr selber im Glauben wachset und je mehr ihr in die Kirche hineinwachset, um so wertvoller werden eure Dienste in der Seelsorge. Christus sei euer Ziel und die Kirche eure Heimat! Der Altar versinnbildet Christus Predigt bei der Messe und Altarweihe in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Unter dem Kreuze Jesu stand seine Mutter (vgl. Joh 19,25). Als Pilger zu Unserer Lieben Frau von Einsiedeln haben wir uns heute in ihrem Heiligtum versammelt, um in Gebetsgemeinschaft mit ihr an diesem ehrwürdigen Ort das eucharistische Opfer Christi zu feiern. Ihre Gnadenkapelle steht an der historischen Stätte, wo der Benediktiner und Einsiedler Meinrad (t 861) vor über tausend Jahren durch sein heiliges Leben und Sterben die Fackel des Glaubens und der Gottesverehrung im sogenannten «Finstern Wald» entzündet hat. Die Söhne des heiligen Benedikt 521 REISEN haben diese durch ihr treues Gebet und Lebenszeugnis die Jahrhunderte hindurch brennend erhalten und an die nachfolgenden Generationen bis auf den heutigen Tag weitergereicht. An diesem Ort des Gebetes, der dem göttlichen Erlöser geweiht war, hat auch seine Mutter als Unsere Liebe Frau von Einsiedeln inmitten des Schweizervolkes eine bleibende Stätte und den Ort ihrer besonderen Verehrung gefunden. So grüssen wir heute Maria in diesem Heiligtum als die Mutter unseres Erlösers, der sie am Kreuz auch uns zur Mutter gegeben hat. Wir reihen uns geistig ein in die endlose Schar der Pilger, die von Generation zu Generation in dieses Gotteshaus gekommen sind, um sie seligzupreisen, weil der Mächtige Grosses an ihr getan hat (vgl. Lk 1,48-49). In diesem grossen Chor von Betern wollen wir zugleich mit Maria, der Mutter Jesu, «einmütig im Gebet» verharren (vgl. Apg 1,14) und zusammen mit ihr die Grosstaten Gottes preisen, der «sich erbarmt von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten» (Lk 1,50). Wir sind hierher gekommen, um nach der Tradition des Volkes Gottes, das in diesem Land lebt, zusammen mit der demütigen Magd des Herrn die heiligste Dreifaltigkeit anzubeten: Vater, Sohn und Heiliger Geist; um das Werk der Erlösung zu betrachten und zu verehren, das sich hier seit so vielen Generationen mit ihrem mütterlichen Beistand vollzieht. Wir tun dies in unserer eucharisti-schen Versammlung um diesen Altar, der Christus versinnbildet und der dafür heute seine besondere kirchliche Weihe erhalten soll. Herzlich grüsse ich alle, die sich mit uns zu dieser Eucharistiefeier versammelt haben oder sich im Geiste mit unserem Gottesdienst vereinigen. Ich grüsse die Mitbrüder im Bischofs- und Priesteramt, die Ordensleute, alle Pilgerinnen und Pilger sowie die Vertreter der staatlichen Behörden. Einen ganz besonderen Gruss richte ich an die anwesenden behinderten Brüder und Schwestern, die durch ihre Gebrechen und Prüfungen in einer besonderen Weise mit dem Leiden unseres Herrn verbunden sind. 2. Bei der heutigen Feier der Eucharistie weihen wir den neuen Altar dieser Basilika. Die Weihe bereitet den Altar dazu vor, dass auf ihm das eucharistische Opfer dargebracht werden kann: das Opfer, in dem unter den Gestalten von Brot und Wein auf sakramentale Weise das Kreuzesopfer Christi erneuert wird. Dieses Sakrament ist das Sakrament unserer Einheit mit Gott im Tod und in der Auferstehung seines Sohnes. In diesem Sakrament treten wir vor den heiligen Gott, ja begegnen wir der Heiligkeit Gottes selbst auf unmittelbare Weise - durch Jesus Christus: «durch ihn, mit ihm und in ihm». Wie heilig muss dann der Ort selber sein, auf dem dieses Sakrament gefeiert wird! 522 REISEN Wenn wir am Beginn des eucharistischen Hochgebetes das dreimalige «Heilig, heilig, heilig ...» singen, so erldingt in diesem Gesang gleichsam ein «fortwährendes Echo jener Vision des Jesaja, an die uns die Schriftlesung in der heutigen Laudes erinnert hat: «Ich sah den Herrn ... Serafim standen über ihm. Jeder hatte sechs Flügel... Sie riefen einander zu: ‘Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere ...‘» (Jes 6,1-3). Zugleich steigt durch die Eucharistie, in der sich das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung Christi erneuert, diese Heiligkeit Gottes zu uns herab. Sie tritt im geopferten Gotteslamm leibhaftig in unsere Mitte und nähert sich unseren Herzen. In gewissem Sinn berührt sie - wie bei Jesaja - mit einem glühenden Stein vom Altar auch unsere Lippen. Unsere Begegnung mit dem heiligen Gott fordert stets auch unsere persönliche Reinigung und Heiligung. Gott selbst schenkt sie uns als Frucht der Erlösung, die die nie versiegende Quelle des Heils für uns Menschen ist. Wie Jesaja dürfen wir von ihm die trostvollen Worte hören:«. .. deine Sünde ist gesühnt» (Jes 6,7). Gott vermittelt uns seine heiligmachende Gnade vor allem durch die Sakramente der Kirche, aber auch durch unser Gebet und durch jede gute Tat, die wir aus Liebe zu ihm und zu unseren Mitmenschen verrichten. Das geistliche Leben des Christen formt sich und wächst durch eine ständige Reinigung. Je mehr die Dunkelheit der Sünde in uns schwindet, um so mehr können wir vom Lichte Christi erfasst werden. Wir werden dadurch zugleich fähig, uns mit ihm in seiner Heilssendung für die Welt zu vereinen. 3. Unser ganzes Leben muss reinigende Vorbereitung auf unsere Begegnung mit dem heiligen Gott sein: einmal in der Ewigkeit, aber auch schon jetzt in der Eucharistie. Das Evangelium der heutigen Liturgie ermahnt uns ausdrücklich: «Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dir dabei einfällt, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe dort vor dem Altar liegen; geh und versöhne dich zuerst mit deinem Bruder, dann komm und opfere deine Gabe» (Mt 5,23-24). Unsere Teilnahme an der Eucharistie, die eine Quelle unserer Versöhnung mit Gott ist, soll zugleich auch Quelle unserer Versöhnung mit den Menschen sein. Unser konkreter Alltag konfrontiert uns immer wieder unerbittlich mit Konflikten und Spannungen, mit Hass und Feindschaft: im eigenen Herzen, in der Familie, in der Pfarrgemeinde, am Arbeitsplatz und zwischen den Völkern. Je mehr die Menschen sich nach Verständigung und brüderlicher Eintracht untereinander sehnen, um so unerreichbarer scheinen diese für sie zu werden. Um so eindringlicher ist sich deshalb die Kirche heute dessen bewusst, dass ihr von Gott «das Wort der Versöhnung zur 523 REISEN Verkündigung anvertraut» worden ist (2 Kor 5,19). Gott, der von uns Versöhnung fordert, bevor wir unsere Opfergabe zum Altar bringen, ist zugleich selber bereit, uns durch Christus und die Kirche zu dieser Versöhnung zu befähigen. Denn er hat «in Christus die Welt mit sich versöhnt» (2 Kor 5,19) und uns in der Kirche das kostbare Sakrament der Versöhnung geschenkt. Wahre Versöhnung unter entzweiten und verfeindeten Menschen ist nur möglich, wenn sie sich gleichzeitig mit Gott versöhnen lassen. Echte Bruderliebe gründet in der Liebe zu Gott, der der gemeinsame Vater aller ist. Versöhnen wir uns also, liebe Brüder und Schwestern, die wir nun unsere Opfergabe zum Altar bringen wollen, in solch aufrichtiger Gottes- und Nächstenliebe mit allen, die etwas gegen uns haben. Versöhnen wir uns innerhalb unserer kirchlichen Gemeinschaft als Brüder und Schwestern in Christus! Nehmen wir Rücksicht aufeinander: der im Glauben Gebildete und Fortgeschrittene auf das Empfinden und die Frömmigkeit der einfachen Gläubigen; der stark Traditionsverbundene auf jene, die sich im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils um eine authentische Erneuerung des religiösen und kirchlichen Lebens bemühen. Anstatt andere zu verwirren oder zu verletzen, müssen wir vielmehr auf Ausgleich und Verständigung bedacht sein, damit wir im gegenseitigen Ertragen, in Geduld und Liebe gemeinsam das Reich Gottes in unserer Mitte auferbauen, das ein Reich der Versöhnung und des Friedens ist. Nur so wird unsere tägliche Opfergabe auf unseren Altären bei Gott gnädige Annahme finden. Der Altar versinnbildet Christus, der - wie der Apostel sagt - «unser Friede» ist (Eph 2,14). Darum wird es gleich auch im Weihegebet heissen: «Dieser Altar sei ein Ort des vertrauten Umgangs mit dir und eine Stätte des Friedens» (Die Feier der Altarweihe, 48). Das Wesen des eucharisti-schen Opfers selbst, das ein Opfer der Versöhnung ist, und die uns darin begegnende Heiligkeit Gottes verlangen von uns diese vorbereitende Reinigung durch unsere Versöhnung mit den Mitmenschen. 4. Die Versöhnung mit den Brüdern und Schwestern öffnet uns den Weg zur Eucharistie, zum Opfer, dem Sakrament unserer Einheit mit Gott in Jesus Christus. Als in seinem Namen Getaufte und mit der Gabe des Heiligen Geistes Gefirmte und Gesalbte wurden wir zu einer «heiligen Priesterschaft». Zusammen mit Christus feiern wir in der Eucharistie seine liebende Hingabe an den Vater und werden in innigster Vereinigung mit ihm durch den Empfang seines geopferten Leibes und Blutes selber im Heiligen Geist Altar und eine Gott wohlgefällige Opfergabe. Dadurch ist die Eucharistie zugleich Höhepunkt im geistlichen Leben des Christen und 524 REISEN Quelle für seine Spiritualität. Der heilige Gregor der Grosse fragt deshalb: «Was ist der Altar Gottes, wenn nicht das Herz derer, die ein gutes (christliches) Leben führen?» (Hom. in Ez. 11.10,19). Und der Apostel schreibt: «Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefallt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst» (Röm 12,1). Unser ganzes Leben, unser Denken und Tun, soll ein Akt gläubiger Gottesverehrung werden und mit Christus als wohlgefällige Gabe auf dem Altar zum Lobpreis des Vaters aufgeopfert werden. ; Die Eucharistie, das Opfer Jesu Christi, das auf sakramentale Weise auf den Altären der Kirche - heute auf diesem neugeweihten Altar - Gott dargebracht wird, bildete von Anfang an den Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft und die tiefste Quelle des geistlichen Lebens eines jeden Christen. Wie wir soeben aus der Apostelgeschichte gehört haben, formten sich die ersten Christen zu einer Gemeinschaft, indem sie einmütig im Tempel verharrten und in Freude und Einfalt des Herzens; miteinander Mahl hielten. Sie verharrten «in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten» (Apg 2,42ff.). In dieser Weise lebt die Kirche seit dem Beginn ihrer Geschichte. Die Eucharistie ist der Mittelpunkt der christlichen Gemeinschaft, weil Christus in ihr der Kirche alle Gnadenschätze seines erlösenden Kreuzesopfers erschliesst und die Gläubigen für ihre christliche Bewährung im Leben des Alltags mit seinem eigenen Heisch und Blut nährt. Diese innere Verbundenheit der Gläubigen mit Christus ist zugleich die Quelle der Einheit und brüderlichen Solidarität in der christlichen Gemeinde. Die besondere Beziehung zu Gott durch die Teilnahme am Opfer Christi erzeugt und fordert Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter den Menschen. Die vertikale und horizontale Dimension der christlichen Berufung treffen sich im Zeichen des Kreuzes und finden darin ihre innere Einheit. Wie uns die Apostelgeschichte ebenfalls berichtet, hielten die ersten Christen nicht nur Gemeinschaft in der Feier der Eucharistie, sondern verkauften auch «Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte» (Apg 2,45). Das Geheimnis der Eucharistie ist ein Geheimnis der Liebe, das uns selber in Pflicht nimmt. Die Gemeinschaft im Brechen des eucharistischen Brotes macht uns um so empfänglicher für die Not, den Hunger und die Leiden unserer Mitmenschen. Wenn wir von dem Brot essen, durch das Christus uns Leben schenkt von seinem göttlichen Leben, müssen auch wir bereit sein, unser Leben mit dem Mitbruder zu teilen. Wenn wir uns aus dieser Quelle der Liebe nähren, sind auch wir aufgerufen, nicht nur 525 REISEN etwas zu geben, sondern uns selbst im Dienst am Nächsten hinzugeben. Die frühe christliche Gemeinde hat uns dies beispielhaft vorgelebt. Deshalb konnten die Heiden von diesen Christen voller Bewunderung sagen: «Seht, wie sie einander lieben!» (Tertullian, PL 1,471). Bei der Altarweihe wird uns das festliche Anzünden der Lichter am Altar an Christus erinnern, «das Licht zur Erleuchtung der Heiden» (vgl. Lk 2,32). Christus, der in der brüderlichen Liebe einer Gemeinde gegenwärtig ist, ist ein Licht, das über den Bereich der Kirche hinausstrahlt. Es hat eine missionarische Kraft. Darum heisst es von der ersten Christengemeinde: «Der Herr fügte täglich ihrer Gemeinschaft die hinzu, die gerettet werden sollten» (Apg 2,47). Feiert deshalb, liebe Brüder und Schwestern, die heilige Eucharistie stets so, dass das Licht Christi von dort in euer Leben im Alltag und in die Welt hinausstrahlt. Feiert die «Missa» so, dass sie zur «Missio» führt: zur christlichen Sendung bei den Menschen. 5. Christus selbst verweist uns vom Kreuz herab auf seine Mutter: Seht da, eure Mutter! Die Mutter der göttlichen Gnade. Gerade sie ist ja der göttlichen Kraft der Erlösung durch Christus besonders nahe. Sie ist uns als Mutter unseres Erlösers auch nahe bei dieser Eucharistiefeier, in der wir <3> den neuen Altar in ihrem Heiligtum von Einsiedeln weihen. Sie lehrt uns, wie wir aus unseren Begegnungen mit Christus in der Eucharistie immer wieder neue Kraft und Orientierung für unser geistliches Leben schöpfen können: «Was er euch sagt, das tut!» (Joh 2,5). Sie lehrt es uns selbst durch das Beispiel ihres eigenen Lebens. Als Jungfrau von Nazaret wie als Mutter des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, an Pfingsten im Gebet mit den Jüngern vereint, lebt sie die innerste Bereitschaft des Herzens für das Kommen des Gottesreiches. Sie, der dieses ehrwürdige Heiligtum eures schönen Schweizerlandes geweiht ist, soll euch darin Vorbild und Lehrerin sein. Sie hat die Geheimnisse Gottes «in ihrem Herzen überdacht» (vgl. Lk 2,19.51). Als demütige Magd des Herrn Hess sie sich von Gottes Heilsplan und -wirken völlig in Dienst nehmen. Sie hat ihr «Fiat», ihr vorbehaltloses Ja zu Gott gesagt. <3> Durch die verschiedenen Missions- und Hilfswerke versuchen die Gläubigen und alle Mitwirkenden, die ihr hier vertretet, nach dem Beispiel des Herrn durch Verkündigung und Diakonie in eurem Land und in der Welt den Dienst der Liebe zu vollziehen. Diese Aufgaben gehören zum Wesen der Kirche. Alle Menschen haben ein Anrecht darauf, dass ihnen die Frohe Botschaft Christi verkündet wird und sie seine Menschenfreundlichkeit erfahren. Die Sendung der Kirche gilt dem ganzen Menschen, seinem zeitlichen und ewigen Heil. Sie verwirklicht sich in der umfassenden Heilssorge für den Menschen im religiösen, geistig-personalen und materiellen Bereich. Die brüderliche Solidarität der Christen gilt vor allem jenen, die hungern und dürsten nach Lebenssinn, Brot und Gerechtigkeit, nach Menschenwürde und nach dem erlösenden Erbarmen Gottes. Der mitverantwortliche, opferbereite Einsatz der Gläubigen in euren Missions- und Hilfswerken entspricht somit dem Geiste des Herrn, der von sich selber gesagt hat: «Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und dass sie es in Fülle haben» (Joh 10,10). Lasst uns also, liebe Brüder und Schwestern, an diesem neugeweihten Altar zusammen mit Maria unter das Kreuz ihres Sohnes treten und in unserer Eucharistiefeier mit ihr die Grosstaten Gottes preisen. Sie hilft uns, die allesüberragende Heiligkeit Gottes zu erkennen. Sie führt uns zu unserer Versöhnung mit Gott in Christus. Sie lehrt uns die brüderiiche Einheit untereinander und unsere Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums. Sie lehrt uns glauben, hoffen und lieben, und so unser Leben ganz aus dem Geiste Christi zu gestalten. Lasst uns diese heilige 526 REISEN Eucharistie so feiern, dass auch in unseren Herzen jene Worte erklingen und Wirklichkeit werden, die Maria bei der Verkündigung in Nazaret gesprochen hat: «Ich bin die Magd des Herrn: mir geschehe, wie du gesagt hast» (Lk 1,38). Amen. Das Bewußtsein der Mitverantwortung fördern Ansprache bei der Begegnung mit Vertretern der kirchlichen Missionsund Hilfswerke in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! i Bei meinem Pastoralbesuch in der Schweiz darf auch eine Begegnung mit Vertretern der schweizerischen Missionskräfte und der kirchlichen Hilfswerke nicht fehlen. Der opferbereite Einsatz der Schweizer Katholiken für den Missionsauftrag der Kirche und ihre zahlreichen Spendenaktionen für notleidende Mitmenschen, vor allem in Ländern der Dritten Welt, gereichen der katholischen Kirche dieses Landes zur besonderen Ehre und Auszeichnung. <4> <4> Durch die verschiedenen Missions- und Hilfswerke versuchen die Gläubigen und alle Mitwirkenden, die ihr hier vertretet, nach dem Beispiel des Herrn durch Verkündigung und Diakonie in eurem Land und in der Welt den Dienst der Liebe zu vollziehen. Diese Aufgaben gehören zum Wesen der Kirche. Alle Menschen haben ein Anrecht darauf, dass ihnen die Frohe Botschaft Christi verkündet wird und sie seine Menschenfreundlichkeit erfahren. Die Sendung der Kirche gilt dem ganzen Menschen, seinem zeitlichen und ewigen Heil. Sie verwirklicht sich in der umfassenden Heilssorge für den Menschen im religiösen, geistig-personalen und materiellen Bereich. Die brüderliche Solidarität der Christen gilt vor allem jenen, die hungern und dürsten nach Lebenssinn, Brot und Gerechtigkeit, nach Menschenwürde und nach dem erlösenden Erbarmen Gottes. Der mitverantwortliche, opferbereite Einsatz der Gläubigen in euren Missions- und Hilfswerken entspricht somit dem Geiste des Herrn, der von sich selber gesagt hat: «Ich bin gekommen, dass sie das Leben haben und dass sie es in Fülle haben» (Joh 10,10). 527 REISEN Ohne gelebte Brüderlichkeit untereinander und füreinander kann es keine christliche Gemeinschaft geben. Daher ermahnt uns der heilige Paulus: «Einer trage des andern Last: So werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen» (Gal 6,2). Angesichts der ständig wachsenden Weltbevölkerung ist die weltweite Glaubensverkündigung und eine verstärkte zwischenkirchliche Hilfe ein besonderes Gebot der Stunde. Die ungeheure Zahl der Armen, der Hungernden, der Flüchtlinge und jener Menschen, die sich nach mehr Gerechtigkeit und Freiheit sehnen, ist für uns Christen eine Herausforderung, nicht nur wohlwollend Hilfe zu leisten, sondern auch die Ursachen der Nöte umfassender zu studieren und diese zu beseitigen. Eine besondere Verantwortung haben hierbei vor allem die reichen Nationen. Wer immer zu den Begüterten zählt, möge die «soziale Hypothek» bedenken, die nach grosszügiger privater, kirchlicher und staatlicher Hilfe ruft. 2. Ich weiss um die zahlreichen Institutionen und Organisationen, die sich in eurem Land hochherzig dafür einsetzen, dass unter den Gläubigen das Bewusstsein der Mitverantwortung für die Glaubensverkündigung und die Solidarität mit den notleidenden Brüdern und Schwestern in der Welt wachsen. Stellvertretend für alle möchte ich hier nur erwähnen: die in der Mission und Diakonie tätigen religiösen Orden und Kongregationen, den Schweizerischen Katholischen Missionsrat, die Päpstlichen Missionswerke «MISSIO», den Caritasverband, das Fastenopfer der Schweizer Katholiken. Eine besondere Erwähnung verdient auch die Römisch-Katholische Zentralkonferenz, dank deren umsichtigen Wirkens auch immer mehr reguläre kirchliche Steuermittel eingesetzt werden können. Es ist mir ein besonderes Anliegen, während dieses Pastoralbesuches den Bischöfen, allen Verantwortlichen und Mitwirkenden sowie allen opferbereiten Gläubigen in der Schweiz für dieses tatkräftige Zeugnis christlicher Nächstenliebe in Mission und Diakonie im Namen der Kirche aufrichtig zu danken. Möge der Geist des brüderlichen Teilens in der Gemeinschaft der Kirche noch weiter wachsen und sich vertiefen, damit die erlösende Heilsbotschaft Christi immer glaubwürdiger verkündet und gelebt wird. Darin bestärke euch Christus, der Herr, mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 528 REISEN „Habt Geduld mit der Kirche!“ Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend in Einsiedeln am 15. Juni (Deutsch) Meine lieben jungen Freunde! 1. Der heutige Abend soll ganz euch gehören. Dies ist für mich eine grosse Freude. Meine Begegnungen mit den Jugendlichen in den verschiedenen Ländern und Kontinenten während meiner Pastoralbesuche sind mir unvergesslich und besonders teuer. Denn ich setze viel Hoffnung gerade auf euch, junge Menschen und Christen. Ihr seid die Zukunft der Welt und der Kirche. Dafür tragt ihr eine grosse Verantwortung. Ich habe soeben mit Delegierten eurer Jugendverbände gesprochen. Sie haben mir ihre Erfahrungen und ihre Ängste, ihre Erwartungen und Hoffnungen anvertraut. Jetzt möchte auch ich meine Gedanken, Anliegen und Sorgen euch ans Herz legen und euch bitten, mit mir zusammen euren Auftrag in Kirche und Welt zu bedenken. Ich tue es in grosser Dankbarkeit für eure Gegenwart und auch für eure Seelsorger, die ihre Kraft ganz in den Dienst der Jugend stellen. Ihr fragt euch oft, allein oder in Gemeinschaft: «Was macht im letzten mein Leben aus? Wo finde ich unbedingt Erstrebenswertes, das meinem Leben Sinn und Halt gibt, Beständigkeit und Zuverlässigkeit verleiht?» Mit einer euch jungen Menschen eigenen Sensibilität ringt ihr um die tieferen Fragen nach dem Woher, dem Wozu, dem Wohin des Lebens; haltet ihr Ausschau nach wahren Werten, die für euch wichtig sind; sucht ihr nach Idealen, die euer Leben bereichern und für die zu kämpfen ihr bereit seid. Ich rufe euch zu: Lasst euch von eurem Suchen nicht abhalten, gebt euch nicht mit billigen Antworten zufrieden, prüft mit wachen Augen, was euch zum wahren Lebensglück dient. Ein weiteres: Ihr jungen Menschen spürt in einer besonderen Weise die grosse Verantwortung für das Leben und Überleben der Menschen in unserer gefährdeten Welt. Deshalb sprecht ihr sehr freimütig und offen eure Ängste aus: eure Angst vor dem stets grösser werdenden Gefalle der Ungerechtigkeit zwischen Reichen und Armen, eure Angst vor der Gefährdung des Friedens in unserer Welt durch die ungeheure atomare Aufrüstung und eure Angst vor dem Verlust des Lebenssinnes durch die in unseren Gesellschaften weitverbreitete Konsumhaltung. Ich teile eure angstvollen Sorgen und Befürchtungen, denn es sind auch meine Sorgen, die ich schon oft ausgesprochen habe. Behaltet den Mut zu eurem besorgten Fragen und Suchen! Denn es ist unvernünftig, keine Angst haben zu 529 REISEN wollen oder sie gar zu verdrängen dort, wo Angst uns Menschen im Blick auf unsere Welt wirklich geboten ist. Ihr jungen Menschen seid manchmal noch die einzigen, die ihre Befürchtungen und Ängste aussprechen. Das ist euer Recht und eure Pflicht gegenüber einer Welt und Gesellschaft, die ihr selbst noch nicht zu verantworten habt und die euren berechtigten Hoffnungen und Idealen in vielem nicht entspricht. 2. Lasst euch jedoch durch eure Ängste nicht mutlos machen. Tragt Sorge dafür, dass ihr in eurem Lebenswillen und in eurer Suche nach einem sinnvollen Lebensstil nicht resigniert. Denn Resignation ist eine Form der Anpassung an die Hoffnungslosigkeit der heutigen Zeit, und zwar die ohnmächtigste Form. Ihr aber seid die Hüter der Flamme der Hoffnung in dieser Welt. So wie euer Feuer, das ihr an Pfingsten entzündet habt, jetzt die beginnende Nacht erhellt, so sollt auch ihr immer wieder das Licht suchen in der Dunkelheit eures Lebens und unserer Welt. Und dieses Licht lässt auf diesem Platz das eigentliche und wahre Zeichen der Hoffnung sichtbar werden: das Kreuz, das euch an ein Ostertreffen erinnert. Dieses Kreuz ist das Standbild der Hoffnung und Zukunft für unsere Welt. Von ihm kommt uns die Stimme desjenigen entgegen, den die Menschen nicht ertragen und ans Kreuz geschlagen haben, der uns aber wie niemand sonst Mut macht: «In der Welt habt ihr Angst; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegte (Joh 16,33). Richtet deshalb euren Blick und euer Herz immer wieder auf das Kreuz und betet den Gekreuzigten an. Von ihm strömt Lebenskraft aus, damit ihr nicht verzweifelt, sondern den langen Atem der Hoffnung bewahrt. Ihr wollt, dass euer Leben nicht sinnlos und belanglos wird, sondern dass es gelingt und glückt. Das war der Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Auf die alles entscheidende Frage, wie dies zu erreichen ist, kann es für mich, und so hoffe ich, auch für euch nur eine Antwort geben: Glauben! Denn genau dies heisst «glauben»: bis in die letzten Fasern eures Lebens hinein euch auf den lebendigen Gott selber einzulassen und euren Alltag von ihm her, mit ihm und auf ihn hin zu leben. Gott selbst ist ja ungewöhnlich, ja er sprengt all unsere Vorstellungskraft: Unserer Zeit ist es Vorbehalten, dass wir dank der Naturwissenschaften Einblicke in die Geheimnisse des Lebens tun dürfen, Einblicke in die grossartigen Gesetze der Ordnung des Makrokosmos und des Mikrokosmos gewinnen, hinter denen wir die Grösse des Schöpfergottes zu ahnen vermögen. Und dieser Gott ist ungewöhnlich, denn er ist selber einer von uns geworden, ist das Wagnis des Lebens mit uns eingegangen. Zusammen mit diesem alle 530 REISEN menschlichen Grenzen sprengenden Gott kann auch euer Leben zu einem ungewöhnlich reichen und faszinierenden Abenteuer werden. 3. Dieser lebendige Gott begegnet euch in Jesus Christus. In ihm, in Jesus Christus, offenbart sich euch das ganze Wesen dieses Gottes, das lauter Liebe ist. Mit dieser Liebe spricht Gott jeden einzelnen von euch als Sohn, als Tochter an. Und nichts und niemand soll euch von dieser Liebe Gottes in Christus trennen (vgl. Röm 8,39), in welcher euer ganzes Leben mit all seinen Rätseln geborgen ist. Jeder einzelne begegnet Christus und seiner befreienden Botschaft auf ganz persönliche Weise. Ich ermutige euch: Tretet vor ihn. Lasst euch ansprechen von ihm. Setzt euch auseinander mit ihm. Er lehrt euch Grundhaltungen, mit denen das Leben menschenwürdig zu meistern ist. Er befreit euch von Manipulation und Vereinnahmung durch Modetrends und Meinungsmacher. Er fuhrt euch einen Weg, auf dem ihr euch selber erkennen und zu euch finden könnt, wer ihr seid, wofür ihr lebt und was das Ziel eures Lebens ist. Er führt euch zu eurer ewigen Bestimmung in Gott. Seid also offen für den Anruf Gottes in Christus. Vernehmt daraus, was Gott für euer Leben will, und antwortet ihm durch euren Glauben. «Glauben» - dies ist unsere Kurzformel für den «alternativen Lebensstil, den ihr sucht und zu dem ich euch heute abend gerne ermuntern möchte. 4. Christsein, liebe junge Freunde, bedeutet bereits ja sagen zu einem alternativen Leben, das sich nicht in den Bahnen dieser Welt erschöpft, sondern das Sinn und Ziel im Geheimnis Gottes hat. Christsein bedeutet bereits ja sagen zu einem alternativen Leben, das nicht mit allem einverstanden ist, was auf dieser Erde geschieht, sondern sich selbst kritisch einbringt und am Aufbau einer immer gerechteren Welt mitarbeitet. Christsein bedeutet bereits ja sagen zu einem alternativen Leben, das nicht alles für erlaubt hält, was der Mensch zu tun vermag, sondern das seine Verantwortung wahrnimmt für die gesamte Schöpfüng, nämlich Leben zu erhalten, es zu beschützen und weiterzugeben. : Denn Christsein bedeutet, sich zu Christus zu bekennen, der von sich gesagt hat: «Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben» (Joh 14,16). Im Bekenntnis zu ihm, dem menschgewordenen Gott, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn, könnt ihr auf sein Wort hin euer Leben wagen; braucht ihr nicht zu resignieren vor euren eigenen Schwierigkeiten noch angesichts der grossen Probleme unserer Zeit; im Bekenntnis zu Christus werdet ihr erkennen, dass die Wahrheit euch frei macht, die Lüge den 531 REISEN Menschen aber knechtet; ist es euch möglich, in jedem Menschen den Bruder, die Schwester zu sehen, über alle Schranken der Rasse, der Religionen, der politischen Grenzen hinweg. Im Bekenntnis zu Christus habt ihr an einem Leben Anteil, das alle Ausweglosigkeit und Verzweiflung, ja selbst den Tod besiegt hat. Denn Gott hat uns in der Auferstehung Christi das Kreuz als Ort der Hoffnung und des Sieges über alles Leiden, über Schuld und Todesverfallenheit geschenkt. Christus ist daher der einzig gültige «alternative» Weg zu den vielen Irrwegen dieser unserer Welt. 5. Zu diesem «alternativen Lebensstil» gehört auch, dass ihr nicht bloss Einzelkämpfer seid, sondern dass ihr euch zu einer lebendigen Gemeinschaft zusammenschliesst und teilnehmt an der weltweiten Gemeinschaft der Kirche. Denn die Kirche ist die Gemeinschaft der Glaubenden und Hoffenden, die aus der Kraft des Kreuzes Jesu Christi heraus leben. Vielleicht allerdings habt ihr manchmal den Eindruck, dass die Kirche zuwenig eine solche Gemeinschaft ist. Ihr mögt auch mitunter Schwierigkeiten mit ihr haben. Ich kann eure Sorgen verstehen. Ich möchte euch aber heute abend ein Zweifaches sagen und euch um ein Doppeltes bitten: Habt Geduld mit der Kirche! Die Kirche ist immer auch eine Gemeinschaft von schwachen und fehlerhaften Menschen. Und ich möchte hinzufügen: Das ist zugleich unser aller Glück. Denn in einer Kirche von nur Vollkommenen hätten wir wohl selber keinen Platz mehr. Gott selbst will eine menschliche Kirche. Deshalb kann es auch Kritik an der Kirche geben, aber sie muss fair sein und getragen von grosser Liebe zur Kirche. Gott hat sein Heilswerk, seine Pläne und Anliegen in die Hand von Menschen gelegt. Dies ist gewiss ein grosses Wagnis; aber es kann keine andere Kirche geben als die von Christus gestiftete. Er will uns Menschen als seine Mitarbeiter in der Welt und in der Kirche mit all unseren Mängeln und Unzulänglichkeiten, aber auch mit all unserem guten Willen und unseren Fähigkeiten. Er will auch euch! Deshalb meine zweite Bitte an euch: Stellt euch der Kirche zur Verfügung und arbeitet mit in der Art und Weise, wie es dem Ruf Jesu Christi an euch entspricht! Folgt Jesus Christus nach! Stellt euer Leben in seinen Dienst! Dies gibt eurem Leben tiefsten Sinn und Inhalt. Zögert nicht, aufs Ganze zu gehen und ihm auch dann zu folgen, wenn er euch wie dem reichen jungen Mann sagt: «Verkauf alles, was du hast, verteil das Geld an die Armen, und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach!» (Lk 18,22). Stellt so eure jugendlichen Talente auch der Kirche vorbehaltlos zur Verfügung! Die Kirche braucht euch an vielen Stellen, vor allem auch im Priester- und Ordensberuf. Ihr seid die Zukunft 532 REISEN der Kirche. Ihr selbst seid verantwortlich dafür, dass die Kirche jung bleibt und immer wieder jung wird. „Mit Herz und Gewissen“ Ansprache an die Vertreter der Schweizer Medien in Einsiedeln am 16. Juni (Französisch) Sehr geehrte Damen und Herren! 1. Gewiss waren diese Tage und Wochen für Sie und alle, die mit Ihnen in Presse, Radio und Fernsehen Zusammenarbeiten, mit manchen zusätzlichen Anstrengungen verbunden. Um so mehr freue ich mich über diese kurze Begegnung mit Ihnen als den Vertretern aller Medienschaffenden in der Schweiz. Ich möchte Ihnen, Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen aufrichtig danken für Ihre grossen Bemühungen um eine mediengerechte Vermittlung der vielfältigen Ereignisse und der geistlichen Botschaft meines Pastoralbesuches an die Menschen in diesem Land und weit darüber hinaus. Durch Ihre hilfreiche Arbeit ist es mir möglich, von einigen wenigen Orten der Schweiz aus allen ihren Bewohnern oder zumindest der grossen Mehrheit von ihnen gleichsam persönlich nahezukommen und mein Wort an sie zu richten. Wie bei jedem Pastoralbesuch geht es mir auch bei meinem Besuch in Ihrem Land, zu dem auch Sie mit Ihrer Arbeit massgeblich beitragen, an erster Stelle um die Sache Jesu Christi, um seinen Auftrag und seine Botschaft an die Menschen unserer Zeit. Er hat uns einen Weg gezeigt, unser persönliches und gemeinschaftliches Leben menschenwürdig und lebenswert zu gestalten. Um das religiöse Geschehen dieser Tage und seinen tiefen Inhalt persönlich zu verstehen und in der richtigen Weise durch Wort und Bild an andere Menschen weiterzuvermitteln, bedarf es jedoch mehr als eines guten Schreibtalentes oder eines erstklassigen Teleobjektivs und Filmmaterials. Es braucht dazu das Auge und Herz eines Menschen, der offen ist für geistige und religiöse Werte und Wahrheiten, der bereit ist, danach zu suchen. Es braucht vor allem das erklärende, vertiefende, wertende Wort des Kommentators, der seinen Lesern, Zuhörern oder Zuschauern die tiefere Bedeutung dieser reichhaltigen religiösen Ereignisse nahebringt. Damit ist der im Medienbereich Schaffende nicht nur gefordert als einer, der seine Technik gut beherrscht, sondern mehr noch als Mensch mit Herz und Gewissen, mit tiefem menschlichem Einfuh- 533 REISEN lungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein. Ich wünsche Ihnen deshalb, dass Sie das Geschehen und die Botschaft dieser Pastoraireise sowohl mediengerecht als auch in ihrem geistigen Gehalt an Ihre Adressaten vermitteln, vor allem aber, dass Sie diese auch selbst persönlich in sich aufnehmen und für Ihr eigenes Leben und Wirken bedenken. (Deutsch) 2. Als Medienschaffende tragen Sie von Ihrer beruflichen Sendung her eine grosse Verantwortung. Infolge der Entwicklung und der ständigen technischen Vervollkommnung der Kommunikationsmittel sind die einzelnen Menschen und Völker einander näher gerückt. Gegenseitige Beeinflussungen und Abhängigkeiten treten immer deutlicher hervor. Dank Ihrer Stellung und Ihrer Kompetenzen im Medienbereich stellen Sie sich täglich Fragen wie: Wie kann man die zur Verfügung stehenden Mittel und Kenntnisse immer wirksamer in den Dienst des Menschen stellen? Was soll man dem Hörer bzw. Leser zu seiner Information, zu seiner persönlichen Entfaltung und Weiterbildung anbieten, um seinen Sinn für Gemeinschaft zu stärken und seinen Blick auf die Mitmenschen zu schärfen? In der richtigen Beantwortung dieser Fragen liegt Ihre hohe Verantwortung vor Gott und den Menschen sowie der entscheidende Einfluss, den Sie auf die öffentliche Meinung ausüben. Der Journalist weiss, dass er in seiner Tätigkeit nicht nur für das verantwortlich ist, was er sagt, schreibt oder am Fernsehen zeigt, sondern auch für die Art, wie er seinen Stoff behandelt. Lassen Sie nicht zu, dass die Medien zur Manipulierung der öffentlichen Meinung missbraucht werden. Achten Sie sorgfältig darauf, dass die Nachrichtenübermittlung nicht im Oberflächlichen steckenbleibt, und wirken Sie der Tendenz entgegen, das Negatie oder Sensationelle auf Kosten der Rechte jedes einzelnen Menschen in den Vordergrund zu stellen. Es gibt keine wertfreie Information oder Kommunikation. Es liegt an Ihnen, jenen Werten Ausdruck zu verleihen, die verbreitet zu werden verdienen, weil sie den Aufbau der Gemeinschaft und die Entfaltung des Menschen fordern. Ich möchte Sie ermutigen, in einer dem christlichen Lebensideal oft feindlich gesinnten Umwelt alle Ihre Fähigkeiten für die Verteidigung des Menschen und seiner Würde sowie für die Erhaltung und Stärkung der echten Werte in unserer Gesellschaft einzusetzen. Möge Ihnen mein Pastoralbesuch in Ihrem Land und unsere heutige Begegnung in der Wahrnehmung Ihrer Aufgaben und Ihrer so bedeutenden Verantwortung eine Hilfe sein. Von ganzem Herzen vertraue ich Ihre Tätigkeit im Bereich der sozialen Kom-munikationenderHilfeunddemSegenGottesan. 534 REISEN „Nehmt euer Leiden gläubig an!“ Ansprache im Regionalspital in Einsiedeln am 16. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. Gottes Güte hat es gefügt, dass mich mein Pilgerweg durch euer geliebtes Vaterland in eure unmittelbare Nähe führte. Deshalb möchte ich euch und alle, die sich eurer hier in diesem Regionalspital in Liebe annehmen, durch meinen kurzen Besuch von Herzen grüssen. Ich tue dies mit dem Friedensgruss des auferstandenen Herrn: «Friede sei mit euch!» (Joh 20,21) und richte diesen zugleich an alle Kranken in eurem Land. Wie jeder Diener des Evangeliums, der frohmachenden Botschaft vom erlösenden Leiden Christi, komme ich zu euch als Bruder. Ich;bringe euch keine neue Botschaft, wohl aber eine bewährte, die das Leben und das Kranksein, ja sogar das Sterbenmüssen verwandeln und neu machen kann. Das Evangelium und der christliche Glaube, in dem ich euch im Aufträge Christi heute bestärken darf, sind besonders für euch in der bitteren Erfahrung menschlicher Hinfälligkeit und Not eine Frohe Botschaft. Sie lindern zwar nicht den äusseren Schmerz, machen ihn aber erträglicher, indem sie uns einen Weg zu seinem tieferen Sinn und Verständnis eröffnen. 2. In den Augen der Welt ist Leiden, Kranksein, Sterben etwas Schreckliches, Unfruchtbares, Zerstörerisches. Besonders wenn Kinder leiden müssen, wenn Menschen, die ihre Krankheit nicht verschuldet haben -und das sind wohl die meisten -, wenn Unschuldige von Unfall, Behinderung oder unheilbaren Leiden getroffen werden, stehen wir vor einem Rätsel, das sich ehrlicherweise rein menschlich nicht auflösen lässt. Es kann hart machen, es kann verbittern, sowohl die unmittelbar betroffenen als auch die machtlos dabeistehenden Menschen, die nicht helfen können und an ihrer Ohnmacht leiden. Auch hier im Haus und in diesem Land wird es Menschen geben, die fragen: Warum? Warum ich? Warum gerade jetzt? Warum meine Frau, mein Vater, meine Schwester, mein Freund? - Diese Fragen sind nur allzu verständlich. Aber ich möchte euch heute darüber hinaus noch auf eine andere Frage hinweisen, die weiterzuführen vermag. Es ist eine Frage, die den tödlichen Stachel des sinnlos Zerstörerischen und Lebensfeindlichen, der im Leiden und Kranksein stecken kann, herauszieht. Es ist die Frage nicht nur nach dem «Warum», sondern nach dem «Wozu». Das 535 REISEN «Warum» kann uns auf Erden letztlich niemand beantworten. Die Frage hingegen, «wozu» mir dieses Schwere auferlegt ist, kann uns neue Horizonte eröffnen. Als Jesus gefragt wurde, ob der Bhndgeborene selbst oder ob seine Eltern gesündigt hätten, antwortete er überraschend: «Weder er noch seine Eltern..., sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden» (Joh 9,3). Fügt vor diesem Hintergrund der Frage «Wozu» noch ein weiteres wichtiges Wort hinzu, das ihr die entscheidende Richtung gibt: «Wozu, Herr?» Dies ist nun keine Frage mehr, die ins Leere geht, sondern sie richtet sich an einen, der selbst gehtten und gekämpft hat bis aufs Blut, der «mit lautem Schreien und unter Tränen», wie der Hebräerbrief sagt, «den Gehorsam gelernt» hat (Hebr 5,7-8). Er versteht euch und weiss, wie euch zumute ist. Er selbst hat ja zunächst gebeten, dass der bittere Kelch an ihm vorübergehe (vgl. Mt 26,39). Aber er war so eins mit dem Willen des Vaters, dass er schliesslich doch ein ganzes und freies Ja sagen konnte. Von ihm könnt ihr lernen, Leiden fruchtbar und sinnvoll zu machen für die Gesundung der Welt. Mit ihm kann euch euer Kranksein und Leiden menschlicher und sogar froher und freier machen. Viele haben von ihm gelernt und sind dadurch zur Quelle des Trostes für andere geworden. Geht deshalb auch ihr in die Schule seines erlösenden Leidens und wiederholt oft die Bitte, die die heilige Katharina von Siena in ihren vielfältigen Leiden immer wieder an Christus gerichtet hat: «Herr, sage mir die Wahrheit über dein Kreuz, ich will dir lauschen.» 3. Als Christen begegnen wir in der Krankheit nicht einem unheilvollen oder gar sinnlosen menschlichen Schicksal, sondern letztlich dem Geheimnis von Christi Kreuz und Auferstehung. In Schmerz und Leid teilt der Mensch das Los der Schöpfung, die - nach dem heiligen Paulus -durch die Sünde der «Vergänglichkeit unterworfen» wurde, die «bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt», die aber zugleich auch schon von der Hoffnung beseelt ist, von der «Verlorenheit befreit zu werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes» (Röm 8,20f). Krankheit und Leid sind für den gläubigen Menschen nicht so sehr tragisches Geschick, das er rein passiv zu erdulden hat, sondern vielmehr eine Aufgabe, darin auf besondere Weise seine christliche Berufung zu leben. Sie sind Anruf Gottes an den Menschen: Anruf an die Mitmenschen, den Leidenden brüderlich beizustehen und mit allen Mitteln der ärztlichen Kunst zu helfen; Anruf an die Kranken, in ihrem Leid weder zu resignieren noch verbittert aufzubegehren, sondern darin die Möglichkeit zu einer engeren Christusnachfolge zu erkennen. Allein unser Glaube kann uns 536 REISEN dazu Mut und Kraft geben. Durch die gläubige Annahme kann jegliches menschliche Leid zur persönlichen Teilnahme am erlösenden Opfer- und Sühneleiden Christi werden. Christus selber setzt dadurch im leidenden Menschen seine eigene Passion fort. Deshalb sind auch alle Hilfe und Liebe, die wir jenem erweisen, letztlich Christus erwiesen. «Ich war krank, und ihr habt mich besucht», sagt Christus und fahrt fort: «Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan» (Mt 25,36.40). Durch die innere Leidensgemeinschaft mit Christus erhält das menschliche Leid selbst eine befreiende und verwandelnde Kraft und zugleich auch Anteil an der österlichen Hoffnung auf die künftige Auferstehung. Im christlichen Osterglauben dürfen wir mit dem heiligen Paulus überzeugt sein, «dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll» (Röm 8,18). Liebe Brüder und Schwestern! Das ist die beglückende Frohe Botschaft Christi und unseres Glaubens, in der ich euch, Kranke und Krankenhelfer, Schwestern und Ärzte, durch meinen kurzen Besuch in eurem Spital bestärken möchte. Von Herzen erteile ich euch und allen Kränken in der Schweiz meinen Apostolischen Segen und empfehle meine Pastoraireise in euer Land ganz besonders auch eurem Gebet. Denn der Papst vertraut vor allem auf das Gebet und Opfer der Kranken. - Es segne,: behüte und stärke euch der allmächtige Gott: der Vater, der Sohn und der Heilige Geist! Amen. „Immer zuerst den Menschen sehen“ Predigt beim Wortgottesdienst mit ausländischen Arbeitnehmern in Luzern am 16. Juni (Italienisch) Liebe Brüder und Schwestern! Es war mir ein ganz besonderer Wunsch, im Verlauf meines Pastoralbesu-ches in der Schweiz mit euch zusammenzutreffen. Mit besonderer Freude also und tiefbewegt entbiete ich euch meinen herzlichen GrusS, indem ich die Worte des auferstandenen Herrn wiederhole: «Friede sei mit euch!» (Joh 20,19). 537 REISEN Friede euch, die ihr hier so zahlreich zusammengekommen seid. Friede allen Brüdern und Schwestern, die die grosse Gruppe der Einwanderer im helvetischen Land darstellen. Friede euren Familien, euren Kindern, den alten Leuten, den Kranken, den Leidenden. Friede euren Lieben, die wegen eurer Auswanderung in der Feme leben. Und Friede den Priestern, den Ordensmännern, den Ordensfrauen und all denen, die sich mit besonderer Berufung der Seelsorge an den Ausgewanderten widmen. Ich möchte, dass mein Gruss euch alle erreicht, die ihr aus zahlreichen Nationen zum Arbeiten hergekommen seid: die Italiener, die Spanier, die Polen, die Portugiesen, die Kroaten, die Slowenen, die Ungarn, die Tschechen, die Slowaken, die aus Laos, aus Vietnam und viele andere; euch alle, welches auch immer eure Sprache, eure Religion und die gesellschaftlichen Verhältnisse sind, denen ihr angehört. Und ich möchte auch, dass jeder von euch aus meinen Worten heraushört, wie mein Herz für euch und für eure Probleme schlägt. 2. Wir sind alle auf dem Weg in ein endgültiges Vaterland. Unser Leben ist auf der Suche und in Erwartung dieses Zieles, wo wir Ruhe und Sicherheit finden werden. Tagtäglich sind wir auf diesem Weg zusammen mit anderen Menschen, die mit uns gemeinsam gehen und mit uns eine einzige Gemeinschaft bilden. Wir ihr wisst, bedeutet der Aufbruch zu einem neuen Land Trennung und Schmerz, aber er bietet auch Gelegenheit, neuen Menschen zu begegnen und sie kennenzulemen, mit ihnen dem gleichen Ziel entgegenzuschreiten. Die Gemeinschaft, in der wir leben, formt uns und hilft uns, dem Ziel entgegenzugehen. Auch in der Kirche befinden wir uns auf dem Weg, nicht als Einzelgänger, sondern in Gemeinschaft mit dem ganzen Gottesvolk und mit einer präzisen Aufgabe: unsere egoistischen Verhaltensweisen aufzubrechen und uns den anderen Menschen zuzuwenden. Aufbruch und Suche nach einem Vaterland gehören ganz wesentlich zu unserer Existenz als Christen und als Menschen, da wir gut wissen, dass das irdische Vaterland nur vorübergehend ist; nur das, welches danach kommt, kann nie untergehen. Die eingewanderten Arbeiter sind in besonderer Weise Bild des Volkes Gottes auf dem Weg. Aus verschiedenen Gründen habt ihr euer Vaterland verlassen in einer Entscheidung, die sicherlich nicht leichtfiel: wirtschaftliche Gründe oder auch politische und soziale haben euch veranlasst, ein neues Vaterland zu suchen. Jeder hat ein persönliches Motiv für eine solche Entscheidung. Aber eins ist euch allen gemeinsam: dass ihr dieses 538 REISEN neue Land gewählt habt. Dies ist es, was euch eint über alle Unterschiede der Herkunft und der Sprache hinweg. Um dieses Ziel zu erreichen, habt ihr harte Mühen auf euch genommen. Ihr habt gesucht, ein neues Land zu finden, das euch aufnimmt und in dem ihr leben könnt. Aber weder der Abschied noch die Ankunft sollte sich einzig und allein auf materielle Werte gründen; hinter;jeder Sache muss ein ganz bestimmter Sinn stehen, der unserem Leben Richtung bietet: Jesus Christus, der den Weg eingeschlagen hat, der ihn von Nazaret nach Jerusalem führte, vom Tod zur Auferstehung. Sein ganzes Leben war gekennzeichnet vom Auftrag des Vaters, die Menschen zum Heil zu führen. Dieser Christus muss Beispiel und Zielpunkt unseres Lebens sein. Die Schweizer Erde, die euch Gastfreundschaft gewährt, ist durch einen sprachlichen und kulturellen Pluralismus gekennzeichnet. Sie war schon immer ein Land des kulturellen Austauschs. Die Einwanderer hatten von jeher einen Einfluss auf das Leben und auf das Denken der Schweiz. Und von jeher empfingen die Schweizer aus diesem Austausch Anregungen, um neue Wege einzuschlagen. So sind zum Beispiel viele wirtschaftliche und soziale Errungenschaften, die das Bild dieses Landes charakterisieren, nicht zuletzt dem Wirken der Einwanderer zuzuschreiben. Die Offenheit für die Fremden und ihre Kulturen war für dieses Land eine Bereicherung. Aber umgekehrt kann die Tradition dieses Landes für jeden Einwanderer eine Bereicherung bedeuten. Jeder kulturelle Austausch muss gegenseitig sein, damit er Frucht bringen kann. In diesem Sinn fühlen sich Schweizer und Fremde gegenseitig integriert und verbrüdert. Die Schweizer Bischöfe haben die Katholiken wiederholt dazu aufgefordert, sich der Bedürfnisse dieser Mitmenschen anzunehmen und bereit zu sein, die Einwanderer als Brüder und Schwestern aufzunehmen. Alle Christen, ob Schweizer, ob Einwanderer, müssen sich in ihren Pfarreien und Gemeinschaften dafür einsetzen, dass eine immer offenere Haltung den Brüdern gegenüber Platz greift, die sich in Schwierigkeiten befinden. Sie müssen ihnen Gehör schenken und sie mit christlicher Liebe aufnehmen. Dies wäre auch beispielhaft für ein friedliches soziales Zusammenleben in diesem Land. (Spanisch) 4. Die Teilnahme und aktive Beteiligung der Eingewanderten am Leben der Kirche und der Gesellschaft werden zuweilen durch gegenseitige Vorurteile behindert. Das geschieht vor allem dann, wenn die Einheimischen von den Fremden eine vollständige Angleichung an ihren Lebensstil erwarten oder wenn die Ausländer die örtlichen Gebräuche und Gewohn- 539 REISEN heiten nicht kennen. Die Offenheit für die anderen ist grundlegende Voraussetzung für das Zusammenleben und muss mit Einfühlungsvermögen, Achtung und Liebe gefordert werden. Auch die jugendlichen Ausländer haben nicht nur aufgrund ihrer Herkunft, sondern auch wegen ihres manchmal anderen Lebensstils Schwierigkeiten, in die Gesellschaft aufgenommen zu werden. Sie spüren sehr deutlich den Unterschied zwischen dem Leben in ihrer Familie und dem Leben in Schule und Gesellschaft. Wenn man sie aber ernst nimmt und ihnen hilft, den richtigen Weg zu finden, können sie als Vermittler zwischen den verschiedenen Kulturen treffliche Dienste leisten. Die Schweiz hat eine lange humanitäre Tradition, vor allem was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft. Man muss sich aber anstrengen, dass diese Tradition nicht gerade dann unterbrochen wird, wenn sie für die Lösung des so schwierigen Flüchtlingsproblems dem internationalen Einsatz neue Wege eröffnen könnte. Es handelt sich dabei um einen Dienst am Frieden, der ein typisch schweizerisches Gepräge trägt. Die Schweiz darf die Menschen, welche auf der Suche nach einer neuen Heimat ihre Hoffnung auf sie gesetzt haben, nicht enttäuschen; doch diese können dann ihrerseits durch ihre Anwesenheit im Land das Verständnis für die schwierige Situation derer fordern, die sich überall in der Welt in der gleichen Notlage befinden. Die Priester und die Gläubigen mögen sich bemühen, die notleidenden Brüder zu unterstützen, und ihr Engagement für sie hochherzig auf sich nehmen. So entspricht es auch einem Beschluss der Synode 72 der Schweizer Katholiken: «Alle Gläubigen sind aufgerufen, den Flüchtlingen in menschlicher Anteilnahme beizustehen, damit diese sich bei uns wohl fühlen und sich in angemessener Weise in unsere Gesellschaft integrieren können.» 5. Ein beredtes Zeichen dafür, dass sich alle einander sehr verbunden iüh-len können, ist die heutige Begegnung mit dem Papst, an der Schweizer und Ausländer teilnehmen. Es sind vor allem solche Schweizer anwesend, die in ihrem Alltag mit den Einwanderern und ihren Problemen zu tun haben. Sie stehen hier stellvertretend für alle jene, die sich für ein gerechtes und harmonisches Zusammenleben einsetzen. Es ist zu hoffen, dass das Wissen um die Verantwortung, welche die Einwanderung mit sich bringt, von Tag zu Tag zunimmt. Alle sollen sich bewusst sein, dass es Menschen sind, die in dieses Land gekommen sind. Es ist immer wichtig, zuerst den Menschen zu sehen und erst in zweiter Linie die Arbeitskraft. Die Gleichstellung von Schweizern und Eingewanderten im gesellschaftlichen und innerbetrieblichen Leben ist eine unumgängliche Notwendig- 540 REISEN keit. In den vergangenen Jahren wurde zwar vieles in dieser Richtung getan. Trotzdem darf man es nicht versäumen, weitere Verbesserungen anzustreben, auch wenn sich die Probleme nicht leicht lösen lassen. Es ist notwendig, eine grössere Solidarität unter den Werktätigen zu fördern sowie deren Rechte und legitime Ansprüche sicherzustellen. Besonders erwähnen möchte ich dabei das Recht auf Wohnung und Ausbildung sowie das Recht auf Beihilfen und Versicherungsvorsorge, die zur Sicherheit des einzelnen und der Familien und damit zu einem harmonischeren Zusammenleben in der Gesellschaft beitragen. (Polnisch) 6. An alle Brüder und Schwestern im Glauben, die in der Schweiz leben, wende ich mich mit dem dringenden Aufruf, unermüdhch alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die Menschenrechte voll geachtet werden. Wir alle müssen immer bestrebt sein, im Nächsten den Menschen zu sehen, und das Mass all unseres Tuns für die Sache des Menschen muss sein Wohl sein. Der Mensch ist nicht für die Arbeit da, sondern die Arbeit für den Menschen. 1 Die Begegnung verschiedener Kulturen in der Schweiz, ob in den sozialen Beziehungen oder in den Gottesdiensten, muss immer die eine Kirche Christi sichtbar machen. Diese Kirche - als das pilgernde Gottesvolk -zeigt uns den Weg zur ewigen Heimat. Das darf sich nicht auf einen billigen Trost beschränken, der auf die konkreten Probleme nicht eingeht, sondern es muss sich jeden Tag in bestimmten Taten ausdrücken, die eine gerechtere Welt wieder entstehen lassen, wo die Menschen sieh der Anerkennung ihrer Rechte ohne jegliche Diskriminierung erfreuen werden. Jeder gläubige Mensch muss sich als Gefährte der anderen auf dem gemeinsamen Weg empfinden. Auf diesem Weg, den wir gehen, ist der Glaube an Gott das Element, das die Staatsbürger und die Ausländer eins werden lässt. Es folgen Grussworte in verschiedenen Sprachen. 541 REISEN Werdet „offen für Christi Geist“! Predigt bei der Messe in Luzern am 16. Juni (Deutsch) Liebe Brüder und Schwestern! Es ist unser Herr und Erlöser Jesus Christus, der uns heute in so grosser Zahl hier zusammenführt, um in festlicher Gemeinschaft mit ihm Gott zu preisen, seine befreiende Botschaft zu hören und dann mit neuer Zuversicht an den Ort unseres Lebens und Wirkens zurückzukehren. Jedem einzelnen von euch möchte ich versichern, dass ich mich herzlich freue, mit euch zusammen das heilige Messopfer hier zu feiern. Die eindrucksvolle Landschaft von Luzern, dieses alte politische und kulturelle Zentrum der Innerschweiz, das fast 300 Jahre lang Sitz eines Nuntius des Bischofs von Rom gewesen ist, bietet dabei unserer heutigen Begegnung einen würdigen Rahmen. 1. Die Botschaft des Evangeliums führt uns heute nach Nazaret. Wir sind Zeugen, wie Christus zum erstenmal öffentlich erklärt, dass sich an ihm die messianische Weissagung des Jesaja erfüllt. Wir erleben, wie er sich am Tag des Sabbat inmitten seiner Landsleute erhebt und die bekannten Worte aus dem Buch Jesaja vorliest: «Der Geist des Herrn ruht auf mir: denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe» (Lk 4,18-19). Als dann «die Augen aller in der Synagoge auf ihn gerichtet waren» (Lk 4,20), sagte Jesus: «Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt» (Lk 4,21). An ihm selbst hat es sich erfüllt: Das ganze weitere Wirken Jesu von Nazaret, von diesem Augenblick bis zu seinem Tod am Kreuz und zur Auferstehung, wird dies bestätigen. Der Heilige Geist, der auf ihm ruhte, sollte jedoch nicht auf ihn allein beschränkt bleiben. Am Pfingsttag hat Christus ihn als Frucht seines erlösenden Leidens an die Apostel und seine ersten Jünger weitergeschenkt, und er schenkt ihn ständig weiter, um die Kirche und die Menschen immer mehr «in die ganze Wahrheit einzuführen» (vgl. Joh 16,13). Auf 542 REISEN diese Weise setzt sich die messianische Zeit Jesu Christi fort, die in Naza-ret begonnen hat, als er, den man für den Sohn des Zimmermanns hielt, die Worte des Propheten Jesaja auf sich bezog. Diese damalige Begebenheit von Nazaret wiederholt sich an vielen Orten der Erde, inmitten der verschiedenen Völker. Immer wieder tritt Christus vor die Menschen und sagt ihnen dieselben Worte: «Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt...» Heute sagt er diese Worte zu uns, hier, auf Schweizer Boden. In dieser Eucharistiefeier wird er uns als der Gesalbte und Gesandte des Herrn selber gegenwärtig und wird für uns durch seine Frohe Botschaft und seine eucharistische Speise zur Quelle der Hoffnung. 2. Die christliche Hoffnung schenkt uns Kraft und Zuversicht, unseren Weg durch eine Welt zu gehen, die viele mit Angst und Schrecken erfüllt und deren Werte sich aufzulösen scheinen; durch eine Welt, in der der Mensch sich immer weniger geborgen fühlt, in der die internationalen Konflikte zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd sich noch verschärfen und die Verelendung eines grossen Teils der Menschheit durch Hunger und Armut weiter fortschreitet. Die ungeheuren technischen Errungenschaften und deren möglicher Missbrauch sowie die konventionelle und atomare Rüstung drohen das Überleben der Menschheit selber in Frage zu stellen. Diese weltweite Gefährdung des Menschen ist eine Herausforderung für alle Nationen, für die Verantwortlichen der Völker und jeden einzelnen von uns. Sind wir uns dessen genügend bewusst? Auch hier in Europa - auch bei euch in der Schweiz? Ich bin zu euch in ein Land gekommen, das in gewisser Hinsicht einzigartig ist: Vor mehr als 170 Jahren war euer Land zum letztenmal in einen auswärtigen Krieg verwickelt; vor bald 140 Jahren litt euer Land zum letztenmal unter einem Bruderkrieg; vor bald 70 Jahren erschütterte zum letztenmal ein Generalstreik euren Staat. Ich bin in einem Land, das durch den Fleiss seiner Bürger und durch glückliche Umstände seiner Geschichte zu einem Hort des Friedens und Wohlstands geworden ist. Die Schweiz erscheint somit als ein einzigartiges, gesegnetes, glückliches Land. Aber ist sie wirklich ein solch glückliches Land, eine Insel der Geborgenheit inmitten der bedrohlichen Weltbrandung? Gibt es nicht auch bei euch in der Schweiz den Zerfall von Werten, den Verfall ethischer Normen, die Angst vor der Zukunft, das Gefühl der Sinnlosigkeit, den Verlust der Geborgenheit, die Furcht, dass sich Fortschritt und Reichtum nicht 543 REISEN mehr beherrschen lassen? Steht nicht auch hinter all diesen Erscheinungen ein wachsendes Mass an Hoffnungslosigkeit? Die Neutralität eures Landes bewahrt euch nicht davor, dass auch ihr in die weltweiten geistigen und politischen Auseinandersetzungen unserer Tage hineingezogen werdet. Auch ihr seid in die Entscheidung und vor grosse Aufgaben gestellt. Was ist zum Beispiel zu tun, um die langsame innere Aushöhlung der sittlichen Grundwerte im gesellschaftlichen Zusammenleben aufzuhalten; um den einzelnen und den Familien wieder Mut zum Leben und Vertrauen in die Zukunft zu geben? Oder dass der Wohlstand eures Landes zu einem immer wirksameren Friedensdienst für die internationale Völkergemeinschaft beiträgt? Seid ihr euch der Werte bewusst, die unbedingt eure Aufmerksamkeit und besondere Pflege verdienen wie Treue, Zuverlässigkeit, Familiensinn, Achtung vor dem Leben von der Empfängnis bis zum Tod, Solidarität der Bürger, verantwortungsbewusster Umgang mit Natur und Lebensraum? Durch die Offenbarung Gottes und das eigene Gewissen hat der Mensch viele hohe Ideale für ein menschenwürdiges und erfülltes Dasein kennen und schätzen gelernt. Zu ihrer ständigen konsequenten Verwirklichung aber scheinen ihm immer mehr die Kräfte zu fehlen. Unzählige Probleme hat der moderne Mensch zu lösen vermocht, immer neue türmen sich zu seinem Schrecken vor ihm auf. Er beginnt zu zweifeln am stetigen Fortschritt seiner Werke, und sein anfänglicher grenzenloser Optimismus schlägt um in lähmende Angst. In dieser uns alle bedrängenden Lage kommt uns der christliche Glaube in einer besonderen Weise zu Hilfe. Er schenkt uns den erforderlichen Mut, unseren Weg im Vertrauen auf Gott, der auch der Herr unserer Geschichte ist, hoffnungsvoll und besonnen weiterzugehen. 3. Die Worte des Apostels Paulus, vor über 1900 Jahren an die Christen in Rom geschrieben und uns soeben als Lesung vorgetragen, haben auch heute noch ihre Gültigkeit: «Wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden» (Röm 8,22-23). Wie sehr ist es wahr, dass der Mensch «seufzt»: der vielerorts geschundene, gejagte, verängstigte Mensch; der Mensch, der sein Bestes gibt und doch nur Stückwerk schafft und sich - selbst bei bestem Willen - oft gegen harte Widerstände voranquälen muss! Wie sehr hören wir alle dieses Seufzen: aus dem eigenen Herzen wie auch von Menschen an unserer Seite, ja 544 REISEN sogar von der «gesamten Schöpfung», von der misshandelten, ausgebeu-teten Natur, von den nach Luft und Lebensraum ringenden Pflanzen und Tieren! Und doch hört Paulus in dieser Weltklage ein Seufzen, das auf «Geburtswehem) hinweist: Es bereitet sich darin etwas Positives vor; hier soll etwas geboren werden; hier wartet alles mit Schmerzen auf einen endgültigen Durchbruch. Das Seufzen ist von Hoffnung beseelt. Der Apostel sagt noch deutlicher: «Wir warten darauf, dass wir mit der Erlösung des Leibes als Söhne (und Töchter) offenbar werden.» Er spricht also von .einer Wirklichkeit, die bereits in uns zugegen ist, aber noch «offenbar» werden muss, sich noch ganz durchsetzen muss. Diese Wirklichkeit nennt er die «Erstlingsgabe des Geistes». Dies ist der Geist Jesu Christi, unseres Erlösers, der als der auferstandene und erhöhte Herr von Gott aus mit dem Licht und der Lebensglut seines Geistes die Schöpfung überall dort: bewegt und durchpulst, wo ihm Glaubensbereitschaft und Liebe entgegengebracht werden. Jeder Gläubige, jede Gemeinde Christi trägt bereits den Geist Christi in sich, allerdings vorerst nur als «Erstlingsgabe», wieder Apostel sagt, als Anfang, als Anstoss zur Vertiefung und Entfaltung,! als Samenkorn und Sauerteig. Die mühsame Zeit des Wachsens lässt üns seufzen; das bereits wirksame innere Leben mit Gott erweckt in uns zugleich starke Hoffnung und tiefe Freude. Mit Paulus bekennen wir uns so zu einem christlichen Realismus: «Wir sind gerettet, doch in deri Hoffnung» (Röm 8,24). 4. Ein jeder von uns ist in dieses schmerzvolle Ringen um die Geburt einer menschenwürdigeren, einer christlicheren Welt in uns und um uns hineingestellt. Wir müssen uns vor allem ehrlich eingestehen, dass es Sünde und Schuld in unserem Leben gibt. Viele Ängste und Nöte unserer Zeit haben ihre Ursachen in der Schuld der Menschen. Gerade als Christen sind wir zu ständiger Umkehr und zu einem tiefen Glauben aufgerufen, damit unser Zeugnis für Christus, den Erlöser des Menschen, leuchtend und überzeugend wird. Wir müssen uns darum bemühen, dass der Geist Christi, den wir schon als «Erstlingsgabe» besitzen, in unserem Denken und Handeln immer mehr zum Durchbruch kommt. > Werdet «offen für Christi Geist»: Dazu ermahnt euch das Motto, unter das ihr meinen Pastoralbesuch in der Schweiz gestellt habt. Offen für Christi Geist, der uns den Erlöser und sein Wort immer tiefer zu verstehen lehrt. Offen für Christi Geist, damit wir als Söhne und Töchter Gottes in der Kraft des Heiligen Geistes Zeugnis geben für das wahre Heil der Welt. Offen für Christi Geist, der ein Geist der Hoffnung ist. Wer die Zukunft 545 REISEN nur dunkel sieht, wer behauptet, der Mensch und die Welt hätten keinen Sinn mehr, der hat Gott vergessen. Gott verlässt die Welt nicht, seine Pläne mit ihr scheitern nicht. Gott hat die Welt «so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat» (Joh 3,16). Wir als Kirche sind das pilgernde Gottesvolk, dessen Weg Jesus Christus ist, dessen Ziel Gott selbst ist in seiner Herrlichkeit. Die christliche Hoffnung nimmt freilich nicht alles Dunkel weg, lässt nicht Leiden und Nöte, Sorgen und Ängste verschwinden. Im Gegenteil, Gott selber ist es, der unsere Leiden und Nöte ernst nimmt. Vor dem hellen Osterfest steht der dunkle Karfreitag, steht das Kreuz Christi. Ebenso bleibt auch unsere Hoffnung stets vom Kreuz gezeichnet; vom Kreuz jedoch, das die Verheissung und den Sieg der Auferstehung bereits in sich trägt. Der glaubende und hoffende Mensch weiss sich auch in allen Widerwärtigkeiten und Prüfungen umfangen vom unendlichen, liebenden Gott. 5. Wem ein solcher hoffnungsvoller Glaube geschenkt ist, der ist auch hellsichtig für das vielfältige Wirken des Geistes Christi in unseren Tagen und an unzähligen bekannten wie unbekannten Orten in der Welt. «Der Geist des Herrn ruht auf mir;... der Herr hat mich gesalbt; er hat mich gesandt» (Lk 4,18), so hat Jesus damals in Nazaret gerufen. In allen, die ihm nachfolgen, die sein Lebensprogramm zu dem ihrigen machen, setzt er durch seinen Geist diese Sendung fort. Auch auf uns ruht der Geist des Herrn; er hat uns gesalbt in den heiligen Sakramenten der Taufe und Firmung und so Christus, dem Gesalbten, ähnlich gemacht. Auch uns will der Gottesgeist treiben und stärken, damit wir - gerade heute - das Heil und die Hoffnung in unsere Welt hineintragen. Die Wirklichkeit der Erlösung wird offenkundig in der Gegenwart des Geistes: des Geistes der Wahrheit, der die Welt der Lüge überführt; des Geistes des Trostes, in dessen Kraft Christus den Armen ständig die Frohe Botschaft verkündet und denen Hoffnung schenkt, deren Würde missachtet wird und die keine Zukunft mehr sehen. Gottes Geist befreit den Menschen aus der Gefangenschaft der Schuld, aus der Verstrickung in selbstsüchtiges Denken und Streben. Er befreit zu einem guten und erlösenden Gebrauch der menschlichen Freiheit. Auch heute öffnet der Geist Christi den Blinden die Augen für die wahren Werte des Lebens, für Gottes Gegenwart und Wirken in der Schöpfung und im Gang der Geschichte. Er schenkt den Zerschlagenen Kraft und Zuversicht, vor allem jenen, die um ihres Glaubens willen leiden und verfolgt werden. Christus lässt durch das Wirken seines Geistes das «Gnadenjahr des Herrn» im Leben und in der 546 REISEN Geschichte der Menschen fortdauem, das Gnadenjahr des Bundes und der Freundschaft mit Gott. 6. In diesem Wirken des Geistes unter den Menschen setzt sich die mes-sianische Sendung Christi fort. Er verkündet und errichtet dadurch in der Welt das Reich Gottes, das ein Reich der Wahrheit und der Liebe, ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens ist. Zugleich nimmt sich darin «auch der Geist unserer Schwachheit an», wie es im Römerbrief heisst (Röm 8,26). Seine Hilfe erreicht das Leben des Menschen von innen her und schenkt ihm vor allem neue Kraft zum Beten: Wenn wir nicht wissen, worum wir in rechter Weise beten sollen, «tritt der Geist selber für uns ein...» (Röm 8,26). Gott selbst kommt unserer Schwachheit zu Hilfe und führt durch seinen Geist zur Vollendung, was wir nur bruchstückweise und unvollkommen beginnen. Unser stammelndes Beten wird dadurch aufgenommen in die ewige Anbetung des göttlichen Geistes und wird so zum Gebet, das die Verheissung der Erhörung besitzt. Dieses Gebet in der Kraft des Geistes bringt Hoffnung in diese Welt, die voller Angst und vom Verlust der Werte bedroht ist. Es hat Macht, diese Welt zu verändern! Am Tag der Schöpfung ist dem Menschen als Auftrag die ganze sichtbare Welt, vor allem die Erde, übertragen worden, damit er sie mit «der Arbeit seiner Hände» umgestalte (vgl. Gen 1,28). Heute schaut der Mensch in Angst auf die Frucht seiner Arbeit: Wohin ist er mit der Umgestaltung der sichtbaren Welt gekommen? Welche Zukunft erwartet unseren Planeten? Besinnen wir uns angesichts dieser Ungewissheit und Gefahr wieder neu auf die Macht des Gebetes! Der Herr hat dem Menschen das Gebet aufgetragen, damit er die Welt von seinem Herzen her umforme; damit er sie verwandle im Heftigen Geist; damit er sie menschlicher mache; damit er in ihr zusammen mit Christus das Reich Gottes auferbaue. Im Gebet vor allem liegt für uns Christen unsere Stärke, in ihm liegt die Quelle unserer Hoffnung. So erbitte ich euch als Gabe und Gnade dieses Gottesdienstes, was einst der Apostel Paulus für die Gläubigen in Rom erbeten hat: «Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben, damit ihr reich werdet an Hoffnung in der Kraft des Heftigen Geistes» (Röm 15,13). Und ich füge hinzu: damit ihr reich werdet in Gott, um anderen vom Reichtum eures Glaubens und eurer Hoffnung schenken zu können «in der Kraft des Heftigen Geistes». - Amen. 547 REISEN (Rätoromanisch) Liebe Gläubige aus dem rätoromanischen Landesteil! Mit besonderer Freude heisse ich euch hier in Luzern in eurer Sprache willkommen. Das rätoromanische Gebiet ist ein Land mit alter christlicher Tradition. Das zeigt sich in zahlreichen religiösen Bauten und Wallfahrtsorten, im pfarreilichen Leben, im religiösen Gesang und in den Werken der Literatur. Ich freue mich darüber und fordere euch alle auf, den Glauben im privaten Leben, in Familie, Kirche und Staat zu vertiefen. Seid offen für Christi Geist! Einen besonderen Dank entbiete ich allen, die im Dienste der Ortskirche und der Missionen stehen. Mit dem schönen, alten ladinischen Grass «Allegra» erbitte ich für euch den Segen des Herrn! (Deutsch) Schliesslich richte ich noch ein Wort herzlicher Verbundenheit an jene Brüder und Schwestern, die als «fahrendes Volk in der Schweiz» in diesem Land keinen festen Wohnsitz haben. Auch euch gilt dieser mein Besuch. Möge Christus, der während seiner irdischen Pilgerschaft oft selbst keine bleibende Stätte hatte, stets euer Weggefährte sein! Er zeigt euch den Weg zum wahren Glück und Leben. Von Herzen segne ich euch und eure Familien. Er ist „Mensch für die anderen“ Predigt bei der Messe und Priesterweihe in Sitten am 17. Juni (Französisch) Liebe Brüder und Schwestern! 1. (Der eine und dreifältige Gott) «Sursum corda»: «Erhebet die Herzen!» Heute spricht das Herz der Kirche mit besonderer Inbrunst auf diese Einladung an, die jedes eucharistische Hochgebet einleitet. Heute antworten wir mit aussergewöhnlicher Glaubensstärke: «Habemus ad Dominum»: «Wir haben sie beim Herrn!» 548 REISEN Im wundervollen Rahmen dieser Berge wollen wir uns, vielleicht besser als anderswo, wie Mose zum Herrn des Himmels und der Erde erheben. Lasst uns im Glauben das Mysterium Gottes betrachten. Auf ihn richtet sich unser Glaube. Ein unergründbares Geheimnis. Gott ist Gott, das Wesen, das über all das, was wir wahrnehmen können, erhaben und grösser ist als das, was im Herzen des Menschen hochkommt. Die christliche Offenbarung enthüllt einen Teil seines innersten Lebens, führt unseren Glauben aber an die Schwelle eines noch tieferen Geheimnisses: die Einheit der Dreifaltigkeit. Der Gott, der einer ist, ist zugleich Vater, Sohn und Heiliger Geist. Jede der göttlichen Personen ist ungeschaffen, unermesslich, ewig, allmächtig, Herr - und doch gibt es nur einen Gott, der ungeschaffen, unermesslich, ewig, allmächtig, Herr ist. «Der Vater ist von niemandem gemacht, noch geschaffen, noch gezeugt; der Sohn ist vom Vater allein, nicht gemacht, noch geschaffen, sondern gezeugt. Der Heilige Geist ist vom Vater und vom Sohn, nicht gemacht, noch geschaffen, noch gezeugt, sondern hervorgehend.» So heisst es in einem sehr alten Glaubensbekenntnis (sog. Athanasisches Glaubensbekenntnis). Dieser Gott von unendlicher Majestät, der sich Mose kundgetan hat und in der geheimnisvollen Wolke anwesend war, dieser transzendente Gott, der sein unergründliches Leben, die Güte seiner unendlichen Liebe offenbart, erlaubt uns, ihm nahezukommen: vor ihm niedergeworfen, beten wir ihn an. Uns ist das Glück geschenkt, glaubend in ihm die Heilige Dreifaltigkeit zu betrachten, bevor wir seine Herrlichkeit ganz schauen. 2. (Die der Welt mitgeteilte Liebe Gottes) «Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus» (Eph 1,3). «So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn hingegeben hat» (Joh 3,16). In seinem Sohn hat er nicht nur seinen Namen und seine Herrlichkeit wie in einer einzigartigen Gotteserscheinung offenbart, vielmehr hat er uns seine Zuneigung, sein Erbarmen, seine Liebe und Treue in weit grösserem Masse erwiesen, als Mose vorhersehen konnte: «Durch Jesus Christus hat er uns zur Sohnschaft bestimmt», «sein Volk zu werden» (vgl. Eph 1,5.11). Unsere Anbetung, unser Löbgesang ist zugleich eine Danksagung dafür, dass er seinen «eingeborenen Sohn als Retter gesandte hat. Denn die «erste Gabe für alle, die glauben», ist der Geist, der das Werk des Sohnes weiterführt und «alle Heiligung vollendet» (viertes Hochgebet), der Geist, der der Kirche die Einheit des Leibes gibt und sie ruft, den Menschen das Heil zu bezeugen, weil durch ihn Gott in ihr gegenwärtig ist. 549 REISEN 3. (Die Kirche in Sitten) «Du wirst aus uns ein Volk machen, das dein eigen ist» (Ex 34,9). Die ganze Kirche ist das Volk des lebendigen Gottes. Und innerhalb seiner hat unsere liturgische Versammlung ihren Platz. Hier ist die Kirche in der Schweiz, genauer, die Kirche in Sitten; sie, die Erbin einer langen Geschichte seit dem heiligen Theodul, dem Bistumspatron, versammelt sich am Fuss des Valeria-Hügels, der von der alten, der Gottesmutter geweihten Kathedrale beherrscht wird, im Herzen des Rhonetals. Inmitten ihres harten Lebens als Bergbewohner haben die Walliser ihren katholischen Glauben und ihre christlichen Traditionen lebendig zu erhalten verstanden; in Einheit mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger des heiligen Petrus, der sehr glücklich ist, heute die jetzige Kathedrale zu besuchen, vor allem aber dieses geistige Haus, errichtet aus lebendigen Steinen, das die Kirche in Sitten ist (vgl. 1 Petr 2,5). Und mit ihr grüsse ich die Kirche, die im gleichen Rhonetal um die Abtei Saint-Maurice versammelt ist und den Glauben ererbt hat, den der heilige Mauritius und seine Soldaten der Thebäischen Legion bis zum Martyrium bekannt haben. Ich komme wie der heilige Paulus «zu eurer Stärkung..., damit wir uns durch unseren Glauben, den euren wie den meinen, gegenseitig trösten» (Röm 1,11-12). Was uns eint, ist ja viel tiefer und geheimnisvoller als eine organische Beziehung oder selbst eine liebevolle Zuneigung: «Die ganze Kirche erscheint so als ‘das von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeinte Volk <5>» (Cyprian, De Orat. Dom. 23, zitiert in Lumen gentium, Nr. 4). <5> (Priester des eucharistischen Opfers) Im Rahmen der heutigen eucharistischen Liturgie werden Söhne eurer Kirche - der Kirche Sittens oder anderer Bistümer und geistlicher Institute - Priester «nach der Ordnung Melchisedechs» (vgl. Ps 109[110],4: Hebr 5,6; 7,17), indem sie das Weihesakrament empfangen. Melchisedech brachte dem Allerhöchsten Brot und Wein dar. Unter dem Zeichen von Brot und Wein gibt sich Jesus Christus dem Vater hin in seinem einmaligen und endgültigen Opfer, das durch den Dienst der Priester aktualisiert und gegenwärtig wird. Durch sie vollzieht Jesus, was er beim Letzten Abendmahl getan hat. Das Brot darbringend, sagte er: «Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.. . nehmet und esset alle davon.» Den Wein darbringend, sagte er: «Das ist der Kelch mit meinem Blut, das für euch und für alle vergossen wird ... nehmet und trinket alle davon» (vgl. Lk 22,19-20 par.). So also sprach Jesus zu den Aposteln, die mit ihm das letzte Mahl einnah- 550 REISEN men. Dann fügte er hinzu: «Tut dies zu meinem Gedächtnis» (vgl. ebd.). Wer ist nun Jesus Christus? Er ist der ewige Sohn, in dem der Vater die Welt geliebt hat. Er hat ihn dahingegeben, «damit jeder, der an ihn glaubt, nicht verlorengehe, sondern ewiges Leben habe ..., damit durch ihn die Welt gerettet werde» (Joh 3,16.17). Ja, er ist zum Heil der Welt gekommen. Das Opfer, das Christus am Kreuz dargebracht hat, das Opfer, das er im Letzten Abendmahl gestiftet hat, geschieht zum Heil der Welt. In diesem Opfer bekundet sich die Liebe des Vaters und die Liebe des Sohnes. Es ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes. Diejenigen, die heute die Priesterweihe erhalten, werden zu Dienern des zum Heil der Welt vollbrachten Opfers. Sie vergegenwärtigen es. Sie sind die Diener der Eucharistie: ihr priesterliches Leben entfaltet sich aus dieser Mitte. Alles weitere wird wie eine Vorbereitung oder ein Widerhall dieses sakramentalen Geschehens sein. Im menschlichen Dasein stehend, werden sie tagtäglich ihre Brüder in die von Christus vollbrachte und in der Eucharistie gefeierte Erlösung einführen. 5. (Die Priester, Seelenführer) Zugleich sind die Priester die Führer ihrer Nächsten auf dem Weg des Heils. Sie leben inmitten des Gottesvolkes und rufen wie Mose: «Mein Herr, ziehe doch in unserer Mitte mit uns» (Ex 34,9). Aus ihrem ganzen prie-sterlichen Sein bitten sie den Herrn, seine Herde wie ein Hirt zu leiten. Sie selbst sind die Diener Jesu Christi, des Guten Hirten. Wie Mose ersteigen sie den Berg, um von Gott das Zeugnis des Bundes, die Gesetzestafeln Gottes, zu erhalten. Mit diesen Geboten, mit der ganzen Wahrheit des Evangeliums, dem Gesetz des Neuen Bundes, erleuchten sie die Seelen und leiten diejenigen, aus deren Mitte sie selbst erwählt worden sind (vgl. Hebr 5,1). Sie sind Lehrer der Wahrheit, indem sie das Evangelium verkünden, den Glauben wecken und stärken und den Weg weisen, dem man folgen muss, um auf dem Pfad zum Heil zu bleiben. Sie sind Wächter über die rechte Gesinnung der Gewissen. So sind sie die Diener des Gottes, der vor Mose verkündete: «Jahwe, ein gnädiger und barmherziger Gott, langmütig und reich an Gnade und Treue» (Ex 34,6). Sie sind die Diener Jesu Christi, durch den Gott uns unsere Fehler und Sünden vergibt und uns zu seinem Volk macht (vgl. ebd. 34,9). Darum sind die Priester des Neuen Bundes auch Diener des Sakramentes der Busse und der Versöhnung mit Gott. Dieser Dienst und die Feier der 551 REISEN Eucharistie werden in ihrem Leben einen entscheidenden Platz einnehmen. 6. (Geheimnis und Zeugnis der Priester) Um diese zentralen Funktionen drehen und entfalten sich die anderen Aspekte ihres priesterlichen Lebens, die ich jetzt nur erwähnen will. Der Priester hat teil am Dienst des einzigen Mittlers, Christi selbst. Er kennt jedoch seine Schwäche und wirkt nichts aus sich selbst: seine Stärke liegt in der Kraft Gottes durch eine bleibende Anlage, die sein Wesen weiht. Doch muss er ihr zu entsprechen suchen. Mit Hilfe des Heiligen Geistes, der ihm durch die Handauflegung übertragen worden ist, muss er nach der Heiligkeit streben, die dem Diener Christi ziemt. Er muss sich mit ihm selbst ganz darbringen, eine aus vielfachen Kulturen gebildete Gesellschaft dazu fähig, anderen alle die Talente und Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, mit denen sie in reichem Maße überhäuft worden ist. <6> An diesem Sonntagabend in Edmonton, dem Abend des ersten Tages der Woche, an dem wir Christen die Auferstehung des Herrn feiern, kommen wir zum Gebet in dieser herrlichen St.-Josefs-Kathedrale zusammen. Wir sind versammelt in Freude über unsere gemeinsame Taufe, in der Kraft des Wortes Gottes und im Frieden und der Liebe Christi, den wir als das Licht der Welt und die höchste Offenbarung Gottes verehren. Denke daran, Kanada, daß es dir der große Reichtum der Vielfalt deiner Kulturen erlaubt, den anderen zu geben und ihnen zu helfen - deinen Brüdern und Schwestern in der Not zu helfen. Das macht der Glaube möglich; das fordert die Liebe. Im Namen der Liebe bitte ich dich inständig, daß auch weiterhin die Offenheit und Bereitschaft, die du gegenüber so vielen Einwanderern und Flüchtlingen ethnischer Minder- 713 REISEN heiten bekundet hast, und die hochherzige Aufnahme, die ihnen gewährt wurde, Kanada in Zukunft wie in der Vergangenheit kennzeichnen und seinen Reichtum darstellen. In diesem Zusammenhang lohnt es sich, an jene prophetischen Worte Johannes’ XXIII. zu erinnern: „Den besten Interessen der Gerechtigkeit dienen jene staatlichen Autoritäten, die alles in ihrer Macht Stehende tun, um die menschlichen Bedingungen der Angehörigen ethnischer Minderheiten zu verbessern, besonders was ihre Sprache, Kultur, Brauchtum und ihre wirtschaftliche Aktivität und ihre Unternehmen betreffen“ (Pacem in terris, AAS 55, 1963, S. 283). Dieser Beitrag der Öffentlichkeit muß Hand in Hand gehen mit den aktiven Bemühungen aller Einzelpersonen und Gruppen um den weiteren Aufbau einer sozialen gerechten kanadischen Gesellschaft, einer dauerhaften Gesellschaft im Zeichen der Liebe, in der „der Vorrang der Ethik vor der Technik, der Primat der Person über die Dinge, die Überordnung des Geistes über die Materie“ (Redemptor hominis, Nr. 16) sichergestellt sind - und das alles um der größeren Ehre Gottes willen, der unser aller Vater ist. Laßt uns bei dieser Eucharistiefeier für dieses Anliegen besonders beten und uns selbst durch das Gebet mit Christus vereinigen. Wir wollen wirklich seine Einladung annehmen: „Bleibt in meiner Liebe!“ Amen. Das Geschenk des Glaubens Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in Edmonton am 16. September Liebe Brüder und Schwestern, liebe Mitchristen und alle, die heute abend hierhergekommen sind, um zu beten, um dem Geheimnis Gottes Ehre zu erweisen! <7> <7> An diesem Sonntagabend in Edmonton, dem Abend des ersten Tages der Woche, an dem wir Christen die Auferstehung des Herrn feiern, kommen wir zum Gebet in dieser herrlichen St.-Josefs-Kathedrale zusammen. Wir sind versammelt in Freude über unsere gemeinsame Taufe, in der Kraft des Wortes Gottes und im Frieden und der Liebe Christi, den wir als das Licht der Welt und die höchste Offenbarung Gottes verehren. 714 REISEN Ich lade euch alle ein, mit mir an diesem Abend über das Geheimnis der Gegenwart Gottes nachzudenken. Als Männer und Frauen des Glaubens glauben wir, daß Gott in seiner Schöpfung gegenwärtig ist, daß er der Herr der Geschichte ist, der die Zeiten und Jahreszeiten lenkt, der allen nahe ist, die ihn anrufen: den Armen und den Verstoßenen, den Trauernden und den Einsamen, den Kranken und den Bedrängten. Wir glauben, daß Gott das Schweigen und den Lärm unseres Alltagslebens durchbricht und uns seine Wahrheit und Liebe enthüllt. Er will unsere Furcht vertreiben und unsere Hoffnung auf seine Heilsgnade stärken. Gott spricht persönlich zum Herzen jedes einzelnen, aber er handelt auch durch die Gemeinschaft des Volkes, das er vorherbestimmt hat, sein eigen zu sein. Wir sehen das zuerst in der Geschichte des jüdischen Volkes. Durch Abraham, unseren Vater im Glauben, durch Isaak und Jakob und vor allem durch Mose berief Gott ein Volk, ihm auf besondere Weise zu gehören. Er schloß einen Bund mit ihm und sprach: „Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ {Jer 31, 33). Als einige von ihnen die Sünde wählten und ihren eigenen Weg gingen und vergaßen, daß Gott sie gerettet hatte, griff Gott in seiner unendlichen Liebe in ihr Leben ein durch die Propheten. Er rief das Volk zur Reue auf und versprach, mit ihnen einen neuen und besseren Bund zu schließen. Diesen neuen Bund beschrieb er so: „Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz . . . Sie alle, klein und groß, werden mich erkennen. Denn ich verzeihe ihre Schuld, und an ihre Sünde denke ich nicht mehr“ {Jer 31, 33-34). Und wie schloß Gott diesen Neuen Bund? Wie schrieb er sein Gesetz auf die Herzen der einzig von ihm Erwählten? Mit dem Blut Jesu, dem Blut des Gotteslammes, dem Blut des neuen und ewigen Bundes, dem Blut unseres Heilands, das der Preis unserer Erlösung ist und der äußerste Ausdruck der Liebe Gottes zur Welt. 2. Die Gegenwart Gottes ist in ihrer Fülle in Jesus von Nazaret verkörpert, dem Sohn Gottes, der der Sohn Mariens wurde und für uns sein Blut am Kreuz vergoß. Jesus ist Emmanuel, Gott mit uns, das menschgewordene Wort, die Offenbarung des ewigen Vaters. Vor diesem großen Geheimnis der Gegenwart Gottes stehen wir in Scheu und Ehrfurcht, und unsere Herzen und Stimmen verlangen, in Loblieder und Hymnen auszubrechen. Und in der Tat ist das sehr angemessen, weil es die erste Pflicht des Geschöpfes ist, den Schöpfer zu preisen, die erste Pflicht eines erlösten Volkes, den Herrn und Retter zu preisen. Deshalb habe ich mich 715 REISEN so gefreut, heute abend beim Abendlob mit euch zusammenzusein. Wie gut ist es, als Brüder und Schwestern in Christus unsere Stimmen zu vereinen „in Psalmen, Hymnen und Liedern, wie sie der Geist eingibt“ (Kol 3, 16). Vertrauen auf Gottes überströmendes Erbarmen Psalm 103, den wir heute zusammen beten, sieht uns als eine Person, die voll des Gotteslobes sein will: „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Vers 1-2). „Vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Ein Herz voll Lobpreis vergißt nie die vielen Segnungen Gottes. In den Lobpreis schließt es einen Akt der Danksagung ein in Erinnerung an all die Weisen, in denen Gott seine Erlöserliebe schauen ließ. Und so sagt der Psalmist: „Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt, der dich dein Leben lang mit seinen Gaben sättigt; wie dem Adler wird dir die Jugend erneuert“ (Vers 3-5). Das Lobgebet steigt aus dem demütigen Bewußtsein unserer Unwürdigkeit auf, unserer totalen Abhängigkeit von Gott, verbunden mit kindlichem Vertrauen auf Gottes überströmendes Erbarmen. Und so fährt der Psalmist fort: „Wie ein Vater sich seiner Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über alle, die ihn fürchten. Denn er weiß, was wir für Gebilde sind; er denkt daran: Wir sind nur Staub“ (Vers 13-14). Den Herrn loben heißt auch, die vielen Attribute Gottes preisen, die Eigenschaften dieses großen und heiligen Gottes, der einen Bund mit seinem Volk geschlossen hat. So spricht der Psalmist: „Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte . . . Sein Heil erfahren noch Kinder und Enkel, alle, die seinen Bund bewahren“ (Vers 8. 17-18). 3. Weil sie in der Gegenwart Gottes leben, brechen die Christen in Anruf und Lob aus, drücken ihren Dank für das Geschenk des Glaubens und für alle Heilstaten des Herrn aus. Aber wir müssen uns auch an Gott in Bittgebeten wenden, beim Herrn Schutz und Sicherheit vor den Kräften des Bösen suchen, Vergebung unserer Sünden und Heilung unserer Wunden, Kraft, um die Bürden des Lebens zu tragen, und Gnade, um den 716 REISEN Willen Gottes zu erfüllen. Oft ist es notwendig, dringend zu bitten, zu flehen. Und so ruft der Mensch in Psalm 142 aus: „Herr, ich rufe zu dir. Eile mir zur Hilfe; höre auf meine Stimme, wenn ich zu dir rufe . . . Mein Herr und Gott, meine Augen richten sich auf dich; bei dir berge ich mich. Gieß mein Leben nicht aus!“ ( Vers 1. 8). Das Bittgebet fließt aus dem demütigen Bewußtsein eines großen Verlangens nach Gottes Gnade und einem tiefen Vertrauen auf die machtvolle Liebe Gottes. Es ist begleitet von einer Haltung der Anbetung. Wir knien, zumindest im Geist, in der furchterregenden Gegenwart des allmächtigen Gottes nieder, und die Worte, die wir gebrauchen, sind wie die des Psalmisten, der bittet: „Wie ein Rauchopfer steige mein Gebet vor dir auf; als Abendopfer gelte vor dir, wenn ich meine Hände erhebe“ (Vers 2). 4. Unser Heiland hat uns verheißen: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18, 20). Wir wissen, daß das wahr ist an diesem Abend, wo wir als Christen zum gemeinsamen Gebet versammelt sind. Die Gegenwart Christi erfüllt diese Kathedrale, wenn wir seinen Namen preisen und für die volle Einheit der Christen beten, die er für seine Jünger will. Das echte Gebet setzt sich im hochherzigen Dienst fort, deshalb vergessen wir an diesem Abend nicht die unendlichen Sorgen unserer Brüder und Schwestern, die überall auf der Welt leiden. Getreu der Antwort an den Herrn, dessen Heiliger Geist die ökumenische Bewegung inspiriert hat, beten wir nicht nur zusammen und arbeiten am theologischen Dialog unter uns, sondern wir arbeiten auch in gemeinsamer Anstrengung, um eine Welt zu fördern, in der Gerechtigkeit und Frieden herrschen. Indem wir uns gegenseitig helfen, versuchen wir, „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“ zu werden (vgl. Mt 5, 11-16). Auf diese Weise verkünden wir gemeinsam die Frohbotschaft von der Gegenwart Gottes in der Welt in der Person Jesu Christi, der mit seiner Kirche ist. 5. Das herrliche Gebet, das wir das Magnifikat nennen und das wir heute abend zusammen sprechen, richtet unsern Geist auf Gott und seine heilbringende Gegenwart in der menschlichen Geschichte. Es lenkt unsere Aufmerksamkeit auch auf Maria, die Mutter unseres Erlösers. Die Frau bleibt durch ihren Glauben für uns ein Modell geistlichen Lebens. Sie hat auf eine besondere Weise die Erfahrung der Gegenwart Gottes in ihrem Leben gemacht, als sie Mutter unseres Erlösers wurde. Als eine im Herzen vom Lob Gottes erfüllte Frau feiert sie die Größe Gottes und 717 REISEN preist seine Güte für die Armen und Kleinen, indem sie sein Erbarmen von Geschlecht zu Geschlecht verkündet. Mit Maria vereinigen wir unsere Stimmen, um die „Größe des Herrn“ zu preisen (Lk 1, 46). Wir tun das vor allem in Einheit mit Jesus Christus, der für immer das Licht der Welt bleibt und der uns das Licht des Lebens bietet (vgl. Joh 8, 12). Liebe Freunde! Laßt uns dieses Licht von ihm empfangen und in diesem Licht wandeln zur Ehre seines Vaters, der lebt und herrscht mit dem Heiligen Geist von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Der neue Name für Frieden Predigt bei der Messe in Edmonton am 17. September „Ich will hören, was Gott redet: Frieden verkündet der Herr ... Es begegnen einander Huld und Treue; Gerechtigkeit und Frieden küssen sich“ (Ps 85, 9,11). Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Dies sind Worte des Antwortpsalms der heutigen Liturgie. Der Gott des Bundes ist ein Gott des Friedens. Der Frieden auf Erden ist ein Gut, das zu seinem Reich und zu seiner Erlösung gehört. Dieses Gut wird in Gerechtigkeit und Treue zu-den göttlichen Geboten errungen. Dieses Gut, der Frieden, wird uns in verschiedenen Sphären versprochen: als inneres Gut unseres Gewissens, als Gut unseres menschlichen Zusammenlebens und schließlich als soziales und internationales Gut. Gerade dieses letztere meinte Paul VI., vor allem, als er diese denkwürdigen Worte schrieb: „Der neue Name für Frieden ist Entwicklung. “ Er schrieb sie in der Enzyklika Populorum progressio (Nr. 87). 2. Heute kommen wir hier in Edmonton zusammen, um das Thema Entwicklung oder Fortschritt der Völker zum Hauptgegenstand unserer Betrachtung und unseres Gebets beim eucharistischen Opfer zu machen. In dieser eucharistischen Gemeinschaft ist an erster Stelle die ganze Kirche der Erzdiözese Edmonton versammelt. Und ich möchte diese Kirche mit ihrem Oberhirten, Erzbischof MacNeil, wie auch die Eparchie Edmonton der Ukrainer mit Bischof Savaryn und Bischof Greschuk 718 REISEN grüßen. Mit großer Dankbarkeit sehe ich auch eine zahlreiche Gruppe von Gläubigen aus Saskatchewan hier anwesend, die Kreuze zum Segnen mitgebracht haben. Ebenso grüße ich in der Liebe unseres Herrn, Jesus Christus, alle Pilger und Besucher. Die Flüchtlinge aus Zentralamerika, Südostasien und Osteuropa nehmen einen besonderen Platz in meinem Herzen ein. Ich grüße alle, die aus den anderen Diözesen von Alberta gekommen sind, von Gaouard-McLennan, Calgary und St. Paul sowie von British Columbia und aus dem nordwestlichen Territorium, ebenso alle Besucher aus den Vereinigten Staaten. In gleicher Weise grüße ich jede einzelne ethnische und kulturelle Gruppe einschließlich der deutschsprachigen Ukrainer, die Italiener, Portugiesen, Spanier, Litauer, Slowaken, Böhmen, Kroaten, Ungarn und Polen, die Filipinos, Chinesen, Koreaner und Vietnamesen. Euch allen, die ihr hier anwesend seid, Gnaden und Frieden in Jesus Christus, dem Sohn Gottes und Heiland der Welt. Hinsichtlich unseres Themas glaube ich, daß in gewissem Sinn ganz Kanada an diesem Treffen in Edmonton teilnimmt. Wenn das Thema von der Ostkirche vorgeschlagen wurde, so geschah das gewiß im Gedanken an die Gesellschaft als Ganzes, für die die Entwicklung der Völker eine Frage von größter Bedeutung und sozialer und internationaler Verantwortung ist. Vor allem da ja Entwicklung oder Fortschritt „der neue Name für Frieden“ ist. 3. Die Liturgie leitet uns an, dieses wichtige Thema vor allem so zu betrachten, wie es im 25. Kapitel des Matthäusevangeliums dargestellt ist. Wir hörten heute das Evangelium vom Endgericht mit der gleichen inneren Bewegung, wie wir sie immer dabei empfinden. Dieser Abschnitt rührt an einige der grundlegenden Fragen unseres Glaubens und unserer Moral, die eng miteinander verbunden sind. Vielleicht spricht kein anderer Teil des Evangeliums so überzeugend von ihrer Beziehung zueinander. Unser Glaube an Jesus Christus findet hier so etwas wie einen endgültigen Ausdruck: „Der Vater richtet niemand, sondern er hat das Gericht ganz dem Sohn übertragen“ (Joh 5, 22). Im heutigen Evangelium steht Christus als unser Richter vor uns. Er hat ein besonderes Recht, dieses Gericht zu halten, wurde er doch einer von uns, unser Bruder. Bruder der Menschheit und zugleich jedes einzelnen Menschen zu sein, eben das führte ihn zu Kreuz und Auferstehung. So richtet er im Namen seiner Solidarität jeden Menschen und ebenso im Namen unserer Solidarität mit ihm, der unser Bruder und Erlöser ist und den wir in jedem Menschen 719 REISEN entdecken: „Ich war hungrig ... ich war durstig ... ich war fremd . . . nackt . . . krank ... im Gefängnis . . . “ {Mt 25, 35-36). Und die vor das Gericht gestellt sind - zu seiner Rechten und zu seiner Linken — werden fragen: Wann und wo? Wann und wo haben wir dich so gesehen? Wann und wo taten wir das, was du sagtest? Oder: Wann und wo haben wir es nicht getan? Die Antwort: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25, 40). Und im Gegensatz dazu: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan“ {Mt 25, 45). 4. „Für einen meiner geringsten Brüder.“ Nämlich: für einen Menschen, für einen einzelnen Menschen, der in Not ist. Aber das Zweite Vatikanische Konzil warnt uns davor - und dabei bleibt es in der Linie der gesamten Tradition -, bei einem individualistischen Verständnis der christlichen Ethik stehenzubleiben, denn die christliche Ethik hat auch ihre soziale Dimension. Der Mensch lebt in einer Gemeinschaft, in der Gesellschaft. Und mit der Gemeinschaft teilt er Hunger und Durst und Krankheit und Unterernährung und Elend und alle daraus entstehenden Mängel. Der Mensch soll an seiner eigenen Person die Not anderer spüren. Eine tödliche Bedrohung für die heutige Welt Darum also spricht Christus, der Richter, von „einem der geringsten Brüder“ und spricht doch zugleich von jedem und von allen. Er spricht von der ganzen weltweiten Dimension der Ungerechtigkeit und des Übels. Er spricht von dem, was wir heute gewöhnlich das Nord-Süd-Gefälle nennen. Also nicht nur Ost-West, sondern auch Nord-Süd: der Norden, der immer wohlhabender wird, und der Süden, der noch mehr verarmt. Ja, der Süden wird immer ärmer, und der Norden wird immer reicher: reicher auch an Waffenbeständen, mit denen die Großmächte und Machtblöcke sich gegenseitig bedrohen können. Und sie bedrohen einander -auch diese Meinung gibt es -, um sich nicht gegenseitig zu vernichten. Dies ist eine gesonderte Dimension, die Dimension, die nach der Ansicht vieler im Vordergrund steht, jene der tödlichen Bedrohung, die über der heutigen Welt hängt. Sie verdient gesonderte Aufmerksamkeit. Trotzdem wird im Licht der Worte Christi dieser arme Süden den reichen Norden richten. Und die armen Menschen und armen Völker — arm in verschiedener Hinsicht, nicht nur, weil es ihnen an Nahrung fehlt, sondern 720 REISEN auch weil sie der Freiheit und anderer Menschenrechte beraubt sind — werden jene richten, die ihnen diese Güter vorenthalten und auf Kosten anderer das imperialistische Monopol wirtschaftlicher und politischer Überlegenheit für sich selbst anhäufen. 5. Das Evangelium der heutigen Liturgie ist sehr gehaltreich. Es ist erhellend im Hinblick auf die verschiedenen Formen der Ungerechtigkeit und des menschlichen Übels. Mitten in all diesen Situationen steht Christus selbst, und als Erlöser und Richter sagt er: „Du hast es mir getan“, „du hast es mir nicht getan.“ Nichtsdestoweniger will er bei diesem Letzten Gericht - das sich unaufhörlich vorbereitet und das in gewissem Sinn immer Gegenwart ist -zuallererst all das Gute bezeugen, das getan wurde. Und auch darin liegt der Ausgangspunkt jener schwerwiegenden Lehre der Kirche, die ihren vornehmlichen Ausdruck gefunden hat in der Enzyklika Populorum progressio. Was das Anliegen Pauls VI. und der ganzen Kirche war, wurde dynamisches Handeln und lauter Appell, dessen Echo wir bis heute vernehmen: „Es handelt sich nicht nur darum, den Hunger zu besiegen, die Armut einzudämmen. Der Kampf gegen das Elend, so dringend und notwendig er ist, ist zu wenig. Es geht darum, eine Welt zu bauen, in der jeder Mensch, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der Abstammung, ein volles menschliches Leben führen kann, frei von Versklavung seitens der Menschen oder einer noch nicht hinreichend gebändigten Natur; eine Welt, in der Freiheit nicht ein leeres Wort ist, und in der der arme Lazarus an derselben Tafel mit dem Reichen sitzen kann“ (Nr. 47). Ja, Entwicklung ist wirklich der neue Name für Frieden. Frieden ist notwendig, er ist ein Imperativ unserer Zeit. Und ein ebensolcher Imperativ ist die Entwicklung oder der Fortschritt: der Fortschritt aller Benachteiligten. 6. Heute beten wir in diesem Geist. Die heutige Liturgie betont sehr klar das Band zwischen Gerechtigkeit und Frieden. Schaut auf die erste Lesung aus Jesaja: „Wenn aber der Geist aus der Höhe über uns ausgegossen wird ... Das Werk der Gerechtigkeit wird der Frieden sein. Der Ertrag der Gerechtigkeit sind Ruhe und Sicherheit für immer. Mein Volk wird an einer Stätte des Friedens wohnen, in sicheren Wohnungen, an stillen und ruhigen Plätzen“ (Jes 32, 15. 17-18). Das wurde vom Propheten Jahrhunderte vor Christus geschrieben. Wie anhaltend und unverändert sind die Wünsche der Menschen und der Völker! 721 REISEN Und später, nach Christus, schreibt der Apostel Paulus im Brief an die Philippen „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“ (Phil 4, 7). Die Bedingung für solch einen Frieden ist das menschliche Verhalten in jedem Lebensbereich. Darum fährt der hl. Paulus fort: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (Phil 4, 8-9). 7. Heute beten wir in Kanada, in dieser Stadt Edmonton, um den Fortschritt der Völker. Wir beten also im Sinn der Worte Papst Pauls VI. um den Frieden, denn wir beten um das, was ihm wirklich seinen Sinn gibt. Die Worte des Propheten Jesaja und des Völkerapostels weisen uns in die gleiche Richtung. Darum also wollen wir beten, während wir diese Eucharistiefeier begehen und an dieser Zusammenkunft teilnehmen. Unser Gebet möge zum Himmel dringen. Der Gott des Friedens sei mit uns! Der Gott des Friedens sei mit uns! In diesem Ruf kommt die ganze Dramatik unserer Zeit zum Ausdruck, alle Bedrohung, die auf ihr lastet. Die nukleare Bedrohung? Gewiß! Aber mehr noch die ganze Bedrohung der Ungerechtigkeit, die Bedrohung, die aus den starken Strukturen der Systeme herrührt, in denen der Mensch der Unterdrückung nicht entgehen kann - Systeme, die sich zu wenig öffnen, um auf die Menschen eingehen zu können, um der Entwicklung der Völker zu dienen, der Gerechtigkeit mit all ihren Forderungen und dem Frieden. Scheint sich die Bilanz nicht weltweit unaufhörlich zu verschlechtern, die Bilanz im Hinblick auf das, was wir „für einen unserer geringsten Brüder nicht getan haben“? Für Millionen unserer geringsten Brüder? Für Milliarden? Das muß man auch hier sagen, in Kanada, dem Land, das so ausgedehnt ist wie ein Kontinent. Aber gleichzeitig und an gleicher Stelle muß man ebenso allen Männern und Frauen guten Willens, allen Gruppen, Gemeinschaften, Organisationen und Institutionen, den Nationen und den Regierungen das sagen, was von wirklicher Bedeutung ist, nämlich das, was wir „getan haben“ und noch tun, was wir planen und tun werden mit zunehmender Energie und Entschlossenheit. So kann die Bilanz sich bessern, sie muß sich bessern dank all dem, was 722 REISEN wir „getan haben“ für einen Menschen, für Millionen, Milliarden Menschen: Das wird die positive Bilanz dessen sein, was in der menschlichen Geschichte an Gutem ist. Der Richterspruch aus dem heutigen Evangelium ist unaufhörlich in Vorbereitung und wird bereits gefällt: Was ihr für einen . . . für Millionen . . . für Billionen getan habt, „das habt ihr mir getan“! Der Gott des Friedens sei mit uns, hier in Kanada und überall! Mögen Gerechtigkeit und Frieden sich noch einmal umarmen (vgl. Ps 84 [85], 10) am Ende des zweiten Jahrtausends, das uns auf das Kommen Christi in seiner Herrlichkeit vorbereitet. Ich danke euch für eure Teilnahme. Ich möchte euch, vor allem der Erzdiözese Edmonton und der Erzdiözese dieser Region, einschließlich eines Teils von Saskatchewan, herzlich danken für diese eure Glaubenskundgebung in Edmonton. Ich danke euch für euren gestrigen Empfang auf den Straßen. Es war wundervoll, besonders die singenden und tanzenden Gruppen, die mir im Laufe des Tages begegneten. Und nun danke ich euch allen von ganzem Herzen für dieses überreligiöse Gebet. Wir haben die Einheit der Christen im Blick und streben danach, aber wir haben auch die nichtchristlichen Religionen im Blick, die Menschen, die an Gott glauben, die ihn suchen, denn das ist jedem möglich. Und mit ihnen allen vereinigen wir uns auf dem Weg zu unserer gemeinsamen Bestimmung, denn diese Bestimmung ist Gott selbst. Das Zweite Vatikanische Konzil hat unsere Überzeugung vertieft, daß alle Männer und Frauen der ganzen Menschheit Brüder und Schwestern sind, daß wir alle von demselben Schöpfer geschaffen wurden, demselben Gott, unserem Vater. Wir sind alle von demselben Jesus Christus, dem Sohn Gottes, erlöst worden; und Gott, sein Geist, der Heilige Geist, wirkt in der Seele eines jeden von uns, und das ist die göttliche Dimension der menschlichen Existenz. Wir entdecken immer mehr diese göttliche Dimension der menschlichen Existenz und versuchen, Gott Ausdruck zu geben. Dieses überreligiöse Gebet war ein Beispiel. Ich danke euch für diese feierliche Messe, die wir hier in Edmonton soeben beendet haben. Ich danke euch für eure Teilnahme, für die einzelnen Vorbereitungen. Mit euch danke ich der Vorsehung für die Sonne und den Wind. Ich danke euch für eure Gebete und für die herrlichen Chorgesänge. Danke für euer Orchester! Mit derselben Dankbarkeit grüße ich alle ethnischen Gruppen. Und euch allen wiederhole ich: Lob sei Gott, dem Vater, unserem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, der Heiligsten Dreifaltigkeit, jetzt und in alle Ewigkeit. Ich danke euch. 723 REISEN Eure Rechte als Ureinwohner Ansprache über Fernsehen an die Ureinwohner in Fort Simpson am 18. September Liebe Brüder und Schwestern in Jesus Christus! Ich weiß, ihr alle werdet mein tiefes Bedauern verstehen, daß ich jetzt empfinde, das tiefe Bedauern großer Enttäuschung. Mit diesem Empfinden will ich euch jetzt die Ansprache verlesen, die ich für meinen Besuch bei euch vorbereitet habe. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (2 Kor 1, 2). 1. Aus tiefstem Herzen freue ich mich, bei euch zu sein, den Ureinwohnern Kanadas, in diesem wunderschönen Land von Denendeh. Denn es ist eine Ehre für mich, eingeladen zu sein. Mit euch an dieser tiefergreifenden, geistlichen Feier teilzuhaben, bei der viele der Teilnehmer Nichtkatholiken sind. In euch grüße ich voll Hochachtung und in Freundschaft die Nachkommen der ersten Bewohner dieses Landes, die hier seit vielen Jahrhunderten gelebt haben. Euch zu grüßen heißt, dem Beginn der menschlichen Gesellschaft in dieser weiten Region Nordamerikas respektvoll zu huldigen. Euch zu grüßen heißt, Gottes Plan und Vorsehung Ehrfurcht zu zollen, weil sie sich in eurer Geschichte entfaltet und euch bis zum heutigen Tag begleitet haben. Euch auf diesem Stück Erde zu begrüßen heißt, die Vorgänge menschlichen Lebens, die sich auf diesem Schauplatz göttlicher Schöpfung der majestätischen Natur in dieser Gegend, abgespielt haben, neu aufleben zu lassen. Gleichzeitig ist mein Kommen zu euch ein Rückblick auf eure Vergangenheit, um eure Würde zu verkünden und eure Zukunft mitzutragen. Ich weiß, daß viele von euch diese Pilgerreise aus allen Teilen Kanadas angetreten haben - vom arktischen Eis und den Ebenen der Prärie, von den Wäldern und den Seen, von den „Great Mountains“ und den Küstengewässern - von Osten und Westen, Norden und Süden. Ich bin sehr erfreut, daß euch nichts davon abhalten konnte, an diesem Treffen teilzunehmen. Ich verstehe, daß die großen Vereinigungen der Ureinwohner, die „Assembly of First Nations“, das „Native Council of Canada“, die „Inuit Taparisat of Canada“, das „Metis National Council“, sich gemeinsam 724 REISEN entschlossen haben, diese geistliche Feier in der nördlichen Heimat zu veranstalten. Diese Art der Zusammenarbeit, in der sich die Verschiedenheit der kulturellen und religiösen Traditionen niederschlägt, die zwischen euch besteht, ist ein Zeichen der Hoffnung zum Aufbau der Solidarität zwischen den Völkern der Ureinwohner dieses Landes. Ihr habt als allgemeines Thema dieser Feier gewählt: „Selbstbestimmung und Rechte der Ureinwohner“. Meinerseits freue ich mich, mit euch über das Erbe nachzudenken, das euer Leben so eng berührt. Die Missionare bleiben eure besten Freunde 1. Meine heutige Gegenwart in eurer Mitte ist ein weiterer Ausdruck des tiefen Interesses und der Fürsorge, den die Kirche den Ureinwohnern der Neuen Welt erweisen will. Im Jahr 1537 hat mein Vorgänger Paul III. in einem Dokument mit dem Titel Pastorale officium die Rechte der Ureinwohner jener Zeit verkündet. Er bestätigte ihre Würde, verteidigte ihre Freiheit, er bestimmte, daß sie nicht versklavt, ihrer Güter oder ihres Besitzes beraubt werden durften. Gleichzeitig kennzeichnet meine Gegenwart noch einen anderen Abschnitt in der langen Zugehörigkeit vieler von euch zur Kirche. Es ist eine Zugehörigkeit, die vier Jahrhunderte umfaßt und seit der Mitte des 19. Jahrhunderts besonders eng war. Missionare aus Europa, nicht nur der katholischen Kirche, sondern auch anderer christlicher Gemeinschaften, haben ihr Leben der Aufgabe gewidmet, den Ureinwohnern Kanadas die Botschaft des Evangeliums zu verkünden. Ich habe von der Dankbarkeit gehört, die ihr selbst, Indianer und Eskimos, den Missionaren entgegenbringt, die unter euch gelebt haben und gestorben sind. Was sie für euch getan haben, ist der ganzen Kirche bewußt, es ist der ganzen Welt bekannt. Diese Missionare bemühten sich, euer Leben zu leben, wie ihr zu sein, um euch zu dienen und euch die Heilsbotschaft Jesu Christi zu überbringen. Was immer sie für Fehler und Unvollkommenheiten gehabt häben mögen und welche Leiden auch immer unfreiwilligerweise daraus erwuchsen, sie müssen jetzt ihre Schuld büßen. Aber neben dem anfangs Erwähnten gehören zu eurer Geschichte auch die besonderen Leistungen und endlosen Beweise ihrer brüderlichen Liebe. Jesus selbst sagt uns: „Es'gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15, 13). Die Missionare blieben eure besten Freunde, weil sie ihr Leben dem Dienst an euch widmen, weil sie das Wort Gottes verkünden. Ihnen 725 REISEN verdanken viele von euch die Bildung und die Sorge um eure Gesundheit, besonders den Ordensfrauen, wie den Grauen Schwestern von Montreal. Das wunderbare Wiederaufleben eurer Kultur und eurer Tradition, das ihr heute erlebt, verdankt ihr in großem Maß der Pionierarbeit und der dauernden Arbeit der Missionare in Sprachenkunde, Völkerkunde und Anthropologie. Mit Dankbarkeit sind Namen wie Lacombe, Grollier, Grandin, Truquetil unauslöschlich in eurer Geschichte verankert. Die Liste ist lang. 3. Einen besonderen Tribut will ich heute Bischof Paul Piche zollen, der in diesem Jahr seinen 25. Jahrestag als Oberhirte dieser weiten Diözese feiert. Bischof Piche, die Kirche dankt Ihnen und Ihren Mitbrüdern - so wie es Ihre Leute tun - für die Gemeinschaft, die Sie auf Gottes Wort und den Sakramenten aufgebaut haben. Durch Sie danke ich allen Oblatenmissionaren, die von der Liebe und Gnade unseres Herrn Jesus Christus inspiriert wurden, den Völkern des Nordens zu dienen. Ja, liebe Indianer und Eskimos, die Missionare haben immer an eurem kulturellen und gesellschaftlichen Leben teilgenommen. Gemäß der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils bemühten sie sich, wie es die Kirche ernstlich tun will, eurem Besitz, eurer Sprache und euren Gebräuchen immer mehr Respekt zu zollen (vgl. Ad gentes, Nr. 26). 4. In diesem Kontext der Achtung und der Liebe bringen sie euch das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus gemeinsam mit der Kraft, eure Traditionen zu festigen, indem ihr sie perfektioniert und sogar veredelt. Ihre Evangelisierung brachte die Verkündigung „des Namens, der Lehre, des Lebens, der Verheißung, des Reiches und des Geheimnisses von Jesu von Nazaret, dem Sohn Gottes“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 22) mit sich. Die Kirche selbst sandte die Missionare zu euch, damit ihr Jesu Botschaft der Wiedergeburt und der Erlösung empfangen konntet. Diese Botschaft hat in euren Herzen Wurzeln geschlagen und sich in eurer Gesellschaft verankert, so wie Christus selbst in euch seinen Gliedern, Indianer und Eskimo wurde. Ich sprach zu diesem wichtigen Thema bereits letzte Woche zweimal: in Saint Anne de Baupre und in Midland. Indem sie euch das Evangelium verkünden, wollen die Missionare eng mit euch verbunden sein, in euren Sorgen und Nöten, in eurem berechtigten Streben zur vollen Anerkennung eurer menschlichen und christlichen Würde als Ureinwohner, als Kinder Gottes. 5. Bei dieser Gelegenheit, bei der ich den Beitrag der Missionare hervorhebe, der über die ganzen Jahre hinaus geleistet wurde, möchte ich die 726 REISEN ganze Kirche in Kanada aufrufen, auf die Bedürfnisse des missionarischen Nordens noch mehr Rücksicht zu nehmen. Der Geist Gottes ruft die Kirche im ganzen Land dazu auf, das ganze Maß an geteilter Verantwortung für die Bedürfnisse des Gottesvolkes in diesem weiten, nördlichen Land zu erfüllen. Die Kraft des Paschamysteriums, die die Missionare in Vergangenheit und Gegenwart in einzigartiger Weise unterstützt hat, verläßt auch die jungen Menschen von heute nicht. Jesus, der Herr selbst, ruft die ganze Kirche in Kanada auf, ihrem wichtigen missionarischen Charakter treu zu bleiben, ohne den sie als Kirche Gottes nicht existieren kann. Ich ersuche die Jugend unter den Ureinwohnern, führende Rollen und Verantwortung zu übernehmen. Ich wende mich gleichfalls an die jungen Katholiken, sie mögen dem Ruf Gottes zum Priestertum und Ordensleben folgen, und ich bitte alle ihre katholischen Eltern, Lehrer und Verwandte, auf diese besondere Berufung stolz zu sein und alle jene zu unterstützen und zu ermutigen, die von sich aus diesen Lebensweg wählen. 6. Heute bin ich zu meinen lieben Ureinwohner-Brüdern gekommen, um das Evangelium Jesu Christi erneut zu verkünden und seine Forderungen zu bestätigen. Ich bin gekommen, um noch einmal über eure Würde zu sprechen und mit euch die Freundschaft und Liebe der Kirche zu erneuern; eine Liebe, die sich im Dienst und in der priesterlichen Sorge ausdrückt. Ich bin gekommen, um euch und der ganzen Welt die Hochachtung der Kirche vor eurem Erbe und euren vielen wertvollen überlieferten Bräuchen zu versichern. Und schließlich, meine lieben Brüder und Schwestern, bin ich gekommen, um euch zu Christus zu rufen und um euch und ganz Kanada noch einmal seine Botschaft der Vergebung und Versöhnung zu überbringen. Es geht eindeutig aus der geschichtlichen Überlieferung hervor, daß eure Völker im Laufe der Jahrhunderte wiederholt Opfer von Ungerechtigkeiten der Neuankömmlinge wurden, die in ihrer Blindheit oft eure Kultur als minderwertig ansahen. Glücklicherweise wurde diese Situation weitgehend revidiert, und die Menschen lernen es schätzen, daß eure Kultur einen großen Reichtum darstellt und daß sie euch mit mehr Achtung begegnen müssen. Wie ich schon in Midland erwähnte, ist es Zeit, die Wunden zu verbinden und alle Spaltungen zu heilen. Es ist Zeit zur Vergebung, zur Versöhnung und zum Vertrauen auf den Aufbau einer neuen Zusammengehörigkeit. Noch einmal die Worte des hl. Paulus: „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6, 2). 727 REISEN 7. Mein Vorgänger Paul VI. erläuterte deutlich, daß eine enge Verknüpfung zwischen der Verkündigung des Evangeliums und dem menschlichen Fortschritt besteht. Der menschliche Fortschritt schließt „Entwicklung“ und „Befreiung“ mit ein (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 30-31). Und so vergegenwärtige ich heute, indem ich zu euch spreche, die Botschaft des Evangeliums mit seinem Gebot der Bruderliebe, mit seiner Forderung nach Gerechtigkeit und Menschenrechten und all seiner befreienden Macht. Der hl. Paulus will von uns allen, daß wir die Bedeutung der christlichen Freiheit erfassen - die Freiheit des Geistes und von allem, was uns versklavt. Es ist der hl. Paulus, der weit in die Welt hinausruft: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“ (Gal 5,1). Gleichzeitig ermahnte er uns wie auch der hl. Petrus, daß das Prinzip der Freiheit kein Deckmantel für das Böse sein darf (vgl. Gal 5, 13; Petr 2, 16). Heute will ich jene Freiheit verkünden, die für ein richtiges und gerechtes Maß an Selbstbestimmung in eurem Leben als Ureinwohner notwendig ist. In Gemeinschaft mit der gesamten Kirche verkünde ich all eure Rechte - und die daraus erwachsenden Pflichten. Und ich verurteile auch die körperliche, kulturelle und religiöse Unterdrückung und alles, was auf irgendeine Weise dazu beiträgt, euch oder irgendeine Gruppe dessen zu berauben, was euch rechtlich zusteht. Ein gerechtes und billiges Maß an Selbstbestimmung 8. Es ist die klare Überzeugung der Kirche, daß die Menschen ein Recht haben, am öffentlichen Leben teilzuhaben, über Dinge mit zu entscheiden, die ihr Leben beeinflussen: „Teilhabe ist ein Recht, das in der Wirtschaft wie auf gesellschaftlicher und politischer Ebene anzuwenden ist“ (Justitia in mundo, Nr. 1; vgl. Gaudium et spes, Nr. 75). Das gilt für jedermann. Es findet besonders Anwendung bei euch als Ureinwohner in eurem Streben, den rechten Platz unter den Völkern der Welt einzunehmen, mit einem gerechten und billigen Maß an Selbstbestimmung. Ihr braucht auch Land, um eine funktionsfähige Wirtschaft für die gegenwärtige und zukünftige Generation aufbauen zu können. Ihr müßt gleicherweise in der Lage sein, euer Land und euer Wirtschaftspotential zu entwickeln und eure Kinder zu erziehen und die Zukunft zu planen. Ich weiß, daß Verhandlungen geführt werden und daß von allen beteiligten Seiten viel guter Wille gezeigt wird. Es ist meine Hoffnung und mein 728 REISEN Gebet, daß ein voll zufriedenstellendes Übereinkommen getroffen werden kann. 9. Auch ihr selbst seid dazu aufgerufen, eure Talente in den Dienst anderer zu stellen und zum Gemeinwohl Kanadas beizutragen, um eine echtere Gesellschaft der Gerechtigkeit und Liebe aufzubauen. Ihr seid zu verantwortungsvollem Dienst berufen und dazu, ein dynamisches Beispiel der Nutzung der Natur zu sein, besonders zu einer Zeit, in der Ausbeutung und Zerstörung der Umwelt die Welt bedrohen. Die Lehre Christi von der uneingeschränkten Brüderlichkeit und sein Gebot der Bruderliebe ist jetzt und für immer Teil eures Erbes und eures Landes. 10. Liebe Brüder und Ureinwohner Kanadas! Wenn ihr über eure Geschichte nachdenkt und in Gemeinschaft mit euren Brüdern und Schwestern arbeitet, um euer Schicksal zu verändern und um eure Verantwortung am Gemeinwohl zu übernehmen, denkt immer daran, daß eure Gotteskindschaft durch die Befolgung seiner Gebote zum Ausdruck kommt. Sie sind euren Herzen eingeschrieben, und der hl. Johannes faßt sie zusammen, wenn er sagt „Und das ist sein Gebot: Wir sollen an den Namen seines Sohnes Jesus Christus glauben und einander lieben, wie es seinem Gebot entspricht“ (1 Joh 3, 23-24). Es ist der Geist, der es uns möglich macht, an Jesus zu glauben und einander zu lieben. Euer größter Besitz, liebe Freunde, ist das Geschenk des Geistes Gottes, den er euch ins Herz gelegt hat und der euch zu Christus führt und durch Christus zum Vater. Mit großer Liebe zu euch allen, meine indianischen und Eskimo-Brüder und -Schwestern, segne ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Was jeder in seinem Innern trägt Predigt bei der Messe in Vancouver am 18. September „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen!“ (Ps 103, 1). 1. Mit diesen Worten der heutigen Liturgie, meine lieben Brüder und Schwestern, wende ich mich mit euch allen an den Gott der Liebe. Und ich will es durch das Geheimnis des Herzens Christi tun. REISEN Ich wähle diese Worte, weil sie von unserem menschlichen Herzen sprechen - woauf der Psalm mit „allem in mir“ Bezug nimmt: Es ist genau das, was wir meinen, wenn wir vom „Herzen“ sprechen: unser ganzes Dasein, all das, was jeder von uns in seinem Innern trägt. All das formt uns im Innern, in. der Tiefe unseres Daseins. All das bildet unsere ganze Menschheit, unsere ganze Persönlichkeit in ihrer geistigen und leiblichen Dimension. All das drückt sich als einmalige und unwiederholbare Person in ihrem „inneren Selbst“ und zur gleichen Zeit in ihrer „Transzendenz“ aus. Der Psalm: „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen“ sagt aus, daß sich unser menschliches Herz an Gott wendet, in all der unvorstellbaren Größe seiner Göttlichkeit und Heiligkeit und gleichzeitig in seiner wunderbaren „Offenheit“ für die Menschheit: in seiner „Freundlichkeit“. In diesem Sinn trifft das Herz sein Herz, das Herz spricht zum Herzen. 2. In diesem Sinn möchte ich all jene grüßen, die an unserer Eucharistiefeier teilnehmen - an dieser Votivmesse vom Heiligsten Herzen -, aber auch all jene, die gekommen sind, um ihren guten Willen und ihre respektvolle Solidarität mit dieser Gemeinschaft auszudrücken. Ich bin zutiefst erfreut, daß mich meine Kanadareise in die Stadt Vancou-ver geführt hat und zu diesem Versammlungsort des Gottesvolkes. Die Stadt ist wirklich herrlich gelegen, zwischen Bergen und Flüssen, sie ist die größte Stadt in eurer Provinz, die wahrhaftig ein Landschaftsbild von unverminderter Schönheit bietet. Die Bedeutung dieses Landes liegt natürlich in seinen Wäldern, Mineralien, Gewässern, Früchten und Fischereien und in seiner Schönheit, die so viele Touristen anzieht. Von noch größerer Wichtigkeit jedoch seid ihr, die Menschen dieses Landes. Hier lebt und arbeitet ihr und bemüht euch darum, ein angemessenes menschliches Wohnen und eine gerechte Gesellschaft aufzubauen. Hier kämpft ihr um die Lösung der sozialen Probleme, die in dieser Gegend einen so großen Teil eurer Lebensstruktur sind. Hier sucht ihr nach Gott und nach dem ganzen Sinn des menschlichen Lebens, inmitten des Kampfes zwischen Gutem und Bösem. Und euch allen biete ich heute den Ausdruck meines tiefen Respektes und meiner brüderlichen Liebe an. Im besonderen möchte ich alle katholischen Gläubigen der Erzdiözese Vancouver unter der Führung von Erzbischof Carney begrüßen. Doch bin ich auch all jenen zutiefst dankbar, die große Anstrengungen in Kauf genommen haben, um von anderen Diözesen Britisch-Kolumbiens, Victo- 730 REISEN ria, Kamloops, Nelson, Prince Georg, der Eparchie New Westminister unter der Führung von Bischof Chimy, und des Pazifischen Nordwestens und wahrscheinlich auch aus den Vereinigten Staaten zu uns zu kommen. In der Gemeinschaft der Eucharistie drücke ich all meinen Brüdern, den Bischöfen, dem gesamten Klerus, den Ordensleuten und Laien der katholischen Kirche meine tiefe Zuneigung aus. In der Liebe Christi umarme ich alle Jünger Christi, die mich heute durch ihre Anwesenheit ehren. Ich erinnere mit aufrichtiger Wertschätzung und Achtung an die eifrigen Bemühungen, die im vergangenen Jahr in dieser Stadt vom Weltrat der Kirchen unternommen wurden, um Jesus Christus der Welt zu verkündigen. Mit brüderlicher Hochachtung will ich auch die Mitglieder der nichtchristlichen Religion herzlich grüßen und auch jene Bürger dieses Landes, die keiner Religion angehören. Vor euch allen bezeuge ich das tiefe Interesse und die Sorge der katholischen Kirche für die unvergleichliche, menschliche Würde aller Männer, Frauen und Kinder auf dieser Erde. Ich bin zutiefst dankbar für die Gastfreundschaft, die mir entgegengebracht wurde, und für die Einladung, diese Eucharistie zu feiern. Und es gehört zu diesem gemeinsamen Gottesdienst, Jesus Christus zu verkünden, den ewigen Sohn Gottes; den unsichtbaren Gott, der sich offenbart hat zu verkünden; und die göttliche Liebe, die er der Welt im Geheimnis seines Heiligsten Herzens mitteilt. 3. Wenn wir sagen „Herz Jesu Christi“, wenden wir uns selbst dem ganzen christlichen Geheimnis zu: dem Geheimnis des Gottmenschen. Dieses Geheimnis ist in ausführlicher und tiefer Weise im Text der heutigen Liturgie ausgesprochen. Dies sind die Worte des Apostels Paulus in seinem Brief an die Kolosser: Er, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung, ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, denn in ihm wurde alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Throne und Herrschaften, Mächte und Gewalten (Kol 1, 15-16). Diese letzten Worte beziehen sich genau auf die „unsichtbaren“ Wesen: Die Geschöpfe, die eine rein geistige Natur besitzen. „Alles ist durch ihn und auf ihn hin geschaffen. Er ist vor aller Schöpfung, in ihm hat alles Bestand“ (Kol 1, 16-17). 4. Diese wunderbaren Sätze aus dem Brief des hl. Paulus stimmen mit dem überein, was uns heute im Prolog des Johannesevangeliums verkündet wird: REISEN „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. Und die Welt ist durch ihn geworden (Joh 1, 1-3, 10). Beide, der Text des hl. Johannes und der Text des hl. Paulus, enthalten die geoffenbarte Lehre über den Sohn - das Wort Gottes -, der das gleiche göttliche Wesen wie der Vater besitzt. Dies ist der Glaube, den wir bekennen, wenn wir das Glaubensbekenntnis sprechen - das Bekenntnis des Glaubens der ältesten Konzilien der Universalkirche, in Nizäa und Konstantinopel: „Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Schöpfer des Himmels und der Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt. Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Lieht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott. Gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen.“ Der Sohn ist eines Wesens mit dem Vater. Er ist Gott von Gott. Gleichzeitig hat alles, was geschaffen ist, den göttlichen Anfang in ihm, dem Ewigen Wort. In ihm wurden alle Dinge geschaffen, und in ihm haben sie ihre Existenz. 5. Dies ist unser Glaube. Das ist die Lehre der Kirche über die Gottheit des Sohnes. Der ewige Sohn, dieser wahre Gott, ist Mensch geworden. So lauten die Worte des Evangeliums: „Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt“. (Joh 1, 14). Im Glaubensbekenntnis sprechen wir: „Für uns Menschen und zu unserem Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“ Hier berühren wir noch unmittelbarer die Wirklichkeit des Herzens Jesu. Denn das Herz ist ein menschliches Organ, das zum Leib, ja zur ganzen Struktur gehört, zur geistlichen und leiblichen Gestalt des Menschen: „Und das Wort ist Fleisch geworden.“ In dieser Gestalt hat das Herz seinen Platz als ein Organ. Gleichzeitig hat es auch die Bedeutung als der symbolische Mittelpunkt des inneren Selbst, und dieses innere Selbst ist von Natur aus geistig. Das Herz Jesu wurde unter dem Herzen der Jungfrau Maria, seiner Mutter, empfangen, und sein irdisches Leben endete in dem Augenblick, als Jesus am Kreuz starb. Dies wurde durch den römischen Soldaten, der die Seite Jesus mit der Lanze durchstach, bezeugt. Während des ganzen irdischen Lebens Jesu war dieses Herz der Mittel- 732 REISEN punkt, in dem sich auf menschliche Art die Liebe Gottes offenbarte: die Liebe des Gottessohnes und durch den Sohn die Liebe Gottes, des Vaters. Was ist die größte Frucht dieser Liebe in der Schöpfung? Wir lesen im Evangelium: „Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er die Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1, 11-12). Hier ist das herrlichste, das tiefste Geschenk des Herzens Jesu, das wir in der Schöpfung finden; der Mensch, der aus Gott geboren ist, der Mensch, der im Ewigen Sohn als Sohn angenommen wird, die Menschheit, der die Macht gegeben wurde, Kinder Gottes zu werden. 6. Und deshalb kann unser so umgewandeltes menschliches Herz das sagen und sagt es zum göttlichen Herzen, wie wir in der heutigen Liturgie hören: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiß nicht, was er dir Gutes getan hat: der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt, der dein Leben von dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt . . . Der Herr ist barmherzig und gnädig, langmütig und reich an Güte“ (Ps 103, 2-4, 8). Dies sind die Worte des Psalms, in denen das Alte Testament vom Geheimnis der Liebe Gottes spricht. Wie viel mehr noch sagen uns die Evangelien über das göttliche Herz des Sohnes - und direkt vom Herzen des Vaters: Herz Jesu, Sitz der Gerechtigkeit und Liebe! Herz Jesu, geduldig und voll Erbarmen! Herz Jesu, Quelle des Lebens und der Heiligkeit! Zum Schluß können wir mit Jesaja sagen, daß jene, die auf das göttliche Herz hoffen, „neue Kraft schöpfen. Sie bekommen Flügel wie Adler. Sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und werden nicht matt“ (Jes40, 31). 7. Das Herz Jesu Christi ist ein Anruf Gottes, stark und immer gegenwärtig, der an die gesamte Menschheit gerichtet ist, an jedes menschliche Herz. Hören wir noch einmal die Worte des hl. Paulus in der heutigen Liturgie: „Er ist das Haupt des Leibes, der Leib aber ist die Kirche. Er ist der Ursprung, der Erstgeborene der Toten; so hat er in allem den Vorrang. Denn Gott wollte mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnen, um durch ihn alles zu versöhnen. Alles im Himmel und auf Erden wollte er zu Christus führen, der Friede gestiftet hat am Kreuz durch sein Blut“ (Kol 1, 18-20). Dies ist die tiefste Einsicht, die uns das Herz Christi durch den Glauben 733 REISEN gewährt. Er ist der Anfang und das Ende von allem, was Gott geschaffen hat. Er ist die Fülle. Die ganze sichtbare und unsichtbare Schöpfung strebt nach dieser Fülle in ihm. In ihm ist die Fülle, zu der die ganze Menschheit gerufen ist, versöhnt mit Gott durch das Blut Jesu Christi, das am Kreuz vergossen wurde. Herr Jesus Christus, Ewiger Sohn des Ewigen Vaters, geboren aus der Jungfrau Maria, wir bitten dich, uns weiterhin das Geheimnis Gottes zu offenbaren: damit wir in dir „das Bild des unsichtbaren Gottes“ erkennen, das wir in dir finden, in deiner göttlichen Person, in der Wärme deiner Menschlichkeit, in der Liebe deines Herzens. Herr Jesu, in dem die ganze Fülle der Gottheit wohnt! Herr Jesu, aus dessen Fülle wir alles empfangen haben! Herr Jesu, König und Mittelpunkt aller Herzen, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Mit den Waffen der Wahrheit kämpfen Ansprache bei der Begegnung mit der Jugend, der älteren Generation und den Behinderten in Vancouver am 18. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Wir sind heute abend zusammengekommen, um das Leben in Jesus Christus zu feiern. In diesem Stadion, das von Musik und Tanz widerhallt, sind wir eine Familie, die Junge und Alte, Behinderte und Nichtbehinderte umfaßt, sind wir Freunde vereint in Christus, die Gott für das Geschenk des Lebens preisen. Wir vereinigen unsere Herzen und Stimmen, um den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Herrn und Lebenspender, zu rühmen. Meinerseits danke ich euch für den herzlichen Empfang und für eure überströmende Liebe, die in Gesang und Gesten zum Ausdruck kommt. In dieser herrlichen Gegend von Britisch-Kolumbien, mit seinen gewaltigen Bergen, den rauschenden Gewässern, den dunkelgrünen Wäldern und der mineralreichen Erde seid ihr von einer Vielfalt des natürlichen Lebens umgeben, von ungezähmten Tieren und vielerlei Fischen. Von dieser Größe und Schönheit überwältigt, sprach einer der ersten Erforscher dieses Landes, Kapitän George Vancouver, von den „unzähligen Schönheiten der Landschaft und der reichen Fruchtbarkeit, die die unberührte 734 REISEN Natur hervorbringt“. Wie wahr sind diese Worte des Forschers, dessen Namen durch diese blühende Stadt geehrt wird. Wir feiern auch das Geschenk des menschlichen Lebens, das den ethischen Reichtum miteinschließt, der die Menschen dieser Gegend auszeichnet. Die Ureinwohner dieses Landes, die Indianer, die das Leben als Geschenk eines Höchsten Geistes betrachteten, empfingen das Evangelium Christi, als die Missionare es ihnen verkündeten. Es gab hier auch die ersten Siedler britischer Herkunft. Dann kamen jene aus dem Fernen Osten, jene aus Indien, die die Eisenbahn bauten und die Rohstoffindustrie entwickelten. Später kamen dann Menschen aus dem Osten und Westen Europas und haben die Grenzen dieses neuen Landes noch weiter verschoben. Zusammen mit den Indianern sind diese verschiedenen Einwanderergruppen heute abend durch ihre Stellvertreter anwesend. In ihnen sehen wir, wie die vielen Mühen der Einwanderer zur großen kulturellen Vielfalt, die dieses Land auszeichnet, beigetragen haben. Mögen alle, die diesen Segen von ihren Vorfahren empfangen haben, ihn auch wirklich schätzen und aus diesem Grunde jede menschliche Diskriminierung ablehnen, die „aufgrund ihrer Rasse, ihrer Herkunft, ihrer Hautfarbe, ihrer Kultur, ihres Geschlechts oder ihrer Religion rechtlich oder tatsächlich“ geschieht (Octogesima adveniens, Nr. 16). Jede dieser Diskriminierungen ist ein Angriff auf die menschliche Würde und eine Entwürdigung des menschlichen Lebens. Das. immerwährende Leben beginnt heute und jetzt Vor allem feiern wir heute abend das Geschenk des ewigen Lebens, das für uns durch den Tod Jesu Christi am Kreuze bewirkt wurde. Im Johannesevangelium von heute abend sagte Jesus zu uns: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10, 10). Leben der Natur und menschliches Leben sind wertvolle Gaben Gottes. Aber ewiges Leben ist ein noch viel größeres Geschenk, weil es Leben für immer bedeutet. Die Gnade, die wir in der Taufe empfangen, erhöht den Wert unseres Lebens in einem Maß, das weit über unser Vorstellungsvermögen hinausgeht, denn wir empfangen das Pfand des ewigen und immerwährenden Lebens. Dieses immerwährende Leben beginnt jetzt; durch den Glauben an das Wort Gottes und die Sakramente der Kirche wird es seine Fülle in der zukünftigen Welt finden. Von diesem Leben schreibt der hl. Paulus: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen 735 REISEN in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (i Kor 2, 9). Mit besonderer Freude stelle ich fest, daß heute abend im Stadion Kinder und junge Leute, ältere Bürger und Brüder und Schwestern, die unter verschiedenen Behinderungen leiden, mit mir das Leben feiern. Ich will der Reihe nach zu den verschiedenen Gruppen sprechen. 2. Liebe Kinder und Jugendliche: Meine ersten Worte gelten euch. Laßt nicht zu, daß euch jemand über den wirklichen Sinn eures Lebens täuscht. Es kommt von Gott. Ihr seid auf dieser Welt, weil Gott euch erschaffen hat. Ihr kommt von ihm. Ihr gehört ihm. Und ihr geht zu ihm. Gott ist die Quelle und das Ziel eures Lebens. Er, der euch das natürliche Leben geschenkt hat, wollte, daß ihr in einer reichen und lebensvollen Region der Welt Gottes aufwachst. Er hat euch viele Chancen gegeben. Durch die Taufe hat Gott euch sogar Anteil an seinem eigenen Leben gegeben. Er hat euch an Kindes Statt angenommen. Ihr seid Brüder und Schwestern Christi. Im Evangelium warnt uns Jesus, daß es in der Welt Diebe gibt, die kommen, nur „um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten“ (Joh 10, 10). Ihr werdet erleben, daß euch diese Diebe irreführen wollen. Sie werden euch sagen, daß der Sinn des Lebens darin besteht, soviel Vergnügen wie möglich zu haben. Sie werden euch zu überzeugen versuchen, daß diese Welt die einzige Welt ist, die es gibt, und daß ihr alles, was möglich ist, an euch reißen müßt, und zwar jetzt. Manche Menschen werden euch sagen: „Denk an dich und sorge dich nicht um die anderen.“ Es wird jene geben, die sagen: „Ihr findet euer Glück, wenn ihr Geld anhäuft und so viel Konsumgüter, als ihr nur könnt; und wenn ihr unglücklich seid, flüchtet in Alkohol und Drogen.“ Nichts von alldem ist wahr. Und nichts von allem bringt wirkliche Freude in eurer Leben. Das wirkliche Leben findet man nicht in sich selbst oder in den Dingen. Man findet es woanders, in dem Einen, der alles erschaffen hat, was in der Welt gut, wahr und schön ist. Das wahre Leben findet man nur in Gott, und ihr entdeckt Gott in der Gestalt Jesu Christi. Christus offenbart uns Gott, und Christus erkennen heißt: Gott erkennen. Und um euch selbst zu erkennen, euer wirkliches Ich, müßt ihr Christus erkennen. Das ist der Grund, weshalb der hl. Paulus ausrufen kann: „Ich sehe alles als Verlust an, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, alles übertrifft“ (Phil 3, 8). Ich weiß, daß manche von euch katholische Schulen besuchen. Warum? Damit ihr noch rascher Christus entdeckt und durch ihn den vollen Sinn 736 REISEN des Lebens. Damit ihr euer Leben in der Fülle leben könnt. Die Kirche hat ihre Schulen, weil sie euch Christus näherbringen will. Sie will, daß ihr durch ihn, der das vollendete menschliche Wesen und gleichzeitig der Sohn Gottes ist, zur vollen Reife gelangt. Liebe Kinder und Jugendliche: Schaut auf Christus! Wenn ihr euch nach dem Geheimnis eures Lebens fragt, schaut auf Christus, der euch seinen vollen Sinn erklärt. Wenn ihr fragt, welche Rolle euch in der Zukunft Kanadas und der Welt zukommt, schaut auf Christus. Er wird euch den Weg weisen, damit ihr eure Aufgaben als Bürger Kanadas und als Bürger der Weltgemeinschaft erfüllt. Wenn ihr fragt, was euch das Leben bringen wird, schaut auf Christus. Liebt ihn und dient ihm in eurem Nächsten jetzt, so daß die Fülle des ewigen Lebens eines Tages euch gehören kann. 3. Liebe ältere Bürger! Nun grüße ich euch, die ihr bezeugt, daß der Wert des Lebens darin liegt, wer man ist, und nicht in dem, was man besitzt oder was man zu tun imstande ist. Euer Leben zeigt die Kontinuität der Generationen und bietet euch einen Horizont, von dem aus ihr neue Ereignisse und Entdeckungen beurteilen könnt. Ihr bringt der Welt die Weisheit früherer Generationen in Erinnerung, während ihr mit euren Einsichten dieser Generation einen Beitrag leistet. Ich freue mich, von all den Initiativen hier in Britisch-Kolumbien zu hören, die eure Lebensqualität verbessern und im besonderen euch eine angemessene Unterkunft gewährleisten. In seiner Charta der Familienrechte, die 1983 herausgegeben wurde, legt der Hl. Stuhl fest: „Die älteren Menschen haben das Recht, in ihrer eigenen Familie oder wenn dies nicht möglich ist, in geeigneten Einrichtungen eine Umgebung zu finden, die es ihnen ermöglicht, ihre späten Lebensjahre in Ruhe und Gelassenheit zu verbringen und dabei solche Dinge zu tun, die mit ihrem Alter vereinbar sind und die sie am gesellschaftlichen Leben teilnehmen lassen“ (Art. 9). Das zunehmende Alter bringt Gebrechlichkeiten mit sich. Ihr seid vielleicht gezwungen, Tätigkeiten aufzugeben, die euch früher Freude bereiteten. Eure Glieder scheinen nicht mehr so elastisch zu sein wie früher. Euer Gedächtnis und eure Sehkraft verweigern vielleicht den Dienst. Und deshalb ist euch die Welt vielleicht nicht mehr so vertraut - die Welt eurer Familie, eure Umgebung, die Welt, die ihr einst gekannt habt. Sogar die Kirche, die ihr so lange geliebt habt, wird vielleicht vielen von euch fremd scheinen, weil sie in dieser Zeit der Erneuerung fortschreitet. Und doch, trotz allen Wandels und aller Schwäche fühlt ihr, daß ihr für 737 REISEN alle von großem Wert seid. Die Gesellschaft braucht euch, ebenso die Kirche. Ihr werdet nicht mehr so viel tun können wie früher. Aber was vor allem zählt, ist, daß ihr da seid. Das Alter ist die Krone des irdischen Lebens, die Zeit, in der man die Ernte einbringt, von dem, was man gesät hat. Es ist die Zeit, in der ihr euch selbst mehr als je zuvor den anderen schenken sollt. Ja, ihr seid notwendig, und laßt euch nie und von niemandem sagen, daß ihr es nicht seid. Die Messen, die ihr im Lauf eures Lebens besucht habt, die heilige Kommunion, die ihr mit Andacht empfangen habt, und die Gebete, die ihr verrichtet habt, ermöglichen es euch, reiche Gaben auf uns herabkommen zu lassen. Wir brauchen eure Erfahrung und eure Einsichten. Wir brauchen den Glauben, der euch im Leben gestützt hat und der euch weiter euer Licht ist. Wir brauchen euer Beispiel des geduldigen Wartens und Vertrauens. Wir brauchen eure reife Liebe, die wir in euch sehen, jene Liebe, die die Frucht eures Lebens ist, das ihr in Freud und Leid gelebt habt. Ja, und wir brauchen eure Weisheit, denn ihr könnt uns Sicherheit geben in Zeiten der Ungewißheit. Ihr könnt ein Ansporn sein, nach den höheren Werten des Geistes zu leben. Diese Werte verbinden uns mit Menschen aller Zeiten, und sie werden niemals alt. Seid euch deshalb eurer Würde bewußt, und übergebt euer Leben unserem Herrn Jesus Christus. Nehmt euch Zeit, ihn besser kennenzulernen, als ihr ihn je gekannt habt. Hört auf ihn im Gebet, wenn er zu euch in der Stunde der Schwäche, des Leidens und des Schmerzens sagt: „Ich bin der gute Hirt; ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich“ (Joh 10, 14). Er ist euch nahe in den Prüfungen des Alltags. Versucht eurerseits, seine treuen Jünger auf dem Weg des Kreuzes zu sein. Und vergeßt nie, daß die Leiden, die ihr erdulden müßt, in Gottes Plan vorgesehen sind, der euch vorbereitet, das Leben in Fülle zu leben in der Gemeinschaft Mariens und aller Heiligen im himmlischen Reich. 4. Nun möchte ich zu jenen sprechen, die an Behinderungen leiden, und zu jenen, die sie betreuen. Vor allem freue ich mich über die Feinfühligkeit, die unseren behinderten Brüdern und Schwestern hier in Vancouver und in ganz Kanada seitens hilfreicher Stellen, Vereinigungen und Institutionen entgegengebracht wird. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr auf irgendeine Weise behindert seid: Der Wert und die Würde des Menschen erwachsen nicht aus körperlichen oder geistigen Fähigkeiten, aus der Leistung, Produktivität oder Schnelligkeit seiner Tätigkeiten. Sie entspringen vielmehr der grundlegenden Tatsache, daß jeder Mensch von Gott erschaffen und durch das 738 REISEN Blut seines Sohnes Jesus Christus erlöst wurde; Gott ruft jeden von euch beim Namen. Er will, daß jeder von euch seinen persönlichen Beitrag zur Welt leistet und sein Leben im Dienst an den anderen in Fülle lebt. Gottes väterliche Sorge umfaßt Gesunde und Kranke, Invalide, Behinderte und Leistungsfähige. Ich möchte euch sagen, daß Christus euch liebt Liebe Freunde, die ihr manchmal so mutlos seid: Ich bin voll Freude, daß ich heute bei euch sein kann. Ich bin gekommen, um euch zu sagen, daß Christus euch liebt und daß auch die Kirche und der Papst euch lieben. Ihr seid besondere Freunde Jesu. Er sagt zu euch ganz persönlich: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen. Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ {Mt 11, 28-30). Christus bittet euch, mit ihm das Kreuz zu tragen. Ihr übernehmt heute die Rolle, die einst Simon von Cyrene innehatte. Ihr lehrt uns durch euer Beispiel, unsere menschlichen Beschränkungen mit den Leiden Jesu zu verbinden und Freude am Leben zu finden. Aber ich bin auch gekommen, um euch zu versichern, was die Kirche verkündet: daß es für euch notwendig ist, am Leben der ganzen Gesellschaft teilzunehmen, euren rechtmäßigen Platz in eurer Familie, in der Kirche, in der Schule, an der Arbeitsstelle einzunehmen. Die Kirche verkündet in besonderer Weise euer Recht auf Arbeit, da sie das Ziel unterstützt, den „Behinderten eine ihren Möglichkeiten entsprechende Arbeit anzubieten“ {Laborem exercens, Nr. 22). Sie betont, daß die Verweigerung der Arbeit für jene, die nicht voll fähig sind, eine „schwere Form von Diskriminierung“ (ebd.) darstellt. Liebe Freunde, deren besondere Berufung der Dienst an diesen Brüdern und Schwestern ist: Eure Arbeit erfordert Hochherzigkeit des Sinnes und des Herzens, geistliche Größe, denn Gott hat euch berufen, mit besonderer Eindringlichkeit zu lieben. Ich weiß doch, daß ihr die ersten seid, die sagen, daß menschliche und christliche Größe nicht darin bestehen, stärker oder aktiver zu sein als andere. Sie zeigen uns allen die fortwährende Abhängigkeit von Gott. Im Namen Jesu Christi, des Guten Hirten, danke ich euch für all die Fürsorge, die ihr diesen wichtigen Gliedern der Herde Christi angedeihen laßt. Ihr seid die Gehilfen des Herrn, dadurch, daß ihr diesen Männern, Frauen und Kindern helft, das Leben in Fülle zu leben. 739 REISEN Liebe Brüder und Schwestern! An diesem Abend, an dem wir das Leben feiern, sind wir uns der vielen Bedrohungen des Lebens bewußt, die in unserer technisierten Gesellschaft existieren. Von unberechenbarer Gefahr für die gesamte Menschheit ist die Zahl der Abtreibungen in der heutigen Gesellschaft. Dieses unaussprechliche Verbrechen gegen das menschliche Leben, das das Leben schon von seinem Anfang an ablehnt und tötet, setzt den Maßstab für die Verachtung der Verneinung und der Beseitigung des Lebens Erwachsener und für den Angriff auf das Leben der Gesellschaft. Wenn die Schwachen schon vom Augenblick der Empfängnis an verwundbar sind, sind sie auch im Alter verwundbar, und sie sind angesichts der Gewalt eines Angreifenden und der Macht von Atomwaffen verwundbar. Aber es gibt einen Weg für die Menschheit, der eigenen Tyrannei zu entrinnen und das Gericht Gottes abzuwenden. Angesichts dieser Übel, die das Leben in unserer heutigen Zeit bedrohen, muß die Menschheit wieder in der Praxis die Heiligkeit menschlichen Lebens als wertvolles Geschenk des liebenden Schöpfers verkünden — als ein Geschenk, das angenommen, respektiert und geschützt werden muß: „Gegen Pessimismus und Egoismus, die die Welt verdunkeln, steht die Kirche auf der Seite des Lebens; in jedem menschlichen Leben weiß sie den Glanz jenes ,Ja‘, jenes ,Amen‘, zu entdecken, das Christus selbst ist“ (Familiaris consortio, Nr. 30). Die Kirche verkündet den Plan Gottes für jedes menschliche Leben, Gottes Plan für die Liebe, die Leben zeugt, und Gottes Plan für die Familie, die als Lebensgemeinschaft die Sendung hat, „die Liebe zu hüten, zu offenbaren und mitzuteilen“ (Familiaris consortio, Nr. 17). Dieser Plan Gottes wurde in das Mann- und Frausein hineingelegt und verleiht ihrer ehelichen Gemeinschaft eine zweifache Dimension - jener Gemeinschaft, die der Ausdruck einer innigen Gemeinschaft der Liebe und des Lebens ebenso wie der Bereitschaft zur Elternschaft sein muß. Aufgrund der von Gott gewollten unzertrennlichen Verbindung der einigenden und der fortpflanzenden Bedeutung des Eheaktes verkündet die Kirche, daß volle Selbsthingabe in der Ehe nur möglich ist, wenn diese beiden Elemente nicht künstlich getrennt werden (vgl. Familiaris consortio, Nr. 32). Im Plan Gottes ist die Achtung vor der Bedeutung des Leibes und der Bereitschaft, Leben zu empfangen, eine notwendige Voraussetzung, die volle Würde der menschlichen Person, die volle Würde des menschlichen Lebens zu gewährleisten. Man muß das Leben von der Empfängnis an gegen alles schützen, durch das es bedroht wird, wie Hunger und Krieg; man muß es heilen von dem, 740 REISEN was es schwächt oder schändet, wie Krankheit und Exzesse durch Alkohol und Drogen; man muß es vor Verfall schützen: wie Gewalttaten, unmenschliche Lebensbedingungen, unwürdige Arbeitsbedingungen und andere Dinge solcher Art. Wir sind aufgerufen, gegen die Diebe unserer Zeit, die nur kommen, um zu stehlen, zu schlachten und zu vernichten“ (Joh 10, 10), mit den Waffen der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Liebe zu kämpfen. Stehen wir fest im Glauben: Wir glauben, daß Christus bereits den entscheidenden Sieg über Sünde und Tod durch sein Kreuz und seine Auferstehung errungen hat und daß er uns durch den Glauben das Leben in seinem Namen schenkt. Heute abend, in dieser Feier des Lebens, richten wir unseren Blick auf die gnadenreiche Jungfrau Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche. Sie hat den Retter, der das Leben der Welt ist, geboren; sie ist in dieser Feier des Lebens bei uns. Sie ist bei uns in all unseren Bemühungen, das Leben zu hüten, es zu heilen, zu verbessern und gegen alles zu verteidigen, das es verwunden, schwächen oder zerstören könnte. Sie ist bei uns in unserem Streben, Christus, dem Guten Hirten, der uns zum ewigen Leben führt, zu folgen. Liebe Brüder und Schwestern: Unsere Bestimmung ist, das Leben in Fülle zu leben in Gemeinschaft mit der Heiligsten Dreifaltigkeit, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, „ihr sei Lob und Ehre und Herrlichkeit und Kraft in alle Ewigkeit“ ( Offb 5, 13). „Ihr werdet nie von allen verstanden“ Predigt bei der Messe im Konvent der Dienerinnen Jesu und Mariä in Gatineau-Hull (Ottawa) am 19. September Meine lieben Schwestern! „Der Geist und die Braut sagen ,Komm‘ . . . Komm, Herr Jesus“ 0Offb 22, 17.20). 1. Die Kirche hört nicht auf, diesen Ruf zu Jesus, unserem Herrn, zu erheben, inspiriert vom Heiligen Geist, der in ihr wohnt. Sie wartet auf seine Wiederkunft. Sie wartet wie eine Braut auf ihren geliebten Bräutigam, der zur Rechten des Vaters erhöht ist. Sie hat bereits „ihre Kleider 741 REISEN gewaschen“ in seinem Blut, mit dem er sie losgekauft hat. Sie hofft, „vom Baum des Lebens essen zu können“. Sie weiß, daß sie bereits geheimnisvollerweise und vorläufig an seinem Leben teilnimmt durch den Glauben, die Sakramente, das Gebet und die Liebe. Mit ihm vereint, müht sie sich um die Erneuerung dieser Welt in seinem Geist. Und doch wartet sie ungeduldig auf die volle Erneuerung, um ihren Bräutigam schauen zu dürfen, wie er ist. Aber jetzt ist ihr Leben gleichsam verborgen in Gott. Die ganze Kirche muß in dieser Erwartung leben und sie bezeugen. Die gottgeweihten Seelen aber haben bereits „eine charismatische Entscheidung für Christus als ihren ausschließlichen Bräutigam“ gefällt. „Diese Entscheidung erlaubt nicht nur, sich in ganz besonderer Weise um die Sache des Herrn zu sorgen, sondern bringt - wenn es ,um des Himmelreiches willen“ geschieht - das eschatologische Reich Gottes dem Leben aller Menschen unter den Bedingungen der Zeitlichkeit nahe . . . Die geweihten Personen tragen . . . mitten in die vergängliche Welt die Verkündigung der künftigen Auferstehung“ (vgl. Redemptionis donum, Nr. 11). 2. Alle Ordensmänner und Ordensfrauen besitzen im Schoß der Kirche dieses Charisma. Noch mehr aber gilt das offenbar für die Klausurnonnen, die auf jede Tätigkeit in der Welt verzichten, um allein für den Herrn dazusein. Daher wende ich mich nun vor allem an euch, liebe kontemplative Schwestern. Die Kirche sieht euren Platz im Ganzen des mystischen Leibes Christi als wesentlich für das Leben der Kirche, für ihre volle Entfaltung an, selbst in den jungen Kirchen, die von den Aufgaben der Evangelisierung voll in Anspruch genommen sind (vgl. die Dekrete Perfectae caritatis, Nr. 47 und Ad gentes, Nr. 40). Tatsächlich hat das Gebet der Kontemplativen bei der Vertiefung des Glaubens in Kanada eine erhebliche Rolle gespielt. Dies war wohl die Absicht von Abbe Mangin und Schwester Marie-Zita von Jesus, die vor fast 100 Jahren hier die Dienerinnen Jesu und Mariä gegründet haben. Diese Schwestern verehren besonders das Heiligste Herz Jesu, zumal in der heiligen Eucharistie, der höchsten Gabe seiner Liebe, wo sie ihn ohne Unterlaß anbeten. Besteht euer geistliches Apostolat, liebe Schwestern, nicht in der Unterstützung des Priesteramtes und in der Mitarbeit am ewigen Plan des Bundes mit allen Gläubigen, „damit sie eins seien“. Ich denke ferner an alle jene Männer und Frauen, die das kontemplative Leben in Kanada mit ergänzender Spiritualität aufgebaut haben. Neben den Schwestern, die hier sind, grüße ich von Herzen alle Mönche und Nonnen dieses Landes und ermutige sie. 742 REISEN 3. „Mit dem Himmelreich wird es sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug.“ Erwartet ihr, liebe Schwestern, den Bräutigam wie diese klugen Jungfrauen! Seid immer bereit. Seid verfügbar. Wacht, in Erwartung des Herrn. Euer Leben im Konvent ist im wesentlichen so geordnet, daß es die Gotteserfahrung begünstigt; eure Zurückgezogenheit von der Welt und die Einsamkeit; euer Schweigen, das ein Schweigen des Hörens, ein Schweigen der Liebe ist: Askese, Buße, Arbeit, die euch am Erlösungswerk teilhaben lassen; die immer wieder erneuerte schwesterliche Gemeinschaft; die tägliche Eucharistiefeier, die euer Opfer mit dem Opfer Christi vereint. Mögen Ermüdung, Routine, Monotonie eures Klosterlebens euch nie einschläfern; mögen der eventuelle Eindruck der Abwesenheit Gottes, Versuchungen oder einfach die normalen Prüfungen bei der fortschreitenden mystischen Vereinigung mit Christus euch nicht entmutigen! Möge die Lampe eures Gebetes und eurer Liebe nie erlöschen! Sorgt für das Öl, damit sie Tag und Nacht weiterbrennt. 4. Denn auch in einer Gemeinschaft bleibt der Weg persönlich. So wenig wie die klugen Jungfrauen die Sorglosigkeit der törichten wettmachen konnten, so wenig kann jemand anders an eure Stelle treten, um im Innersten eurer Person die Gemeinschaft mit dem dreifältigen Gott zu pflegen, dort, wo die empfangene Liebe der Liebe in Anbetung antwortet, voll Lob und Dankbarkeit. Dann macht ihr euch das Gebet des Psalmisten zu eigen, das wir eben gehört haben: „Gott, du mein Gott, dich suche ich, meine Seele dürstet nach dir. Nach dir schmachtet mein Leib wie dürres, lechzendes Land ohne Wasser. Darum halte ich Ausschau nach dir im Heiligtum, um deine Macht und Herrlichkeit zu sehen. Denn deine Huld ist besser als das Leben; darum preisen dich meine Lippen . . . Ich denke an dich auf nächtlichem Lager . . . Jubeln kann ich im Schatten deiner Flügel. Meine Seele hängt an dir, deine rechte Hand hält mich fest“ (Ps 63, 2-4, 7-9). Diese unaussprechliche Begegnung mit dem lebendigen und persönlichen Gott läßt sich nur im Dunkel des Glaubens leben. Der Bräutigam bleibt hinter der Tür, während ihr weiter in der Nacht steht. Gott schenkt sich immer im Licht des Glaubens, aber die Zeichen Gottes sind im unscheinbaren Alltag eurer Tage so diskret, daß ihr wachsam sein müßt, um im Glauben zu bleiben und zu wachsen in der Schule Mariens. Der „Schatz“, der euch im Himmel erwartet, wird nur die eschatologische 743 REISEN Vollendung dessen sein, was sich im inneren Schatz des Herzens verbirgt (vgl. Redemptionis donum, Nr. 5). 5. Eure Wege besitzen eine geheime, jedoch sichtbare Fruchtbarkeit. „Wer in mir bleibt, der bringt viele Frucht“ (Joh 15, 5). In dieser Solidarität, die alle Glieder Christi vereint, seid ihr nach einem Wort der hl. Theresia vom Kinde Jesus wie das Herz. Ohne eure Liebe würde die Nächstenliebe erkalten. In der Kirche, die betet, leidet und evangelisiert, ist eure Aufgabe die Beziehung zu Gott. Eure Hingabe macht euch Christus gleichförmig, so daß er euer ganzes Sein nützen und verwenden kann für das Erlösungswerk, nach dem Wohlgefallen seiner Liebe. Gott aber hört das Lob- und Bittgebet, das aus euren Herzen emporsteigt, um seine Gnade auszuteilen, ohne die es in der Kirche weder Bekehrung zum Evangelium noch Fortschritt im Glauben, noch die Berufung apostolischer Arbeiter gäbe (vgl. Dekret Ad gentes, Nr. 40). 6. Die christliche Gemeinde von Hüll und ebenso die benachbarte Bevölkerung der Großstadt Ottawa scheinen eure Berufung gut verstanden zu haben. Die Leute sind nämlich eurem Kloster verbunden und unterstützen es. Sie zögern nicht, euch ihre Sorgen und Freuden, ihre Pläne und Gebetsanliegen anzuvertrauen. Immer mehr Menschen, und darunter viele Jugendliche, suchen die kostenlose Aufnahme, das Gebet und die Kontemplation, die Menschen, die nach dem Absoluten dürsten. Viele kommen in eure Klöster auf der Suche nach geistlichen Werten. Bezeugt für all diese Gottsucher durch die Wahrhaftigkeit und Transparenz eurer Persönlichkeit, daß die Bindung an Christus euch freimacht und die Gotteserfahrung euch erfüllt. Ohne euch den Erfordernissen des kontemplativen Lebens zu entziehen, sollt ihr doch Ausdrucksformen finden, die eure radikale Entscheidung für Gott der Kultur unserer Zeit verständlich machen. Denen, die sagen: „Wir verstehen nicht zu beten“, antwortet durch euer Dasein, daß der Dialog mit Gott möglich ist, denn „der Geist nimmt sich unserer Schwachheit an“ (Röm 8, 26). Jenen, die aus ihrem Leben etwas Großes machen möchten, gebt Zeugnis davon, daß der Weg zur Heiligkeit das schönste Abenteuer ist; nicht das Werk, das dabei unsere eigenen Bemühungen vollbringen, sondern das Werk der unendlichen Zärtlichkeit Gottes mitten im unermeßlichen Elend des Menschen. Mögen eure Klöster den Vorübergehenden gestatten, hier sich den Quellen lebendigen Wassers zu nähern: „Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens“ (Offb 22, 17). 744 REISEN Glücklich die Orte, die noch Ordensschwestern haben 7. Meine Betrachtung mag nur für Klausurnonnen bestimmt erscheinen. In Wirklichkeit habe ich ständig alle Frauen im Auge gehabt, die sich in Kanada Gott als Ordensfrauen weihen. Sie sind etwa 40 000. Was ich vom Geist des gottgeweihten Lebens sagte, gilt ebenso für alle Ordensfrauen des aktiven oder apostolischen Lebens. Die Umstände haben es mit sich gebracht, daß ich mit ihnen keine besondere Begegnung haben konnte, und ich habe das schon bedauert. Viele Ordensfrauen habe ich auf allen Etappen der Reise unter dem Volk Gottes gesehen. Aber auf die heutige Gelegenheit habe ich gewartet, und ich bin glücklich, sie heute abend alle von dieser Stätte der Kontemplation aus grüßen zu können und an sie die folgende Botschaft zu richten: Liebe Schwestern, ihr leistet in der Kirche Dienste, die die christlichen Gemeinden und die Welt lebhaft schätzen: Ihr beteiligt euch u. a. an Katechese und Erziehung, an der Krankenpflege und der Altenfürsorge, an der Pfarrarbeit . . . Glücklich die Dörfer und Städte, die noch auf die Präsenz solcher Schwestern zählen können! Ihr übt in gewisser Weise einen Beruf aus, mit Vorzug aber einen solchen, bei der ihr eure Liebe zum Ausdruck bringen könnt, dazu das Zeugnis des Glaubens, und beides in der Gemeinschaft. 8. Doch nicht hier liegt das ursprüngliche Geheimnis eures Lebens. Ihr habt euch in Freiheit dem Herrn geweiht, der euch zuerst einen liebenden Blick geschenkt hat. Eure Ordensgelübde wurzeln tief in eurer Taufe, drücken diese aber auf vollere Weise aus (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 5). Ihr habt in besonderer Weise und ständig am Kreuzestod des Erlösers sowie an seiner Auferstehung teil. Der österliche Charakter eures Lebens läßt sich in jedem der evangelischen Räte erkennen, die ihr in radikaler Weise zu leben sucht. Zugleich werdet ihr wahrhaft frei, um besser dienen zu können. Ihr setzt den Akzent nicht auf das „Haben“, sondern auf die Qualität des Seins, auf den in Christus erneuerten Menschen. Unsere Welt muß mehr denn je in euren Gemeinschaften und in eurem Lebensstil den Wert eines einfachen und armen Lebens im Dienst der Armen erkennen können; den Wert eines Lebens, wo Gehorsam und schwesterliches Gemeinschaftsleben schweigend gegen die Exegese einer oft launenhaften und sterilen Unabhängigkeit protestieren. Vor allem die Welt braucht Zeugen der uneigennützigen Liebe Gottes. Bei denen, die an Gott zweifeln oder meinen, er wäre abwesend, legt ihr sichtbares Zeugnis dafür ab, daß der Herr es verdient, um seiner selbst 745 REISEN willen gesucht und geliebt zu werden, daß das Reich Gottes mit seiner scheinbaren Torheit die Hingabe des ganzen Lebens verdient. So werden eure Wege zum Zeichen für den unzerstörbaren Glauben der Kirche. Die Hingabe eures Lebens an Christus und die anderen, ohne dafür Lohn zu erwarten, ist vielleicht der am dringendsten notwendige Protest gegen eine Gesellschaft, in der Profit zum Idol geworden ist. Eure Lebensentscheidung überrascht, fragt, begeistert oder verwirrt diese Welt, läßt sie aber nie gleichgültig. Auf jeden Fall, das Evangelium ist immer ein Zeichen des Widerspruchs. Ihr werdet nie von allen verstanden werden. Doch fürchtet nicht, eure Weihe an den Herrn zum Ausdruck zu bringen. Das ist Ehrensache für euch! Das ist zugleich Ehrensache der Kirche! Ihr nehmt im Leib Christi einen besonderen Platz ein, wo jeder seine Rolle wahrnehmen, sein Charisma einsetzen muß. Wenn ihr mit Hilfe des Heiligen Geistes eine eurem Lebensstand entsprechende Heiligkeit erstrebt, so fürchtet euch nicht. Er wird euch nicht im Stich lassen. Neue Berufe werden eure Reihen verstärken, ihr selbst aber wahrt die Jugend eurer Seele, die kein Altern kennt. Ja, liebe Schwestern, lebt in der Hoffnung. Haltet die Augen fest auf Christus gerichtet, und wandelt festen Schrittes auf seinen Spuren in Freude und Frieden. 9. Ich kann jetzt diese Botschaft an alle Ordensschwestern Kanadas nicht weiter entfalten. Am vergangenen 25. März habe ich auch für euch einen Brief geschrieben, der allen Ordensleuten gilt, Redemptionis donum. Heute abend bin ich am Ende meiner langen apostolischen Reise durch Kanada glücklich, mit dem Oberhirten dieser Diözese, Bischof Adolphe Proulx, Gast der Schwestern sein zu dürfen. So wie Jesus sich gern nach Bethanien ins Haus von Maria und Martha zurückzog - die eine war mehr kontemplativ, die andere mehr aktiv -, so bin ich in euer Haus gekommen, um mit euch zu beten. Wie Petrus sich mit den übrigen Aposteln in den Abendmahlssaal zusammen mit Maria, der Mutter Jesu, zurückzog, so komme ich, um den Heiligen Geist anzurufen. Möge er sein Licht und seine Kraft ausgießen über alle Bewohner dieses lieben Landes, so daß die Kirche hier an Heiligkeit wächst! Betet mit mir für alle Ordensleute, für alle Gottgeweihten, für alle Männer und Frauen, die Mitglieder von Säkularinstituten sind. Laßt uns auch für die Priester beten, die Diener der Eucharistie und Lenker der Gewissen. Beten wir für jene, die die Menschen im Glauben unterweisen. Beten wir endlich für alle, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden. Beten wir ferner am Rand von Ottawa, wo sich heute abend die Verant- 746 REISEN wörtlichen des politischen Lebens treffen und morgen die Messe für den Frieden feiern werden, für alle jene, die dazu beitragen müssen, mehr Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit in Kanada und in den weniger begünstigten Ländern aufzubauen. Herr Jesus, dein Reich komme. Amen. Verwalter gemeinsamen Erbes Ansprache an die Repräsentanten der Regierung und das Diplomatische Korps in Ottawa am 19. September Sehr geehrte Frau Generalgouverneur, sehr geehrter Herr Premierminister von Kanada, sehr geehrte Damen und Herren, Mitglieder der beiden Kammern des Parlaments und der rechtlichen Institutionen, Damen und Herren des Diplomatischen Korps, sehr geehrte Damen und Herren! 1. Seit dem Beginn meiner Pastoraireise und im Laufe der verschiedenen Etappen meiner Pilgerreise durch Ihr unvergleichliches Land Kanada habe ich mir dieses Zusammentreffen mit so vielen ausgezeichneten Persönlichkeiten in der Hauptstadt Kanadas gewünscht. Es freut mich sehr, daß ich heute nachmittag mit Ihnen, Frau Generalgouverneur, Zusammenkommen, mit Ihnen über die Dinge sprechen durfte, die Kanada und die ganze Welt interessieren. Ich bin von der Anwesenheit aller tief berührt und möchte Ihnen herzlich für die Ehre danken, die Sie damit dem Bischof von Rom, dem Obersten Hirten der katholischen Kirche, erweisen. Es ist mir zu dieser Stunde nur möglich, eine ganz kurze Analyse der tiefen und dauernden Eindrücke zu versuchen, die ich sooft während der langen unvergeßlichen Stunden meines Besuches bei dem kanadischen Volk gewinnen konnte. Erlauben Sie mir, einfach zu sagen, daß ich Gott von ganzem Herzen für die Augenblicke der Gnade danke, die er mir durch die zahlreichen Begegnungen im Gebet, in der Anteilnahme und im Dialog mit den Menschen dieses Landes geschenkt hat. 2. Wenn ich heute mit Ihnen hier zusammentreffe - Sie vertreten hier nicht nur das Volk Kanadas, sondern auch die Völker vieler Länder -, dann denke ich noch einmal an die ganze Welt und an die Bande, die die 747 REISEN gesamte Menschheit vereinigen: Nord und Süd, Ost und West, Männer, Frauen und Kinder, Junge und Alte. Jede Tat, die in einer Nation oder einer Region zur Lösung ihrer eigenen Probleme geschieht, beeinflußt notwendigerweise das Leben und die Ziele der anderen Nationen aufgrund der unabwendbaren wirtschaftlichen, finanziellen und politischen Mechanismen. Aber zur gleichen Zeit stellt man fest, daß in allen Völkern das Bewußtsein wächst, sich noch mehr in gemeinsamer Verantwortung im Hinblick auf das Gemeinwohl zu engagieren. Der Sinn für Solidarität und geteilte Verantwortung zwischen den Nationen nimmt zu und stellt für unsere heutige Zeit ein Zeichen der Hoffnung dar, das alle Völker zu immer größerer Bereitschaft zur Zusammenarbeit anhalten sollte. Die legitimen nationalen Ziele können nicht in sterilen Konfrontationen verfolgt werden, sondern nur durch Zusammenarbeit und anhaltenden und offenen, vertrauensvollen Dialog. Alle Menschen und alle Völker müssen wissen, daß sie Verwalter eines gemeinsamen Erbes und Diener einer gemeinsamen Bestimmung sind. 3. Der besondere Rahmen und die besonderen Umstände unseres Zusammentreffens in der Hauptstadt Kanadas erlauben mir heute, am Ende meiner Pilgerreise „a mari usque ad mare“, dem kanadischen Volk und seiner Führung meine Hochachtung auszusprechen für die zahlreichen Aktionen, die sie vollbracht haben und die in spürbarer Weise ihren Sinn der Solidarität mit der ganzen Welt zum Ausdruck bringen. Bereichert durch seine Erfahrungen der Zusammenarbeit seitens vieler verschiedener Gruppen im gemeinsamen Streben nach dem Wohl aller Kanadier, will dieses Land auch auf dem Gebiet der internationalen Zusammenarbeit und Verantwortung den Weg echten Einsatzes für den Frieden in der Welt einschlagen und einen uneigennützigen Beitrag zur Entwicklung der weniger begünstigten Nationen leisten. 4. Allen Völkern und allen Nationen, die aufrichtig und ehrlich im Laufe der Jahrzehnte, die dem Zweiten Weltkrieg folgten, danach strebten, eine Welt der friedlichen Beziehungen und der internationalen Gerechtigkeit aufzubauen, sind wir zu Dank verpflichtet, daß sie das Bild der Weltsituation nicht durch Pessimismus und Untätigkeit verdunkeln lassen. Ein tatsächlicher Fortschritt ist wirklich auf vielen Gebieten erzielt worden, und man muß das mit Achtung anerkennen. Gleichzeitig dürfen wir unsere Augen vor der Tatsache der vielen ungelösten Probleme und den zahlreichen Konflikten und Ungerechtigkeiten 748 REISEN nicht verschließen, die wie ein düsterer Schatten auf der internationalen Szene lasten und eine Herausforderung darstellen, deren Verweigerung sich die internationale Gemeinschaft nicht leisten kann. Wir dürfen unsere Augen angesichts der unzähligen Leiden und der Not, die Millionen unserer menschlichen Brüder erdulden müssen, nicht verschließen und unsere Herzen nicht verhärten lassen. Heute fehlen der Welt weder Informationen noch Statistiken über das Elend in der Welt. Aber sie ist gerade dort in dem Maß unempfindlich, wo sie bestimmten Tatsachen nicht erlaubt, ihre Aktionen zu beeinflussen. Ich weise besonders auf das Fehlen von Abkommen zur Verlangsamung und schließlichen Einstellung der Weltrüstung hin; auf die Investitionen wissenschaftlicher Errungenschaften und Mittel in der Waffenherstellung, die der gewaltsamen Zerstörung dienen; auf die begrenzten Kriege, die weiterhin nicht nur im eigenen Land Männer und Frauen töten; auf die fehlende Achtung vor dem Wert und der Würde des Lebens vor der Geburt; auf die Experimente am menschlichen Embryo; auf die Unterernährung oder den Tod der Kinder in den Ländern, die von andauernder Dürre betroffen sind, oder in den unterentwickelten Ländern; auf die mangelnde Gesundheitsfürsorge; auf die Landflucht und die Ballung in den Städten, wo Arbeitsplätze, Bildung und Nahrung fehlen; auf den Verlust der Freiheit, der auch den Verlust der Ausübung der Religion einschließt. Aufgrund all dessen stellt man fest, daß den ethischen Dimensionen, die den Problemen der Gesellschaft unterliegen, und dem, was sich damit verbindet, nicht genug Rechnung getragen wird. 5. Ich rufe Sie und durch Sie, meine Damen und Herren, alle Personen, die Sie aufgrund verschiedener Titel vertreten, heute auf: Seien Sie die Verteidiger eines neuen Begriffes von Menschlichkeit, eines Begriffs, der die Probleme der Gesellschaft nicht nur als Funktion der wirtschaftlichen, technischen und politischen Gleichungen ins Auge faßt, sondern als Funktion von lebendigen Personen, von Menschen, die als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen und zu einer ewigen Bestimmung berufen sind; eine Auffassung, die auf den wahren, menschlichen Werten gründet und sie daher verteidigt; eine Auffassung, die die Aktion anregt und die eigene Befriedigung, die Gefühllosigkeit und den Egoismus überwindet. Ist es nicht besonders die Aufgabe jener, denen - sei es im nationalen oder internationalen Bereich - ein öffentliches Amt auferlegt wurde, diesen Begriff der Menschlichkeit weiterzuentwickeln, der es möglich 749 REISEN macht, auf den guten Willen hinzuarbeiten, der im Herzen jedes Bürgers vorhanden ist? Ist es nicht ihrer Verantwortung anvertraut, den politischen Willen zu wecken, die notwendige Veränderung zu einer guten Nutzung der menschlichen Möglichkeiten und verfügbaren Techniken, die in der Gesellschaft vorhanden sind, zu realisieren? Niemand von uns darf sich den Herausforderungen unserer Zeit verschließen; wir wissen, daß die moderne Welt ungeheure Reserven technischer Kenntnisse und Reichtümer besitzt, die man dazu verwenden könnte, die Probleme der Menschheit zu lösen. Ich bin überzeugt, daß Sie in Ihren Kompetenzen, die die Regierung, Gesetzgebung und Justiz Kanadas betreffen, wie auch in Ihren internationalen Funktionen für jedes Ihrer Länder privilegiert genug sind, durch all Ihre Initiativen den neuen Begriff der Menschlichkeit weiterzuentwickeln, der sich auf alle Bereiche der menschlichen Aufgaben erstreckt und auf dem die gesamte Gesetzgebung, alle öffentlichen Tätigkeiten und alle sozialen Beziehungen beruhen. Seien Sie meiner Unterstützung und meiner Ermutigung sicher. Kein Platz für Egoismus und Feindschaft 6. Niemand wird leugnen, daß die heutige Welt wirklich eine neue Vorstellung vom Frieden braucht. Immer wieder werden Menschen in Kriegsgebieten getötet. Die Menschen leben in Angst, daß die immer vorhandenen Möglichkeiten der Spannungen und Konflikte durch Waffengewalt und nicht durch die Kraft der Vernunft gelöst werden. Die Menschen fühlen sich durch das Vorhandensein gewaltiger Waffenlager, die der Zerstörung dienen, und durch das Ausbleiben sinnvoller Fortschritte in den Abrüstungsverhandlungen bedroht. Die Menschen leiden an Hunger, Unterernährung und Krankheiten. Viele vernachlässigen die Erziehung und die Möglichkeit, ein sinnvolles Leben zu führen, weil sie zur gleichen Zeit sehen, daß riesige Geldmengen durch das Wettrüsten verschlungen werden. Es ist wichtig, immer und immer wieder zu betonen, daß der Krieg im Herzen und im Sinn der Männer und Frauen unserer heutigen Zeit ausgetragen wird und daß wahrer Frieden erst dann heraufziehen kann, wenn sich die Herzen und Sinne aller zu Mitgefühl, Gerechtigkeit und Liebe bekehren. In der neuen Sicht des Friedens ist kein Platz für Egoismus und Feindschaft. Wir alle sind mit einbezogen, wir alle tragen selbst die Verantwortung für die Umkehr unseres Denkens und Handelns zum Frieden. Eine Person allein kann die Welt nicht verändern, aber wir alle zusammen 750 REISEN werden imstande sein, eine friedvolle und friedliebende Gesellschaft zu gründen, wenn wir fest überzeugt entschlossen sind, den Frieden in unseren eigenen Herzen beginnen zu lassen. Meinerseits habe ich beschlossen, meine jährliche Botschaft zum bevorstehenden Weltfriedenstag unter das Thema „Frieden und Jugend, gemeinsam unterwegs“ zu stellen. Heute machen junge Menschen einen großen Teil der Weltbevölkerung aus. Ihr Engagement für den Frieden wird einen entscheidenden Unterschied für die Zukunft der Welt darstellen und der Beitrag eines jeden von uns wird, wenn wir Zusammengehen, die Welt verändern. 7. Die Beziehungen der einzelnen und der Völker untereinander sind die Hauptprobleme der Gesellschaft. Diese Beziehungen müssen auf einer Sicht der menschlichen Person gründen, die die Würde und Heiligkeit jedes menschlichen Wesens anerkennt und hochhält. Die Würde der menschlichen Person ist der Grundstock aller menschlichen Rechte. Wir können nur erfreut sein über das wachsende Bewußtsein, das es von der Wichtigkeit und zentralen Stellung der Achtung vor den Menschenrechten beim Aufbau einer Gesellschaft des Friedens und der Gerechtigkeit gibt. Zur Förderung der Anerkennung der Menschenrechte ist es jedoch notwendig, zu ihren Ursprüngen zurückzukehren: die menschliche Person und ihre Würde in all ihren Dimensionen. Jedes menschliche Leben lebt gleichzeitig in einer Welt der materiellen Werte und Bedürfnisse und in jener der geistigen Bestrebungen und Leistungen. Die Bedürfnisse und Hoffnungen, die Freiheiten und Beziehungen der menschlichen Person betreffen nie einen Wert allein unter Ausschluß des andern. In dieser Sicht müssen die Menschenrechte und Freiheiten und die daraus erwachsenden Pflichten und Verantwortungen gesehen werden. Heute möchten ich Ihre Aufmerksamkeit besonders auf das lenken, was ich in der ganzen Frage der Menschenrechte für äußerst wichtig erachte: das Recht auf Religionsfreiheit. Religionsfreiheit ist ein Recht, das das Wesentliche im Menschen direkt betrifft und das, was sich in ihrer oder seiner Würde vollkommen ausdrückt: die Beziehung zu Gott, dem Schöpfer, und der letzten Bestimmung jedes menschlichen Wesens. Es ist um so mehr zu verurteilen, daß verschiedene Formen der Verweigerung von Religionsfreiheit und der Diskriminierung gegenüber Gläubigen und der ganzen Gemeinschaft der Kirche immer noch vorherrschen, obwohl es eine verfassungsrechtliche Gesetzgebung und internationale Mittel gibt, die das Recht auf Religionsfreiheit garantieren. 751 REISEN Gleichzeitig möchte ich zusammen mit den Männern und Frauen guten Willens noch einmal das Recht auf Leben verkünden und einen erneuten Appell an alle richten, das Recht des ungeborenen Lebens zu respektieren. Wir müssen die Tatsache zugeben, daß in nicht wenigen Gesellschaften die Abtreibung sozial annehmbar und rasch zu praktizieren ist. Die Abtreibung wird als rasche Antwort auf viele Probleme dargestellt: die Probleme unerwünschter Schwangerschaft, die Probleme unverheirateter schwangerer Frauen, die Probleme einer rapid wachsenden Bevölkerung, die Probleme der Armen. Die Gesellschaft erlaubt nicht nur die Tötung ungeborenen Menschenwesens, sondern sie versucht sogar oft, diese Tötung zu rechtfertigen. Wenn der Respekt vor dem menschlichen Leben systematisch verweigert oder abgelehnt wird, wird die Würde jedes menschlichen Wesens und die Heiligkeit jedes menschlichen Lebens verletzt. 8. Indem ich Sie, meine Damen und Herren, einlade, Träger einer neuen Sicht des Friedens und der Gerechtigkeit zu sein, muß ich ein heutiges Phänomen von zunehmender Dringlichkeit erwähnen, an dem Sie, wie ich weiß, sehr interessiert sind: Ich beziehe mich auf die Flüchtlinge und Auswanderer. Es gibt viele Gründe für diese Wirklichkeit, und die Situationen sind von Ort zu Ort unterschiedlich. Es gibt politische Flüchtlinge und Flüchtlinge, die durch menschliche oder natürliche Gewalten gezwungen werden, die Heimat zu verlassen. Es gibt solche, die vor Ungerechtigkeit, Unterdrückung und Verfolgung zu fliehen versuchen. Es gibt Auswanderer, die eine Gelegenheit zur Arbeit suchen, damit sie für die Bedürfnisse ihrer Familien sorgen können, und es gibt solche, die auswandern, um bessere und mehr versprechende Möglichkeiten zu finden. Was immer die Gründe auch sein mögen, der Flüchtling und der Auswanderer muß in zweifacher Beziehung verstanden werden: seiner Beziehung zum Heimat- oder Herkunftsland und seiner Beziehung zum neuen Land, das nach Wahl oder Notwendigkeit das Seine wurde. Diese neue Situation, die in vielen Teilen der Welt große Ausmaße angenommen hat, bringt Verluste mit sich, stellt Forderungen an den einzelnen wie auch die Nationen und sogar die ganze Menschheit. Es ist heute wichtig, daß wir alle größere Anteilnahme für die Flüchtlinge und Auswanderer zeigen, was immer die Ursache ihrer gegenwärtigen Situation oder die Möglichkeiten sind, die sie vor sich haben. Und möge dieses Verständnis eine größere Feinfühligkeit für ihre Bedürfnisse und ihre Menschenwürde bringen. Vor allem muß die Welt die Trennung und den Schmerz, die mit jeder Auswanderung verbunden sind, verstehen. 752 REISEN Jede dieser Personen bringt in eine neue Umgebung Traditionen und Werte einer Kultur, die ein wertvolles Erbe darstellen. Manchmal kann diese neue Umgebung ungastlich zum Flüchtling oder Auswanderer sein oder seinem Hintergrund feindlich gegenüberstehen. Die Söhne und Töchter einer Kultur oder Nation - jeder Kultur und jeder Nation -haben ein Recht darauf, ihre echten Traditionen beizubehalten, auf sie stolz zu sein und sie von den anderen respektieren zu lassen. Während es für sie nicht recht wäre zu versuchen, ihre ererbte Kultur anderen aufzuzwingen, erwarten sie sich richtigerweise, daß der Respekt und die Ehre, die ihre Kultur verdient, ihnen als rechtmäßiges Erbe zuerkannt wird. Sie haben das Recht zu erwarten, daß dieser Respekt ein erster Schritt zur gegenseitigen Ergänzung der Traditionen sein wird, der die Bürger des Gastlandes insgesamt bereichert und die Flüchtlinge und Auswanderer selbst stützt. Hier in Kanada - wie ich bereits in Winnipeg erwähnte - ist in den letzten Jahren viel getan worden für die Flüchtlinge, für all jene, die in dieses Land eingewandert sind, und all jene, die die Probleme der Migration kennengelernt haben. Neben den öffentlichen Hilfseinrichtungen hat sich der ganze private Sektor einschließlich der Familien und vieler religiöser Gruppen hochherzig bemüht, diesen Brüdern und Schwestern zu dienen. Die Erfolge auf diesem Gebiet waren auch ein großer Verdienst der Regierungspolitik dieses Landes und seiner ganzen Bevölkerung. Heute will ich Kanada und alle Nationen, die hier vertreten sind, ermutigen, diese großartigen Bemühungen weiter fortzusetzen und jeder Versuchung zu widerstehen, in diesem guten Dienst müde zu werden. Seien Sie sicher, daß der Hl. Stuhl Sie in dieser Sache unterstützen und Ihnen beistehen wird, um der ganzen Welt die Wirklichkeit Ihres Handelns und seiner Effizienz beim Aufbau des wahren Friedens zu verkünden. 9. Meine Damen und Herren! Ich lege Ihnen diese Grundelemente einer höheren Sicht der Menschheit vor, damit Sie darüber nachdenken, und um Sie zu ermutigen, während Sie Ihren hohen Verantwortungen entsprechen. Seien Sie immer, hier und in Kanada und in der ganzen Welt, Träger dieser Sicht. Lassen Sie sie Anregung und treibende Kraft Ihres Handelns und Engagements sein, das unsere Welt zu einer Welt macht, wo Frieden und Gerechtigkeit herrschen. Dies, liebe Freunde, ist die Welt, die Gott in seiner Güte unserer Sorge anvertraut hat. 753 REISEN Die Mauer des Schweigens durchbrechen Ansprache an die Kanadische Bischofskonferenz in Ottawa am 20. September Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wir sind hier am Ende meines Pastoralbesuches zusammengekommen. Dieser Besuch war euer Wunsch, und ihr habt ihn tatkräftig organisiert; ihr habt euer christliches Volk gut auf ihn vorbereitet. Ich habe auf den verschiedenen Stationen der Reise nicht nur den jeweiligen Ortsbischof angetroffen, sondern viele andere, die sich uns anschließen wollten, da ich nicht in ihre Diözesen kommen konnte. Für all das bin ich äußerst dankbar. Und nun sind wir hier beisammen, um vor Gott und mit dem Licht des Heiligen Geistes, den wir angerufen haben, über die Gnade und die Rolle nachzudenken, die er uns als Nachfolgern der Apostel anvertraut hat. Diese Gnade und Rolle wurden in den Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils, vor allem in der Konstitution Lumen gentium und im Dekret Christus Dominus auf neue Weise großartig zum Ausdruck gebracht. In Lumen gentium lesen wir: „In den Bischöfen, denen die Priester zur Seite stehen, ist also inmitten der Gläubigen der Herr Jesus Christus, der Hohepriester, anwesend . . . Durch ihren erhabenen Dienst verkündet er allen Völkern Gottes Wort und spendet den Glaubenden immerfort die Sakramente des Glaubens . . . Durch ihre Weisheit und Umsicht endlich lenkt und ordnet er das Volk des Neuen Bundes auf seiner Pilgerschaft zur ewigen Seligkeit. Diese Hirten, die ausgewählt sind, die Herde des Herrn zu weiden, sind Diener Christi und Ausspender der Geheimnisse Gottes . . . Ihnen ist das Zeugnis für die frohe Botschaft von der Gnade Gottes anvertraut . . . und der Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit in Herrlichkeit . . .“ (Nr. 21). Das ist der Sinn unseres bischöflichen Dienstamtes, das besonders die Aufgaben der Lehre, Heiligung und Leitung einschließt. Diese Aufgaben werden in hierarchischer Gemeinschaft mit dem Haupt des Bischofskollegiums und seinen Mitgliedern erfüllt. Mit anderen Worten, um wieder die Formulierung des Konzils aufzugreifen: „Die Bischöfe haben in hervorragender und sichtbarer Weise die Aufgabe Christi selbst, des Lehrers, Hirten und Priesters, inne und handeln in seiner Person“ (ebd.). 754 REISEN 2. Das ist ein erhabener und gewaltiger Sendungsauftrag. Er setzt voraus, daß wir - wie Petrus - Christus gegenüber die Fülle unseres Glaubens (vgl. Mt 16, 16) und unserer Liebe (vgl. Joh 21,15—17) bekennen. Für die Erfüllung dieser Sendung haben wir durch die Bischofsweihe eine besondere Ausgießung des Heiligen Geistes empfangen (vgl. Lumen gentium, Nr. 21), der bei uns bleibt und dem wir uns ständig im Gebet zur Verfügung stellen müssen, um sein Werk und nicht unser eigenes zu vollbringen. Es ist auf alle Fälle eine Frage des Dienstes (vgl. ebd., Nr. 27), des Dienstes des Guten Hirten, der sein Leben hingibt für seine Schafe. Dieser demütige und hochherzige Dienst erfordert notwendigerweise Mut und Autorität: „Die Bischöfe leiten die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen . . .“ (ebd.). Und ihr wißt sehr wohl, daß - wie das Konzil fortfährt - die Macht jedes einzelnen Bischofs — die innerhalb der Bischofskonferenz vollständig und unverkürzt bleibt - von der obersten und allgemeinen Gewalt des Nachfolgers Petri „bestätigt, gestärkt und in Schutz genommen wird“ (ebd.). 3. Das Konzil, das die Verkündigung des Evangeliums als die erste und wichtigste Aufgabe der Bischöfe nennt, führt dazu aus, daß sie „Glaubensboten sind . . .; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes ... So lassen sie den Glauben fruchtbar werden und halten die ihrer Herde drohenden Irrtü-mer wachsam fern . . .“ (ebd., Nr. 25). Sämtliche ethischen Überlegungen und Fragen, die wir als Hirten angesichts der menschlichen, sozialen und kulturellen Probleme unserer Zeit — auf die ich gleich zu sprechen kommen werde — aufwerfen können und müssen, werden der Verkündigung des Heils in Jesus Christus untergeordnet. Liebe Bischöfe, führt in diesem Sinn euer christliches Volk, damit es vom lebendigen Wasser trinke. Man muß zu ihm aus einer theozentrischen und theologischen Sicht sprechen. Einzig und allein das Wort Gottes enthält den Schlüssel zu unserer Existenz und erleuchtet unsere Wege. Darum habe ich in meinen Predigten versucht, die Gläubigen von Angesicht zu Angesicht der Offenbarung von oben gegenüberzustellen, sie zur Betrachtung der Herrlichkeit Gottes zu führen, der für den Menschen die Fülle 755 REISEN des Lebens wünscht, freilich in einer Weise, die menschliche Erfahrungen und Wünsche übersteigt. Die Erlösung stellt uns vor die „Gerechtigkeit“ Gottes, vor die Sünde des Menschen und die Liebe Gottes, die ihn erlöste. Der Mensch braucht seinen Erlöser, um im Vollsinn Mensch zu sein. Humanismus - den wir in Zusammenarbeit mit unseren Brüdern und Schwestern anderer Religionen und mit den Nichtglaubenden guten Willens fördern wollen - hängt für uns Christen von Gott, dem Schöpfer und Erlöser, ab. „Nisi Dominus aedificaverit domum . . .“ Säkularisierung, verstanden als Wunsch, im praktischen Leben einen Humanismus ohne Bezug auf Gott zu realisieren, käme einer Verneinung des christlichen Glaubens gleich. Darum müssen wir die frohe Botschaft Gottes jederzeit in ihrer ganzen Macht und Ursprünglichkeit verkündigen; wir müssen den ganzen Glauben, den die Kirche zum Ausdruck bringt, angefangen vom frühen „kerygma“, verkünden. Und wie ich zu einer eurer Gruppen beim Ad-limina-Besuch (am 23. September 1983) sagte, müssen die Gläubigen zur Umkehr ermutigt und aufgerufen werden. Wenn die Welt es nicht mehr wagt, von Gott zu sprechen, so erwartet sie doch von der Kirche und besonders vom Bischof und von den Priestern ein Wort, das mit Nachdruck und Überzeugung in angemessener Sprache Gott bezeugt, ohne je die Größe der Botschaft auf die Erwartung der Zuhörer zu reduzieren. Ich habe festgestellt, daß das eines der Themen eurer Theologischen Kommission war. Hier kommen tatsächlich alle Probleme der Einführung in den Glauben oder seiner Vertiefung für Erwachsene, Jugendliche und Kinder zusammen, über die wir bei den Ad-limina-Besuchen gesprochen haben. 4. Als Glaubensboten sind wir notwendigerweise Führer der Gewissen, wie Mose, der sein Volk zur Begegnung mit dem Gott des Bundes und zum Erhalt der mit diesem Bund verknüpften Gebote führte. Das Konzil sagt das richtig: Der Glaube muß das Denken und Verhalten des Menschen leiten. Ich weiß, wie sehr ihr euch darum bemüht habt, euren Zeitgenossen zu helfen, für bestimmte vom christlichen Geist inspirierte sittliche Haltungen empfänglich zu werden. Ihr habt dazu mehrere Dokumente veröffentlicht. Die Werte der Ehrlichkeit, Gerechtigkeit, der Würde von Mann und Frau, der Arbeit, Hilfe, Nächstenliebe, der sozialen Liebe und-Solidarität mit den Armen und Entrechteten angesichts der neuen wirtschaftlichen und kulturellen Lage nehmen eure Aufmerksamkeit besonders in Anspruch. Zugleich versucht ihr, die neuen, von den Wissenschaften, der Technolo- 756 REISEN gie und den manchmal erschreckenden Entwicklungen der menschlichen Biologie aufgeworfenen Fragen aus dem Glauben zu beantworten. Ich verstehe und billige diese Sorge. Ihr wollt einen Bruch zwischen christlicher Lehre und Leben, zwischen dem Evangelium und der Kultur, zwischen Glaube und Gerechtigkeit vermeiden. Was wäre das in der Tat für ein Glaube, der nicht versuchen würde, sich im täglichen Verhalten zu verwirklichen? Und wäre er glaubwürdig in einer Welt, die bisweilen an der Existenz Gottes zweifelt? Die Briefe des hl. Paulus gehen nach der Erklärung des christlichen Geheimnisses zu konkreten Mahnungen über, die eben diesem Geheimnis entspringen. Der Glaube muß das Verhalten des Menschen leiten Ich denke hier an zwei weitere Forderungen des Evangeliums. Zunächst die Würde des Familienlebens. „Selig, die ein reines Herz haben“ (Mt 5, 8). Ihr verfolgt die Zerrüttung der Familie und die Krise der Ehe. Wie viele Kinder und Eltern leiden unter einer zerstörten Familie, Trennung, Scheidung! Ihr selbst habt die Gesetzgebung in diesem Punkt zu bessern versucht. Ihr wißt auch um die vielen „freien Lebensgemeinschaften“, die eine endgültige und ausschließliche Bindung der beiden Partner im Ehesakrament ablehnen oder verzögern. Sexualerziehung, Vorbereitung der jungen Menschen auf die Ehe und Hilfe im Familienleben sollten hier Vorrang haben. Trotz oft leidenschaftlicher gegenteiliger Meinungen wird von der Kirche erwartet, daß sie hilft, die menschliche Liebe und die Achtung vor dem Leben zu bewahren. Die Konsumgesellschaft, die Verführung zu künstlichen Bedürfnissen, die Tatsache übermäßigen Reichtums und ein allgemeines Gewinnstreben erschweren andererseits die wichtige Anwendung der Seligpreisung: „Selig, die arm sind vor Gott“ (Mt 5, 3). Wie kann man trotz alledem zu Armut und Einfachheit des Lebens erziehen, um das Herz frei und offen zu halten für das Reich Gottes und seinen Nächsten? Muß man dazu nicht u. a. den Leuten die Augen öffnen für die weiten Gebiete der Welt, wo viele im nackten Elend leben? In diesem wie in anderen Bereichen müssen wir uns immer wieder an die dringende Forderung des hl. Paulus erinnern: Ihr, die ihr geheiligt worden seid, die ihr zu Kindern Gottes geworden, zur Heiligkeit berufen seid und in denen der Geist Gottes wohnt: „Gleicht euch nicht dieser Welt an!“ (Rom 12, 2). Laßt uns stets an den pastoralen Mut des hl. Johannes Chrysostomos denken, den wir in Moncton geehrt haben. 757 REISEN 5. Unser Volk muß sich bemühen, am Glauben und an der christlichen Moral festzuhalten, zum Teil, weil es den Sinn für das Gebet nicht entdeckt hat oder weil es gar nicht mehr versucht zu beten. Ich spreche von dem Gebet, das im Dialog mit Gott oder vor allem im Hören auf Gott die Versenkung in seine Liebe und die Übereinstimmung mit seinem Willen sucht. Nur einer betenden Kirche werden die Gnaden der Erneuerung und der Umkehr zuteil werden. Jesus bat seine Apostel, zu wachen und zu beten (vgl. Mt 26, 41). Laßt uns zusammen mit unseren Priestern, mit unseren Ordensleuten und mit den vielen Laien, die in der Freude des Heiligen Geistes das Gebet wiederentdeckt haben, Lehrer des Gebetes sein. Das Gebet läßt sich nicht von den Sakramenten trennen. Dazu sagt das Konzil über die Rolle der Bischöfe folgendes: „Durch die Sakramente, deren geregelte und fruchtbare Verwaltung sie mit ihrer Autorität ordnen, heiligen sie die Gläubigen“ (Lumen gentium, Nr. 26). Ich will nur zwei äußerst wichtige Bereiche erwähnen. Zunächst die Versammlung zur sonntäglichen Eucharistiefeier. Wie kann ein Volk, das christlich sein will, das ablehnen? Es gibt viele Ursachen, aber wir Hirten müssen auf jeden Fall alles tun, was wir können, um den Sinn für den Tag des Herrn und die Eucharistie wiederzuerwecken und darauf zu achten, daß unsere Gottesdienste sorgfältig vorbereitet werden und von der aktiven Teilnahme der Gläubigen und der Würde des Gebets gekennzeichnet sind. Ihr versteht sicher, warum ich einen anderen Hauptpunkt der sakramentalen Praxis des Seelsorgers unterstreiche: das Sakrament der Buße oder Versöhnung. Der häufige Empfang dieses Sakraments ist ein Beweis dafür, daß wir an die Kirche als eine Gemeinschaft der Heiligen glauben und unter dem Wirken Christi diese Gemeinschaft aufbauen. Die gesamte Erneuerung der Kirche hängt von der persönlichen Umkehr des einzelnen ab, die in einer persönlichen Begegnung mit Christus besiegelt wird. Wenn wir das fördern, tragen wir wirksam zu der ganzen vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünschten und von den nachkonziliaren Reformen geförderten Erneuerung bei; andernfalls leidet unser pastorales Vorgehen insgesamt ernsten Mangel, der die Wirksamkeit des gesamten Einsatzes der Kirche beeinträchtigt. Unsere Verbundenheit und Gemeinschaft mit der Universalkirche erfordert, daß die Disziplin der Gesamtkirche genauso respektiert wird, wie es von der Glaubenskongregation definiert worden ist, die ihre Verknüpfung mit einem göttlichen Gebot hervorgehoben hat (16. Juni 1972). Die letzte Bischofssynode, an der einige von euch teilnahmen, legte besonderen Nachdruck auf die absolute Notwendigkeit der Buße: der Geist der Buße, 758 REISEN ein Sündenbewußtsein und die Bitte um Vergebung im Bußsakrament zusammen mit der persönlichen Anklage seiner Sünden vor einem Priester. Ihr wißt, daß diese jahrhundertealte Gepflogenheit der Kirche in wenigen Jahren zunehmend vernachlässigt wurde. Sicher hat man lobenswerte Bemühungen unternommen, um den Gemeinschaftsaspekt der Buße herauszustellen, um allen Gläubigen gemeinsam die Notwendigkeit der Umkehr bewußtzumachen und sie anzuhalten, miteinander Gottes Erbarmen und die Gnade der Versöhnung zu feiern. Aber diese gemeinschaftliche Erneuerung darf niemals zur Vernachlässigung des persönlichen Handelns des Pönitenten und der persönlichen Absolution führen. Es ist das Recht jedes Bußwilligen, und man kann sagen, es ist das Recht Christi im Hinblick auf jeden Menschen, den er erlöst hat, ihm durch einen Diener sagen zu können: „Deine Sünden sind dir vergeben“ (vgl. Redem-ptor hominis, Nr. 20). Liebe Brüder im Bischofsamt, helfen wir den Priestern, diesem Dienst einen Vorrang nach der Eucharistie, aber vor vielen anderen weniger wichtigen Tätigkeiten einzuräumen. Helfen wir ihnen, sich davon zu überzeugen, daß sie so in wunderbarer Weise als Spender seiner Gnade am Werk des Erlösers mitwirken. Wenn diese Überzeugung gesichert ist, wird man selbst bei einer geringeren Priesterzahl Lösungen für das praktische Problem finden können. Sollten unsere Gläubigen je den Sinn für die Sünde und diese persönliche Vergebung verlieren, sollten sie nicht mehr genügend Priester finden, die zu diesem wesentlichen Dienst bereit sind, würde der Authentizität ihres christlichen Lebens eine entscheidende Dimension fehlen. Und selbst der Gang zur Eucharistie, der ja noch immer häufig zu erfolgen scheint, würde sie in Verlegenheit bringen, weil sie sich der Forderungen bewußt sind, die für die Glieder des Leibes Christi die Gemeinschaft mit dem mit sich bringt, der ihr Haupt ist: „Christus, der zum eucharistischen Mahl einlädt, ist stets derselbe Christus, der zur Buße ermahnt, der das ,Bekehrt euch wiederholt“ (vgl. ebd.). Ich habe mir gestattet, lange bei diesem Punkt zu verweilen, aber ich weiß, daß mehrere von euch, während sie durchaus den Vorteil einer gemeinschaftlichen Vorbereitung beibehalten wollen, bereits im Laufe dieses Jahres danach gesucht haben, wie man auf diese Krise des persönlichen Verlangens um Vergebung reagieren sollte. 6. Ich habe auf den Dienst der Priester hingewiesen. Ich weiß, wie ihr ihnen väterlich nahesteht und wie ihr sie in dieser schwierigen Zeit 759 REISEN ermutigt, wo manche von ihnen etwas ratlos sind, weil die Zahl der Gläubigen, die den Glauben wirklich praktizieren, abnimmt, weil ihre Rolle in der Gesellschaft weniger klar zu sein scheint und weil sich ein neuer Stil der notwendigen Zusammenarbeit mit den Laien nicht immer leicht finden läßt. In dieser Zeit des kulturellen Wandels und der nach-konziliaren Anpassung bedürfen eure Priester - wie das in den meisten anderen Ländern der Fall ist - vor allem einer Stärkung und Festigung in einer wohlausgewogenen Theologie und in sehr klaren pastoralen Richtlinien in Übereinstimmung mit dem neuen Kirchenrecht. Wir denken natürlich an den Nachwuchs. Und da begegne ich euren Sorgen. Am 23. September 1983 habe ich mit einigen von euch ausführlich über die Berufe gesprochen. In den Seminaren einiger eurer Diözesen zeigte sich eine neue Hoffnung, aber es muß entschlossen dieser Weg des Appells und einer soliden geistlichen und theologischen Ausbildung fortgesetzt werden; vor allem die Berufe zum Ordensleben sind sehr spärlich. Die Pastoral der Berufe verlangt einen Vorstoß bei den christlichen Familien und bei der Jugend; sie setzt immer das ausdrückliche Gebet für dieses Anliegen voraus. Ja, lassen wir viel beten für die Berufe zum Priestertum und zum Ordensleben. 7. Wir versammeln das ganze Gottesvolk. Das ist die Sendung der Bischöfe und mit ihnen die der Priester. Das Konzil führt klärend aus: „In jedweder Altargemeinschaft erscheint unter dem heiligen Dienstamt des Bischofs das Symbol jener Liebe und jener ,Einheit des mystischen Leibes, ohne die es kein Heil geben kann“1 {Lumen gentium, Nr. 26). Wir führen all diese Gruppen von Gläubigen oder christlichen Aposteln, die jede in ihrem Bereich oder entsprechend ihrem Charisma tätig sind, zum selben Herrn hin. Und wie der Gute Hirte müssen wir, soweit möglich, veranlassen, daß alle Schafe dem Weg folgen, ohne daß sich manche verlassen oder mißachtet fühlen, weil sie größere Schwierigkeiten haben, den Rhythmus der Reformen zu verstehen. Wir sind die Hüter der Einheit, die Förderer brüderlicher Aufgeschlossenheit, die Erzieher zur Toleranz zwischen verschiedenen Empfindungsweisen, die Zeugen des Erbarmens für die Brüder, die manchmal nicht ohne Grund an Ärgernissen Anstoß nehmen (vgl. 1 Kor 8,12). Die Kirche in Kanada hat sich in einzigartiger Weise bemüht, den Laien zu helfen, ihre Verantwortung als Getaufte und Gefirmte voll zu übernehmen. Ja, Bischöfe und Priester, fürchten wir uns nicht, ihnen zu vertrauen; ihnen kommt es zu, natürlich mit einer guten Ausbildung, in der Welt das 760 REISEN Zeugnis zu erbringen, das ohne sie der Kirche fehlen würde; sie können ihrerseits den Priestern helfen, ihren priesterlichen Eifer zu erneuern. Ich habe während dieser Reise schon oft von den Diensten gesprochen, die die Männer und Frauen innerhalb der christlichen Gemeinden mehr und mehr übernehmen können, selbstverständlich unter Wahrung dessen, was ausschließlich Sache der geweihten Dienstämter ist; vor allem erwähnte ich das Apostolat, das ihnen allein im Bereich der Familie, in ihrem Arbeitsleben, in den sozialen Initiativen, in den Erziehungsaufgaben, in der Verantwortung für öffentliche Angelegenheiten zufällt. Den Laien und ihren Verbänden obliegt es, die Grundsätze der Soziallehre, die eure Dokumente hervorheben, in das Leben der Gesellschaft einzubringen. 8. Ich habe mir viele andere Bereiche notiert, wo sich euer pastorales Engagement entfaltet, zum Beispiel auf dem wichtigen Gebiet des ökumenismus, worüber wir im Verlauf dieser Reise gesprochen haben. Auf einer anderen Ebene kann die Kirche, deren Hirten ihr seid, einen wertvollen Beitrag zum brüderlichen Zusammenleben in eurem Lande erbringen. Kanada umfaßt - das ist mir im starken Maße bewußt geworden - einen unermeßlichen Reichtum nicht nur an materiellen Gütern, sondern an kulturellen und sprachlichen Traditionen: die französisch- und englischsprachigen Komponenten bilden die Hauptbestandteile dieses gewaltigen Reliefs, abgesehen von den Indianern und Eskimos; aber sämtliche Regionen haben zahlreiche Gruppen von Einwanderern aufgenommen, die Kanada als ihr Land betrachten. Es scheint mir, daß unter diesen Umständen die Kirche den Auftrag hat, die Aufnahme, die gegenseitige Schätzung und Anerkennung, die Beteiligung aller am sozialen Leben zu fördern, indem sie den einen wie den andern bei der Überwindung von Chauvinismen und übersteigerten nationalistischen Gefühlen helfen; solche Entartungen dürfen nicht mit dem berechtigten Stolz auf die eigenen Ursprünge und ihr kulturelles Erbe noch mit der wohltuenden Komplementarität der Verschiedenheiten verwechselt werden. Freiheit der Glaubensausübung wird alle Tage eingeschränkt 9. Aber eure Verantwortung als Bischöfe geht über euer Land hinaus. Das Konzil hat diesen Punkt hervorgehoben und die Konsequenzen aus der Lehre von der Kollegialität gezogen: „Als Glieder des Bischofskollegiums und rechtmäßiger Nachfolger der Apostel sind die Bischöfe auf- 761 REISEN grund von Christi Stiftung und Vorschrift zur Sorge für die Gesamtkirche gehalten. Diese wird zwar nicht durch einen hoheitlichen Akt wahrgenommen, trägt aber doch im höchsten Maße zum Wohl der Gesamtkirche bei“ (Lumen gentium, Nr. 23). Das Interesse oder die Hilfe, die von einer Teilkirche einer anderen Teilkirche gegenüber bekundet werden, müssen natürlich immer in den kollegialen, brüderlichen Geist erfolgen, der die Verantwortung der Bischöfe des anderen Landes und ihrer Bischofskonferenz voll respektiert, indem er der Wahrnehmung vertraut, daß sie geistliche Bedürfnisse ihres Volkes haben und in ihrer Situation bestimmte Richtungen einschla-gen müssen. Auf alle Fälle geht es darum, in einer immer größeren Öffnung gegenüber der Universalkirche die Bande des Friedens, der Liebe, der Solidarität zu knüpfen. „Die Glaubenseinheit und die der ganzen Kirche gemeinsame Disziplin fördern und schützen“ (Lumen gentium, Nr. 23) heißt bereits, diese Solidarität leben. Eine Teilkirche sollte nicht versuchen, außerhalb dieser Sicht ihre Probleme lösen zu wollen. Aber es gilt auch, die Gläubigen zur Liebe zum ganzen mystischen Leib Christi anzuleiten, besonders zu den armen und leidenden Gliedern und zu jenen, die Verfolgung erdulden um der Gerechtigkeit willen“ (ebd.). Das betrifft denn auch eine eurer Sorgen: ständig dazu beitragen, euren Christen — die im ganzen von der Natur und vom technischen Fortschritt sehr begünstigt sind - Augen, Herz und Hände zu öffnen für die weniger begünstigten Länder, besser gesagt für die Völker, denen es am Lebensminimum, an Brot, Hygiene, Freiheit fehlt. Viele Formen der Hilfe sind möglich und empfehlen sich gegenüber den Partnern der Dritten Welt oder des „Südens“, die übrigens umgekehrt uns bei der Wiederherstellung der Hierarchie der Werte behilflich sind. Ihr bereitet auch eure Landsleute darauf vor, auf internationaler Ebene an der Lösung der Probleme des Friedens, der Sicherheit, des Umweltschutzes und der Entwicklung teilzunehmen. 10. Die geistlichen Bedürfnisse unserer Brüder in den anderen Kirchen müssen in unserer umfassenden Nächstenliebe einen vorrangigen Platz einnehmen. „Die Sorge, das Evangelium überall auf Erden zu verkündigen, geht die ganze Körperschaft der Hirten an . . . Daher müssen sie mit allen Kräften den Missionen Arbeiter für die Ernte wie auch geistliche und materielle Hilfen vermitteln . . . und besonders in umfassender Liebesge- 762 REISEN meinschaft den anderen Kirchen, besonders denbenachbarten undbedürfti-geren, gern brüderliche Hilfe gewähren“ (Lumen gentium, Nr. 23). Die ganze Welt weiß, daß das missionarische Engagement so vieler Kanadier, Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien, in Lateinamerika, in Afrika, in Asien und in weiten Teilen des hohen Nordens Kanadas bewundernswürdig gewesen ist. Lassen wir die Quelle der Missionsberufe nicht versiegen! Lassen wir die Überzeugung von der Dringlichkeit der weltweiten Mission nicht erschlaffen, selbst wenn sie andere Solidaritätsformen annimmt. 11. Schließlich gibt es einen Bereich, wo die Solidarität und das gemeinsame Zeugnis der Bischöfe und ihrer Kirche noch viel stärker zum Ausdruck kommen sollte. Wir sind empfindlich gegen die Ungerechtigkeit, gegen die unzulängliche Verteilung materieller Güter. Sind wir das auch ausreichend gegen die Schäden, die dem menschlichen Geist, dem Gewissen, den religiösen Überzeugungen zugefügt werden? Die grundlegende Freiheit der Glaubensausübung wird alle Tage in weiten Gebieten eingeschränkt; es handelt sich dabei um eine sehr schwerwiegende Verletzung, die die Menschheit entwürdigt und die uns, uns Glaubende, tief betroffen macht. Im vergangenen Jahr in Lourdes habe ich die Not unserer verfolgten Brüder laut hinausgerufen, denn es gibt in diesem Punkt so etwas wie eine Mauer des Schweigens, die durchbrochen werden muß. Ich bitte euch, euch als meine bischöflichen Brüder, das mit mir zusammen zu tun. Ich bitte euch: Weckt bei euren Gläubigen Verständnis dafür und haltet sie zum Gebet für diese Brüder an! Ihr Glaubensmut nützt auf geheimnisvolle Weise der ganzen Kirche. Er regt das Erwachen der Christen an, die in einem leichten Leben dahindämmern, sich aller Freiheiten erfreuen und sich manchmal allzusehr um Probleme sorgen, die im Vergleich zu diesem entscheidenden nur relative Bedeutung besitzen. 12. Ich danke euch, liebe Brüder im Bischofsamt, ganz allgemein für alles, was ihr tut oder tun wollt, um in affektiver und tatsächlicher Kollegialität in Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri - cum Petro et sub Petro - (vgl. Ad gentes, Nr. 38) und in Zusammenarbeit mit den Organen des Hl. Stuhls an der Sendung der Gesamtkirche teilzunehmen. Ja, vor dem Herrn tragt ihr die Last eurer Teilkirchen, aber in jeder von ihnen ist die Gesamtkirche gegenwärtig, denn „Christus ist gegenwärtig, durch dessen Kraft die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche geeint wird“ (Lumen gentium, Nr. 26). 763 REISEN Möge Christus, der Gute Hirte, einem jeden von euch den pastoralen Mut schenken, den ihr für eure erhabene Sendung braucht! Möge der Heilige Geist euch das Licht und die Kraft schenken, um das kanadische Volk auf den Wegen des lebendigen Gottes zu führen, damit es geheiligt werde, um die Welt zu heiligen! Möge Gottvater euch erhalten in der Hoffnung und im Frieden! Ich werde auch weiterhin all eure pastoralen Sorgen in mein Gebet aufnehmen, wie ihr für mich beten werdet. Wir vertrauen sie dem mütterlichen Herzen Mariens an. Gott, der Allmächtige, Vater, Sohn und Heiliger Geist, segne euch! Spiegelbild seiner Gerechtigkeit Predigt bei der Messe in Ottawa am 20. September 1. „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit. . .“ (Mt 5, 6). „Selig, die Frieden stiften“ (Mt 5, 9). Zum Abschluß meiner Pilgerreise auf kanadischem Boden wollen wir in eurer Hauptstadt Ottawa bei dieser Messe um Gerechtigkeit und Frieden beten. Wir beten für die Gerechtigkeit und den Frieden in der heutigen Welt und beziehen uns dabei auf die Seligpreisungen, wie sie nach dem Evangelium des hl. Matthäus von Christus verkündet wurden. Wir beten für den Frieden, und der Weg des Friedens führt über die Gerechtigkeit. Darum sind diejenigen, die ehrlich hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, zugleich Friedensstifter. Ich möchte, daß dieses Leitthema für unser heutiges Gebet beim euchari-stischen Opfer jene, die daran teilnehmen, die sich an diesem Abend zu Tausenden am Fuße des herrlichen Gatineau-Gebirges, am Ufer des Ottawastromes um Msgr. Joseph Aurele Plourde, den Erzbischof eurer Stadt, den ich brüderlich begrüße, versammelt haben, mit den Bewohnern von Ontario, mit allen Kanadiern und mit allen vereint, die sich uns in der Ferne anschließen. Dieser Strom war einst der Zugangsweg zum Herzen, zur Mitte eures Kontinents, als die europäischen Kulturen mit den Kulturen der Ureinwohner aufeinandertrafen. Heute bin ich mitten unter euch als ein Pilger 764 REISEN des Friedens und möchte in dieser letzten Predigt das weiterführen, was ich im Rahmen meines pastoralen Sendungsauftrages auf kanadischem Boden gesagt habe. Unter Anlehnung an die acht Seligpreisungen Christi möchte ich die bisherigen Ausführungen abschließend zusammenfassen. 2. In den acht Seligpreisungen steht vor uns vor allem eine Person: die Person des göttlichen Meisters. Von ihm spricht der Prophet Jesaja, als er verkündet, daß ein „helles Licht über denen aufstrahlt, die im Land der Finsternis wohnen“ (Jes 9, 1). Dieselben Worte erschallen in der Weihnachtsnacht: „Denn uns wurde ein Kind geboren, ein Sohn wurde uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter“ (Jes 9, 5). Die „Herrschaft, die auf den Schultern“ des in der Nacht von Betlehem geborenen Kindes „liegt“, wird von der Majestät des Kreuzes bestätigt. Der Gekreuzigte trägt wahrhaftig die ganze Macht zur Erlösung der Welt in sich. Und er, der Gekreuzigte, wurde mit den Namen benannt, die Jesaja ankündigte: „Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit und Friedensfürst“ (Jes 9, 5). Gott hat die Erlösungsmacht, die der gekreuzigte Christus besaß, für alle Zeiten bestätigt, als er ihn auferweckte. Der von den Toten auferstandene Erlöser sagt zu den Aposteln, als er von ihnen Abschied nimmt: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern . . .“ (Mt 28, 18-19). Somit bleibt Christus auf ewig unter den Menschen als jenes „helle Licht“ bei Jesaja, das „über denen ausstrahlt, die im Land der Finsternis wohnen“. Er bleibt der „Friedensfürst“ und zugleich der „wunderbare Ratgeber“. Der Ausgangspunkt der Wege, die zur Gerechtigkeit und zum Frieden führen, ist die Erlösung der Welt, die Christus durch die Macht seines Kreuzes und der Auferstehung vollbracht hat. In der bedrohten menschlichen Familie ist Christus ständig als Friedensfürst, als Verteidiger alles Menschlichen gegenwärtig. Das Evangelium von den acht Seligpreisungen ist nichts anderes als eine Verteidigung dessen, was das zutiefst Menschliche, das Schönste im Menschen ist, das, was am Menschen heil und gesund ist: „Selig, die arm sind vor Gott. . . Selig die Trauernden . . . Selig, die keine Gewalt anwenden . . . Selig die Barmherzigen . . . Selig, die ein reines 765 REISEN Herz haben . . . Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden . . . Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet . . . Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt“ (Mt 5, 3-5.7-8.10.12). 4. Das Evangelium von den acht Seligpreisungen ist eine feste Beteuerung dessen, was zutiefst menschlich, was heroisch am Menschen ist. Das Evangelium von den acht Seligpreisungen ist fest verbunden mit dem Kreuz und der Auferstehung Christi. Und allein im Licht des Kreuzes und der Auferstehung gewinnt das Menschliche, das Heroische im Menschen wieder seine Kraft und seine Macht zurück. Keine Form des historischen Materialismus bietet ihm dafür Grundlage oder Garantie. Der Materialismus vermag das zutiefst Menschliche lediglich in Frage zu stellen, zu schwächen, mit Füßen zu treten, zu zerstören und zu verderben. Das Evangelium von den acht Seligpreisungen ist wurzelhaft mit dem Mysterium verbunden: mit der Wirklichkeit der Erlösung der Welt. Ja, allein die Tatsache der Auferstehung, also der Erlösung der Welt, bildet die Grundlage der Seligpreisungen und insbesondere der beiden in unserer Zeit der Bedrohungen wirklich wichtigen Seligpreisungen: Auf der Welt lasten schwere Bedrohungen „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit . . .“ „Selig, die Frieden stiften . . .“ Das Bewußtsein von der Erlösung durchdringt bis ins Innerste die Menschen, die unter den heute schwer auf der Welt lastenden Bedrohungen leiden. Wenn wir imstande sind, das Evangelium von den Seligpreisungen Christi anzunehmen, haben wir keine Angst, mit diesen Bedrohungen fertigzuwerden. 5. Das sittliche Bewußtsein der Menschheit entdeckt auf verschiedenen Wegen die Verbindung, die zwischen Gerechtigkeit und Frieden besteht. Es gilt, alle erforderlichen Bemühungen zu unternehmen, damit dieses unter enormen Opfern seit dem letzten Weltkrieg wiederentdeckte Bewußtsein nicht erneut vom Ausbruch der Gewalt überrannt wird. Der moderne Mensch, die Völker, die ganze Menschheit suchen unermüdlich die Wege, die zur Gerechtigkeit und zum Frieden führen. Die Kirche setzt sich unablässig ein für diese große Sache. Die Teilkirchen, die Episkopate setzen sich ein. Der Apostolische Stuhl leistet seinen Beitrag. Hier besteht eine menschliche, christliche, apostolische Verpflichtung. 766 REISEN 6. Papst Johannes XXIII. richtete in seiner Enzyklika Pacem in terris einen bemerkenswerten Appell an die Welt. Er analysierte darin ausführlich die Bedingungen für den Frieden und forderte uns auf, Stifter von Frieden und Gerechtigkeit in allen Bereichen zu werden, in denen die menschliche Gemeinschaft tätig ist. Das Zweite Vatikanische Konzil seinerseits greift diesen Gedanken wieder auf, als es über die Stellung der Kirche in der modernen Welt nachdenkt; es bittet uns eindringlich um die Sicherung des Friedens und den Aufbau der Völkergemeinschaft (vgl. Gaudium et spes, Nr. 77-90). Papst Paul VI. hörte nicht auf, in diesem Sinne tätig zu werden. Vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen stieß er den prophetischen Ausruf aus: „Nie wieder Krieg!“ Er betonte nachdrücklich die Bande zwischen Frieden und der Entwicklung der Völker, wovon ich vor einigen Tagen in Edmonton gesprochen habe. Paul VI. führte auch den Weltfriedenstag am 1. Januar ein. Seit damals werden zu Beginn eines jeden Jahres alle zum Gebet und zum Einsatz für den Frieden aufgerufen; das ist auch die Gelegenheit für den Papst, seine Appelle an alle Menschen zu erneuern, damit sie sich für den Frieden entscheiden und die erforderlichen Schritte zur Überwindung von Spannungen und zur Bannung wachsender Gefahren unternehmen. Kurz nach meiner Wahl konnte ich die Einladung der Vereinten Nationen annehmen und der internationalen Gemeinschaft nicht nur versichern, daß der Apostolische Stuhl ihre Bemühungen unterstütze, sondern daß „die katholische Kirche an allen Orten der Erde eine Botschaft des Friedens verkündet, für den Frieden betet und den Menschen zum Frieden erzieht“ (Ansprache vor der 34. Vollversammlung der Vereinten Nationen, 2. Oktober 1979, Nr. 10: O. R., dt. Ausg., 5. 10. 1979). Heute erneuere ich meinen Appell. Denn wir wissen, daß nach dem Weltkrieg die Spannungen und Konfrontationen nicht aufgehört haben, daß sie Kriege hervorrufen, die, auch wenn sie örtlich beschränkt sind, deshalb nicht weniger mörderisch sind. Und wir wissen, daß sich Konfliktherde überall dort finden, wo Ungerechtigkeit zu Unterdrückung und Tod führt oder wo die Würde von Menschen verletzt wird. Um den Frieden aufzubauen, müssen wir die Gerechtigkeit schaffen. Welches moralische Gewissen könnte sich widerstandslos damit abfinden, daß so „schreckliche Ungleichheiten bestehen zwischen Menschen und Gruppen in übertriebenem Reichtum auf der einen Seite und der zahlenmäßigen Mehrheit der Armen oder sogar der Verelendeten auf der anderen Seite . . .“ (ebd., Nr. 18)? Welches moralische Gewissen könnte sich mit den oberflächlichen Vor- 767 REISEN kehrungen abfinden, die die Ungerechtigkeit bemänteln, solange irgendwo auf unserem Planeten der Mensch „in seinen persönlichen Überzeugungen, in seiner Weltanschauung, in seinem religiösen Glauben wie auch im Bereich der sogenannten bürgerlichen Freiheiten“ verletzt wird (ebd., Nr. 19)? Werden wir Friedensstifter sein, die nach der Gerechtigkeit hungern, wenn wir widerstandslos zulassen, daß „die schwindelerregende Spirale der Aufrüstung“ als Vorgehen hingestellt wird, „das dem Frieden in der Welt dient“ {ebd., Nr. 22), während das Wettrüsten in Wirklichkeit eine Todesdrohung ist und der finanzielle Aufwand dafür so viele Länder der wirksamen Mittel für ihre Entwicklung beraubt? Wir haben eine dringende Verpflichtung in dieser Zeit. Wir werden Friedensstifter sein, wenn uns unser Gewissen die Gefahren bewußt macht, wenn es uns anspornt zur Förderung des Dialogs und der Besitzteilung und zur aufmerksamen Achtung vor dem Standpunkt der anderen, während wir gleichzeitig unsere eigenen Rechte verteidigen, getreu der Liebe zur Menschheit und empfänglich für das Geschenk Gottes! Wir werden Jünger Christi und untereinander wahre Brüder und Schwestern sein, wenn wir uns gemeinsam an dem zivilisatorischen Fortschritt beteiligen, der seit Jahrhunderten in eine Richtung drängt: nämlich „die objektiven Rechte des Geistes, des menschlichen Gewissens und seiner Kreativität, eingeschlossen seine Beziehung zu Gott“ zu garantieren {ebd., Nr. 19). Wir werden Friedensstifter sein, wenn all unser Tun auf die Achtung vor dem Einen gegründet ist, der uns aufruft, nach dem Gesetz seines Reiches zu leben, und von dem alle Macht kommt (vgl. Joh 19,11). 7. So dürfen wir also nicht zulassen, daß das sittliche Gewissen der Menschheit der Gewalt nachgibt. Es ist notwendig, dieses enge Band zu erhalten, das den Frieden und die Gerechtigkeit, den Frieden und die Verteidigung der unverletzlichen Rechte der einzelnen und der Völker verbindet! Es ist notwendig, die Menschen - Millionen von Menschen - vor dem Tod zu schützen, vor dem Atomtod und vor dem Hungertod. Alles, was menschlich ist, muß vor dem Tod geschützt werden. Mit dieser Intention stützt sich unser heutiges Gebet für Gerechtigkeit und Frieden auf das Evangelium von den acht Seligpreisungen. Mit einem Wort, was verkündet dieses Evangelium? Lesen wir es noch einmal: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden. Selig, die keine 768 REISEN Gewalt anwenden; denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihnen gehört das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein. Denn so wurden schon vor euch die Propheten verfolgt“ {Mt 5, 3-12). Lassen wir uns vom Geist Christi ergreifen. Er erfülle uns mit der Wahrheit dieser Worte, mit der Macht der Liebe, die sie inspiriert! Möge uns unser Gebet dazu befähigen, nicht nur den Frieden zu suchen, sondern unseren Willen mit dem Willen Gottes, wie er uns von Christus geoffenbart wird, in Einklang zu bringen. Denn der Friede zwischen den Völkern wird immer eine unsichere Angelegenheit bleiben, wenn wir nicht in unserem innersten Wesen Gottes Plan für die Geschichte der Welt entsprechen. Möge unsere Gerechtigkeit ein Spiegelbild seiner Gerechtigkeit sein! Wenn wir uns als Sünder erkennen, wollen wir Gott, den Urheber des Lebens, uns mit sich und zugleich mit unseren Brüdern und Schwestern versöhnen lassen. Diese Versöhnung, die wir allein nicht voll verwirklichen können, werden wir durch die Gnade erlangen, wenn wir uns in vollem Glauben mit dem gewaltigen Bitten und Flehen aller betenden Menschen vereinigen. 8. Mit einem Wort: Was also verkündet das Evangelium von den acht Seligpreisungen? Es sagt, daß die, die arm sind vor Gott, die, die keine Gewalt anwenden, die Barmherzigen, die, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, die, die Frieden stiften - daß sie alle unbesiegbar sind! Es sagt, daß ihnen der Endsieg gehört! Ihnen gehört das Reich der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens! Ihre Schwachheit, ihre Schwierigkeiten bei der Überwindung der Spaltungen und Gegensätzlichkeiten sollen sie nicht entmutigen. Menschliche Kraft reicht nicht aus für die Anwendung des Evangeliums, aber die Kraft Christi ermöglicht die Läuterung und Umkehr der Herzen, denn er hat sich selbst hingegeben, damit die Menschheit in den Besitz seines Friedens gelange! Und das ist der Horizont, den Christus durch sein Evangelium und durch 769 REISEN die Erlösung wahrhaftig denen eröffnet hat, die seine Seligpreisungen in die Tat umsetzen. Hört mich, die ihr in verschiedenen Teilen der Welt um Christi willen Verfolgung erleidet! Ihr Armen, auf denen Unterdrückung und Ungerechtigkeit lastet, so als würdet ihr tagtäglich von den Systemen niedergewalzt, die jede Menschlichkeit erdrücken! Ihr alle, die ihr wahrhaft Menschen guten Willens seid! Wir sagen, daß Christus der wunderbare Ratgeber ist! Wir sagen, das Christus der Friedensfürst ist. Wir sagen, daß Christus der Gekeuzigte und Auferstandene ist. „Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter.“ „Seine Herrschaft ist groß, und der Friede hat kein Ende ... Er herrscht über sein Reich; er festigt und stützt es durch Recht und Gerechtigkeit“ (Jes 9, 6). „Dein Reich komme!“ Wirken für eine neue Welt Ansprache vor dem Abflug von Ottawa am 20. September Meine Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern! 1. Nun ist für mich der Augenblick gekommen, dieses Land Kanada zu verlassen und mich von euch zu verabschieden. Ich tue es nicht ohne Bedauern, nachdem ich so viele Männer und Frauen in eurem unermeßlichen Land an so vielen verschiedenen und interessanten Orten besuchen durfte. Und doch empfinde ich jetzt Freude, denn ich habe das Empfinden, mit euch Stunden der Gnade erlebt zu haben. Herzlich grüße ich in eurer Mitte meine Brüder im Bischofsamt, die mich einluden, die dann diese Pilgerreise sehr sorgfältig vorbereiteten, mich in euer aller Namen aufnahmen und begleiteten. Ich spreche ihnen allen erneut meinen lebhaften Dank aus. Durch euch, die ihr hier die gesamte Gemeinschaft Kanadas vertretet, danke ich den Priestern, den Ordensmännern und Ordensfrauen und den Laien für ihre Liebenswürdigkeit und ihren würdigen Empfang, das Zeugnis ihres Glaubens und ihren Geist des Dienstes an der Kirche. Besonders möchte ich auch die übrigen christlichen Gemeinschaften grüßen, mit denen ich glücklicherweise mehrfach Kontakt aufnehmen konnte und worin ich noch mehr Eifer erkannte, auf die Einheit zuzugehen. 770 REISEN Glückliche Verschmelzung so vieler Elemente Ich wende mich ferner an die zivilen Autoritäten, die einen so großen Teil der Organisation meiner Reise übernommen und so große Aufmerksamkeit für den pastoralen Charakter meines Besuchs gezeigt haben. Ich danke ihnen für die Aufmerksamkeit, hierhergekommen zu sein, um sich von mir zu verabschieden. Ich bewahre unsere Begegnungen lebhaft in Erinnerung, zumal meine Ankunft in Quebec und zuletzt Ottawa selbst. Mein ganzer Dank gilt der Frau Generalgouverneur, dem Herrn Premierminister von Kanada, den hohen Beamten der Justizbehörden, den Präsidenten und Mitgliedern beider Kammern des Parlaments, den Herren Premierministern der Provinzen wie auch den Mitgliedern des Diplomatischen Korps, die sich hier mit den Würdenträgern und anderen Verantwortlichen der bürgerlichen Gesellschaft Kanadas versammelt haben. In all diesen Verantwortlichen danke ich zugleich jenen, die als Mitglieder der Arbeitsgruppen lange Monate hindurch ihren wirksamen, freundlichen und oft verborgenen Beitrag geleistet und an den zahlreichen Diensten für Organisation, Sicherheit und Transport sich beteiligt haben, wie diese lange Reise sie erforderlich machte. 2. Die Rundreise, die jetzt zu Ende geht, ließ mich besser die Schönheit und Verschiedenheit eures Landes kennenlernen, dazu den herzlichen Empfang eures Volkes. Ihr dürft wissen, daß mir die Erfahrung unserer Begegnungen wertvoll wurde dank der Offenheit und Begeisterung, die euch kennzeichnen. Ich kann jetzt nicht auf alles eingehen, was ich im Herzen bewahren werde, zumal es an Intensität oft das übersteigt, was ein paar Worte ausdrücken können. Gestattet mir nur den Hinweis, daß ich im Verlauf der Reise erstaunt war über den Reichtum und die bleibende Lebendigkeit all dessen, was euch die Vorfahren übermittelt haben, die Indianer und Eskimos, die Mestizen, die Franzosen, die Engländer, die Einwanderer so vieler anderer europäischer Länder, aus dem Westen und dem Osten, ohne alle die zu vergessen, die aus zahlreichen Regionen Lateinamerikas, des Nahen und Fernen Ostens gekommen sind. Es scheint mir, daß die glückliche Verschmelzung so vieler Elemente eures Erbes in einem freien und wagemutigen Volk euch besonders aufgeschlossen macht für alle Appelle der Welt, den Frieden zu fördern und aktiv eine hochherzige Solidarität gegenüber den Ärmsten unserer Brüder und jenen zu praktizieren, auf denen harte Prüfungen lasten. 771 REISEN 3. Im Augenblick meiner Abreise wünsche ich dem kanadischen Volk eine glückliche Zukunft, die Entfaltung all seiner Fähigkeiten, ein Leben in Eintracht und Achtung vor den kulturellen und geistlichen Unterschieden. Ich weiß, daß dies durch die Institutionen dieses Landes erleichtert wird. Ihr habt zahlreiche fordernde Aufgaben vor euch, wenn ihr den verbleibenden inneren Schwierigkeiten, zumal der Wirtschaftskrise, begegnen und euren positiven Beitrag zum internationalen Leben leisten wollt. Möge das Bewußtsein dieser Pflichten euch anspornen, sie mutig zu erfüllen mit dem Adel und der Selbstlosigkeit von Menschen, die ihre Freude im Dienst an ihren Brüdern und Schwestern finden! 4. Euch aber, den Gliedern des Volkes Gottes in diesem Land, vertraue ich eine meiner schönsten Erinnerungen an die verschiedenen Etappen dieser Pilgerreise an: Gemeinsam durften wir die erhebende Erfahrung des Glaubens machen, der uns eint. Ich bin mir wohl bewußt, daß die mir entgegengebrachte Sympathie über meine Person hinaus Ausdruck für die tiefen Bande ist, die euch mit der Gesamtkirche verbinden, mit der im Glauben der Apostel seit der Auferstehung des Herrn verwurzelten Kirche und dem Beginn ihrer Missionsära an Pfingsten. Bei der Begegnung mit euren Gemeinden habe ich voll Freude entdeckt, daß ihr weiterführt, was die von euch so hoch in Ehren gehaltenen großen Gründer begonnen haben. Sie brachten das Evangelium, manchmal um den Preis ihres Lebens, hierher; sie errichteten einen Bau, der trotz der Schwierigkeiten und des heutigen Wandels weiterhin standhält. Bleibt dem Erbe der bekannten und unbekannten Heiligen treu, die in diesem Land die fruchtbare Saat ausgestreut haben. 772 Pastoralbesuch in Kalabrien (5. bis 7. Oktober) REISEN „Geht einem neuen Morgen entgegen!“ Ansprache nach der Ankunft in Lamezia Terme am 5. Oktober 1. Bei meiner erstmaligen Ankunft in diesem herrlichen Land, das mit seinen grünen Bergketten gen Himmel ragt und weithin auf das leuchtende Mittelmeer blickt, richte ich meinen herzlichen Gruß an euch alle, die ihr in so großer Zahl von nah und fern zusammengeströmt seid, um mich zu empfangen: aus Lamezia, Nicastro, Mileto und Tropea, Oppido-Palmi und San Marco; und ich danke euch für euren herzlichen Empfang. Ganz besonders danke ich dem Herrn Minister Salverino De Vito, der bei dieser Begegnung zugegen sein wollte, um mir seinen Gruß und den der Regierung und des Präsidenten der Republik zu entbieten. Dankbar bin ich auch dem Erzbischof von Reggio Calabria und Vorsitzenden der Bischofskonferenz von Kalabrien, Msgr. Sorrentino, und dem Bischof von Nicastro, Msgr. Rimedio, für die edlen Worte, mit denen sie die Gedanken und Gefühle des edlen kalabrischen Volkes zum Ausdruck gebracht haben, dessen alte Glaubenstraditionen, dessen Geduld und Fleiß bekannt und geschätzt sind. Ebenso sage ich meinen herzlichen Dank dem Bürgermeister von Lamezia Terme. Bei dieser ersten Begegnung mit euch, liebe Brüder und Schwestern, habe ich das Bedürfnis, mit den Gedanken und dem Herzen über das Feld dieses neuen Flughafens - das eindrucksvolle Zeichen einer in die Zukunft weisenden Planung - hinauszugehen, um in einer einzigen Umarmung das ganze Volk von Kalabrien zu umfangen. Ich begrüße es schon jetzt herzlich in der Erwartung, das gegenseitige Kennenlemen im Verlauf der geplanten dreitägigen Begegnungen zu vertiefen. Meine Gedanken können nicht umhin, auch in die Zeit zurückzuschweifen, als der hl. Paulus zu Beginn der Kirchengeschichte, wie uns die Apostelgeschichte (28,12-13) erzählt, auf der Fahrt von Syrakus nach Pozzuoli an der Küste Kalabriens bei Reggio, das ich am Sonntag besuchen werde, landete. Kalabrien ist somit ein Abschnitt des geschichtlichen Weges des Christentums gewesen. Als der Völkerapostel an der Küste dieses Landes entlangfuhr, konnte er das Panorama einer Region genießen, die reich an noch unberührten Natur Schönheiten war, die auch ich heute, nach so vielen Jahrhunderten, zu meiner Freude bewundern kann. 2. Liebe Brüder aus nah und fern, die christliche Botschaft hat mit ihrem Wesen eure Kultur, eure Geschichte durchdrungen und ist euer sicherstes 774 REISEN Lebenserbe. In der Vergangenheit hat sich Kalabrien als Land des Glaubens ausgezeichnet; es ist das noch heute, und ich bin sicher, daß es das auch morgen noch sein wird. Als Land des Glaubens war es in der Reihe der römischen Päpste vertreten. Es hat manche seiner Söhne dem Stuhl Petri geschenkt und ist die Wiege vieler Heiliger gewesen, einige von ungewöhnlicher geistlicher Größe. Für alle sei die Gestalt desjenigen genannt, der in der Welt unter dem Namen eines eurer schönsten Städte bekannt ist, Francesco di Paola, der Heilige der Nächstenliebe, der Buße, des mutigen und offenen Wortes: Er scheint in sinnbildlicher Weise die charakteristischen Züge seiner Heimatregion in sich zu vereinen. Als Land des Glaubens hat Kalabrien Scharen hochherziger Missionare in verschiedenen Kontinente entsandt; und nicht wenige seiner Söhne haben ihr Blut vergossen, um ihre Treue zu Christus zu bezeugen. Aufgrund der natürlichen Gestalt eurer Region, die mit ihren Bergen zwischen der unermeßlichen Weite des Himmels und der des Meeres liegt, könnte man sagen, daß sie spontan zur Erhöhung zu Gott drängt. Und in der Tat hat sich in ihr seit dem ersten Jahrtausend eine außerordentliche Blüte eremitischer und klösterlicher Zentren entfaltet, die über die Berge und Wälder hin verstreut lagen, und eines dieser Klöster, das ich zu meiner Freude besuchen werde, ist noch heute einer der bekanntesten Orte des kontemplativen Lebens, des Schweigens und des Gebets. Durch die Echtheit und Zuverlässigkeit seines Glaubens ist Kalabrien immer auch ein gastfreundliches und ökumenisches Land gewesen, das hochherzig flüchtende Bevölkerungsgruppen aufgenommen hat, die ihre Heimat verlassen hatten; Kalabrien ist ihnen zur neuen Heimat geworden und förderte die Entstehung von Ortskirchen mit eigener Lebensart, Sprache und Liturgie. 3. Aber euer Land, Hebe Brüder, war und ist auch ein hartes Land, das trotz einer Verkettung negativer Faktoren, die von den Umständen und von den Menschen angehäuft wurden, zu widerstehen und seinen Weg mit Geduld, Fleiß und Würde weiterzugehen wußte. Im Vergleich zu ähnlichen Gebieten Italiens und Europas nimmt Kalabrien in der Rangordnung der materiellen Reichtümer keinen hervorragenden Platz ein. Zur Kargheit der wirtschaftlichen Hilfsquellen und zu immer wieder neuen Naturkatastrophen, besonders Überschwemmungen und Erdbeben, sind Invasionen, Plünderungen und chronische Vernachlässigung hinzugekommen. Die Menschen haben, bisweilen alles, was die Natur verschont hatte, endgültig zerstört. 775 REISEN Kalabrien hat sich so auch zum Land der Gegensätze entwickelt; dem Reichtum einiger steht der materielle Mangel, wenn nicht gar die Armut vieler gegenüber; dem Wohlergehen mancher Zonen in der Ebene mit intensiver und hochspezialisierter Kultur steht die strukturelle Rückständigkeit gegenüber, unter der im allgemeinen die Hügel- und Gebirgszo-nen leiden, wo sich die Landwirtschaft, was die technische Modernisierung betrifft, in einer Notsituation befindet. In diesem sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhang konnten Phänomene negativen Charakters entstehen und wachsen, wie die Landflucht, die Emigration, die Arbeitslosigkeit; und außerdem neben diesen Spannungen das beunruhigende Weiterbestehen der traurigen Erscheinung organisierten Verbrechertums. Opfergeist, Fleiß und Anhänglichkeit an die Familie Auf diese alten und neuen Übel reagierte und reagiert das kalabrische Volk in seiner großen Mehrheit mit dem Einsatz seiner herkömmlichen Tugenden, dem Opfergeist, dem Fleiß, der Anhänglichkeit an die Familie, Tugenden, die zusammen mit dem Geschenk des Glaubens der kostbarste Schatz des Menschen sind. Aus diesem Erbe gilt es, mit erneutem Engagement zu schöpfen in diesem kritischen Augenblick, der sich als entscheidend für die Zukunft der Region erweisen kann. 4. Ich bin zu euch gekommen, liebe Brüder und Schwestern, um euch zum entschlossenen Weitergehen auf diesem Weg aufzufordern. Ich bin hierhergekommen, um euch ein Wort der Brüderlichkeit, der Ermutigung, der Hoffnung zu sagen. Ich hoffe, daß sich die zuständigen Behörden auf allen Ebenen bemühen, in angemessener Weise und rechtzeitig zur Lösung eurer dringenden materiellen Probleme beizutragen. In der Wirtschaft eurer Region nahm und nimmt bekanntlich die Landwirtschaft einen entscheidenden Platz ein. Ich möchte darum einen besonderen Gruß und ein Wort der Ermutigung an alle Bauern in Kalabrien richten, an die Tagelöhner, die Kleinbauern und alle, die zum Landvolk gehören. In meiner Enzyklika Laborem exercens habe ich die Würde der „Landarbeit und die Situation des Menschen, der in harter Feldarbeit die Erde bebaut“, ausdrücklich hervorgehoben; ich habe die nicht leichten Belastungen dieser Arbeit, die auch eure Belastungen sind, aufgezählt, „wie die ständige körperliche Anstrengung oft bis hin zur Erschöpfung, die 776 REISEN geringe Achtung, die ihr in der Gesellschaft entgegengebracht wird und die in den Betroffenen den Eindruck hervorruft, an den Rand des sozialen Lebens gedrängt zu sein, und die hierdurch immer mehr provozierte Landflucht zu den Städten, die leider in noch entwürdigendere Lebensbedingungen führt“ (Nr. 21). Während ich meiner Solidarität mit den Bauern Kalabriens Ausdruck gebe, spreche ich den Wunsch aus, daß die zuständigen Orts-, Provinz-und Regionalbehörden und die staatlichen Stellen der Landwirtschaft massive Unterstützung gewähren, die Lebensverhältnisse der Bauern und der ländlichen Gebiete durch geeignete Gesetze fördern und jene Reformen verwirklichen, die der Landwirtschaft den rechten Platz geben, den sie in eurer Wirtschaft haben sollte. Daher will ich gleichzeitig an euch alle meine dringende Aufforderung richten: Seid euch der menschlichen und geistlichen Reichtümer, die ihr als Geschenk empfangen habt, voll bewußt und laßt sie Frucht bringen! Haltet sie nicht unter der Erde verborgen wie der faule Diener, den das Evangelium rügt (vgl. Mt25,26 ff.). Aus diesen Schätzen wird nämlich die wahre Zivilisation aufgebaut, auf sie könnt ihr euch für die Zukunft verlassen. Verliert nicht das echte Empfinden für Gut und Böse. Das göttliche Gesetz bildet das Fundament jeder wahren Gerechtigkeit, und nur unter Beachtung dieses Gesetzes lassen sich Sozialmodelle erstellen, die der Würde des Menschen entsprechen. Wenn sich das Licht der sittlichen Norm verfinstert, kommt dem Menschen der Leitstern abhanden, nach dem er sein Lebensverhalten ausrichten soll, und er wird am Ende der Erde so bereiten, daß sie sich gegen ihn selbst stellt. Bewahrt und entfaltet den überaus großen Wert der Familie, der Kernzelle der Gesellschaft und tragenden Struktur jener „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“, die Papst Paul VI. glühend herbeigewünscht hat. Wenn sich das grundlegende Band der Familie auflöst, treibt auch die Gesellschaft unvermeidlich dem Abgrund ihrer eigenen Zersetzung zu. Bleibt auf dem Felsen des Glaubens, und ihr werdet imstande sein, die anderen - auch die scheinbar Begünstigteren - mit den Reichtümern des Herzens und des Geistes zu beschenken, die am Ende die eigentlichen Schätze des Menschen sind. Die Kirche hat in der Vergangenheit immer, in guten und in schlechten Zeiten, auf eurer Seite gestanden und Erfolge und Mißerfolge mit lebhafter Aufmerksamkeit geteilt. Sie ist euch noch immer nahe und bemüht sich auch heute darum, euch zu helfen, damit dank des mutigen und wirksamen Einsatzes aller gesellschaftlichen Kräfte der Wunsch nach 777 REISEN Wohlstand und Fortschritt in Gerechtigkeit und Frieden verwirklicht werde. Faßt also Mut und habt Vertrauen! Der Papst ist mit euch! Mit euch ist Christus, das Licht der Welt und der Erlöser des Menschen. Mit euch ist die seligste Jungfrau Maria, der euer Land im Laufe der Jahrhunderte bedeutende Beweise aufrichtiger, tiefer Frömmigkeit dargebracht hat und die ihr in diesem Monat Oktober besonders im Rosenkranzgebet verehrt. Mit euch sind die Heiligen, die diesen Orten Ehre gemacht haben dadurch, daß sie die Bewunderung und Liebe der ganzen Welt erlangten. Mit euch sind eure Vorfahren, die im Frieden Gottes die Frucht der Opfer ernten, die sie bei Erfüllung ihrer Pflicht auf sich genommen hatten. Geht, gestützt auf diese Gewißheiten, mit beherzter Hoffnung eurem Morgen entgegen. Es wird ein besseres Morgen sein. Das wünsche ich euch aufrichtigen Herzens, während ich euch alle in einer einzigen großen Umarmung umfange, eure Hoffnungen teile und alle mit herzlicher Zuneigung segne. „ Gott hat ein Volk erwählt“ Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Cosenza am 6. Oktober 1. „Der Weinberg des Herrn der Heere ist das Haus Israel; die Männer von Juda sind die Reben, die er zu seiner Freude gepflanzt hat“ (Jes 5,7). Die heutige Liturgie wird beherrscht von dem biblischen Bild des Weinberges. Im Lied vom Weinberg des Propheten Jesaja und in dem Gleichnis aus dem Evangelium, die wir. gerade gehört haben, können wir vorausahnend die ganze Heilsgeschichte erkennen in all ihren Phasen: Wir können die Geschichte des wechselhaften Geschicks des Menschen herauslesen, seine Untreue, seine Undankbarkeit, aber vor allem können wir die vielfältigen und unaufhörlichen Bekundungen der Liebe Gottes zu den Menschen bewundern, einer Liebe, die immer, sowohl im Alten wie im Neuen Bund, treu war. Gott hatte sich ein Volk erwählt, das Volk Israel; mit ihm hatte er einen Bund geschlossen, und ihm hatte er Gesetze, Führer, Priester, Propheten gegeben, die ihm auf dem Weg in das verheißene Land, in die Befreiung aus der Sklaverei, zum Heil verhelfen sollten. Aber das auserwählte Volk ist dem Bund nicht treu gewesen; es hat der 778 REISEN Liebe Gottes nicht entsprochen; es hat nicht auf seine Propheten gehört; es hat seine Gesetze nicht eingehalten. Der Weinberg, der so gut bestellt und gepflegt worden war, hätte gute Trauben hervorbringen sollen, statt dessen „trug er wilde Trauben“. Der Gott des Bundes erwartete von seinem Volk Gerechtigkeit, und „da gab es Blutvergießen“, er erwartete Redlichkeit, und „da war der Schrei der Unterdrückten zu hören“. Aber trotz alldem hat Gott sein Volk niemals verlassen, ist ihm treu geblieben und stellte sich immer auf seine Seite. 2. Im Geschick des auserwählten Volkes spiegelt sich die ganze Geschichte der Menschheit und ebenso die Geschichte eines jeden von uns wider. Wir, die wir der Weinberg des Herrn sind, wie viele saure Trauben haben wir hervorgebracht statt gute Trauben! Wieviel Haß und Rache, Blutvergießen, Diebstahl, Raub, Entführungen von Personen, Ungerechtigkeiten und Gewalttaten aller Art! Angesichts dieser traurigen Wirklichkeit entzünden die Worte des Antwortpsalms ein Licht der Hoffnung; das auserwählte Volk sieht seine Schuld und seine Undankbarkeit ein und wendet sich an den Gott der Liebe und der Treue, um Vergebung und Hilfe zu erflehen: „Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! ... Sorge für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat . . . Erhalt uns am Leben! Dann wollen wir deinen Namen anrufen und nicht von dir weichen. Herr, Gott der Heerscharen, richte uns wieder auf! Laß dein Angesicht leuchten, dann ist uns geholfen“ (Ps 80,15-20). Hier spricht der Psalmist mit der Sprache der Umkehr und Reue. Es ist der Weinberg des Herrn, der dem, der ihn gepflanzt und bestellt hat, seine Reue, sein Flehen um Hilfe und Rettung entgegenruft. Er will sich regenerieren und erneuern. Das muß die Haltung desjenigen sein, der seinem Leben einen Sinn geben will: das eigene Irren und die eigene Sünde anerkennen, sich mit Gott versöhnen und das eigene Herz zu dem Plan der Liebe und des Heils bekehren, den er für uns hegt. 3. Auf das Lied des Propheten und des Psalmisten folgt die Lehre Jesu von Nazaret. Mit ihm verwirklicht sich Gottes Plan zur Rettung des Menschen. Alles, was die Propheten als Aussicht verkündet hatten, erfüllt und verwirklicht sich in ihm zum Wohle der ganzen Menschheit. Die Bedeutung des Weinberges ist nicht mehr auf das Haus Israel beschränkt, sondern schließt alle Menschen der Erde ohne jeden Unterschied ein. Das im heutigen Evangelium wiedergegebene Gleichnis ist dramatisch, weil in ihm auch von Gewalt und Tod die Rede ist; aber sein Schlußwort 779 REISEN öffnet sich der Hoffnung, weil der Tod des Sohnes des Gutsbesitzers den Tod Christi vorwegnimmt, durch den die Welt erlöst worden ist. „Zuletzt sandte er seinen Sohn zu ihnen; denn er dachte: vor meinem Sohn werden sie Achtung haben“ (Mt 21,37). Aber jene Winzer erschlugen auch ihn. Mit dem Tod des Sohnes Gottes erfüllt sich das Lied vom Weinberg, das der Prophet Jesaja schon vor Jahrhunderten angestimmt hatte, und sein heilbringender Wert geht in den Heilsplan des Neuen Bundes ein, in dem ein neuer Abschnitt der Heilsgeschichte eröffnet wird; der Weinberg des Herrn beginnt ein neues Leben zu leben, ein neues Volk wird berufen, teilzuhaben am Reich Gottes. 4. Im Bild vom Weinberg erkennt sich die Kirche auch selbst. In der Apostolischen Konstitution Lumen gentium wird die Kirche auch als „die Pflanzung, der Acker Gottes und Gottes Bauwerk“ vorgestellt (vgl. 1 Kor 3,9). Dieser neue Weinberg, die Kirche, ist vom Vater dazu berufen, die Früchte der Erlösung und des Heiles zu jeder Zeit und an jedem Ort zu bringen. Sie soll diese Früchte in jedem Menschen tragen. In dem Bild des von Gott auf ewig geliebten Weinberges entdecken wir jeden von uns, entdecken wir das Volk Gottes, entdecken wir die Kirche, die in Kalabrien ist, die Kirche, die in Cosenza ist und die ich herzlich grüße: Erzbischof Msgr. Dino Trabalzini, die Priester, die Ordensmänner und Ordensfrauen, die Jugend, die die Hoffnung der Kirche von Cosenza ist, die Arbeiter, die Vertreter des Kulturlebens, die Alten und die Kranken. Meine achtungsvollen Gedanken gelten auch den zivilen und militärischen Behörden sowie den zahlreichen hier anwesenden Stadtoberhäuptern. Die religiöse Geschichte Kalabriens sagt uns, daß dieser Teil des Weinberges des Herrn die Botschaft des Evangeliums bereits im ersten Jahrhundert angenommen, viele Früchte hervorgebracht, die Seelen, das Leben, die Kultur, die Kunst und die Folklore seines Volkes mit christlichem Geist durchdrungen hat. Diese Geschichte ruft uns Gestalten heiliger Männer in Erinnerung, die mit ihrer Spiritualität nicht nur die Kirche Kalabriens, sondern die ganze Kirche Christi bereichert haben: Wir denken an den hl. Nilo und den hl. Bartholomäus vom Rossano, die herausragendsten Gestalten des italo-griechischen zönobitischen Mönchstums; an den hl. Bruno, der, obwohl er aus Köln kam, in Kalabrien den -Anstoß zum Kartäusermönchtum gab, als er das Kartäuserkloster von Serra gründete, das ich gestern mit Ergriffenheit besuchen konnte; an den 780 REISEN hl. Francesco von Paola, Gründer des Ordens der Minimiten, der der Heilige der Demut und der Nächstenliebe war und dem Herzen des kalabrischen Volkes am nächsten stand. Auch in neuerer Zeit hat die Lebendigkeit der Katholiken von Cosenza bewiesen, daß dieser Weinberg des Herrn seine Früchte zu bringen versteht: Es genügt, die Priester Carlo de Cardona und Luigi Nicoletti zu erwähnen, unerschrockene Förderer der katholischen Bewegung Kalabriens, die es unter dem Ansporn von Rerum novarum und Quadragesimo anno verstanden haben, soziale Initiativen von großer Bedeutung für die Förderung der Arbeiter voranzutreiben. 5. Aber jetzt müssen wir auf die Gegenwart schauen, auf die Früchte der Erlösung und des Heils, die die Kirche in Kalabrien - und hier die Kirche von Cosenza - für den Menschen unserer Zeit hervorbringen muß; um sich der neuen sozialen und religiösen Wirklicheit zu stellen, die anders ist als die Vergangenheit, vielleicht belasteter mit Schwierigkeiten, aber auch reicher an Leistungsfähigkeit, bedarf es einer modernen und organischen pastoralen Arbeit, die sämtliche christlichen Kräfte rund um den Bischof verpflichtet: Priester, Ordensleute und Laien, die von dem gemeinsamen Bemühen um Evangelisierung und menschliche Förderung beseelt sind. Nötig erscheint vor allem eine Arbeit auf dem Gebiet der Katechese für eine ständige Formung des christlichen Gewissens der Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen; eine solide, auf die authentische Lehre des Glaubens gegründete Katechese, die dem heutigen Menschen die tieferen Motivierungen für seine Zustimmung zu Christus und seiner Lehre geben soll. Eine wirksame Seelsorgetätigkeit muß eifrig die emsige Teilnahme der Gläubigen am liturgischen und sakramentalen Leben fördern, besonders was die Feier des Sonntags, des Tags des Herrn, betrifft: Durch die Nahrung des Wortes Gottes und des eucharistischen Brotes festigt sich hier das christliche Leben und wird zum Träger des Zeugnisses in der Welt. Durch einen dauernden katechetischen Bildungsweg und ein nach kirchlichen Normen geformtes liturgisches Leben wird jenes umfassende Phänomen der Volksreligiosität wiedergewonnen, das, von eventuellen abergläubischen Verkrustungen gereinigt, einen großen geistlichen Reichtum der Leute Kalabriens darstellt; die religiösen Feste und die Wallfahrten zu den Heiligtümern sind, wenn sie gut vorbereitet und geleitet werden, passende Gelegenheiten, das religiöse Leben zu fördern. 781 REISEN Der apostolische Einsatz muß glaubwürdig sein Der apostolische Einsatz muß, um glaubwürdig und wirksam zu sein, in der Kirche und in den Christen das Bedürfnis nach Zeugnis hervorbringen; es kann keinen Bruch oder Widerspruch zwischen dem christlichen Glauben und all den Forderungen geben, die er im Leben jedes Gläubigen hat. Die Kirche und der einzelne Christ sind Träger des Lichts, und das Licht ist da, um zu leuchten: „Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus“ {Mt 5,15). Die Kirche Kalabriens mit ihrer religiösen und pastoralen Sehnsucht muß in der sozialen Wirklichkeit dieses Landes gegenwärtig sein. Die Kirche hat eine große Sendung gegenüber dem Menschen und der Gesellschaft zu erfüllen. Die Kirche muß dem Mann und der Frau Kalabriens helfen, den Sinn für die eigene menschliche Würde, den Sinn für die eigenen Rechte und Pflichten, das moralische Empfinden für die Achtung der Rechte anderer, das Empfinden für die Gerechtigkeit und Solidarität in den menschlichen und sozialen Beziehungen zu stärken. Die Kirche muß der Familienpastoral besondere Aufmerksamkeit schenken, damit diese Lebens- und Liebesgemeinschaft dem Plane Gottes entspricht, ihre Stabilität bewahrt, Schutz und Wiege des entstehenden Lebens ist, der vorrangigen und ursprünglichen Aufgabe der menschlichen und religiösen Erziehung der Kinder nachkommt und zugleich Keimzelle der Gesellschaft und Hauskirche ist. 6. In einer Stadt wie Cosenza, die eine alte Kulturtradition von hohem Ansehen besitzt und wo heute eine der wichtigsten staatlichen Universitäten Italiens ihren Sitz hat, muß der Einsatz der Kirche für die Kultur einen vorrangigen Platz einnehmen. Die Christen müssen durch ihren Beitrag die Kultur des modernen Menschen beseelen, jene Kultur also, die die Seinsweise des Menschen und der Gesellschaft aufbaut, jene Kultur, die mit allen ihren Wechselbeziehungen und Einflüssen eine höhere Lebensqualität zu schaffen vermag. Da sind ferner die katholischen Schulen, die hier in Cosenza eine unersetzliche Rolle für die kulturelle und christliche Bildung der Jugend besitzen; sowie auch die Schule für Sozialdienst und die theologische Schule für Laien. 782 REISEN Die soziale Frage heißt „Probleme des Südens“ Sodann ist da der Einsatz der Kirche für die soziale Gerechtigkeit. In dieser Region heißt die soziale Frage „Problem des Südens“ und noch genauer „das kalabrische Problem“. Es handelt sich um ein Problem, das alles in allem sämtliche Aspekte des Lebens eines Volkes betrifft: Da ist der wirtschaftliche Aspekt in bezug auf den unterschiedlichen Entwicklungsstand zwischen dem Norden und dem Süden Italiens; da ist der soziale Aspekt hinsichtlich der unterschiedlichen Lebensbedingungen der Bevölkerungen des Südens; da ist der moralische Aspekt im Zusammenhang mit manchen Verhaltensformen und manchen Äußerungen der Kriminalität; da sind die vielen sozialen Sorgen, deren wichtigste heutzutage die Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugend und der Intellektuellen, ist; alle diese Probleme verlangen dringend, bereinigt zu werden. Angesichts dieser Probleme kann die Kirche nicht schweigen, sie darf nicht abwesend oder gleichgültig bleiben. Die Kirche und die Christen haben die Pflicht, beim Aufzeigen der Ungerechtigkeiten in vorderster Reihe zu stehen, vor allem aber ein stärkeres sittliches, soziales und politisches Bewußtsein zu schaffen, das konkrete Initiativen wecken soll. 7. Mit dieser ganzen Problematik vor Augen wende ich mich noch einmal dem Wort Gottes zu, um daraus Ermutigung und Unterstützung zu beziehen. Der hl. Paulus fordert uns auf, uns nicht zu ängstigen, sondern in jeder Not Gott unsere Bitten in Form von Gebeten, Bitt- oder Dankgebeten vorzutragen. Hier nochmals der hl. Paulus: „Was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist, darauf seid bedacht! Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut! Und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ {Phil 4,8-9). Ja, liebe Brüder und Schwestern! Der Gott des Friedens sei immer mit euch! Diesen Wunsch richte ich, verbunden mit einem herzlichen Gruß, auch an die Mitglieder der albanischen Gemeinde des griechischen Ritus in Italien, der Eparchie Lungro, die, hegleitet von ihrem Bischof, Msgr. Giovanni Stammati, in großer Zahl zu dieser Begegnung gekommen sind. Meine Lieben, ich möchte euch meine eigene und die aufrichtige Zuneigung der ganzen Kirche zum Ausdruck bringen: Ich kenne eure wechselvolle Geschichte, ich schätze eure Gaben der Tapferkeit, des Stolzes und 783 REISEN der Freundlichkeit. Mit euren benachbarten Schwesterkirchen unterhaltet ihr brüderliche Beziehungen und seid mit ihnen organisch verbunden, insbesondere der Bischofskonferenz. Mit gegenseitiger Achtung bereichert ihr euch wechselseitig mit den euch eigenen Schätzen, damit in ganz Kalabrien der Name Christi immer besser bekannt und seine Botschaft immer voller verstanden und gelebt wird. Während ich eurer Heimatbande mit Albanien gedenke, eurer Heimat, die so reich an kulturellen und religiösen Traditionen ist, die so nah an der gegenüberliegenden Adriaküste liegt, wünsche ich, daß eure Anwesenheit hier im gastfreundlichen und geliebten Italien für die Christen jener edlen Nation und auch für alle, die sich dort zum Glauben an Gott bekennen, ein Licht sei, das die Hoffnung auf eine bessere Zukunft anzeigt, wo die religiöse Freiheit das Herz aller Gläubigen erfreuen wird. Der Gott des Friedens sei immer mit euch allen. Amen. „Kalabrien braucht solche Priester“ Ansprache an die Seminaristen und Priester im Priesterseminar „San Pio X“ in Catanzaro am 6. Oktober Liebe Brüder im Priesteramt! 1. Diese Begegnung am Sitz des Regionalen Priesterseminars „San Pio X“, dessen 70jähriges Gründungsjubiläum ihr mit gebührender Feierlichkeit begeht, stellt eine bevorzugte Etappe meiner Pastoraireise dar. Ich danke dem Herrn Erzbischof von Catanzaro herzlich für die freundlichen Worte, mit denen er die gemeinsamen Gefühle glaubwürdig zum Ausdruck gebracht hat. Euch allen, liebe Brüder im Priesteramt, gilt mein herzlicher Gruß! Es ist ein Gruß voller Freude, den ich an jeden einzelnen Priester der Region Kalabrien richte, was immer der Bereich seines Pastoraldienstes sein möge: die Pfarrgemeinden, die katholischen Vereine und Bewegungen, die Regional- und Diözesanorgane, das Sozialapostolat, die Erzie-hungs- und Kultureinrichtungen. 2. Das Wort, das mir bei diesem Zusammensein in priesterlicher Liebe spontan aus dem Herzen kommt, inspiriert sich an der bewegenden 784 REISEN Ermahnung, die Jesus an die Apostel richtete: „Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9). In der Liebe ist uns Gott in einzigartiger Weise zuvorgekommen. Er hat uns nicht nur zuerst und von Ewigkeit an geliebt, wie er es mit allen seinen Geschöpfen getan hat, sondern er hat uns Priestern gegenüber eine besondere, einzigartige und unwiderrufliche Haltung eingenommen, dadurch, daß er uns zur Fortführung des Heilswerkes in der Welt berief. Wie bei den Aposteln und Jüngern beansprucht der Herr die Initiative für sich: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16). Diese Erwählung hat den Wert eines Geschenkes, einer Gnade. Auch wenn der „Grund“ für solche Erwählung im Geheimnis Gottes verschlossen bleibt und auch wir selbst uns darüber nicht ganz im klaren sind, bleibt es doch immer augenfällig, daß es sich um einen Akt der Liebe handelt. Er hat uns erwählt, weil er uns geliebt hat. Das Geschenk der Berufung ist von unschätzbarem Wert. Nur eine übernatürliche Hochherzigkeit macht sie möglich, weit über die persönlichen Verdienste hinaus. Und sie ist ein Geschenk, das dann von seiten Gottes unaufhörlich wirksam bleibt, weü die Fülle seiner vollkommenen Liebe niemals abnehmen oder geschwächt werden kann. „Du bist Priester auf ewig“ (Hebr 7,21), weil - so können wir hinzufügen - meine Liebe zu dir ewig ist. Die Berge können einstürzen, aber mein Herz wird niemals vergehen. Und eben kraft dieser unaussprechlichen Liebe ist der Herr gekommen und hat an die Tür eures Herzens geklopft, um euch mit klarer Betonung seinen geheimnisvollen Ruf vernehmen zu lassen; um für jeden von euch einen ewigen Plan zu bestimmen. Diese Berufung erfordert eine ständige Antwort, die ihre Kraft und Nahrung vor allem im Hören des Wortes des Meisters findet, damit ihr Gottes Plan für euer Leben und euer Wirken voll kennenlernt. Um ganz der Berufung zu entsprechen, ist es notwendig, auf die Stimme des Geistes Christi zu hören, d. h. alle Inspirationen von eindeutig übernatürlicher Herkunft; auf die Stimme der Kirche zu hören, wenn sie bei der Ausübung ihres Lehramtes spricht; auf die Stimme des Herrn in der Stimme des Bischofs zu hören, der das Haupt der Teilkirche ist; auch auf die Stimme des Gottesvolkes zu hören, wenn es an euren pastoralen Eifer appelliert; durch das Studium der geistlichen Wissenschaften zu hören; schließlich durch Gebet und Meditation zu hören, die gleichsam die beiden Atemorgane eures Priesterlebens und die Gewähr für einen sicheren Erfolg in dem Bemühen sind, der göttlichen Berufung zu entsprechen. 785 REISEN 3. Aber die vollkommene Treue zu dieser göttlichen Berufung erfordert zudem die Nachfolge Christi. Man kann nicht Diener Christi sein, ohne Gefolgsmann Christi zu sein. Christus zu folgen, schließt ein Sich-Loslö-sen ein. Wie die Apostel ihre Fischernetze, ihre Häuser, ihre Beschäftigungen, das Land, die Familien verließen, so muß jeder Priester bereit sein, alles dem Dienst des Herrn unterzuordnen. Ohne ein solches Sich-Loslösen werdet ihr keine treuen Diener der Kirche, keine konsequenten Diener Gottes sein können. Es wird nicht nur aus asketischen Gründen verlangt, sondern auch, um eure priesterliche Sendung wirksam und glaubwürdig zu machen. Vor allem heute, in einer vom Phänomen der Säkularisierung gekennzeichneten Gesellschaft, bedarf es der Klarheit der Vorsätze und der Festigkeit des Willens, die unmittelbar aus den echten Quellen des Evangeliums zu schöpfen sind. Wie ich bereits bei anderer Gelegenheit gesagt habe: „Je mehr die Welt entchristlicht wird, je mehr sie von Gleichgültigkeit erfaßt wird, um so mehr tut es ihr not, in der Person des Priesters jenen radikalen Glauben wahrzunehmen, der wie ein Leuchtturm in der Nacht oder wie der Fels ist, auf den er sich stützt“ (vgl. O.R. dt. Nr. 38/1984, S. 11). Zu allen Zeiten sind die Priester, die sich mit größerer Klarheit das Problem ihrer Identität im Lichte des Evangeliums gestellt haben, diejenigen, denen es gelungen ist, dem Volk neuen Antrieb zu geben und einen Fortschritt auf dem Glaubensweg der ihnen anvertrauten Gemeinde aufzuweisen. Wenn der Priester wirklich der lebendige Zeuge des Glaubens ist, der Missionar des Evangeliums, der Prophet der Hoffnung, die nicht trügt, wird er dadurch zum Baumeister der Kirche Christi, zum Stifter des Friedens und der Förderung des Menschen, zum Beschützer von Waisen und Kindern, zum Tröster der Leidenden, mit einem Wort: zum Vater der Seelen. 4. Kalabrien braucht solche Priester, es braucht euch! Die religiöse, sittliche und zivile Wiedergeburt dieser Region hängt vorwiegend von eurem Wirken als Seelenhirten ab, sie hängt von jenen menschlichen und christlichen Werten ab, die ihr in der kalabrischen Gesellschaft wiedererwecken sollt. Die Kirche mit ihren Bischöfen, Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, dem gesamten Laienstand, der das christliche Engagement in den vielfältigen Gegebenheiten des sozialen Lebens lebt, hat in der Tat eine grundlegende Aufgabe bei der Lösung der Probleme, die das „Problem des Südens“, noch spezifischer das „Problem Kalabriens“ ausmachen, das 786 REISEN ja nicht allein ein wirtschaftliches Problem ist. „Es handelt sich in der Tat - so lesen wir in dem gemeinsamen Schreiben der Bischöfe Süditaliens über „Die Probleme Mittel- und Süditaliens“, ein Schreiben, das bekanntlich 1948 von einem berühmten Sohn dieser Erde, einst Student an diesem Seminar, dem Erzbischof von Reggio Calabria, Msgr. Antonio Lanza, abgefaßt wurde -, es handelt sich, so wiederhole ich, um Erfordernisse und Probleme, die dem Leben des Geistes nicht fremd sind und die, wenn auch unter materiellem, wirtschaftlichem und sozialem Aspekt, weitergehende Forderungen verbergen und einen höheren Anspruch enthüllen: nämlich den auf eine reinere Religion und eine vollgültigere Gerechtigkeit.“ Ja! Eine reinere Religion und eine vollgültigere Gerechtigkeit für eure Region bringen in vollendeter Weise das Pastoralvorhaben der Evangelisierung und menschlichen Förderung zum Ausdruck, das das dringende aktuelle Bemühen der ganzen Kirche Kalabriens ist, wie es beim Kirchenkongreß von Paola im Jahr 1978 Umrissen wurde. In der jüngsten Geschichte Kalabriens fehlt es nicht an Priestergestalten, die den Sinn des Einsatzes zutiefst begriffen und ihr Priesterleben durch das tägliche, konsequente Zeugnis einer starken Anspannung für die sittliche und religiöse Hebung und die soziale Erlösung des eigenen Volkes gelebt haben. Ich erinnere an die Priester Carlo De Cardona und Luigi Nicoletti von Cosenza, Don Francesco Caporale von Catanzaro, Don Francesco Maiolo von Nicastro und an die beiden Gottesdiener Don Francesco Mottola von Tropea und P. Gaetano Catanoso von Reggio Calabria, deren Seligsprechungsprozesse im Gange sind. Liebe Priester! Ich weiß, daß euer priesterlicher Einsatz groß sein muß, um den religiösen, geistlichen und sittlichen Forderungen der Kirche zu entsprechen. Laßt euch nicht entmutigen! Habt keine Angst, die Botschaft des Glaubens, der Gerechtigkeit und der Liebe zu verkünden, deren Überbringer und Zeugen ihr seid! Seid immer mit euren Bischöfen verbunden, seid untereinander durch Freundschaft und gegenseitige Hilfe brüderlich verbunden, seid stets inmitten eures Volkes Zeichen der Einheit und Gemeinschaft; liebt eure priesterliche Arbeit des Dienstes am Volk Gottes; beachtet, daß mehr als jede andere Tätigkeit der vorrangige Einsatz des Priesters die Arbeit als Pfarrer sein soll, durch die ihr in besonderer Weise das eigentliche Leben eures Volkes lebt und seine Freuden und Hoffnungen ebenso teilt wie die Betrübnis und die Nöte der Ärmsten und Leidenden: Seid Baumeister der Gemeinschaft in der kala-brischen Gesellschaft! 787 REISEN 5. Jetzt wende ich mich an euch, liebe Seminaristen, die ihr den Fortbestand des Amtspriestertums in der Kirche gewährleistet. Meine bisherigen Überlegungen lassen sich - das habt ihr wohl bemerkt - in vieler Hinsicht auch auf euch anwenden. Tragt in hohem Maße Sorge für eure Berufung. Nährt das Bewußtsein vom Geschenk, das der Herr euch damit zuteil werden ließ, daß er euch in seinen Dienst rief. Verhaltet euch stets, „wie es Gott würdig ist, der euch zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft“ (1 Thess 2,12). Mit großer Zuneigung segne ich nun alle, Priester und Seminaristen, und versichere euch, daß ihr in meinem Herzen einen Sonderplatz einnehmt. „ Jesus mit euch an der Werkbank“ Ansprache bei der Begegnung mit den Arbeitern des Konzerns Montedison Sud in Crotone am 7. Oktober 1. Ich danke vor allem dem Herrn Bürgermeister der Stadt und dem Erzbischof-Bischof Msgr. Giuseppe Agostino für die freundlichen Grußworte, die sie an mich gerichtet haben, und ich sage dem Arbeiter und dem Angestellten Dank, die im Namen der Belegschaft der Industriebetriebe Montedison, Pertusola und der übrigen Werke und Firmen sich mit so inhaltsreichen Worten an mich wandten, daß sie mein Herz berührt haben. Ich danke mit aufrichtiger Liebe allen Anwesenden für die herzliche Aufnahme. Ich grüße die schöne und alte Stadt Crotone und all ihre Bewohner; ich grüße die christlichen Gemeinden von Santa Severina und Crotone und erbitte von eurer Madonna di Capocolonna Beistand und Schutz für euch persönlich, für eure Familien, eure Lieben nah und fern, für die Kranken, die Alten, für diejenigen, die sich einsam und verlassen fühlen, für alle, die leiden. Einen besonderen Gruß richte ich an euch, liebe Arbeiter und Angestellte der Industrieanlagen von Crotone, und durch euch an die ganze Welt der Arbeit von Kalabrien. Ich möchte euch meine Freude und Genugtuung darüber ausdrücken, daß ich unter euch sein kann; diese Gefühle empfinde ich jedesmal, wenn ich mich bei denen aufhalte, die wie ihr durch die Arbeit für die Beschaffung des täglichen Brotes sorgen und zum Fortschritt der ganzen Gesellschaft beitragen. 788 REISEN Es handelt sich um tiefe, in meinem Herzen verwurzelte Gefühle, und ich drücke sie gern aus zur Bestätigung der einzigartigen Nähe, die ich für die Welt der Arbeit empfinde in Erinnerung an die persönlich erlebte Erfahrung als Arbeiter, auch wenn sie nur kurz war und schon lange zurückliegt. Jene Erfahrung ist nicht auszulöschen, sondern sie lebt wieder auf, wenn es mir auf den Wegen meines Dienstamtes gegeben ist, mit Arbeitern und Angestellten wie euch zusammenzutreffen. Ja, sie erweist sich als wertvoll bei der Ausübung meines Apostolats, weil sie mich in die Lage versetzt, eure Denkweise sowie eure Probleme und Opfer besser zu verstehen. 2. Ich bin darüber unterrichtet, daß Crotone und Umgebung mit seinem weiten Industriegebiet, mit seiner Landwirtschaft und der erst kürzlich erfolgten Überwindung des Latifundienwesens, mit den beiden Seehäfen und dem Flugplatz, mit seinem großartigen Kunsthandwerk und mit der wachsenden Zunahme des Tourismus einer der bedeutendsten Pole wirtschaftlicher Entwicklung Kalabriens ist. Ich weiß auch, daß es nicht an Schwierigkeiten und sich wiederholenden Krisen fehlt, die die Arbeitsplätze in Gefahr bringen und Arbeitslosigkeit hervorrufen: Schwierigkeiten und Krisen, die auch den industrialisierten und wirtschaftlich entwickelten Gesellschaften gemeinsam sind, die aber hier, im Rahmen des „Süd-Problems“ und noch genauer des „kalabri-schen Problems“, Merkmale von besonderem Ernst annehmen wegen der sozialen Folgen, die sie mit sich bringen, wegen der Sorgen, die sie in zahlreichen Familien auslösen, der Entmutigung, die sie bei der Jugend hervorrufen, und wegen des schrecklichen Übels der Droge, das diese Entmutigung gerade bei ihnen nährt. Der Bezirk Crotone mit seinen vielfältigen Wirtschaftsaktivitäten zeigt und beweist den Arbeitseifer dieser Bevölkerung wie des ganzen Volkes von Kalabrien; er beweist, daß mit dem Beitrag aller Kräfte, mit dem notwendigen Eingreifen des Staates und der Region zusammen mit der Arbeit der Gemeinden und den freien Initiativen euer Arbeitseifer, begleitet von der zähen Beharrlichkeit eures Einsatzes und von dem Opfergeist, der ihn kennzeichnet, imstande sein kann, die Schwierigkeiten zu meistern, die Krisen zu überwinden, sämtliche Hilfsquellen, an denen es eurem Land nicht fehlt, zu erschließen und so jene Bedingungen für ein Wohlergehen zu schaffen, auf das jeder Mensch ein Recht hat. 3. Liebe Arbeiter und liebe Brüder und Schwestern! Ich weiß, daß ihr von mir, dem Boten des Evangeliums, nicht die Lösung der wirtschaftli- 789 REISEN chen und sozialen Probleme eures Landes erwartet; von mir erwartet ihr ein Wort, das eurem Wachstum als Menschen helfen und vor allem euer geistliches und religiöses Leben stärken soll. Von mir erwartet ihr ein Wort der Ermutigung, das euch im täglichen Einsatz unterstützt, euch hilft, die Schwierigkeiten des Augenblicks zu überwinden, und in euch „die Hoffnung auf das Licht“ nährt, von der die Bischöfe eurer Region in ihrem Hirtenbrief gesprochen haben. Mein Wort zur geistlichen Ermunterung, um dadurch gleichsam jene Hoffnung zu entfachen und den gewünschten Aufschwung einzuleiten, will die Verkündigung des „Evangeliums der Arbeit“ sein, das uns in vollendeter Weise die Würde und Heiligkeit der menschlichen Arbeit offenbart. Heute ist Sonntag und somit Ruhetag, während die anderen Tage für die Arbeit bestimmt sind. Aber eben dieses Zusammentreffen ist geeignet, einen Augenblick innezuhalten und über die wahre Natur der Arbeit nachzudenken. Wie jeder Ausdruck des Menschen, so hat auch die Arbeit teil an der Würde des Menschen, und sie muß, da dieser ein geistliches Geschöpf ist, „erschaffen als Abbild und Gleichnis Gottes“ (vgl. Gen 1,26), allem und jedem, was er macht, was er mit den Händen und mit dem Geist hervorbringt, umgestaltet, verwirklicht, etwas von sich selbst mitteilen. Der menschlichen Arbeit in all ihren Formen und Weisen wohnt immer ein sakraler Charakter inne. Heute besteht aufgrund der vielen Probleme, die uns bedrängen, vielleicht die Gefahr, daß wir den Begriff Arbeit selbst auf einen ganz und gar irdischen Bereich beschränken. Aber das kann nicht und darf nicht geschehen, auch wenn die Sorgen und angeführten Schwierigkeiten voll gerechtfertigt sind. Es ist notwendig - und daran möchte ich euch erinnern -, sich immer die primäre und höhere Qualität der Arbeit vor Augen zu halten, die als „Frucht des Menschen“, das heißt seines Verstandes, seiner Begabung, seines Gewissens, in die Sphäre der Sprititualität und der Sittlichkeit gehört. Von dieser höheren Warte aus ist es nicht schwer, weiter bis zur religiösen Ebene aufzusteigen. Der arbeitende Mensch leistet eine Art, wenn auch noch so begrenzter, aber tatsächlicher Zusammenarbeit mit dem Schöpfergott: Er weiß, daß er alles von Gott erhalten hat, er kennt die Welt, in der er tätig ist, und er kann nicht anders als mit einem Gefühl bewundernden Staunens und ehrlicher Anerkennung davon Kenntnis nehmen. Ja, ich meine, daß am Bild des schlichten Bauern längst vergangener Zeiten, der seine primitive Hacke niederlegte und, während er sicher etwas von der „Heiligkeit“ seiner Mühe ahnte, seine Gedanken zum allmächtigen 790 REISEN Schöpfer erhob, auch am heutigen Tag, dem heutigen Arbeiter, der sich freilich einer unvergleichlich feineren Technik bedient, eine Anleitung und gleichsam eine Lehre von bleibender Gültigkeit sichtbar wird. Weit davon entfernt, herabzusetzen oder zu erniedrigen, ist die Arbeit immer ein Faktor sittlicher Erhebung und kann - richtig verstanden und ehrenhaft ausgeübt - direkt zur religiösen Bildung des Menschen beitragen. Das ist das „Evangelium der Arbeit“, das ist die Wahrheit über die menschliche Arbeit, die für die kalabrischen Arbeiter ebenso gilt wie für die Arbeiter in allen Teilen der Welt, für die Industriearbeiter ebenso wie für die Landarbeiter und jene in anderen Tätigkeitsbereichen; sie gilt für die manuelle Arbeit ebenso wie für die intellektuelle Arbeit, für die Arbeit in der Leitung und Verwaltung und für jede andere Arbeit, in der die Aktivität des Menschen in der Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Das bedeutet, daß jede Gesellschaft - auch die kalabrische - in einer Weise organisiert sein muß, daß jeder Bürger seine Arbeit hat, daß diese Arbeit von den Gesetzen entsprechend geschützt und verteidigt wird und daß das Prinzip vom Vorrang der menschlichen Arbeit gegenüber anderen Produktionskräften respektiert wird, wobei man sich stets vor Augen halten muß, daß niemals die Suche nach Gewinn vor die Bedürfnisse des arbeitenden Menschen gestellt werden darf. 4. Heute ist der Tag des Herrn, und während ich das sage, werdet ihr wie ich an jenes große Gebot des alten und neuen Gesetzes erinnert, das da lautet: „Du sollst den Feiertag heiligen!“ Es gibt - wie ich bereits angedeutet habe - Tage, die der Arbeit Vorbehalten sind, aber es gibt auch und muß aus natürlichen und nahehegenden physiologischen und psychologischen Gründen Tage der Ruhe geben. Aber wie sollen diese Tage gelebt werden? Nur im Enthalten von den gewohnten Tätigkeiten? Nur in ehrbarem Vergnügen und in der Hingabe an sogenannte „Hobbys“? Es braucht da - ich sage es euch als Bruder - etwas, das mehr und besser ist: Niemals dürfen im eigenen Leben die Bedürfnisse geistlicher Ordnung in Vergessenheit geraten. Wie wäre es um unseren Glauben bestellt, wenn wir im normalen Verlauf des Daseins die religiöse Praxis unbeachtet ließen und ihre Notwendigkeit nicht einsähen? Unser christlicher Glaube, liebe Brüder und Schwestern, muß sich auch nach außen durch gewissenhafte Präsenz und Häufigkeit zeigen, indem er Gottvater die gebührende Verehrung darbringt, durch das Vorbild die anderen Gläubigen aufrichtet, die geschichtlich-existentielle Wirklichkeit der Kirche aufzeigt und bezeugt, deren lebendiger Teil jeder von uns ist. 791 REISEN Die Kirche anerkennt eure Würde als Arbeiter 5. Liebe Arbeiter! Ihr sollt wissen, daß die Kirche mit Sympathie und Solidarität auf euch blickt; auch ihr blickt voll Freundschaft auf die Kirche. Die Kirche ist euer Freund, weil ihr Stifter, Jesus Christus, ein Arbeiter war, weil er sich - wie wir im Evangelium lesen - in den Gleichnissen vom Reich Gottes ständig auf die menschliche Arbeit beruft: auf die Arbeit des Hirten, des Bauern, des Sämannes, des Weinbergbesitzers, des Weinbauern, des Fischers, des Händlers, des Arbeiters, auf die verschiedenen Arbeiten der Frauen. Die Kirche ist euer Freund, weil sie will, daß eure Würde als Arbeiter anerkannt wird, weil sie will, daß in der Welt der Arbeit die Gerechtigkeit herrsche. Öffnet die Tore eurer Fabriken Christus, dem Erlöser und Befreier! Denkt daran, daß Jesus, der göttliche Arbeiter, zur Welt der Arbeit gehört, wie ihr zu ihm gehört; er steht mit euch an der Werkbank; wenn sich die Mühe der Arbeit bemerkbar macht, hört seine Worte: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11,28) Jesus ist euer Freund, er ist euer Bruder, der eure Mühen kennt und sie mit euch teilt. Er geht euch auf den Wegen des Lebens voraus, um euch zu erleuchten, euch zu trösten, euch - er, der wahre Sohn Gottes - zur Erkenntnis und Erfahrung der Begegnung mit dem einzigen Vater zu führen, der im Himmel wohnt. „ Christus kam nicht nur bis Eboli“ Ansprache an die Jugend Kalabriens auf dem Domplatz von Reggio Calabria am 7. Oktober Liebe Jugend! 1. Mein Herz ist voller Freude darüber, daß ich unter euch, der Jugend der Stadt Reggio und ganz Kalabriens, sein kann zu dieser erwarteten und ersehnten Begegnung. Ich danke euch für diesen herzlichen Empfang, für die Worte, die das Mädchen in eurem Namen und als eure Vertreterin an mich gerichtet hat. Ich begrüße euch aus tiefem Herzen mit großer Zuneigung. 792 REISEN Ich grüße auch alle Jugendlichen Kalabriens, die in den drei Provinzen eurer Region zu Hause sind, sowie auch all jene kalabrischen Jugendlichen, die auf der Suche nach Arbeit ihr Land verlassen mußten und in andere Städte Italiens oder ins Ausland abwanderten. Alle sind in meinem Geist und in meinem Herzen gegenwärtig; alle grüße ich mit gleicher Liebe und Zuneigung. Die Begegnung mit der Jugend ist für mich immer einer der schönsten Augenblicke. Eure Stimmen zu hören, eure Begeisterung zu sehen, aber vor allem in euren Gesichtern die Erwartung des Wortes zu lesen, das Liebe zum Ausdruck bringt, das den Sinn des Lebens erleuchten und einen sicheren, gangbaren Weg zeigen will, das ist Grund zu Hoffnung und Trost. 2. Ich weiß um eure Sorgen im Hinblick auf die Gegenwart und eure Beunruhigung über die Zukunft, ich kenne die Probleme eures Landes, die zahlreich sind und seit langem auf Lösung warten. Vor dem Hintergrund aller menschlichen Situationen und Probleme steht eine ständige Frage, die entscheidende Frage, die das Leben des Menschen selber betrifft: Welchen Sinn hat das Leben, das wir leben, lohnt sich der Einsatz für dieses Leben, kann man hoffen? Ja, liebe, junge Leute, die Antwort auf diese Fragen finden wir in jener Botschaft, in jener frohen Nachricht, die vor beinahe 2000 Jahren Paulus von Tarsus, wenn auch mit Ketten an den Füßen, euren Vorfahren gebracht hat, als er hier an Land ging. Auf die Zweifel und Ängste des modernen Menschen gibt es nur eine einzige - alte und immer wieder neue - Antwort: Jesus Christus, der Erlöser des Menschen und der Welt, der Auferstandene, Sohn Gottes und unser Bruder im Menschsein; er hat uns das Geheimnis Gottes enthüllt, er hat das Geheimnis des Menschen erklärt, indem er uns unseren Ursprung, die Würde, den Wert, den Sinn des menschlichen Lebens, die ewige Bestimmung der Liebe und des Heils, zu der wir alle berufen sind, hat erkennen lassen. Wie einst Paulus von Tarsus möchte heute auch ich euch diese Botschaft vom Heil überbringen; auch ich will hier verkündigen, daß Christus „unser Friede“ ist {Eph2,14), „unser Leben“ (Ko/3,4) „unsere Weisheit, Gerechtigkeit, Heilung und Erlösung“ (1 Kor 1,30), „unser einziger Grund“ (1 Kor 3,11): Er ist unsere „Hoffnung“ {Kol 1,27). Nehmt diese Botschaft an, laßt euch erfüllen von dem Licht, das von ihr ausgeht, und laßt „Christus durch den Glauben in eurem Herzen wohnen“ {Eph 3,17). Der Glaube an den auferstandenen Christus, der den Tod und die Sünde 793 REISEN besiegt hat, läßt uns den wahren Sinn des Lebens als kostbares Gottesgeschenk begreifen, das zu leben sich lohnt, um eine bessere Welt aufzubauen, in der Liebe, Gerechtigkeit und Friede herrschen sollen. Das alles ist auch für euer Land möglich, wenn ihr kalabrischen Jugendlichen aus diesen Werten ein Lebensideal zu machen wißt und vor allem, wenn ihr euch bemüht, sie mit der Hochherzigkeit und dem Enthusiasmus eurer Jugend in der Kirche und in der Gesellschaft Kalabriens zu bezeugen. 3. Diese wunderbare, vom Glauben genährte und von der Hoffnung beseelte Lebensanschauung entfremdet euch weder den Schwierigkeiten, die das heutige Dasein bedrängen, noch den ernsten Problemen eurer kalabrischen Gesellschaft, die ja die Probleme des ganzen italienischen Südens sind. Ja, dieser Glaube und diese Hoffnung geben euch die Kraft, jede Entmutigung zu überwinden, und verpflichten euch um so mehr, durch Studium, durch Aneignung der nötigen persönlichen Bildung, durch vertiefte Kenntnis der Wirklichkeit, in der ihr lebt, euch darauf vorzubereiten, Baumeister der wirtschaftlichen, sozialen, sittlichen und geistlichen Wiedergeburt eures Kalabrien zu sein. Liebe, junge Leute! Ich weiß, eines der Probleme, die euch zu schaffen machen und mitunter auch Grund zur Entmutigung sind, ist das Problem der Arbeitslosigkeit so vieler junger Menschen und besonders derjenigen, die noch auf der Suche nach der ersten Beschäftigung sind, obwohl sie mit den notwendigen Fachkenntnissen ausgestattet und von viel gutem Willen beseelt sind. Diesen Jugendlichen bringe ich meine ganze Solidarität und den Wunsch zum Ausdruck, daß ihr berechtigtes Verlangen bald von Erfolg gekrönt sei. In der Enzyklika Laborem exercens, die der menschlichen Arbeit gewidmet ist, habe ich das Problem der Arbeitslosigkeit und den Schaden, den sie dem Menschen und der Gesellschaft zufügt, ausführlich behandelt. Hier in diesem Land und in dieser Stadt, wo das Phänomen ernster als anderswo ist, möchte ich betonen, daß die Arbeit ein Recht, nicht nur eine Pflicht ist und daß die Gesellschaft Bedingungen schaffen muß, damit alle dieses Recht genießen können. Ich möchte feststellen, daß die Arbeitslosigkeit eine Ungerechtigkeit ist, weil sie diesem Grundrecht des Menschen widerspricht. Es genügt nicht, daß die Gesellschaft denen, die eine Beschäftigung haben, durch die Sozialgesetzgebung die Rechte der Arbeit garantiert; die Gesellschaft muß das Recht auf Arbeit garantieren, das gewissermaßen die Priorität bei diesem Recht besitzt. 794 REISEN Der junge Mensch ohne Arbeit und ohne Hoffnung für die Zukunft ist jeder Art von Versuchung ausgesetzt: Ich beziehe mich insbesondere auf die Versuchung zu Gewalttätigkeit und zur Droge. Auf diesem Gebiet müßt ihr christlichen Jugendlichen ein starkes und mutiges Zeugnis geben. Gebt niemals der Versuchung zu verbrecherischer und mafioser Gewalt nach, ja, ihr sollt die entscheidenste moralische Kraft sein, um jede Gesinnung zu besiegen, die zu Gewalttätigkeit, Unterdrückung und Rache führt. Ich mache mir zu eigen, was in diesem Zusammenhang eure Bischöfe wiederholt erklärt haben. Und darüber hinaus ist es ein Akt großer Nächstenliebe und Humanität, jeden Jugendlichen zu helfen, die in das Netz des organisierten Verbrechertums gefallen sind und davon loskommen, sich daraus befreien wollen: Unterstützt mit eurem hochherzigen und brüderlichen Entgegenkommen ihre Bemühungen, wieder in das gesunde Gefüge der Gesellschaft und des zivilen Lebens zurückzukehren. Dann gibt es die Versuchung der Droge, die von einem schmutzigen Markt genährt wird, der auch in euren Städten um sich greift und sich sogar in den kleinen ländlichen Zentren eures Landes zeigt. Dieses Übel, das Schmerz und Tod verbreitet, ist eine Folge der Konsumgesellschaft, die in den Jugendlichen jedes Ideal zum Verlöschen bringt, eine Genußgesinnung hervorruft; diese Art Gesellschaft, die paradoxerweise als „Wohlstandsgesellschaft“ bezeichnet wird, „konsumiert“, „verzehrt“ tatsächlich den Menschen in seinem Menschsein und ruft letzten Endes nicht sein Wohl, sondern sein Elend hervor. Auch an dieser Front müssen die christlichen Jugendlichen, die eine Anschauung vom Leben und der Gesellschaft vertreten, die sich auf die Würde des von Christus erlösten Menschen gründet, in der vordersten Reihe stehen bei der Bekämpfung des Übels, indem sie die Gewissen aufrütteln, ihren Altersgenossen ein Beispiel geben, wie man das Leben anpackt, ohne sich der falschen Illusion der Droge hinzugeben, und denen, die zu ihren Opfern geworden sind, helfen, sich von dieser tödlichen Abhängigkeit zu befreien und mit allen zusammenzuarbeiten, die sich in der Gesellschaft um die Bekämpfung dieser schrecklichen Geißel bemühen. 5. Eure so zahlreiche Gegenwart auf diesem Platz, auf den der nach dem Erdbeben von 1908 wiedererrichtete Dom der Stadt mit seinen romanischen Formen in moderner Ausführung in seinem leuchtenden Weiß blickt, ist Zeichen für die Lebendigkeit der Kirche von Reggio. Ich weiß, daß viele von euch kirchlichen Vereinigungen, Bewegungen und 795 REISEN Gruppen angehören, in denen ihr Tag für Tag eure Glaubenserfahrung lebt. Ich will alle segnen und ermutigen. Diese verschiedenen Zusammenschlüsse sind Ausdruck des Reichtums der Kirche und des Charismas der Seele. Diese vielfältigen Erfahrungen tendieren, wenn sie vom Geist belebt sind, natürlich zur Begegnung und spüren das Bedürfnis nach Gemeinschaft untereinander und mit allen um den Bischof, der Oberhirt der Ortskirche ist. Ich fordere euch auf, stets die Gemeinschaft unter euch und um den Bischof zu suchen. Trotz aller Originalität des einzelnen lassen sich große Dinge gemeinsam verwirklichen, so wie die verschiedenen kirchlichen Vereinigungen gemeinsam das unvergeßliche Jugendtreffen in Rom zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung vorbereitet haben. Das gemeinsame Tätigkeitsfeld ist äußerst umfangreich, vor allem, wenn es darum geht, sich um die Lösung der großen Probleme eures Landes zu bemühen. Ich ermutige euch auch, euch über die Erfahrungen des freiwilligen Dienstes zugunsten der Emigranten, der Behinderten, der alten und kranken Menschen zu äußern und so euren christlichen Einsatz der Nächstenliebe zugunsten der „Letzten“, also jener, die im Reich Gottes die Ersten sind, zu leben. 6. Darüber hinaus hat die Kirche in Italien eine besonders große Verpflichtung in Angriff zu nehmen: die religiöse Erziehung der jungen Generationen und im besonderen den Religionsunterricht an den staatlichen Schulen. Wie ihr wohl aus eurer Geschichte und euren christlichen Wurzeln wißt, die auf den Apostel Paulus zurückgehen, gehört die katholische Religion zum kostbarsten Erbe des italienischen Volkes; sie ist wesentliche Komponente jeder menschlichen Bildung, für die es keine wahre und vollkommene Erziehung ohne den Religionsunterricht geben kann. Bekanntlich stellen die kürzlich getroffenen Vereinbarungen mit dem italienischen Staat die Möglichkeit sicher, im Schulbereich den katholischen Religionsunterricht zu besuchen: Es liegt an den Familien und im besonderen an den jungen Menschen selbst, von dieser wertvollen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Ich fordere euch auf, Jugend Kalabriens und der ganzen Halbinsel, bewußt diese Entscheidung zu treffen und dadurch euren Altersgenossen Beispiel und Zeugnis zu geben, indem ihr mit euren Familien der apostolischen Sorge der Kirche nachkommt, auch durch die Schule die christliche Bildung der Jugend sicherzustellen. Schließlich fordere ich euch auf, euch für den Frieden einzusetzen, indem ihr vor allem in euch selbst jene Friedensgesinnung ausbildet, die in euren 796 REISEN Familien, in der Schule, in der Welt der Arbeit, in allen zwischenmenschlichen und sozialen Beziehungen Früchte trägt: Sie ist die Voraussetzung für den Aufbau eines größeren Friedens unter den Völkern und Nationen. Ihr wißt, das Thema des Weltfriedenstages, den wir zu Beginn des kommenden Jahres feiern, lautet: „Frieden und Jugend, gemeinsam unterwegs.“ Liebe, junge Leute! Die Zukunft Kalabriens hegt in euren Händen und in eurem mutigen Einsatz als Bürger und Christen. Das sollt ihr wissen! Christus kam nicht nur bis Eboli! Er ist hier mit euch auf dem Weg, um zusammen mit euch ein gerechteres, menschlicheres und christlicheres Kalabrien aufzubauen! Vieles muß noch getan werden Predigt bei der Eucharistiefeier in Reggio Calabria am 7. Oktober 1. „ . . . Von dort fuhren wir die Küste entlang weiter und erreichten Rhegion“ (Apg 28,13). Liebe Brüder und Schwestern! Bewohner des antiken Rhegion, des heutigen Reggio Calabria! Wir befinden uns also auf der Reiseroute des Völkerapostels! Hier ist der hl. Paulus vorbeigekommen. Hier hat er zum ersten Mal seinen Fuß auf euren Boden gesetzt. Er berührte die Küste der Apenni-nenhalbinsel. „Selig die Schritte dessen, der das Evangelium verkündete!“ Paulus kam aus Syrakus, nach einer langen und abenteuerlichen Fahrt, die ihn viele Küsten, darunter die der Insel Malta, berühren ließ, und das alles, weil er an den Kaiser appelliert hatte, um sich - wie wir wissen -gegen die Anschuldigungen, die die Juden gegen ihn erhoben hatten, zu verteidigen. Er hatte die Reise als Gefangener unternommen, unter Überwindung tausender Gefahren und Schwierigkeiten, stark durch jenen umwälzenden Glauben, der seine Persönlichkeit so gut kennzeichnet, ganz darauf ausgerichtet, als Werkzeug in Gottes Hand die Macht und die Werke des Geistes zu bezeugen. 797 REISEN 2. Paulus von Tarsus begibt sich nach Rom, der Hauptstadt des Reiches und der damaligen Welt. Er geht dorthin, wohin der Wille des Herrn bereits den Simon Petrus geführt hat. Was trägt er in seinem Herzen? Er trägt das wahre Geheimnis Gottes im Herzen. Er trägt das Lied des Jesaja vom Weinberg im Herzen, jenem Weinberg, den der Herr und ewige Besitzer gepflanzt, erwählt, geliebt und gepflegt hat. Aber der Weinberg trug wilde Trauben. Darum sandte Gott die Propheten. Zuletzt sandte er seinen Sohn, weil er dachte: „Vor meinem Sohn werden sie Achtung haben!“ (Mt 21,37). Aber die Winzer, denen der Weinberg anvertraut worden war, haben den Sohn gekreuzigt! Jesus selbst spricht davon in dem Gleichnis, in dem er die Frage stellt: „Wenn nun der Besitzer des Weinbergs kommt: Was wird er mit solchen Winzern tun?“ (Mt 21,40). Die Zuhörer antworten: „Er wird diesen bösen Menschen ein böses Ende bereiten und den Weinberg an andere Winzer verpachten, die ihm die Früchte abliefern, wenn es Zeit dafür ist“ (Mt 21,41). Der Apostel Paulus - einst Saulus aus Tarsus - trägt in seinem Herzen die Erinnerung an diese Worte Christi. Aus ihnen erwächst ihm ein Gefühl des Schmerzes, weil er selbst ein Sohn seines Volkes, ein Sohn Israels ist. Zugleich erwächst ihm aus diesen Worten eine Berufung. Paulus kommt, um den Heiden das Gleichnis vom Weinberg des Herrn, die Wahrheit über die göttliche Erwählung und das Heil zu verkündigen: Diese Botschaft bringt er zu Söhnen und Töchtern dieser Halbinsel, Söhnen und Töchtern Roms. Und zuerst berühren seine Füße hier in Reggio euren Boden. 3. Von hier setzt der Apostel seine Schritte in Bewegung. Von hier nahm das Evangelium, die Frohbotschaft, ihren Ausgang in Richtung auf das Zentrum der damaligen Welt. Paulus von Tarsus kommt, den Römern Jesus Christus zu verkündigen. Jesus von Nazaret ist der Stein, „den die Bauleute verworfen haben“ (Mt 21,42); er ist jedoch „zum Eckstein geworden“ (ebd.). „Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder“ (ebd.). 798 REISEN Auch der Apostel Paulus war in Kalabrien Wer sind diese „Bauleute“, die den „Eckstein“ verworfen haben? Jene Juden, die nicht an Jesus glauben wollten. So geht Paulus denn bei den Heiden - also bei den Römern - auf die Suche nach anderen „Bauleuten“, die Vernunft besitzen und auf festem Grund, also auf Christus, bauen. Er hatte die Bedeutung der Prophezeiungen und der Gleichnisse des Meisters sehr wohl verstanden, die genau diese dramatische und zugleich einzigartige Wende in der Heilsgeschichte ankündigten. Paulus geht also frohen Mutes zu den unbekannten Völkern mit einem übernatürlichen Vertrauen, das ihm aus seinem Glauben an das Wort des Herrn erwächst. Und trotz verschiedener Schwierigkeiten wird der Erfolg nicht ausbleiben. Auch die Heiden werden anfangen, die Botschaft des Heils zu hören. 4. Der Aufenthalt des Apostels in Reggio war kurz, aber dieser Aufenthalt bedeutete den Beginn des Evangeliums und der Kirche in eurem Land: Es ist die „implantatio Ecclesiae“ in Kalabrien, von der die erste Evangelisierung ausgeht und auf die die ersten christlichen Gemeinden dieses Landes zurückgehen. Der Anfang, auf den ihr euch voll Dankbarkeit vor Gott und mit edlem Stolz beruft. Der Anfang einer der ältesten christlichen Gemeinden der Welt. Welche reiche Fülle an geschichtlicher Erfahrung! Wieviel Dankbarkeit schuldet ihr der Vorsehung, die seit so langer Zeit für euch Sorge trägt! Im Laufe ihrer fast zweitausendjährigen Geschichte hat eure und die kalabrische Kirche ganz allgemein durch zahlreiche Heilige, Märtyrer, Päpste und unzählige andere Mitglieder, Priester, Ordensleute und Laien, Männer und Frauen des Gottesvolkes einen großartigen und reichen Beitrag zur Entwicklung des Christentums und der Universalkirche geleistet. Die Wurzeln eurer Kirche gründen also fest in einer vielhundertjährigen, äußerst langen und fruchtbaren Geschichte der Treue zu Christus und seinen Stellvertretern auf Erden. Das geistliche Erbe, das sich in dieser Zeitspanne angesammelt hat, kann und muß die Grundlage und das Kriterium bilden, um die gegenwärtige Situation zu beurteilen und ruhigen Mutes die mehr oder weniger ernsten Probleme, die sie aufweist, anzupacken. 5. Diese Probleme sind wohlbekannt. Ich selbst habe beim Ad-limina-Besuch der kalabrischen Bischöfe im Jahr 1981 darauf hingewiesen. Von ihnen ist die Rede in dem anläßlich der Vorbereitung meines jetzigen 799 REISEN Besuches veröffentlichten Hirtenbrief. Ausführlich wurden sie auch beim Kongreß von Paola 1978 behandelt. Ich werde mich also hier nicht lange damit aufhalten, davon zu sprechen. Ein kurzer Hinweis soll genügen. Kirchliche Probleme: wie z. B. die Notwendigkeit einer wirksameren und in das soziale Leben einschneidenden Öffnung eines Glaubens und einer noch sehr verbreiteten Religiosität; eine weitere Förderung der christlichen Bildung; die Verwirklichung eines pastoralen Dienstes, der der konkreten Situation besser gerecht wird, d. h. eine bessere Verteilung des Klerus auf die Pfarreien. Soziale Probleme: z. B. der anhaltende und noch immer ernste Unterschied zwischen Nord und Süd; das Problem der Arbeitslosigkeit, der Abwanderung, der Mafia-Kriminalität, und was vielleicht das Hauptproblem ist: ein „Aufschwung“ und ein selbständiges Wachstum der ganzen Region, deren Kräfte auf der einen Seite noch immer zu wenig Selbstvertrauen zu haben scheinen und auf der anderen Seite noch immer Gegenstand einer immer unbegreiflicheren Geringschätzung seitens anderer Mitglieder der Nation, vor allem aus dem Norden, sind. 6. Vieles ist getan worden, und vieles ist man im Begriff zu tun, sowohl von seiten der Kirche wie der bürgerlichen Gesellschaft, um diesem ernsten Zustand abzuhelfen. Die kirchliche Aktivität, insbesondere auf der Grundlage eines klaren Bewußtseins der Situation stellt viele Heil-und Hilfsmittel bereit, die in ihre Befugnis fallen: eine intensivere Förderung der Katechese, eine stärkere Entfaltung und bessere Koordinierung des Vereinswesens und der Bewegungen, die Vermehrung der Laiendienste: alles sehr gute Initiativen, die den einzelnen dadurch, daß sie zur Gewohnheit werden, dazu bringen, sich nicht mehr isoliert und somit versucht zu fühlen, in sterile Resignation zu verfallen oder sich von der Furcht unterkriegen zu lassen. Vieles kann und muß jedoch noch getan werden. Die Neigung, das Opferlamm zu spielen, die Klientelwirtschaft und der Geist, sich schadlos zu halten, auf der einen sowie der Egoismus, die Neigung zu Gewalttätigkeit und die Mißachtung der Rechte der anderen auf der anderen Seite können und müssen schrittweise überwunden werden, wie die Geschichte der christlichen Zivilisation lehrt. Es gilt also, in höherem Maße an die Wirksamkeit der uns vom Evangelium und der Kirche gebotenen Mittel zu glauben. Es gilt, stärker an die eigenen und die sittlichen Kräfte der anderen zu glauben, vor allem, wenn man in christlichem Sinne bedenkt, daß die göttliche Gnade an die Tür jedes Gewissens klopft, auch jener, die in Sünde und Ungerechtigkeit verhärtet sind. 800 REISEN Man muß sich jedoch erinnern, daß die Treue, die Liebe, die Hochherzigkeit, die Gerechtigkeit, die Solidarität, die Achtung von Recht und Gesetz sich auf sozialer Ebene behaupten und zu einem gemeinsamen Lebensstil werden sollen, wenn wir uns im Vertrauen auf die Hilfe des Geistes Gottes als erste - wie die Hefe im Teig - um diese Werte bemühen, ohne darauf zu warten, daß die anderen den Anfang machen. Sicher handelt es sich nicht darum, daß wir, getrieben von einer unbedachten Mutmaßung, eitlen Heroismus an den Tag legen. Es geht vielmehr darum, mit reinem Herzen dem Teil Raum zu geben, der den Geist der Weisheit und Stärke entfalten will. In diesem gewaltigen Werk der geistlichen und sittlichen Wiedergeburt muß die ganze Kirche Kalabriens alle ihr zur Verfügung stehenden Kräfte zu nützen und auszurichten wissen; sie muß selbst durch gemeinsame pastorale Programme und gemeinsame Formen der Präsenz in der Gesellschaft ein Zeugnis der Einheit und Gemeinschaft geben, besonders wenn es um die Förderung der Grundrechte der Menschen geht, angefangen vom Recht auf Leben, der Gerechtigkeit, dem Frieden. Dieses Zeugnis der Einheit und Gemeinschaft wird immer intensiver sein müssen unter den Bischöfen der Pastoralregion Kalabrien und dann unter den Priestern, Ordensmännem und Ordensfrauen und unter den alten und neuen Formen der Laienorganisationen, die ein Zeichen für die religiöse Lebendigkeit dieses gesegneten Landes sind. Der „ Weinberg des Herrn“ hat sich ausgebreitet 7. Liebe Brüder und Schwestern! Bewohner des antiken Rhegion! Söhne und Töchter der Kirche! Ich danke der göttlichen Vorsehung, die es mir gewährt hat, heute bei euch zu sein an diesem Ort, wo die Füße des Völkerapostels zum ersten Mal die Küste Italiens berührt haben. „Selig die Schritte dessen, der das Evangelium vom Heil verkündet!“ Gemeinsam mit euch danke ich hier für die zweitausend Jahre des Weinberges des Herrn auf eurem Boden. Siehe, der „Weinberg des Herrn“ hat sich ausgebreitet auf die ganze Erde und auf alle Völker. Eure Vorfahren sind der „Weinberg des Herrn der Heere“ geworden; die Menschen dieser Halbinsel zum Haus des „neuen Israel“. „Gott der Heerscharen, wende dich uns wieder zu! Blick vom Himmel herab und sieh auf uns! Sorge für diesen Weinstock und für den Garten, den deine Rechte gepflanzt hat . . . Herr, Gott der Heerscharen, richte 801 REISEN uns wieder auf! Laß dein Angesicht leuchten, dann ist uns geholfen“ (Ps 80,15-20). Diese Worte des Psalmisten bewahrheiten sich auf den Lippen des Bischofs von Rom, der im Namen der heiligen Apostel Petrus und Paulus zu euch kommt. Liebe Brüder und Schwestern! Ich grüße euch alle aus ganzem Herzen, wobei ich einen besonderen Gedanken an euren Erzbischof Metropolit Msgr. Aurelio Sorrentino, an alle hier anwesenden Bischöfe Kalabriens, an den Erzbischof von Messina, an die zivilen Autoritäten, an die Bürgermeister der Provinz, die Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen, an alle Christen richte, die sich mit besonderer Sorge der Kranken, der Kleinen und Bedürftigsten annehmen. Ein Gruß geht noch an die Gläubigen der Nachbardiözesen Bova, Oppido-Palmi, Gerace Locri sowie auch an die zahlreichen Gläubigen Messinas, die sich hier zu dieser Meßfeier eingefunden haben. Allen sage ich mit dem hl. Paulus: „Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt, wird eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahren“ (Phil 4,7). Amen. 802 Pastoraireise in die Karibik (10. bis 13. Oktober) REISEN „Seid eurer Glaubensgeschichte treu!“ Predigt beim Wortgottesdienst in Saragossa am 10. Oktober „Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28, 19-20). 1. Diese Worte scheinen mir besonders lebendig und geeignet für diese Begegnung mit euch, liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Spanien. Der Missionsauftrag Jesu, gesprochen an den Ufern des Sees Genezareth, ertönt heute kraftvoll am Ebro, wo seit vielen Jahrhunderten ein Echo des apostolischen Strebens des Jakobus und Paulus lebendig ist. „Geht zu allen Völkern!“ Diese Worte des Meisters treiben mich heute an auf einer Reise in die Länder Amerikas, die viel mit seinem Missionsauftrag zu tun hat. Denn die Völker und Kirchen Amerikas sind im Begriff, die 500-Jahr-Feier des Beginns ihrer Evangelisierung, ihrer Taufe auf den Glauben an Jesus Christus zu feiern. Eine gewaltige Aufgabe von Jahrhunderten, die ihren Ursprung hier, in den iberischen Ländern, hatte. Eine hochherzige und fruchtbare Saat jener spanischen und portugiesischen Missionare, die mit vollen Händen das Wort des Evangeliums mit einer Kraft aussäten, die bis heute verpflichtet und eine der schönsten Seiten in der ganzen Geschichte der von der Kirche unternommenen Evangelisierung darstellt. Wenn es sich darum handelt, Gott für die so reichen Früchte jener Aussat zu danken und die gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtungen auf dem ganzen Kontinent zu vertiefen, durfte der Papst, der ja „der erste Missionar“ sein will, nicht fehlen. Als ich vor beinahe zwei Jahren hier in Saragossa mich zu meiner Freude zu Füßen der Madonna von Pilar niederwerfen und die Schutzpatronin der hispanischen Völker wegen des bevorstehenden Jubiläums der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas anrufen konnte, sagte ich euch, daß diese Gedenkfeier „eine Zusammenkunft war, bei der die Kirche nicht fehlen durfte“ (Predigt beim marianischen Weiheakt in Saragossa am 6. November 1982, in Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 774 ff.). Im Lichte dieses Gelübdes und der missionarischen Absicht, die meine neue Reise nach Lateinamerika beseelt, könnt ihr gut den Sinn der 804 REISEN Zwischenlandung verstehen, die ich in Saragossa einlegen wollte. Am Beginn einer wesentlich missionarischen Reise und im Namen der ganzen Kirche wollte ich persönlich hierherkommen, um der Kirche in Spanien für die gewaltige Evangelisierungsarbeit zu danken, die sie in der ganzen Welt und ganz besonders auf dem amerikanischen Kontinent und auf den Philippinen durchgeführt hat. Auf vielen meiner Reisen konnte ich die heutige Frucht dieser Arbeit feststellen. Ich will darum bei dieser so bedeutenden Gelegenheit hier in Saragossa wiederholen, was ich gleich zu Beginn meines apostolischen Besuches in Madrid zu sagen Gelegenheit hatte: „Danke, Spanien! Danke, Kirche in Spanien, für deine Treue zum Evangelium und zur Braut Christi!“ (Ansprache bei der Ankunft am Madrider Flughafen 31. Oktober 1982, in: DAS, 1982, S. 666). Darum wollte ich jetzt, wo die Vorbereitungen auf das fünf hundert jährige Jubiläum der Evangelisierung Amerikas anlaufen, bei der Madonna del Pilar von Saragossa anhalten, um eben die Dimensionen zu unterstreichen, die diese Reise mit sich bringt. 2. Hier in der starken und uralten Überlieferung der Madonna del Pilar leuchtet die apostolische Dimension der Kirche in ihrem ganzen Glanz. Der Papst ist derjenige, der durch den Plan und das Erbarmen des Herrn diese apostolische Tradition, die in Rom eine historische und unerschütterliche Beziehung zur Person und zum Amt des Petrus hat, in herausragender Weise verkörpert und aufrechterhält. Aber der Papst will den Kirchen in Amerika nicht nur die Festigkeit des Glaubens bringen, den Petrus vertritt, sondern auch die missionarische Kühnheit der anderen Apostel, die im Gehorsam gegenüber dem Auftrag des Meisters ihre Talente und selbst ihr Leben in den Dienst der Verbreitung des Evangeliums in der Neuen Welt stellen. Der Glaube, den die spanischen Missionare nach Lateinamerika brachten, ist ein apostolischer und kirchlicher Glaube, der - nach einer ehrwürdigen Überlieferung, die hier bei der Madonna del Pilar ihren Ursprung hat -vom Glauben der Apostel ererbt ist. Von dieser starken und authentischen Quelle des Glaubens der Apostel will nun der Papst den Kirchen in Amerika und eurer spanischen Kirche neue Impulse bringen. Für eine missionarische Kirche im Zeichen Mariens 3. Hier in Saragossa leuchtet heute abend auch die missionarische Dimension der Kirche und, noch konkreter, der Kirche in Spanien. 805 REISEN Vor wenigen Minuten konnte ich in der Kirche der Madonna del Pilar mit den Familien der Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und Laien Zusammentreffen, die heute in den Schwesterkirchen Amerikas dem Evangelium dienen. Es war eine kurze, aber intensive Begegnung. In der Kirche Spaniens ist der missionarische Geist nicht erloschen! Ihr habt es nicht aufgegeben, das „Gehet hin zu allen Völkern und lehrt sie!“ zu erfüllen. Ungefähr achtzehntrausend spanische Missionare setzen heute in jenen Ländern, die euch so brüderlich nahestehen, die missionarische Tradition fort, die, wie ich wünsche, noch wachse als eine der größten Glanztaten dieser Kirche. Der Herr segne die Schritte und die Hände der Spanier, die auf der ganzen Welt und besonders in Amerika evangelisieren und in seinem Namen taufen! Der Herr belohne die Hochherzigkeit der spanischen Familien, die ihre Söhne hingeben an die Sendung, „hinauszugehen und zu lehren“, die uns der Meister hinterlassen hat! Der Herr gewähre dieser Kirche und mehre in ihr die missionarische Begabung, die ihre Vergangenheit ausgezeichnet hat, die einen Teil ihres gegenwärtigen Lebens bildet und die ihre Zukunft stimulieren und bereichern soll. 4. Doch da gibt es noch eine dritte, sehr tiefe und ganz besondere Dimension meines Aufenthalts in Spanien und in Saragossa: die mariani-sche Dimension. Als ich mich nach zehn Tagen des Zusammenseins, an die ich eine sehr schöne Erinnerung bewahre, von euch in Compostela verabschiedete, waren meine letzten Worte: „Lebewohl Spanien! Lebewohl, Land Mariens!“ (Abschied in Santiago de Compostela, 9. November 1982, in: DAS, 1982, S. 820). In ihrer Begleitung und unter ihrem Schutz habe ich euch also zurückgelassen und zusammen mit ihr, zusammen mit der Madonna del Pilar von Saragossa, der Säule, die die Festigkeit des Glaubens der Spanier und ihrer großen Liebe zur Jungfrau Maria symbolisiert, begegne ich euch heute wieder. Diese Begegnung ist nicht gleichgültig oder zufällig. Der Marienglaube der spanischen Missionare faßte sogleich bei jenen breiten Massen Wurzel, und zwar in Form von Verehrungen und Anrufungen, die noch immer der Polarstern der Gläubigen jener Länder sind. Von Spanien sprechen heißt von Maria sprechen. Sie heißt Pilar, Covadonga, Aränzazu, Montserrat, Uje, el Camino, Valyanera, Guadalupe, la Almudena, los Desam-parados, Lluch, la Fuensanta, las Angustias, los Reyes, el Rocio, la Candelaria, el Pino. Und auch von Lateinamerika sprechen, heißt von 806 REISEN Maria sprechen - dank der spanischen und portugiesischen Missionare. Sie heißt Guadalupe, Altagracia, Lujän, la Aparecida, Chiquinquirä, Coromoto, Copacabana, el Carmen, Suyapa und viele andere nicht minder tiefe marianische Anrufungen und Titel. Die Konferenz von Puebla sagte in ihrer Reflexion über die Evangelisierung ausdrücklich: „Sie (Maria) muß immer mehr die Lehrerin und Erzieherin des Evangeliums in Lateinamerika sein“ (Puebla, 290). Jawohl, die Erzieherin, diejenige, die uns an der Hand führt, die uns lehrt, den Missionsauftrag ihres Sohnes zu erfüllen und alles zu bewahren, was er uns gelehrt hat. Die Liebe zur Jungfrau Maria, der Mutter und dem Vorbild der Kirche, ist Gewähr für die Authentizität und die erlösende Wirkung unseres christlichen Glaubens. Unsere Brüder in Amerika, die das fünfhundert] ährige Jubiläum der Ankunft des Evangeliums in jenen riesigen Ländern mit aller Intensität feiern wollen, ringen in einer weitreichenden und umfassenden Bemühung um soziale, kulturelle und geistliche Bestätigung. Dieses Amerika, voller Spannungen und Hoffnungen, jung und leidtragend, mittellos und freigebig, dieses Amerika und seine menschliche und religiöse Zukunft will ich heute abend der Jungfrau als Bitte zu Füßen legen. Möge sie, Maria, die Mutter der Kirche, weiterhin den Glauben und den Weg der Völker Amerikas leiten und erleuchten! Mögen diese Völker in euch, spanische Katholiken, immer den Trost eines glühenden Zeugnisses und die Hilfe eurer demütigen und hochherzigen Mitarbeit finden! Aber auch wenn unsere heutige Begegnung und unser Gebet im Dienst meiner Reise nach Santo Domingo und Puerto Rico eine apostolische, missionarische und marianische Dimension haben, möchte ich nicht, daß ihr diesen Aufenthalt in Saragossa als bloße Zwischenlandung auf dem Weg nach Amerika betrachtet. Ich mußte unbedingt vor der ganzen Kirche eurer Vergangenheit als Evangelisatoren Anerkennung und Dank zum Ausdruck bringen. Es war dies ein Akt der christlichen und historischen Gerechtigkeit. Doch es drängt mich auch, eure missionarische Begabung auf die Zukunft zu lenken. „Denkt immer daran — so sagte ich vor zwei Jahren zu euch -, daß der missionarische Geist eines bestimmten Teiles der Kirche der Maßstab für ihre Lebendigkeit und Authentizität ist“ {Ansprache an die Mitglieder der männlichen Orden und Säkularinstitute in Madrid am 2. November 1982, Nr. 8, in: DAS, 1982, S. 723). Das ist es, was ich heute abend mit neuer Intensität vor euch wiederhole. 5. Ich weiß um eure Bemühungen, eure Erwartungen, Sehnsüchte und Schwierigkeiten. Mein Besuch vor zwei Jahren hat mich eure religiöse 807 REISEN Tradition besser kennenlernen und euer gegenwärtiges Engagement schätzen gelehrt. Ich konnte damals mit aller Aufrichtigkeit zu euren Bischöfen sagen: „Trotz der Kontraste, der Schatten und der Höhen und Tiefen des Augenblicks habe ich Vertrauen und setze große Hoffnung in die Kirche in Spanien“ (Ansprache an die Spanische Bischofskonferenz in Madrid am 31. Oktober 1982, Nr. 8, in: DAS, 1982, S. 676). Ich halte heute dieselbe inzwischen noch vermehrte Zuversicht und Hoffnung aufrecht. Ich weiß gut, daß eure Bischöfe ein umfangreiches und anspruchsvolles Programm des „Dienstes am Glauben des spanischen Volkes“ entworfen haben, das sich auf das gründet, was ich vor zwei Jahren an den vielen Orten dieser geliebten Nation in meinen Ansprachen und Predigten gesagt habe. Diese Aussagen waren von meiner Seite, als „erster Missionar“, nur die Erfüllung des Auftrages Jesu: „Geht hin und lehrt!“ Ich bete zum Herrn, daß die Erinnerung an meine Worte und das Nachdenken darüber die gewünschten Früchte im Volk Gottes hervorbringe. Die natürlichste Weise, diese willkommene Begegnung mit euch abzuschließen, ist, meine damalige Predigt jetzt dadurch zu bekräftigen, daß ich euch an den Auftrag Jesu erinnere: Geht und lehrt alles, was ich euch gelehrt habe. Lehrt nicht nur durch das Wort, sondern auch durch das Beispiel eures Lebens. Steht fest im Glauben wie die Madonna del Pilar, diese Säule von Saragossa! Stimmt euer persönliches Verhalten, euer Verhalten in der Familie und in der Öffentlichkeit konsequent auf die Lehren und das Beispiel unseres Herrn Jesus Christus ab! Gebt ein praktisches Zeugnis von der Größe und der Güte Gottes vor denen, die ihn nicht kennen oder die, obwohl sie ihn kennen, sich seiner in der Öffentlichkeit oder im privaten Leben zu schämen scheinen. Überwindet die Versuchung zur mangelnden Zuversicht und zu unfruchtbaren Spaltungen und lebt mit Freude und Hochherzigkeit die Einheit des Glaubens und die Gemeinschaft der Liebe Christi! Dazu wird euch, meine Brüder, der mutige Dienst eurer Bischöfe führen, deren Gemeinschaft untereinander und mit dem Nachfolger des Petrus Gewähr für eine treue Weitergabe des Glaubens ist, die erste Grundlage für einen künftigen Verkünder des Glaubens, der reich an Früchten des christlichen Lebens ist und im Einklang mit der glorreichen Vergangenheit steht, an die wir vorhin erinnert haben. Was euer soziales Leben betrifft, kommt mir das in den Sinn, was ich euch im Stadion von Barcelona gesagt habe: „Auf diese Weise sollt ihr leben und der zeitlichen Ordnung den Lebenssaft des Glaubens an Christus 808 REISEN einflößen . . . Zeigt diesen Geist durch die Aufmerksamkeit, die ihr den entscheidenden Problemen widmet. Im Bereich der Familie, indem ihr die Unauflöslichkeit und die anderen Werte der Ehe lebt und verteidigt und für die Achtung vor dem Leben vom Augenblick der- Empfängnis an eintretet. In der Welt von Kultur, Erziehung und Unterricht, indem ihr für eure Kinder eine Schule wählt, in der das Brot des christlichen Glaubens vorhanden ist“ (Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Barcelona am 7. November 1982, Nr. 8, in: DAS, 1982, S. 801). Glaubwürdige Vorbilder für soziale Gerechtigkeit Hoffentlich behält in eurem Land das Recht der Eltern, für ihre Kinder die von ihnen bevorzugte Arbeit der Erziehung zu wählen, seine volle Wirksamkeit. Seid Vorbilder in eurem bürgerlichen Leben und in der Fähigkeit des Miteinanderlebens, indem ihr zu einer größeren sozialen Gerechtigkeit für alle beitragt. Mit dem gebührenden Respekt für die legitimen Optionen anderer bemüht euch, daß die Gesetze und Sitten nicht dem transzendenten Sinn des Menschen und den moralischen Aspekten des Lebens den Rücken zukehren“ (ebd.). Verfallt nicht dem Irrtum zu meinen, daß die Gesellschaft dadurch geändert werden könnte, daß man lediglich die äußeren Strukturen verändert oder vor allem die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse sucht. Es ist unumgänglich notwendig, mit der Änderung bei uns selber zu beginnen, indem wir unsere Herzen aufrichtig dem lebendigen Gott zuwenden, uns moralisch erneuern, die Wurzeln der Sünde und des Egoismus in unseren Herzen ausreißen. In dieser Weise gewandelte Menschen arbeiten wirksam an der Veränderung der Gesellschaft mit. 7. Ihr, die ihr zu jenem gigantischen Unternehmen fähig wart, das wir heute hier in Erinnerung gerufen haben, seid eurer Glaubensgeschichte treu! Habt Vertrauen in euch selbst! Lebt euren Glauben voll und ganz, sei es in einem Rahmen, wo er volle Anerkennung findet, oder in einer Umgebung, wo sich mancherlei Hindernisse einstellen können. Geht vereint in die Zukunft! Ihr habt noch ein großes Unternehmen vor Augen: schon jetzt die erneuerte, gläubige und hochherzige Kirche des Jahres 2000 vorzubereiten, damit eure Kinder und Kindeskinder in ihr der Gnade Gottes und der Fülle seiner Gaben begegnen, auf daß Spanien auch in Zukunft sich selbst treu und Stützpunkt der Verbreitung des Evangeliums sein kann. 809 REISEN Ich rufe euch, meine lieben Jugendlichen, auf, wobei ich noch immer die Erinnerung an die Begegnung mit euch im Stadion „Santiago Bernabeu“ in meinen Ohren und im Herzen trage. Ich rufe die christlichen Familien auf, die ich noch bei der eindrucksvollen Eucharistiefeier in der Castellana in Madrid vor mir sehe. Ich rufe die Schwestern der Klausurorden auf, die mit ihrem zum Gebet gewordenen Leben und mit ihrem Enthusiasmus an jenem kalten Morgen in Avila ein Zeichen der Wärme setzten. Ich rufe die katholischen Laien auf, die Erzieher im Glauben, die Kinder, die christlichen Arbeiter, die Leute auf dem Lande und am Meer, die Männer aus Kultur und Wissenschaft, alle, die ich an den verschiedenen Orten unserer unvergeßlichen Begegnungen vor mir habe. Ich rufe schließlich alle spanischen Katholiken auf, deren lebendige Glaubenskraft mir wohlbekannt ist. Die Jungfrau Maria, unter deren mütterlichen Schutz wir heute abend zu Gesang und Gebet zusammengekommen sind, möge euch alle reich segnen, die Familien Spaniens und diese geliebte, apostolische, missionarische und marianische Kirche segnen. Mit diesem Wunsch erteile ich euch, Bischöfen und Gläubigen, besonders den Kranken in ganz Spanien und allen Leidenden, meinen Apostolischen Segen. Nicht Haß und Kampf, sondern Liebe Ansprache bei der Ankunft auf dem Flughafen in Santo Domingo am 11. Oktober Herr Präsident, ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, Autoritäten, liebe Brüder und Schwestern! Die erste Etappe der ersten apostolischen Reise meines Pontifikats führte mich in dieses dominikanische Land, in das ich heute nach beinahe sechs Jahren, zum zweiten Mal komme. In diesem Augenblick erinnere ich mich der Gefühle und Erlebnisse jenes Besuches, den der warmherzige Empfang der gastfreundlichen Bevölkerung dieser Insel wieder in seiner ganzen Intensität wachruft. Zum Sprecher ihrer Empfindungen hat sich der Herr Präsident der Republik mit seinen edlen und herzlichen Willkommensworten gemacht. 810 REISEN Ich fühle daher die Pflicht, vor allem dem höchsten Beauftragten der Nation, den Autoritäten und dem Heben christlichen Volk der Dominikanischen Republik meinen herzlichen Dank für diesen Empfang zu bekunden. Mein herzlicher Gruß soll das äußere Zeugnis meiner Achtung und tiefen Wertschätzung sein, die alle und jeden einzelnen der Söhne und Töchter dieses geliebten Landes einschließt. Doch bei dieser Gelegenheit weitet sich der Horizont meines Besuches beträchtlich aus, über die Grenzen der Dominikanischen Republik hinweg. Schon die Anwesenheit so vieler anderer Bischöfe zusammen mit dem Herrn Erzbischof und dem Episkopat Santo Domingos, die ich mit meinem Friedenskuß umarme, gibt das Ziel meines Besuches an. Wenn mein erster Besuch dem von den ersten Evangelisatoren vorgezeichneten Weg folgen wollte, so führt mich heute die Eröffnung der geistlichen Vorbereitung auf die Fünf hundert jahrfeier der Ankunft des christlichen Glaubens auf dem amerikanischen Kontinent zu euch. Das Ereignis der Begegnung zwischen Europa und der sogenannten Neuen Welt war mit seinen gewaltigen Auswirkungen auf die Geschichte der Menschheit von universaler Bedeutung. Aber nicht geringere Auswirkung hatte unter religiösem Aspekt die Entstehung dessen, was heute fast die Hälfte der katholischen Kirche ausmacht. Es war deshalb notwendig, des Beginns dieses Ereignisses zu gedenken, um dem Allerhöchsten und allen, die Baumeister dieser Kirche waren, zu danken. Vor allem aber war es notwendig, diese Feiern sorgfältig vorzubereiten, um pastorale und kulturelle Initiativen ins Leben zu rufen, die das vor bald fünfhundert Jahren begonnene Werk vollenden sollen. Die Anwesenheit des Papstes in diesem Land, wo das erste Kreuz errichtet wurde, wo man das erste Meßopfer feierte und das erste Ave-Maria betete, will ein Anstoß zu den Zielsetzungen sein, die CELAM durch seine Vertreter, die uns begleiten, aus diesem Anlaß gefördert hat und die die gesamte Ausdehnung der Kirche in Lateinamerika umfassen. Wie viele Überlegungen weckt ein Blick auf die geographische und menschliche Karte Lateinamerikas oder das gedankhche Innehalten bei seiner Geschichte, seiner aktuellen Problematik und seinen Zukunftsaussichten! Die Kirche, die einen untrennbaren Bestandteil der Geschichte und des Lebens jeder Nation dieses Kontinents bildet, weiß, daß sie ihnen heute wie gestern etwas Eigenes zu bieten hat; etwas Lebensnotwendiges für die Gegenwart und die Zukunft: das Licht und den Glauben Christi. Sie weiß sehr wohl um die bedauerlichen Schranken der Unwissenheit, der fehlenden Freiheit, der Ungerechtigkeit und Unterdrückung, die sich 811 REISEN sooft dem leidenden lateinamerikanischen Menschen in den Weg stellen, wenn er, nach Zielen größerer geistlicher und menschlicher Würde dürstend, unterwegs ist. Darum will die Kirche, die in und für diesen Mensch lebt, ihm auf seinem Weg helfen, sie will ihm immer stärker seine Möglichkeiten und Ziele bewußtmachen. Und sie will das tun, indem sie sich selbst, der ihr von Christus anvertrauten Sendung und der Liebe, die sie dem Menschen schuldet, treu bleibt. In ihm sieht die Kirche ein Kind Gottes, ein Wesen mit immensem Anspruch auf Würde, Achtung und Förderung; ein Wesen mit göttlichem Siegel, dem man helfen muß, sich zu einer höheren Menschlichkeit zu erheben; das niemals in seiner Würde unterdrückt oder seiner Rechte beraubt werden darf; dem man aber beistehen muß, vor allem sein inneres Erbe zu bewahren: die Freiheit und den Reichtum seines Geistes. Denn in ihm spricht das Gewissen und darin die Stimme Gottes, und in ihm liegt die Transzendenz seines Schicksals. Das ist das Ziel, über das die Kirche in den neun Jahren, die zu eröffnen ich komme, mit neuer Intensität nachdenken will. Um dem heutigen lateinamerikanischen Menschen ein neues Licht von Christus bieten zu können, das hilft, die Menschen, die Strukturen, die heutige Gesellschaft von innen her umzugestalten. Das eine neue Zivilisation gründen hilft, die sich nicht auf Haß und Kampf, sondern auf die Liebe gründet. Ich bitte Unsere Liebe Frau und Mutter von Altagracia um ihren Schutz und ihre Hilfe. Ihr empfehle ich vor allem die Kranken, die Armen, die ungerecht Behandelten, die Pampesinas, alle Bewohner der Dominikanischen Republik und Lateinamerikas. Und alle segne ich von Herzen als Freund und Hirte der Universalkirche. Marksteine der Evangelisierung Predigt bei der Messe in Santo Domingo am 11. Oktober 1. „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet“ (2 Kor 4, 6). Die Kirche beginnt heute, hebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern, eine ganz besondere Novene: Es handelt sich dabei um den Zeitabschnitt von neun Jahren, der uns vom Datum der Entdeckung Amerikas trennt. Dieses Datum - eines der entscheidendsten in der Geschichte der 812 REISEN Menschheit - gilt auch für den Anfang von Glauben und Kirche auf diesem Kontinent. Auf dieser Insel angekommen, auf der vor fast 500 Jahren die erste Messe gefeiert und das erste Kreuz errichtet wurde, möchte ich als Bischof von Rom und Nachfolger des Apostels Petrus diese Jahresnovene eröffnen, gemeinsam mit dem Episkopat der ganzen Kirche Lateinamerikas und auch mit Vertretern der Bischöfe Spaniens, Portugals, der Phüippinen, der Vereinigten Staaten und Kanadas, die aus verschiedenen Gründen an dieser Feier teilhaben. „Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet.“ Vor der von Christoph Kolumbus geführten Expedition taten sich unbekannte Länder auf und eine neue Welt. Plötzlich erlaubte der gleiche Gott, daß die Entdecker, die die Abgründe des ungeheuren Ozeans überquert hatten, eines Tages in den Aufschrei: „Land!“ ausbrechen konnten. Er selbst „ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit wir erleuchtet werden zur Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi“ (2 Kor 4, 6). 2. Das war der heilbringende Anfang der Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi: der Beginn der Evangelisierung Amerikas, der Beginn des Glaubens und der Kirche in der Neuen Welt. Ihr alle, die ihr diese Kirche bildet, wollt dieses Ereignisses mit tiefer Dankbarkeit dem Allmächtigen gegenüber gedenken, dem Vater, Sohn und Heiligen Geist, Gott gegenüber, der Liebe und Wahrheit ist. So wollt ihr schon jetzt, während dieser neunjährigen Vorbereitung, den Spuren all jener Glaubensboten folgen, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts wie der Apostel Paulus Zeugnis abgelegt haben: „Wir verkündigen nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen“ (2 Kor 4, 5). Dieses gelebte und verkündete Zeugnis für Jesus Christus als den Herrn, als Licht des Lebens, als Anfang und Ende der menschlichen Existenz, als Bruder der Menschen im Heilsplan Gottes ist die große Neuheit, die die nachfolgenden Generationen von Missionaren in Bewegung setzt. Sie kommen aus allen Teilen der Iberischen Halbinsel: Franziskaner, Merce-darier, Dominikaner, Augustiner, Jesuiten, Kapuziner und Angehörige anderer Orden. Später schließen sich auch Angehörige anderer Nationen an, Jahrhunderte hindurch und bis in unsere Tage, bis der Glaube an Christus in der neuen Christenheit Wurzeln geschlagen und sich gefestigt hat. 813 REISEN Der Glaube an Christus, den Erlöser, und der Dienst an diesem Glauben ist es, der die Verkünder des Evangeliums anspornt; er macht sie zu Dienern des Menschen, dem sie in diesem neuen Erdteil begegnen und in dem sie dank ihres Glaubens den Bruder entdecken, den von Christus Erlösten, den Sohn des einzigen Vaters, Gott. Welch großes Staunen ruft jedoch heute das Handeln dieser Glaubensboten hervor! Sie waren gering an der Zahl in einem so weitgestreckten Erdteil, verfügten nicht über die modernen Verkehrs- und Kommunikationsmittel und nur über geringe medizinische Hilfen und überquerten trockene und unwirtliche Landstriche, Sümpfe und Hochebenen, die von Colorado und der Halbinsel Florida bis Mexiko und Kanada reichen, von den Tälern des Orinoco und des Magdalena bis zum Amazonas, von der Pampa zum Arauco. Ein wahres Heldenlied im Dienst der Evangelisierung, voll des Vertrauens und der Kraft des Kreuzes Christi! 3. Im gleichen Brief an die Korinther schreibt der Apostel: „Daher erlahmt unser Eifer nicht in dem Dienst, der uns durch Gottes Erbarmen übertragen wurde. Wir haben uns von aller schimpflichen Arglist losgesagt; wir handeln nicht hinterhältig und verfälschen das Wort Gottes nicht, sondern lehren offen die Wahrheit. So empfehlen wir uns vor dem Angesicht Gottes jedem menschlichen Gewissen“ (2 Kor 4, 1-2). Wie sehr müssen wir Gott dafür danken, daß die Boten des Evangeliums ihre Mission in diesem Geist erfüllten! Sie kamen tatsächlich ihrer Aufgabe in Freiheit und mit Kühnheit nach und ohne jede menschliche Berechnung. Deshalb verkündeten sie das Wort Gottes in seiner ganzen Fülle. Auch verbargen sie nicht unter dem Mantel des Schweigens die praktischen Folgen, die sich aus dem Wissen um die Würde jedes Menschen, eines Bruders in Christus und Gotteskindes, ergeben. Und wenn der Mißbrauch der Macht den Wehrlosen traf, rief diese Stimme unaufhörlich die Gewissen wach; sie verurteilte die Unterdrük-kung und verteidigte die Würde des ungerecht Behandelten, vor allem die des Verlassensten. Mit welcher Kraft hallt in den Herzen das einzigartige Wort des Paters Antonio de Montesinos wider, der in der ersten dokumentierten Predigt - im Advent 1511, zu Beginn der Evangelisierung - an eben diesen Orten seine Stimme erhebt, mit Nachdruck die Unterdrük-kung und den Mißbrauch Unschuldiger anklagt und ausruft: „Ihr seid alle in schwerer Sünde . . . Sind diese vielleicht keine Menschen? Haben sie vielleicht keine vernünftigen Seelen? Seid ihr vielleicht nicht verpflichtet, sie wie euch selbst zu lieben?“ Seine Stimme gleicht der der Bischöfe, die 814 REISEN in der ganzen Neuen Welt den Titel „Beschützer der Indianer“ an-nahmen. Darüber hinaus wendet sich der Bote des Evangeliums - trotz der auch unter Christen verbreiteten Sünde - der Solidarität mit den Schwachen zu. Mit Recht konnte ein Geschichtsschreiber sagen, daß den Ordensmännern „nicht nur die übernatürliche Lehre zu verdanken ist, sondern daß sie auch . . . ethisches und politisches Verhalten lehrten, einfach alles, was für das menschliche Leben erforderlich ist“. Während der kommenden neun Jahre versucht die Kirche in Lateinamerika, dieser zweifachen Dimension des Evangeliums große Aufmerksamkeit zu schenken. Das verlangt das integrale Glaubensbewußtsein des Volkes Gottes, das in der reifen christlichen Überzeugung und in den verschiedenen Formen der Volksreligiosität zum Ausdruck kommt, die für die tiefe Anhänglichkeit vieler Menschen an die Geheimnisse Gottes im Gewissen und im Leben Zeugnis ablegt. Angesichts dieses Zeugnisses danken wir aus ganzem Herzen dem „Herrn der Ernte“ für die Wohltaten, die er den Verkündern der Frohbotschaft von Anfang an und bis auf den heutigen Tag erwiesen hat. 4. Das Evangelium dieser Messe erinnert uns an die Heimsuchung Mariens nach der Verkündigung, im Haus Elisabeths. Lateinamerika hat sich zu einem Land der neuen Heimsuchung bekehrt, denn seine Bewohner haben Christus aufgenommen und ihn in gewissem Sinn aus dem Schoß Mariens geholt, trug doch eines der drei Schiffe des Kolumbus ihren Namen. Auch haben sie sich in besonderer Weise durch Maria Christus zugewandt. Aus diesem Grund ist dieser Kontinent bis heute Zeuge der besonderen Gegenwart der Gottesmutter im Geheimnis Christi und der Kirche (vgl. Lumen gentium, Kap VIII, Nr. 52—65). Sogar nach außen bezeugen die neuevangelisierten Länder eine einzigartige Gegenwart Mariens, finden sich doch hier etwa 2000 Namen von Städten, Dörfern und anderen Orten, die sich auf die Geheimnisse und Anrufungen der seligsten Jungfrau beziehen. Wenn Elisabeth bei ihrer Begrüßung der Jungfrau von Nazaret die Worte „Selig ist, die geglaubt hat“ (Lk 1, 45) ausspricht, so können diese Worte auf die Bewohner eures Kontinents angewandt werden: selig ihr, weil ihr geglaubt habt. Im Lauf der neunjährigen Vorbereitung, die wir beginnen, wollen wir über diese Seligpreisung nachdenken, indem wir Gott für den Glauben der zahlreichen Generationen danken, die, mit der Fackel Christi in ihren Händen und ihren Herzen, alle Länder des Kontinents Amerika durch- 815 REISEN quert haben, damit sie auch weiterhin in diesem Glauben die Quelle des Lebens und der Heiligkeit finden. Bereiten wir uns also vor, mit Maria das Magnifikat zu singen für das „Große, das er getan hat“, für die großen Gaben Gottes, die das Leben des Menschen auf der Erde in die Fülle eines „neuen Lebens“ verwandeln und vor diesem Leben den Blick in die Ewigkeit Gottes auftun. „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1, 49-50). Das ist unser frohes Dankeslied, das wir dem Herrn für sein unablässiges Erbarmen singen und das in uns zur Anerkennung seiner Größe und unseres Elends, zu kindlicher Ehrfurcht und Liebe und zum Versprechen der Treue zu seinen Geboten wird, denn die Furcht Gottes ist der Anfang der Weisheit (vgl. Ps 110 [111], 10). Im Magnifikat Mariens hallen auch diese Worte wider: „(Gott) vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind; er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und läßt die Reichen leer ausgehen“ {Lk 1, 51-53). Das geoffenbarte Wort bezeugt hier das Wohlwollen Gottes, der sich den Demütigen und Kleinen schenkt, denen er die Geheimnisse seines Reiches kundtut (vgl. Mt 11, 25) und die er mit seinen Gütern und seiner Hoffnung erfüllt. Er ist der Gott aller, erweist jedoch sein Erbarmen in erster Linie den Besitzlosen dieser Welt. Die Worte des Magnifikat sind ein vorweggenommenes Echo auf die Seligkeiten: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich . . . Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden satt werden“ {Mt 5, 3-6). Diese biblische Wirklichkeit findet ihr Fundament in der Identifizierung Christi mit dem Notleidenden: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt25, 40). Das Beispiel der Liebe Christi zu den Notleidenden hat sich für die Kirche in Lateinamerika vor allem seit Medellin und Puebla konkretisiert, und zwar in jener Haltung, die als bevorzugte Option für die Armen bezeichnet wird. Angesichts des nahenden halben Jahrtausends der Evangelisierung steht die Kirche in Lateinamerika vor dieser höchst wichtigen Aufgabe, deren Wurzeln im Evangelium hegen. Ohne jeden Zweifel muß die Kirche ihrem Herrn unbedingte Treue halten, indem sie diese Option in die Praxis umsetzt und hochherzig ihren Beitrag zum Werk der sozialen 816 REISEN Befreiung der besitzlosen Massen leistet, um so für alle jene Gerechtigkeit zu erwirken, die ihrer Würde als Menschen und Kinder Gottes entspricht. Lateinamerika steht vor einer historischen Prüfung Diese wichtige und dringende Aufgabe muß jedoch in Treue zum Evangelium verwirklicht werden, das den Rückgriff auf Methoden des Hasses und der Gewaltanwendung verbietet; - sie muß unter Aufrechterhaltung einer bevorzugten Option für die Armen verwirklicht werden, die nicht - wie ich schon bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt habe - ausschließlich oder ausschließend sein darf, sondern sich allen zuwenden muß, die sich von ihren Sünden befreien und aus dem Herzen heraus bekehren wollen; - sie muß im Hinblick auf die irdische und ewige Berufung des Menschen verwirklicht werden; - sie muß verwirklicht werden, ohne daß dabei die unumgängliche Bemühung um soziale Veränderungen den Menschen der Gefahr aussetzt, Systemen zu verfallen, die ihn seiner Freiheit berauben und ihn - von Atheismus und praktischem Materialismus gekennzeichneten - Methoden unterwirft, die ihn seines inneren und transzendenten Reichtums berauben; - sie muß in der Überzeugung verwirklicht werden, daß die erste Befreiung, um die sich der Mensch sorgen soll, die Befreiung von der Sünde, vom moralischen Übel ist, das sich in seinem Herzen einnistet und Ursache der „sozialen Sünde“ und der Unterdrückungsstrukturen ist. Dies sind einige grundlegende Bezugspunkte, die die Kirche bei der Verwirklichung ihrer Evangelisierungs- und Entwicklungsaufgaben nicht außer acht lassen darf. Sie müssen in der theologischen Theorie und Praxis beachtet werden in Übereinstimmung mit den Weisungen des Hl. Stuhls in seiner kürzlich veröffentlichen „Instruktion bezüglich einiger Aspekte der Theologie der Befreiung“, die von der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegeben wurden. In diesem feierlichen Augenblick möchte ich neuerdings betonen, daß der Papst, die Kirche und ihre Hierarchie weiterhin um die Sache der Armen bemüht sein wollen, um ihre Würde, ihre Förderung, ihre Personenrechte, ihr Streben nach unaufschiebbarer sozialer Gerechtigkeit. Deshalb dürfen sich jene, die nach den vorher aufgezeigten Kriterien und gemeinsam mit ihren Hirten arbeiten, die im Rahmen der Kirche mit lobenswerter Hochherzigkeit für die Sache der Armen wirkenden Perso- 817 REISEN nen und Institutionen, in ihren Absichten nicht eingeengt, sondern vielmehr bestärkt und ermutigt fühlen. 6. Am Ende der ersten Hälfte einer 1000jährigen Periode der Evangelisierung steht Lateinamerika vor einer großen historischen Prüfung. Deshalb sieht die Kirche in diesem Jubiläum einen Aufruf zu neuem kreativen Einsatz in ihrem Evangelisierungswerk. Sie vertieft ständig ihre Kenntnis des Evangeliums. Sie, die alle im Evangelium enthaltene Wahrheit und Liebe sucht, möchte dem Programm des Paulus treu sein: „Wir haben uns von aller schimpflichen Arglist losgesagt; wir . . . verfälschen das Wort Gottes nicht, sondern lehren offen die Wahrheit. So empfehlen wir uns vor dem Angesicht Gottes jedem menschlichen Gewissen“ (2 Kor 4, 2). Das Wort Gottes bedarf jedoch zu seiner Verkündigung menschlicher Lippen. Wir müssen sie Christus leihen. Man benötigt dazu in erster Linie zahlreiche oder zumindest ausreichende Berufungen zum Priestertum und zum Ordensstand. Es ist notwendig, daß im Schweigen des fruchtbaren Gebets, das der Lesung des göttlichen Wortes entspringt, viele Männer und Frauen Lateinamerikas den Ruf Gottes vernehmen, der sie auffordert, ihre eigenen Interessen hintanzustellen, um Christus unmittelbar nachzufolgen und sich mit rückhaltlosem Einsatz seinem Lebensstil und seiner selbstlosen Hingabe für jeden einzelnen Menschen anzuschließen, dem sie auf ihrem Weg begegnen. Diese besonders geweihten Männer und Frauen werden es sein, die gemeinsam mit den derzeitigen Trägern der Pastoral in dem aus allen Getauften gebildeten Netz apostolischer Tätigkeit den starken Knoten bilden, um dem erhofften Bemühen um die Katechese jene Kraft zu verleihen, die sie zur besten Vorbereitung auf das 500jährige Jubiläum der Evangelisierung Amerikas macht. Welch bessere Ehrerbietung könnte man den ersten Missionaren Lateinamerikas erweisen als die Nachahmung ihrer totalen Hingabe an Christus und die Verwirklichung intensiver katechetischer Arbeit - auf diözesaner, nationaler und kontinentaler Ebene -, die zu einer besseren Kenntnis des geoffenbarten Wortes und zu einem besseren Einsatz für seine Übersetzung ins Leben führt? Eine solche Arbeit muß neben anderen vordringlichen Zielen die Förderung einer gesunden familiären und öffentlichen Moral und einen immer bewußteren Sakramentenempfang im Auge haben und auf die Belebung der der Taufe eigenen Dynamik der Heiligung und des Apostolats abzielen. 818 REISEN 7. Die Bemühung der Kirche um die Treue zu Christus, zu sich selbst und zum Menschen hat nicht erst in unseren Tagen begonnen. Ich habe vorhin von dem Geist gesprochen, mit dem so viele in diesen Kontinent gekommenen Missionare ihre Aufgabe der Evangelisierung erfüllt haben und gleichzeitig aktiv für die soziale Förderung wirkten. Wie viel verdankt man ihnen auch rein menschlich aufgrund der Arbeit, die sie im Geist des Evangeliums und der Liebe zu allen Menschen vollbracht haben! Ihre Leistungen werden in unseren Tagen in zahlreichen Formen und an zahlreichen Orten auf fruchtbringende Weise fortgesetzt. Wie viele andere konkrete Initiativen sind - auf allen Breitengraden Amerikas - der Inspiration so vieler gottgeweihter Frauen und Männer oder christlicher Laien entsprungen, die die Lehren der Kirche aufgenommen haben und noch auf nehmen! In der neuesten Kirchengeschichte stellen die Konferenzen von Medellin und Puebla Marksteine dar. Die erste griff auf die Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils zurück. Die zweite befaßte sich zehn Jahre später mit den ideellen Richtlinien der ersten und legte unrichtige Auslegungen ihrer Beschlüsse offen, um besser der Mission der Kirche und ihrem Einsatz für den Menschen entsprechen zu können. Wie viele Bemühungen hat doch auch der Episkopat der verschiedenen Nationen des Kontinents zur Förderung des lateinamerikanischen Menschen durch eine erneuerte Evangelisierung unternommen! Der CELAM hat sein Werk der Animation, des Dienstes und der Einigung mittels zahlreicher Initiativen fortgesetzt. Ich kann es nicht unterlassen, seine kürzlich erschienene „Botschaft zum 500jährigen Jubiläum der Entdeckung und Evangelisierung Lateinamerikas“ zu erwähnen. Der Bischofsrat tritt in dieser Botschaft für die Förderung des lateinamerikanischen Menschen im Licht Christi, die Anerkennung seiner Würde und die Befriedigung seiner mit Geduld erhofften Rechte ein. 8. Indem ich all dies vor Augen habe, werfe ich mich als Bischof von Rom vor der Majestät des lebendigen Gottes - Vater, Sohn und Heiliger Geist - auf die Knie. Vor dir, König der Jahrhunderte und Herr der Herren. Gemeinsam mit euch, den Brüdern im Bischofsamt, mit euren Priestern und Ordensfamilien, den Söhnen und Töchtern Amerikas, der jungen und der erwachsenen Generation eröffne ich diese große Novene von neun Jahren: Möge sie zu einer neuen Evangelisierung, einer ausgedehnten 819 REISEN Mission Lateinamerikas und einer intensiven geistlichen Erweckung werden. Mit dieser Novene möchten wir, durch das unbefleckte Herz der Gottesmutter und an der Schwelle der 500-Jahr-Feier des Glaubens der Kirche in diesen Ländern, das Band zwischen Taufe und Evangelisierung erneuern. Das Band mit dir, Christus, dem Vater des kommenden Jahrhunderts, der du unser Erlöser und Herr bist. Mit dir, der du lebst und herrschest mit Gott, dem Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes in alle Ewigkeit, Amen. Maria, Mutter Amerikas Gebet zur Vorbereitung auf die 500-Jahr-Feier der Evangelisierung Amerikas in Santo Domingo am 12. Oktober Heilige Maria, Mutter unseres Amerikas, durch die Predigt des Evangeliums haben unsere Völker gelernt, daß sie Brüder sind und daß du die unbefleckt Empfangene bist, voll der Gnade. Mit kindlicher Sicherheit wissen wir, daß in deinen Ohren noch die Verkündigung des Engels klingt, auf deinen Lippen noch der Lobgesang des Magnifikats schwebt, in deinen Armen der zum Menschenkind gewordene Gott ruht, in deinem Herzen das Kreuz von Golgota bewahrt ist, auf deiner Stirn Licht und Feuer des Heiligen Geistes strahlen und unter deinen Füßen die Schlange zertreten wird. Unser aller heiligste Mutter, in dieser Stunde der neuen Verkündigung des Evangeliums bitte für uns beim Erlöser des Menschen, daß er uns befreie von der Sünde und von allem, was uns zu Sklaven macht: daß er uns eine mit dem Band der Treue zur Kirche und zu den Hirten, die sie leiten. Zeige deine Mutterliebe den Armen, den Leidenden und denen, die das Reich deines Sohnes suchen. Ermutige unsere Bemühungen zum Aufbau eines Kontinents der solidarischen Hoffnung in Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe. Wir danken aus tiefstem Herzen für das Geschenk des Glaubens und verherrlichen mit dir den Vater allen Erbarmens durch deinen Sohn Jesus im Heiligen Geist. Amen. 820 REISEN Begegnung zwischen zwei Welten Ansprache an die Bischöfe des Lateinamerikanischen Bischofsrates in Santo Domingo am 12. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! In diesem Olympiastadion von Santo Domingo treffe ich mit euch, bischöfliche Brüder des CELAM und Vertreter anderer Bischofskonferenzen, zusammen. Heute ist ein vielsagendes Datum: der 12. Oktober. Vor beinahe fünfhundert Jahren begann in diesen Länder das Werk, das Christus - wie wir im Matthäusevangelium hören können - seiner Kirche anvertraut hat: die Evangelisierung aller Völker. Die Vorbereitung dieser Jahrhundertfeier ist der Grund für unsere Zusammenkunft. Ich freue mich deshalb, daß an diesem Tag, der an die Begegnung zwischen zwei Welten, dem europäischen und dem amerikanischen Kontinent, erinnert, der Papst sich mit den Bischöfen der Kirche treffen kann, die die Evangelisierung hier ausübte, und jener Kirche, die sie empfangen hat, so daß sich die eine und selbe Kirche verwirklicht hatte: die Kirche Christi. Mit welcher Freude grüße ich heute diese evangelisierende und evangeli-sierte Kirche, der es in einem großartigen Impuls schöpferischer Kraft und Jugendfrische gelungen ist, daß nahezu die Hälfte aller Katholiken heute in Lateinamerika leben! Zeuge dieser apostolischen, von Hoffnung erfüllten Jugendfrische will heute die Menge der Jugendlichen sein, die uns in diesem Stadion umgeben. In ihnen sehe ich die christliche Jugend dieses Kontinents vertreten: Sei gegrüßt, junge Kirche, Hoffnung Lateinamerikas! I. Auf den Spuren der Evangelisatoren 1. Die Vorsehung führt mich wieder einmal in die Länder Amerikas, den Erdteil, der als Neue Welt bezeichnet wird. Schon auf der ersten apostolischen Reise meines Pontifikats sagte ich, daß ich über Santo Domingo reisen wollte „auf dem Weg, die die ersten Glaubensboten nach der Entdeckung des Kontinents einschlugen“ {Ansprache nach der Ankunft am 25. Januar 1979 in „Hoffnung, so weit wie das Meer“, S. 14). 821 REISEN Die lateinamerikanischen Bischöfe hatten ihrerseits im Dokument von Puebla das Ereignis der vor fünfhundert Jahren begonnenen Evangelisierung und die Herausforderung, die sie für die Kirche auf diesem Kontinent mit sich brachte, vor Augen (vgl. Evangelisierung und Volksreligiosität, Teil II, Kap. II, 3.3). Auch während der apostolischen Reise in Spanien erklärte ich in Saragossa, daß das fünfhundertjährige Jubiläum der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas ein Ereignis sei, das zu feiern die Kirche nicht verabsäumen dürfe (Ansprache am 6. November 1982). Aber vor allem bei meiner Begegnung mit dem CELAM in der Kathedrale von Port-au-Prince (Haiti) im März vergangenen Jahres sagte ich, daß ihr dieses Jubiläum feiern sollt „mit einem Rückblick voller Dankbarkeit gegenüber Gott für die christliche und katholische Berufung Lateinamerikas und gegenüber all denen, die lebendige und aktive Werkzeuge der Evangelisierung waren. Mit einem Blick voller Treue gegenüber eurer Glaubensvergangenheit. Mit einem Blick auf die Herausforderungen der Gegenwart und auf die Bemühungen, die unternommen werden. Mit einem Blick schließlich auf die Zukunft, um zu sehen, wie das begonnene Werk zu konsolidieren ist“. Ein Werk, das „eine Neu-Evangelisierung“ sein soll, „neu in ihrem Eifer, in ihren Methoden und in ihrer Ausdrucksweise“ (Ansprache an den CELAM am 9. März 1983, in O.R. dt. vom 18. 3. 83, S. 17). Auf derselben Linie bewegte sich der CELAM mit der Aussage, daß die Feier des Jubiläums, „mit deren Vorbereitung wir bereits einige Jahre vorher beginnen wollen, sowohl die dankbare Anerkennung gegenüber denen bedeutet, die den Glauben auf diesem Kontinent eingepflanzt und weitergegeben haben, als auch die Verpflichtung, dieses hervorragende Erbe zu bewahren und zu mehren“ (Botschaft zur 500-Jahr-Feier der Entdeckung und Evangelisierung Lateinamerikas). 2. Das sind die Absichten, die den Entschluß inspiriert haben, das halbe Jahrtausend der Evangelisierung in geeigneter Weise vorzubereiten. Sie haben auch den Papst veranlaßt, die Solidarität der Kirche Roms diesen Kirchen zu überbringen, um durch seine Gegenwart dieser Vorbereitung Impulse zu geben, damit die hier in der Dominikanischen Republik begonnenen Aktionen auf dem ganzen Kontinent den Beginn einer großen Glaubenskampagne darstellen, die in vielfältigen Initiativen der Neu-Evangelisierung während der neun Jahre zum Ausdruck kommt, die wir heute eröffnen. Der Papst, dessen kirchlichem Dienstamt an erster Stelle der Auftrag 822 REISEN Christi, den Glauben zu verkündigen, obliegt, konnte es nicht unterlassen, seinen persönlichen Beitrag zu dieser Aufgabe zu leisten, wenn man für einen so weiten Bereich der Kirche - ganz Lateinamerika - den Entschluß zur Neu-Evangelisierung faßt. Einer Evangelisierung, die das Werk der ersten Evangelisatoren fortsetzt und vervollständigt. II. Blick in die 'Vergangenheit 1. Für eine bessere Selbsterkenntnis. Gegenüber der Problematik und den Herausforderungen, die sich der Kirche zum gegenwärtigen Zeitpunkt für die Evangelisierung stellen, benötigt sie eine klare Sicht ihrer Ursprünge und ihres gegenwärtigen Wirkens. Nicht aus rein akademischem Interesse oder aus Heimweh nach der Vergangenheit, sondern um eine eigene, sichere Identität zu finden, um sich am lebendigen Strom der Sendung und der Heiligkeit zu nähren, der ihr auf ihrem Weg Impuls gab, die Probleme der Gegenwart besser zu begreifen und sich realistischer auf die Zukunft einzustellen. Zweifellos ist diese genaue Selbstprüfung ein Beweis kirchlicher Reife. Und wenn es stimmt, daß die Kirche dabei Gründe zur Umkehr und größeren Treue zum Evangelium findet, wird sie daraus auch viele Lehren ziehen und Kraft für die Probleme gewinnen können, denen die Heilssendung in jedem Augenblick der Geschichte begegnet. 2. Der providentielle Charakter der Entdeckung und Evangelisierung Amerikas. Das Schreiben Papst Leos XIII. zum Abschluß der 400-Jahr-Feier der Tat des Kolumbus spricht von den Plänen der göttlichen Vorsehung, die das „größte und wundervollste unter den menschlichen Ereignissen“ geleitet haben und durch die Verkündigung des Glaubens eine unermeßliche Menge „zu den Hoffnungen des ewigen Lebens“ gelangen ließen (Schreiben vom 15. Juli 1892). Was die menschliche Seite betrifft, bedeutete die Ankunft der Entdecker in Guanahani eine phantastische Ausweitung der Grenzen der Menschheit, die gegenseitige Entdeckung zweier Welten, die Erscheinung der ganzen bewohnten Welt vor den Augen des Menschen, den Beginn der Universalgeschichte in ihrem Prozeß der Wechselwirkung mit all seinen Vorteilen und Widersprüchen, seinen Licht- und Schattenseiten. Was die Evangelisierung betrifft, bezeichnete sie den Ausgangspunkt einer beispiellosen missionarischen Entfaltung, die, ausgehend von der Iberischen Halbinsel, schon sehr bald der kirchlichen Landkarte eine neue 823 REISEN Gestalt geben sollte. Und das in einem Augenblick, wo die religiösen Umwälzungen in Europa Parteikämpfe und -auffassungen auslösten, so daß es neuer Länder bedurfte, um in ihnen die Kreativität des Glaubens sichtbar zu machen. Es war der starke Ausbruch der Universalität, die Christus, wie wir beim hl. Matthäus gelesen haben, für seine Botschaft gewollt hat. Diese Botschaft dringt durch das Konzil von Jerusalem in die hellenistische Welt des Römischen Reiches, wächst durch die Evangelisierung der germanischen und slawischen Völker (wo Augustinus, Benedikt, Kyrill und Method ihren Einfluß ausüben) und findet ihre neue Fülle bei der Geburt der Christenheit der Neuen Welt. Damit „werden die Grundlagen der lateinamerikanischen Kultur und ihres tatsächlichen katholischen Substrats gelegt“ (Pueblo. 412). 3. Sünde und Gnade. Eine gewisse „schwarze Legende“, die eine Zeitlang nicht wenige historische Studien kennzeichnete, konzentrierte die Aufmerksamkeit vorwiegend auf Aspekte der Gewalt und der Ausbeutung, die sich in der auf die Entdeckung folgenden Phase in der zivilen Gesellschaft zutrugen. Politische, ideologische und auch religiöse Vorurteile haben versucht, die Geschichte der Kirche auf diesem Kontinent nur negativ darzustellen. Die Kirche will, was sie betrifft, sich der Feier dieses Jubiläums in der Demut der Wahrheit, ohne Triumphalismus oder falsche Scham, nähern; indem sie einzig auf die Wahrheit blickt, um Gott für die Erfolge zu danken und aus den Fehlern Gründe zu gewinnen, sich erneuert auf die Zukunft vorzubereiten. Sie will nicht die gegenseitige Abhängigkeit leugnen, die es in der Phase des ersten missionarischen Vordringens zwischen Kreuz und Schwert gegeben hat. Doch sie will auch nicht verkennen, daß die Ausbreitung des spanischen Christentums den neuen Völkern das Geschenk, das in seinen Ursprüngen und seinem Wirken aus Europa stammte, den christlichen Glauben, mit seinem Gewicht an Humanität und Heil, Würde und Brüderlichkeit, Gerechtigkeit und Liebe zur Neuen Welt brachte. Das löste die außergewöhnliche missionarische Entfaltung, von der Transparenz und Entschiedenheit des christlichen Glaubens her, unter den verschiedenen Völkern und ethnischen Gruppen, eingeborenen Kulturen und Sprachen aus. Die Menschen und Völker des neuen amerikanischen Rassengemisches wurden auch von der Neuheit des christlichen Glaubens geprägt. Und im 824 REISEN Antlitz Unserer Lieben Frau von Guadalupe ist die Kraft und Einwurze-lung jener ersten Evangelisierung symbolisiert. Aber trotz der übermäßigen Nähe oder Verschmelzung von weltlicher und religiöser Sphäre, die für jene Zeit typisch waren, gab es keine Identifikation oder Unterwerfung, und die Stimme der Kirche erhob sich vom ersten Augenblick an gegen die Sünde. In einer Gesellschaft, die geneigt war, die materiellen Vorteile zu sehen, die sie mit der Versklavung oder Ausbeutung der Indianer erlangen konnte, erhebt sich der unzweideutige Protest des kritischen Gewissens des Evangeliums, das die Mißachtung der Forderungen nach menschlicher Würde und Brüderlichkeit anklagt, die auf der Schöpfung und Gotteskindschaft aller Menschen beruhen. Wie viele Missionare und Bischöfe hat es gegeben, die für die Gerechtigkeit und gegen die Mißbräuche der Eroberer und ihrer Auftraggeber kämpften! Bekannt sind die Namen Antonio Montesinos, Bartolome de Las Casas, Juan del Valle, Julian Carces, Jose de Anchieta, Jose de Acosta, Manuel de Nöbrega, Roque Gonzalez, Toribio de Mogrovejo und viele andere. So versuchte die Kirche, der Sünde der Menschen, einschließlich der ihrer eigenen Söhne, damals wie zu anderen Zeiten die Gnade der Bekehrung, die Hoffnung auf das Heil, die Solidarität mit dem Hilflosen, das Bemühen um totale Befreiung gegenüberzustellen. 4. Evangelisierung und menschliche Förderung. Aber die Evangelisierungsarbeit beschränkte sich in ihrer sozialen Auswirkung nicht auf die Anklage der Sünde der Menschen. Sie löste auch eine umfassende rechtstheologische Debatte aus, die mit Francisco de Vitoria und seiner Schule von Salamanca gründlich die ethischen Aspekte der Eroberung und Kolonisierung analysierte. Dies bewirkte die Veröffentlichung von Gesetzen zum Schutz der Indianer und ließ die großen Grundsätze des internationalen Völkerrechts entstehen. Ihrerseits legten die Missionare in der täglichen Arbeit des unmittelbaren Kontakts mit der evangelisierten Bevölkerung Dörfer an, bauten Häuser und Kirchen, leiteten Wasser zu, lehrten die Erde zu bebauen, führten neue Anbaumethoden ein, verteilten Tiere und Arbeitswerkzeuge, errichteten Spitäler, sorgten für die Verbreitung von Künsten wie Bildhauerei, Malerei, Goldschmiedekunst, lehrten neue Handwerke. Neben jeder Kirche entstand - als erste Sorge - die Schule zur Bildung der Kinder. Über diese Bemühungen der Förderung des Menschen gibt es viele Seiten in den Chroniken von Mendieta, Grijalva, Motolinia, Reme-sal und anderen. Mit welcher Befriedigung berichten sie davon, daß ein 825 REISEN einziger Bischof sich rühmen konnte, in seiner Diözese 500 Schulen zu beherbergen! Nicht weniger Interesse, Menschen in den evangelisierten Ländern zu fördern, bemerkt man bei den großen Missionarsgestalten wie Pater Kino, Bruder Junipero Serra, dem seligen Roque Gonzales, Antonio Vierira, die soviel getan haben, um das menschliche Niveau ihrer neuen christlichen Gemeinden zu heben. Gleichzeitig bahnen sich langsam breite gemeinsame Erfahrungen über Wachstum in Menschlichkeit und die tiefere Einpflanzung des Christentums, in neuen und menschenwürdigeren Lebens- und Gesellschaftsformen, an. Dazu gehörten die sogenannten „Spitaldörfer“ des Bischofs Vasco de Quiroga, die Reduktionen oder Missionskolonien der Franziskaner, die Sonderreduktionen der Jesuiten in Paraguay und viele andere Werke der Nächstenliebe und Barmherzigkeit, der Bildung ünd Kultur. Unter diesem kulturellen Aspekt mußten die Evangelisatoren katecheti-sche Methoden erfinden, die es noch nicht gab, sie mußten „Schulen der Katechese“ schaffen zur Ausbildung von Kinder-Katecheten, um die Sprachbarrieren zu überwinden. Vor allem galt es, Bilder-Katechismen vorzubereiten, die den Glauben erläuterten, Grammatiken und Wörterbücher zusammenzustellen, auf das Mittel des Wortes und des Zeugnisses, der Künste des Tanzes und der Musik, des Theaters und der Passionsspiele zurückzugreifen. Auf diesem Gebiet zeichneten sich hervorragende Pädagogen aus, z. B. Bruder Pedro de Gante. Ein besonderes Zeugnis dieser Tätigkeit sind - allein im Zeitraum zwischen 1524 und 1572 - die noch erhaltenen 109 Werke der Eingeborenenbibliographie, während viele andere verloren gegangen sind oder nicht gedruckt wurden: Es handelt sich um Wörterbücher, Predigten, Katechismen, Andachtsbücher und Bücher anderen Inhalts. Es handelt sich um äußerst wertvolle Beiträge der Missionare, die von ihrer Beherrschung zahlreicher Eingeborenensprachen zeugen, von den völkerkundlichen und historischen, botanischen und geographischen, biologischen und astronomischen Kenntnissen, die sie sich in der Ausübung ihrer Sendung angeeignet haben. Sie sind auch Zeugnis davon, daß nach dem anfänglichen Zusammenstoß der Kulturen die Evangelisierung sich die einheimische Kultur anzueignen und diese ihrerseits zu inspirieren vermochte. Selbst die örtlichen Konzilien und Synoden enthalten manchmal, verbunden mit Weisungen kirchlichen Charakters, interessante Klauseln kultureller Art und zur Förderung des Menschen. Ein Werk der Evangelisierung und Förderung, das durch die Erziehung in den Schulen und Universitäten, durch so zahlreiche soziale Initiativen von 826 REISEN Männern und Frauen, die vom Ideal des Evangeliums erfüllt sind, bis in unsere Tage fortdauert. Diese Männer und Frauen hatten von Anfang an ein klares - stets gültiges - Bewußtsein von ihrer Sendung: nämlich, daß der Evangelisator den Menschen dadurch fördern muß, daß er ihm vor allem den Glauben, das Heil in Christus, die Mittel und Anleitung gibt, es zu erlangen. Denn arm ist der, dem es an materiellen Mitteln mangelt, aber noch ärmer derjenige, der den Weg nicht kennt, den Gott ihm weist, der seine Adoptivkindschaft nicht ergreift, der nichts von dem sittlichen Weg weiß, der zu der Bestimmung ewigen Glücks führt, zu dem Gott den Menschen beruft. 5. Ein vom katholischen Glauben geprägter Kontinent. Eine bezeichnende Tatsache der Geschichte ist, daß die erste Evangelisierung wesentlich die kulturgeschichtliche Identität Lateinamerikas markiert hat (vgl. Puebla 412). Beweis dafür ist, daß der katholische Glaube trotz des seelsorglichen Vakuums, das in der Zeit der Unabhängigkeit oder der Feindseligkeiten und nachfolgenden Verfolgungen entstand, dem Herzen seiner Völker nicht entrissen wurde. Dieser kulturelle katholische Nährboden kommt in der vollen Lebendigkeit des Glaubens zum Ausdruck, in der Lebensweisheit gegenüber den großen Problemen des Daseins, in den barocken Formen der Religiosität, des tiefen trinitarischen Inhalts, der Verehrung für das Leiden Christi und Maria. Aspekte, die man sich auch bei einer erneuerten Evangelisierung sehr wohl vor Augen halten muß. Ein gemeinsamer Nährboden katholischer Herkunft, gemeinsamen Glaubens bei den verschiedenen Völkern, der seine Festigkeit bereits in der Fähigkeit bewiesen hat, in die nachtridentinische Reform die Erneuerung des Zweiten Vatikanischen Konzils und die in Medellin und Puebla gereiften Impulse einzugliedern. Ein Nährboden, der eine bewundernswürdige Zahl von Heiligen erreichte in so vorbildlichen und ihrem Volk so nahen Gestalten wie Toribio de Mogrovejo, Rosa de Lima, Martin de Porres, Jean Macias, Pedro Claver, Francisco Solano, Luis Beiträn, Jose de Anchieta, Marianita de Quito, Roque Gonzales, Pedro de Bethancur, Bruder Miguel Febres Cordero und anderen. Ein Nährboden von unleugbarer Lebenskraft und aktueller Jugend; der nach wirksamen Formen der Einfügung in die heutige Gesellschaft sucht; der eine erneuerte und von Hoffnung erfüllte Evangelisierung erwartet, um den eigenen Glaubensreichtum zu neuem Leben zu wecken und starke Kräfte tiefchristlichen Ursprungs anzuregen; um imstande zu sein, ein 827 REISEN neues Lateinamerika aufzubauen, das, in seiner christlichen Berufung gestärkt, frei und brüderlich, gerecht und friedvoll, Christus und dem lateinamerikanischen Menschen treu ist. III. Blick in die Zukunft: der Kontinent der Hoffnung 1. Die Herausforderungen des Augenblicks. Wenn wir das Panorama betrachten, das sich der Neu-Evangelisierung öffnet, ist es unmöglich, die Schwierigkeiten zu verkennen, denen diese Arbeit gegenübersteht. Der Mangel an qualifizierten Priestern für diese Sendung ist das erste und vielleicht größte Hindernis. Die Säkularisierung der Gesellschaft gegenüber der Notwendigkeit, die radikal christlichen Werte zu leben, bildet eine weitere ernste Beschränkung. Die Hemmung, den Glauben frei zu bekennen, ist leider oft feststellbare Tatsache. Das Gegenzeugnis gewisser inkonsequenter Christen oder die kirchlichen Spaltungen rufen offensichtlichen Skandal in der christlichen Gemeinschaft hervor. Der dringende Ruf nach Gerechtigkeit, auf die man schon allzu lange wartet, erhebt sich aus einer Gesellschaft, die nach der ihr geschuldeten Würde verlangt. Die Korruption im öffentlichen Leben, die bewaffneten Konflikte, die ungeheuren Ausgaben, um Tod und nicht Fortschritt zu bereiten, der Mangel an sittlichem Gefühl auf vielen Gebieten verbreiten Müdigkeit und zerstören die Vorstellung von einer besseren Zukunft. Zu all dem kommen die Rivalitäten zwischen den Nationen, ein unkorrektes Verhalten in den internationalen Beziehungen und im Handelsaustausch, was neue Störungen des Gleichgewichts hervorruft. Und nun stellt sich das ernste Problem der Auslandsverschuldung der Länder der Dritten Welt, insbesondere Lateinamerikas. Dieses Phänomen kann Bedingungen einer sozialen Lähmung auf unbestimmte Zeit hervorrufen und ganze Nationen zu einer Dauerverschuldung mit ernsten Rückwirkungen verdammen, was ständige Unterentwicklung zur Folge hat. In diesem Zusammenhang kommen mir die Worte in den Sinn, die ich auf meiner apostolischen Reise in der Schweiz gesprochen habe: „Auch die Finanzwelt ist Menschenwelt, unsere Welt, unser aller Gewissen unterworfen; auch zu ihr gehören ethische Grundsätze“ (Predigt bei der Messe in Flüeli, 14. Juni 1984, Nr. 6, in: O.R. dt. vom 29. 6. 84, S. 12). 828 REISEN Diese Herausforderungen bringen viele Probleme mit sich, die sich der Möglichkeit des Einsatzes und der Sendung der Kirche entziehen. Trotzdem ist es notwendig, daß sie ihre Bemühung verdoppelt, um Christus, den Retter, gegenwärtig zu machen, um durch eine Neu-Evangelisierung, die Quelle christlicher Lebenskraft und Hoffnung sein soll, die Herzen zu verwandeln. 2. Lateinamerika, in deiner Treue zu Christus widerstehe denen, die deine Berufung zur HoffHung ersticken wollen: - der Versuchung derer, die deine unleugbare christliche Berufung und die Werte, die sie bilden, vergessen wollen, um nach Gesellschaftsmodellen zu suchen, die auf sie verzichten oder ihr widersprechen; - der Versuchung dessen, was die Gemeinschaft in der Kirche als Sakrament der Einheit und des Heils schwächen kann; sei es von seiten derer, die den Glauben ideologisieren oder vorgeben, eine „Volkskirche“ zu errichten, die aber nicht die Kirche Christi ist, sei es von seiten derer, die die Verbreitung religiöser Sekten fördern, die nur wenig mit den wahren Glaubensinhalten zu tun haben; - der antichristlichen Versuchung der Gewalttätigen, die sich nichts von Dialog und Versöhnung erhoffen und die politischen Lösungen durch Waffengewalt oder ideologischen Druck ersetzen; - der Verführung durch Ideologien, die die christliche Weltanschauung durch die Idole der Macht und der Gewalt, des Reichtums und des Vergnügens ersetzen wollen; - der Korruption des öffentlichen Lebens sowie dem Drogenhandel und der Pornographie, die die moralische Kraft, den Widerstand und die Hoffnung der Völker untergraben; - dem Treiben der Agenten des Neo-Malthusianismus, die den lateinamerikanischen Völkern einen neuen Kolonialismus aufzwingen wollen; indem sie ihre Lebenskraft durch die Praktiken der Empfängnisverhütung, der Sterilisierung, der Freigabe der Abtreibung zum Erlöschen bringen und die Einheit, Stabilität und Fruchtbarkeit der Familie zersetzen; - dem Egoismus der „Zufriedenen“, die sich an die gegenwärtigen Privilegien einer wohlhabenden Minderheit klammern, während weite Kreise der Bevölkerung schwierige und sogar dramatische Lebensbedingungen in Situationen des Elends, des Randdaseins und der Unterdrük-kung ertragen müssen; - den Einmischungen ausländischer Mächte, die ihren eigenen wirtschaftlichen, militärischen oder ideologischen Interessen folgen und die 829 REISEN Völker zu einem Manövergebiet im Dienst ihrer eigenen Strategien herabwürdigen. 3. Lateinamerika, bleibe Christus treu, vermehre und verwirkliche deine Hoffnung! Hier einige Ziele für diese deine Stunde: - Hoffnung einer Kirche, die, fest verbunden mit ihren Bischöfen - ihren Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen an der Spitze -, sich intensiv auf ihre Sendung der Evangelisierung konzentriert und ihre Gläubigen zum Lebensbrunn des Wortes Christi und den Gnadenquellen der Sakramente führt; - Hoffnung auf weitere Zunahme der Priester- und Ordensberufe, um die Neu-Evangelisierung der lateinamerikanischen Völker durchzuführen, ausgehend von dem reichen Erbe der in Puebla verkündeten Wahrheiten über Christus, die Kirche und den Menschen; - Hoffnung auf eine Kirche, die sich voll in einer systematischen Katechese engagiert, die in den Gläubigen die erhaltene Evangelisierung vervollständigt; - Hoffnung der Jugend, die, voll angenommen und von ihrem Geist genährt, der Kirche auf einem Kontinent der Jugend Horizonte neuer Kraft in ihrer Treue zu Gott und durch ihn zum Menschen gibt; - Hoffnung auf einen gewissenhaften und verantwortlichen Laienstand, der in seiner kirchlichen Sendung und in seinem Auftrag zur Ordnung der Welt nach dem Willen Gottes engagiert ist; - Hoffnung auf Versöhnung zwischen den Brudervölkern, indem sie ablassen von Kriegen und Gewalttaten; um sich anzuerkennen in der Einheit einer großen, freien und glücklichen, auf einen gemeinsamen, kulturellen und religiösen Nährboden gegründeten lateinamerikanischen Heimat; - Hoffnung für die ethnischen Gruppen, die ihre Identität und eigene Kultur behalten wollen, ohne auf die gemeinsame Solidarität und den Fortschritt zu verzichten, und die einer intensiveren Evangelisierung bedürfen; - Hoffnung für die Bewegung der Arbeiter, die für würdigere Lebensund Arbeitsbedingungen kämpfen; die intellektuellen Kreise, die die ethischen und kulturellen Werte ihres Volkes wieder aufdecken, um ihnen zu dienen und sie zu fördern; für die Wissenschaftler und Techniker, die die Mittel des Wissens für die Förderung und den Fortschritt Lateinamerikas verwenden wollen. 830 REISEN 4. Auf dem Weg zur Zivilisation im Zeichen der Liebe. Das kommende Jubiläum der Entdeckung und ersten Evangelisierung ruft uns zu einer Neu-Evangelisierung Lateinamerikas auf, die mit größerer Kraft - als im Anfang - ein Potential an Heiligkeit, einen großen missionarischen Impuls, eine weitreichende katechetische Kreativität, eine fruchtbare Bekundung von Kollegialität und Gemeinschaft, einen evangelischen Kampf für die Würde des Menschen entfalten soll, um aus dem Schoß Lateinamerikas eine große Zukunft der Hoffnung erstehen zu lassen. Das hat einen Namen: „Zivilisation im Zeichen der Liebe.“ Dieser Name, den bereits Paul VI. nannte, ein Name, auf den ich selbst wiederholt angespielt habe und den die Botschaft der lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla enthält, bedeutet eine gewaltige Aufgabe und Verantwortung. Eine neue Zivilisation, die schon in die Geburt Lateinamerikas eingeschrieben ist; die unter Tränen und Leiden aufgebaut wird; die auf die volle Offenbarung der Kraft der Freiheit und Befreiung der Kinder Gottes hofft; die die ursprüngliche Berufung eines Lateinamerikas erfüllt, das aufgerufen ist - wie Paul VI. im Jahr 1964 sagte -, in einer „neuen und genialen Synthese das Geistliche und das Zeitliche, das Alte und das Moderne zu bilden, das, was die anderen dir gegeben haben und deine eigene Originalität“. Zusammenfassend: ein Zeugnis einer „ganz neuen christlichen Zivilisation“ (Predigt in der Petersbasilika am 3. Juli 1964). IV. Schluß Bischöfliche Brüder von CELAM, Jugend der Dominikanischen Republik und ganz Lateinamerikas! Das sind die Ziele, zu denen ich die Kirche im Lateinamerika als Vorbereitung auf das Jubiläum auffordere, das das Jubiläum eines erneuerten, verjüngten Glaubens sein soll. Mit der Kraft des Kreuzes, das heute den Bischöfen jeder Nation übergeben wird; mit der Fackel Christi in deinen von Liebe zum Menschen erfüllten Händen mach dich auf den Weg, Kirche der Neu-Evangelisierung! So wirst du eine neue kirchliche Morgenröte schaffen können. Und wir alle werden den Herrn der Wahrheit mit dem Gebet preisen, das die Seefahrer des Kolumbus an jenem Morgen gesprochen haben: „Gepriesen sei das Licht und das heilige wahre Kreuz und der Herr der Wahrheit und die Heilige Dreifaltigkeit. Gepriesen sei der Morgen und der Herr, der ihn uns schickt. Gepriesen sei der Tag und der Herr, der ihn uns sendet.“ Amen. 831 REISEN Immer an der Hand Mariens Predigt bei der Messe in San Juan de Puerto Rico am 12. Oktober „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ {Gal 4, 4). 1. Liebe Söhne und Töchter Puerto Ricos! Der Bischof von Rom und Nachfolger des Petrus bekennt heute zusammen mit euch den Glauben, den der heilige Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater mit diesen Worten ausdrückt: Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau. Ich stütze mich auf die in diesen Worten enthaltene erlösende Wahrheit, grüße euch von Herzen und heiße die ganze Gemeinschaft des Volkes Gottes in Puerto Rico willkommen wie auch alle Glieder der Gesellschaft auf dieser Insel der „schönen Borinquen“, der Kolumbus den Namen des hl. Johannes des Täufers gab. Welche Freude bereitet mir die Erkenntnis, daß die Menschen auf dieser vom Atlantischen Ozean umspülten Insel Christus aufgenommen haben, Zeugnis für ihn ablegen und ihn verkündigen als den Sohn Gottes und Erlöser, als das Haupt der Kirche und die Mitte ihres Glaubens! Deswegen danke ich Gott für diese Begegnung, in der wir uns alle in Christus vereint fühlen, in der wir uns über seine Gegenwart in unserer Mitte freuen und ihn als die Wurzel unserer brüderlichen Verbundenheit in ihm anerkennen. Von diesem Standpunkt tiefster kirchlicher Bedeutung aus richte ich meinen herzlichen Gruß an die Oberhirten der Kirche in Puerto Rico, vor allem an den Herrn Kardinal Luis Aponte Martinez, den Erzbischof von San Juan, und die anderen Bischöfe unter dem Vorsitz von Bischof Juan Fremiot Torres Oliver, an die Priester, die Seminaristen, die Ordensfamilien und das gläubige Volk. Mein Gruß gilt darüber hinaus dem Herrn Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, dem Herrn Gouverneur, den Behörden und Vertretern des portorikanischen Volkes in seinen verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Ausdrucksformen. 2. „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn . . . damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4, 4-5). Das ist der ewige Plan Gottes. Der ewige Plan der göttlichen Vorsehung. 832 REISEN Gott hat das so gewollt, damit die Söhne und Töchter des Menschengeschlechts in seinem Sohn die Würde von Söhnen und Töchtern Gottes erlangen. Deshalb ist der, der von demselben Wesen wie der Vater ist -wahrer Gott vom wahren Gott, der ewige Sohn, das Wort des Vaters -, Mensch geworden. Und damit diese göttliche Sohnschaft des Menschen sich beständig verwirklicht, „sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater“ (Gal4, 6). Dank der heiligenden Kraft des Heiligen Geistes - der heiligmachenden Gnade - heißen wir nicht nur Kinder Gottes, sondern wir sind es wirklich (vgl. 1 Joh 3, 1), und wir dürfen deswegen Gott „Vater“ nennen. Wir sind Söhne im Sohn. Wenn aber Söhne, dann auch Erben durch Gott (vgl. Gal 4, 7). In dieser unserer Berufung zu Söhnen und Erben zeigt sich, wie die göttliche Vorsehung gegenüber den Söhnen und Töchtern des Menschengeschlechts voller Liebe ist. 3. Gott sandte seinen Sohn, „geboren von einer Frau“. Der Name dieser Frau war Maria. Die ganze Kirche grüßt sie mit den Worten des Erzengels Gabriel: „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir“ (Lk 1, 28). Die Kirche von Puerto Rico verehrt Maria als Mutter der göttlichen Vorsehung. Darin zeigt sich die Tiefe eures Glaubens. Denn die göttliche Vorsehung ist tatsächlioh eng mit der Mutterschaft Mariens verbunden. Der Sohn Gottes - in Ewigkeit gleichen Wesens wie der Vater - wurde durch Maria Mensch und uns in allem ähnlich, nur nicht in der Sünde (vgl. Hebr 4, 15), denn sie hat ihn - in tiefstem Gehorsam gegenüber seinen göttlichen Plänen - jungfräulich empfangen und als den Menschensohn geboren. Auf diese Weise ist Maria wirklich die Mutter der göttlichen Vorsehung, und ihr verkündigt diesen ihren besonderen Titel und verehrt sie unter dieser schönen Anrufung. 4. Ich weiß, daß auf dieser portorikanischen Erde die Verehrung für die Mutter Christi und der Kirche immer sehr tief gewesen ist. Der Portorika-ner sieht in ihr wahrhaftig die eigene himmlische Mutter. Diese eure Liebe zu Maria habt ihr von den ersten Missionaren, die aus Ländern mit tief verwurzelter marianischer Tradition zu euch gekommen sind. Eure Ordensleute, Priester und Bischöfe haben euch - in ununterbrochener Folge, von Alonso Manso, dem ersten Oberhirten dieses 833 REISEN Erzbischofssitzes und ersten Prälaten, der amerikanischen Boden betrat, an — diese Verehrung eingeprägt. Euer tiefes Bewußtsein, Brüder und Schwestern im Glauben und Söhne und Töchter einer gemeinsamen Mutter zu sein, hat euch gegenseitiges Verständnis, Gastfreundschaft, Liebe und friedliches Zusammenleben gelehrt und die Fähigkeit der Verständigung trotz unterschiedlicher gesellschaftlicher Optionen vermittelt. Dies sollt ihr immer und unter allen Umständen bewahren. Die umsichtige Liebe des Vaters hat euch auf den Wegen eurer Geschichte immer an der Hand Mariens geführt. In den für den Gläubigen schwierigen Zeiten der Geschichte trug und trägt der brave Bauer dieser Erde noch immer um den Hals den Rosenkranz der Jungfrau Maria. Er ist das Erkennungszeichen seines Glaubens. Und mein Vorgänger Paul VI. rief Unsere Liebe Frau von der göttlichen Vorsehung zur Patronin Puerto Ricos aus. Ich weiß, daß ihr jetzt vorhabt, Maria, der Mutter von der göttlichen Vorsehung, ein Heiligtum zu errichten, in dem ihr und eure Kinder lernen wollt, besser durch Maria zu Jesus zu gelangen. Ich möchte euch in eurem Vorhaben ermutigen und bete zum Herrn, daß er euch dessen Verwirklichung gewähre. Diese Marienwallfahrtskirche soll euch daran erinnern, daß ihr die lebendigen Steine des geistigen, die ganze Welt umfassenden Tempels seid, der die Kirche ist. Diese Kirche lebt auch in Lateinamerika, und ihr seid in ihr Gefüge hineingestellt. In dem Maß, in dem ihr eurem Glauben entsprechend lebt, gebt ihr diesem Tempel, der jeden Menschen aufnehmen und schützen soll, Stärke und Festigkeit. Die Taufe empfangen zu haben ist eine große Gnade. Aber sie ist nur das erste Kapitel einer persönlichen und einer kollektiven Geschichte, die mit beständigen Übungen des Glaubens geschrieben werden muß; durch diese muß auch die Flamme der Liebe und der . Hoffnung stets lebendig erhalten werden, die Christus entzündet hat, als er unser Leben mit uns teilte. Unsere Antwort auf seine Menschwerdung muß darin bestehen, daß wir treu dem Lebensprogramm folgen, das er gewählt hat. Denn Christsein bedeutet höchste Achtung vor dem Erlösungswillen des Vaters, Nachahmung Christi in seiner Liebe zum Menschen und häufigen Kontakt mit dem Heiligen Geist. Denkt an dieses Programm, wenn ihr in Zukunft in das neue, der Mutter der göttlichen Vorsehung geweihte Gotteshaus eintretet. Möge sie euch helfen, es zu verwirklichen zu eurem Wohl und zu dem der ganzen Gemeinschaft der Portorikaner. 834 REISEN 5. Das Evangelium dieser Messe lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Begebenheit in Kana in Galiläa: die Hochzeit zu Kana. Während dieser Feier ging der Wein aus. Und so wandte sich Maria an Jesus mit den Worten: „Sie haben keinen Wein mehr“ (Joh 2, 3). Durch diesen ganz gewöhnlichen Vorfall will uns die Kirche lehren, daß Maria die Mutter von der göttlichen Vorsehung ist, denn sie sorgt sich um unseren menschlichen Alltag. Gehorsam gegenüber den Plänen der Vorsehung Als unser aller Mutter (vgl. Lumen gentium, Nr. 61) und als Beispiel und Typus der Kirche (ebd., 63) wacht sie über ihre Kinder. Und ermutigt sie, sich um den Aufbau einer Welt der Liebe, der Verständigung und der Gerechtigkeit zu bemühen, damit die irdische Wirklichkeit immer mehr der hohen Würde des Menschen entspricht (vgl. Gaudium etspes, Nr. 91). Sie wird weiterhin für die Menschen, ihre Kinder, ihre Fürsprache einle-gen, damit diese ihre irdischen Pflichten der Treue zu Gott und zu den Mitmenschen nicht vergessen (vgl. Gaudium etspes, Nr. 43). Gleichzeitig wird sie ihnen vom Erlöser „die Gaben des ewigen Heils“ erwirken {Lumen gentium, Nr. 62). 6. Jesus antwortet auf die Worte seiner Mutter: „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen“ {Joh 2, 4). Die Mutter Jesu sagt jedoch trotz dieser Antwort (die negativ zu sein scheint) zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut“ {Joh 2, 5). Und tatsächlich befiehlt Jesus den Dienern, die Weinkrüge mit Wasser zu füllen, das er dann in Wein verwandelt. Dazu bemerkt der Evangelist: „So tat Jesus sein erstes Zeichen in Kana in Galiläa und offenbarte seine Herrlichkeit, und seine. Jünger glaubten an ihn“ {Joh 2, 11). Die Mutter der Göttlichen Vorsehung offenbart sich in gleicher Weise in den Worten: „Was er euch sagt, das tut.“ In ihnen wird die wesentliche Funktion Marias deutlich. Sie besteht darin, die Menschen zu dem durch Christus offenbar gewordenen Willen des Vaters zu führen. Und ihre Kinder in die Herzmitte des heilbringenden Mysteriums des Erlösers des Menschen zu leiten. Mit ihrem Wort, vor allem aber durch ihr Beispiel des vollkommenen Gehorsams gegenüber den Plänen der Vorsehung zeigt sie jedem Menschen und jeder Gesellschaft den Weg, der gegangen werden muß: Was er euch sagt, das tut. Mit anderen Worten: Hört sein Wort, denn er ist der Abgesandte des Vaters (vgl. Mt 3, 17); folgt ihm in Treue, denn er ist der 835 REISEN Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14, 5); seid in der Welt von heute Licht und Salz der Erde (vgl. Mt 5, 13-16); seid Miterbauer des Friedens, der Gerechtigkeit, des Erbarmens und der Reinheit des Herzens (vgl. Mt 5, 1-12); seht im Hungernden, im Kranken, im Ausländer Christus selbst, der euch um Hilfe bittet (vgl. Mt 25, 31-45). 7. Liebe Söhne und Töchter Puerto Ricos! Die Mutter der Göttlichen Vorsehung ist in besonderer Weise in eurer Gemeinschaft gegenwärtig. Sie zeigt euch Christus, den Herrn, und wiederholt die Worte von Kana in Galiläa: „Was er euch sagt, das tut.“ Was will sie uns heute sagen? Einer der Bereiche, auf den ihre Muttersorge sich richtet, ist ohne Zweifel die Familie. Die große Hochachtung für diese ist eines der Elemente eures religiös-kulturellen Erbes. Die Familie gibt die kulturellen, ethischen, bürgerlichen, sprituellen und religiösen Werte für die Entfaltung ihrer Mitglieder und der Gesellschaft weiter. In ihr unterstützen die verschiedenen Generationen einander in ihrem Wachstum und in der Abstimmung ihrer Rechte mit den Bedürfnissen der Mitmenschen. Deswegen muß sie ein intensiv nach dem Evangelium gestalteter Lebenskreis sein, damit sie durchdrungen ist von den christlichen Werten und das Beispiel des Lebens der Heiligen Familie widerspiegelt. Die Öffnung gegenüber anderen Gesellschaftsformen muß auch immer dazu dienen, eure eigene zu bereichern. Ihr dürft jedoch nicht zulassen, daß Auffassungen, die eurem Glauben und eurer Eigenart als Volk fremd sind, die Familie dadurch zerstören, daß sie die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe attackieren. Rettet die treue und dauerhafte Liebe! Und überwindet die Scheidungsmentalität der Gesellschaft. Erinnert euch auch daran, daß „das Leben von der Empfängnis an mit höchster Sorgfalt zu schützen ist; Abtreibung und Tötung des Kindes sind verabscheuungswürdige Verbrechen“, wie das jüngste Konzil gelehrt hat {Gaudium et spes, Nr. 51). Kein menschliches Gesetz kann daher die Abtreibung moralisch rechtfertigen. Ebensowenig sind vom sittlichen Standpunkt her die Maßnahmen der Behörden zulässig, die die verantwortungsbewußte Freiheit der Eltern bei der Entscheidung über die Zahl ihrer Kinder einschränken. 8. Ein anderes Gebiet, auf dem ihr die Lehre unseres göttlichen Meisters anwenden müßt, ist die Jugend. Ihrer Erziehung im Glauben muß die Kirche von Puerto Rico vorrangige Sorge einräumen, denn Christus ist gegenwärtig in den jungen Menschen und inspiriert ihre Lebensgestaltung. 836 REISEN Die Jugend verachtet die Mittelmäßigkeit, sie lebt aus der Hoffnung und will den ihr zustehenden Platz in der Gesellschaft von heute finden. Deswegen muß ihre Stimme Gehör finden, und sie muß Zugang erhalten zu den spirituellen, kulturellen und materiellen Gütern unserer Welt, um zu vermeiden, daß sie Opfer von Frustration, Aussteigertum oder Rauschgift wird. Überseht aber nicht, daß man der Jugend die Horizonte einer soliden moralischen und kulturellen Erziehung öffnen muß, wenn man ihre Seele mit gültigen Idealen erfüllen will. Ich zolle den Bemühungen der Kirche von Puerto Rico für die Jugend - sowohl in Schule und College wie auch durch die Universität — meine Anerkennung und segne sie. Und ich ermutige euch, auf diesem Weg weiterzugehen, damit alle, welche gesellschaftliche Stellung sie auch haben mögen, in den Erziehungszentren der Kirche und außerhalb davon eine ganzheitliche Erziehung erhalten können. Mögen die Eltern auch immer die volle Freiheit bei der Wahl des Schultyps haben, den sie für ihre Kinder wünschen, ohne dafür zusätzliche wirtschaftliche Belastungen auf sich nehmen zu müssen (vgl. Canon 797). Und mögen die Schulen auch für die religiöse und moralische Erziehung der Jugend in Übereinstimmung mit dem Gewissen ihrer Eltern sorgen (vgl. Canon 799). 9. Ein weiteres Feld, auf dem die Kirche Puerto Ricos sich verwirklichen muß, was Christus heute von ihr verlangt, sind die Laien. Das Zweite Vatikanische Konzil hat klar die Figur und den Auftrag des katholischen Laien in der Kirche und in der Welt Umrissen. Es ist tröstlich zu wissen, daß in diesem Land Gruppen von Jugendlichen und Erwachsenen entstehen, die sich bewußt sind, was ihre eigene Taufe von ihnen verlangt, und die hochherzig im apostolischen Dienst der kirchlichen Gemeinschaft mitarbeiten wollen, weil sie selbst die ersten sind, die ihren Glauben umfassend leben. Ich möchte daher die Laien in ihrer christlichen Dynamik ermutigen und sie dazu ermahnen, ihren Auftrag in engstem Kontakt mit den Bischöfen und Priestern auszuüben. Die christlichen Laien sollen daran denken, daß es ihre Aufgabe ist, die zeitliche Ordnung so auszurichten, daß sie den Werten des Evangeliums entspricht (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7) und daß sie von innen heraus für die Veränderung der Gesellschaft entsprechend dem Willen Gottes kämpfen müssen. Es öffnet sich ihnen ein unermeßliches Betätigungsfeld, auf dem sie mit allen ihren Kräften zur sozialen Verbesserung der gegenwärtigen schwierigen wirtschaftlichen 837 REISEN Situation beitragen können. Ihr selbstloses Wirken ist gefordert bei der Moralisierung des öffentlichen Lebens, bei dem Bemühen, daß nicht die Ärmsten die Hauptlast der gegenwärtigen Situation tragen müssen, im Kampf gegen alles, was das Zusammenleben in der Gesellschaft stört, gegen die Kriminalität, die Rauschgiftsucht, die Korruption und den Alkoholismus. Mit Idealen von unbestechlichem ethischen Gehalt und Idealen der Liebe zum Menschen als dem Ebenbild Gottes kann der christliche Laie die Herzen ändern und so das moralische Niveau der Gesellschaft heben. Wenn ich vom kirchlichen und humanitären Engagement der Laien rede, möchte ich die Animatoren und Vorsteher von priesterlosen christlichen Gemeinden, die so viel Gutes tun, besonders erwähnen und ihnen meine Anerkennung und meine Ermutigung aussprechen. Dasselbe möchte ich den zahlreichen hier vertretenen Katechisten sagen, die so wirkungsvoll am Werk der Verkündigung des Evangeliums mitarbeiten. Sie haben ein hohes Vorbild in Bruder Ramön Pane, der die Kultur der Tainos von Grund auf kannte und sie den christlichen Glauben lehrte. Macht deswegen, liebe Katechisten und Gemeinde-Animatoren, in diesem Land der fruchtbaren katechetischen Unternehmungen weiter in eurem Engagement für den Glauben eures Volkes. 10. Vereint in dieser außergewöhnlichen Versammlung des Volkes Gottes wollen wir, nachdem wir über das in dieser Liturgie gegenwärtig gemachte geoffenbarte Wort nachgedacht haben, alle zusammen, verbunden mit der Muttergottes, jenen Hymnus auf die göttliche Vorsehung anstimmen, in dem sie das „Magnifikat“ ihrer Seele ausgedrückt hat. „Denn der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig. Er erbarmt sich von Geschlecht zu Geschlecht über alle, die ihn fürchten“ (Lk 1, 49 f.). Liebe Brüder und Schwestern, möge die Gottesfurcht immer in euren Herzen lebendig bleiben. Sie ist der Anfang der Weisheit (vgl. Ps 111, 10). Und aus der Weisheit entsteht die Liebe. Hört nicht auf, Gott dafür Dank zu sagen, daß „er seinen Sohn sandte, geboren von einer Frau, . . . damit wir die Sohnschaft erlangen“. Hört nicht auf, für die Erbschaft des Glaubens an Christus zu danken und für die Gnade der Adoption durch Gott. Hört nicht auf, Dank zu sagen durch die Mutter von der göttlichen Vorsehung. Möge sie für alle Generationen dieses Landes die Pforte zum Heil sein. Amen. 838 Pastoraireise „auf den Spuren des hl. Karl Borromäus“ (2. bis 4. November) REISEN „Der hl. Karl lehrt beten” Ansprache bei der Ankunft auf dem Heiligen Berg in Varese am 2. November Herr Kardinal! Autoritäten, liebe Bürger, die ihr hier versammelt seid! 1. Ich freue mich, meine Pilgerfahrt anläßlich des 400. Todestages des hl. Karl Borromäus zu den Stätten, die mit seinem Andenken verbunden sind, an diesem Heiligen Berg zu beginnen. Natur, Kunst, Geschichte und Religion machen ihn zur bedeutungsvollsten Stätte von Varese, und mit seinem Heiligtum und seinen Kapellen, die den Mysterien des heiligen Rosenkranzes geweiht sind, ist er das Ziel unzähliger Pilger. Herzlich begrüße ich den Erzbischof von Mailand, Kardinal Carlo Maria Martini, den Herrn Bürgermeister und den Vertreter der Regierung und danke Ihnen für ihre Grußworte; besonders begrüße ich auch den Erzpriester von Santa Maria del Monte, Msgr. Pasquale Macchi, die anwesenden Autoritäten, den Klerus, die Ordensmänner und Ordensfrauen der Stadt Varese und der umliegenden Ortschaften, und richte meinen dankbaren Gruß an euch alle, die ihr hier zusammengekommen seid, und an die ganze Bevölkerung von Varese und Varesotto. Ich fühlte mich innerlich gedrängt, diese außergewöhnliche Pilgerfahrt zu unternehmen, um sowohl den hl. Karl, einen wahrhaft großen Mann in der Geschichte der Kirche, zu ehren als auch zu den Ursprüngen seines Lebens und seiner Lehre, einem gültigen Vergleichspunkt für das christliche Leben von heute, zurückzukehren. Denn die Persönlichkeit des hl. Karl ist aus der Kirche nicht auszulöschen: Bereits während seines kurzen Erdendaseins - ein Leben von kaum 46 Jahren, von denen er 20 als Erzbischof von Mailand verbrachte -, aber vor allem nach dem Tod beeinflußten sein Beispiel und seine Seelsorgemethode mit nachhaltiger Wirkung die gesamte Kirche und wurden richtungweisend bei der Anwendung der Dekrete des Konzils von Trient in einer besonders schwierigen und umstrittenen Zeit, so daß er für die herausragendste Gestalt der katholischen Reform gehalten wurde. Er ist uns noch immer Lehrmeister, Führer, Wegweiser. Mit Recht wurde gesagt, daß „für die Welt jene, die beten, von größerem Vorteil sind als jene, die kämpfen“ (Juan Donoso Cortes), und daß „die Kirche nicht Reformatoren, sondern Heilige braucht“ (Georges Bernanos)! So erinnert der hl. Karl gerade die heutigen Christen an die höchsten und ewigen 840 REISEN Wahrheiten, die uns zu offenbaren Christus gekommen ist und die die Kirche lehrt. Auch der modernen Gesellschaft bestätigt er, daß, wenn der Glaube an Gott ausgelöscht wird, unvermeidlich auch die Hoffnung erlischt. Der hl. Karl ermutigt zum Gebet und lehrt beten und sich ernsthaft einsetzen im Bemühen um die persönliche Heiligung. 2. Wenn ich meinen geistlichen Pilgerweg mit dem Gebet des Rosenkranzes entlang des Abhangs dieses Berges beginne, auf dem alles zu uns von der seligsten Jungfrau spricht, will ich damit einen der bedeutsamsten Wesenszüge des hl. Karl hervorheben, nämlich seine Marienverehrung. Wie ihr wißt, sagt die Überlieferung, der hl. Ambrosius habe sich zur Zeit der Kämpfe gegen die Arianer oft auf diesen Berg begeben, um zu beten, und er habe hier einen Maria geweihten Altar errichten lassen. Das Heiligtum Santa Maria del Monte stammt aus früherer Zeit: Die Wall-fahrtschronik reicht bis ins 12. Jahrhundert zurück, und seine glanzvolle Zeit erlebte das Heiligtum im 16. Jahrhundert mit der Gründung des anschließenden Klosters durch die seligen Caterina und Giuliana. Der hl. Karl sah in diesem geheiligten Ort ein besonderes Zeichen des Schutzes Mariens über dieses Land und eine Verteidigung gegen die Häresien der Zeit; er förderte den alten Brauch der Wallfahrten und schaffte einiges ab, was Unordnung und Mißbrauch war. Er wollte, daß zur Vesperzeit jeden Abend der Englische Gruß gebetet und das Salve Regina gesungen werde; er kam mehrmals als Pilger hierher, und mit seinem 1574 durchgeführten Pastoralbesuch brachte er eine radikale Veränderung in die Situation des Klerus und in die Gesetzgebung des Klosters der Ambrosianischen Einsiedlernonnen, damit das Heiligtum immer mehr und immer besser für die Gläubigen zur Quelle göttlicher Gnaden und zu einem Ansporn zur Vollkommenheit würde. Nach seinem Tod entstand diese einzigartige Anlage: 1605 wurde auf Veranlassung des Kapuzinerpaters Gian Battista Aguggiari, der Äbtissin Tecla Maria Cid und des Architekten Giuseppe Bemasconi und mit Billigung und Förderung von Kardinal Federico Borromeo mit dem Bau der 14 Kapellen des hl. Rosenkranzes begonnen. Dazwischen erheben sich drei Bögen, von denen einer dem hl. Karl geweiht ist, und so führt die Straße in allmählichem Anstieg zum Heiligtum hinauf und bietet eine gute Voraussetzung für das Gebet und die Meditation der Geheimnisse des Lebens Christi. Der Ausbau des Heiligen Berges oberhalb von Varese war sicher von der Marienverehrung des hl. Karl inspiriert; er dauerte fast ein Jahrhundert (1605-1690); er war das Werk des ganzen Volkes, ein wunderbares Denkmal der Architektur, der Bildhauerkunst und der 841 REISEN Malerei, ein Ausdruck lebendiger und tiefer, christlicher und marianischer Frömmigkeit. 3. Von diesem so eindrucksvollen und so mystischen Ort dürfen wir die kostbare Unterweisung des hl. Karl über die Marienverehrung ableiten. Er, der - wie sein erster Biograph Carlo Bascape schreibt - täglich auf den Knien das Brevier und das Offizium der seligsten Jungfrau Maria betete und, wo er sich gerade befand, auch im Straßenschmutz niederkniete, wenn das Angelusläuten ertönte, ermahnt nachdrücklich zur Verehrung und Nachahmung Mariens, um echte und konsequente Christen zu sein mit einer übernatürlichen Sicht des Lebens, die über diese Erde hinausgeht. In einer Meditation über die Verkündigung des Engels sagte er: „Freue auch du dich, o Seele, freue dich über das Geheimnis, freue dich mit dem Wort der Mutter, die Königin und Lehrmeisterin des Menschengeschlechts ist: ,Magnificat anima mea Dominum.“ Auch unsere Seele preise den Herrn; sie stelle ihn allem anderen voran; sie sei nicht auf Ehre, Reichtum, weltliche Vorteile und Vergnügen bedacht; sie juble in Gott, unserem Retter. Jeder andere Genuß ist nichtig. Denken wir daran, daß Gott die Demut liebt, daß die Niedrigen erhöht werden, daß nichts höher ist als die Demut.“ Maria ist wirklich Königin und Lehrmeisterin des Menschengeschlechts, und sie lehrt uns das Vertrauen in Christus und in die Kirche, den Einsatz in der Liebe, den apostolischen Eifer, den Geist der Abtötung, den Ausblick auf den Himmel. Paul VI., der als Erzbischof von Mailand oft zu diesem Heiligtum pilgerte, schrieb in Marialis cultus: „Christus ist der einzige Weg zum Vater. Christus ist das höchste Vorbild, nach dem der Jünger sein Leben ausrichten soll, bis seine Gesinnung ihm innerlich zu eigen wird, soll er von seinem Leben leben und seinen Geist besitzen . . . Doch erkennt die Kirche, geführt vom Geiste und durch eine jahrhundertealte Erfahrung belehrt, daß auch die Verehrung der seligen Jungfrau, die der Verehrung zum göttlichen Erlöser untergeordnet und mit ihr verbunden ist, eine große pastorale Wirksamkeit besitzt und eine große Hilfe für die Erneuerung des christlichen Lebens ist“ (Nr. 57; in: Wort und Weisung, 1974, S. 479—480). Wenn die christliche Hoffnung ausgeschaltet wird, fällt man unvermeidlich in Verwirrung und Widerspruch, weil man den Sinn des Lebens in verschiedenen und einander widersprechenden Weisen sucht. Viele, die das Licht Christi nicht aufnehmen wollen, verdammen sich dazu, in der Finsternis zu bleiben. Der hl. Karl fordert uns auf, Maria zu vertrauen, zu ihr zu beten - besonders den Rosenkranz -, um dem Ansturm der 842 REISEN Verirrungen und Versuchungen zu widerstehen und nach dem Willen des göttlichen Meisters Licht der Welt und Salz der Erde zu sein. 4. Hl. Karl, hilf uns bei diesen Vorsätzen! Hl. Karl, sei uns durch Maria Ansporn im Leben der Nachfolge Christi! Wie bedeutungsvoll sind noch heute seine Worte: „Königin der Engel, erwirke für uns von deinem Sohn, dem Spender alles Guten, daß wir das Wesen der Engel nachahmen in der Reinheit des Lebens, in unaufhörlichem und beharrlichem Lobpreis, in ständiger Danksagung. Daß wir, von Liebe entflammt, leuchten und die Menschen unser Licht sehen; daß wir in himmlischer Liebe entbrennen; daß wir, den Blick auf den Himmel gerichtet, die irdischen Dinge gering schätzen; daß wir unsere Herzen erheben; daß wir Sinn für die höheren Dinge haben. Daß wir voll Sehnsucht nach der ewigen Heimat zu deiner seligen Wohnstatt mit dem einen und dreieinigen Gott gelangen dürfen, zusammen mit dir, selige Jungfrau und Mutter, und uns der zahllosen Scharen der Engel und Heiligen erfreuen dürfen. Hilf uns, hilf uns mit deinen Gebeten!“ „Demut strebt nach Höherem“ Ansprache im Kolleg San Carlo Borromeo in Pavia am 3. November Liebe Brüder und Schwestern! 1. Herzlich begrüße ich alle und jeden einzelnen von euch und danke euch für eure Anwesenheit in dieser Aula des Borromäus-Kollegs, das der Stolz eurer Stadt und symbolischer Ausdruck der Geistes- und Herzensgröße seines Stifters ist. Ich danke dem Rektor, Msgr. Angelo Comini, für die ehrenvollen Worte, mit denen er die Empfindungen aller zum Ausdruck gebracht hat, und wende mich im besonderen an Senator Mino Martinazzoli, Justizminister und Exalumne der großen Familie des Borromäus, an Fürst Giberto Borromeo, Schirmherr des Kollegs, und an die hohen Rektoren der anderen Universitätskollegien von Pavia. Herzlich begrüße ich die Schar der Studenten und die noch größere Schar der ehemaligen Studenten dieses Kollegs, ihre Familien, den FUCI- 843 REISEN Verband, der sein hundertjähriges Bestehen feiert, und alle, die sich zu der heutigen Veranstaltung hier eingefunden haben. Im Rahmen meiner Pilgerfahrt zu den Orten und Stätten des hl. Borro-mäus anläßlich seines 400. Todestages war ein Besuch in diesem monumentalen Gebäude, das der Gründer mit liebevoller Genugtuung „mein Kolleg in Pavia“ nannte (Brief vom 15. Mai 1566), geboten. In ihm hat der hl. Karl nicht nur mit vollen Händen die Schätze seiner Hochherzigkeit ausgeteilt, sondern er hat es zum Zeichen seines erleuchteten Intellekts im Bereich der Kultur und zum Instrument seiner unermüdlichen Seelsorgetätigkeit gemacht. Die Tatsache, daß das Werk dem Zahn der Zeit widerstanden hat, während viele ähnliche Einrichtungen verschwunden sind, hebt die Aktualität seiner Zielsetzungen hervor. Ich bin hierhergekommen, um eben die inspirierende Wirksamkeit dieser Institution in einem Augenblick zu unterstreichen, in dem sich die Notwendigkeit der Beziehung zwischen Glaube und Kultur wieder stärker bemerkbar macht. 2. Man kann die Einrichtung des Borromäus-Kollegs nicht in seiner ganzen Tragweite begreifen, wenn man nicht bedenkt, daß der Stifter, wie alle die, die große Ideen verwirklicht haben, ein klares Bild von der Situation seiner Zeit besaß, die historisch eine Wende in der Gesellschaft darstellte: Es war in religiöser Hinsicht ein Jahrhundert des Niedergangs und zugleich des Wiederaufbaus; in kultureller Hinsicht eines der reichsten und großartigsten Jahrhunderte auf dem Weg des menschlichen Fortschritts. Mit der Entdeckung Amerikas waren die jahrtausendealten geographischen Schranken der alten Welt gefallen, und es eröffnete sich ein neues Zeitalter. Mit den überragenden Genies der Renaissance erreichte die Kunst in allen ihren Ausdrucksformen wahre Gipfel, und der Humanismus gab der Sprache Roms und Griechenlands ihren Glanz zurück. Die Erfindung des Buchdrucks schuf die Voraussetzungen für die Kultur der Massen. Zur gleichen Zeit erlitt das Netz der christlichen Einheit die weitesten und tiefsten Risse. Die Kirche blieb nicht als Zuschauerin am Fenster stehen. Mit der Durchführung des Konzils von Trient vollbrachte sie das gewaltige Werk, die Grundwahrheiten des Glaubens ins rechte Licht zu rücken, ihre innere Disziplin zurückzugewinnen und sich mit Hilfe einer vielzähligen Schar großer, von Gott geweckter Heiliger um die „Reevangelisierung“ der alten Welt zu bemühen und die Evangelisierung der neuen Welt einzuleiten. 844 REISEN Der hl. Karl Borromäus war durch die persönliche Heiligkeit seines Lebens und durch seine pastorale schöpferische Kraft einer der Männer in vorderster Linie und seinen Aufgaben gewachsen. Die Idee und die Verwirklichung eines Universitätskollegs für junge Laien aus allen Ständen gehörte zu diesem Plan konkreter und weitblik-kender Hirtensorge. Die Grundsteinlegung des Baues erfolgte 1564 durch den Bischof von Pavia; mit dem Entwurf des Gebäudes, das sich in einer abseits liegenden, für konzentriertes Studium besonders geeigneten Gegend erhob, wurde Architekt Pellegrino Pellegrini betraut, der ihm durch die großartige Baustruktur und die elegante Linienführung ein einmaliges Gepräge verlieh. 3. Die Einrichtung des Universitätskollegs, wie der hl. Karl sie sich dachte, stellt nicht nur eine Frucht des Geistes der Renaissance, eine Episode der umfassenden katholischen Erneuerungsbewegung dar, sondern mehr, viel mehr: Der vorrangige Einsatz gilt der menschlichen, geistlichen und kulturellen Heranbildung junger Menschen für die Lösung der großen sozialen Probleme, die Aufmerksamkeit für den Menschen als Hauptfigur, der die Strukturen entsprechend den Erfordernissen des Lebens und des Fortschritts schafft. Als der hl. Karl „sein“ Kolleg plante, inspirierte er sich gewiß an der herrschenden Mentalität des vornehmen Mäzenatentums, aber nur, um das höhere Ziel der menschlichen Förderung zu erreichen; und diese Förderung des Menschen wurde von ihm ständig in verschiedenen Richtungen verfolgt: durch die Schaffung von Seminaren zur Ausbildung des Klerus und die Entwicklung der höheren Kultur, die wie hier von religiösem Geist durchdrungen ist, zur Vorbereitung der Führungsschicht christlicher Laien in der aufsteigenden Gesellschaft. Führungskräfte lassen sich, vor allem in Krisenzeiten, nicht improvisieren. Die Aufgabe vernachlässigen, langfristig und mit Ernst und Eifer Männer vorzubereiten, die die Krise lösen sollen, heißt, den Lauf der geschichtlichen Ereignisse ohne Steuer treiben lassen. Die Gültigkeit der Initiative des hl. Karl wird von der Tatsache bestätigt, daß in demselben Pavia, das stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Kirche gestanden ist, auf die Gründung des Borromäus in kurzem Abstand die Errichtung des vom hl. Pius V. gewünschten Kollegs Ghislieri und in jüngster Zeit das von Paul VI. gegründete Kolleg der hl. Katharina von Siena folgte. Der hl. Karl wollte, daß sein Kolleg den jungen Hoffnungen der Zukunft 845 REISEN offenstehe, und um sie nicht der Gefahr auszusetzen, wegen Geldmangels die Studien unterbrechen zu müssen, versäumte er es nicht, das Kolleg mit fürstlicher Hochherzigkeit mit ausreichenden finanziellen Mitteln auszustatten, die aus verschiedenen, vorwiegend kirchlichen Quellen, angefangen bei den Interventionen seines Onkels Pius’ IV., sichergestellt wurden. 4. Giorgio Vasari schreibt, wenn er vom Kolleg von Pavia spricht, Kardinal Borromäus habe „einen Palast für die Weisheit“ begonnen. Ein treffenderer Ausdruck ließe sich gar nicht finden, um auf den Geist des heiligen Bauherrn hinzuweisen, der sich verpflichtet fühlte, das Problem der Beziehung zwischen Glaube und Kultur zu lösen, und sich darum als eines seiner Ziele vornahm, die Wissenschaft auf die Ebene der Weisheit emporzuheben. Wenn die Autonomie der Wissenschaft einmal daran grenzt, den Glauben zu ignorieren, dann dient sie am Ende nicht einmal mehr dem Menschen. Den Glaubensweg der Hochschuljugend mit der Vervollkommnung und Verbreitung der höheren Bildung zu verbinden, bedeutete für den Kardinal von Mailand, jenen Bewegungen Einhalt zu gebieten, die hinter der scheinbaren Fassade einer evangelischen Erneuerung in den alten und immer wiederkehrenden Irrtum verfielen, das wahre Wesen der Kirche zu verändern. Wie alle Heiligen wollte auch der hl. Karl eine katholische Reform innerhalb der Kirche, nicht eine Veränderung der katholischen Kirche. In seinem Kolleg wurden die Themen, die Gegenstand der Universitätsvorlesungen waren, diskutiert und vertieft, um den kritischen Sinn zu entwickeln, die Gaben der Dialektik und Beredsamkeit zu schärfen, aber auch, um im Licht der Glaubenswahrheiten zu wachsen. Die geistliche Heranbildung stellt einen der Schlüsselpunkte der Zielsetzungen des Gründers dar. Das Wortpaar Glaube - Kultur läßt sich in dem Wort Humilitas zusammenfassen, das in der Mitte des Wappens auf scheint und zum Wahlspruch des Kollegs wird. Ein Wahlspruch, der eine Tugend ist. „Gloriam praece-dit humilitas. Humilitas alta petit.“ (Dem Ruhm geht die Demut voraus. Demut strebt nach Höherem.) Es ist die Tugend, die zum Fundament der wahren Größe des Menschen wird, weil sie ihn anspornt, nach Höherem zu streben. Ohne Demut gibt es keine Größe, und Demut gibt es nicht ohne Gott. Jesus lehrt, daß man die Güte des Baumes an der Qualität der Früchte erkennt. Nun, ein Blick zurück auf die Geschichte des Borromäus bestätigt uns, daß diese Früchte hervorragend gewesen sind. 846 REISEN Der erste Student des Kollegs, Federico Borromeo, ein Vetter des hl. Karl und später ebenfalls Kardinal, wurde durch das Schriftwerk Manzonis berühmt. Als Mitarbeiter und Nachfolger des hl. Karl war er so etwas wie ein zweiter Gründer des Kollegs. In dem vier Jahrhunderte umfassenden Verzeichnis der Exalumnen finden sich die Namen berühmter Männer aus dem Bereich der Kultur, der wissenschaftlichen Forschung, der freien Berufe und des öffentlichen Lebens im Dienst der Kirche und der Gesellschaft. Da ist Carlo Forlanini, der Erfinder des Pneumothorax zur Behandlung der Tuberkulose. Da ist der selige Contardo Ferrini, ein berühmter Gelehrter des römischen Rechts. Unter den vielen Bischöfen und Kirchenfürsten hat ein Alumne des Borromäums, Kardinal Ignazio Busca, das Amt des Staatssekretärs bekleidet. Auch die anderen Kollegien von Pavia haben ihre außergewöhnlichen Früchte erbracht. Bei dieser Gelegenheit möchte ich an einen ehemaligen Schüler des Kollegs Ghislieri erinnern, Teresio Olivelli, der 1945 im Vernichtungslager Hersbruck unter ähnlichen Umständen getötet wurde wie der hl. Maximilian Kolbe. 6. Liebe Alumnen und Exalumnen, ihr habt eine glorreiche Tradition vor euch, der ihr folgen und die ihr nachahmen sollt. Ich wünsche euch, solcher Vorbilder würdig zu sein. So wie ich der ganzen großen Familie des Borromäus und der anderen Kollegien von Pavia wünsche, in dieser Richtung fortzuschreiten, damit es der Welt von heute, die sich wie zur Zeit des hl. Karl in einem gesellschaftlichen Umbruch befindet, gelingt, den christlichen Glauben zur treibenden Kraft eines menschlicheren und zivilisierteren Weges zu machen. 847 REISEN Sterben ist viel mehr Ansprache zum Abschluß der Kreuzweg-Betrachtung auf dem Heiligen Berg von Varallo am 3. November Liebe Brüder und Schwestern von Varallo und der ganzen Diözese Novara! 1. Mit tiefer Ergriffenheit bin ich einige Stationen des Kreuzweges auf diesem Heiligen Berg von Varallo gegangen. Im Verlauf meiner Pilgerfahrt auf den Spuren des hl. Karl ist das, was ich jetzt gemeinsam mit euch erlebe, ein besonders eindrucksvoller Augenblick. Ich spüre hier den Geist des großen Bischofs der ambrosianischen Kirche in dem, was der zentrale Aspekt seiner Spiritualität und seines Dienstes war und geblieben ist: die Verehrung des Leidens und Todes des Herrn. Den hl. Karl beeindruckten besonders die Mysterien des Leidens Christi. Daraus nahm er den Antrieb zu den Abtötungen, denen er seinen Leib unterwarf, und zugleich jene Glaubenskraft, die er den anderen einzuprägen verstand. Wir können von ihm wohl sagen, daß er das grundlegende Wort des göttlichen Meisters wörtlich genommen hat: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ {Mt 16,24). Der hl. Karl hat auf vielerlei Weise seine tiefe Teilnahme am Leiden des Gottessohnes bewiesen. In Mailand hatte er eine besondere Vorliebe für die Kirche vom Heiligen Grab. Wenn er nicht wegen seiner unzähligen Pastoralbesuche auswärts war, begab er sich jeden Mittwoch- und Freitagnachmittag dorthin und begeisterte die Gläubigen mit seinen Predigten über den Kreuzweg. Zudem hegte er große Verehrung für die Reliquie des heiligen Kreuznagels, den er, in ein schlichtes Bußgewand gekleidet, während der tragischen Heimsuchung durch die Pest in Prozession durch die Straßen der Stadt trug. Aber auf diesem Heiligen Berg von Varallo entfaltete er einen besonderen Eifer. Er hatte den Berg „Neues Jerusalem“ genannt und verbrachte dort, wann immer es ihm möglich war, Tage oder Nächte der Sammlung. Er betrachtete das Leiden des Herrn, während er den Kreuzweg ging und in frommer Betrachtung vor den Kapellen, bewundernswürdige Zeugnisse der Frömmigkeit und der Kunst, innehielt. Der längste und denkwürdigste Aufenthalt an diesem mystischen Ort dauerte bis kurz vor seinem Heimgang in die Ewigkeit. 848 REISEN Wir erleben gewissermaßen erneut jene Tage der geistlichen Einkehr, die er im Oktober vor 400 Jahren hier verbrachte und die sich in der Tat als eine einzigartige Vorbereitung auf den Tod erwiesen. Wir haben uns hier genau an dem Tag und vermutlich sogar in der Stunde eingefunden, in der der hl. Karl in Mailand seine Seele Gott übergab. Karl Borromäus war damals gerade 46 Jahre alt. Sein Mailänder Episkopat mit den damit verbundenen Aktivitäten außerhalb der Diözese stand in voller Blüte. Aber seine von den Mühen und Bußübungen aufgeriebene Konstitution ließ erkennen, daß er nicht mehr standzuhalten vermochte. 2. Wenn wir dieses außergewöhnliche geistliche Ereignis hier, in dieser kunstreichen und rehgiösen Szenerie, die der Lauf der Zeit unversehrt gelassen hat, erleben, konzentrieren sich unsere Betrachtungen, hebe Brüder und Schwestern, auf das Geheimnis des Todes. Der hl. Karl beweist, welch große Auswirkungen auf das Verhalten die schwerwiegende Aussage des Apostels Paulus haben kann: „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn“ (Rom 14,7-8). Diese erhebende Gewißheit steht das natürliche Ereignis des Todes in die Sicht des Glaubens und zugleich in die Perspektive der vollen Reife der menschlichen Persönlichkeit. Gott allein ist Herr über Leben und Tod. Aber das Leben verlangt, in der Fülle der inneren Freiheit gelebt zu werden. So kann und soll der Tod vom Menschen als Ausdruck seiner inneren Freiheit angenommen werden, in der Loslösung von den Dingen und noch mehr in der Loslösung von sich „selbst: ein Akt höchsten Gehorsams; die freiwillige Unterwerfung unter einen höheren Willen. Sterben bedeutet also nicht bloß das Erlöschen des physischen Lebens. Es ist viel mehr. Es ist ein echter Weg der Läuterung und Befreiung, die die ganze Spanne des menschlichen Handelns umfaßt, um „den alten Menschen abzulegen . . . und den neuen Menschen anzuziehen, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Eph 4,22-24). Das gesamte christliche Leben muß als eine Vorbereitung auf das zukünftige ewige Leben im Reich der Wiedererweckten gesehen werden. 3. Liebe Brüder und Schwestern, das Leben des hl. Karl ist uns Vorbild für die Vorbereitung auf den Tod. Er lebte in Einheit mit Gott. Er nährte sich vom Gebet und von der Eucharistie. Er arbeitete unermüdlich im pastoralen Dienst der christh- 849 REISEN chen Gemeinden. Als großer Wanderkatechet nahm er unendliche Mühen auf sich, um auch die entlegensten Ortschaften zu erreichen. Aber über allem stand ihm der Gedanke an die Rettung der eigenen Seele. Er beichtete fast täglich. Er wünschte, daß bei seinen apostolischen Reisen auch stets die Anwesenheit seines Beichtvaters in der kleinen ihn begleitenden Gruppe sichergestellt sei. Im letzten Augenblick des Lebens entscheidet sich die ewige Bestimmung. Darum mahnt Jesus, daß es gilt, bis zum Ende auszuharren, um das Heil zu erlangen (vgl. Mt 10,22). Der erstrangige Einsatz im Leben besteht in der Vorbereitung auf das Sterben in der Gnade Gottes. Sicher kann sich das Tor der Rettung auch vor dem öffnen, der erst im letzten Augenblick ehrlich seine Schuld bereut und Gott um eine totale Läuterung bittet. Das war der Fall bei dem reumütigen Verbrecher neben dem sterbenden Jesus. Das göttliche Erbarmen ist grenzenlos und kann jedes Wunder vollbringen. Aber die Mahnung Jesu ist unumstößlich und eindringlich: „Legt euren Gürtel nicht ab und laßt eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf der Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft. Selig die Knechte, die der Herr wach findet, wenn er kommt! . . . Haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet“ (Lk 12,35-37.40). Getreu diesen Worten ist der Christ eifrig darum bemüht, sein Leben durch Verdienste anzureichern. Der hl. Karl lehrt uns mit seinem Zeugnis, wie wichtig es ist, den Gedanken an den Tod wachzuhalten und damit die Bereitschaft zu Glaube, Demut, innerer Reinheit, Hingabe und Hoffnung im Hinblick auf den großen und erschreckenden Hinübergang. Der im christlichen Sinn gute Tod ist wesentlich der Tod in der Gnade Gottes, ja, wir können sagen, eine Selbsthingabe des Menschen als reine und angenehme Opfergabe (vgl. Ex 6,10; Eph 5,2; Phil 4,18). 4. Der Tod des hl. Karl, seiner würdig als jenes großen Priesters, der er war, bleibt für uns auch ein beredtes Beispiel freud- und friedvoller innerer Ruhe. Als sich sein Zustand an jenem Nachmittag des 3. November nach der eiligen Rückkehr an seinen Mailänder Sitz verschlechterte, folgte er - weil er selbst nicht mehr imstande war, die Psalmen zu beten -geistig dem Breviergebet eines Familienangehörigen, ohne dabei den Blick von den Bildern der Todesangst des Herrn in Getsemani und der Grablegung abzuwenden, die er vor sich hatte aufstellen lassen. Nachdem er andächtig die letzte Wegzehrung und die Krankensalbung empfangen hatte, fiel er in Agonie. Nun wurde auf seinen vorgefaßten 850 REISEN Wunsch mit lauter Stimme von einem der Umstehenden die Leidensgeschichte aus dem Evangelium verlesen. Er tat den letzten Atemzug mit liebevollem Blick auf den Gekreuzigten und einem angedeuteten Lächeln. So stirbt der Gerechte. So möchte jeder Jünger Christi sterben. Der Christ stellt sich ruhig dem Geheimnis des Todes. Er weiß sehr wohl, daß ihm die innere Umwälzung, die Christus selbst erlebt hat, nicht erspart bleiben kann, aber er weiß ebenso wie der göttliche Sterbende, daß er seine Kraft dadurch empfängt, daß er bereit ist, demütig das Haupt vor dem Willen des himmlischen Vaters zu neigen. Wenn wir die echte Ruhe angesichts des Todes wollen, müssen wir in unserem Leben den Kampf gegen die Sünde, die Beleidigung Gottes, verstärken. Die Befreiung von der Sünde ist das Geheimnis, das Geschenk eines ruhigen Hinübergangs zu verdienen, dem das Licht der endgültigen Seligkeit in der Schau Gottes winkt. Machen wir uns diese Lehre zu eigen - und das Leben wird von Tag zu Tag mehr Bedeutungsfülle erlangen. Macht euch vor allem ihr, Hebe Brüder und Schwestern von VaraHo, Valsesia und der ganzen Diözese Novara, diese Lehre zu eigen; habt ihr doch den Vorteil, zu den geistlichen Reichtümem eures Landes diesen Heiligen Berg zu zählen, der dank der Eingebung, der Initiative und dem Einsatz von Fra’ Bernardino Caimi im Jahre 1486 entstanden und sogleich für viele zu einem bevorzugten Ort der Meditation und der Marienverehrung geworden ist, zu einem Anziehungspunkt für viele hochherzige und starke Seelen, die hier Anregung und Unterstützung zu finden wußten und weiterhin zu finden wissen, damit sie imstande sind, in der Welt Zeugen Jesu, des für die Rettung des Menschen gestorbenen und auferstandenen Erlösers, zu sein: denn von diesem Geheimnis spricht hier alles zu uns mit eindrucksvoller und überzeugender Stimme. Laßt nach dem Vorbild des hl. Karl, des Sohnes eures Landes, den Ruf dieser Stimme nicht vergebens für euch erkhngen! Amen. 851 REISEN „Reform, die liebt und nicht haßt“ Predigt bei der Messe in Arona am 4. November 1. „Nur einer ist euer Lehrer, Christus“ {Mt 23,10). Der göttliche Lehrer, der vom Vater gesandt wurde, um uns zu retten, führte seine Mission aus, indem er über die Straßen von Galiläa, Samaria und Judäa zog. Unaufhörlich durchwanderte er die Straßen Palästinas, um die Freude und den Trost der Frohbotschaft überallhin zu tragen, und hatte keinen Platz, wohin er sein Haupt legen konnte. In seiner Nachfolge und in Erfüllung seines Auftrags trugen die Apostel die evangelische Botschaft zu allen Völkern und besuchten die sich bildenden christlichen Gemeinden, denen sie durch ihr Wort und ihre Anwesenheit beistanden (vgl. Apg 8,14). Diese Art der pastoralen Sorge erhielt sich durch die ganze Kirchengeschichte, und das Konzil von Trient griff sie wieder auf, bestätigte sie und gab ihr neue Gültigkeit. Der hl. Karl setzte diese Konzilsentscheidung mit großer Zähigkeit und unermüdlicher Hingabe in die Tat um. Heute befinde ich mich auf den Spuren des hl. Karl Borromäus bei euch an dem Ort, an dem sein irdischer Pilgerweg begann. Hier in Arona, wo er das Licht der Welt erblickte und durch die Taufe zum Leben der Gnade geboren wurde, möchte ich zusammen mit euch bis zum Kern des inneren Lebens dieses großen Jüngers und Nachfolgers des Erlösers Vordringen. In dieses Städtchen kehrte der hl. Karl mehrere Male als eifriger Hirte zurück, hier feierte er am 1. November 1584 seine letzte heilige Messe, als er von Ascona und Cannobbio auf dem Weg nach Mailand war, wo er drei Tage später starb. An diesem Ort, der einige seiner verehrten Reliquien bewahrt und wo eine riesige Statue das fromme Gedenken an die außerordentliche persönliche Heiligkeit und die unvergleichliche Hirtensorge des Bischofs wachhält, richte ich in brüderlicher Verbundenheit mit eurem Bischof, Msgr. Aldo Del Monte, meinen Gruß an die hier anwesenden Autoritäten und wünsche ihnen reiche himmlische Gnaden für ihren aufopfernden Dienst zugunsten des Gemeinwohls. Ich begrüße euch, liebe Brüder und Schwestern, Mitbürger des hl. Karl. Ein besonderer Gedanke gilt euch Jugendlichen, die ihr durch eure festliche Anwesenheit unsere Versammlung mit Freude umgebt und mit eurer Begeisterung daran erinnert, daß Christus dieselbe bedingungslose Hingabe verdient, zu welcher der hl. Karl fähig 852 REISEN war. Erweist euch eurer edlen und reichen Tradition, die auf den hl. Karl zurückgeht, würdig! Bemüht euch, echte Christen zu sein! Damit das von einem so großen Bischof gegebene Zeugnis nicht verlorengehe, sondern als kostbares Gut in der ganzen Kirche und besonders hier in der Heimat des hl. Karl gehütet werde. 2. Ein Heiliger voller Leidenschaft für das Gute, reich an Gottes- und Nächstenliebe, war und ist er ein Vorbild an Eifer und Liebe. Die Frömmigkeit und die Sorge seines Vaters Giberto für die Armen beeinflußten ihn von frühester Kindheit an. Dafür spricht jedenfalls sein Entschluß, als er mit kaum 12 Jahren die Abtei der heiligen Gratinianus und Fehnus in Arona als Kommende erhielt, die 2000 Scudi des Ertrags zugunsten der Armen zu verwenden. Als Vorbild hilfreicher Nächstenhebe hielt er sich im Leben stets vor Augen, was der hl. Paulus im 13. Kapitel des ersten Korintherbriefs schreibt: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. . ., sondern sie freut sich an der Wahrheit. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf“ (1 Kor 13,4.6-8). Als eifriger, besorgter Bischof kam er vor allem während der Pest den Kranken, den Bettlern und den anderen Armen zu Hilfe, indem er ihnen beistand und sie mit Nahrung, Kleidern und Unterkunft versorgte. Zu diesem Zweck gab er viele Dinge her, die er im erzbischöfhchen Palais besaß, und behielt für sich nur das Allernötigste. 3. Wenn wir jetzt in dieser Stadt, in der er geboren wurde, seiner gedenken, können wir uns gut vorstehen, daß er, Vater der Mailänder Kirche, Kardinallegat beim Konzil von Trient, in der Stille und Einsamkeit dieses Ortes sicher mehr als einmal über die Worte nachgedacht haben mag: „Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder . . . ; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel. Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus“ (Mt 23,8-10). Karl Borromäus wünschte, mit all seinen Kräften aus verschiedenen Gründen „Vater“ genannt: Vater des Konzils, Vater seiner Priester, Vater der Armen und der Leidenden, Vater des ganzen Volkes der Mailänder Kirche. Aber er war sich bewußt, daß diese „vielfache Vaterschaft im Himmel und auf Erden“ ihren Namen und Inhalt von einem einzigen Vater herleitet. Er heftete seinen Blick auf Gott, sagte immer wieder „Vater unser“ und stellte sich mit der Einfachheit eines Kindes, eines Adoptivsohnes Gottes, vor diesen Vater. 853 REISEN Indem er Gott, den Herrn des Lebens, als seinen und der Menschen Schöpfer und Vater anerkannte, war er auch Bruder aller derer, die seiner Hirtensorge anvertraut waren. Und als Bischof lebte er die Sendung und das Amt, ihr Erzieher im Glauben zu sein; als heiligmäßiger Bischof war er ein vorbildlicher Lehrer, der einzig und allein danach strebte, eins zu sein mit Christus, damit durch ihn den Bischof und Lehrer, allein Christus Hirt und Meister sei. 4. „Der Größte von euch soll euer Diener sein“ (Mt 23,11). Karl Borromäus wünschte mit all seinen Kräften, Diener der Kirche, Diener des Volkes, Diener der Seelen zu sein. Und er war denjenigen, denen er diente, dankbar dafür, daß er in ihnen voll Demut Christus, dienen konnte eingedenk der Lehre des Erlösers, der sagt: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). Ihm waren jene Gefühle der Dankbarkeit teuer, die der Apostel Paulus in seinem Brief an die Thessalonicher bekundet: „Darum danken wir Gott unablässig dafür, daß ihr das Wort Gottes, das ihr durch unsere Verkündigung empfangen habt, nicht als Menschenwort, sondern - was es in Wahrheit ist - als Gottes Wort angenommen habt; und jetzt ist es in euch, den Gläubigen, wirksam“ (2 Thess 2,13). Er war dankbar. Er war Gott dankbar, weil er den Menschen mit der Wahrheit des Wortes Gottes dienen konnte. Solche Dankbarkeit ist ein Zeichen von Demut. 5. Der hl. Karl war wirklich demütig vor Gott, dem Vater, vor Jesus Christus, dem Meister, und vor den Menschen, für die er gesandt worden war. Diese Demut des Dieners, des Apostels, des Hirten ist ein Zeichen der Liebe: jener Liebe, die eine Mutter für ihre Künder hegt; einer Liebe, die das Leben schenkt und sich einsetzt in einem Leben der Liebe, die nichts einbehält, sondern in der Schönheit totaler Hingabe sich selbst verschwendet. Der Apostel Paulus bringt das in der heutigen zweiten Lesung wahrhaft wunderbar zum Ausdruck: „Wir sind euch freundlich begegnet: Wie eine Mutter für ihre Kinder sorgt, so waren wir euch zugetan und wollten euch nicht nur am Evangelium Gottes teilhaben lassen, sondern auch an unserem eigenen Leben; denn ihr wart uns sehr lieb geworden“ (2 Thess 2,7-8). Als Jünger und Gefolgsmann Christi lernte auch Karl direkt von seinem 854 REISEN Meister, daß man „das Leben hingeben“ muß. Und wie Christus „gab er das Leben“ bis zuletzt hin, bis zur Erschöpfung aller seiner Kräfte in der Kirche von Mailand. Er konnte mit dem Apostel sagen: „Ihr erinnert euch, Brüder, wie wir uns gemüht und geplagt haben. Bei Tag und Nacht haben wir gearbeitet, um keinem von euch zur Last zu fallen, und haben euch so das Evangelium Gottes verkündet“ (1 Thess 2,9). 6. „Wir haben verkündet.“ Mit dem Wort - ja, aber nicht nur mit dem Wort. Mit dem Zeugnis des ganzen Lebens, das sich vor allem in der Tiefe seines Herzens herausgebildet hat, in der Verborgenheit des Gebets, in der Sammlung der inneren Verbundenheit mit dem Vater und dem Sohn im Heiligen Geist, im inneren Gehorsam gegenüber dem Meister. In den Worten des Psalmes der heutigen Liturgie klingt vielleicht ein Widerhall des Gebets, das hier in Arona die Lippen und das Herz Karls gesprochen haben: „Herr, mein Herz ist nicht stolz, nicht hochmütig blicken meine Augen. Ich gehe nicht um mit Dingen, die mir zu wunderbar und zu hoch sind“ (Ps 131,1). Doch er wurde immer zu „großen Dingen“ berufen. Wenn er sich vor beachtliche Aufgaben gestellt sah, vermochte er sie anzugehen und nach den Bedürfnissen der Kirche seiner schweren Zeit zu erfüllen, weil er sich von der übernatürlichen Hoffnung und dem kindlichen Vertrauen führen ließ, die aus der Betrachtung der Geheimnisse Christi hervorgehen. „Ich ließ meine Seele ruhig werden und still; wie ein kleines Kind bei der Mutter ist meine Seele still in mir. Israel, harre auf den Herrn von nun an bis in Ewigkeit“ (Ps 131,2-3). 7. Inmitten der großen, geschichtlichen Ereignisse, die die Strukturen der Kirche erschütterten, ist Karl Borromäus - ein Mann Gottes, ein Mann von unerschütterlicher Hoffnung, weil ein Mann des unablässigen und ausdauernden Gebets - ein Bollwerk und ein Licht geblieben nicht nur für seine Zeitgenossen, sondern auch für die vielen Generationen, die nach ihm kamen und zu der Ewigkeit aufsteigen sollten, zu der das Volk Gottes auf Erden berufen ist. Aus diesem Grund betete mein Vorgänger Paul VI. als Erzbischof von Mailand: „Hl. Karl, gieße in unser Herz die Sehnsucht nach dem Guten, entferne aus ihm den Egoismus, rüttle die Gleichgültigkeit auf, vertreibe Pessimismus und Überdruß. Mache unseren Blick frei für unsere Übel und die Übel unserer Zeit und mache ihn zu einem Ansporn zur Buße, zur Tat, zur Liebe. 855 REISEN Gib uns, hl. Karl, die Zuversicht, daß die Welt von Christus, nicht von anderen gerettet werden kann; und daß die Kirche nur aus sich heraus, nicht durch andere erneuert werden kann. Laß uns, hl. Karl, die wahre Reform begreifen, jene Reform, die liebt und nicht haßt; die zu Hilfe kommt und nicht kritisiert; die nicht niederdrückt, sondern wiederaufbaut; nichts erfindet, sondern zur Entfaltung bringt; nicht stehenbleibt, sondern weitergeht. Mach uns fähig, hl. Karl, diese ständige Reform zu erfüllen durch die Heiligkeit und den Glanz des christlichen Lebens, durch die Gerechtigkeit und den Frieden der sozialen Klassen, durch Verteidigung der Geringen und Trost für die Leidenden“ (G.B. Montini, Discorsi su San Carlo, Mailand, NED, 1984, S. 32-33). Das ist auch mein Gebet, mein Wunsch und mein Auftrag für euch, liebe Bürger in der Stadt des hl. Karl. „Auf dessen Stimme sie hören“ Predigt bei der Messe auf dem Domplatz in Mailand am Sonntag, 4. November 1. „Der Herr ist mein Hirte“ (Ps 23,1). Liebe Brüder und Schwestern, hier im Herzen dieser angesehenen und geschäftigen Stadt versammelt, für die der hl. Karl sich als Hirte ganz hingegeben hat! Am 3. November 1584 gab Kardinal Karl Borromäus, Erzbischof der Kirche von Mailand, seine Seele an Gott zurück. Er starb im Alter von 47 Jahren. Die Augen auf den Gekreuzigten geheftet, bezeugte er zum letzten Mal den, dem er sein Leben vollständig geweiht hatte. Ein zusammenfassendes Bild dieses Lebens wird uns in der heutigen Liturgie im abrosianischen Ritus geboten. Der Sterbende schien, den Blick auf den gekreuzigten Christus geheftet, zu sprechen: „Der Herr ist mein Hirte.“ 2. Und zusammen mit ihrem sterbenden Bischof schien die gesamte Kirche von Mailand diese Worte zu wiederholen. Der Herr hatte sich schon in früherer Zeit in dieser kirchlichen Gemein- 856 REISEN Schaft als der Gute Hirte offenbart: durch den großen Heiligen Ambrosius und im Laufe der Jahrhunderte durch viele andere Bischöfe. Und nun leuchtet im 16. Jahrhundert erneut der Abglanz des Guten Hirten auf, eine Gestalt vom Format eines Ambrosius: Karl aus der Familie der Borromäer, dessen 400. Todestages wir gedenken. Wer ist der Gute Hirte? Der, der sein Leben hingibt für die Schafe. Der, der seine Schafe kennt, und sie kennen ihn. Der, auf dessen Stimme sie hören und sie werden zu einer einzigen Gemeinde Gottes, zu einer einzigen Herde. Der Gute Hirte ist der, den der Vater hebt. Der Gute Hirte ist Christus. Sterbend, auf ein hartes Lager gebettet, versenkt sich Karl Borromäus mit dem Blick und dem Herzen in den gekreuzigten Christus und scheint zu sagen: „Der Herr ist mein Hirte.“ Die um das Bett des Sterbenden versammelte Kirche von Mailand scheint zu sprechen: Der Gute Hirte war in diesen Jahren bei uns: der nach dem Vorbild Christi gestaltete Hirte und Bischof. Seht, der Gute Hirte verläßt uns. 3. Der hl. Karl Borromäus war vor allem darum ein großer Hirte der Kirche, weil er selbst Christus, dem Guten Hirten, folgte. Er folgte ihm mit Beständigkeit, hörte auf seine Worte und setzte sie auf heroische Weise in die Tat um. Das Evangelium wurde für ihn zum wahren Wort des Lebens, es formte seine Gedenken und sein Herz, seine Entscheidungen und sein Verhalten. Im Sakrament der Taufe empfangen wir ein neues Leben in uns. „Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind“ - schien Karl Borromäus seit seiner Kindheit mit dem Apostel immer wieder zu sagen, „wir sind aus dem Tod in das Leben hinübergegangen, weil wir die Brüder heben“ (1 Joh 3,14). Eben diese Liebe hat ihn zu einem außergewöhnlichen Jünger und Gefolgsmann Christi, des Guten Hirten, gemacht. In jungen Jahren wurde er zum Kardinal der Heiligen Römischen Kirche und zum Erzbischof von Mailand ernannt: Er wurde dazu berufen, Hirte der Kirche zu sein, weil er selbst sich vom Guten Hirten führen ließ. „Der Herr ist mein Hirte ... er führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen“ (Ps 23,1-3). 857 REISEN 4. Wie wichtig war es gerade in jener Zeit, „auf rechten Pfaden“ zu - gehen. Wie bedeutsam war es, in sich selber diesen Eifer und die Kraft des Geistes zu haben, um sie dann den anderen mitzuteilen! Wie bedeutsam war es, in den Mühen, den Aufgaben und Leiden dieser außerordentlichen Berufung Ruhe im Herrn selbst zu finden durch Gebet, Betrachtung und innige Verbundenheit mit ihm. Inmitten dieser Mühen und Kämpfe, die zum pastoralen Dienst gehören, konnte Karl Borromäus, die Augen auf Christus gerichtet, immer wieder sagen: „Dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht“ (Ps 23,4). Und so zog er in sein Gottesvolk, in seine Kirche als Bischof und Hirte ein und nahm an dem unergründlichen Geheimnis Christi, des ewigen und einzigen Hirten der unsterblichen Seelen, teil, das die Jahrhunderte und die Generationen umfängt und das Licht der „zukünftigen Welt“ in sie hereinholt. 5. Das Jahrhundert und die Generation, in denen Karl zu leben und zu wirken bestimmt war, waren nicht einfach. Ja, sie gehörten wohl zu den besonders schwierigen Zeiten der Kirchengeschichte. Die Augen auf den Erlöser und Bräutigam gerichtet, schien Kardinal Borromäus mit dem Psalmisten zu wiederholen: „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (Ps 23,4). Der hl. Karl ließ sich nicht einschüchtem von den Drohungen und Gefahren, die damals über der Kirche hingen. Er verstand es, ihnen zu begegnen. Er besaß genügend Demut, und sein Gesichtskreis hatte die notwendige Weite, so daß er einen gültigen Beitrag zur Weiterführung und Beendigung der damals so unerläßlichen Arbeit des Konzils von Trient leisten konnte. Denn bekanntlich hat er sich von dem Augenblick an, als er von seinem Onkel, Papst Pius IV., nach Rom gerufen, zum Kardinal ernannt und Leiter der Päpstlichen Kanzlei geworden war, darum bemüht, daß das im Jahr 1552 unterbrochene Konzil seine Arbeit wieder aufnehme und mit der Festlegung der Richtlinien für die echte, große Reform, die die Kirche nötig hatte, zum Abschluß gelange.1) Das war eine intensive Tätigkeit, die seine außergewöhnlichen Arbeitsfähigkeiten ans Licht brachte und der er sich voll Eifer widmete in dem Bewußtsein, zum Wohl der Kirche zu wirken. Am Ende des Konzils schrieb er an Kardinal Morone: „Es ist mein großer Wunsch, daß man sich, sobald es bestätigt ist, nun der Durchführung dieses heiligen Konzüs widmen möge entsprechend dem Bedürfnis der ganzen Christenheit.“2) 858 REISEN 6. Der damals vom Konzil von Trient angegebene Weg der Erneuerung wurde von ihm als Norm für seine Tätigkeit auf dem Mailänder Bischofsstuhl angenommen. Nachdem er einmal in Rom als Mitglied einer Sonderkommission von Kardinälen bei der Abfassung von allgemeinen Durchführungsbestimmungen des Konzils beteiligt gewesen war, fühlte er dann, mit der pastoralen Verantwortung für die Mailänder Kirche betraut, dringend das Bedürfnis, jene Weisungen entsprechend den Möglichkeiten und besonderen Erfordernissen dieser kirchlichen Gemeinschaft in die Tat umzusetzen. Nachdem er also in Rom eine Probe vom Umfang und der Tiefe seiner Erneuerungspläne gegeben hatte, wußte er auch in Mailand mit außerordentlicher Fähigkeit, jene Prinzipien in die jeweilige konkrete Situation zu übersetzen.3) Er war, wie Kardinal Seripando über ihn schrieb, „ein Mann der Frucht und nicht der Blüte, der Taten und nicht der Worte“.4) Deshalb wollte er die Reformgesetze anwenden und sie unmittelbar zur Tat werden lassen. Man muß auch sagen, daß er heim Klerus, bei den Ordensleuten und vor allem beim Volk Gottes eine großzügige Bereitschaft für seine pastoralen Erwartungen zu wecken wußte. Die Bemühungen des hl. Karl um Verwirklichung der Anordnungen des Konzils von Trient wird besonders an seinem Einsatz für die Errichtung von Priesterseminaren deutlich, Thema eines der wichtigsten Dekrete der Konzilsversammlung. Dieses Dekret war am 15. Juli 1563 approbiert worden, und kaum ein Jahr später gründete der hl. Karl, der damals noch in Rom residierte, in Mailand das erste Seminar, das er den Patres der Gesellschaft Jesu anvertraute. In den folgenden Jahren richtete er andere Knabenseminare ein. Ein anderes Gebiet, in dem der hl. Karl als der „Bischof des Konzils von Trient“ im wahrsten Sinne des Wortes erschien, ist die Einrichtung der Provinzialkonzilien und der Diözesansynoden, die in Trient ausdrücklich gewünscht wurden und die nach langer, bis ins Mittelalter zurückreichender Vergessenheit nun wieder erstanden. Auch an diesen Kirchenversammlungen zeigt sich bei Borromäus mit aller Klarheit das ganz der tridentinischen Inspiration entsprechende Bewußtsein, daß die Reform beim Zeugnis guter Oberhirten und guter Priester beginnen müsse: „Ich bin entschlossen“, schrieb er an Papst Pius IV.5), „mit der in Trient vorgeschriebenen Reform bei den Prälaten zu beginnen: das ist der beste Weg, in unseren Diözesen Gehorsam zu erreichen. Wir müssen als erste vorangehen; die uns anvertrauten Menschen werden uns dann leichter folgen.“ 859 REISEN Die Konzils- und Synodengesetzgebung machte den hl. Karl zum Schöpfer eines neuen Ortskirchenrechts, das bis heute seine Spuren in eurer Diözese hinterlassen hat. Er wollte jedoch vor allem Hirte sein und versah daher die erlassenen Normen mit einer minutiösen Folge von Verfügungen, die seinen pastoralen Wirklichkeitssinn erkennen lassen. Er hatte sodann die Bedürfnisse seines Volkes durch eine Vielzahl von Pastoralbe-suchen kennengelemt, in deren Verlauf er die Rolle der Pfarreien aufzuwerten versuchte. In diesem Zusammenhang hat mein Vorgänger Papst Paul VI. mit Recht gesagt, eines der kennzeichnenden Merkmale in der bischöflichen Amtszeit des hl. Karl sei sein Bestreben gewesen, „die Heiligkeit des Volkes, eine kollektive Heiligkeit zu bewirken, die ganze Gemeinde heilig zu machen“.6) 7. Die heutige Liturgie sagt: „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (Ps 23,4). Karl Borromäus hatte immer ein weit offenes Herz für die Armen und Bedürftigen. Er vermochte mit den Leidenden zu leiden. Die Liebe Christi, die er jedem von ihnen erwies, ließ ihn kein Unheil fürchten. Das wurde in besonderer Weise offenbar, als Mailand, während die Pest dort wütete, wahrhaftig zu jener „finsteren Schlucht“ menschlichen Unglücks wurde, von der der Psalmist spricht. In jeder Situation wollte er wie Christus „den Seinen seine Liebe bis zur Vollendung erweisen“ (vgl. Joh 13,1) und bereit sein, das Leben für die Schafe hinzugeben. Er brachte sich tatsächlich in diese Gefahr, da er sich durch seine Anwesenheit unter den Pestkranken, denen er die Hilfe und den Trost seines Wortes und der Sakramente brachte, der Ansteckung aussetzte. Mit seinem Eifer und seinem Ansehen wurde er schließlich zum Leiter des Hilfsdienstes, indem er für die Veröffentlichung eines Handbuches über Krankenpflege und für Ordnung und Disziplin in einer so dramatischen Sitiation sorgte.7) So war die Pest für ihn eine Gelegenheit, seine Verbundenheit mit der Bevölkerung Mailands, die er in jenem Augenblick erst recht liebte, zu festigen. Er hatte ihr Unglück gesehen, als sie „hungerte und verängstigt war und ständiger Hilfe bedurfte, um zu überleben“; und er sah dann, auch dank seines Wirkens, ihr Wiedererstehen. „O Güte und Gnade Gottes“, sagte er in der Homilie am Ende des Jahres 1576, „wie haben sich nun die Dinge verändert! Wie wurden unsere Ruinen so schnell wieder aufgebaut, wie die Gesundheit wiederhergestellt, die Hoffnung auf die frühere Größe erneuert?“8) Hier wird die Demut des Heiligen sicht- 860 REISEN bar, der in dieser Rückkehr zum Leben die Macht der Hand Gottes erkennt, wie er zuvor in der Pest eine heilbringende Aufforderung zur Buße und zur Besinnung auf die ewigen Worte erkannt hatte. 8. Als sich am 3. November 1584 die Kirche von Mailand um die Bahre ihres toten Kardinals drängte, stand vor aller Gedanken und Herz das Bild vom Guten Hirten. „Wir haben die Liebe erkannt.“ „Daran haben wir die Liebe erkannt, daß er sein Leben für uns hingegeben hat“ (1 Joh 3,16). Und Karl Borromäus, die Augen auf das Kreuz Christi geheftet, gab bis zuletzt Zeugnis von dem, der ihm „Weg, Wahrheit und Leben“ gewesen war (Joh 16,4). „Der Herr ist mein Hirte . . . Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Hause des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit“ (Ps 23,1.6). Vor 400 Jahren hat Karl Borromäus diese Orte verlassen, und sein Abschied wurde zum Beginn jener Fülle des Lebens, die die Heiligen in Gott selbst finden. Nach vierhundert Jahren verehrt die ganze Kirche in dankbarem Gedenken an das Leben und Sterben des hl. Karl die Heiligste Dreifaltigkeit, denn „die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“ (Irenäus v. Lyon, Adv. Haer. IV. 20,7): der Mensch in der ganzen Fülle des Lebens, zu der er im lebendigen Gott gelangt. Herr Kardinal-Erzbischof dieser Stadt! Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Anwesende Autoritäten, Priester, Ordensleute, alle Brüder und Schwestern des Volkes Gottes in der Diözese Mailand! Die Fürsprache des hl. Karl schütze weiterhin die Gemeinschaft dieser sehr geliebten Kirche, für die er als Hirte sich verschwendete, und sein Beispiel sei auch heute Ermutigung und Ansporn für alle! Gelobt sei Jesus Christus! Anmerkungen ') H. Jedin, Carlo Borromeo, Rom, 1971, S. 9. 2) J. Susta, Die Römische Kurie und das Konzil von Trient, Wien, 1904, IV, S. 454. 3) Ebd. 4) Siehe: Carlo Borromeo di M. De Certau in Dizionario biografico degli italiani, 20, Rom, 1977, S. 263. 5) Zitiert in C. Orsenigo, Vita di San Carlo Borromeo, Mailand, 1911, S. 107-108. 6) G.B. Montini, Discorsi sulla Madonna e sui Santi, Predigt vom 4. November 1958; Mailand, 1965, S. 346. 7) A. Deroo, Saint Charles Borromee reformateur, Docteur de la pastorale (1538-1584), Paris, 1963. 8) Zitiert von M. Bendiscioli, in Storia di Milano, X, Mailand, 1957, S. 245. 861 III. Predigten und Ansprachen Botschaften BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Der Frieden entspringt einem neuen Herzen“ Botschaft zum Weltfriedenstag am 1. Januar Verantwortliche des politischen Lebens der Nationen, Gestalter des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens, junge Menschen, die ihr eine brüderliche und solidarische Welt erhofft, ihr alle, Männer und Frauen, die ihr den Frieden ersehnt! An euch wende ich mich am Beginn des Jahres 1984, das sich überall voller Fragen und Sorgen, aber auch reich an Hoffnungen und Möglichkeiten ankündigt. Mein Appell für diesen 17. Weltfriedenstag kommt aus der Tiefe meines Herzens, und ich weiß, daß ich mich darin mit der Sehnsucht vieler Männer und Frauen treffe, die in einer gespaltenen Welt nach Brüderlichkeit verlangen. Die Botschaft, die ich an euch richte, ist zugleich einfach und anspruchsvoll; denn sie betrifft jeden von euch persönlich, jeden lädt sie dazu ein, seinen Anteil an Mitarbeit beim Werk des Friedens in der Welt einzubringen, ohne diese Verpflichtung auf andere abzuwälzen. Das Thema, das ich heute eurem Denken und Handeln vorlege, ist dieses: „Der Frieden entspringt einem neuen Herzen.“ 1. Eine paradoxe Situation Man kann heute nicht umhin, von den dunklen Schatten und Bedrohungen betroffen zu sein, ohne andererseits die Lichtpunkte und Hoffnungen vergessen zu wollen. Zweifellos ist der Frieden gefährdet, und die Ungerechtigkeit nimmt überhand. In mehreren Ländern sind unerbittliche Kriege im Gang; sie ziehen sich in die Länge, obwohl die Zahl der Toten, die Leiden und Zerstörungen zunehmen und ohne daß man anscheinend auf dem Weg zu einer Lösung vorankommt. Andere Länder sind von Gewalt und fanatischem Terrorismus heimgesucht; und es sind gerade die Unschuldige, die allzu oft den Preis dafür bezahlen, während die Leidenschaften sich verschärfen und die Angst zu extremen Folgen zu führen droht. In vielen Regionen werden die Menschenrechte verletzt und die Freiheiten verhöhnt, werden Einkerkerungen unrechtmäßig aufrechterhalten und sum- 865 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mansche Hinrichtungen aus parteiischen Gründen durchgeführt; und die Menschheit in diesem 20. Jahrhundert, das eine Zunahme von Deklarationen und Appellationsinstanzen erlebt hat, ist darüber kaum informiert oder erweist sich, wenn sie es doch ist, als ohnmächtig, um diese Mißstände zu stoppen. Zahlreiche Länder kämpfen mühsam darum, Hunger, Krankheit und Unterentwicklung bei sich zu besiegen, während die Besitzenden ihre Positionen noch verstärken und der Rüstungswettlauf immer weiter die Hilfsmittel bedenkenlos verschlingt, die anderswo besser eingesetzt werden könnten. Die Anhäufung von konventionellen, chemischen, bakteriologischen und vor allem atomaren Waffen liegt wie eine schwere Drohung über der Zukunft der Nationen, besonders in Europa, und macht die Bevölkerung zu Recht betroffen. Man spürt in der öffentlichen Meinung eine neue tiefe Unruhe, und ich verstehe dies sehr gut. Die heutige Welt ist gleichsam in einem Netz von Spannungen gefangen. Die Spannung zwischen Ost und West, wie sie allgemein genannt wird, beeinflußt nicht nur die Beziehungen zwischen den direkt davon betroffenen Nationen, sondern prägt auch viele andere schwierige Situationen anderswo in der Welt und verschlimmert sie sogar. In einer solchen Lage muß man sich die furchtbare Gefahr vergegenwärtigen, die diese wachsende Spannung und Polarisierung in großem Maßstab darstellen, vor allem wenn man an die Mittel von gewaltiger und unerhörter Zerstörungskraft denkt, die bereitstehen. Und obwohl die Verantwortlichen sich dieser Gefahr sehr bewußt sind, verspüren sie eine große Schwierigkeit, um nicht zu sagen ihre Ohnmacht, diese Entwicklung anzuhalten und Wege zu finden, um die Spannungen durch konkrete Schritte zur Entspannung, zur Abrüstung und zur Verständigung zu verringern, was ermöglichen würde, größere Anstrengungen auf vorrangige Ziele im Bereich des ökonomischen, sozialen und kulturellen Fortschritts zu richten. Wenn die Spannung zwischen Ost und West mit ihren ideologischen Hintergründen alle Aufmerksamkeit in Beschlag nimmt und in einer großen Zahl von Ländern vor allem der nördlichen Hemisphäre Angst erzeugt, so darf sie doch nicht eine andere, noch grundlegendere Spannung, jene zwischen Nord und Süd, verdecken, die an das Überleben selbst eines großen Teiles der Menschheit rührt. Es handelt sich um den zunehmenden Gegensatz zwischen den Ländern, die die Chance gehabt haben, ihre Entwicklung zu beschleunigen und ihren Reichtum zu mehren, und den Ländern, die in ihrer Unterentwicklung gefangen sind. Dort 866 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN liegt eine weitere mächtige Quelle für Bitterkeit und Angst, für Opposition und Revolte, und das um so mehr, weil diese Quelle durch vielfältige Ungerechtigkeiten gespeist wird. Angesichts dieser übergroßen Probleme lege ich das Thema der Erneuerung des „Herzens“ vor. Man könnte meinen, dieser Vorschlag sei zu einfach und dieses Mittel nicht angemessen. Und doch erlaubt die hier vorgelegte Analyse, wenn man sie genau bedenkt, zur Wurzel des Problems vorzudringen; sie ist von der Art, daß gerade jene Voraussetzungen, die den Frieden bedrohen, einer Prüfung unterzogen werden. Das Unvermögen, das der Menschheit nicht gestattet, die Spannungen aufzulösen, macht deutlich, daß die Hemmungen oder, auf der anderen Seite, die Hoffnungen aus einer tieferen Schicht stammen, als es die Systeme selbst sind. 2. Der Krieg entsteht im Herzen des Menschen Es ist meine tiefe Überzeugung, es ist das Leitmotiv der Bibel und des christlichen Denkens, es ist, wie ich hoffe, die Erkenntnis vieler Menschen guten Willens, daß der Krieg im Herzen des Menschen geboren wird. Der Mensch ist es, der tötet, und nicht sein Schwert oder, heute, seine Raketen. Das „Herz“ im Sinne der Bibel ist das Innerste der menschlichen Person in ihrer Beziehung zu Guten, zum Nächsten, zu Gott. Es handelt sich dabei nicht in erster Linie um seine Gefühle, sondern um sein Gewissen, seine Überzeugungen, die Weltanschauung, die einer hat, wie auch die Leidenschaften, die ihn bewegen. Mit dem Herzen ist der Mensch empfänglich für die absoluten Werte des Guten, für Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und Frieden. Zu einer Entartung des Herzens kommt es besonders, wenn das Gewissen dasjenige gut oder schlecht nennt, was es: seinen materiellen Interessen oder seinem Machtwillen zuliebe wählen oder ablehnen möchte. Auch die Vielschichtigkeit von Machtausübung hindert nicht, daß es bei der Vorbereitung, Auslösung und Ausbreitung eines Konfliktes stets eine Verantwortung des individuellen Gewissens gibt; daß diese Verantwortung von einer Gruppe geteilt wird, ändert nichts am Prinzip. Dieses Gewissen ist aber oft beeinflußt, um nicht zu sagen beherrscht, von politischen und ideologischen Gesellschaftssystemen, die ebenfalls das Werk des menschlichen Geistes sind. Im Maße wie sich die Menschen von Systemen verführen lassen, die ein umfassendes Menschenbild vorlegen, das in manichäischer Weise jedes andere ausschließt, und die aus dem 867 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kampf gegen die anderen Weltanschauungen, aus ihrer Beseitigung oder Beherrschung die Bedingung für Fortschritt machen, schließen sie sich in eine Kriegsmentalität ein, welche die Spannungen verschärft, und werden so fast unfähig für einen Dialog. Manchmal wird die unbedingte Zustimmung zu solchen Systemen zu einer Art von Anbetung der Macht, der Kraft, des Reichtums, zu einer Form von Sklaverei, die sogar den Regierenden selbst die Freiheit nimmt. Uber die eigentlichen ideologischen Systeme hinaus gibt es außerdem zahlreiche Leidenschaften, die das menschliche Herz entstellen und es zum Krieg drängen. Die Menschen können sich hinreißen lassen zu rassischer Überheblichkeit und als Folge davon zu Haß gegen andere oder auch zu Eifersucht und Begehrlichkeit angesichts des Landes oder der Schätze der anderen oder allgemein zu Machtstreben und Ehrgeiz, zum Willen, ihre Herrschaft über andere Völker auszudehnen, die sie verachten. Gewiß, die Leidenschaften entstehen oft aus konkreten Enttäuschungen der einzelnen und der Völker, wenn ihnen von anderen die Garantie ihrer Existenz verweigert wurde oder wenn Gesellschaftssysteme hinsichtlich einer guten demokratischen Praxis und einer gerechten Verteüung der Güter in Rückstand geraten sind. Ungerechtigkeit ist bereits ein großes Laster im Herzen des Menschen, der ausbeutet. Manchmal aber werden die Leidenschaften sogar absichtlich geschürt. Ein Krieg kann schwerlich ausgelöst werden, wenn die Bevölkerung auf beiden Seiten nicht starke Gefühle der Feindschaft füreinander empfindet oder wenn sie nicht davon überzeugt wird, daß die umstrittenen Ansprüche ihre jeweiligen Lebensinteressen berühren. Das ist dann die Erklärung für ideologische Manipulationen, wie sie von einem aggressiven Willen ausgehen. Wenn erst einmal die Kämpfe ausgelöst sind, gibt es nur noch ein Ansteigen der Feindseügkeit; denn sie findet ständig Nahrung in den Leiden und Grausamkeiten, die sich auf beiden Seiten ansammeln. Es kann dann sogar zu Haßpsychosen kommen. Die Hinwendung zu Gewalt und Krieg kommt also letztlich aus der Sünde des Menschen, aus der Verblendung seines Geistes und der Entartung seines Herzens, die sich beide auf das Motiv der Ungerechtigkeit berufen, um Spannungen und Konflikte zu schaffen oder zu verschärfen. Ja, der Krieg wird im sündigen Herzen des Menschen geboren, angefangen bei der Eifersucht und Gewalt, die das Herz des Kain bei der Begegnung mit seinem Bruder Abel nach jener alten biblischen Erzählung befallen haben. Handelt es sich aber nicht tatsächlich um einen noch tieferen Bruch, wenn die Menschen unfähig werden, sich über die Unter- 868 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Scheidung von Gut und Böse zu einigen und über die Werte des Lebens, dessen Quelle und Garant Gott ist? Erklärt das nicht die Irrwege des „Herzens“ des Menschen, dem es nicht mehr gelingt, mit seinen Artgenossen auf der Grundlage der Wahrheit mit aufrichtigem Geist und wohlwollendem Herzen Frieden zu schließen? Die Wiederherstellung des Friedens wäre nur von kurzer Dauer und eine große Illusion, wenn dabei nicht eine wirkliche Änderung des Herzens stattfände. Die Geschichte hat uns gelehrt, daß sogar jene „Befreiungen“, nach denen man sich gesehnt hatte zu der Zeit, da ein Land besetzt war oder die bürgerlichen Freiheiten nicht viel galten, in dem Maße enttäuscht haben, wie die Verantwortlichen und die Bürger ihre geistige Enge und Intoleranz, ihre hartnäckige Weigerung, die Konflikte zu überwinden, beibehielten. In der Bibel selbst haben die Propheten solche oberflächlichen Befreiungen angeprangert, wenn sich das Herz nicht wirklich geändert, „bekehrt“ hatte. 3. Der Frieden entspringt einem neuen Herzen Wenn die gegenwärtigen Systeme, die das „Herz“ des Menschen hervorgebracht hat, sich als unfähig für die Erhaltung des Friedens erweisen, dann muß eben dieses „Herz“ des Menschen erneuert werden, um die Systeme, Institutionen und Methoden erneuern zu können. Der christliche Glaube kennt ein Wort, um diese grundlegende Änderung des Herzens zu bezeichnen: Es ist die „Bekehrung“. Allgemein gesprochen, handelt es sich darum, die Klarsicht und Unparteilichkeit zusammen mit der Freiheit des Geistes, den Sinn für Gerechtigkeit mit der Achtung vor den Menschenrechten, den Sinn für einen angemessenen Ausgleich mit weltweiter Solidarität zwischen den Reichen und den Armen, das gegenseitige Vertrauen und die brüderliche Liebe wiederzufinden. Es ist vor allem nötig, daß die Personen und die Völker eine wahre Freiheit des Geistes erlangen, um sich unfruchtbarer Verhaltensweisen der Vergangenheit sowie des in sich verschlossenen und einseitigen Charakters von philosophischen und sozialen Systemen bewußt zu werden, die von fragwürdigen Voraussetzungen ausgehen und den Menschen mit seiner Geschichte auf ein begrenztes Feld von materiellen Kräften einengen, die nur auf die Macht der Waffen oder der Wirtschaft setzen, die die Menschen in Kategorien einschließen, bei denen ausschließlich das Gegeneinander vorherrscht, die einbahnige Lösungen anpreisen, die die komplexen Wirklichkeiten im Leben der Nationen mißachten und diese daran hindern, sich in Freiheit damit zu befassen. 869 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Es muß also zu einer Prüfung dieser Systeme kommen, die offenkundig in Sackgassen führen und Dialog und Verständigung einfrieren lassen, die das Mißtrauen fördern und Bedrohung und Gefahr vermehren, ohne die wirklichen Probleme zu lösen und echte Sicherheit zu bieten, ohne die Völker wirklich glücklich in Frieden und Freiheit zu machen. Diese Umwandlung in der Tiefe des Geistes und des Herzens erfordert gewiß großen Mut, den Mut der Demut und der Einsicht; sie muß, ausgehend vom Gewissen der einzelnen Personen, das kollektive Denken erreichen. Ist es eine Utopie, darauf zu hoffen? Die Ohnmacht und die Gefahr, in der sich unsere Zeitgenossen befinden, drängen sie dazu, diese Rückkehr zur Wahrheit, die allein sie befreit und befähigt, bessere Systeme zu schaffen, nicht auf später aufzuschieben. Das ist die erste Bedingung für ein „neues Herz“. Die anderen positiven Elemente sind gut bekannt. Es genügt, sie hier kurz zu erwähnen. Der Frieden ist nur dann echt, wenn er die Frucht der Gerechtigkeit ist; „opus iustitiae pax“, sagte schon der Prophet Jesaja (vgl. Jes 32,17): Gerechtigkeit zwischen den Sozialpartnern, Gerechtigkeit zwischen den Völkern. Eine Gesellschaft ist aber nicht gerecht, nicht menschlich, wenn sie nicht die Grundrechte der menschlichen Person achtet. Kriegerische Gesinnung dagegen entsteht und reift dort, wo die unveräußerlichen Rechte des Menschen verletzt werden. Selbst wenn die Diktatur und der Totalitarismus das Seufzen der ausgebeuteten und unterdrückten Menschen für einige Zeit ersticken, bewahrt der rechtdenkende Mensch die Überzeugung, daß nichts diese Verletzung der Menschenrechte zu rechtfertigen vermag. Er hat den Mut, für die anderen, die leiden, seine Stimme zu erheben und weigert sich, vor der Ungerechtigkeit zu kapitulieren, sich mit ihr zu kompromittieren. Derjenige, der den Frieden zutiefst will, wird sogar - so paradox dies auch klingt - jeden Pazifismus zurückweisen, der nur Feigheit oder eine simple Wahrung der Ruhe sein würde. Jene, die versuchen, anderen ihre Herrschaft aufzuzwingen, werden stets dem Widerstand von einsichtigen und mutigen Männern und Frauen begegnen, die bereit sind, die Freiheit zu verteidigen, um die Gerechtigkeit zu fördern. Die Redlichkeit will auch, daß man die Gerechtigkeit und Solidarität in den Beziehungen mit den armen Ländern und vor allem mit jenen verstärkt, die Elend und Hunger erdulden. Der Ausspruch Pauls VI. ist bereits die Überzeugung vieler geworden: „Die Entwicklung ist der neue Name für den Frieden.“ Die reichen Länder sollten also von ihrem kollektiven Egoismus lassen, um den gegenseitigen Austausch und die Hilfeleistungen in neuen Kategorien zu überdenken, indem man sich einer weltweiten Sicht öffnet. 870 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mehr noch, das neue Herz setzt sich dafür ein, daß Kriegsangst und Kriegspsychose allmählich verschwinden. Es ersetzt das Axiom, nach dem der Frieden sich aus dem Gleichgewicht der Rüstung herleitet, durch den Grundsatz, daß der wahre Frieden sich nur in gegenseitigem Vertrauen verwirklichen kann (vgl. Enzyklika Pacem in terris, Nr. 113). Gewiß, ein solches Herz wird zugleich wachsam und hellsichtig bleiben, um die Lügen und Manipulationen aufzudecken und mit Umsicht voranzugehen. Aber es wagt, unaufhörlich jenen Dialog zu führen und wieder aufzunehmen, der das Thema meiner Botschaft im vergangenen Jahr gewesen ist. Das neue Herz ist schließlich dasjenige, das sich von der Liebe inspirieren läßt. Schon Pius XI. hat gesagt, daß es „keinen wahren äußeren Frieden unter den Menschen und Völkern geben kann, wo nicht der Geist des Friedens den Verstand und die Herzen beseelt...; den Verstand, um die Forderungen der Gerechtigkeit zu erkennen und zu achten; die Herzen, damit sich zur Gerechtigkeit die Liebe gesellt und diese sogar die Gerechtigkeit übersteigt. Denn wenn der Frieden das Werk und die Frucht der Gerechtigkeit ist ..., ist er doch mehr der Liebe als der Gerechtigkeit zuzuschreiben“ (Ansprache vom 24. Dezember 1930, AAS 1930, S. 535). Es geht darum, auf die Gewalt, auf Lüge und Haß zu verzichten, in den Absichten und Gefühlen und im ganzen Verhalten ein brüderlich gesinnter Mensch zu werden, der die Würde und die Bedürfnisse des anderen anerkennt und mit ihm zusammenzuarbeiten sucht, um eine Welt des Friedens aufzubauen. 4. Appell an die Verantwortlichen für Politik und öffentliche Meinung Da man also zu einem neuen Herzen gelangen und eine neue Mentalität des Friedens schaffen muß, kann und soll jeder Mann und jede Frau, was auch immer ihr Platz in der Gesellschaft ist, bei der Errichtung eines wahrhaften Friedens in ihrem Lebensbereich, in der Familie, in der Schule, im Betrieb, in der Stadt, ihren Teil an Verantwortung wirklich übernehmen. In seinen Sorgen, seinen Gesprächen und in seinem Wirken soll sich jeder für alle seine Brüder und Schwestern verpflichtet fühlen, die zu derselben Menschheitsfamilie gehören, auch wenn sie im Widerstreit miteinander leben. Natürlich gibt es in der Verantwortung Grade. Jene der Staatsoberhäupter, der politischen Führung, ist entscheidend für die Herstellung und Entfaltung friedlicher Beziehungen zwischen den verschiedenen Gruppen der Nation und unter den Völkern. Mehr als andere müssen sie davon überzeugt sein, daß der Krieg in sich irrational ist und das ethische Prinzip 871 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der friedlichen Lösung der Konflikte der einzige menschenwürdige Weg ist. Gewiß, man muß auch die Gewalt mitbedenken, die in der Geschichte der Menschen in so massiver Form auftritt. Es ist Realismus im Dienst der grundlegenden Sorge um Gerechtigkeit, der in einer solchen Geschichte die Beibehaltung des Prinzips von der legitimen Verteidigung fordert. Aber die entsetzlichen Risiken von Waffen mit ungeheurer Vernichtungskraft müssen Entwicklungen in die Wege leiten, die zu Zusammenarbeit und Abrüstung führen und den Krieg praktisch undenkbar machen. Der Frieden muß errungen werden. Um so mehr muß das Gewissen den verantwortlichen Politikern verbieten, sich in gefährliche Abenteuer ziehen zu lassen, wo Leidenschaft über die Gerechtigkeit die Oberhand gewinnt, dafür das Leben ihrer Mitbürger nutzlos zu opfern, die Konflikte bei den anderen zu schüren, die Unsicherheit des Friedens in einer Region als Vorwand zu benutzen, um ihre Hegemonie auf neue Gebiete auszudehnen. Die Verantwortlichen müssen dies alles in ihrem Herzen und Gewissen erwägen und jeden Machiavellismus verbannen; sie werden darüber ihren Völkern und Gott Rechenschaft geben. Aber ich wiederhole, der Frieden ist die Pflicht aller. Die internationalen Organisationen haben ebenfalls eine große Bedeutung dafür, daß umfassende Lösungen gegenüber parteiischen Gesichtspunkten die Oberhand gewinnen. Mein Appell richtet sich besonders an diejenigen, die durch die Medien einen Einfluß auf die öffentliche Meinung ausüben, an alle jene, die in der Erziehungsarbeit unter den Jugendlichen und Erwachsenen tätig sind: Ihnen ist die Aufgabe anvertraut, den Geist des Friedens zu formen. Kann man in der Gesellschaft nicht in einer besonderen Weise auf die Jugendlichen bauen? Angesichts einer bedrohlichen Zukunft, die sie ahnen, sehnen sie sich ohne Zweifel mehr als andere nach dem Frieden, und viele sind bereit, sich dafür hochherzig und mit allen Kräften einzusetzen. Sie sollen ihre Erfindungsgabe hierfür unter Beweis stellen, dabei jedoch eine klare Sicht bewahren; ebenso sollen sie Mut zeigen, alle Aspekte langfristiger Lösungen zu bedenken! Alle Männer und Frauen sollen schließlich ihren Beitrag für den Frieden leisten und sich dabei entsprechend ihrer Veranlagung und ihrer jeweiligen Aufgaben gegenseitig ergänzen. So können die Frauen, die mit dem Geheimnis des Lebens eng verbunden sind, viel für die Förderung einer Friedensgesinnung tun, indem sie die Erhaltung des Lebens gewährleisten und davon überzeugt sind, daß wahre Liebe die einzige Kraft ist, die die Welt für alle bewohnbar zu machen vermag. 872 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Appell an die Christen Christen, Jünger Jesu, die inmitten der Spannungen unserer Zeit leben, wir müssen uns daran erinnern, daß es kein Glück gibt, es sei denn für die „Friedensstifter“ (vgl. Mt 5,9). Die katholische Kirche lebt das Heilige Jahr der Erlösung: Sie ist als ganze eingeladen, sich vom Herrn erfassen zu lassen, der im Augenblick vor der äußersten Bezeugung seiner Liebe sagt: „Meinen Frieden gebe ich euch“ (vgl. Joh 14,27). In ihr muß jeder die Verkündigung des Heils und die Kraft der Hoffnung mit allen Brüdern teilen. Die Bischofssynode über die Versöhnung und die Buße erinnert an das erste Wort Christi: „Bekehrt euch und glaubt an das Evangelium“ (Mk 1,15). Die Botschaft der Väter der Synode zeigt uns, auf welchem Weg wir voranschreiten müssen, um wahrhaftig Friedensstifter zu sein: „Das Wort ruft uns zur Buße.,Bekehre dein Herz1, sagt es,,bitte um Vergebung und laß dich mit dem Vater versöhnen“. Der Ratschluß des Vaters für unsere Gesellschaft ist, daß wir wie eine einzige Familie in Gerechtigkeit und Wahrheit, in Freiheit und Liebe leben“ (vgl. L’Osservatore Romano, 28. Oktober 1983). Diese Familie wird nur dann in tiefem Frieden geeint sein, wenn wir den Aufruf vernehmen, zum Vater zurückzukehren, uns mit Gott selber zu versöhnen. Auf diesen Aufruf antworten, mit Gottes Plan Zusammenarbeiten, bedeutet, uns von Gott bekehren zu lassen. Wir vertrauen dabei nicht nur auf unsere Kraft, nicht nur auf unseren Willen, der allzuoft schwach ist. Möge unser Leben sich verwandeln lassen, denn „alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat“ (2 Kor 5,18). Entdecken wir wieder neu die Macht des Gebetes: Beten heißt, mit dem in Einklang zu treten, den wir anrufen, dem wir begegnen, der uns das Leben schenkt. Die Erfahrung des Gebetes machen, bedeutet, die Gnade anzunehmen, die uns verwandelt; der Heilige Geist, der sich mit unserem Geist verbindet, veranlaßt uns, unser Leben nach dem Wort Gottes zu gestalten. Beten besagt, am Einwirken Gottes auf die Geschichte teilzunehmen: Der souveräne Herr der Geschichte, er hat die Menschen zu seinen Mitarbeitern machen wollen. Paulus sagt uns von Christus: „Er selbst ist unser Friede. Er vereinigte Juden und Heiden und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder“ (Eph 2,14). Wir wissen, welche Macht des Erbarmens uns im Sakrament der Versöhnung verwandelt. Es schenkt sie uns in reicher Fülle. In aller Redlichkeit können wir uns darum nicht mit den 873 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Spaltungen und Zerwürfnissen abfinden, die uns entzweien, die wir denselben Glauben teilen. Wir können nicht untätig hinnehmen, daß die Konflikte fortdauern, die die Einheit der Menschheit zerstören, die doch berufen ist, ein Leib zu werden. Wenn wir uns feierlich Vergebung zusprechen, können wir uns dann noch endlos bekämpfen? Können wir noch Gegner bleiben, während wir denselben lebendigen Gott anrufen? Können wir, wenn das Liebesgebot Christi unser Gesetz ist, stumm und tatenlos bleiben, wenn die verwundete Welt erwartet, daß wir uns in die erste Reihe zu denen stellen, die den Frieden aufbauen? Demütig und im Bewußtsein unserer Schwäche treten wir an den euchari-stischen Altar, wo jener, der sein Leben für die große Schar seiner Brüder hingibt, uns ein neues Herz schenkt, wo er uns einen heuen Geist eingibt (vgl. Ez 36,26). Aus unserer tiefsten Armut und Verwirrung sagen wir durch ihn Dank, denn er vereinigt uns durch seine Gegenwart und durch das Geschenk seiner selbst; er, der „kam und Frieden verkündete: euch, den Femen, und uns den Nahen“ (Eph 2,17). Und wenn es uns gegeben ist, ihn zu empfangen, so ist es unsere Aufgabe, durch unseren brüderlichen Einsatz auf allen Baustellen des Friedens seine Zeugen zu sein. Schluß Der Frieden hat vielfältige Formen. Es gibt den Frieden zwischen den Nationen, den Frieden in der Gesellschaft, den Frieden zwischen den Bürgern, den Frieden zwischen den religiösen Gemeinschaften, den Frieden in den Betrieben, in den Wohnvierteln und Orten und besonders den Frieden in der Familie. Während ich mich an die Katholiken und auch an die anderen christlichen Brüder und die Menschen guten Willens wende, habe ich auf eine gewisse Anzahl von Hindernissen für den Frieden hingewiesen. Sie sind schwerwiegend und ziehen ernste Gefahren nach sich. Da sie aber vom Geist, vom Willen und „Herzen“ der Menschen abhän-gen, können diese sie mit Gottes Hilfe überwinden. Sie müssen sich dagegen wehren, dem Fatalismus und der Mutlosigkeit zu erliegen. Positive Zeichen werden schon im Dunkel sichtbar. Die Menschheit wird sich der unumgänglichen Solidarität bewußt, die Völker und Nationen verbinden und erforderlich ist für die Lösung der meisten großen Probleme: Arbeitsbeschaffung, Nutzung der irdischen und kosmischen Schätze, Förderung der weniger begüterten Länder, Sicherheit. Die kontrollierte allgemeine Abrüstung wird von vielen als eine Lebensnotwendigkeit betrachtet. Instanzen mehren sich, um alles ins Werk zu setzen, damit der Krieg vom Horizont der Menschheit verschwindet. Die 874 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Appelle zum Dialog, zur Zusammenarbeit und zur Versöhnung nehmen ebenfalls zu, und zahlreiche Initiativen treten ans Licht. Der Papst ermutigt sie. „Selig, die Frieden stiften!“ Möge der hochherzige Einsatz stets mit einem klaren Blick verbunden sein! Der Frieden werde immer aufrichtiger und schlage Wurzeln im Herzen der Menschen! Es werde der Schrei der gequälten Menschen gehört, die auf den Frieden warten! Jeder setze alle Energien eines erneuerten und brüderlichen Herzens ein, um Frieden in der ganzen Welt zu schaffen! Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 1983 „Neue Herzen“ für einen sicheren Frieden Predigt in St. Peter am 1. Januar 1. Wir stehen an der Schwelle des neuen Jahres 1984 und rufen: „Gott sei uns gnädig und segne uns“ {Ps 67,2). So ruft die ganze Kirche in der Liturgie des ersten Tages des neuen Jahres, der zugleich der Oktavtag von Weihnachten ist. Im Zeichen des Geheimnisses der Menschwerdung Gottes in der Zeit, des Geschehens von Betlehem, trennen wir uns vom alten Jahr und treten ein in das neue Jahr. Die Weihnachtsoktav verbindet sozusagen diese beiden Ufer der menschlichen Zeit und Existenz auf Erden. Die Kirche möchte auf diese Weise deutlich machen, daß unsere Existenz auf Erden, in der sichtbaren Welt, mit dem unsichtbaren Gott verbunden ist und daß wir „in ihm leben, uns bewegen und sind“ (Apg 17,28). Mehr noch: Gott ist in unsere menschliche Zeit eingetreten, weil der Sohn, der gleichen Wesens mit dem Vater ist, durch das Wirken des Heiligen Geistes Mensch geworden ist und von der Jungfrau Maria in der Nacht von Betlehem geboren wurde. Von jenem Augenblick an ist unsere menschliche Zeit seine Zeit geworden. Sie ist deshalb nicht mehr nur von der Geschichte des Menschen und der Menschheit erfüllt, sondern auch vom Geheimnis der Erlösung, das in eben dieser menschlichen Geschichte wirksam ist. 2. Heute, am letzten Tag der Weihnachtsoktav, konzentriert sich die Aufmerksamkeit der Kirche voll höchster Verehrung und Liebe auf die Mutterschaft der Gottesgebärerin (Theotokos), auf diejenige also, die 875 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Sohn Gottes die menschliche Natur und das menschliche Leben geschenkt hat. Es ist das Hochfest der Gottesmutter Maria. Ihretwegen können wir heute den Namen Jesu aussprechen, denn an diesem Tag wurde dem Sohn Mariens dieser Name gegeben. Durch sie und zusammen mit ihr rufen wir in diesem Namen zu Beginn des neuen Jahres: „Gott sei uns gnädig und segne uns.“ Wir möchten mit diesem Gebetsruf in Gemeinschaft mit der Gottesgebärerin jedes Gut für die große menschliche Familie erbitten und dem Bösen - allem Bösen -wehren. Rufen wir also im Namen Jesu, d. h. „Erlöser“, und rufen wir in Gemeinschaft mit der Mutter, die die Tradition der Kirche „die fürbittende Allmacht“ (Omnipotentia supplex) nennt. Rufen wir so im Verlauf des außerordentlichen Jubiläums der Kirche, des Heiligen Jahres der Erlösung und der Gnade, das am Fest der Verkündigung des Herrn im vergangenen Jahr seinen Anfang genommen hat. 3. Die Mutterschaft steht immer in Beziehung zur Vaterschaft. Die Eltern, der Vater und die Mutter, setzen den Anfang für ein neues menschliches Leben auf Erden, indem sie mit der Schöpfermacht Gottes selbst Zusammenwirken. Die Mutterschaft Mariens ist jungfräulich. Sie, die „keinen Mann erkannte“, hat durch das Wirken des Heiligen Geistes empfangen und der Welt den Sohn Gottes geschenkt. Der hl. Paulus erklärt dieses Geheimnis der göttlichen Mutterschaft Mariens, indem er diese zur ewigen Vaterschaft Gottes in Beziehung setzt: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau“ {Gal 4,4). Die jungfräuliche Mutterschaft der Gottesgebärerin steht in Beziehung zur ewigen Vaterschaft Gottes. Sie findet sich in gewissem Sinn auf dem Weg der Sendung des Sohnes, der vom Vater durch die Mutter zur Menschheit kommt. Die Mutterschaft Mariens öffnet diesen Weg - öffnet den Weg Gottes zur Menschheit. Sie ist gewissermaßen Höhepunkt des Weges. Der Weg dieser Sendung - einmal begonnen in der Geschichte des Menschen — dauert an. Er ermöglicht für immer die Heilssendung des Sohnes Gottes durch die Geschichte der Menschheit: die Sendung, die in Kreuz und Auferstehung ihre Vollendung findet. Und mit der Sendung des Sohnes bleibt in der Geschichte der Menschheit auch die heilbringende Mutterschaft seiner irdischen Mutter: Maria von Nazaret. 876 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verehren wir an diesem ersten Tag des neuen Jahres diese ihre Mutterschaft. Es ist nämlich unser Wunsch, daß Maria in diesem neuen Abschnitt der menschlichen Zeit Christus den Weg zur Menschheit öffnet, wie sie ihn in der Nacht der Geburt Gottes geöffnet hat. 4. Im Geheimnis des heutigen Festes ist der folgende Aufruf an alle Menschen enthalten: Seht, in Jesus Christus haben wir alle den Vater empfangen. Christus hat uns in seiner irdischen Geburt eben diese göttliche Vaterschaft gebracht: Er hat sie für alle Menschen bestimmt und sie allen als unwiderrufliches Geschenk gegeben. Von dieser Vaterschaft Gottes zu allen gibt uns die Mutterschaft der jungfräulichen Gottesgebärerin ein besonders beredtes Zeugnis. Die Vaterschaft Gottes sagt uns allen, allen Menschen, daß wir Brüder sind. Die Mutterschaft Mariens zur ganzen Menschheit fügt noch eine besondere innige Verbundenheit hinzu. Wir haben das Recht, von uns als „menschliche Familie“ zu denken und zu sprechen. Wir alle sind Brüder und Schwestern in dieser Familie. Sagt dies alles nicht der Apostel in der heutigen Liturgie? - „Gott sandte seinen Sohn, geboren von einer Frau ..., damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal4,4-5); - „Gott sandte den Geist seines Sohnes in unser Herz, der ruft: Abba, Vater (Gal 4,6); - „daher bist du nicht mehr Sklave, sondern Sohn; bist du aber Sohn, dann auch Erbe durch Gott“ (Gal 4,7). Diese göttliche Sohnschaft ist das große Erbe, das uns von der Geburt Gottes hinterlassen worden ist. Es ist die Wirklichkeit der Gnade der Erlösung. Zugleich ist sie der grundlegende und zentrale Bezugspunkt für die ganze Menschheit, für alle Menschen, wenn es wahr ist, daß wir von der universalen Brüderlichkeit unter den Menschen und Völkern denken und sprechen sollen. 5. Was aber finden wir auf unserem Planeten am Tag des 1. Januar 1984 wirklich vor? Steht dies alles nicht im krassen Widerspruch zur Wahrheit von der universalen Brüderlichkeit aller Menschen und Völker? Die Welt von heute ist immer mehr gekennzeichnet von Gegensätzen, verstrickt in Spannungen, die offene Wunden reißen und sich in den Beziehungen zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd überkreuzen. 877 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Beziehungen zwischen Ost und West haben sich zu einer radikalen Konfrontation der Positionen entwickelt, die zum Abbruch der Verhandlungen über die Reduzierung der atomaren und konventionellen Waffen geführt hat, von dem alle hoffen, daß er nur vorübergehend und von möglichst kurzer Dauer ist. Unterdessen vermehrt das gegenseitige Mißtrauen die unseligen Folgen der ideologischen Kämpfe und verschlimmert die schon schweren lokalen Konflikte, durch die verschiedene, vor allem sehr kleine Nationen täglich Blut vergießen. In der anderen Richtung, zwischen Nord und Süd, hat sich der schon seit vielen Jahren unheilvoll auswirkende Graben zwischen den reichen und den armen Ländern durch die jüngste Wirtschaftskrise noch verbreitert. Experten zufolge entspricht der einprozentigen Verringerung des Wirtschaftswachstums der industrialisierten Länder die wenigstens eineinhalbprozentige Verarmung der Entwicklungsländer. Die Verschuldung der letzteren, die katastrophale Ausmaße erreicht hat, zeigt den Grad der Verschlechterung, welche die wirtschaftlichen Gegensätze noch verschärft. Der besorgniserregendste Aspekt aber besteht in den Kontrasten, die sich daraus für die Situation der Menschen ergeben. In den reichen Ländern verbessern sich die Gesundheit und die Ernährung, in den armen hingegen fehlen die Nahrungsmittel zum Überleben und wütet die Sterblichkeit, besonders unter den Kindern. Nach den Daten von UNICEF sterben in der Dritten Welt täglich 40 000 Kinder vor Vollendung ihres ersten Lebensjahres, während die FAO schätzt, daß täglich mehr als 15 000 Personen an Hunger und Unterernährung sterben. Die Gefahr der atomaren Katastrophe und die Geißel des Hungers zeigen sich furchterregend am Horizont wie die unheilvollen Reiter der Apokalypse: die eine wie die andere ist Frucht komplexer Phänomene im wirtschaftlichen, politischen, ideologischen und sittlichen Bereich, die an der Wurzel ebenso viele Quellen der Gewalt darstellen, die sich ständig gegenseitig beeinflussen. 6. Welches sind nun, so fragen wir uns, die tieferen Ursachen für diese Erscheinungen? Warum sinkt nicht, sondern steigt der Grad der Bedrohungen und Plagen noch weiter? Die Menschheit stellt sich diese Fragen mit immer größerer Sorge. Die Experten der verschiedenen Wissenszweige versuchen die besonderen Mechanismen zu erklären, die direkt oder indirekt darauf Einfluß ausüben. Dennoch, findet man nicht an der Wurzel der verschiedenen Ursachen und der komplexen Mechanismen, die die Prozesse der Ent- 878 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wicklung und der zeitgenössischen Zivilisation begleiten, eine grundlegende und letzte Ursache? Besteht diese grundlegende Ursache nicht vielleicht darin, daß man im Begriff ist, das Bewußtsein von der tiefen Brüderlichkeit der Menschen und der Völker zu verlieren? Diese Brüderlichkeit ist an die gemeinsame Sohnschaft gebunden. Durch die Sohnschaft ist sie verbunden mit der Vaterschaft Gottes selber. Wir sind Brüder, weil wir Söhne sind. Je mehr wir das Bewußtsein von dieser Vaterschaft verlieren oder auszulöschen suchen, desto mehr hören wir auf, Brüder zu sein, und desto mehr entfernen sich von uns die Gerechtigkeit, der Frieden und die Liebe unter den Menschen. 7. Die Botschaft zu diesem Weltfriedenstag hat das Thema: „Der Frieden entspringt einem neuen Herzen.“ Mit dieser Botschaft fügt der Heilige Stuhl allen - mitunter auch verzweifelten - Anstrengungen seine Stimme hinzu, die von den Menschen guten Willens in der ganzen Welt und von den verschiedenen nationalen und internationalen Instanzen unternommen werden, um den Frieden in der Welt von heute zu sichern. Wir möchten heute in gewissem Sinn den Inhalt dieser Botschaft bis ins letzte entfalten, indem wir uns jenes Lichtes bedienen, das Weihnachten der Menschheit gebracht hat. So rufen wir also während dieses heiligen Opfers Jesu Christi und der Kirche zu Gott und zugleich zu allen Menschen, indem wir bitten: um eine neue Wirksamkeit der universalen Brüderlichkeit in den Herzen aller Menschen; um eine neue Wirksamkeit der Gegenwart des Vaters in den verschiedenen Bereichen des Lebens und des Zusammenlebens. Nur in einem neuen Herzen kann diese Kraft einen sicheren Frieden auf Erden schaffen. Voller Demut und Vertrauen empfehlen wir das Gut eines solchen Friedens der Mutter Christi an. In der Tat, wir verbinden die Hoffnung auf Frieden, auf Gerechtigkeit und Liebe auf der Erde mit der Mutterschaft Mariens, der Gottesgebärerin! 879 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Motu proprio zur Errichtung der Päpstlichen Kommission für die authentische Interpretation des Codex des kanonischen Rechts Mit der kürzlich vorgenommenen Promulgierung des neuen Codex des kanonischen Rechts hege ich die frohe Hoffnung, daß er „ein wirksames Instrument wird, mit dessen Hilfe die Kirche sich selbst entsprechend dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils vervollkommnen kann und sich mehr und mehr als geeignet für die Erfüllung ihres Heilsdienstes in dieser Welt erweist“. ) Zur Erreichung dieses Zieles ist eine Beobachtung der kanonischen Gesetze erforderlich, die nicht nur die Willensbereitschaft zum Gehorsam, sondern auch eine besondere und exakte Kenntnis und Auslegung der kanonischen Gesetze verlangt. Denn „da die Gesetze alle verpflichten, dürfen sie nichts Unklares oder Zweideutiges enthalten“ <8>): In Anbetracht ihres allgemeinen Charakters läßt sich jedoch nicht vermeiden, daß ihre Anwendung auf die einzelnen Fälle Schwierigkeiten hervorruft. ') Johannes Paul II., Sacrae disciplinae leges, Codex des kanonischen Rechtes. Lateinisch-deutsche Ausgabe, S. XXV. 2) Gregor IX.: Pothast Nr. 9526, S. I, 2, 13. Da außerdem alle Canones des Codex miteinander übereinstimmen müssen, kann mitunter Ungewißheit über die Absicht und Meinung des Gesetzgebers entstehen, und deshalb ist eine Interpretation erforderlich, die den wahren Sinn der Gesetze klarstellt, um jeden Zweifel und jede Zweideutigkeit auszuräumen. Deshalb habe ich nach dem Beispiel meines Vorgängers seligen Andenkens Benedikt XV., der die authentische Interpretation der Canones des vorausgehenden Codex einer eigens dafür eingerichteten Kommission anvertraut wissen wollte <9>), nach gewissenhafter Einsicht und reiflicher Überlegung beschlossen, durch ein Motu proprio eine Sonderkommission zu errichten und errichte sie hiermit, die in Zukunft Päpstliche Kommission für die authentische Interpretation des Codex des kanonischen Rechts genannt wird und für die folgende Normen bestimmend sind: <9>) Benedikt XV.: Motu proprio Cum iuris canonici, AAS 9, 1917, S. 483. I. Nur diese Kommission ist zur authentischen - durch meine Autorität zu bestätigenden - Interpretation der Canones des Codex des kanonischen Rechts und der anderen allgemeinen Gesetze der lateinischen Kirche befugt, nachdem freilich in Sachen von größerer Wichtigkeit die 880 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dikasterien angehört worden sind, zu deren Sachbereich die jeweilige Angelegenheit gehört. II. Diese Kommission wird sich aus Kardinälen und einigen Bischöfen unter der Leitung eines Kardinal-Präsidenten zusammensetzen, denen eine angemessene Anzahl von Offizialen und ein Konsultorenkreis von Experten im kanonischen Recht zur Verfügung stehen werden. III. Was die Ernennung und die Dauer des Auftrags der Mitglieder, Offizialen und Konsultoren der Kommission betrifft, werden die Bestimmungen angewandt, die auch für die übrigen Dikasterien der Römischen Kurie gelten. IV. Art und Form des Verfahrens werden dann zu gegebener Zeit festgelegt. Mit diesem Apostolischen Schreiben verfüge ich die Aufhebung der Päpstlichen Kommission für die Revision des Codex des kanonischen Rechts und der Päpstlichen Kommission für die Interpretation der Dekrete des Zweiten Vatikanischen Konzils. Alles, was ich mit diesem Motu proprio beschlossen habe, soll vom Tag seiner Veröffentlichung in der vatikanischen Tageszeitung L’Osservatore Romano an gültig und rechtskräftig sein. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, am 2. Januar 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikats. Papst Johannes Paul II. Gültige Alternative zu vielen Irrwegen Ansprache an den Führungskreis der Schönstattmädchenjugend bei der Audienz am 2. Januar , Herzlich grüße ich in euch die Verantwortlichen der Mädchenjugend von Schönstatt. Es war euer inniger Wunsch, während eurer Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt auch dem Nachfolger Petri persönlich zu begegnen. Ihr wolltet dabei im Namen der vielen Jugendlichen, die ihr hier vertretet, eure Treue zur Kirche und zu den hohen religiösen, geistigen und sittlichen Idealen bekräftigen, denen ihr euch im Einklang mit dem obersten kirchlichen Lehramt in der Schönstattbewegung zutiefst verpflichtet fühlt. 881 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich nehme die Erneuerung eures Treueversprechens und eurer Weihe an die Gottesmutter mit Freude entgegen. Maria, die Mutter unseres Herrn und der Kirche, lehrt euch am besten, wie ihr eure christliche Berufung inmitten der vielfältigen Prüfungen, Versuchungen und Gefahren der Welt glaubwürdig leben sollt: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Diese ihre Worte sind an alle gerichtet. Tut also, was Christus euch sagt durch die Heiüge Schrift: Tut, was er euch heute sagt durch die Kirche. Das verlangt von euch stete Bereitschaft zur Besinnung und Umkehr, zu der uns gerade das Jubiläumsjahr der Erlösung wieder neu einlädt. Es verlangt Mut und Entschlossenheit, in der Gesellschaft unter Gleichgültigen und diesseitigen Glückspropheten gegen den Strom zu schwimmen. Der Weg, den Christus uns zeigt, ist die einzig gültige Alternative zu den vielen Irrwegen, die so viele Menschen, auch Jugendliche, heute verführen und ins Unglück stürzen. In eurer Treue zu Christus und eurer Lebensgestaltung nach seinem Wort liegt die Hoffnung der Kirche und der Gesellschaft von morgen. Aufrichtig danke ich euch für euren heutigen Besuch und ermutige euch in eurem freudigen und entschlossenen Einsatz für die eurer geistlichen Führung anvertrauten jungen Menschen. Ich empfehle die ganze Mädchenjugend von Schönstatt am Beginn dieses neuen Jahres dem besonderen Schutz der Gottesmutter, die Christus auch einem jeden von uns zur Mutter gegeben hat. Zugleich erteile ich euch allen für reiche Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung und weiteres fruchtbares Wirken zur Auferbauung des Reiches Gottes unter den Menschen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Dem Zeichen des Sterns gefolgt Predigt bei der Bischofsweihe in St. Peter am 6. Januar 1. Am weihnachtlichen Horizont tauchen heute drei neue Gestalten auf: die Magier aus dem Orient. Sie kommen von weit her; sie folgen dem Stern, der vor ihnen auf gegangen war. Ihr Weg führt sie nach Jerusalem, an den Hof des Herodes. Sie fragen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen“ {Mt2,2). 882 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. In der Liturgie der Kirche heißt das heutige Fest Epiphanie, das heißt Erscheinung des Herrn. Diese Bezeichnung läßt uns nicht nur an den Stern denken, den die Magier auf gehen sahen, nicht nur an den weiten Weg, den die Männer aus dem Orient, die dem Zeichen dieses Sterns folgten, zurücklegten. Epiphanie lädt uns dazu ein, an den inneren Weg zu denken, an dessen Anfang die geheimnisvolle Begegnung des menschlichen Verstandes und Herzens mit dem Licht Gottes selbst steht. „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtete, kam in die Welt“ (Joh 1,9). Die drei Gestalten aus dem Orient sind diesem Licht gewiß schon gefolgt, noch ehe sich der Stern zeigte. Gott sprach zu ihnen mit der Beredtheit der ganzen Schöpfung: Er sagte, daß er ist, daß er existiert; daß er Schöpfer und Herr der Welt ist. Zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt hat er den die Geschöpfe umgebenden Schleier gelüftet und sie noch näher an ihn herangeführt. Und zugleich hat er begonnen, ihnen die Wahrheit seines Kommens in die Welt anzuvertrauen. Ihnen wurde gewissermaßen der göttliche Heilsplan zur Kenntnis gebracht. Die Magier haben mit dem Glauben auf jene innere Erscheinung Gottes geantwortet. 3. Dieser Glaube ließ sie die Bedeutung des Sternes erkennen. Dieser Glaube hat sie auch dazu angehalten, sich auf den Weg zu machen. Sie gingen nach Jerusalem, der Hauptstadt Israels, wo die Wahrheit vom Kommen des Messias von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Die Propheten hatten diese Wahrheit verkündet, und die heiligen Bücher hatten davon geschrieben. Gott, der mit der inneren Erscheinung das Herz der Magier angesprochen hat, hatte im Laufe der Jahrhunderte zum auserwählten Volk gesprochen und ihm eben diese Wahrheit über sein Kommen angekündigt. 4. Diese Wahrheit hat sich in der Nacht der Geburt Gottes zu Betlehem erfüllt. Jene Nacht ist bereits Epiphanie, Erscheinung Gottes, der gekommen ist: Gott, der von der Jungfrau geboren und in die armselige Krippe gelegt wurde. Gott, der sein Kommen in der Ärmlichkeit seiner Geburt zu Betlehem verborgen hat: Das ist die Erscheinung des verborgenen Gottes. Nur eine Gruppe von Hirten war zur Begegnung geeilt... Aber nun kommen die Magier. Gott, der sich vor den Augen der Menschen, die in seiner unmittelbaren Nähe wohnen, verbirgt, offenbart sich den Männern, die von weither kommen. 883 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Prophet in Jerusalem sagt: „Völker wandern zu deinem Licht, und Könige pilgern zu deinem strahlenden Glanz. Blick auf und schau umher: Alle versammeln sich und kommen zu dir. Deine Söhne kommen von fern“ (Jes 60,3-4). Sie werden vom Glauben geleitet. Sie werden geleitet von der inneren Kraft der Epiphanie. Von ihr sagt das Konzil: „Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren und das Geheimnis seines Willens kundzutun (vgl. Eph 1,9): daß die Menschen durch Christus, das fleischgewordene Wort, im Heiligen Geist Zugang zum Vater haben und teilhaftig werden der göttlichen Natur (vgl. Eph 2,18; 2 Petr 1,4). In dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott (vgl. Kol 1,15; 2 Tim 1,17) aus überströmender Liebe die Menschen an wie Freunde (vgl. Ex 33,2; Joh 15,14-15) und verkehrt mit ihnen (vgl. Bar 3,38), um sie in seine Gemeinschaft einzuladen und aufzunehmen“ (Dei verbum, Nr. 2). 5. Die Magier aus dem Orient tragen in sich jene innere Kraft der Erscheinung. Sie ermöglicht ihnen, in dem Kind in der Krippe den Messias zu erkennen. Diese Kraft gebietet ihnen, vor ihm niederzufallen und ihm ihre Gaben dazubringen: Gold, Weihrauch und Myrrhe (vgl. Mt 2,11). Die Magier sind zugleich eine Vorankündigung darauf, daß sich die innere Kraft der Epiphanie unter den Völkern der Erde weit verbreiten wird. Beim Propheten heißt es: „Wenn du das siehst, wirst du dich freuen, du zitterst vor Glück, und das Herz geht dir auf. Auch den Reichtum des Meeres bringt man herbei, die Schätze der Völker kommen zu dir“ (Jes 60,5). 6. Liebe Brüder, die ihr euch heute abend aus Asien, Afrika und Europa in der Peterskirche eingefunden habt, um aus den Händen des Bischofs von Rom die Bischofsweihe zu empfangen: Ich begrüße euch herzlich mittels der Eindringlichkeit des heutigen Festes, das der ganzen Welt den Herrn offenbar machen soll, denn sein Kommen gilt allen. Aus dem Reichtum der Erscheinung Gottes wird heute euer Bischofsamt geboren. Die Weihe ist zugleich ein neuer Aufruf, euer ganzes Leben unter die innere Kraft der Epiphanie zu stellen, durch die der unendliche Gott jedem von euch sein Heilsgeheimnis in Jesus Christus, dem in der Nacht von Betlehem von der jungfräulichen Mutter geborenen Kind, anvertraut. Nehmt heute diesen Ruf an, den die Kirche an euch richtet. 884 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Laßt diese göttliche Kraft euer Herz erleuchten wie ein inneres Jerusalem, zu dem die heutige Liturgie spricht: „Auf, werde hell, denn es kommt dein Licht, und die Herrlichkeit des Herrn geht leuchtend auf über dir“ {Jes 60,1). Laßt die Heilskraft der göttlichen Epiphanie, der Erscheinung Gottes, erstrahlen unter den Menschen und Völkern, zu denen ihr gesandt werdet, als Zeugnis der Wahrheit und des Erbarmens. In der Tat: „Die Schätze der Völker kommen zu dir“ (Jes 60,5). Und antwortet auf das Geschenk des heutigen Festes mit einem steten und unablässigen Geschenk: Bringt Gold, Weihrauch und Myrrhe. So wird der Reichtum der göttlichen Epiphanie, der Erscheinung Gottes, in euch fortdauern und sich auf dem Weg eures apostolischen Dienstes immer wieder erneuern. Amen. „Sie werden zu Gotteskindern“ Predigt beim Gottesdienst zur Taufe von 27 Kindern in St. Peter am 8. Januar 1. „Deinem Namen, o Herr, sei Ehre und Lobpreis!“ Die Aufforderung der heutigen Liturgie, den Namen des Herrn zu verherrlichen und zu preisen, gewinnt, heute, am Fest der Taufe Jesu, besondere Bedeutung. Ich wollte dieses Geheimnis des Lebens Christi dadurch feiern, daß ich im Jubiläumsjahr der Erlösung hier in dieser Basilika einigen Kindern -Mädchen und Knaben - das Sakrament der Taufe spende, um damit zu unterstreichen, daß durch dieses Sakrament denen, die es empfangen, das Geschenk der Erlösung zuteil wird und das Werk des Heils und der Heiligung an ihnen zur Auswirkung kommt, das Jesus durch seine Hingabe an den himmlischen Vater vollbracht hat. Das Wort Gottes, das wir gehört haben, stellt uns Jesus von Nazaret als den „Gottesknecht“ vor, wie er im Buch des Jesaja prophetisch vorausgesagt wird; der Knecht, Gegenstand der Erwählung und des Wohlgefallens Gottes, wird seinen Sendungsauftrag in einer Haltung völliger Übereinstimmung mit dem Willen des Herrn und beispielhafter Demut gegenüber dem Herrn erfüllen; er wird zum „Bund des Volkes“, „zum Licht der 885 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völker“, das heißt der heidnischen Völker, bestellt werden, um die Bünden sehend zu machen und die Gefangenen zu befreien. Dieser geheimnisvolle „Gottesknecht“ ist Christus, der der Menschheit das Heil bringt. In dem soeben gehörten Evangelienbericht öffnet sich, unmittelbar nachdem Jesus von Johannes getauft wurde, der Himmel, der Geist Gottes kommt in Gestalt einer Taube auf Christus herab, und eine Stimme - es ist die Stimme des Vaters - spricht: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe“ (Mt 3,17). Auf die Prophezeiung folgt nun die Wirklichkeit: Das Wohlgefallen Gottes an seinem Knecht ist das Wohlgefallen des Vaters an seinem ewigen Sohn, der die Menschennatur angenommen und mit eine Geste tiefer Demut Johannes um die Taufe gebeten hat, ein Sinnbild jener Taufe, die er selbst einsetzen würde - nicht mehr als Vorbereitung auf die Gnade, sondern als Mitteilung der Gnade. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr hier anwesend seid, und besonders ihr, liebe Väter, Mütter und Paten dieser Kinder, die gleich die Taufe empfangen werden! Durch alle Jahrhunderte gehorcht die Kirche den Worten, die Jesus an seine Apostel richtete: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ {Mt 28,18-19). 2. Diese Kinder, wunderbare Frucht der Liebe der Eltern und darüber hinaus der geheimnisvollen Schöpfungstat Gottes, sind zum natürlichen Leben geboren. Aber in wenigen Augenblicken werden sie aufs neue geboren: in der Geburt zum übernatürlichen Leben, das uns von Christus erwirkt wurde. „Amen, amen, ich sage dir - so Jesus zu Nikodemus -, wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen. Was aus dem Fleisch geboren ist, das ist Fleisch; was aber aus dem Geist geboren ist, das ist Geist“ {Joh 3,5-6). Die Taufe ist eine geistige Neugeburt, eine „Geburt von oben“ (vgl. ebd. 3-7), ebenso wahrhaftig und wirklich wie die Geburt zum irdischen Leben. Diese Kinder werden - wie uns der christliche Glaube lehrt -durch die Taufe von der Erbsünde befreit, sie werden innerlich geheiligt durch die Eingießung der heiligmachenden Gnade und zugleich der göttlichen Tugenden des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe sowie der Gaben des Heiligen Geistes. Sie werden Christus eingegliedert und ihm gleichförmig gemacht, und darum werden sie in ihm Kinder Gottes und als Glieder in die Kirche, den mystischen Leib des menschgewordenen Wortes, aufgenommen. 886 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Dieses göttliche Leben, das ihnen durch das Sakrament mitgeteilt wird, muß im Laufe ihres Lebens wachsen, reifen und zur vollen Entfaltung gelangen: „Die Anhänger Christi sind von Gott nicht kraft ihrer Werke, sondern aufgrund seines gnädigen Ratschlusses berufen und in Jesus, dem Herrn, gerechtfertigt, in der Taufe des Glaubens wahrhaft Kinder Gottes und der göttlichen Natur teilhaftig und so wirklich heilig geworden. Sie müssen daher die Heiligung, die sie empfangen haben, mit Gottes Gnade im Leben bewahren und zur vollen Entfaltung bringen“ (Lumen gentium, Nr. 40). Es ist Aufgabe und Pflicht der ganzen Kirche, aber in besonderer Weise der Eltern und Paten, dafür Sorge zu tragen und diesen neuen Kindern Gottes bei ihrem übernatürlichen Wachstumsprozeß zu helfen, indem sie ihnen jeden Tag das beständige, hochherzige und aufbauende Beispiel eines Lebens geben, das ganz den Forderungen des Evangeliums entspricht. ! Diesen Wunsch richte ich heute an diese Kleinen, die neuen Christen, die neuen Glieder der jubelnden Kirche, die neuen Früchte der Erlösung! Diese Verpflichtung zu christlicher Verantwortung vertraue ich euch an und übertrage sie euch, euch allen, die ihr mir bei diesem gemeinsamen Taufgottesdienst zuhört! Amen. „ Wollt ihr Jesus in euren Herzen?“ Ansprache bei der Heilig-Jahr-Feier der Kinder am 8. Januar 1. Liebe Kinder, ich freue mich sehr, heute in eurer Mitte zu sein, die ihr rings um das Jesuskind steht. Ich bin überzeugt, daß auch ihr euch freut. Stimmt es? Ich will euch noch einmal sagen, was ihr wohl schon wißt: Ihr seid die Lieblinge des Papstes. Das habe ich schon oft Kindern, wie ihr es seid, gesagt. Kindern jeder Nation. In der großen Familie der katholischen Kirche, die aus so vielen kleinen und großen Gliedern besteht, sind die Kinder die liebsten Söhne und Töchter. Und wißt ihr, warum? Weil sich in euch das Bild Gottes, unseres himmlischen Vaters, der uns aus Liebe erschaffen hat, reiner, klarer, durchscheinender widerspiegelt. 887 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und dann seid ihr die kleinen Freunde Jesu: also des ewigen Sohnes des Vaters. Er ist Mensch geworden, einer wie wir, zu unserem Heil: Er ist ein Kind geworden wie ihr, um die Gaben der Liebe, der Güte, des Friedens in die Welt zu tragen. 2. Wir betrachten dieses göttliche Kind in der von euch Römern so sehr verehrten und geliebten Statue: Jedes Jahr steigt ihr mit euren Eltern die Stufen nach Ara Coeli hinauf, um ihm eure Liebe zum Ausdruck zu bringen. Heute wird auch dem Papst die Freude zuteil, es zusammen mit euch hier zu sehen und zu verehren. Eure Lieder, eure Gedichte, eure kleinen Briefe haben mich gerührt. Ihr habt sie dem Jesuskind zugedacht und auch dem Papst, der auf Erden Stellvertreter Christi und Verkünder der Gaben ist, die dieses Kind in die Welt getragen hat: die Wahrheit und die Liebe. Ich danke euch im Namen Jesu. Und ich danke den tüchtigen Sängern, den geschickten Dichtern, den ausgezeichneten kleinen Schauspielern und allen, die sie darauf vorbereitet und dazu angeleitet haben. Ich danke auch den Mitgliedern des Päpstlichen Kindermissionswerkes, das die Kinder zur Liebe für die Missionen anleitet und zur geistlichen und materiellen Hilfe für so viele Gleichaltrige in jenen Völkern, die Jesus noch nicht kennen. Ich danke euch allen, meine Lieben, und jedem einzelnen von euch dafür, daß ihr Jesus, „dem Geliebten, der seine Herde in den Lilien weidet“ (Hld 2,16), ein solches Feld bereitet habt. 3. Nun aber möchte ich euch im Namen Jesu etwas fragen. Ihr sollt mir auf meine Fragen ehrlich antworten: - Habt ihr das Jesuskind wirklich lieb? - Wollt, ihr, daß Jesus in euren Herzen herrscht? - Wollt, ihr, daß Jesus in der Welt herrscht? - Wollt, ihr, daß Jesus in diesem Heiligen Jahr der Erlösung alle Kinder und alle Menschen auf Erden besser macht? - Wollt ihr, daß auf die ganze Welt, auf alle Nationen, auf alle Familien der Segen und der Friede des Herrn herabkommt? Der Papst wußte, daß ihr alle mit einem schönen Ja antworten würdet, mit einem so kräftigen Ja, das beinahe die Wände dieser Halle erzittern läßt. Aber nun stelle ich euch noch weitere Fragen und bin sicher, daß ihr auch auf diese Fragen ehrlich antworten werdet. 888 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Kinder, wollt ihr aus Liebe zu Jesus gut sein und immer besser werden? - Immer treuer eure Pflicht zu Gebet, Studium und brüderlicher Liebe erfüllen? - Euren Eltern und Vorgesetzten gegenüber gehorsam sein? - Werdet ihr versuchen, immer (auch als Erwachsene) gute Freunde Jesu zu sein? - Versprecht ihr, für die Kirche und für den Papst zu beten? Und da ist es an mir, euch für dieses Versprechen aufs neue zu danken. Ja, ich danke euch und segne euch und eure Familien im Namen Jesu von ganzem Herzen. Denselben Dank und denselben Segen dehne ich auf die Kinder der verschiedenen Nationen aus, die hier anwesend sind, und auf jene, die durch Radio und Fernsehen mit uns verbunden sind. Auf französisch fuhr der Papst fort: Ich segne alle kleinen Freunde des Jesuskindes, die auch meine Freunde sind, und alle Familien der Welt. Auf englisch, deutsch und spanisch sagte der Papst: Von Herzen segne ich alle Kinder und alle Familien der Welt. Nun wollen wir miteinander beten, und zum Abschluß eurer Heilig-Jahr-Feier werde ich euch mit dem Santo Bambino von Ara Coeli segnen. Durch konkrete Schritte aus der heutigen Sackgasse herauskommen Neujahrsansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps am 14. Januar Exzellenzen! Meine Damen und Herren! 1. Ihr Sprecher - zum ersten Mal ist ein Repräsentant eines afrikanischen Landes Doyen des Diplomatischen Korps - hat Ihren Gefühlen und Ihren Wünschen in einer Weise Ausdruck verliehen, die uns alle beführt und die 889 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mir direkt ans Herz geht. Mit einer Feinfühligkeit und einer Klarheit für die ich ihm herzlich danke, hat er auch eine Reihe wichtiger Probleme der Gerechtigkeit und des Friedens betont, die die Regierungen und die ganze internationale Gemeinschaft betreffen und die Gegenstand der ständigen Sorge des Hl. Stuhles sind. Mein Dank geht gleichermaßen an alle, die hier anwesend sind und sich den Worten S.E. Herrn Joseph Amichia anschließen. Nachher hoffe ich, jeden von Ihnen persönlich begrüßen zu können. Jetzt schon spreche ich Ihnen allen meine herzlichen Wünsche für das neue Jahr aus, jedem einzelnen von Ihnen, dessen Bedürfnisse, Erwartungen und vielleicht verborgene Heimsuchungen nur Gott allein kennt; Ihren Familien, dem gesandten Personal Ihrer Botschaften, das sich zusammen mit Ihnen der würdigen Vertretung Ihrer Länder widmet, und Ihren Nationen. In dem Augenblick, in dem ich zu Gott um ein glückliches und friedliches Jahr für die ganze Welt flehe, bitte ich ihn auch, Ihnen und Ihren Gewissensüberzeugungen sein Licht und seinen Frieden als Quellen des Mutes und der Hoffnung zu schenken. Bei dieser traditionellen Begegnung sind wir jedes Jahr aufgefordert, zusammen die internationale Szene zu betrachten, um die ermutigenden oder besorgniserregenden Aspekte zu erkennen, die das Engagement aller Menschen guten Willens und insbesondere derjenigen erforderlich machen, die wie Sie den Auftrag haben, mit den Mitteln der Diplomatie friedliche Beziehungen zu knüpfen. 2. Mit dem heutigen Tag sind es 108 Länder, die diplomatische Beziehungen zum Hl. Stuhl aufgenommen haben. Seit dem Austausch der Neujahrswünsche im vergangenen Jahr kamen Belize und Nepal hinzu, und in dieser Woche konnte die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika bekanntgegeben werden, ein Ereignis, dessen Bedeutung jeder leicht abzuschätzen vermag. Und wie ich bei meinem ersten Empfang für das Diplomatische Korps, am 12. Januar 1979, sagte, wäre der Hl. Stuhl glücklich, noch weitere Botschafter hier zu sehen, besonders der Nationen, die diesbezüglich auf eine jahrhundertelange Tradition zurückblicken können, vor allem jener, die man als katholische Nationen betrachten kann. Über den Fall des Souveränen Malteserordens hinaus, dessen Mission in den Rang einer Botschaft erhoben wurde, empfangen wir heute mit besonderer Freude die Botschafter Norwegens, Schwedens, von Belize, den Fidschi-Inseln und den Kapverdischen Inseln, deren Regierungen bei 890 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser feierlichen Versammlung des Diplomatischen Korps zum ersten Mal vertreten sind. Wir heißen auch die vierundzwanzig anderen neuen Botschafter willkommen, die während des abgelaufenen Jahres ihr Beglaubigungsschreiben überreicht haben. In geographischer und kultureller, historischer und religiöser Hinsicht können Sie zwischen Ihren Ländern eine große Verschiedenheit feststellen; es gibt Länder, wo die katholische Gemeinschaft sich fast mit der Gesamtbevölkerung deckt; in anderen ist sie proportional mehr oder weniger stark vertreten, manchmal bildet sie nur eine kleine Minderheit. Aber der Apostolische Stuhl versucht mit allen, die menschlichen Probleme der Gerechtigkeit, des Friedens und der Entwicklung! zu erwägen, alle Fragen der internationalen sittlichen Ordnung, die sich ihnen, ihren Nachbarn und der gesamten menschlichen Gemeinschaft stellen. Der Hl. Stuhl bringt jeder der bei ihm vertretenen Nationen dieselbe Aufgeschlossenheit, dieselbe Wertschätzung entgegen wie auch den souveränen Staaten, die ihre Regierung sicherstellen. Im Jahr 1950 waren nur 25 Länder durch einen außerordentlichen und bevollmächtigten Gesandten beim Hl. Stuhl vertreten und 21 Länder durch einen Minister. Die sehr beachtliche zahlenmäßige Zunahme ist einer Überlegung wert. Sie scheint zu bedeuten, daß der Hl. Stuhl aufgrund seiner einzigartigen Stellung als geistliche und moralische Autorität im Dienst am Frieden aller im Geist des Evangeliums Christi, ohne eigene materielle Interessen zu verteidigen, bei einer wachsenden Zahl von Nationen Vertrauen zu wecken vermochte, einschließlich solcher Staaten, deren Angehörige mehrheitlich einem anderen Bekenntnis, also dem orthodoxen oder protestantischen, angehören oder sich zu einer anderen Religion oder zu anderen Überzeugungen bekennen. Der Hl. Stuhl erkennt darin vor allem eine größere Verantwortlichkeit, die er auf die beste Weise wahrnehmen möchte. Aber diese Situation ergibt sich auch und vor allem aus der Tatsache, daß die Zahl der souveränen Staaten in den letzten dreißig Jahren stark gewachsen ist. Die Organisation der Vereinten Nationen weiß das sehr wohl; sie nimmt sie feierlich in ihre Reihen auf. Das ist hauptsächlich die Auswirkung eines Dekolonisationsprozesses, der zahlreichen Völkern den Zugang zur vollen Souveränität, zur freien Führung ihrer öffentlichen Angelegenheiten durch Staatsbürger aus ihren eigenen Reihen, ermöglicht hat. Wie mehr oder weniger glücklich, wie mehr oder weniger vom Fortschritt auf verschiedenen Ebenen gekennzeichnet auch die Vergangenheit gewesen sein mag - worüber wir hier nicht zu urteilen haben -, es handelt sich 891 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN um eine Situation, die der historischen Entwicklung entspricht und die die Würde, die Verantwortlichkeit, die Reife der Völker, bei gleichen Rechten und Pflichten mit den anderen und in Übereinstimmung mit ihren eigenen Traditionen, Kulturen und Bedürfnissen zum Ausdruck bringen will. Die Kirche nimmt diese Entwicklung gern an; sie ist, was sie betrifft, selbst damit vorangegangen. Sie blickt voll Hoffnung auf diese Situation, und diese diplomatischen Beziehungen sind Zeichen dafür. 3. Kennt dieser Prozeß der Geburt und Wiedererstehung souveräner Staaten Grenzen? Er ist sicher noch nicht abgeschlossen. Aber es ist eine heikle Frage zu entscheiden, wo juridische, politische und historische Aspekte mitspielen, die in jedem Fall im Hinblick auf das Gemeinwohl der betroffenen Völker und ihres tatsächlich zum Ausdruck gebrachten Willens klug zu erwägen sind. Es ist immer zu wünschen, daß sich der Übergang gewaltlos und unter Respektierung der Rechte aller vollzieht. Eine Heimat für das palästinensische Volk Manche Völker warten ungeduldig darauf, unabhängig und als solche von der UNO anerkannt zu werden. Wir teilen ihre Hoffnung. Zu ihnen können wir zumindest Namibia rechnen, dessen langsamer und mühevoller Weg in dieser Richtung noch immer nicht ans Ziel gekommen ist. Im übrigen ist zu wünschen, daß andere Völker, wie das palästinensische, eine Heimat besitzen. Das schien uns immer eine Bedingung des Friedens und der Gerechtigkeit im so schwer heimgesuchten Nahen Osten zu sein, vorausgesetzt, daß gleichzeitig die Sicherheit aller Völker der Region einschließlich Israels, gewährleistet ist. Schließlich gibt es in unseren Tagen neue und feinere Formen der Abhängigkeit, für die man sorgfältig das Wort „Kolonialismus“ vermeidet, die aber seine negativsten und fragwürdigsten Merkmale in sich tragen, Beschränkung der Unabhängigkeit und der politischen Freiheiten, wirtschaftliche Abhängigkeit, und das auch, wenn die betroffenen Völker sich eigener Regierungseinrichtungen zu erfreuen scheinen, von denen man nur nicht weiß, inwieweit sie dem Willen aller Bürger entsprechen. Souveräne, schon lange oder erst seit kurzem unabhängige Länder dagegen sehen sich mitunter durch den internen Protest einer Gruppe, der bis zur Forderung der Trennung gehen kann, in ihrer Integrität bedroht. Das sind komplexe und sehr unterschiedliche Fälle, von denen jeder eine gesonderte Beurteilung verlangt, aufgrund einer Ethik, die gleichzeitig den auf die homogene Kultur der Völker gegründeten Rechten der 892 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Nationen (vgl. Ansprache an die UNESCO, 2. Juni 1980, Nr. 15, in: Wort und Weisung, 1980, S. 232-233) und dem Recht der Staaten auf ihre Integrität und Souveränität Rechnung trägt. Wir wünschen, daß man jenseits aller Leidenschaften - und auf jeden Fall unter Vermeidung von Gewalt - zu wohlgegliederten, ausgewogenen politischen Formen gelangt, die imstande sind, die kulturellen, ethnischen und religiösen Eigenheiten und die Rechte von Minderheiten im allgemeinen zu respektieren. Das berechtigte Gut der Souveränität der Staaten und der Fortschritt, den sie darstellt, hindern diese jedenfalls nicht daran, sondern nötigen sie vielmehr, Abkommen zu schließen, verschiedene Gruppierungen, Gemeinschaften und Organisationen auf regionaler und kontinentaler Ebene zu schaffen, die es ermöglichen, sich gemeinsam der enormen Probleme besser anzunehmen, die in der Stunde der Wirtschaftskrise, der technologischen Veränderungen und ihrer Auswirkungen auf das tägüche Leben, insbesondere die Beschäftigungslage, praktisch kein Land verschonen. Auch diese neue Art der Solidarität stellt, soweit sie nicht den Vorteil der Souveränität gefährdet und soweit ihr frei zugestimmt wird, einen Fortschritt dar. 4. Worin bestehen nun die Rechte und Verpflichtungen eines souveränen Volkes? Sie schließen natürlich die Freiheit ein, ohne fremde Einmischung sein politisches Regime und diejenigen zu wählen,; die mit der Ausübung der Staatsautorität beauftragt werden, um die für das gemeinsame Wohl der Nation als notwendig erachteten Maßnahmen zu bestimmen und anzuwenden und ihre Geschicke in Übereinstimmung mit ihrer Kultur zu lenken. Aber genauso wie der einzelne Mensch unverletzliche Rechte und entsprechende Verpflichtungen hat, haben auch die Völker Verpflichtungen sich selbst gegenüber und die Staaten den Völkern gegenüber. Die Völker müssen sich dessen durch wachsendes Verantwortungsbewußtsein würdig erweisen. Die Staaten müssen im Dienst der authentischen, eigenständigen Kultur der Nation stehen (vgl. UNESCO-Ansprache), im Dienst des Gemeinwohls, aller Staatsangehörigen und Verbände, indem sie versuchen, unter Berücksichtigung der wesentlichen Bedürfnisse, der Möglichkeiten des Landes und in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen dem Lebensstandard der einzelnen Bürger und der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten günstige Lebensbedingungen für alle zu schaffen. Nicht weniger sind sie dazu angehalten, immer größere Achtung vor den grundlegenden Freiheiten und Rechten des einzelnen, der Familien, der Körperschaften an den Tag zu legen, einschüeßlich der Gewissens- und 893 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Religionsfreiheit. Sie müssen durch ihre Gesetze allen eine Gewähr für Gerechtigkeit bieten. Sie müssen vernünftigen Erwartungen, auch dem Wunsch nach politischer Beteiligung Rechnung tragen. Wenn in der Gesellschaft Konflikte ausbrechen, sind Willkürmaßnahmen wie Folter, das Verschwindenlassen von Personen, Verbannungen, Zwangsausweisungen von Familien, Hinrichtungen aufgrund von Schnellverfahren, absolut zu verurteilen. Solche Methoden sind souveräner Staaten, die etwas auf sich halten, unwürdig, und man kann sich fragen, ob die internationale Gemeinschaft - deren Grundsätze und Charten diese Staaten im übrigen angenommen haben - diese Unlogik nicht deutlicher anprangern und Abhilfe schaffen könnte. Was uns betrifft, so appellieren wir feierlich an das Gewissen dieser Regierungen, vor Gott und vor ihren Völkern. In einer gewissen Zahl souveräner Staaten, die bereits ihre Geschichte als Nation besitzen und ihre Einheit verwirklicht hatten, bleibt der innere Frieden unglücklicherweise aus anderen Gründen zerbrechlich, da sie mit aufreibenden bewaffneten Aufständen fertigwerden müssen. Welch enormer Preis an Vergeudung lebenswichtiger Güter, an Zerstörungen aller Art, an Gewalttaten, Verlusten von Menschenleben, ganz abgesehen von dem zurückbleibenden Haß! Aber selbst hier gilt es, angesichts solcher Erscheinungen den Mut zu haben, sich mit aller Klarheit Fragen zu stellen. Geht der Aufstand von einer bestimmten ausländischen Macht aus, die eine bestimmte Region zu zersetzen trachtet, die mit Hilfe ideologischer Manipulation eingreift, den Haß schürt, ja selbst am Kampf teilnimmt, ihn unterstützt und aufrechterhält, um ein legitimes politisches Regime zu stürzen? Das wäre dann ein bedauerlicher Tatbestand, dessen wahres Gesicht entlarvt werden müßte. Oder erhält der örtliche Aufstand im Land selbst Unterstützung wegen frischer Ungerechtigkeiten, wegen eines unerträglichen Totalitarismus von seiten der Regierenden? Dann läge es an diesen, unverzüglich gerechte und notwendige Reformen einzuleiten. Auf keinen Fall aber darf man sich in so vielen Ländern, wo das Leben ohnehin schon schwierig genug ist, mit der Verlängerung eines derartigen Kriegszustandes abfinden, der unschuldige Menschenleben opfert und die Lösung der wahren Probleme hinauszögert. Mir scheint, in gewissen Überlegungen, die mit der Soziallehre der Kirche übereinstimmen, ließen sich heüsame Richtlinien für die Lösung verschiedener laufender Konflikte finden. Sie können sich wohl vorstellen, daß der Hl. Stuhl, wie zweifellos viele Ihrer Länder, sehr besorgt ist über die derzeitige Lage in Mittelamerika, im Libanon, in Afghanistan, in verschie- 894 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denen Gebieten Afrikas, in Kambodscha. .. Wäre es nicht notwendig, daß die fremden Besatzungstruppen abgezogen werden und zugleich eine freie politische Vereinbarung innerhalb des Landes zustande kommt in dem ehrlichen Bestreben, das gemeinsame Wohl aller Bürger zu erlangen, und unter Respektierung der Verpflichtungen eines souveränen Staates, die ich gerade aufgezählt habe? An anderen Orten der Welt beklagen wir gleichfalls mit Bedauern, daß -aus welchen Gründen auch immer - der Krieg weitergeht, wie das zwischen Iran und Irak der Fall ist. Und außerdem wünschen wir ein internationales Übereinkommen, um dem Terrorismus überall, wo er noch wütet, Einhalt zu gebieten. Wir alle erinnern uns an einige besonders abstoßende Anschläge und Massaker, die im vergangenen Jahr verübt wurden. 5. Wenn man die zwischen den souveränen Ländern bestehenden Spannungen betrachtet, spricht man jetzt oft von einer doppelten Polarisierung. Die ernste, bedrohliche Ost-West-Spannung rückt häufiger ins Blickfeld, weil wir in den fraglichen Ländern nicht nur die größte Konzentration von Technologie-Experten und damit die größte Zusammenballung der wirtschaftlichen Macht, der Schwerindustrie, der Produktionsfähigkeit, des Kommunikationsnetzes, sondern leider auch der atomaren und konventionellen Rüstung antreffen. Die Spannung besteht also auf dieser Ebene tatsächlich und ist höchst bedrohlich; sie hat vor allem einen ideologischen Hintergrund. Das ist eine Tatsache, die die betroffenen Völker beunruhigt, ja in Angst versetzt. Den Beweis dafür erhalten wir regelmäßig von den verschiedenen Bischofskonferenzen, und der Hl. Stuhl hält es für seine Pflicht, diese Meldungen zu veröffentlichen, nicht um die Furcht zu erhöhen, sondern um den Frieden besser zu garantieren. Das ist auch der Grund, warum ich selbst vor kurzem für die Wiederaufnahme der Verhandlungen über den Abbau der atomaren Rüstung interveniert habe. Es ist kein Tag mehr zu verlieren; wir sind überzeugt, daß es hier eine sehr ernste Verpflichtung für alle betroffenen Seiten gibt, und wollte sich jemand der Notwendigkeit solcher Verhandlungen entziehen, würde er vor der Menschheit und vor der Geschichte eine schwere Verantwortung auf sich laden. Aber eine vollständige Sicht der Welt verlangt, daß man auch dem Nord-Süd-Konflikt eine besondere Aufmerksamkeit zuwendet, wie ich in meiner Botschaft zum Weltfriedenstag und in meiner Predigt am 1. Januar ausgeführt habe. Denn dieses Problem betrifft einen großen Teil der Menschheit, und auf dem Spiel steht hier das Leben, das Überleben dieser 895 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völker, die gleichsam zu Unterentwicklung verurteilt sind und die man unter der Bezeichnung „Süden“ einordnet, obwohl sie zu allen Kontinenten gehören. Sie sehen, wie manche wohlhabende Länder, oft aus Angst, gigantische Summen für die Vermehrung ihres Rüstungspotentials ausgeben. Und sie selber sind versucht, einen zu großen Teil ihrer Mittel in den Erwerb derartiger Waffensysteme zu investieren, während sich die mangelnden Grundvoraussetzungen für Ernährung, Hygiene und Alphabetisierung grausam bemerkbar machen, denn hier entspringt die ungeheure Quelle von Leiden, Angst, Bitterkeit und manchmal auch von Aufständen. Die Situation entwickelt sich um so eher zu einem dauernden Gewaltzustand, wenn sie von anderen Mächten ausgenützt wird. Die Ausbreitung der Zonen der Armut ist auf lange Sicht gesehen die ernsteste Bedrohung für den Frieden. Nicht im Namen eines Staates, sondern im Namen des Hl. Stuhls Zu menschlichen Ursachen, die unter anderem aus der Ungleichheit der Handelsbedingungen und gewissen Ungerechtigkeiten stammen, kommen Naturkatastrophen hinzu, wie die schreckliche Dürre in der Sahelzone. Angesichts dieser gewaltigen und sicher sehr komplexen Probleme ist die internationale Gemeinschaft aufgerufen, einen entschlossenen Einsatz für eine wirksame und uneigennützige Hilfe, eine große Achtung vor den Kulturen und Traditionen, soweit sie gesund sind, ein Bemühen um die Entwicklung der Verantwortlichkeit, der freien Beteiligung und der Einheit armer Länder zu beweisen. Diese werden im übrigen früher oder später diejenigen erkennen, die sie wirklich lieben, die ihnen wirksam und ihren tatsächlichen Bedürfnissen entsprechend helfen, angefangen bei der Ernährungshilfe. Die Kirche ihrerseits - und das betone ich nachdrücklich - will sich weiter entschlossen für die Entwicklung dieser sogenannten Süd-Länder engagieren; und sie ermutigt die anderen, sich auch immer mehr dabei zu engagieren, denn die beste Art, die Wege des Friedens vorzubereiten, ist, Gerechtigkeit und brüderliche Solidarität in die Tat umzusetzen. 6. Ich habe nun vor Ihnen, Exzellenzen, eine Reihe von Fragen angeschnitten, die gewiß politische Orientierungen betreffen; sie sind im übrigen Ihnen als Diplomaten vertraut, wie Ihr Doyen gezeigt hat. Sie wissen sehr wohl, daß ich das nicht im Namen eines Staates tue, sondern im Namen des Hl. Stuhles, im Namen der katholischen Kirche, im Namen 896 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des christlichen Gewissens. Es geht darum, bessere Bedingungen für eine menschlichere Welt zu suchen. Wie ich Ihnen im vergangenen Jahr sagte, fühlt sich der Hl. Stuhl frei, die dazu erforderlichen Initiativen ohne Ansprüche, aber mit Gewißheit zu ergreifen, indem er namentlich die Sache derer, die leiden und deren Stimme sich kein Gehör verschaffen kann, zu seiner eigenen Sache macht. Und wir sind sicher, daß diese Sicht sich mit der vieler Menschen guten Willens trifft, angefangen bei den Staatsoberhäuptern und den Verantwortlichen für das internationale Leben. Aber der Glaube schenkt uns eine neue Vorstellung von Mensch und Gesellschaft mit besonderen Motivierungen, die ihre Wirkung verstärken können. So will der Hl. Stuhl im Rahmen des internationalen diplomatischen Lebens vor allem das Vertrauen fördern: Er hört nicht auf, gerechte Lösungen durch Verhandlungen lobend herauszustellen; er zögert nicht, die Wiederaufnahme eines echten, fairen Dialogs, jenseits blind machender Leidenschaften und Vorurteile zu fordern. Genau das fehlt den Nationen und Blöcken, die nicht imstande sind, ihre Beziehungen auf Vertrauen aufzubauen. Dieser Dialog und dieses Vertrauen entfernen sich keineswegs vom Realismus, im Gegenteil. Anstatt auf endgültige, den Veränderungen zugeschriebene Ergebnisse zu warten, die gewisse philosophisch-politische Theorien für eine unbestimmte Zukunft prophezeien, möchte der Hl. Stuhl helfen, aus der heutigen Sackgasse herauszukommen, indem er die Menschen und Gruppen ermutigt, konkrete Schritte zu unternehmen, punktuelle Maßnahmen zu ergreifen, um die Lösung der gründlegenden Probleme der Gerechtigkeit in dieser Welt voranzutreiben, i 7. Ich habe von einem Zusammenhang dieser Ansprache mit dem Evangelium gesprochen. Denn wenn die Kirche dazu auffordert, sich der dramatischen Lage der hungernden Völker zu stellen, erinnerte sie sich daran, daß Christus sich mit dem Menschen identifiziert hat, der hungert. Sie ergreift Partei für das Leben, damit es angenommen, geachtet, verteidigt und gefördert wird. Sie weiß überdies sehr wohl, daß die Welt diesen Kampf zu würdigen vermag, denn das Leben eines einzigen Unschuldigen - zum Beispiel bei einem Menschenraub - weckt mit Recht viel Mitleid und Soüdarität; sie möchte, daß dasselbe Mitgefühl für die Tausende menschlicher Wesen aufgebracht werde, die durch Abtreibung, Hunger und Krieg ausgelöscht werden. Die Kirche nimmt Partei für das ganz Persönliche und Unverletzliche im Menschen: sein Gewissen, seine Beziehung zu Gott. Sie weiß, daß ein 897 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Regime, das den Glauben an Gott ausrotten will, die Achtung des Menschen und der Brüderlichkeit unter den Menschen nicht schützen kann. Sie. hört deshalb nicht auf, sich auf die religiöse Freiheit als Grundrecht zu berufen. Was sie selbst betrifft, so predigt die Kirche vor allem in diesem Heiligen Jahr der Erlösung die Versöhnung, die Vergebung. Während sie Gott selbst um Vergebung bittet, fordert sie die Menschen auf, sie untereinander zu praktizieren. Die Völker selber müssen sich versöhnen, müssen die anderen in einem neuen Licht sehen, die abgenützten Vorwürfe abbauen, ihre Tür dem „Gegner“ öffnen, ohne ihn zu demütigen, die Wiederherstellung der Einheit versuchen. Die Kirche ruft zum Handeln aus Liebe, aus dem Geist der Brüderlichkeit und des Dienstes auf, wie sie es von Christus gelernt hat; sie ist sicher, daß ohne diese innere Bereitschaft die großen Worte von Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität Gefahr laufen, zu tönenden Schellen ohne Wirkung werden. Und diese Brüderlichkeit rechtfertigt sich, wie ich am ersten Tag des Jahres gesagt habe, zutiefst, weil wir alle Kinder ..desselben Vaters sind. Wie kann man zwischen den Kindern ein und desselben Vaters irgendeinen Krieg in Erwägung ziehen? 8. Deshalb wagt es die Kirche, von Hoffnung zu sprechen. Weihnachten hat uns daran erinnert, daß die Geburt eines Kindes der Beginn von etwas Neuem ist, um so mehr, wenn es der Sohn Gottes ist,, der in die menschliche Geschichte, eintritt, nicht um zu verdammen, sondern um zu retten. Jesus setzt in unseren Augen als Glaubende den Anfang zu einer neuen Menschheit. Er sprengt die Geschichte. Jeder Mensch wird von Gott geliebt und geschätzt, wie auch immer seine persönliche und kollektive Vergangenheit gewesen sein mag. Es gibt keine blockierte und ausweglose Situation. In ihm, dem Erlöser, können wir unsere Ängste und Egoismen hinter uns lassen. Der Christ glaubt nicht an die schicksalhafte Unabwendbarkeit der Geschichte. Mit Gottes Gnade kann der Mensch den Lauf der Welt ändern. In dieser Überzeugung wurzelt der Dienst, den der Hl. Stuhl bescheiden und in den Grenzen seiner besonderen Eigenart der internationalen Gesellschaft leistet. Denn, offen gesagt, ist sich die Kirche sehr wohl bewußt, daß die geduldige Umwandlung der internationalen Beziehungen auf Grund des begrenzten und sündhaften Charakters des Menschen die menschlichen Kräfte übersteigt. Deshalb betet sie im Rahmen ihres Tuns und Wirkens, auch ihres diplomatischen. Sie bittet Gott und fordert zum Gebet auf. 898 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses Gebet zielt nicht in erster Linie darauf ab, einem Mangel abzuhelfen. In ihren Augen heißt beten im wesentlichen, sich im Innersten mit dem einzig und absolut gerechten Willen Gottes zu einen. Und für uns heißt das genau, uns in der Wahrheit unseres Seins zu Jüngern Christi zu machen. Wenn die Christen vor der ganzen menschlichen Gemeinschaft die Forderungen, die ich in Erinnerung gebracht habe, auszusprechen und zu formulieren wagen, dann darum, weil sie versuchen, dem inneren Licht treu zu sein, das sie durch das Geschenk der Liebe Christi, der in der Geschichte gegenwärtig ist, von Gott empfangen. In diesem Geist können sie bewirken, daß sich das „Herz“ in seinen tiefsten Schichten wandelt. Dann wird - entsprechend der Botschaft, die ich an alle politischen Verantwortlichen gerichtet habe - der Friede geboren werden und erstarken. Das also ist das Ideal, das der Hl. Stuhl im Namen der Kirche frei vorschlägt und das er mit Ihnen und mit den Regierungen der ganzen Welt, die Sie repräsentieren, teilen möchte. Und ich erlaube, mir, Sie als beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomaten besonders aufzufordern, persönlich und als Diplomatisches Korps, das zu einer einzigartigen Repräsentation berufen ist, dafür Zeugen zu sein. Exzellenzen, meine Damen und Herren, auf diese Worte der Hoffnung hin spreche ich Ihnen nochmals meine ganz herzlichen Wünsche aus. Möge der Herr, der Ursprung alles Guten, Sie. mit; seinem Segen überschütten, Sie und alle Ihre Lieben! Quelle menschlicher Bereicherung Ansprache an das Präsidialkomitee, den Exekutivausschuß und den Internationalen Rat des Päpstlichen Rates für die Kultur am 16. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Freunde! Ich heiße Sie sehr herzlich willkommen und freue mich, im Verlauf Ihrer Jahresversammlung in Rom wieder mit Ihnen für eine kurze Zeit, die vorzugsweise der gemeinsamen Reflexion und Orientierung mit dem Papst Vorbehalten sein soll, zusammenzutreffen. Durch Sie grüße ich voll 899 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hochachtung die Kulturschaffenden in den verschiedenen Kontinenten. Sie wissen um die lebenswichtige Bedeutung, die ich dem Werden der Kulturen unserer Zeit und ihrer fruchtbaren Begegnung mit dem Heilswort Christi, des Befreiers, das auch für die Kulturen Gnadenquelle ist, beimesse. 1. Während dieser Arbeitstage ziehen Sie eine Zwischenbilanz über die Aktivitäten des Päpstlichen Rates für die Kultur, um seine zukünftige Arbeit zu überdenken, ausgehend von einem christlichen Blick auf die Kulturen am Ende des 20. Jahrhunderts. Ich wünsche diesem Rat, dem zuletzt entstandenen Organ der Römischen Kurie, daß er seine Rolle schrittweise übernimmt, und ich danke Ihnen für alles, was Sie seit der Gründung im Mai 1982 getan haben. Im besonderen danke ich Kardinal Garrone, dem Präsidenten des Präsidialkomitees, Kardinal Sales, Msgr. Paul Poupard, dem Vorsitzenden des Exekutivausschusses, Msgr. Antonio Javierre Ortas als Berater, Pater Carrier, als Sekretär und ihren Mitarbeitern, die sich alle ihren ersten Erkundungsund Realisierungsaufgaben widmen, und den verehrten Mitgliedern des Internationalen Rates, deren qualifizierte Mitarbeit sehr wertvoll ist und sein wird. Der Hl. Stuhl und die Kirche haben schon immer durch die kirchlichen Universitäten und Akademien, durch Sonderkommissionen, durch Bibliotheken und Archive auf dem Gebiet der Erziehung, der Lehre und Forschung, der Wissenschaften und der sakralen Kunst der Welt einen erstrangigen Beitrag geleistet. Verschiedene Organe der Kurie arbeiten daran mit, und es ist natürlich zu wünschen, daß sich ihr Einsatz noch weiter verstärkt, um den Erfordernissen der heutigen Welt zu entsprechen, und vor allem, daß er besser koordiniert und bekanntgemacht wird. An dieser Aktivität und dieser Zusammenarbeit ist Ihr Rat eigenständig beteiligt. 2. Ihre Rolle besteht vor allem darin, Beziehungen zur Welt der Kultur zu knüpfen, in der Kirche wie außerhalb der kirchlichen Einrichtungen: zu den Bischöfen, den Ordensleuten, den auf diesem Gebiet engagierten Laien oder Vertretern der staatlichen oder privaten kulturellen Vereinigungen, den Universitätsangehörigen, den Forschern und Künstlern, kurz zu allen, die interessiert sind, die kulturellen Probleme unserer Zeit zu ergründen. In Verbindung mit den Ortskirchen tragen Sie dazu bei, daß qualifizierte Repräsentanten die Kirche von dem Ergebnis Ihrer Erfahrungen, Forschungen und Realisierungen zum Wohl der Kultur unterrich- 900 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten — damit die Kirche in ihrem pastoralen Dialog nicht unwissend dasteht und diese Erkenntnisse eine Quelle menschlicher Bereicherung werden -und auch, daß sie das Zeugnis der Christen zu diesem Gegenstand entgegennehmen. 3. Man denkt natürlich an internationale Organisationen wie die UNESCO und den Europarat, deren spezifisches Wirken im Dienst der Kultur und Erziehung steht. Ihr Rat kann - wie bereits geschehen - zur Stärkung der Zusammenarbeit mit solchen Institutionen beitragen, die bereits Beziehungen zum Hl. Stuhl unterhalten. Sie sind an geeigneter Stelle, um zusammen mit den anderen Vertretern des Hl. Stuhls und der Kirche an den bedeutenden Kongressen teilzunehmen, die Probleme der Kultur und der Humanwissenschaften behandeln. In diesen Bereichen ist die Präsenz der Kirche, soweit sie eingeladen wird, von besonderer Bedeutung und Quelle großer Bereicherung für die Welt wie für sich selbst, und es ist wichtig, daß sie darauf alle ihre Sorgfalt verwendet. 4. Zur gewohnten Tätigkeit des Rates gehört auch das gründliche Studium großer kultureller Fragen, wo der Glaube angesprochen und die Kirche in besonderer Weise einbezogen ist. Das ist ein bemerkenswerter Dienst für den Papst, den Hl. Stuhl und die Kirche. Die Sammlung „Kulturen und Dialog“ - von der bereits der erste und interessante Band über den Fall Galilei bekannt ist - wird ein nützlicher Beitrag sein, ebenso verschiedene Initiativen, die Sie für den Dialog zwischen Evangelium und Kulturen planen. 5. Was die Weiterführung Ihrer Vorhaben betrifft, ist es angebracht, daß Sie sich - was Sie bereits tun - an die Bischofskonferenzen wenden, um von ihnen die Initiativen einzuholen, die die Zielsetzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und besonders der Pastoralkonstitution Gaudium et spes über die Kultur in ihrer Umwelt in die Praxis umsetzen sollen. Eine bessere Kenntnis davon, wie die Ortskirchen die Entwicklung der Mentalität und Kultur in ihren Ländern wahmehmen und verstehen, wird dazu verhelfen, ihre Evangelisierungsarbeit besser zu orientieren. Gerade auf diesem Gebiet sind seit dem Konzil interessante pastorale Erfahrungen gemacht worden, die es den Ortskirchen ermöglichen, sich den komplexen Problemen, die durch das Hervortreten neuer Kulturen entstehen, sowie den Herausforderungen der Inkulturation, den neuen Denkströmungen, der mitunter konfliktreichen Begegnung der Kulturen 901 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und dem fairen Bemühen um den Dialog zwischen ihnen und der Kirche im Licht des Evangeliums zu stellen. Einige Bischofskonferenzen haben bereits eine für die Kultur zuständige Kommission geschaffen. Manche Diözesen haben einen Verantwortlichen, bisweilen einen Weihbischof, ernannt und mit dem neuen Problemen betraut, die eine moderne Kulturpastoral stellt. Diese Lösung auch für die Diözese Rom einzuführen, habe ich selber für gut erachtet. Es wird wertvoll sein, die Ergebnisse dieser Initiativen bekanntzumachen, und dadurch einen fruchtbaren Meinungsaustausch und einen gesunden Wettstreit anzuregen. 6. Ganz zu Recht suchen Sie auch die Zusammenarbeit mit den internationalen katholischen Organisationen. Etliche dieser Organisationen sind an den Problemen der Kultur besonders interessiert und haben bereits den Wunsch nach Zuammenarbeit mit Ihnen zum Ausdruck gebracht. Bei dem Einsatz, den die Katholiken zur Förderung der Kultur, der Erziehung und des Dialogs zwischen den Kulturen leisten, stehen die internationalen katholischen Organisationen an vorderster Front. Deshalb freue ich mich über die Aufmerksamkeit, die Ihr Rat diesem wichtigen Bereich entgegenbringt in Zusammenarbeit mit dem Päpstlichen Rat für die Laien, der dafür zuständig ist, das Apostolat der internationalen katholischen Organisationen im allgemeinen zu begleiten. 7. Andererseits entfalten viele Ordensmänner und Ordensfrauen im Bereich der Kultur eine wichtige Tätigkeit. Etliche Ordensinstitute, die sich der Erziehungsarbeit und dem kulturellen Fortschritt, dem Verständnis und der Evangelisierung der Kulturen widmen, haben ihren Wunsch bekundet, aktiv am Sendungsauftrag des Päpstlichen Rates für die Kultur teilzunehmen, um im Geist brüderlicher Zusammenarbeit gemeinsam nach den besten Wegen zur Förderung der Zielsetzungen des Zweiten Vatikanischen Konzils in diesem weiten Bereich zu suchen. In Verbindung mit der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute wird Ihr Rat von Nutzen sein, um diese Ordensmänner und Ordensfrauen in der spezifischen Evangelisierungsarbeit zur kulturellen Förderung des menschlichen Daseins, mit der sie beauftragt sind, zu unterstützen. 8. Aus diesen wenigen Worten wird man leicht die Bedeutung und Dringlichkeit der dem Päpstlichen Rat für die Kultur anvertrauten Sendung erkennen, einer Sendung, die sich an ihrem Platz - und unter einem besonderen Blickwinkel — in jene der Organe des Hl. Stuhls und in jene der ganzen Kirche einfügt, die verantwortlich dafür ist, den Menschen, die 902 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in hohem Maße vom kulturellen Fortschritt, aber auch von seinen Grenzen geprägt sind, die Frohbotschaft zu bringen. Denn mehr denn je wird der Mensch ernstlich von einer Antikultur bedroht, die unter anderem in der zunehmenden Gewalt, den mörderischen Konfrontationen, der Ausbeutung der Instinkte und den egoistischen Interessen offen, zutage tritt. Durch Ihre Arbeit für den Fortschritt der Kultur ist die Kirche unermüdlich bestrebt zu erreichen, daß die gemeinsame Weisheit über die trennenden Interessen siegt. Es muß unseren Generationen möglich sein, eine Kultur des Friedens aufzubauen. Wären doch unsere Zeitgenossen imstande, zum Geschmack an der Kultur und ihrer Wertschätzung zurückzufinden, zum wirklichen Sieg der Vernunft, zur brüderlichen Verständigung, zur geheiligten Achtung vor dem Menschen, der die Fähigkeit zur Liebe, zur Kreativität, zur Kontemplation, zur Solidarität und zur Transzendenz besitzt! In diesem Jubiläumsjahr der Erlösung, das mir bereits das Privileg geschenkt hat, zahlreiche Männer und Frauen der Kultur als fromme Pilger zu empfangen, flehe ich den Segen des Herrn auf Ihre schwierige, aber begeisternde Aufgabe herab. Möge die aus den lebendigen Quellen des Evangeliums geschöpfte Botschaft der Versöhnung, der Befreiung und der Liebe die Kulturen unserer Zeitgenossen auf der Suche nach Hoffnung läutern und erleuchten! „Auch Goethe fühlte sich hier wohl“ Ansprache an den Bürgermeister und die Stadträte von Rom am 16. Januar Herr Oberbürgermeister, meine Herren Stadträte von Rom! 1. Für Ihren Besuch zum Jahresbeginn danke ich Ihnen und begrüße Sie herzüch, wobei ich gleichzeitig meine Freude über diese Begegnung zum Ausdruck bringe, die nämlich trotz ihrer alljährlichen Wiederkehr immer eine gute Gelegenheit ist, um Ihnen meine Wünsche auszusprechen und gleichzeitig ein wenig über die Ereignisse in dieser Stadt nachzudenken, die Jahr für Jahr ihre Geschichte weben und, während sie die Gedanken auf die Probleme des Augenblicks lenken, sich eng mit den Ereignissen ihrer erhabenen Vergangenheit verknüpfen. Ihre Anwesenheit ruft in meinem Herzen vor allem die Größe dieser Stadt wach, ihren Reichtum an profanen und sakralen Monumenten, die von 903 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Historikern, Künstlern, Schriftstellern und Heiligen aller Zeiten studiert und geliebt werden; die Größe dieser „patria communis“ (gemeinsamen Vaterstadt), die große Geister aller Jahrhunderte in ihren Bann zog. Schon im klassischen Altertum begrüßte sie Horaz als „caput rerum“ (Hist. II, 32), und Vergil bezeichnete sie als „pulcherrima“ (Georg. 11,534), während sie Rutilius Namatianus ihre Fähigkeit lobte, die mannigfachen Ansprüche von Völkern, die nach Kultur und Zivilisation verschieden sind, in eine Einheit zu verschmelzen und den bekannten Vers aussprach: „Fecisti patriam diversis gentibus unam“ (De reditu suo, 0,63). 2. Rom ist jedoch auch die Stadt, in der der Fischer von Betsaida landete, der Apostel Petrus, der Überbringer der Frohbotschaft, die sich längs der Straßen, die von hier ausgingen und ausgehen, über die Welt hin verbreitete, ferne Nationen erreichte und zu einem Mittelpunkt wurde, der Glauben, Liebe, Frieden und Hoffnung ausstrahlte. Diese zweifache Mission Roms, d. h., Mittelpunkt der lateinischen Zivilisation und gleichzeitig Ausstrahlungspunkt der Botschaft des Evangeliums zu sein, ist eine großartige Tatsache. Aus diesem Grund war Rom jahrhundertelang stets Ziel von Besuchern und Pilgern, die unschätzbare Werte sozialer, kultureller und spiritueller Art zugleich aufnahmen und mitbrachten, ganz abgesehen von den wirtschaftlichen Vorteilen. Rom zeichnete sich immer durch einen besonderen Geist der Aufnahmebereitschaft und Gastfreundlichkeit aus, der diese Stadt in der ganzen Welt berühmt machte und ihr Bewunderung eintrug. Wer erinnert sich nicht z. B. der lebendigen und empfindungsreichen Seiten in Johann Wolfgang Goethes Italienischer Reise, wo er während seines zweiten Aufenthaltes in Rom niedergeschrieben hatte: „Ich finde meine erste Jugend . . . wieder . . . trägt mich die Höhe und Würde der Gegenstände wieder so hoch und weit, als meine letzte Existenz nur reicht... Es ist nur ein Rom in der Welt, und ich befinde mich hier wie der Fisch im Wasser“ (Italienische Reise, Rom, Ende luli 1787). Später wird er sagen: „Ich kann sagen, daß ich nur in Rom empfunden, was eigentlich ein Mensch sei“ (Gespräche mit Eckermann vom 9. Oktober 1828). Ein Dichterwort, wird man sagen. Tatsache ist jedoch, daß Rom dem, der die Liebe zu dieser Stadt pflegt, ursprüngliche und mächtige Geisteskräfte gibt. 3. Ihre Anwesenheit ruft jedoch in meinem Herzen auch die zahlreichen und übergroßen Probleme wach, die die Stadt heute mehr denn je für alle mit sich bringt, die wie Sie um die öffentlichen Dinge besorgt sind. Ihre 904 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rasende Entwicklung erfordert tatsächlich verantwortungsbewußten und tatkräftigen Einsatz, wenn man den Erwartungen der Bürger gerecht werden will, die vor allem in den neuen Stadtvierteln die Notwendigkeit erfolgreichen Wirkens auf den Gebieten der Stadtplanung, der Kultur und des Geistes wahrnehmen. Insbesondere die Probleme der Stadtplanung werfen Fragen auf, die einen Großteil der Bürger berühren. Viele von ihnen sind ja gezwungen, unter manchmal unmenschlichen Bedingungen zu leben, die das Gewissen abstumpfen und die Familien schädigen, da sie nicht nur die Entwicklung und Förderung des Menschen beeinträchtigen, sondern eine Verletzung seiner persönlichen Würde darstellen. Die jungen Eheleute, die vergeblich auf eine angemessene Wohnung zu einem annehmbaren Preis warten, und so viele Familien, über denen das Schreckgespenst der Kündigung schwebt, werden oft mutlos und verschließen sich in einer bitteren Protesthaltung. Die. Kinder fliehen aus einer unwirtlichen Wohnung und suchen auf der Straße einen Ersatz, der sich oft auf ihre Zukunft unheilsam auswirkt. Der Bau neuer Wohnungen, in denen der Mensch die Erfordernisse seiner Persönlichkeit zufriedenstellen kann, ist dringend. Freilich haben alle großen Städte diese Probleme gemeinsam, in Rom nehmen sie jedoch ganz besondere Aspekte an und werfen beunruhigende Fragen auf. Dies sind die schweren Verantwortungen, die Ihren täglichen Einsatz als Stadtverwaltung überschatten. Es handelt sich darum, den Verlassensten, den an den Rand Gedrängten, den physisch und psychisch Benachteiligten und den alten Menschen zu helfen. Ihre Lage scheint immer schwieriger zu werden und fordert deshalb eine besondere Aufmerksamkeit und dringende Maßnahmen, die dem derzeitigen Zustand der Verlassenheit Rechnung tragen, in dem sich diese Personen oft befinden und der weitblickende Vorkehrungen erforderlich macht. Mit einem Wort, es handelt sich darum, alles einzusetzen, um Auswege aus den Widersprüchen und den sozialen Mißverhältnissen zu finden, die der Herr Oberbürgermeister erwähnt hat. 4. Neben diesen und anderen Problemen, die unablässige Sorge auslösen - wie etwa die traurigen Erscheinungen der Arbeitslosigkeit, des Drogenmißbrauchs und der Entführungen zum Zweck der Erpressung -, möchte ich auf eine andere Aufgabe hinweisen, die nicht vernachlässigt werden darf. Ich beziehe mich dabei auf das spirituelle und materielle Schicksal Roms, für das sich sowohl die kirchlichen als auch die bürgerlichen Behörden — immer im Rahmen ihres eigenen Wirkungsgebietes und Kompetenzbereiches - auf ihre Art einsetzen müssen. 905 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hier möchte ich meine Wertschätzung zum Ausdruck bringen für die der Diözesan-Caritas gewährte Hilfe zugunsten der Einrichtung einer Mensa mit von der Region zugeteilten Mitteln. Es ist dies ein bemerkenswertes Beispiel einer möglichen Zusammenarbeit zwischen zivilen und kirchlichen Behörden im Dienst des Menschen unter der lobenswerten Mitarbeit freiwilliger Helfer. Ich kann nur wünschen, daß diese Zusammenarbeit weitere Ausdrucksformen im Dienst so vieler Hilfsbedürftiger findet. 5. Insbesondere in diesem Heiligen Jahr der Erlösung muß es eine Ehrenpflicht bleiben, den spezifischen Charakter Roms als Mittelpunkt des Katholizismus zu wahren. Das einmalige Gesicht dieser Stadt, der Hüterin heiligster Erinnerungsstätten, bei denen zahllose Pilger Zusammentreffen, die mit klaren geistlichen Absichten hierherkommen, gestattet es nicht, daß die dementsprechenden besonderen Erfordernisse und Verpflichtungen vernachlässigt werden. Ich bin zutiefst für all das dankbar, was getan wurde, damit dieser einzigartige Charakter der Stadt gewahrt bleibe und den Bürgern anderer Nationen, die hierherkommen, um ihren Glauben neu zu beleben und in ihm gestärkt zu werden, gemäß dem Petrus anvertrauten Charisma (vgl. Lk 22,32) Enttäuschungen erspart bleiben. Die Worte des Herrn Oberbürgermeisters über die Aufmerksamkeit, den Eifer und die Arbeit der kapitolinischen Stadtverwaltung haben gezeigt, daß diese Probleme nicht ignoriert werden. Ich danke ihm herzlichst und bringe meine Wertschätzung für das zum Ausdruck, was getan wird, um die Interessen einer Metropole wie Rom zu verdeutlichen, zu verteidigen und zu befriedigen, einer Metropole, die es als Ehrenpflicht betrachtet, alle Menschen, insbesondere die Gäste und die Fremden, zu achten und zu schützen. 6. Zum Abschluß dieser bedeutsamen Begegnung fühle ich mich verpflichtet, den Friedensgruß im Sinn meiner kürzlich veröffentlichten Botschaft zum 17. Weltfriedenstag an Sie zu richten: „Da man zu einem neuen Herzen gelangen und eine neue Mentalität des Friedens schaffen muß, kann und soll jeder Mann und jede Frau, was auch immer ihr Platz in der Gesellschaft ist, bei der Errichtung eines wahrhaften Friedens in ihrem Lebensbereich, in der Familie, in der Schule, im Betrieb, in der Stadt, ihren Teil an Verantwortung wirklich übernehmen“ (Nr. 4). Der Frieden sollte wirklich die Frucht eines solchen Einsatzes und das berechtigte Verlangen jedes Herzens sein; es ist der Glückwunsch, den ich aus ganzer Seele an Sie richte, zur Stärkung Ihrer Einsatzbereitschaft im zivilen Bereich und zur Bekräftigung meines Segens. 906 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Im Mittelpunkt jeder Planung muß immer der Mensch stehen Ansprache an die Mitglieder der Unabhängigen Kommissionen für Entwicklung und Abrüstung am 21. Januar Liebe Freunde! 1. Mit großer Freude heiße ich heute die Mitglieder der Unabhängigen Kommission für Internationale Entwicklungsfragen, unter dem Vorsitz von Herrn Willy Brandt, und die Unabhängige Kommission für Sicher-heits- und Abrüstungsfragen, unter dem Vorsitz von Herrn Olof Palme, willkommen. Diese beiden Kommissionen haben Experten und führende Persönlichkeiten aus der ganzen Welt, die über eindrucksvolle Erfahrungen auf verschiedenen Gebieten verfügen, zusammengebracht, damit sie einige der Hauptprobleme der heutigen Zivilisation studieren. Ihre beiden Kommissionen haben Fragen geprüft, die viele der bedeutendsten Herausforderungen enthalten, denen sich die Menschheit am Ende dieses zweiten Jahrtausends stellen muß. Ihr Treffen hier in Rom bietet mir Gelegenheit, erneut die notwendigen Verknüpfungen hervorzuheben, die zwischen den von beiden Kommissionen angesprochenen Problemkreisen und zwischen den Lösungen für die Fragen des Nord-Süd-Konflikts wie für die Probleme im Rahmen der Ost-West-Beziehun-gen bestehen. Ich habe bei mehreren Anlässen, insbesondere in meiner Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag und in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps, die Aufmerksamkeit der führenden Persönlichkeiten der Welt und Menschen aus allen sozialen Schichten auf die Verkettung dieser beiden großen Fragenkomplexe hingewiesen. 2. Jeder Versuch, zur Errichtung einer gerechteren und brüderlichen internationalen Ordnung beizutragen, muß die tatsächliche Situation unserer heutigen Welt berücksichtigen. Die Herausforderungen und Probleme, von denen die Menschen überall betroffen sind, überschreiten heutzutage die nationalen und auch die regionalen Grenzen. Staatsführer können ihre Politik nicht mehr nur im Hinblick auf ihre eigenen nationalen Interessen gestalten. Entscheidungen, die zum Wohl eines Landes oder einer Region in wirtschaftlicher, sozialer und politischer Hinsicht getroffen wurden, beeinträchtigen notwendigerweise andere Völker, Nationen und Regionen. 907 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn „die soziale Frage heute weltweites Ausmaß angenommen hat“ (Populorum progressio, Nr. 3), dann müssen die konkreten Programme der Nationen und Regionen einer bewußten Kenntnisnahme dieser Tatsache entspringen und von Anfang an die Auswirkung abzuschätzen versuchen, die diese Vorhaben auf die direkt oder indirekt betroffenen Völker und Nationen haben werden. Die Mittel und die Sachkenntnisse sind verfügbar, da besteht gar keine Frage; es ist nur die Aufgabe der heutigen Führer, von ihnen Gebrauch zu machen und ihrem Volk zu zeigen, daß diese globale Sicht letzten Endes die beste Gewähr für sie selbst und die anderen Völker der Erde ist. Dabei sind äußerst komplexe technische, wissenschaftliche, soziale und politische Faktoren zu berücksichtigen — jeder mit der ihm eigenen Bedeutung -, wenn die gegenwärtige Weltlage verbessert werden soll. Wir würden uns der Selbsttäuschung hingeben, meinten wir, die Anwendung einiger einfacher Universalformeln könne die Situation richtigstellen und eine Weltordnung der Gerechtigkeit, der Brüderlichkeit und des Friedens wiederherstellen. Die Antworten auf die Probleme müssen sorgfältig ausgearbeitet und mit Geduld zur Anwendung gebracht werden. Sie müssen geprüft und kontrolliert werden, um sicherzustellen, daß sie den Erfordernissen entsprechen und wirklich angemessene Lösungen darstellen. Eine solche Arbeit verlangt die beste Auswahl eines breiten Angebots an Experten, die für das gemeinsame Wohl Zusammenarbeiten. Es bedeutet, die Systeme, wo notwendig, zu korrigieren oder sogar neue Strukturen aufzubauen, wo solche verlangt werden. 3. Doch da gibt es noch einen tieferen Aspekt, der nicht übersehen werden kann. Denn bei jeder dieser Initiativen gibt es innere Forderungen, denen Rechnung getragen werden muß und auf die ich Ihre Aufmerksamkeit heute gerne lenken möchte. Das war es, was ich meinte, als ich in der Botschaft zum diesjährigen Weltfriedenstag sagte: „Das Unvermögen, das der Menschheit nicht gestattet, die Spannungen aufzulösen, macht deutlich, daß die Hemmungen oder, auf der anderen Seite, die Hoffnungen aus einer tieferen Schicht stammen, als es die Systeme selbst sind“ (Nr. 1). Kein System ist imstande, alle Wünsche des menschlichen Herzens zu befriedigen. Jedes System unterliegt einem Wachstum oder einem Verfall, weil es von den Bestrebungen der Menschen abhängt, die es kontrollieren. Es ist deshalb von größter Bedeutung, daß jeder erkennt, daß die Strukturen, die wir zu verbessern oder zu schaffen versuchen, der Freiheit und 908 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde der betroffenen einzelnen Menschen und Völker förderlich sein müssen. Das bedeutet, daß sich der Mensch niemals auf ein bloßes Objekt bzw. auf eine eindimensionale Wirklichkeit als „homo economicus“ oder „homo faber“ reduzieren läßt. Und es bedeutet ebenso, daß im Mittelpunkt jeder Planung immer der Mensch stehen muß, so daß die Strukturen, die wir schaffen oder verbessern wollen, größtmöglichen Spielraum für die Freiheit und Würde jedes von einer Institution betroffenen Menschen gewährleisten. Implizit damit gegeben ist die Auffassung vom Menschen als einem transzendenten und transzendierenden Wesen, der sich dadurch entfaltet, daß er über sich selbst hinauswächst, der seine eigenen Möglichkeiten dadurch verwirklicht, daß er gemeinsam mit seinen Brüdern und Schwestern an der Gemeinschaft teilhat, und schließlich durch die Vollendung seiner Beziehung zu Gott, der unser aller Vater und die letzte Quelle des Lebens und der Würde jedes einzelnen ist. Wenn die Führer und Gestalter unserer Gesellschaften am Ende dieses Jahrtausends sich dieses Bild von jedem Menschen und seinen vollen Möglichkeiten vor Augen halten, dann werden Gruppen wie die Ihren größere Chancen haben, zu einer gerechten Verteüung der Reichtümer der Erde in einer Gemeinschaft von Nationen beizutragen, die in Harmonie und Frieden zu leben gelernt haben. Für dieses edle Ziel empfehle ich den Einsatz Ihrer Bemühungen und vergewissere Sie meines Gebets für Ihren Erfolg. „Einheit ohne jeden Schatten“ Predigt beim Wortgottesdienst zum Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen in der Basilika St. Paul vor den Mauern am 25. Januar „Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt“ (Gal3,27). <10> <10> Mit dieser Formulierung faßt der Völkerapostel Paulus das Geheimnis von der Elösung des Menschen, der Eingliederung in Christus, der Schöpfung des neuen Menschen zusammen, der dem Sohn Gottes, dem „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), ähnlich sein soll. Denn „ihr seid 909 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alle durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus“ (Gal 3,26). Und durch die Taufe haben wir teil an seinem Tod und an seiner Auferstehung, also am göttlichen Leben. Dieses Ereignis überströmender Gnade tilgt alle ethnisch-religiösen Spaltungen, die Diskriminierungen aus sozialen und rassischen Gründen oder solchen der Geschlechtszugehörigkeit. „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ,einer <11> in Christus Jesus“ (Gal 3,28). <11> Mit dieser Formulierung faßt der Völkerapostel Paulus das Geheimnis von der Elösung des Menschen, der Eingliederung in Christus, der Schöpfung des neuen Menschen zusammen, der dem Sohn Gottes, dem „Ebenbild des unsichtbaren Gottes“ (Kol 1,15), ähnlich sein soll. Denn „ihr seid Jesus Christus hat diese Einheit durch den Opfertod am Kreuz verwirklicht, in dem er sich selbst hingegeben hat, zur Vergebung, zur Erlösung und zum Leben der ganzen Menschheit. Er ist gestorben, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Das ist das Geheimnis der Liebe Gottes, die den Menschen geschaffen hat und ihn zum ewigen Heil beruft. Diesem Thema gilt unsere Aufmerksamkeit heute, am Fest der Bekehrung des hl. Paulus, am Abschluß der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen, die in das Jubiläumsjahr der Erlösung fällt. In diesem Jahr läßt das besondere feierliche Gedenken an die von Christus bewirkte Erlösung des Menschen das Bedürfnis aller Christen, die durch die Gnade der einen Taufe vereinigt sind, nach voller Wiederversöhnung noch deutlicher und dringlicher zutage treten. 2. „Die Taufe begründet also ein sakramentales Band der Einheit zwischen allen, die durch sie wiedergeboren sind“ (Unitatis redintegratio, Nr. 22). Die tragischen Spaltungen zwischen den Christen zerstören diese grundlegende Einheit nicht; sie verhindern jedoch die volle Verwirklichung der zur Taufe gehörenden inneren Forderungen. Die Spaltungen führen zur Abtötung der Taufe; denn „die Taufe ist hingeordnet auf das vollständige Bekenntnis des Glaubens, auf die völlige Eingliederung in die Heilsveranstaltung, wie Christus sie gewollt hat, schließlich auf die vollständige Einfügung in die eucharistische Gemeinschaft“ ( Unitatis redintegratio, Nr. 22). Das Zweite Vatikanische Konzil, das vor 25 Jahren in dieser Basilika zum ersten Mal angekündigt wurde, hat in einem Bild von besonderer Feinfühligkeit diese zwei Aspekte beschrieben, die beide zutiefst wahr sind, nämlich daß die Spaltung eine sündhafte Wirklichkeit ist, aber nicht die tiefe, von der Gnade geschaffene Einheit zerstört. Auch hier wird das Bild vom Gewand, vom Gewand Christi, gebraucht. Die Spaltungen, heißt es, „haben den nahtlosen Leibrock Christi getroffen“ (ebd., Nr. 13). Auch wenn der Leibrock Christi „nahtlos“ bleibt, so ist er doch getroffen worden. 910 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ist denn Christus zerteilt?“, fragt in dramatischer Form der hl. Paulus die Christen in Korinth. „Oder seid ihr auf den Namen des Paulus getauft worden?“ (2 Kor 1,13). Das Kreuz Christi, das alle rettet, ist ein ständiger Appell, alle Spaltungen zu überwinden. Das Werk Christi für die Menschheit, sein Kreuz und die von ihm der Kirche aufgetragene Sendung, alle Menschen zu seinen : Jüngern zu machen und sie zu taufen (vgl. Mt 28,19-20), rufen alle Getauften auf, sich um die volle Einheit im Glauben und im sakramentalen Leben zu bemühen, indem sie jede Spaltung und jeden Bruch überwinden. 3. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen wird mit immer größerer Eintracht von Katholiken, Orthodoxen und Protestanten begangen. Sie hat nunmehr in der ganzen Welt Verbreitung gefunden. Der Herr möge diesen einstimmigen Aufruf hören und die ehrlichen Bemühungen um Studium und Dialog, die unter den Christen zur Wiederherstellung der vollen Einheit vollbracht werden, fruchtbar machen. Die Einheit bleibt immer ein Geschenk Gottes, weil sie die Vergebung der Sünden, die Läuterung der Herzen die gemeinsame Teilnahme am göttlichen Leben einschließt. Es bedarf jedoch auch der Bemühung von seiten des Menschen und der Ausdauer auf dem Weg, der „unter Einwirkung der Gnade des Heiligen Geistes“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1) eingeschlagen wurde. Von Jahr zu Jahr läßt uns die Weltgebetswoche neben den noch bestehenden Schwierigkeiten auch gute Fortschritte im Hinblick auf die ökumenische Verständigung feststellen. So wird das Herz durch die Freude erwärmt und der Geist durch die Hoffnung gestärkt. Danken wir Gott dafür. Die aus Vertretern der katholischen Kirche und des Weltrats der Kirchen bestehende gemischte Kommission, die das Thema für die jährliche Gebetswoche für die Einheit auswählt und die Texte vorbereitet, hat diesmal bekanntgegeben, daß sich „beachtliche theologische Übereinstimmungen über das Wesen der christlichen Einheit, über die Taufe und die Eucharistie, über das Dienstamt und die Autorität in der Kirche“ erkennen lassen. Das ist für jeden, der wirklich an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche glaubt, eine Quelle großer Freude. Der mühsame Weg zu der Einheit, die Christus für seine Jünger gewollt hat, wird so zum konkreten Ausdruck des gemeinsamen Willens, dem Herrn bis zum letzten zu gehorchen. In dieser Audienz gilt es, mit immer größerer Intensität im Gebet auszuharren, den ökumenischen Einsatz zu verstärken und das Streben nach der vollen Einheit zu festigen. 911 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „. . . damit die Welt glaubt“ 4. Die immer beunruhigenderen Ereignisse unserer Zeit, die bewaffneten Konflikte, die da und dort in der Welt ausgebrochen sind, die Gefahren einer atomaren Katastrophe, die Angst des Menschen, der sich immer stärker bedroht fühlt, bilden für die Christen einen neuen Ansporn, eine volle Versöhnung zu finden, um ihren wirkungsvollen Beitrag für die Bedürfnisse des Menschen zu erbringen. Der Prophet Jesaja eröffnet unserem geistigen Blick die Schau auf den Berg mit dem Tempel des Herrn, zu dem alle Völker strömen werden. Dann „schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen“ (Jes 2,4). Die in Feindseligkeit und Zerstörung vergeudete Kraft wird für die wahren Bedürfnisse des Lebens verwendet werden. Auf dem Weg zu diesem Ziel „im Licht des Herrn“ (Jes 2,5) können die Christen, indem sie sich auf das gemeinsame Fundament der Taufe stützen, jetzt ihre Kräfte vereinen, um miteinander ein gemeinsames Glaubenszeugnis im tätigen Dienst an jedem Menschen und an allen Menschen zu geben. Die Leiden der heutigen Welt sind eine Wirklichkeit, die uns Fragen stellt. Wieder ist es der hl. Paulus mit seiner lebendigen, aktuellen und fordernden Sprache, der uns sagt: „Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind“ (Röm 12,13). Die praktische Zusammenarbeit zwischen den Christen der verschiedenen Konfessionen ist möglich, und ihr schreibt das Zweite Vatikanische Konzü auch eine Evangelisierungskraft zu: „Durch die Zusammenarbeit der Christen kommt die Verbundenheit, in der sie schon untereinander vereinigt sind, lebendig zum Ausdruck, und das Antlitz Christi, des Gottesknechtes, tritt in hellerem Licht zutage“ (Unitatis redintegratio, Nr. 12). Die Initiativen zur Sensibilisierung, wie jene heute im Umfeld dieser Abtei, sind nützlich, um das Bewußtsein der Teilhabe und Anteilnahme am Schicksal der Menschheit zu formen. Auf allgemeiner Ebene hat der Hl. Stuhl eine Konsultativgruppe, die mit dem Weltrat der Kirchen in bezug auf das soziale Denken und Handeln zusammenarbeitet und viele Möglichkeiten auf diesem Gebiet eröffnet. 5. Am Abend vor seinem Kreuzestod hat Jesu seine Jünger und alle, die durch ihre Worte zum Glauben an ihn finden, seinem Vater anvertraut. Er betete: „Alle sollen eins sein . . ., damit die Welt glaubt“ {Joh 17,21). Er betete um eine Einheit ohne jeden Schatten, um eine volle, umfassende, 912 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebendige Einheit. Er bat inständig: „Sie sollen vollkommen eins sein“ {Joh 17,23). Die Bemühung des Christen und die volle Einheit muß also weitergehen, bis er das von Jesus Christus angegebene Ziel erreicht. Es gilt, fortzufahren im gründlichen Studium der Fragen, die die Christen noch voneinander trennen, im freimütigen und loyalen Dialog, im gemeinsamen Handeln und besonders im Gebet, das hilft, stärkt und richtungweisend wirkt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat das gemeinsame Gebet mit den anderen Christen empfohlen: „Solche gemeinsamen Gebete sind ein höchst wirksames Mittel, um die Gnade der Einheit zu erflehen“ ( Unitatis redintegratio, Nr. 8). 6. Allen, die hier anwesend sind, allen Getauften der ganzen Welt sage ich aus vollem Herzen: Der Friede und die Gnade Gottes seien immer mit euch! Der Herr sei immer mit uns allen und geleite uns auf den Wegen, die zur Einheit führen, damit wir durch sie das Evangelium der Liebe, der Versöhnung und des Friedens allen Menschen wirksamer vermitteln können. Amen. ,,Jetzt ist nicht mehr Zeit zur Diskussion, sondern zur Anwendung“ Ansprache an die Sacra Romana Rota zur Eröffnung des Gerichtsjahres am 26. Januar <12> <12> Ich freue mich, aus dem traditionellen Anlaß, der Eröffnung des Gerichtsjahres, allen Angehörigen eures Gerichtshofes zu begegnen: den Auditoren, Offizialen und Mitarbeitern der Römischen Rota. Ich danke dem Msgr. Dekan für seine freundlichen Worte, den Ausdruck tiefer Anhänglichkeit und aufrichtiger Verbundenheit eures ganzen Gerichtshofs mit dem Nachfolger Petri. Und ich begrüße herzlich alle Prälaten Auditoren, die Offiziale, Advokaten und die Studenten des Rota-Kurses. Die übliche feierliche Eröffnung des Gerichtsjahres bietet mir die willkommene Gelegenheit, euch erneut meine Wertschätzung auszudrücken und zu sagen, wie sehr ich euch für die wertvolle Arbeit dankbar bin, die 913 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihr mit lobenswertem Eifer im Namen und im Auftrag des Apostolischen Stuhls leistet. Euer hohes Amt, der Wahrheit in der Gerechtigkeit zu dienen, wird noch wertvoller durch die ruhmreiche Tradition dieses Gerichtshofes, der die allgemein anerkannte Arbeitsfreudigkeit und Kompetenz ebenbürtig ist, mit der ihr euren Dienst abwickelt. 2. Unsere diesjährige Begegnung ist durch ein Ereignis von außerordentlicher Auswirkung auf die Kirche gekennzeichnet, das sich uns deshalb als Thema fast aufzwingt. Vor zwei Monaten ist der neue Codex des kanonischen Rechts in Kraft getreten, der am 25. Januar vergangenen Jahres promulgiert wurde. Als Frucht langer, geduldiger und sorgfältiger Arbeit, bereichert durch verschiedene Konsultationen mit dem Episkopat, die ihm eine besondere Note von Kollegialität aufgeprägt haben, stellt er einen verbindlichen Leitfaden für die Anwendung des Zweiten Vatikanischen Konzils dar und könnte auch, wie ich bei anderer Gelegenheit gesagt habe, als das „letzte Konzilsdokument“ betrachtet werden. <13>) Bei seiner Promulgierung sprach ich den Wunsch aus, daß er „ein wirksames Instrument wird, mit dessen Hilfe die Kirche sich selbst entsprechend dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils vervollkommnen kann und sich mehr und mehr als für die Erfüllung ihres Heilsdienstes in dieser Welt geeignet erweist“.) <13> Ich freue mich, aus dem traditionellen Anlaß, der Eröffnung des Gerichtsjahres, allen Angehörigen eures Gerichtshofes zu begegnen: den Auditoren, Offizialen und Mitarbeitern der Römischen Rota. Ich danke dem Msgr. Dekan für seine freundlichen Worte, den Ausdruck tiefer Anhänglichkeit und aufrichtiger Verbundenheit eures ganzen Gerichtshofs mit dem Nachfolger Petri. Und ich begrüße herzlich alle Prälaten Auditoren, die Offiziale, Advokaten und die Studenten des Rota-Kurses. Die übliche feierliche Eröffnung des Gerichtsjahres bietet mir die willkommene Gelegenheit, euch erneut meine Wertschätzung auszudrücken und zu sagen, wie sehr ich euch für die wertvolle Arbeit dankbar bin, die Die Verwirklichung dieses Wunsches hängt zu einem großen Teil davon ab, wie das neue kanonische Recht aufgenommen und beobachtet wird. Das sagte schon mein verehrter Vorgänger Paul VI, als er zu einem internationalen Kanonistenkongreß sprach: „Wir müssen aber hinzufügen, daß die Ergebnisse kanonischer Gesetzesarbeit erst dann und nur auf die Weise faßbar werden, wenn die Gesetze der Kirche in das gesellschaftliche Leben des Gottesvolkes Eingang gefunden haben. Das ist aber nicht der Fall, wenn die Kirchengesetze trotz sorgfältiger Erarbeitung und klarer Darstellung in Brauch und Gewohnheit der Menschen mißachtet werden, Widerspruch auslösen oder abgelehnt werden und dann leider wirkungslos unnütz und ohne heilsamen Einfluß bleiben. Wenn die Gesetze nicht in die Praxis umgesetzt werden, würde sich der Anstoß zur Erneuerung schwächen, flüchtig und oberflächlich bleiben, auf jeden Fall aber wenig aufrichtig und verläßlich.“) 3. Die Promulgierung und das Inkrafttreten des neuen Codex des kanonischen Rechts berühren die ganze Kirche, natürlich in verschiedener Weise, entsprechend der juridischen Situation und vor allem der unterschiedlichen Aufgaben und Funktionen. 914 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ich zu euch als Rota-Richter spreche, möchte ich ein paar Gedanken über die Rolle und die besondere Verantwortung formulieren, die zu eurer kirchlichen Tätigkeit gehört, und zwar im Licht dessen, was das neue Kirchengesetz dazu sagt. Eure Aufgabe, „Recht zu sprechen“, bringt euch institutionell in enge und tiefe Verbindung mit dem Gesetz, nach dem ihr euch richten müßt, indem ihr eure Urteile darauf abstimmt. Ihr seid die Diener des Gesetzes und, wie ich euch bei anderer Gelegenheit sage, als ich Cicero zitierte, in euch spricht das Gesetz selbst.) Erlaubt mir jetzt, einige andere Elemente zu unterstreichen, die eure Haltung gegenüber dem Gesetz auszeichnen müssen. Vor allem ein besonderer Eifer, die neuen Gesetze angemessen zu kennen. In dem schwierigen Augenblick, ein Urteil fällen zu müssen, das tiefe Rückwirkungen auf das Leben und Schicksal der Menschen hat, habt ihr immer zwei Reihen von Faktoren vor Augen, die verschiedener Natur sind, aber in eurem Urteil eine ideale und kluge Verbindung finden: das Faktum und das Recht. Die Fakten, die in der Phase der Untersuchung sorgfältig gesammelt werden und die ihr gewissenhaft erwägen und durchforschen müßt, bis ihr, wenn notwendig, in die verborgene Tiefe der menschlichen Seele gelangt. Und das Recht, das euch den idealen Maßstab oder das Unterscheidungskriterium bei der Wertung der Fakten gibt. Dieses Recht, das euch leitet, das euch die sicheren Maßstäbe gibt, ist der neue Codex des kanonischen Rechtes. Das müßt ihr beherrschen, nicht nur im Sektor des Prozeß- und Eherechts, sondern in seiner Gesamtheit, so daß ihr als Richter euch voll darin auskennt. Diese Kenntnis setzt ein ständiges, wissenschaftliches, gründliches Studium voraus, das sich nicht darauf beschränkt, die eventuellen Änderungen gegenüber dem früheren Gesetz zu kennen oder seinen rein philologischen Sinn festzustellen, sondern so, daß ihr die Meinung des Gesetzgebers und die Begründung des Gesetzes im Auge habt, also eine umfassende Sicht, die euch erlaubt, den Geist des neuen Gesetzes zu durchdringen. Denn es geht hier im wesentlichen darum: Der Codex ist ein neues Gesetz und vom Ursprung her in der Optik des Zweiten Vatikanischen Konzils zu betrachten, dem er sich völlig anpassen wollte. Das Gesetz ist konkreter Ausdruck des Willens Gottes 4. An die Kenntnis schließt sich wie von selbst die Treue an, die, wie ich in der erwähnten Ansprache sagte, erste und wichtigste Pflicht des Richters gegenüber dem Gesetz ist. <14>) <14> Bei der Reform des kanonischen Prozeßrechts hat man sich bemüht, 915 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Treue ist vor allem aufrichtige, loyale und unbedingte Annahme des rechtmäßig promulgierten Gesetzes, das seinerseits abgewogener Ausdruck der Leitungsgewalt ist, die Christus der Kirche übertragen hat, und deshalb konkreter Ausdruck des Willens Gottes. Eine Empfehlung der Treue könnte euch gegenüber, die ihr nicht nur ausgezeichnete Rechtswahrer seid, sondern schon von Ausbildung und Beruf her eine grundlegende Orientierung zur Befolgung des Rechts habt, völlig überflüssig scheinen. Trotzdem veranlassen mich zwei Überlegungen, das zu tun. Die erste ergibt sich aus der besonderen Situation der Rechtsschöpfung, die wir über 20 Jahre erlebt haben. In dieser Zeit gab es spontan, ich möchte sagen, wie geschuldet, vor allem bei den Antragstellern und Spezialisten eine kritische Haltung gegenüber Gesetzesplänen oder -entwürfen, deren Fehler und Mängel sie betonten in der Absicht, diese zu verbessern. Eine solche Haltung konnte damals nützlich und konstruktiv in Richtung auf eine sorgfältigere und vollkommenere Formulierung des Gesetzes sein. Aber heute, nach Promulgierung des Codex, darf man nicht vergessen, daß die Zeit der Gesetzesschöpfung zu Ende ist und daß das Gesetz jetzt, auch mit seinen eventuellen Grenzen und Fehlern, eine vom Gesetzgeber nach gründlicher Überlegung getroffene Entscheidung ist und deshalb volle Beobachtung verlangt. Jetzt ist nicht mehr Zeit zur Diskussion, sondern zur Anwendung. Die andere Überlegung ergibt sich aus einer ähnlichen Motivierung. Die Kenntnis des abgeschafften Codex und die lange Gewöhnung an ihn könnte den einen oder anderen zu einer Art Identifikation mit seinen Normen veranlassen, die in nostalgischem Bedauern für besser und nützlicher gehalten würden, samt einem negativen „Vorverständnis“ des neuen Codex, der sozusagen ausschließlich in der Sicht des alten gelesen würde. Und das nicht nur in den Teilen, die fast buchstäblich das alte Recht übernehmen, sondern auch in denen, die objektiv wirkliche Neuerungen sind. Diese auch psychologisch sehr erklärliche Haltung könnte dahin führen, die erneuernde Kraft des neuen Codex zunichte zu machen, die dagegen gerade im Prozeßrecht sichtbar werden müßte. Es handelt sich hier, wie ihr gut verstehen könnt, um eine sehr gefährliche Haltung, weil sie ihre Rechtfertigung immer in der gesunden Regel der juridischen Hermeneutik finden könnte, die can. 6 des CIC von 1917 enthält, und im Prinzip der für das kanonische Recht charakteristischen legislativen Kontinuität. <15> <16> <15> Bei der Reform des kanonischen Prozeßrechts hat man sich bemüht, einer sehr häufigen und nicht ganz unbegründeten Kritik zu begegnen, die 916 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Langsamkeit und übertriebene Dauer der Prozesse betrifft. Entsprechend einer oft gehörten Forderung wurde, ohne die notwendigen Garantien des Prozeßweges und der Prozeßformularitäten im mindesten anzurühren oder zu verringern, versucht, die Rechtspflege flinker und funktionsfähiger zu gestalten, indem die Prozeduren vereinfacht, die Formalitäten verkürzt, die Termine beschleunigt, die Richtervollmachten vermehrt wurden usw. Diese Bemühung darf nicht nutzlos werden durch taktische Verzögerungen oder mangelnde Sorgfalt beim Studium der Prozeßakten, durch Untätigkeit, die sich weigert, den neuen Prozeßweg zu beschreiten, und durch Unerfahrenheit bei der Anwendung der Verfahrensweisen. 6. Ein anderer wichtiger Aspekt der Beziehung des Richters zum Recht dreht sich um seine Interpretation. Die authentische Interpretation im vollen Wortsinn, die den generellen Sinn des Gesetzes für die ganze Gemeinschaft erklärt, ist dem Gesetzgeber Vorbehalten nach dem bekannten Prinzip: „Unde ius prodiit, inter-pretatio quoque procedat.“ („Wer das Recht erläßt, soll es auch interpretieren.“) <17>) einer sehr häufigen und nicht ganz unbegründeten Kritik zu begegnen, die Nichtsdestoweniger kommt auch dem Richter ein sehr bedeutender Anteil bei der Festlegung des Sinnes eines Gesetzes zu. Ja, das Urteil bindet die Personen und betrifft die Sachen, für die es gegeben worden ist. <18>) In Anwendung auf den einzelnen Fall gibt der Richter eine Interpretation, die, wenn sie auch keine allgemeine Bedeutung hat, die Parteien kraft des Gesetzes bindet. <18> Im neuen Codex sind speziell in Fragen des Eheconsensus nicht wenige Erklärungen des Naturrechts kodifiziert, die aus der Rota-Rechtspre-chung übernommen wurden. Aber die Kraft der Interpretation muß sich vor allem in der Formulierung der Rechtsprechung finden, d. h. der Gesamtheit übereinstimmender Urteüe, die, ohne die Absolutheit der alten „auctoritas rerum perpetuo similiter iudicatarum“ (Autorität der immer ähnlich beurteilten Sachen) <19>), trotzdem eine bemerkenswerte Rolle bei der Auffüllung eventueller Gesetzeslücken spielt. Aber es gibt auch Canones, die von erheblicher Bedeutung im Eherecht Der Wert der Rota-Rechtsprechung in der Kirche war immer bedeutend, dank der Wissenschaft und Erfahrung der Richter und der Autorität, der sich die päpstlichen Richter erfreuen. Can. 19 des neuen Codex sanktioniert das ausdrücklich. 917 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sind, die notwendigerweise allgemeinerer formuliert sind und eine nähere Bestimmung brauchen, zu der vor allem die qualifizierte Rechtsprechung der Rota einen gültigen Beitrag liefern könnte. Ich denke z. B. an die Bestimmung des „defectus gravis discretionis iudicii“ (schwerer Mangel des Urteilsvermögens), an die „officia matrimonialia essentialia“ (wesentliche eheliche Pflichten) und die „obligationes matrimonii essentialia“ (wesentliche Verpflichtungen der Ehe), von denen can. 1095 handelt, wie an die nähere Präzisierung des can. 1098 über die „arglistige Täuschung“, um nur zwei Canones zu zitieren. Diese wichtigen Bestimmungen, die Orientierung und Wegweiser für alle Gerichtshöfe der 'Ortskirche sein sollten, müssen Ergebnis ausgereiften und gründlichen Studiums, ruhiger und unparteiischer Unterscheidung im Licht der ewigen Prinzipien der katholischen Theologie, aber auch der neuen, vom Zweiten Vatikanischen Konzil inspirierten Gesetzgebung sein. 8. Es ist allen bekannt, mit welchem Eifer und welcher Hartnäckigkeit die Kirche die Heiligkeit, die Würde und die Unauflöslichkeit der Ehe verteidigt, die häufig von Kulturen und Gesetzen bedroht und ausgehöhlt scheint, die die Verankerung in den tief in der menschlichen Natur wurzelnden transzendenten Werten, die das Grundgeflecht der Ehe als Institution bilden, verloren haben. Die Kirche erfüllt diese Aufgabe durch ihr ständiges Lehramt, durch ihre Gesetze und in besonderer Weise durch das Amt ihrer Richtergewalt, die sich in Eheprozessen nicht von diesen Werten absetzen kann, die für sie ein unersetzlicher Bezugspunkt und ein sicheres Unterscheidungskriterium sind. Aber die Sorge, die Würde und Unauflöslichkeit der Ehe zu retten, die ein Staudamm gegen die Mißbräuche und die Leichtfertigkeit ist, die häufig in dieser Sache zu beklagen sind, kann von den wirklichen und unleugbaren Fortschritten der biologischen, psychologischen, psychiatrischen und sozialen Wissenschaften nicht absehen. Sonst würde sie sich gegen den Wert stellen, den sie schützen will, nämlich die tatsächlich bestehende Ehe und nicht die bloß scheinbare, die von Anfang an nicht bestand. Und hier muß die Ausgewogenheit und Weisheit des kirchlichen Richters glänzen: Er muß das Gesetz kennen, dessen Geist er zu durchdringen und anzuwenden weiß; er muß die Hilfswissenschaften studieren, speziell die Humanwissenschaften, die eine gründlichere Kenntnis der Tatsachen und vor allem der Menschen erlauben; und schließlich, er muß das Gleichgewicht zwischen der unerläßlichen Verteidigung der Unauflöslichkeit der 918 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe und der notwendigen Beachtung der komplexen menschlichen Wirklichkeit des konkreten Falles zu finden wissen. Der Richter muß unparteiisch handeln, frei von jedem Vorurteil, sei es des Willens, das Urteil zur Besserung der Mißbräuche zu benutzen, sei es der Vernachlässigung des göttlichen und kirchlichen Gesetzes und der Wahrheit durch den Versuch, ausschließlich den Forderungen einer schlecht verstandenen Pastoral entgegenzukommen. 9. Das sind, liebe Brüder, einige Gedanken, die vorzutragen es mich gedrängt hat, sicher, mich dabei in einer Sache von so großer Bedeutung und Schwere mit euch in Übereinstimmung zu finden, besonders weil ich euch gesagt habe, daß ihr das schon mit lobenswertem Eifer tut. Ich drücke euch mein Wohlgefallen aus im vollen Vertrauen, daß euer Gerichtshof fortfahren wird, in der Kirche, der schwierigen Aufgabe, „gleiches Recht zu sprechen“), Orientierung zu geben. Allen erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen als Unterpfand der göttlichen Hilfe bei eurer Arbeit für die Kirche. Anmerkungen :) Johannes Paul II., Ansprache an die Teilnehmer des Kurses über den neuen Codex des kanonischen Rechts vom 21. November 1983; in: O. R. dt. Nr. 49/1983, S. 4. 2) Johannes Paul II., Konstitution Sacrae disciplinae leges, in: Codex des kanonischen Rechts, lat.-deutsche Ausgabe, S. XXV. 3) Ansprache an den Internationalen Kanonistenkongreß vom 25. Mai 1968. 4) Vgl. AAS, 73, 1980, S. 177. 5) Ebd. 6) Innozenz III., X, V, 39, 31. 7) Can. 16, Par. 3. 8) Dig, I. 3. De legibus, I. 38. Nam Imperator. 9) Can. 19. ; 919 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Berufliche Kompetenz — moralische Verantwortung Ansprache an die Journalisten am 27. Januar Meine lieben Journalisten! 1. Ich danke Ihnen für Ihre Anwesenheit. Ich danke Ihren drei Kollegen, die sich zu Sprechern Ihrer gemeinsamen Gefühle gemacht und auch auf das Round-table-Gespräch hingewiesen haben, in dem sich Ihre persönlichen und gemeinsamen Überlegungen um ein Thema von größter Aktualität drehten. Ich begrüße die Direktoren und Redakteure der italienischen Tageszeitungen, die Vertreter des Verbandes der ausländischen Presse in Italien, die beim Pressesaal des Hl. Stuhles akkreditierten Journalisten, die Mitglieder der Katholischen Union der Italienischen Presse und die Delegationen, die aus verschiedenen Ländern eigens zu dieser Begegnung hierhergekommen sind. Während ich mich an jeden einzelnen von Ihnen wende, gehen meine Gedanken auch zu Ihren Lieben, von denen einige hier anwesend sind, den Zeitungen und Zeitschriften, bei denen Sie arbeiten, dem Kreis der Leser, die in gewisser Weise Ihre Familie bilden. Liebe Journalisten, meine Freunde! Erlauben Sie, daß ich Sie so nenne: Freunde! Nicht nur wegen der Beziehung, die diese Begegnung bestätigt: eine Beziehung der Wertschätzung, des gegenseitigen Vertrauens; also der Freundschaft. Sondern Sie sind auch deshalb meine Freunde, weil - ich will gleich und aus eigener Überzeugung die Achtung vorwegnehmen, die die Kirche und der Hl. Stuhl Ihrem Beruf entgegenbringen - man Sie unsere Reisegefährten nennen könnte. Denn Sie üben die Kommunikation als Beruf aus. Und ist die Glaubensverkündigung - die wichtigste Aufgabe der Kirche, die Evangelisierung als Verkündigung des Gottesreiches - nicht auch vor allem Kommunikation? Unsere Wege gehen zusammen. Und sie kreuzen sich, sie können sich kreuzen und vereinen, wenn sie das Ziel anstreben, das ich in der Ansprache an die UNESCO als das „grundlegende Kriterium“ für den Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel bezeichnet habe. Das heißt, sie „müssen Mittel — und was für ein mächtiges Mittel - des Ausdrucks der Gesellschaft sein, die sich ihrer bedient und die ihre Existenz sichert. Sie müssen den wahren Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung tragen. Sie müssen die Verantwortung der Familie im Bereich der Erziehung achten. Sie müssen das Gemeinwohl des Menschen, seine 920 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde berücksichtigen. Sie dürfen nicht dem Interesse, der Sensation und dem unmittelbaren Erfolg unterworfen sein, sondern wenn sie die Forderung der Ethik berücksichtigen, müssen sie dem Bau eines,menschlichen1 Lebens dienen“ (Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris, 2. Juni 1980, Nr. 16: Wort und Weisung, 1980, S. 233). Die Kirche — wie sie gezeigt hat, als sie sich zunächst auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil und nun im neuen Codex des kanonischen Rechts mit den sozialen Kommunikationsmitteln befaßte — blickt äußerst aufmerksam auf die Welt der sozialen Kommunikation wegen der Bedeutung, die diese im Leben des einzelnen Menschen und der Gesellschaft angenommen hat und immer mehr annehmen wird. Diese Aufmerksamkeit wendet sich also in erster Linie Ihnen und Ihrem Beruf zu: im Bewußtsein seines inneren Adels und nicht minder der Sachkenntnis und der Opfer, die er unaufhörlich erfordert. Meine lieben Journalisten, meine Freunde! Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit, mit der Sie das kirchliche Leben verfolgen, und insbesondere für den Raum, den Sie dem Jubiläumsjahr der Erlösung einräumen. Und ich bin tief beglückt darüber, daß an dieser außerordentlichen Feier auch die Welt des Journalismus heute an einer Wallfahrt zum Grab des Apostels Petrus und an der Betrachtung des Kreuzes Christi, seiner Bedeutung in der Perspektive der vielen Kreuze unserer heutigen Welt teilnehmen wollte. Gerne mache ich die Absichten, die Sie zu dieser großen Geste bewegt haben, zu meinen eigenen mit dem Wunsch, daß der Spender alles Guten Sie reich mit himmlischen Gnaden segne. 2. Diese Begegnung ist gekennzeichnet durch ihre zeitliche und ideelle Plazierung im Jubiläumsjahr der Erlösung. Gibt es Beziehungen zwischen der Erlösung und der Berufung des Journalisten? Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Werk, das der göttliche Erlöser am Kreuz vollbracht hat und in den Herzen der Menchen wie im Gefüge der Gesellschaft noch immer vollbringt, und Ihrer aufreibenden Tätigkeit? Für den Christen, der aus dem Journalismus die Ausübung eines Apostolats mit der dafür typischen Gewissenhaftigkeit und übernatürlichen Sicht macht, wird der Beruf zum Einsatz für die Heilsbotschaft, damit diese alle Menschen erreichen kann. Der Urquell, aus dem die Wirkkraft dieses Zeugnisses entspringt, ist das Kreuz. Denn in ihm hat sich das Geheimnis der Erlösung des Menschen erfüllt. Nicht umsonst stellte der hl. Paulus bei der Evangelisierung der heidnischen Welt den gekreuzigten Christus in den Mittelpunkt seiner 921 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mündlichen Verkündigung und seiner Schriften, ein empörendes Ärgernis für Juden, eine Torheit für Heiden, für die Berufenen aber Gottes Kraft und Gottes Weisheit (vgl. 1 Kor 1,23-24). Wer als Glied des Gottesvolkes und des mystischen Leibes Christi im Journalismus tätig ist - das Konzil hat dessen Rechte und Pflichten nachdrücklich herausgestellt -, sieht sich immer verpflichtet, von der christologischen und ekklesiologischen Dimension zur soteriologischen Dimension aufzusteigen. Das Kreuz ist die erste und ursprüngliche Quelle seiner Berufung. Ich beschränke mich heute darauf, auf diese hohe Perspektive hinzuweisen. Aber Sie werden verstehen, daß der bloße Hinweis dem Wesen und dem Engagement des Journalismus, der als wahres und eigenes Apostolat verstanden wird, vielfältige und vielleicht unerwartete Horizonte erschließt. 3. Die Erlösung ist eine historische Wahrheit, ein Ereignis, das zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehört. Das Kreuz Christi erhebt sich über den Lauf der Jahrhunderte und ist ein verpflichtender Bezugspunkt für alle. Im Erlöser hat sich - wie ich in der Enzyklika Redemptor hominis sagte - in neuer, noch wunderbarerer Weise die Wahrheit über die Schöpfung der Welt und des Menschen offenbart (vgl. Nr. 8). Der hl. Paulus macht sich zum klaren und beredten Interpreten der Seufzer und Leiden, die den ganzen Kosmos durchdringen, und vergleicht sie mit den Geburtswehen der Schöpfung beim Warten auf das Offenbarwerden der Kinder Gottes (vgl. Röm. 8,19-22). Das Martyrium von Golgata wiederholt sich Das philosophische Denken und die Literatur aller Epochen sind erfüllt von diesem Seufzen, mögen Grundlagen und Zielrichtungen auch vom Kreuz auf Golgota weit entfernt sein und ihm bisweilen sogar feindselig gegenüberstehen. Das Bewußtsein der Menschheit ist inmitten der vielfältigen Verirrungen auf den Pfaden des Skeptizismus, des Zweifels, der Verneinung voll davon. Je mehr der materielle Fortschritt sich durchsetzt und gigantischer wird, um so mehr fürchtet der Mensch, von seinen Errungenschaften, auch wenn er sich ihrer rühmt, erdrückt zu werden. Er verspürt dann in sich selber immer dringender das Bedürfnis nach Heil. Und er wird gewahr, daß er die Quelle des Heils nicht in den Fähigkeiten seiner eigenen Hände 922 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN finden kann, sondern sie außerhalb seiner selbst, ja über sich suchen muß. Denn, wie Pascal wiederholt sagte, wahrhaft menschlich ist nur das, was den Menschen überragt (vgl. Pensees, 434; ed. Brunschvicq). Die Kreuze, die den Weg der Geschichte im letzten Abschnitt des zwanzigsten Jahrhunderts besiegeln und bei denen Ihre besorgte Aufmerksamkeit anhält, zeichnen das tiefe Drama unserer Kultur und Zivilisation. Und Sie selbst sind im übrigen nicht selten Zeugen, daß sich das Martyrium von Golgata in unseren Tagen wiederholt, Zeugen der Kreuzigung des heutigen Menschen, der skandalösen Verletzung der menschlichen Rechte und Freiheiten in allen Breitengraden. Angesichts der Lawinen von Krisen, die mit erstaunlicher Pünktüchkeit immer wiederkehren; angesichts der Enttäuschungen, Befürchtungen und Desorientierungen; angesichts der vielfältigen Erscheinungen geistiger, moralischer und sozialer Zerrüttung stellen sich kulturempfindliche Geister und Menschen, die von elementarer Weisheit getragen sind, besorgte Fragen und beschwören auf der Suche nach dem Weg der Ausgeglichenheit, der Brüderlichkeit und des Friedens ein höheres Prinzip, Mag es noch so unbestimmt und vage sein, das Bedürfnis nach Erlösung pulsiert besonders intensiv in diesem ausgehenden zweiten Jahrtausend. Das Kreuz Christi ist in seiner stummen und mächtigen Beredtsamkeit, der die Kirche wie eh und je ihre demütige und zuversichtliche Stimme verleiht, eine Herausforderung für alle, ohne Unterschied. Und es ist tröstlich, daß auch viele von denen, die sich nicht in ihm erkennen, mit immer größerer Überzeugung seinen Beitrag zu den Werten des Menschen, der Gesellschaft, der Kultur zugeben. In diesem Zusammenhang bin ich dankbar für das Zeugnis, das einer Ihrer Interpreten gegeben hat. 4. In dem universalen Werk der Erlösung und Neuschöpfung, nach der sich die Welt sehnt, haben Sie als Journalisten eine sehr verantwortliche Rolle: aufgrund des Wesens Ihrer Sendung, aufgrund der Stellung, die Sie einnehmen, und aufgrund des Einflusses, den Sie in der Gesellschaft ausüben können. Mit Recht stolz auf die Rechte und Pflichten der Information, sind Sie wachsame Zeugen von allem, was das Leben in der bunten Vielfalt seiner Wendungen bietet. Aber jede Meldung, Idee, Überlegung entgleitet im selben Augenblick, wo sie mit Hilfe der modernsten Vermittlungswege verbreitet wird, der persönlichen Sphäre und kommt in der Gesellschaft in Umlauf. Sie wird so zum Zündfunken für andere Ideen und Überlegungen, die ihrerseits zur öffentlichen Meinungsbildung, eines der vorherrschenden Phänomene unserer Zeit, beitragen. 923 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die gewissenhafte Achtung vor der objektiven Wahrheit, der Ernst und die intellektuelle Redlichkeit bei der subjektiven Auslegung und Kommentierung — angeborene Tugenden des Journalismus, die den Grad der beruflichen Eignung und Gewissenhaftigkeit des Journalisten bestätigen -kennzeichnen im Grundsatz die soziale Dimension dieses schwierigen und faszinierenden Berufs. Niemand ist zum eigenen Gebrauch Schreiber von Beruf. Die soziale Dimension ist der Wesensgrund und vielleicht der heikelste Aspekt des modernen Journalismus. Sie erfordert nachdrücklich und unaufhörlich ein Bemühen um die Einstellung auf die Wellenlängen der Wirklichkeit und eine ausgewogene Unterscheidung, die klar die Rechte der Wahrheit und die Pflichten gegenüber der Gesellschaft wahren soll. Das ist ein ernstes Problem der Verantwortlichkeit, dessen ganze Last Sie sicher spüren, vor allem, wenn Themen auf dem Spiel stehen, die tief an die letzten Daseinsgründe rühren. Das gilt in besonderer Weise für unsere Tage, wo sich die Gefahren der Entstellung und Manipulation der objektiven Wahrheit vermehren: das heißt vor allem der Wahrheit des Menschen und über den Menschen. Es sei mir gestattet hervorzuheben, daß sich die religiöse Information dieser Kriterien nicht entziehen kann. Die Rolle und die Aufgaben derer, die auf diesem Spezialgebiet arbeiten, haben seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil, ja dank diesem Konzil eine äußerst progressive Entwicklung erfahren. Durch das gründliche Nachdenken der Kirche über ihr Wesen und über ihre Sendung, durch das Gespräch, das sie mit der modernen Welt aufgenommen und entfaltet hat, haben sich für den religiösen Berichterstatter neue und breitere Interessensräume auf getan. Ein Beweis dafür ist das Echo, das die theologischen Diskussionen, die Pastoralinitiativen der Ortskirchen und ihr Engagement auf dem Gebiet der sozialen Gerechtigkeit und der Menschenrechte, die Ereignisse beim Hl. Stuhl und die apostolischen Pilgerreisen der Päpste in den Zeitungen gefunden haben und finden. Der religiöse Berichterstatter mußte daher eine Reihe von Kenntnissen erwerben, die ihn dahin geführt haben, sich für sämtliche Aspekte der menschlichen und sozialen Wirklichkeit unserer Zeit zu interessieren: von der religiösen Dimension bis zur Politik, Wirtschaft, den großen Themen von heute, wie Frieden, Abrüstung, Entwicklung, den Problemen der Familie, der Jugend, der Kultur usw. Das alles bringt einerseits für den religiösen Berichterstatter ein Anwachsen der Verantwortung mit sich, andererseits fordert es von ihm eine größere Bemühung um Verständnis und Analyse der großen Erscheinungen der modernen Gesellschaft. Parteilichkeit und Manipulation sind 924 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN immer, in jedem Augenblick und unter jedem Aspekt des Journalistenberufes, zu verwerfen, und das um so mehr, wenn Probleme und Situationen berührt werden, die den Menschen und sein Gewissen in jener Dimension betreffen, die eine seiner grundlegendsten darstellt: der religiösen Dimension. Die Kirche bemüht sich und wird sich immer mehr bemühen, ein „Glashaus“ zu sein, wo alle sehen können, was vor sich geht und wie sie ihre Sendung in Treue zu Christus und zur Botschaft des Evangeliums erfüllt. Aber die Kirche erwartet, daß ein ähnliches Bemühen um Authentizität jeder erfüllt, der, in den Zustand des Beobachters versetzt, anderen, den Lesern seiner Zeitung oder seiner Zeitschrift, vom Leben und von den Ereignissen der Kirche berichten soll. 5. In der Verkündigungsbulle des Jubiläumsjahres erklärte ich, daß dieses Heilige Jahr sein Ziel nur dann voll erreichen wird, „wenn es in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen i allen Menschen sowie für den Dienst am Frieden zwischen allen Völkern einmündet“ (Aperite portas redemptori, Nr. 3). Bei dieser großen Aufgabe muß jeder Mensch, nicht nur der Christ, seinen Teil beitragen. In privilegierter Form und Weise die Sendung des Journalisten. Hier kehrt die - nennen wir es so - Analogie zwischen der Sendung der Kirche und der journalistischen Sendung wieder, die in die breitere Welt der Kommunikation gehört. Eine Analogie also zwischen den Verpflichtungen, die die Kirche bei der praktischen Verwirklichung der Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils wahrnehmen muß, und jenen, wozu die Gesellschaft aufgerufen ist, wenn sie den Weg eines vom Frieden und der Gerechtigkeit bestimmten Fortschritts einschlagen will. Ein stärkerer Austausch von Ideen und Informationen innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft, zwischen dem Apostolischen Stuhl und den Ortskirchen, zwischen der einen und der anderen Ortskirche, kann zweifellos nicht nur eine Vertiefung des Geistes der Kollegialität und eine Stärkung der Gemeinschaftsbande begünstigen, sondern auch ein Wachsen und Reifen des persönlichen und gemeinschaftlichen Bewußtseins der Glieder des Gottesvolkes. „Den einzelnen Gläubigen wird die Möglichkeit und das Recht zuerkannt, über alles informiert zu werden, was für die aktive Teilnahme am Leben der Kirche notwendig ist“, heißt es in der Pastoralinstruktion Communio et progressio (Nr. 119). Analog wird ein größerer Austausch von Ideen und Informationen innerhalb der menschlichen Gesellschaft, zwischen den verschiedenen Völkern 925 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und innerhalb eines jeden Volkes, mit Sicherheit nicht nur ein gegenseitiges Kennenlernen, sondern mehr noch eine Beseitigung jener Hindernisse — nämlich Mißtrauen, Verdächtigungen, Unverständnis, Diskriminierung, Ungerechtigkeiten — begünstigen können, die noch immer den Weg zum Frieden und zur Solidarität zwischen einzelnen und zwischen Völkern verstellen. „Nach der Logik irgendeiner Macht zurechtgebogen“ Es liegt auf der Hand, daß in einer pluralistischen Welt wie der heutigen, die von einer beispiellosen Revolution wie der technologischengekennzeichnet ist, die sozialen Kommunikationsmittel - mit verzerrten Zielsetzungen angewandt oder, noch schlimmer, nach der Logik irgendeiner Macht zurechtgebogen - einen weiteren und tieferen Riß im Beziehungsgeflecht der Gesellschaft hervorruf en können. Wenn sie dagegen nach den Gesetzen der Ethik angewandt werden, die unter Wahrung der Rechte des Menschen diesen zum aktiven Subjekt der Kommunikation erhebt, statt ihn als Objekt oder Konsumenten anzusehen, können sie in der Zukunft der Menschheit, im Prozeß der Integration und Einigung, in der sittlichen Erneuerung, in der Verbreitung von Bildung und Kultur, kurz bei der Verwirklichung eines besseren Zusammenlebens der Menschen, eine ganz entscheidende Bedeutung haben. Diese Alternative wird man sich stets vor Augen halten müssen, wenn man sich um die Erarbeitung einer neuen Weltordnung der Information und Kommunikation bemüht. So erklärt sich, warum die Sendung des Journalisten heute noch mehr als gestern berufliche Kompetenz und moralische Verantwortung erfordert. Denn sie kann mit den mächtigen Instrumenten, über die sie verfügt, die Gewissen für den Geschmack am Guten formen. Sie kann in ihnen den Sinn für Gott einpflanzen, zur Tugend erziehen, die Hoffnung pflegen, die Sensibilität für die transzendenten Werte wieder wecken. Ihre Mission kann also all das beleuchten, ausrichten und stützen, was dem echten und umfassenden Fortschritt des menschlichen Zusammenlebens wirklich nützt. Sie kann den Geistern und den Herzen Horizonte eröffnen, einzelne und die Gesellschaft zu jenen Zielsetzungen anspornen, die sich auf eine bessere Lebensqualität auswirken. Mit einem Wort, sie kann alle jene Kräfte wecken und fruchtbar machen, von denen die Rettung der Menschheit in unserer unruhigen und vielversprechenden Zeit abhängt. Eine große Hilfsquelle des Journalistenberufes ist die, welche ich als „positive Psychologie“ bezeichnen möchte. Der ständige Kontakt mit den mannigfachen Phänomenen, aus denen sich das Tagesgeschehen zusam- 926 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN mensetzt, muß, über den Widerhall hinaus, Sympathie für das wecken, was, wenn auch im verborgenen, an Positivem geschieht und was auch dann einen Platz verdient, wenn es keine Schlagzeilen macht; sicher nicht, um die negativen Aspekte zu bagatellisieren, sondern um die wahrlich unermeßlichen schöpferischen Möglichkeiten zu ermutigen. Denn sie sind schließlich das Rückgrat der Geschichte. Liebe Journalisten, meine Freunde! Mögen diese einfachen, vom besonderen Charakter der heutigen Begegnung inspirierten Überlegungen, wenige Tage vor dem Fest Ihres Schutzpatrons, des hl. Franz von Sales, Sie in der Größe Ihrer schwierigen Aufgaben und in der beruflichen Ausübung Ihrer qualifizierten Sendung bestärken. Mit diesem Wunsch erteile ich Ihnen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Die Gabe der Unterscheidung soll euch inspirieren Ansprache an die Leiter und Priester-Alumnen der Päpstlichen Diplomatenakademie am 30. Januar Herr Präsident! Liebe Priester der Päpstlichen Diplomatenakademie! 1. Ich freue mich über diese Begegnung mit euch, die mir nicht lange nach dem Besuch, den ich im vergangenen Jahr der kirchlichen Akademie zu meiner Freude abstatten konnte, Gelegenheit gibt, euch wiederzusehen und unseren Dialog in der Dimension des Glaubens und der übernatürlichen und kirchlichen Gnade zu vertiefen. Ich danke vor allem Erzbischof Cesare Zacchi für die freundlichen Worte, die er als Ausdruck eurer Gedanken und Empfindungen an mich gerichtet hat. Ihm, dem geistlichen Leiter, und allen, die sich für eure Ausbildung einsetzen, drücke ich meine Anerkennung und Wertschätzung aus. Einen besonderen Gruß und Wunsch richte ich sodann an die fünf Studenten, die sich, nachdem sie ihre akademischen Kurse abgeschlossen haben, nun anschicken, ihren Dienst beim Hl. Stuhl zu beginnen. 927 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Wenn ich den Dialog mit euch, liebe Studenten, wieder aufnehme, möchte ich euch einige Gedanken vorlegen über eine besondere Gabe, auf die eure Ausbildung hinzielen, die eure Persönlichkeit kennzeichnen und eure Sendung inspirieren soll: die Gabe der Unterscheidung. Der hl. Paulus ermahnt uns im Römerbrief: „Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist: was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist“ (Röm 12,2). Ihr bereitet euch hier auf einen Dienst vor, der eine ganz besondere Unterscheidungsfähigkeit verlangt. Äußerlich erscheint er in manchem ähnlich strukturiert wie analoge Funktionen in der zivilen und politischen Gesellschaft. Die Motivation aber, die dem Dienst der Vertretung des Hl. Stuhls zugrunde liegt, und die Kriterien, die ihn inspirieren, sind anderer, durchaus eigenständiger Art. Denn in der Kirche hat jedes Dienstamt als Vorbild Jesus Christus, als oberstes Gesetz das Evangelium, als letzte Inspirationsquelle den Heiligen Geist und als Ziel das Reich Gottes. Diese geistlichen Wirklichkeiten bilden das Fundament eures Lebens und der Mission, die euch anvertraut werden soll. Ihr müßt sie wahrzunehmen und zu leben verstehen. Die Unterscheidung ist eben diese Fähigkeit, das Leben, das Wirken und die Situation der Kirche und der Welt im Licht Christi und des Evangeliums beurteilen und interpretieren zu können. 3. Es ist wichtig, die vom hl. Paulus aufgestellten Voraussetzungen für die Entwicklung des Unterscheidungsvermögens aufmerksam zu bedenken. Vor allem, sagt uns der Apostel, dürften wir uns nicht dieser Welt angleichen. Nicht die Welt kann euch gültige Kriterien für die Bewertung und Entscheidung anbieten. Insoweit die Welt dem Geist Christi entgegensteht, setzt sie die Suche nach Ansehen, die Karriere, den Reichtum, die eigenen Interessen an die erste Stelle; scheinen gilt ihr mehr als sein. Vor dieser Gesinnung müßt ihr euch wohl hüten, wenn ihr fähig sein wollt, ein Dienstamt der Kirche authentisch und fruchtbringend zu erfüllen. Anderseits wird euch dieser Abstand von der Welt, wenn er verbunden ist mit einem inneren Glaubensreichtum, die Wirklichkeit der Welt, ihre Bestrebungen, ihre Erwartungen und ihre Herausforderungen besser verstehen lassen, so daß ihr mit der Gnade und dem Licht Christi darauf antworten könnt. 4. Die andere Voraussetzung für die Gabe der Unterscheidung ist, nach dem hl. Paulus, die innere Wandlung, die geistige Erneuerung. Diese Erneuerung besteht in dem neuen Leben, in Gnade und Wahrheit, und 928 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das ist das Werk Christi (vgl. Joh 1,17). Darauf muß die gesamte menschliche, geistliche und kulturelle Ausbildung, die ihr an der kirchlichen Akademie empfangt, hinzielen. Denn die wirkliche Erziehung ist ja bestrebt, alle Elemente und Aspekte des Daseins, alle kulturellen Errungenschaften wieder zu einer lebendigen Synthese in Christus zu führen, „in Christus alles zu vereinen“ (Eph 1,10). 5. Die Kirche und der Apostolische Stuhl erwarten von euch, daß ihr in reichem Maße dieses geistliche Unterscheidungsvermögen besitzt, denn je reicher dieses ist, um so bessere und treuere Diener werdet ihr sein. Kraft dieser Unterscheidung werdet ihr über die unschätzbare Fähigkeit und Gabe verfügen, die Ebene des Menschen, der Gesellschaft und der Geschichte mit ihren verschiedenen gesellschaftspolitischen und kulturellen Komponenten zu sehen und anzunehmen, in der Sphäre Christi, der den Vater offenbart und der Erlöser der Menschen, Mittelpunkt des Kosmos und der Geschichte ist. Diese Gabe der Unterscheidung wird euch ermöglichen, den „kairos“ der Kirche in einem bestimmten sozialen und geschichtlichen Rahmen, in der Sicht des Gottesreiches und in der transzendenten Dynamik der Heilsgeschichte zu erfassen. Wiederum ist es die Unterscheidung, die euch in die Lage versetzen wird, zu interpretieren und vorzulegen, was „der Geist den Kirchen sagt“, damit die Kirchen das Evangelium zu leben und auf die Erwartungen und Herausforderungen der heutigen Welt zu antworten wissen. 6. Ihr werdet die Gabe der Unterscheidung in reichem Maß besitzen, wenn ihr sie als Gnade des Heiligen Geistes empfangt, gleichsam als Synthese der Gaben des Wissens, des Verstandes und der Weisheit, die in einem intensiven geistlichen Leben zur Blüte kommen. Damit der Heilige Geist euch diese Gabe in reichem Maße gewähre, erflehe ich für euch die Fürsprache Mariens, Sitz der Weisheit und Mutter des Guten Rates, und erteile euch von Herzen meinen Segen. 929 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus ist „Zeichen des Widerspruchs“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe in St. Peter für die Ordensleute am 2. Februar 1. „Ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel“ (Lk 2,32). Diese Worte des alten Simeon, liebe Brüder und Schwestern, möchte ich mir heute leihen, um gemeinsam mit euch das Licht zu verehren: Christus, das Licht der Welt! Wir sind in der Petersbasilika zusammengekommen, im Jahr der Erlösung, im außerordentlichen Heiligen Jahr. Wir begegnen einander in jener großen und zugleich vielfältigen Gemeinschaft, die ihr alle bildet, Brüder und Schwestern so vieler Orden, Kongregationen und Säkularinstitute. Gott geweihte Personen und Kommunitäten! Diese Begegnung sammelt die Vertreter (und Vertreterinnen) der in Rom lebenden Ordensfamilien und erstreckt sich zugleich auf alle Mitbrüder und Mitschwestern, mit denen euch die Einheit und Identität der Berufung verbindet. Und mittels dieser Einheit und .Identität seid ihr auch durch eine besondere Sendung in der Kirche verbunden, die Sendung inmitten des Gottesvolkes in allen Ländern und Kontinenten bis an die Grenzen der Erde. In dieser großen, weltumspannenden Gemeinschaft vereint ihr euch heute mit dem Bischof von Rom und Nachfolger Petri, um im Geist der heutigen Liturgie zu rufen: „Licht, das die Heiden erleuchtet!“ Das Licht: Christus - Licht und Herrlichkeit für das Gottesvolk auf der ganzen Erde! 2. Mit diesem Ruf wollt ihr dem Geist der Liturgie dieses besonderen Festes entsprechen, und gleichzeitig habt ihr den'Wunsch, offen kundzutun, was das innerste Geheimnis eines und einer jeden von euch ausmacht. Denn aufgrund eurer Berufung wandelt ihr in besonderer Weise in diesem Licht, das Christus ist, und gebt zudem auf besondere Weise davon Zeugnis. Das bringen heute die brennenden Kerzen zum Ausdruck, die ihr in Händen haltet. Jede von ihnen erinnert vor allem an das Sakrament der Taufe, durch das Christus begonnen hat, euer Leben mit dem Licht des Evangeüums und dem Licht der Erlösung zu erleuchten: Christus, der durch den Glauben in der Gemeinschaft der Kirche angenommen wird. 930 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus, der Tag für Tag im Leben eurer christlichen Familie, der Umgebung, der Schule weitergegeben wird. Ihre volle Blüte erlangt die Taufe in der Eucharistie, und ihre einigende Kraft erneuert sich ständig im Sakrament der Buße und Versöhnung. Sodann erinnert euch jede dieser Kerzen - vor dem Hintergrund der Liturgie des heutigen Festes - an den Augenblick eurer Weihe: an die Ablegung der Ordensgelübde, die Wahl des Lebens nach den evangelischen Räten der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams. Das Licht Christi hat damals mit besonders heller Flamme gebrannt. Die Flamme des Glaubens und der Hoffnung hat sich mit der lebendigen Flamme der Liebe, die auf das Herz des Göttlichen Bräutigams konzentriert ist, vereint und sich gleichzeitig durch diese Konzentration weit geöffnet. So wie sich dieses göttliche Herz weit geöffnet hat im Geheimnis der Erlösung, von dem wir wissen, daß es universal ist, daß es allen und alle einschließt. Tiefe und Universalität — das sind die beiden Züge des Ordensberufes, die davon Zeugnis geben, daß er im Geheimnis der Erlösung, im Licht Christi, verwurzelt ist. i 3. Heute führt euch die Liturgie des Festes der Darstellung des Herrn im Tempel zu diesem Licht. Ihr tretet ein in den Tempel wie einst Maria und Josef, die Jesus nach Jerusalem brachten, um ihn dem Herrn zu weihen (vgl. Lk 2,22). Das Gesetz des Alten Testaments schrieb vor, daß jeder männliche Erstgeborene dem Herrn geweiht werden sollte (vgl. Lk 2,23), und im Verlauf dieser Weihe wurden ein Paar Turteltauben oder zwei junge Tauben geopfert. Ihr, meine lieben Brüder und Schwestern, betretet heute diesen Tempel, um - im Licht der Darstellung Christi - eure Hingabe an Gott in Jesus Christus zu erneuern: eure Weihe, durch die ihr euch zu seinem ausschließlichen Eigentum macht. Von der Tiefe des Weihegeheimnisses strahlt diese besondere Zugehörigkeit zu Gott selbst aus: eine Zugehörigkeit, zu der nur die Person, der bewußt und frei handelnde Mensch, fähig ist. Diese Zugehörigkeit hat den Charakter des Geschenks. Sie antwortet auf das Geschenk und ist zugleich Ausdruck des Geschenkes. Im Licht Christi wird jeder und jede von euch mit eindringlicher Klarheit gewahr, daß alles Geschaffene Geschenk ist, und erkennt darin das besondere Geschenk eigenen Menschseins. Und mit dem Geschenk dieses 931 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganzen, unteilbaren Menschseins will jeder und jede von euch auf das Geschenk des Schöpfers, des Erlösers, des Bräutigams antworten. So ist im menschlichen Ich eines jeden und einer jeden von euch ein besonderes Band der Einheit mit Christus und in ihm mit der Heiligsten Dreifaltigkeit geprägt: mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. 4. Wenn wir dann gemeinsam mit Maria und Josef den Tempel betreten -wo der vom Gesetz vorgeschriebene Ritus der Darstellung Jesu vollzogen wird -, begegnen wir zwei Personen, die sich ganz Gott geweiht, der Erwartung Israels hingegeben haben, der größten Hoffnung der Menschheit aller Zeiten: Es sind Simeon und Anna. Simeon hatte sich unter dem Antrieb des Heiligen Geistes in den Tempel begeben (vgl. Lk 2,27). Erinnert euch das etwa nicht an eine ähnüche Inspiration, die euch einst bewogen hat: die Inspiration des Geistes? Ja! Denn der Heilige Geist fördert in der Kraft der Erlösung Christi jede Heiligkeit. Und er fördert auch jenen besonderen Ruf zur Heiligkeit, den der Ordensberuf einschließt. Wenn ihr heute im Herzen eure Gelübde erneuert, erinnert euch jener inneren Inspiration des Geistes, die am Anfang eures Weges stand. Erinnert euch daran, wie es zu dieser Inspiration gekommen ist, wie sie sich gefestigt hat, wie sie vielleicht nach einiger Zeit wiedergekehrt ist, bis ihr schließlich in ihr den klaren Ruf Gottes und die Kraft der bräutlichen Liebe des Herrn, der ruft, erkannt habt. Erinnert euch heute daran, um mit erneuertem Herzen zu danken und euch zu „Gottes großen Taten“ (Apg 2,11) zu bekennen. Diese Inspiration des Geistes kann nie verlöschen. Sie muß fortdauern und reifen mit der religiösen Berufung im Laufe eures ganzen Lebens. Ihr könnt euch niemals von dieser heilbringenden Inspiration des Geistes trennen, die jeder und jede von euch in seinem (ihrem) inneren Tempel hütet! Wie vielsagend sind die Worte über die Prophetin Anna im heutigen Evangelium: „Sie hielt sich ständig im Tempel auf und diente Gott Tag und Nacht mit Fasten und Beten. In diesem Augenblick nun trat sie hinzu, pries Gott und sprach über das Kind zu allen, die auf die Erlösung Jerusalems warteten“ (Lk 2,37-38). 5. Simeon beugte sich über das Kind und sprach die prophetischen Worte: „Dieser ist dazu bestimmt, daß in Israel viele durch ihn zu Fall kommen und viele aufgerichtet werden, und er wird ein Zeichen sein, dem wider- 932 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sprachen wird. Dadurch sollen die Gedanken vieler Menschen offenbar werden“ {Lk 2,34-35). Diese Worte spricht er zu Maria, der Mutter Jeu. Und er fügt hinzu: „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen“ {Lk 2,35). Eine seltsame Prophetie! Sie ist vielleicht die kürzeste und zugleich inhaltvollste Zusammenfassung der ganzen Christologie und der gesamten Heilslehre. Liebe Brüder und Schwestern! Möge diese Prophezeiung heute mit neuer Kraft eure Herzen erreichen. Nehmt Christus an, der das Licht der Welt ist: Christus, in dem Gott „das Heil vor allen Völkern bereitet hat“ (vgl. Lk 2,31). Nehmt Christus an, der auch „Zeichen des Widerspruchs“ ist. Dieser Widerspruch ist eurer Berufung eingeschrieben. Versucht nicht, ihn zu entfernen oder zu löschen. Diesem Widerspruch kommt Heilsbedeutung zu. Denn die Heilsrettung der Welt kommt auf dem Weg dieses von Christus gewirkten Widerspruchs zustande. Auch ihr seid, wenn ihr Christus annehmt, Zeichen dieses heilbringenden Widerspruchs. Anders kann es nicht gehen, denn im Namen des heilbringenden Widerspruchs ist in euer Ich als Christen und als Ordensleute das Gelübde der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams eingeschrieben. Die Welt braucht den authentischen Widerspruch der Ordensweihe als dauernde Triebkraft der heilbringenden Erneuerung. 6. Ihr haltet in euren Händen die brennenden Kerzen der heutigen Liturgie. Sie besagen, daß Christus das Licht ist, das jeden Menschen, der in diese Welt kommt, erleuchtet. Sie sind das Zeugnis eurer unteilbaren Hingabe an Christus und an Gott, das Zeugnis eurer Weihe. Diese Kerzen erleuchten auch das menschliche Leben, das Leben eines jeden von uns. Aber langsam verbrennt die Kerze, das Wachs, aus dem die Kerze besteht, schmilzt. Und die Kerze verlöscht. Möge euer Leben im Licht Christi verbrennen! Möge es ganz bräutliche Hingabe an seinen Dienst sein! : Möge der lebenspendende Strom des Geheimnisses der Erlösung dieses Leben durchfließen, indem er die Welt und die Menschen erreicht und unser ganzes menschliches Dasein zum ewigen Licht hinführt: dem Licht der Anschauung und der Herrlichkeit. 7. Simeon sagte zu Maria, der Mutter Jesu: i „Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen!“ 933 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern! Nehmt Christus aus den Händen Mariens an! Das Geheimnis der Erlösung erreiche euch durch ihre Seele! Alle Heilspläne der geweihten Herzen seien immer offenbar vor dem Herzen der Mutter! Vereint mit ihr. Mit dem Blick auf sie. Sie ist in besonderer Weise das Abbild Christi, des Bräutigams eurer Seelen. Der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste Ansprache an die italienischen Rotarier am 4. Februar 1. Ich freue mich, Sie, die Rotarier der Clubs in Italien, herzlich zu begrüßen und im Rahmen der Audienzen, die jeden Tag in diesem Haus, dem Haus aller, stattfinden, ein kurzes Gespräch mit Ihnen zu haben. Ich danke Ihnen für diesen Besuch und ganz besonders dem Herrn Rechtsanwalt Carlo D’Amelio für die freundlichen Worte, mit denen er, ihre gemeinsamen Gefühle zum Ausdruck bringend, diese Begegnung einleitete, die bei Gelegenheit des zur Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung nach Rom einberufenen Nationalen Rotarierkongresses stattfindet. Einen besonderen Gruß auch an alle Ihre Familienangehörigen, zu denen die Vertreterinnen des „Inner Wheel“ gehören, die mit hochherziger Hingabe die Tätigkeit Ihrer Clubs unterstützen. 2. Ich will gleich vorweg sagen, daß ich die Begegnung mit den Rotariern im Jahre 1979, zum Abschluß Ihres internationalen Kongresses, nicht vergessen habe; ja, ich kann Ihnen versichern, daß ich mich noch lebhaft an jene von respektvoller Herzlichkeit geprägte Veranstaltung erinnere. An der Schwelle des achten Jahrzehnts des Bestehens wollte Ihre Vereinigung, die 1905 in Chikago entstanden ist, nach Rom kommen, um über die vielfältige Tätigkeit nachzudenken, die sie auf kulturellem, sozialem, wissenschaftlichem und beruflichem Gebiet entfaltet hat. Die Tatsache, daß Ihre Gesellschaft in dieser nicht sehr langen Zeitspanne überall Verbreitung gefunden hat und es ihr gelungen ist, zahlreiche Personen, die voll von ihrem jeweiligen Beruf beansprucht werden - z. B. als Geschäftsleute, freiberuflich Tätige und Vertreter der Kultur- und Geisteswelt -, dafür zu interessieren, ist ein deutliches Zeichen, daß sie Ideale anbieten konnte, die gültig sind, weil sie auf Ernsthaftigkeit und Ehrbar- 934 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit, auf die Förderung der Kultur und auf die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen gegründet sind. In diesem Zusammenhang ist auch die von Ihnen in den letzten Jahren unternommene Bemühung hervorzuheben, in Ihren Clubs die Öffnung für die geistlichen und religiösen Werte und die Achtung jeder Meinung zu fördern. Es freut mich, in Ihren Statuten zu lesen, daß „der Rotary Club in religiösen Dingen nicht agnostisch ist: Er verlangt von seinen Mitgliedern, stets ihren eigenen religiösen Überzeugungen entsprechend zu leben und die der anderen aufrichtig zu respektieren“ (C.C. 40-41). Das alles gereicht Ihnen zur Ehre und trägt zur Formung und zum Zusammenhalt Ihrer Mitglieder bei, indem es sie dazu anspornt, mit Umsicht und Gewissenhaftigkeit ihre Aufgaben wahrzunehmen und sich mit selbstloser Hingabe in den Dienst am Gemeinwohl zu stellen. 3. Ja, zum Dienst am Gemeinwohl! Es freut mich, aus dem Mund Ihres Präsidenten mehrmals das Wort Dienst zu hören. Ich habe mit Befriedigung festgestellt, daß dieses Wort in den jährlichen Botschaften der Präsidenten des Internationalen Rotary Clubs häufig wiederkehrt. Im Jahr 1957 war das Leitwort „Dienen“; 1958 „Mithelfen bei der Gestaltung der Zukunft“; 1977 „Dienen, um die Menschheit zu einen“; 1979 „Das Ideal des Dienens erleuchte unser Leben“; 1980 „Zeit finden zum Dienen“. Ich muß Sie in dieser Linie der Hingabe an das Gemeinwohl ermutigen, eine Hingabe, die heutzutage ein starkes Engagement und einen opferbereiten Willen erfordert, um der Menschheitsfamilie in ihren gewaltigen materiellen und spirituellen Nöten zu helfen. Sie wissen sicher, wie sehr der Kirche der soziale und zivile Fortschritt sowie die Förderung der Gerechtigkeit und des Wohls jedes Menschen am Herzen hegt: Ein Beweis dafür sind die Dokumente des Lehramtes, das sich am Vorbild und an der Lehre des göttlichen Meisters inspiriert, der „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (vgl. Mt 20,28), und die Gläubigen unaufhörlich daran erinnert, daß Nachfolge Christi im wesentlichen heißt, sich in die Lage dessen zu versetzen, der dient, der das Leben als wahre „diakonia“ auffaßt. In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie an die hohe Lektion, die Jesus seinen Jüngern als Wegweisung hinterlassen hat: „Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch’ soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende ... Ich 935 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aber bin unter euch wie der, der bedient“ (Lk 22,25-27). Leben Sie also in diesem Geist Ihr Motto: „Wer am besten dient, gewinnt am meisten.“ 4. Liebe Rotarier, Sie kommen aus der Petersbasilika, wo Sie an der Feier zur Erlangung des Jubiläumsablasses und an der heiligen Messe teilgenommen haben, die von Kardinal Sebastiano Baggio geleitet wurde, der auch bei dieser Begegnung anwesend ist und den ich herzlich begrüße. Möge die besondere Gnade des Jubiläumsjahres der Erlösung für Sie ein Ansporn sein, die Liebe Gottes neu zu entdecken, die nicht aufhört, sich allen zu schenken, die sie mit ehrlichem Herzen suchen; möge sie neuer Anlaß sein, den unerforschlichen Reichtum des in der Kirche stetig wirkenden Erlösungsgeheimnisses zu vertiefen; möge sie Quelle der Gnade sein, die Sie immer stärker die Schönheit und den Trost verspüren läßt, vollkommen mit Gott und den Menschen versöhnt, in der Einheit der Liebe zu leben. Der Apostolische Segen unterstütze diese meine herzlichen Wünsche und rufe auf Sie und auf Ihre Lieben reiche Gnade des Himmels herab. Rom gleicht dem Jerusalem des Pfingsttages Predigt bei der Messe im byzantinischen Ritus in St. Peter am 5. Februar 1. „Seht doch, wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Der freudige Ausruf des Psalmisten ist das erste Wort, das mir in diesem Augenblick der byzantinischen Liturgie auf die Lippen kommt, den, im majestätischen Rahmen dieser vatikanischen Basilika, der Patriarch der griechisch-katholischen Melchiten, Seine Seligkeit Maximos V., zusammen mit den Bischöfen und Presbytern der verschiedenen katholischen Kirchen des byzantinischen Ritus feiert. Ihnen gilt mein herzlicher Gruß, in den ich auch die zahlreichen hier anwesenden Gläubigen einschließe. Die Vielfalt der ethnischen Komponenten dieser feierlichen Liturgie scheint Rom dem Jerusalem des Pfingsttages anzunähern, als - der Beschreibung der Apostelgeschichte zufolge - „in Jerusalem Juden wohnten, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel“ (Apg 2,5). Die Gedanken kehren unwillkürlich zu den maßgebenden Worten zurück, mit denen das Zweite Vatikanische Konzil daran erinnert hat, daß die 936 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche „aus den Gläubigen besteht, die durch denselben Glauben, dieselben Sakramente und dieselbe oberhirtliche Führung im Heiligen Geist organisch geeint sind“, trotz der Aufteilung in verschiedenen Teilkirchen mit unterschiedlicher liturgischer Tradition, und feststellt: „Unter diesen herrscht eine wunderbare Verbundenheit, so daß ihre Vielfalt in der Kirche keinesfalls der Einheit Abbruch tut, sondern, im Gegenteil, diese Einheit deutlich aufzeigt“ (Orientalium Ecclesiarum, Nr. 2)i Diese Eucharistiefeier, an der wir gemeinsam teilnehmen, ist nicht nur Ausdruck der großen Hochachtung, die die ganze katholische Kirche für die Institutionen, die liturgischen Bräuche, die kirchlichen Überheferungen und die christliche Lebensordnung der durch ihr ehrwürdiges Alter hervorragenden Ostkirchen hat, sondern sie stellt den sprechenden Beweis für jene feierliche Aussage dar (vgl. ebd., Nr. 1). „Utunumsint“ Gleichzeitig macht der heutige Gottesdienst das Verlangen lebendiger und die Sehnsucht nach jener vohkommenen Einheit aller Christen tiefer, für die wir kürzlich, wie in jedem Jahr, die Weltgebetswoche abgehalten haben. Die Erreichung der vollen Einheit ist eine der Aufgaben, die das Zweite Vatikanische Konzil ganz besonders den katholischen Ostkirchen aufgetragen hat. Denn im Konzilsdekret Orientalium Ecclesiarum heißt es: „Den mit dem Römischen Apostolischen Stuhl in Gemeinschaft stehenden Ostkirchen obliegt die besondere Aufgabe, gemäß den Grundsätzen des von diesem Heiligen Konzil erlassenen Dekretes über den Ökumenismus die Einheit aller Christen, besonders der ostkirchlichen, zu fördern. Dieser Aufgabe dienen vor allem ihre Gebete, das Beispiel ihres Lebens, die ehrfürchtige Treue gegenüber den alten ostkirchlichen Überlieferungen, eine bessere gegenseitige Kenntnis und Zusammenarbeit sowie brüderliche Wertschätzung des äußeren und inneren Lebens der anderen“ (Nr. 24). Im Sinne dieser Konzilsweisungen wollen wir auch heute früh unser Gebet zu Gott emporsenden, damit dem inständigen Wunsch des göttlichen Erlösers: „ut unum sint“, „damit sie eins sind“ (Joh 17,11), entsprechend, die Zeit bis zur vollen Einheit beschleunigt werde und wir So schließlich voll kosten können, „wie gut und schön es ist, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“. 2. Auf dieses Merkmal der Einheit scheint der hl. Paulus in dem soeben verlesenen Abschnitt des zweiten Korintherbriefes hinzuweisen. Er 937 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bezeichnet das Volk Gottes als „Tempel des lebendigen Gottes“ und hebt drei Merkmale an ihm hervor: - Wohnung Gottes und Weg mit Gott: „Ich will unter ihnen wohnen und mit ihnen gehen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein“ (2 Kor 6,16). - Lösung von der Wirklichkeit und der Unreinheit: „Zieht darum weg aus ihrer Mitte und sondert euch ab, und faßt nichts Unreines an“ (ebd., 6,17). - Väterliche Liebe Gottes und kindliche Liebe der Gläubigen: „Dann will ich euch aufnehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein“ (ebd., 6,18). In der abschließenden Ermahnung des Apostels erscheinen dann in einzigartiger Klarheit die Zielsetzungen dieses Jubiläumsjahres der Erlösung. Denn er sagt: „Das sind die Verheißungen, die wir haben, liebe Brüder. Reinigen wir uns also von aller Unreinheit des Leibes und des Geistes, und streben wir in Gottesfurcht nach vollkommener Heiligung“ (ebd., 7,1). Und was könnte die Kirche für die Erlangung des Jubiläumsablasses anderes fordern als die volle Reinigung des Empfindens und des Geistes, durch die die Gläubigen jene moralische Reinigung erreichen können, die in der Abneigung auch gegenüber der nur läßlichen Sünde besteht und die ein Zeichen jener „vollkommenen Heiligung“ ist, zu der uns der hl. Paulus auffordert: „Das ist es, was Gott will: eure Heiligung“ (1 Thess 4,3)? Es ist tröstlich zu wissen, daß die katholischen orientalischen Kirchen einen besonderen Eifer durch Initiativen zur Feier des Jubiläums jahres bekundet haben, und zwar sowohl im Bereich der Ortskirchen als durch Pilgerfahrten zu den Basiliken und Katakomben dieser erhabenen Stadt. Es ist für mich jedesmal ein Grund zu großer Freude und tiefer Genugtuung gewesen, sie hier am Petrusgrab zu empfangen. Und der heutige Gottesdienst soll der strahlende Höhepunkt dieser geistlichen Belebung sein, ein Zeichen meines besonderen Wohlwollens, ein Vorzeichen himmlischer Gnadengaben, Unterpfand und Zeugnis für neuen leidenschaftlichen Einsatz im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. 3. Die für die heutige Liturgie vorgesehene Stelle aus dem Evangelium hat - welch einzigartiges Zusammentreffen! - zum Schauplatz des Geschehens den Libanon, das biblische Land, das der Erlöser während seines irdischen Lebens durchzog und dadurch heüigte. 938 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung“ Nach dem Bericht des Evangelisten Matthäus „zog sich Jesus in das Gebiet von Tyrus und Sidon zurück“, und in dieser Gegend heilte er aus der Ferne die Tochter einer kanaanäischen Frau (vgl. Mt 15,21 ff.). Sogleich eilen unsere Gedanken tiefbesorgt zu jener Nation, die von der Heiligen Schrift sooft als bezauberndes Land gepriesen wird und die nach einer Zeit ruhiger, fruchtbarer Blüte seit Jahren von einem grausamen Bürgerkeig heimgesucht wird wie in den schwierigsten Zeiten ihrer Geschichte. Es ist allen bekannt, daß der Apostolische Stuhl nichts unversucht ließ, um jenem edlen und geliebten Land den Frieden zurückzugeben. Wie oft hatte es den Anschein, daß der Friede tatsächlich wiederkehren würde, doch leider handelte es sich nur um kurze Unterbrechungen in einem immer von neuem ausbrechenden Konflikt. Ich möchte meinen eindringlichen Friedensappell für den Libanon wiederholen; ich möchte mit dem heutigen Gottesdienst inbrünstig „friedliche Zeiten“ für den Libanon erflehen und die Bitte um den Frieden, „der von oben kommt“, auf alle anderen Länder ausdehnen, die vom Krieg verwüstet oder von religiösen Verfolgungen heimgesucht werden. Denn die Liebe Christi drängt uns (vgl. 2 Kor 5,14), und derselbe hl. Paulus belehrt uns: „Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern ein Gott des Friedens“ (1 Kor 14,33). Die Kulisse des Libanons begleitet uns in dem Bericht des Evangeliums, dessen Hauptperson eine einfache Frau jenes Landes ist, Gegenstand des grenzenlosen Erbarmens des Herrn, und deren Herz sich der Hoffnung öffnet. Was uns am Verhalten dieser Frau am meisten betroffen macht, ist ihr Glaube. Ein betender und sich verzehrender Glaube. Der hl. Matthäus sagt: „Da kam eine kanaanäische Frau aus jener Gegend zu ihm und rief: „Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids! Meine Tochter wird von einem Dämon gequält“ {Mt 15,25). Ein beharrlicher Glaube. Denn trotz der begründeten Weigerung des Herrn „fiel sie vor ihm nieder und sagte: Herr, hilf mir!“ (ebd15,25). Ein erfinderischer Glaube. Nachdem Jesus ihr zu bedenken gegeben hatte: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden (das heißt denen, die nicht dem auserwählten Volk angehören) vorzuwerfen“, argumentierte sie sogleich: „Ja, du hast recht, Herr! Aber selbst die Hunde bekommen von den Brotresten, die vom Tisch ihrer Herren fallen“ {ebd., 15,28). 939 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und so haben wir es mit einem siegreichen Glauben zu tun. Jesus antwortet ihr: „Frau, dein Glaube ist groß! Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt“ (ebd., 15,28). Muttergottes, komm uns zu Hilfe! Wenn wir bei der kanaanäischen Frau einen festen Glauben finden, der von einer unbesiegbaren Hoffnung begleitet wird, so finden wir beim Herrn die überströmende Liebe und sehen, wie sehr der Erlöser voll des Erbarmens - dives in misericordia - ist, was ich allen zum Trost in der gleichnamigen Enzyklika hervorzuheben bestrebt war. Die byzantinische Liturgie, die wir hier feiern, verfügt über einen entsprechenden Begriff, der uns nicht unbeeindruckt lassen kann. Sie nennt Jesus „philanthropos“, daß heißt „erfüllt von Liebe zum Menschen“. Oh, wenn die Menschen doch imstande wären, diese „philanthropia“, diese Liebe zum Menschen, zu begreifen, und sich voller Vertrauen ihm zuwendeten, indem sie ihr Herz öffneten, um seine Worte zu hören! Die Weltgeschichte würde bessere Wege einschlagen als jene, die sie zur Zeit durchläuft, und in vielen Herzen würde wieder die Hoffnung erblühen. Die im Evangelium berichtete Episode besitzt darüber hinaus exemplarischen Wert, da sie die universale Dimension des Heils verkündet. Im Licht der Grundlehre, die sie uns bietet, möchte ich das wiederholen, was ich in der Bulle Aperite portas redemptori gesagt habe, um eines der wesentlichen Ziele der Ausrufung des Jubiläumsjahres aufzuzeigen: „ . . . damit das Geschehen der Erlösung allen Völkern verkündet werden kann und in jeder Nation jene, die an Christus, den Erlöser, glauben, ihren Glauben frei bekennen können“ (Nr. 11A). Möge die Abhaltung des Jubiläumsjahres bei allen, die in der freien Bekundung ihres Glaubens behindert werden, innere Beständigkeit inmitten der Schwierigkeiten erwirken, hochherzige Liebe gegenüber den Unterdrückern, unerschütterliches Vertrauen in den endgültigen Sieg Christi. 4. Und wenn wir nun die Feier des Gottesdienstes fortsetzen, wollen wir, der Einladung des cherubinischen Hymnus folgend, „alle weltliche Sorge ablegen, damit wir den König des Universums aufnehmen können, dem unsichtbare Engelscharen das Geleit geben“. Und bei derselben Liturgie singen wir den Hymnus „Würdig ist es, dich zu loben“, zur Theotokos, der ewigen Jungfrau und Gottesmutter, der „größere Verehrung gebührt als den Cherubinen und die unvergleichlich glorreicher ist als die Seraphimen“. 940 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zu ihr sprechen wir voll kindlicher Begeisterung: „Beschützerin der Christen, immer erhört, unentwegte Fürsprecherin beim Schöpfer, weise nicht die flehentlich bittende Stimme armer Sünder zurück, sondern komm uns zu Hilfe, die du gut bist. Eile, für uns einzutreten, bitte innig für uns, o Muttergottes, die du jene behütest, die dich verehren:“ Während wir uns in der Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft des Heiligen Geistes gegenseitig Christus, unserem Gott, empfehlen, bekennen wir: „Da du der gütige Gott und voller Liebe zum Menschen bist, loben und preisen wir dich, Vater, Sohn und Heiliger Geist, jetzt und immer und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Weisheit und Schönheit in der Welt verbreiten Ansprache bei der Einweihung des Erweiterungsbaus der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek am 7. Februar Meine Herren Kardinäle! Liebe Brüder im Bischofs- und im Priesteramt! Sehr geehrte Herren! 1. Ich freue mich wirklich, heute die offizielle Einweihung der neuen Räume der Apostolischen Bibliothek vorzunehmen, die der Hl. Stuhl schon seit alter Zeit eingerichtet und im Laufe der Jahrhunderte reich ausgestattet hat, damit sie für Menschen von hoher Kultur ein privilegierter Beziehungspunkt und ein auserwähltes Heiligtum des Wissens und der Weisheit wäre. Von Herzen begrüße ich alle, die Sie sich zu dieser bedeutsamen Begegnung eingefunden haben. Einen besonderen, dankbaren Gruß richte ich dabei an die hohen Vertreter des Hl. Kollegiums der Kardinäle, der Kongregationen, der Ämter, Gerichtshöfe und Kommissionen der Römischen Kurie. Ebenso herzlich begrüße ich die Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz und das gesamte Personal, das seine Tätigkeit dem guten Funktionieren dieser Bibliothek widmet. Ich begrüße auch die Leiter des Governato-rats der Vatikanstadt und der Vermögensverwaltung des Apostolischen Stuhles, zusammen mit den Vertretern der für die Errichtung und Innenausstattung der neuen Räumlichkeiten verantwortlichen Unternehmen und den Leitern des Verlagshauses Belser. Mein ganz besonderer Gruß 941 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gilt aber Msgr. Alfons Stickler, Pro-Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche, dem ich auch für die freundlichen Worte zur Eröffnung dieser Zeremonie herzlich danke. 2. Bei meinem apostolischen Wirken und vor allem in meinen Begegnungen mit den einzelnen Dikasterien der Römischen Kurie und den anderen Ämtern des Hl. Stuhles verweilten meine Gedanken wiederholt bei der Tätigkeit, den Problemen und dem Sendungsauftrag dieser Apostolischen Bibliothek. Unvergeßlich ist mir natürlich die Heilig-Jahr-Messe, die das Personal dieser Bibliothek am Fest Christi Himmelfahrt im Mai 1983 mit mir zusammen in der Petersbasilika feierte. Und in lebendiger Erinnerung habe ich auch noch die Bischofsweihe, die ich erst kürzlich Msgr. Alfons Stickler erteilte. Der Sendungsauftrag der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek ist heute aktueller denn je; denn wenn auf der einen Seite die tägliche Arbeit der Bibliothek und ihres leitenden, wissenschaftlichen und ausführenden Personals die Förderung von Kenntnis und Wissen und die Wahrung des kulturellen Erbes in seiner weitesten Bedeutung zum Ziel hat - wie die alten und berühmten Bauten beweisen, die die Päpste errichten ließen: von Sixtus IV. zu Sixtus V., von Leo XIII. bis zu jenem Bau, der heute eingeweiht wird und die Vatikanische Bibliothek mit den modernsten kulturellen Diensten in der heutigen Welt Schritt halten läßt -, so gehört es andererseits gerade zu den aktuellen Erfordernissen der menschlichen Kultur, über die sinnlichen und empirischen Erkenntnisse hinaus die rationale und metaphysische Erkenntnis sowie die der Religion und des Geistes, also den Glauben zu fördern. 3. Die Vatikanische Apostolische Bibliothek ist berufen, der Wahrheit und Kultur einen Dienst zu leisten. Zuerst und vor allem der Wahrheit, indem sie allen Gelehrten und Studierenden den Zutritt gestattet, im besonderen jenen, die von den Universitäten, Fach- und Forschungsinstituten kommen, besonders den Universitätsdozenten, ohne Unterschied von Rasse, Ideologie oder Religion, damit sie tatsächlich Pfleger einer wahren Wissenschaft im Dienst .des Menschen sind. Sodann der Kultur, weil sich nun einmal nicht leugnen läßt, daß die als humanistische Bibliothek gegründete Vatikanische Bibliothek stets die Humanwissenschaften gepflegt hat; außerdem befindet sich in ihr eines der bedeutendsten Depots der alten exakten Wissenschaften. Die 942 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Humanwissenschaften waren es, die in der Vergangenheit einen gemeinsamen kulturellen Nenner bildeten, der auch heute im Dienst an der internationalen Verständigung und Zusammenarbeit, die Verpflichtung und Bestreben aller Völker ist, wieder aktuell ist und weitergeführt wird. Die internationale Zusammenarbeit bildet die Grundlage jenes Friedens, den der hl. Augustinus und der hl. Thomas von Aquin - dessen eindrucksvolles Standbild diesen Lesesaal beherrscht - als „tranquillitas ordinis“ („Ruhe der Ordnung“) bezeichnen. Denn es ist Aufgabe der Humanwissenschaften, die rechte Hierarchie der Werte festzulegen, indem sie die Welt des Menschen und der Natur zum Dienst am Frieden bestimmen. Und vor allem in diesem Dienst kultureller Zuammenarbeit, die dem Wohl des Menschen, der geistigen Verständigung, dem Frieden und der Suche nach dem Glauben gilt, soll sich die Tätigkeit der Apostolischen Bibliothek auszeichnen. 4. Ein weiteres charakteristisches Merkmal der Vatikanischen Bibliothek besteht darin, daß sie Verwahrerin und wachsame Hüterin von Schätzen und Kunstwerten aller Art ist: von dem ehrwürdigen Codex Vaticanus B’ bis zum Bodmer-Papyrus, der die Briefe des hl. Petrus enthält, von den prachtvollen byzantinischen Exemplaren bis zu den mittelalterlichen Codices, von den herrlichen Handschriften der Renaissance bis zu den zahlreichen kostbaren Kunstgegenständen, die die Päpste unaufhörlich ihrer Obhut anvertraut haben mit dem Auftrag, sie erforschen zu lassen und bekanntzumachen. Denn jeder weiß, wie sehr die Schönheit uns Gott näherbringen und daher der religiösen Sendung der Kirche dienen kann, die seit jeher die Kunst dadurch fördert, daß sie sie zum Dienst an Liturgie und Gebet in den Kirchen oder in den Tempeln der Kultur verwendet. Es freut mich daher, daß den Hof der Vatikanischen Bibliothek ein neues Kunstwerk schmückt: eine Darstellung des hl. Josef, „Custos ac Provisor Bibliothecae Apostolicae Vaticanae“ (Hüter und Sachwalter der Apostolischen Vatikanischen Bibliothek). 5. Es liegt auf der Hand, daß die Vatikanische Bibliothek diese ihre Mission, die gewissermaßen „evangelisierenden“ Charakter hat, wegen des Umfangs und der Verbreitung der Kultur und wegen der Neuartigkeit und Fülle der heute zur Verfügung stehenden Mittel nicht allein bewältigen kann. Um ihrer Aufgabe nachzukommen, hat sie zur Zusammenarbeit mit anderen kulturellen Einrichtungen gefunden, die über neue Techniken verfügen. Diese Einrichtungen, unter denen das Verlagshaus 943 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Belser sich besonders auszeichnet, verdienen Lob und Anerkennung für die von ihnen bewiesene Empfänglichkeit gegenüber den Wünschen der Apostolischen Bibliothek, jene Schätze an Weisheit und Schönheit in der Welt zu verbreiten und bekanntzumachen, die für die Geister, die ehrlich auf der Suche sind, wahre „praeambula fidei“ (Vorhöfe des Glaubens) sind. Ein großes Werk ist mit der Reproduktion und Verbreitung von Faksimile-Ausgaben geleistet worden, die mit echtem wissenschaftlichem Engagement und technischem Einsatz hergestellt wurden als Zeugnis für jene Achtung und jene Liebe, die die Kirche stets für die Wahrheit in all ihren Ausdrucksformen gehegt hat. Ganz besonders hervorgehoben werden muß darüber hinaus die Zusammenarbeit, um die die Vatikanische Bibliothek die Deutsche Bischofskonferenz ersucht hat, die durch ihren bekannten Geist kollegialer Mitverantwortung die kulturelle Sendung der Apostolischen Bibliothek unterstützt und sich dadurch ein verdientes kulturelles Ansehen erworben hat. Im Namen des Hl. Stuhles soll darum an die Deutsche Bischofskonferenz, die sich durch Hochherzigkeit und Verständnis ausgezeichnet hat, ein Wort herzlichen Dankes ergehen für diese nützliche Beteiligung. Diese Zusammenarbeit bei der Bewahrung der Quellen der Kultur und bei der Verbreitung der Wahrheit in der ganzen Welt macht die Vatikanische Apostolische Bibliothek zu einem echten Werkzeug des Hl. Stuhls in seiner universalen Sendung der Wahrheit, der Verständigung und des Friedens. Auf alle, die sich dieser wahrhaft verdienstvollen Arbeit widmen, und auf alle und jeden einzelnen Mitarbeiter der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek sowie auf ihre Familien rufe ich die Gnadengaben des Herrn herab und erteile allen als Unterpfand meines besonderen Wohlwollens den Apostolischen Segen. 944 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Hoffnung sind wir gerettet Ansprache an die Teilnehmer am Internationalen Kongreß über „Die Weisheit des Kreuzes heute“ am 9. Februar Liebe Brüder! 1. Während ich euch herzlich willkommen heiße und begrüße, möchte ich meiner Anerkennung und Wertschätzung für die Arbeiten eures internationalen Kongresses Ausdruck geben und den Passionistenpatres dafür danken, daß sie gerade im Jubiläumsjahr der Erlösung diese wichtige Initiative gefördert haben. Ich freue mich sehr über das gewählte Thema: „Die Weisheit des Kreuzes heute“, wobei ihr euch an die in der Apostelgeschichte überlieferten Worte des hl. Petrus anschließt: „Und in keinem anderen ist das Heil zu finden“ (Apg 4,12). Mit diesen Worten sprach Petrus vor dem Hohen Rat das aus, was die Kirche heute, am Ende des zweiten Jahrtausends der Erlösung, für die Gesellschaft unserer Zeit wiederholt, womit sie ihre hohe Verpflichtung als belebende Kraft der Welt (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 5; vgl. auch Ep. ad Diognetum 6,1 P.G. 2, 1173) und „Zeichen des Heils“ (Gaudium et spes, Nr. 43; vgl. Lumen gentium, Nr. 1) erfüllt: jenes Heil, das von dem vollbracht wurde, der gekommen ist, um uns das Leben zu schenken und es uns im Übermaß zu schenken (vgl. Joh 10,10), das er aus seiner unerschöpflichen Fülle schöpft (vgl. Joh 1,16), den in ihm wurde alles erschaffen, in ihm hat alles Bestand, während er in allem den Vorrang hat, was ihn zum Mittler schlechthin macht (vgl. Kol 1,16-18; Gal 3,20), zum Verkünder des Friedens (vgl. Eph 2,17), zum einzigen König (vgl. Mt 2,2; 21,5; 27,37; Mk 15,26; Joh 18,37; 19,14.19) und Herrn (vgl. Mt 10,25; Joh 13,13; 20,28), zum Hirten (Joh 10,11.14.16) und Meister {Mt 23,8; Joh 13,14), zum Leben und zur Auferstehung {Joh 11,25). Das Heil, das er anbietet, ist also Achtung und Verteidigung, Wiedergewinnung und Steigerung aller Werte, die im Menschen jede Grenze der sichtbaren Schöpfung überschreiten und in Christus teilhaben an der unendlichen Würde, des Wortes bei der erhabenen „Rückkehr“ der ganzen Schöpfung in den „Schoß des Vaters“. 2. Das Heil im christlichen Geheimnis setzt natürlich einen Abfall - die Ursünde - voraus, der die Schwere der Schuld besaß, Schuld verstanden 945 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als Zurückweisung all dessen, was Gott dem Menschen damit geschenkt hat, daß er ihn zum Herrn der Schöpfung, zum Freund der Engel gemacht und zur ewigen Seligkeit bestimmt hat (vgl. Gal 4,7; Röm 8,17; Hebr 2,6-8). Nun hat Gottvater in Christus sich selbst hingegeben und in ihm alles erlöst: „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“ (Joh 3,17). Ich sage, die Welt, die ganze Welt, von den bescheidensten Strukturen der Materie bis zu den strahlendsten Höhen des Geistes; zwischen diesen extremen Polen öffnet sich der unermeßlich weite Einflußraum des Wortes, das erschafft und erlöst, indem es in sich jede Dichotomie überwindet, jede Entfernung aufhebt, „im Blut seines Kreuzes“ Himmel und Erde versöhnt (vgl. Kol 1,20): Die erlösende Mittlerschaft des Sohnes ist die höchste Verherrlichung und Feier des Schöpfungswerkes des Vaters. Das ist das Fundament des einzig möglichen Humanismus, weil er sowohl den Pessimismus jeglicher manichäischen Prägung, als auch den Optimismus jeder immanentistischen Konzeption zurückweist, die für die Tragödien der modernen Welt zuerst verantwortlich ist. 3. „Tatsächlich - sagt das Zweite Vatikanischen Konzil - klärt sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaftig auf . . . Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“ (Gaudium et spes, Nr. 22). Darum erreicht der Mensch sein übermenschliches Ziel nur dann, wenn er sich nach Überwindung der Grenzen jeder natürlichen Weise des Seins und Denkens, des Liebens und Schaffens in Christus verwandelt und sich um die Entfaltung seiner unerschöpflichen Entwicklungsmöglichkeiten bemüht: Wer nicht für ihn ist, ist gegen sich selbst, weil „in keinem anderen das Heil zu finden ist“ (Apg 4,12). Das bedeutet, daß nur der christliche Humanismus wahrer und vollgültiger Humanismus ist. Im Ausblick auf die Erreichung und Verwirklichung dieses übernatürlichen Humanismus muß der Christ imstande sein, auf konstruktive Weise Antwort zu geben auf die tiefgreifenden Erfordernisse der heutigen Gesellschaft und Kultur, indem er zugleich jede Lösung, die mit dem einzigen entscheidenden und endgültigen Wort - Christus - unvereinbar ist, als falsch aufzeigt. „Und das ist der Sieg, der die Welt besiegt hat: Unser Glaube“ (I Joh 5,4). Auf diesen Primat des Glaubens gründet sich die Gewähr für den echten 946 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erfolg: „Habt Mut: Ich habe die Welt besiegt!“, versichert der Meister (Joh 16,33). Denn in ihm finden wir „wirklich die ganze Fülle Gottes“ {Kol 2,9), und damit jenes Gute, das unvergleichlich mächtiger als das Böse ist, so wie das Sein das Nichts überragt: „Virtuosius est bonum in bonitate quam in maütia malum“ - Das Gute in der Gutartigkeit ist mächtiger als das Böse in der Bösartigkeit“, sagt der Aquinate {Summa contra Gentiles, III, c. 71). 4. Das schließt ein, daß der christliche Humanismus sich auf einen kritischen, nicht einen naiven Optimismus stützt; daß er der Heroen würdig ist, nicht den Mittelmäßigen angepaßt wird; daß er auf die Zukunft ausgerichtet ist, sich nicht an der Vergangenheit orientiert noch in einer unvermeidlich labilen, ja illusorischen Gegenwart, auflöst. Es ist jener Optimismus, der sich an einer realistischen und zielbestimmten Geschichtsauffassung inspiriert und nicht im Ausschauhalten nach einem unerreichbaren Ziel ins Leere läuft... Er gründet sich auf Christus, der „das Alpha und Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende“ ist {Offb 22,13), der „derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ ist {Hebr 13,8); also auf den, „der ist und der war und der kommt“ {Offb 1,8). Der Vorrang in diesem Humanismus gehört immer der Transzendenz, da allein sie dem Aufschwung des Lebens Bahn bricht durch Lenkung von Prozessen, die notwendigerweise schmerzlich sind wie jede echte Eroberung, dramatisch wie jedes Bemühen um Rückgewinnung und Versöhnung mit sich und dem Nächsten. In der Sprache der Bibel ausgedrückt, handelt es sich darum, „von neuem geboren zu werden“ (Joh 3,3), ja „auferweckt zu werden“ {Kol 1,3). Deshalb muß der Mensch zuerst sterben (vgl. Joh 12,24f.; Mt 10,39; Lk 9,25; Mk 6,35-37), bereit sein, alles und alle „zu verlassen“ (vgl. Mt 4,20; 19,27.29), sein Kreuz auf sich nehmen (vgl. Mt 10,38; Lk 9,23), das Fleisch und seine Begierden kreuzigen (vgl. Gal 5,24); den alten Menschen ablegen und den neuen anziehen, bis Christus alles in allen ist (vgl. Kol 3,9-11). Wir werden an seiner Herrlichkeit nur teilhaben können, wenn wir mit ihm gelitten haben (vgl. Röm 8,17; Phil 3,10-11; 1 Petr 4,13). Auserwählt werden nur jene sein, die „die große Bedrängnis“ durchgemacht und „ihre Gewänder im Blut des Lammes gewaschen haben“ {Offb 7,14). 5. Die Askese erweist sich daher als notwendige und grundlegende Verpflichtung zu einer auf Erlösung ausgerichteten Sühne; sie wird von einer Gerechtigkeit, die sich in Erbarmen verwandelt, gefordert (vgl. Röm 947 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5,15-20; vgl. hl. Thomas, Summa theol., III. q. 46, a 1, 3um: IV. q. 19, a. 3, c.; Sent. III, d. 18, a. 6, sol. 1, lum; IV. d. 20, a. 1 sol. 2 u. 3um; Comp, th., c. 201; De rationibus fidei, c. 5). Daher das scheinbare Paradox des „Todes“, der das „Leben“ hervorbringt, und jenes „Ärgernis des Kreuzes“ (Gal 5,11), Symbol des christlichen Verzichts, über das die Welt spottet, weil sie unfähig ist, den Menschen anzunehmen mit seiner charakteristischen Öffnung zum Unendlichen hin, die ihn das Beschränkte und Relative nicht ertragen läßt und ihn bereit macht zur Annahme des Heilsplanes. Der heutige Mensch kennt keine Erlösung oder schließt sie aus, weil er das Bewußtsein von der Sünde und ihren Folgen verloren hat und - in seiner Abwendung von der Transzendenz - jede hypothetische Erhöhung ablehnt, die die Wiederherstellung seiner Natur voraussetzen und die Überwindung seiner Grenzen fordern würde, was allerdings nur durch jenen Tod möglich ist, der ihn in Christus verwandeln will, um ihn zu einer „neuen Schöpfung“ zu machen (2 Kor 5,11 \ vgl. Eph 4,24). Eine bestimmte anthropozentrische Auffassung birgt leider die Gefahr in sich, das Kreuz Christi seiner Kraft zu berauben (vgl. 1 Kor 1,17). Man maßt sich an, es zu ersetzen oder auszulöschen in der stolzen Meinung, dadurch das Christentum glaubwürdiger zu machen; dieses bezieht jedoch gerade aus dem Kreuz die Kraft, die es über alle Kulturschöpfungen erhebt und dadurch den gesamten Geschichtsablauf beherrscht. Das Kreuz ist das Wunderzeichen einer „Torheit Gottes, die weiser ist als die Menschen“, und einer Schwachheit Gottes, die stärker ist als alle ihre Machtträume (vgl. 1 Kor 1,18 f.). Die „Feinde des Kreuzes Christi“ (Phil 3,18) wollen nichts davon wissen, daß durch das Kreuz Jesus „für uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, Heiligung und Erlösung“ geworden ist {1 Kor 1,3). 6. Angesichts solcher und ähnlicher Feststellungen kann man eine Bestürzung empfinden, die die Seele erfaßt und Angst zu werden droht; im Glaubenden jedoch muß diese Bestürzung in den vertrauensvollen Ruf münden, den die Jünger während des Sturmes an den Meister richteten: „Herr, rette uns, wir gehen zugrunde!“ {Mt 8,25), und in den betrübten Einwand des Petrus: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68), jenes ewigen Lebens, das Licht und Kraft einer Wahrheit ist, die die Finsternis niemals wird überwältigen können (vgl. Joh 1,4-5), weil sie absolut und befreiend ist (vgl. Joh 8,32). Eine Wahrheit, die zum lebendigen Zeugnis geworden ist (vgl. Joh 3,21; 1 Joh 1,6), die auch den Tod herauszufordern vermag, wie es die Kirche stets in 948 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen ihren Märtyrern getan hat, die glücklich waren, in ihren Leiden das, was an den Leiden Christi noch fehlt, zu ergänzen (vgl. Kol 1,24). Es gibt keinen anderen Weg, der uns zur „Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21) führen könnte, ein Weg, der uns auferlegt, alles Gute hervorzuheben, auf jede Stimme zu hören, alle Kräfte zusammenzunehmen und so die Geschichte im Ausblick auf jene Hoffnung zu lenken, die im Himmel für uns bereitsteht (vgl. Kol 1,5). Denn in der Hoffnung sind wir gerettet (vgl. Röm 8,24): in jener Hoffnung, die „nicht zugrunde gehen läßt; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ (Röm 5,5) und der dadurch, daß er uns von der Sklaverei des Fleisches und des Gesetzes befreit (vgl. Gal 5,16-25), unsere Annahme als Söhne des Sohnes bestätigt (vgl. Röm 8,15), durch den wir alles schätzen und genießen können, „was immer wahrhaft, edel, recht, was lauter, liebenswert, ansprechend ist, was Tugend heißt und lobenswert ist“ (Phil 4,8). „Erhebt den Menschen - sagte mein Vorgänger Paul VI. -, dann werdet ihr es noch deutlicher sehen: seine Mangelhaftigkeit, die in ihm verborgene Notwendigkeit, gerettet zu werden. Sagen wir es gleich und mit einem Wort: sein unumgängliches Bedürfnis nach einem Erlöser. . . eines Menschen, um dem Menschen verbunden zu sein; aber zugleich eines Gottes, der ihn zum Gipfel seiner ursprünglichen, ihm aber immer eigenen Bestimmung, zu göttlicher Höhe emporführt“ (Paul VI., Weihnachtsbotschaft 1973, in: O.R. dt. Nr. 1/1974). Es ist mein herzlicher Wunsch, daß die Arbeiten eures Kongresses eine Bereicherung für euren Geist darstellen mögen, damit er euch zu noch wirksameren und überzeugteren Verkündern des Erlösers macht. Unter dem Schutz der seligen Gottesmutter Maria und mit meinem herzlichen Segen. 949 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Finnland hat versucht, seine Eigenständigkeit zu bewahren Ansprache bei der Überreichung des Beglaubigungsschreibens des neuen Botschafters Finnlands beim Hl. Stuhl, Kaarlo Juhana Yrjö-Koskinen, am 9. Februar Herr Botschafter! Ich heiße Sie in diesem Haus willkommen, wo schon zahlreiche finnische Diplomaten Ihr Land als außerordentliche und bevollmächtigte Botschafter beim Hl. Stuhl vertreten haben. Die Empfindungen, die Eure Exzellenz soeben bei Antritt Ihres hohen Amtes zum Ausdruck gebracht haben, ergreifen und freuen mich und erlauben, Ihre Mission als fruchtbar für Finnland, den Hl. Stuhl und die Stärkung des Friedens in der Welt zu sehen. Außer an Sie persönlich denke ich an Seine Exzellenz den Präsidenten Mauno Koivisto, der Sie entsendet und dem ich für seine freundlichen Wünsche danke, wie auch an die Regierung und an das ganze liebe finnische Volk. Sie haben auf die Verbesserung der internationalen Beziehungen gedrungen, und das ist - wie Sie betont haben - gerade ein Bereich, der den Hl. Stuhl ebenso lebhaft interessiert wie Finnland selbst. Niemand vergißt die tausendjährige Geschichte Ihres Landes, das Zeiten des Ruhmes, der Prüfung, der Demütigung, des mutigen Neubeginns erlebt hat und seine Eigenständigkeit, seine Kultur, seine Unabhängigkeit zu bewahren suchte. Die Geschichte meines Vaterlandes hilft mir, seinen Einsatz zu würdigen! Die geographische und strategische Lage Finnlands fordert das Land noch immer und mehr denn je auf, ein tragfähiges Gleichgewichtzu suchen, während es wachsam bleibt und an Stabilität und Frieden festhält. Man versteht, welche Bedeutung Sie der Sicherheit, der Neutralität, der Beseitigung von Kriegsdrohungen jeder Art und besonders der Begrenzung und dem Abbau der Kernwaffen beimessen - deren Gefahr für das Leben auf dem ganzen Planeten die kürzlichen Arbeiten der Mitglieder der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften aufgezeigt haben. Deshalb treten Sie für den Weg der Verhandlungen, der loyalen Aussprache, der Verständigung und der Toleranz ein, damit sich die Spannungen nicht verhärten, die Krisen entschärfen und nicht in bewaffnete Auseinandersetzungen oder Gewaltschläge ausarten, die eine der beiden Seiten in ihren Rechten verletzt und einer stummen Revolte überläßt. Aber 950 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zugleich wissen Sie, daß es nicht darum gehen kann, auf die realistischen Voraussetzungen des Friedens und die Forderungen zu verzichten, die die Ehre und das Glück eines souveränen Volkes ausmachen: seine kulturelle Eigenart, seine gesellschaftlichen Vorstellungen, seine moralischen und reügiösen Überzeugungen, seine Freiheit, die Grundrechte seiner Mitglieder. Das alles versteht der Hl. Stuhl und ist bemüht, es durch die besondere Mission, die ihm in der Weltgemeinschaft und besonders in Europa zukommt, zu fördern. Ihnen kommt es zu, gerade in schwierigen Situationen seinen Beitrag zu leisten, um den Krieg zu vermeiden, zur Wiederaufnahme von Verhandlungen zu ermutigen und auf gerechte Lösungen hinzuweisen. Allgemeiner gesprochen, die moralische und geistliche Autorität des Hl. Stuhls - auf die sich Eure Exzellenz berufen hat -interessiert sich nicht so sehr für die technischen Aspekte der Verhandlungen als vielmehr für den Geist, der sie inspirieren und ihnen ermöglichen muß, Ergebnisse zu zeitigen. Was der Apostolische Stuhl zu fördern versucht, ist eine Atmosphäre des Vertrauens, um ohne leidenschaftliche Verhärtungen oder sogar Verhandlungsabbrüche eine aufrichtige, ruhige Suche nach Lösungen zu beginnen mit Blick auf die wahren Probleme, ohne den Geist von Vorurteilen und Ideologien blenden und fesseln zu lassen, ein Bemühen um Gerechtigkeit für alle, einschließlich der kleinen Länder und Minderheiten, die Beachtung der Freiheiten und Rechte; kurz, es geht darum, sich für das Wesentliche einzusetzen, für das, was wichtig ist für die friedliche Zukunft der oft vergessenen Bevölkerungsgruppen und ihren echten Fortschritt. Ich sehe mich oft dazu veranlaßt, über das Ost-West-Gefälle zu sprechen, aber auch über die enormen Bedürfnisse des Südens; genau das hat den Hl. Stuhl gedrängt, sich dermaßen für den Fortgang der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa zu interessieren, deren Schlußakte ja den Namen Helsinki trägt: Wir möchten, daß die in diesem Dokument enthaltenen Werte zunehmend und konkret die Entfaltung finden, die sie verdienen, insbesondere was die Menschenrechte und die Zusammenarbeit unter den Völkern betrifft. Herr Botschafter, wir haben vor allem von den internationalen Beziehungen gesprochen, die im übrigen für die Sicherheit und den Frieden Finnlands von lebenswichtiger Bedeutung sind. Aber der Hl. Stuhl vergißt nicht, was Ihr Vaterland im besonderen betrifft: sein Glück, seine wirtschaftliche Lebenskraft in einem strengen Klima, wie es das seinige ist, die Bewahrung und Entfaltung seines kulturellen und künstlerischen Erbes, das Festhalten seiner Kinder an den sittlichen und geistlichen Werten, 951 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN denn ein Land hat seinen Wert zuerst durch seine Seele und den hohen Sinn, den es dem Leben in Beziehung zum Schöpfer und Erlösergott gibt. Ich bin übrigens sicher, daß die kleine katholische Gemeinde, in Gemeinschaft mit den lutherischen und orthodoxen Gläubigen und allen Staatsbürgern, dazu hochherzig beiträgt. Meine herzlichen Wünsche gehen darum an die ganze Nation und vor allem an den Mann, der zur Zeit die Geschicke des Landes lenkt, Herrn Dr. Mauno Koivisto, der Ihnen dieses Beglaubigungsschreiben zugestellt hat, damit Sie es dem Hl. Stuhl überreichen und auf diese Weise die Bande der Freundschaft und Zusammenarbeit erneut stärken. Meine besonderen Wünsche für Sie sind, daß aufgrund der Aufnahme, die Sie hier finden werden, aufgrund der Botschaft, die Sie hören, und des Zeugnisses, das Sie selbst erbringen, Ihre Mission glücklich und fruchtbar sei. Der Herr segne Sie und alle Ihre Lieben! „Betet und leidet für die Kirche!“ Predigt bei der Messe für die Kranken in St. Peter am 11. Februar Meine lieben Kranken, liebe Begleitpersonen! 1. Mit großer Freude treffe ich euch erneut hier im Petersdom, an dem gesegneten Tage, an dem wir die heilige Messe zu Ehren Unserer Lieben Frau von Lourdes feiern. Ich kann euch so meinen Dank für die kostbare und unersetzliche Gabe eures Leidens ausdrücken, das das Erlösungswerk des gekreuzigten Christus in der Zeit fortsetzt, und auch dafür danken, daß ihr wieder hierhergekommen seid, um mit mir zu beten. So kann ich euch auch meine Bewunderung für euren Glauben, eure Geduld und Ergebenheit in Gottes Willen aussprechen. Ich heiße jeden von euch, liebe Kranke, wie auch eure Pfleger, die Organisatoren der Opera Romana Pellegrinaggi, die Direktoren von UNITALSI und den anderen Organisationen herzlich willkommen. In diesem Heiligen Jahr der Erlösung gilt mein herzlicher Gruß allen Kranken der Welt, all jenen, die an Leib oder Seele Wunden tragen, die von Schmerzen, Angst oder Einsamkeit herrühren. Die ganze Welt ist schmerzdurchtränkt, auf der ganzen Erde sind die Wirkungen der Schmerzen zu spüren, in jedem Land, in jeder Stadt, in jedem Haus sieht 952 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN man Tränen des Leidens, aber überall ist auch die Liebe Gottes und die von Christus vollbrachte Erlösung zu sehen, und das bedeutet Grund zu Mut, Vertrauen und Hoffnung! Wir wissen, daß das Leiden im Licht der Offenbarung und der Erlösung eine wertvolle und positive Bedeutung hat, denn es gehört zum universalen Plan der Vorsehung, zum Heilsplan der Liebe. Vernunft allein muß diesem Geheimnis zweifellos sprachlos gegenüberstehen, aber der Christ, der vom Glauben an den gekreuzigten und auferstandenen Christus erleuchtet ist, nimmt es an und liebt es, weil er weiß, daß die unendliche Liebe ihn nicht verrät. Er erwartet deshalb mit Vertrauen die volle Glückseligkeit jenseits der Grenzen der Zeit. Von dieser Wahrheit durchdrungen, rief der hl. Paulus: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden, nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat“ (Gal 20). Und er fügt hinzu: „Ich habe großes Vertrauen. Trotz all unserer Not ströme ich über von Freude!“ (2 Kor 7,4). 2. Während wir heute den Gedenktag der seligsten Jungfrau feiern, die am 11. Februar 1858 zum erstenmal in Lourdes erschien, gehen meine Gedanken mit großer Bewegung und Sehnsucht zurück zur Pilgerfahrt im letzten Sommer, am Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel, zur Grotte in Massabielle. Dieser kurze, aber intensive Aufenthalt in dem berühmten Marienwallfahrtsort war wirklich unvergeßlich, und wenn ich hier euch, liebe Kranke, und eure Begleitpersonen und Helfer anschaue, sehe ich wieder die betenden Menschenmengen auf der Esplanade bei der Grotte, auf den Straßen und an der Gave, in den Basiliken und um den Altar bei der Festmesse; ich sehe wieder Abertausende brennender Kerzen bei der abendlichen Lichterprozession und höre die innigen und eindrucksvollen Lieder der Sakramentsprozession; vor allem aber sehe ich vor meinen Augen die Kranken, leidende und hoffende Menschen, in Rollstühlen oder auf Krankenbahren . . . Es war ein kurzer, aber kostbarer Besuch, denn - wie ich bei meiner Ankunft in Tarbes sagte, „in Lourdes wird der Sinn erhellt oder wiedererhellt und findet seine ursprüngliche Ausrichtung wieder (vgl. O. R. vom 17. 8. 1983). Und dies war die Botschaft, die ich damals hinterließ und die ich heute erneuern möchte: „. . . den eindringlichen Aufruf an die Christen und an alle Menschen, zu dem rechtgeformten Sinn zurückzukehren, der das Gute vom Bösen unterscheidet; dem Sinn, der die Gerechtigkeit, die Liebe und die Wahrheit sucht; einem Sinn, der Achtung hat vor dem 953 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geheimnis Gottes, der allein den moralischen Anforderungen und der Existenz selbst vollen Inhalt geben kann; einem offenen Sinn für die Botschaft des Evangeliums, die durch die Kirche von Generation zu Generation weitergegeben wird“ (ebd.). In Lourdes fragte ich mich in meiner ersten Ansprache in der Grotte, warum die selige Jungfrau die Gestalt und den Namen der Unbefleckten angenommen habe und in diesem so einfachen und armen Ort erschienen sei und antwortete dann, daß hier ganz klar alles auf eine dringliche Aufforderung zur Umkehr hindeutete. „Sagen wir es frei heraus: Unsere Welt bedarf der Bekehrung . . . Heute ist sogar der Sinn für die Sünde teilweise abhanden gekommen, weil man den Sinn für Gott verliert. Man dachte, einen Humanismus ohne Gott aufzubauen, und der Glaube ist ständig der Gefahr ausgesetzt, für eine Absonderlichkeit einiger weniger gehalten zu werden, ohne für das Heil aller eine notwendige Rolle zu spielen. Die Gewissen haben sich verdunkelt, wie nach der ersten Sünde, und unterscheiden nicht mehr, was die Sünde ist, oder wagen es nicht mehr zu wissen, so als ob ein solches Wissen ihre Freiheit beeinträchtigen würde ... Es ist schwierig, diese Welt vom Elend ihrer Sünde zu überzeugen und vom Heil, das Gott ihr unaufhörlich in der durch die Erlösung erworbenen Versöhnung anbietet“ (Ansprache an die Pilger bei der Grotte von Lourdes vom 14. 8. 1983; in O.R. dt. Nr. 34 vom 26. 8. 1983). Ja, die Unbefleckte Jungfrau erschien, um alle Menschen zu diesem inneren Bedürfnis der Umkehr und Versöhnung aufzurufen. Und wir wissen, daß der gekreuzigte Jesus, der die Menschen gerade durch sein Leiden vom Bösen erlöst hat, die Gewissen erleuchtet und reinigt und unseren Schmerzen ihren eigentlichen Sinn gegeben hat. 3. Meine lieben Kranken! Schenkt dem Herrn liebevoll und hochherzig eure Leiden für die Bekehrung der Welt! Der Mensch muß die Schwere der Sünde, die eine Beleidigung Gottes ist, begreifen und sich zu ihm bekehren, der ihn aus Liebe geschaffen und zur ewigen Glückseligkeit berufen hat. Deshalb wollte ich gerade heute, am 11. Februar, einen Brief über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens herausgeben. Dieser Brief ist eine Botschaft, die eng verknüpft ist mit der Einladung, die das Jubiläum der Erlösung darstellt. Darin schreibe ich: „Sie (die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens) ist in der Tat vor allem ein Ruf. Sie ist eine Berufung. Christus erklärt nicht in abstrakter Weise die Gründe des Leidens, sondern sagt vor allem: „Folge mir! Komm! Nimm mit deinem 954 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leiden Teil an dem Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird! Durch mein Kreuz! Während der Mensch sein Kreuz auf sich nimmt und sich dabei geistig mit dem Kreuz Christi vereint, enthüllt sich vor ihm mehr und mehr der heilbringende Sinn seines Leidens. Der Mensch findet diesen Sinn nicht auf seiner menschlichen Ebene, sondern auf der Ebene des Leidens Christi“ (Nr. 26). „Je mehr der Mensch von der Sünde bedroht ist, je drückender die Strukturen der Sünde sind, welche die heutige Welt in sich trägt, um so größer ist die Ausdruckskraft, die das menschliche Leiden besitzt, und um so dringender fühlt die Kirche die Notwendigkeit, um des Heils der Welt willen auf den Wert des menschlichen Leidens zurückzugreifen“ (Nr. 27). Nehmt mutig und vertrauensvoll euer Leiden auf euch für alle, die in der Welt aufgrund ihrer Religion Verfolgungen ausgesetzt sind, unter schmerzlichen politischen oder sozialen Situationen leiden oder dem Sittenverfall, dem Materialismus und dem herrschenden Hedonismus unterliegen oder ohne Glauben und Gewißheit sind und der Religion gleichgültig oder ablehnend gegenüberstehen. Ihr könnt wie Jesus am Kreuz für diese Brüder die Gnade der Erleuchtung, der Reue, der Umkehr und der Rettung erlangen. Schließlich möchte ich euch auffordern, die Kirche immer mehr und inniger zu lieben, die Kirche, die immer, aber heute besonders, geeint sein muß in der Wahrheit, in der Liebe und in der Lehre. Als ich in der Rosenkranz-Basilika zu den Dienern Gottes über die priesterlichen Pflichten und insbesondere über die Spendung des Sakraments der Versöhnung sprach, sagte ich: „Der Priester, der betrübt Zusehen muß, wie die Gläubigen den Quellen der Vergebung mehr und mehr fern bleiben, hat teil an dem Leiden Christi, an seinem Schmerz angesichts der Verhärtung der Herzen, an seiner tiefen Sorge um die Rettung der Welt“ (O. R. vom 17. 8. 1983). Auch ihr Kranken, die ihr seht, wie verwirrt und bedroht die Menschheit auf der Suche nach Gewißheit und Wahrheit ist, nehmt in besonderer Weise an dieser geheimnisvollen Passion teil: Betet und leidet also für die Kirche, die Priester, die Berufungen, die Seminare und die für die Ausbildung der Priester und Ordensleute Verantwortlichen. Die Kirche braucht Menschen, die schweigend und leidend beten und heben: und ihr, wirklich ihr, mit euren Krankheiten und Gebrechen, könnt diese Apostel sein! 955 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Meine lieben Kranken! In der Biographie der hl. Bernadette ist zu lesen, daß sie am Tag nach ihrer Erstkommunion, dem 4. Juni, Fräulein Estrade begegnete, die ihr eine heikle Frage stellte: „Was hat Dich glücklicher gemacht, die Erscheinung der seligen Jungfrau oder Deine Erstkommunion?“ Die junge Seherin antwortete, entschieden wie immer: „Das sind Dinge, die nicht zusammengehören und nicht verglichen werden können. Ich weiß aber, daß ich beide Male glücklich war.“ Die bewegende und kluge Antwort gilt auch für euch Kranke, sie gilt für alle: In der Liebe zum eucharistischen Jesus und in der Hingabe an die selige Jungfrau können wir die wahre Glückseligkeit finden. Das wünsche ich euch von Herzen! Das erbitte ich für euch in dieser Messe! 956 Apostolisches Schreiben „Salvifici doloris“ über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens 11. Februar BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder im Bischofsamt, liebe Brüder und Schwestern in Christus! I. Einleitung 1. Die heilbringende Kraft des Leidens erklärend sagt der Apostel Paulus: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ Diese Worte stehen gleichsam am Ende des langen Weges, der sich durch die Leiden hin erstreckt, die zur Geschichte des Menschen gehören und vom Wort Gottes erhellt werden. Es kommt ihnen fast die Bedeutung einer endgültigen Entdeckung zu, die von Freude begleitet ist; daher schreibt der Apostel: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage.“ <20> Die Freude kommt aus der Entdeckung des Sinnes des Leidens. Eine solche Entdeckung ist, obwohl Paulus von Tarsus, der diese Worte schreibt, ganz persönlich davon betroffen ist, zugleich auch gültig für andere. Der Apostel teilt seine eigene Entdeckung mit und freut sich, darüber wegen all jener, denen sie helfen kann - so wie sie ihm geholfen hat -, den heilbringenden Sinn des Leidens zu ergründen. <20> Das Thema des Leidens - gerade unter dem Gesichtspunkt seines heilbringenden Sinnes — scheint in einem tiefen Zusammenhang mit dem Jahr der Erlösung als einem außerordentlichen Jubiläumsjahr der Kirche zu stehen. Auch dieser Umstand spricht dafür, daß wir diesem Thema gerade während dieses Jahres unsere besondere Aufmerksamkeit zuwenden. Unabhängig davon ist dies ein universales Thema, das den Menschen jedes Breiten- und Längengrades betrifft: Es geht gleichsam mit ihm zusammen durch diese Welt und muß deshalb immer wieder neu aufgegriffen werden. 958 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich selbst hinauszugehen, und dazu auf geheimnisvolle Weise aufgerufen wird. 3. Wenn das Thema des Leidens fordert, daß wir uns ihm im Jahr der Erlösung in besonderem Maße stellen, so hat das seinen Grund vor allem darin, daß die Erlösung durch das Kreuz Christi geschehen ist, das heißt, durch sein Leiden. Zugleich, denken wir im Jahr der Erlösung an jene Wahrheit, die in der Enzyklika Redemptor hominis so ausgedrückt ist: In Christus „wird jeder Mensch zum Weg der Kirche“. <21> Man kann sagen, der Mensch wird in besonderer Weise zum Weg der Kirche, wenn in sein Leben das Leiden eintritt. Dies geschieht bekanntlich in verschiedenen Augenblicken seines Lebens; es äußert sich auf unterschiedliche Weise und in verschiedenem Ausmaß. Doch in der einen wie der anderen Form ist das Leiden anscheinend fast untrennbar mit der irdischen Existenz des Menschen verbunden. <21> Daraus ergibt sich auch die vorliegende Betrachtung, gerade im Jahr der Erlösung: die Betrachtung über das Leiden. Menschliches Leid bewirkt Mitleid, ruft auch Achtung hervor; auf seine Weise flößt es aber auch Furcht ein. Diese besondere Achtung vor jedem menschlichen Leid soll an den Beginn all dessen gestellt sein, was im folgenden aus dem tiefsten Bedürfnis des Herzens und zugleich aus einem grundlegenden Anspruch des Glaubens gesagt werden soll. Beim Thema des Leidens . scheinen sich diese beiden Motive in besonderer Weise einander zu nähern und miteinander zu verbinden: Das Bedürfnis des Herzens gebietet uns, die Furcht zu überwinden, und der Anspruch des Glaubens - wie er zum Beispiel in den am Anfang angeführten Worten des hl. Paulus ausgedrückt wird - gibt uns den Inhalt, in dessen Namen und Kraft wir wagen, an das zu rühren, was in jedem Menschen so sehr unberührbar zu sein scheint: denn der Mensch in seinem Leiden bleibt ein unberührbares Geheimnis. Wenn also der Mensch während seines irdischen Lebens in der einen oder anderen Weise auf dem Weg des Leidens geht, müßte die Kirche zu allen Zeiten — und vielleicht ganz besonders im Jahr der Erlösung — dem Menschen gerade auf diesem Weg begegnen. Die Kirche, die aus dem Geheimnis der Erlösung im Kreuz Christi geboren wird, muß die Begegnung mit dem Menschen vor allem auf dem Weg seines Leidens suchen. Bei dieser Begegnung wird der Mensch „der Weg der Kirche“; und dieser Weg gehört zu ihren bedeutendsten Wegen. 959 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II. Die Welt des menschlichen Leidens 5. Auch wenn das Leiden in seiner subjektiven Dimension, als personales Geschehen, eingeschlossen im konkreten, unwiederholbaren Inneren des Menschen, fast unberührbar und nicht übertragbar erscheint, so fordert doch gerade das Leiden - auch in seiner „objektiven Realität“ -, in einer ausdrücklichen Problemstellung behandelt, erwogen und verstanden zu werden; es verlangt darum, daß hierzu grundsätzliche Fragen gestellt und Antworten darauf gesucht werden. Wie man sieht, geht es hierbei nicht nur darum, eine Beschreibung des Leidens zu geben. Es gibt noch andere Kriterien, die über den Bereich der Beschreibung hinausgehen und die wir hinzuziehen müssen, wenn wir uns in die Welt des menschlichen Leidens vertiefen wollen. Es mag sein, daß die Medizin als Wissenschaft und zugleich als Heilkunst auf dem weiten Feld menschlicher Leiden den Bereich am besten erforscht und aufdeckt, der mit größerer Genauigkeit ermittelt und von den Methoden der „Reaktion“, das heißt der Therapie, relativ am besten beherrscht wird. Dies ist jedoch nur ein Bereich. Das Feld menschlicher Leiden ist viel weiter und mannigfaltiger, es hat mehrere Dimensionen. Der Mensch leidet auf verschiedene Weisen, die nicht immer von der Medizin, nicht einmal in ihren fortschrittlichsten Zweigen, berücksichtigt werden. Das Leiden ist etwas noch viel Umfassenderes als die Krankheit; es ist noch vielschichtiger und zugleich noch tiefer im Menschsein selbst verwurzelt. Eine gewisse Vorstellung von diesem Problem gewinnen wir aus der Unterscheidung zwischen körperlichem und moralischem Leiden. Diese Unterscheidung hat zur Grundlage die doppelte Dimension des menschlichen Seins und weist auf das körperliche und geistige Element als das unmittelbare oder direkte Subjekt des Leidens hin. Soweit man bis zu einem gewissen Grad „Leiden“ und „Schmerz“ als synonyme Worte gebrauchen kann, ist körperliches Leiden dann gegeben, wenn der Leib in irgendeiner Weise „schmerzt“, während das moralische Leiden ein „Schmerz der Seele“ ist. Es handelt sich dabei in der Tat um einen Schmerz geistiger Art und nicht bloß um die „psychische“ Dimension jenes Schmerzes, der sowohl das moralische wie das körperliche Leiden begleitet. Die Weite und Vielfalt des moralischen Leidens sind gewiß nicht geringer als beim körperlichen Leiden; wohl scheint es weniger klar bestimmt und von der Therapie weniger leicht erreichbar zu sein. 960 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Die Heilige Schrift ist ein großes Buch über das Leiden. Wir nennen aus den Büchern des Alten Testamentes nur einige Beispiele von Situationen, die vom Leiden gezeichnet sind, vor allem vom moralischen Leiden: Todesgefahr, Tod der eigenen Kinder und besonders der Tod des erstgeborenen und einzigen Sohnes, ferner Kinderlosigkeit <22>, Heimweh nach dem Vaterland, Verfolgung und Feindseligkeit der Umwelt, Spott und Hohn für den Leidenden, Einsamkeit und Verlassenheit, dann auch Gewissensbisse, die Schwierigkeit zu begreifen, warum es den Frevlern gutgeht und die Gerechten leiden, Untreue und Undankbarkeit von seiten der Freunde und Nachbarn und schließlich das Unglück des eigenen Volkes. <22> Das menschliche Leiden stellt in sich fast eine eigene „ Welt“ dar, die zusammen mit dem Menschen existiert, die in ihm aufscheint und wieder vergeht, manchmal aber auch nicht vergeht, sondern sich in ihm noch verstärkt und vertieft. Diese Welt des Leidens, die auf viele, ja unzählige Menschen verteilt ist, existiert gleichsam in der Zerstreuung. Nicht nur stellt jeder Mensch durch sein .persönliches Leiden einen kleinen Teil jener „Welt“ dar, sondern jene „Welt“ ist in ihm zugleich auch etwas Begrenztes und Einmaliges. Damit verbunden bleibt jedoch jeweils die zwischenmenschliche und soziale Dimension. Die Welt des Leidens besitzt gleichsam eine eigene Geschlossenheit. Die leidenden Menschen gleichen einander durch die Ähnlichkeit ihrer Lage und Schicksalsprüfung oder auch durch das Bedürfnis nach Ver- Das Alte Testament, das den Menschen als eine leibseelische Einheit behandelt, verbindet die „moralischen“ Leiden oft mit dem Schmerz bestimmter Teile des Organismus: der Knochen, der Nieren, der Leber, der Eingeweide, des Herzens. Offensichtlich haben die moralischen Leiden auch ihre „physische“ oder körperliche Komponente und wirken sich oft auf den Zustand des gesamten Organismus aus. 7. Wie sich aus den angeführten Beispielen ersehen läßt, finden wir in der Heiligen Schrift eine lange Reihe von Situationen, die für den Menschen auf verschiedene Weise schmerzlich sind. Diese vielfältige Aufzählung erschöpft aber nicht alles, was über dieses Thema das Buch der Geschichte des Menschen - ein Buch, das nicht in Buchstaben geschrieben ist - und noch mehr das Buch der Geschichte der Menschheit - gelesen durch die Geschichte jedes einzelnen Menschen - bereits gesagt hat und beständig wiederholt. Man kann sagen, der Mensch leidet, wann immer er irgendein Übel erfährt. Im Sprachgebrauch des Alten Testamentes stellt sich die Beziehung zwischen Leiden und Übel als Identität heraus. Jene Sprache besaß nämlich noch kein eigenes Wort, um das „Leiden“ zu bezeichnen; darum nannte sie alles, was Leiden war, ein „Übel“. Erst die; griechische Sprache und damit das Neue Testament (und die griechischen Übersetzungen des Alten) gebrauchen das „jtüoxco = ich bin betroffen von . . ., ich empfinde, ich leide“; und diesem Wort ist es zu verdanken, daß sich das Leiden nun nicht mehr direkt mit dem objektiven Übel gleichsetzen läßt, sondern eine Situation ausdrückt, in welcher der Mensch das Übel erfährt und in dieser Erfahrung zum Träger von Leiden wird.: Das Leiden hat ja zugleich aktiven und „passiven“ (von „patior“ = ich leide) Charakter. Sogar wenn der Mensch sich allein ein Leiden zufügt, wenn er also 961 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN selbst dessen Urheber ist, bleibt es in seinem metaphysischen Wesen etwas Passives. Das bedeutet jedoch nicht, daß das Leiden im psychologischen Sinne nicht von einer besonderen „Aktivität“ geprägt sei. Dies ist jene vielfältige und subjektiv verschiedene „Aktivität“ von Schmerz, Trauer, Enttäuschung, .Niedergeschlagenheit oder sogar Verzweiflung, je nach der Stärke und Tiefe des Leidens und indirekt auch nach der Gesamtverfassung der leidenden Person und ihrer besonderen Sensibilität. Im Kern dieser psychologischen Formen des Leidens steht aber immer die Erfahrung eines Übels, dessentwegen der Mensch leidet. So führt uns also die Wirklichkeit des Leidens zur Frage nach dem Wesen des Übels: Was ist Übel? Diese Frage ist in gewissem Sinn mit dem Thema des Leidens untrennbar verbunden. Die christliche Antwort darauf unterscheidet sich von jener, die von einigen kulturellen und religiösen Traditionen gegeben wird, die die Existenz als solche für ein Übel halten, von dem man sich befreien müsse. Das Christentum verkündet die wesentliche Gutheit der Existenz und von allem, was existiert; es bekennt die Güte des Schöpfers und verkündet die Gutheit der Geschöpfe. Der Mensch leidet wegen des Übels, das eine gewisse Abwesenheit, Begrenzung oder Entstellung des Guten darstellt. Man könnte sagen, der Mensch leidet wegen eines Gutes, an dem er keinen Anteil hat, von dem er gewissermaßen ausgeschlossen ist oder dessen er sich selbst beraubt hat. Vor allem leidet er dann, wenn er normalerweise an diesem Gut Anteil haben „müßte“ und ihn doch nicht hat. Im christlichen Denken wird also die Wirklichkeit des Leidens durch das Übel erklärt, das in irgendeiner Weise immer auf ein Gut bezogen ist. <23> <23> Das menschliche Leiden stellt in sich fast eine eigene „ Welt“ dar, die zusammen mit dem Menschen existiert, die in ihm aufscheint und wieder vergeht, manchmal aber auch nicht vergeht, sondern sich in ihm noch verstärkt und vertieft. Diese Welt des Leidens, die auf viele, ja unzählige Menschen verteilt ist, existiert gleichsam in der Zerstreuung. Nicht nur stellt jeder Mensch durch sein .persönliches Leiden einen kleinen Teil jener „Welt“ dar, sondern jene „Welt“ ist in ihm zugleich auch etwas Begrenztes und Einmaliges. Damit verbunden bleibt jedoch jeweils die zwischenmenschliche und soziale Dimension. Die Welt des Leidens besitzt gleichsam eine eigene Geschlossenheit. Die leidenden Menschen gleichen einander durch die Ähnlichkeit ihrer Lage und Schicksalsprüfung oder auch durch das Bedürfnis nach Ver- 962 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ständnis und Aufmerksamkeit und vielleicht vor allem durch die fortdauernde Frage nach dem Sinn des Leidens. Obwohl also die Welt des Leidens in der Zerstreuung existiert, enthält sie in sich zugleich eine einzigartige Herausforderung zu Gemeinschaft und Solidarität. Wir wollen versuchen, auch auf diese Herausforderung in der vorhegenden Betrachtung einzugehen. Beim Gedanken an die Welt des Leidens in ihrer personalen und zugleich gemeinschaftlichen Bedeutung kann man schließlich auch die Tatsache nicht übersehen, daß sich eine solche Welt zu gewissen Zeiten und in einigen Bereichen der menschlichen Existenz sozusagen in besonderer Weise verdichtet. Das geschieht zum Beispiel im Fall von Naturkatastrophen und Seuchen, von großen und überraschenden Unglücken, von verschiedenen sozialen Geißeln: Man denke zum Beispiel an eine schlechte Ernte, und - damit oder mit verschiedenen anderen Ursachen verbunden — an die Geißel des Hungers. Man denke schließlich an den Krieg. Von ihm spreche ich in einer ganz besonderen Weise. Ich spreche von den beiden letzten Weltkriegen, von denen der zweite eine weit größere Ernte an Toten und eine schwerere Last an menschlichen Leiden als der erste mit sich gebracht hat. Die zweite Hälfte unseres Jahrhunderts trägt ihrerseits - in einem Maße gleichsam, das den Irrtümern und Fehltritten unserer heutigen. Zivilisation entspricht - eine solch fürchterliche Bedrohung durch einen Atomkrieg in sich, daß wir daran nur in Begriffen einer unvergleichlichen Anhäufung von Leiden denken können, bis hin zur möglichen Selbstzerstörung der Menschheit. Auf diese Weise scheint sich jene Welt des Leidens, die ihr Subjekt letztlich in jedem Menschen hat, in unserer Epoche - vielleicht mehr als zu jeder anderen Zeit - in ein besonderes „Leiden der Welt“ zu verwandeln: einer Welt, die noch nie so vom Fortschritt durch das Wirken des Menschen verwandelt worden ist und zugleich sich noch nie so durch die Irrtümer und die Schuld des Menschen in Gefahr befunden hat. III. Auf der Suche nach dem Sinn des Leidens 9. In jedem einzelnen Leiden, das der Mensch erfährt, und zugleich an der Wurzel der gesamten Welt der Leiden taucht unvermeidlich die Frage auf: Warum? Es ist eine Frage nach der Ursache und dem Grund, eine Frage nach dem Zweck (wozu?) und letztlich immer eine Frage nach dem Sinn. Sie begleitet nicht nur das menschliche Leiden, sondern scheint 963 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geradezu seinen menschlichen Inhalt zu bestimmen, das nämlich, wodurch das Leiden zum menschlichen Leiden wird. Natürlich ist der Schmerz, besonders der körperliche, auch in der Tierwelt weit verbreitet. Doch nur der Mensch weiß im Leiden, daß er leidet und fragt sich: „warum?“; und er leidet auf eine für ihn als Menschen noch tiefere Weise, wenn er darauf keine befriedigende Antwort findet. Das ist eine schwierige Frage, genauso wie eine andere, die dieser sehr verwandt ist, nämlich jene nach dem Übel. Warum gibt es das Übel in der Welt? Wenn wir die Frage so stellen, stellen wir immer, zumindest in gewissem Maße, auch die Frage nach dem Leiden. Die eine wie die andere Frage ist schwierig, wenn der Mensch sie dem Menschen stellt, die Menschen sie an die Menschen richten und auch, wenn der Mensch sie Gott stellt. Der Mensch richtet diese Frage ja nicht an die Welt, obwohl das Leiden ihm oftmals von ihr her zustößt, sondern er richtet sie an Gott als den Schöpfer und Herrn der Welt. Es ist sehr wohl bekannt, wie es im Bereich dieser Frage nicht nur zu vielfältigen Spannungen und Konflikten in den Beziehungen des Menschen zu Gott kommt, sondern daß man mitunter sogar zur Leugnung Gottes gelangt. Wenn die Existenz der Welt gleichsam den Blick der menschlichen Seele für die Existenz Gottes öffnet, für seine Weisheit, Macht und Herrlichkeit, so scheinen Übel und Leiden dieses Bild zu verdunkeln, zuweilen in radikaler Weise, und dies vor allem im täglichen Drama so vieler schuldloser Leiden und so vieler Schuld, die keine angemessene Strafe findet. Dieser Umstand - vielleicht mehr als jeder andere - zeigt darum, wie wichtig die Frage nach dem Sinn des Leidens ist und mit welcher Gründlichkeit die Frage selbst sowie jede mögliche Antwort darauf behandelt werden müssen. 10. Der Mensch darf diese Frage an Gott richten mit aller Leidenschaft seines Herzens und aller Betroffenheit seines beunruhigten Verstandes; Gott erwartet diese Frage und hört sie an, wie wir in der Offenbarung des Alten Testamentes sehen können. Im Buch Ijob hat die Frage ihren lebendigsten Ausdruck gefunden. Die Geschichte dieses gerechten, Menschen ist bekannt: Ohne eigene Schuld wird er von unzähligen Leiden heimgesucht. Er verliert sein Hab und Gut, seine Söhne und Töchter, und zuletzt befällt ihn selbst eine schwere Krankheit. In dieser furchtbaren Lage erscheinen in seinem Hause die drei alten Freunde, die ihn - ein jeder mit anderen Worten -davon zu überzeugen suchen, daß er irgendeine schwere Schuld begangen haben muß, da er von so vielfältigem und schrecklichem Leiden heimge- 964 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sucht worden ist. Das Leiden, so sagen sie, befalle den Menschen ja immer als Strafe für ein Vergehen; es werde von Gott, dem absolut gerechten, geschickt und finde seine Begründung in der Ordnung der Gerechtigkeit. Man möchte sagen, daß die alten Freunde des Ijob ihn nicht nur von der moralischen Berechtigung des Übels überzeugen wollen, sondern in gewissem Sinn versuchen, vor sich selbst den moralischen Sinn des Leidens zu verteidigen. In ihren Augen kann dieses ausschließlich den Sinn einer Strafe für die Sünde haben, einen Sinn also, der allein im Bereich der Gerechtigkeit Gottes liegt: Gott vergilt das Gute mit Gutem und das Böse mit Bösem. Sie beziehen sich dabei auf die Lehre, die in anderen Schriften des Alten Testamentes enthalten ist, wo gesagt wird, daß die Leiden von Gott als Strafe für die Sünden der Menschen zugefügt werden. Der Gott der Offenbarung ist in einem solchen Maße Gesetzgeber und Richter, wie keine irdische Autorität es sein kann. Der Gott der Offenbarung ist ja vor allem Schöpfer, von dem, zusammen mit der Existenz, die; wesentliche Gutheit der Schöpfung kommt. Darum ist auch die bewußte und freiwillige Verletzung dieses Gutes von seiten des Menschen nicht nur eine Übertretung des Gesetzes, sondern zugleich eine Beleidigung des Schöpfers, des obersten Gesetzgebers. Eine solche Übertretung hat den Charakter von Sünde nach der genauen, das heißt, biblischen und theologischen Bedeutung des Wortes. Dem moralischen Übel der Sünde entspricht die Strafe, welche die moralische Ordnung im selben transzendenten Sinne gewährleistet, wie diese Ordnung vom Willen des Schöpfers und obersten Gesetzgebers festgesetzt worden ist. Von hierher leitet sich dann auch eine der grundlegenden Wahrheiten des religiösen Glaubens ab, die sich gleichermaßen auf die Offenbarung stützen kann: Gott ist ein gerechter Richter, der das Gute belohnt und das Böse bestraft. „Du (Herr) bist gerecht in allem, was du getan hast. All deine Taten sind richtig, deine Wege gerade. Alle deine Urteile sind wahr. Du hast gerechte Strafen verhängt, in allem was du über uns gebracht hast... Ja, nach Wahrheit und Recht hast du all dies unserer Sünden wegen herbeigeführt.“ Ferner offenbart sich in der von Ijobs Freunden vorgetragenen Meinung eine Überzeugung, wie sie sich auch im moralischen Bewußtsein der Menschheit findet: Die objektive moralische Ordnung fordert eine Strafe für die Übertretung, für die Sünde und für das Vergehen. Das Leiden erscheint von diesem Standpunkt her wie ein „gerechtfertigtes Übel“. Die Überzeugung derjenigen, die das Leiden als Strafe für die Sünde erklären, findet ihre Stütze in der Ordnung der Gerechtigkeit, und das entspricht 965 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Überzeugung, die von einem der Freunde Ijobs zum Ausdruck gebracht wird: „Wohin ich schaue: Wer Bosheit pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch.“ 11. Ijob hingegen bestreitet die Richtigkeit dieses Prinzips, welches das Leiden mit der Strafe für die Sünde gleichsetzt. Er tut es auf Grund seiner eigenen Erfahrung. Denn er ist sich bewußt, eine solche Bestrafung nicht verdient zu haben; er erläutert vielmehr das Gute, das er in seinem Leben getan hat. Schießlich tadelt Gott selbst die Freunde Ijobs für ihre Anklagen und erkennt an, daß Ijob nicht schuldig ist. Sein Leiden ist das eines Unschuldigen; es muß als ein Geheimnis angenommen werden, das der Mensch mit seinem Verstände letztlich nicht zu durchdringen vermag. Das Buch Ijob greift die Grundlagen der transzendenten moralischen Ordnung, die auf Gerechtigkeit gegründet ist, nicht an, wie sie in der gesamten Offenbarung des Alten und des Neuen Bundes dargelegt werden. Zugleich aber beweist dieses Buch mit aller Bestimmtheit, daß man die Grundsätze dieser Ordnung nicht in ausschließlicher und oberflächlicher Weise anwenden kann. Wenn es auch wahr ist, daß Leiden einen Sinn als Strafe hat, wann immer es an Schuld gebunden ist, so ist es doch nicht wahr, daß jedes Leiden Folge von Schuld sei und den Charakter von Strafe habe. Die Gestalt des gerechten Ijob ist dafür ein besonderer Beweis im Alten Testament. Hier stellt die Offenbarung, das Wort Gottes selbst, mit allem Freimut das Problem vom Leiden des unschuldigen Menschen: vom Leiden ohne Schuld. Ijob ist nicht bestraft worden; es gab keinen Grund, ihm eine Strafe aufzuerlegen, wenn er auch einer überaus harten Prüfung unterworfen wurde. Aus der Einleitung des Buches geht hervor, daß Gott diese Prüfung wegen der Herausforderung durch Satan zugelassen hat. Dieser hatte nämlich die Gerechtigkeit des Ijob vor dem Herrn bestritten: „Geschieht es ohne Grund, daß Ijob Gott fürchtet? . . . Das Tun seiner Hände hast du gesegnet; sein Besitz hat sich weit ausgebreitet im Land. Aber streck nur einmal deine Hand gegen ihn aus und rühr an all das, was sein ist; wahrhaftig, er wird dir ins Angesicht fluchen.“ Und wenn der Herr zustimmt, daß Ijob durch Leiden geprüft wird, so tut er das, um dessen Gerechtigkeit zu beweisen. Das Leiden hat hier den Charakter einer Prüfung. Das Buch Ijob ist nicht das letzte Wort der Offenbarung zu diesem Thema. Es ist in gewisser Weise eine Andeutung der Passion Christi. Aber schon für sich allein genommen ist es ein hinreichender Beweis dafür, daß die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens nicht ohne 966 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einschränkungen mit der allein auf Gerechtigkeit gegründeten moralischen Ordnung verbunden werden darf. Wenn eine solche Antwort auch ihre grundlegende und transzendente Begründung und Gültigkeit hat, so erweist sie sich doch zugleich nicht nur als unbefriedigend in ähnlichen Fällen wie dem Leiden des gerechten Ijob, sondern scheint sogar den Begriff der Gerechtigkeit, den wir in der Offenbarung finden; einzuebnen und zu entleeren. 12. Das Buch Ijob fragt in zugespitzter Weise nach dem „Warum“ des Leidens, es zeigt, daß es auch den Unschuldigen trifft, gibt aber noch keine Antwort auf das Problem. Im Alten Testament finden wir eine Tendenz, die darauf abzielt, die Auffassung zu überwinden, nach der das Leiden einzig als Strafe für die Sünde einen Sinn hat. Dies geschieht, indem zugleich der erzieherische Wert von Strafe und Leiden betont wird. So ist in den von Gott dem auserwählten Volk zugefügten Leiden eine Einladung der göttlichen Barmherzigkeit enthalten, die zurechtweist, um zur Bekehrung zu führen: „Die Strafen sollen unser Volk nicht vernichten, sondern erziehen.“ So rückt die personale Dimension von Strafe in den Vordergrund. In dieser Dimension hat Strafe nicht nur deshalb einen Sinn, weil sie dazu dient, das objektive Übel eines Vergehens mit einem anderen Übel zu vergelten, sondern vor allem, weil sie die Möglichkeit schafft, das Gute in der leidenden Person selbst wiederherzustellen. Dies ist ein äußerst wichtiger Aspekt des Leidens. Er ist in der gesamten Offenbarung des Alten und besonders des Neuen Bundes tief verwurzelt. Das Leiden soll der Bekehrung dienen, das heißt, der Wiederherstellung des Guten im Menschen, der in diesem Ruf zur Buße die göttliche Barmherzigkeit erkennen kann. Die Buße hat zum Ziel, das Böse zu überwinden, das unter verschiedenen Formen im Menschen steckt, und das Gute in ihm selbst wie auch in den Beziehungen zu den Mitmenschen und vor allem zu Gott zu festigen. 13. Um aber die richtige Antwort auf das „Warum“ des Leidens finden zu können, müssen wir auf die Offenbarung der göttlichen Liebe schauen, die tiefste Quelle für den Sinn von allem, was ist. Die Liebe ist auch die reichste Quelle für den Sinn des Leidens, das immer ein Geheimnis bleiben wird: Wir sind uns bewußt, wie unzureichend und unangemessen unsere Erklärungen sind. Christus läßt uns jedoch in das Geheimnis eindringen und das „Warum“ des Leidens entdecken in dem Maße, wie wir fähig sind, die Tiefe der göttlichen Liebe zu erfassen. 967 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Um den tiefen Sinn des Leidens zu finden, muß man dem geoffenbarten Wort Gottes folgen und sich zugleich dem menschlichen Subjekt mit seinen vielfältigen Möglichkeiten weit öffnen. Man muß vor allem das Licht der Offenbarung aufnehmen, nicht nur soweit es die transzendente Ordnung der Gerechtigkeit zum Ausdruck bringt, sondern insofern es diese Ordnung mit Liebe erleuchtet, der letzten Quelle für alles, was existiert. Die Liebe ist auch die reichste Quelle für die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens. Diese Antwort ist von Gott dem Menschen im Kreuze Jesu Christi gegeben worden. IV. Jesus Christus: Leiden, von der Liebe überwunden 14. „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ Diese Worte, von Christus im Gespräch mit Nikodemus gesprochen, führen uns in die Mitte des erlösenden Wirkens Gottes. Sie bringen auch das Wesen der christlichen Heilslehre zum Ausdruck, das heißt, der Theologie von der Erlösung. Erlösung bedeutet Befreiung vom Bösen und steht deshalb in enger Beziehung zum Problem des Leidens. Nach den Worten an Nikodemus gibt Gott seinen Sohn der „Welt“ hin, um den Menschen von dem Bösen zu befreien, das in sich die endgültige und absolute Perspektive des Leidens trägt. Zugleich zeigt schon das Wort „hingeben“ („er gab seinen Sohn hin“), daß der eingeborene Sohn diese Befreiung durch sein eigenes Leiden vollbringen muß. Darin tut sich die Liebe kund, die unendliche Liebe des eingeborenen Sohnes ebenso wie des Vaters, der diesen seinen Sohn dafür „hingibt“. Das ist die Liebe zum Menschen, die Liebe zur „Welt“: das ist erlösende Liebe. Wir befinden uns hier - das gilt es, sich bei unserer gemeinsamen Betrachtung über dieses Problem klar vor Augen zu halten - in einer völlig neuen Dimension unseres Themas. Es ist eine andere Dimension als jene, die die Suche nach der Bedeutung des Leidens in den Grenzen der Gerechtigkeit bestimmte und sie darin gleichsam einschloß. Es ist die Dimension der Erlösung, auf die im Alten Testament die Worte des gerechten Ijob - zumindest nach dem Text der Vulgata - bereits hinzudeuten scheinen: „Doch ich weiß, mein Erlöser lebt, . . . und (am letzten Tag) werde ich Gott schauen.“ Während unsere Betrachtung bisher vor allem und fast ausschließüch das 968 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leiden in seiner vielfältigen irdischen Gestalt (wie die Leiden des gerechten Ijob) ins Auge gefaßt hat, so beziehen sich die soeben aus dem Gespräch Jesu mit Nikodemus angeführten Worte auf das Leiden in seinem grundlegenden und endgültigen Sinn. Gott gibt seinen eingeborenen Sohn hin, damit der Mensch „nicht stirbt“; und die Bedeutung dieses „nicht stirbt“ wird genau bestimmt durch die nachfolgenden Worte: „sondern das ewige Leben hat“. . Der Mensch „stirbt“, wenn er „das ewige Leben“ verliert. Das Gegenteil des Heils ist also nicht das bloß zeitliche Leiden, ein Leiden welcher Art auch immer, sondern das endgültige Leiden: der Verlust des ewigen Lebens, die Zurückweisung durch Gott, die Verdammnis. Der eingeborene Sohn ist der Menschheit geschenkt worden, um den Menschen vor allem vor diesem endgültigen Übel und vor dem endgültigen Leiden zu bewahren. Er muß daher in seiner Heilssendung das Übel an den transzendentalen Wurzeln fassen, von denen her es sich in der Geschichte des Menschen entfaltet. Diese transzendentalen Wurzeln des Übels werden greifbar in Sünde und Tod: Sie liegen ja dem Verlust des ewigen Lebens zugrunde. Die Sendung des eingeborenen Sohnes besteht im Sieg über Sünde und Tod. Er besiegt die Sünde durch seinen Gehorsam bis zum Tode, und er besiegt den Tod durch seine Auferstehung. 15. Wenn wir sagen, daß Christus mit seiner Sendung das Übel an den Wurzeln faßt, denken wir nicht nur an das endgültige, eschatologische Übel und Leiden (damit der Mensch „nicht stirbt, sondern das ewige Leben hat“), sondern auch — zumindest indirekt — an das Übel und Leiden in ihrer irdischen und geschichtlichen Dimension. Das Übel bleibt nämlich mit Sünde und Tod verbunden. Auch wenn man nur mit großer Vorsicht das Leiden des Menschen als Folge konkreter Sünden bezeichnen darf (das zeigt uns gerade das Beispiel des gerechten Ijob), so kann es doch nicht von der Ursünde getrennt werden, von der Sünde, die im Johannesevangelium „Sünde der Welt“ genannt wird, vom sündhaften Hintergrund also der persönlichen Handlungen und der sozialen Vorgänge in der Geschichte des Menschen. Auch wenn es nicht gestattet ist, hier das strenge Kriterium einer direkten Abhängigkeit anzuwenden (wie das die drei Freunde Ijobs taten), so kann man doch nicht auf das Kriterium verzichten, daß den menschlichen Leiden eine mannigfaltige Verwicklung in die Sünde zugrunde liegt. Ähnlich ist es, wenn es sich um den Torf handelt. Oftmals wird er sogar als Befreiung von den Leiden dieses Lebens erwartet. Zugleich kann man nicht übersehen, daß er gleichsam eine endgültige Synthese des zerstöreri- 969 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen Wirkens der Leiden im leiblichen Organismus wie in der Psyche darstellt. Doch vor allem bringt der Tod die Auflösung der ganzen leibseelischen Persönlichkeit des Menschen mit sich. Die Seele überlebt und existiert getrennt vom Leib weiter, während der Leib einer allmählichen Zersetzung verfällt, wie Gott, der Herr, es nach der vom Menschen am Beginn seiner irdischen Geschichte begangenen Sünde gesagt hatte: „Staub bist du, zum Staub mußt du zurück.“ Wenn also auch der Tod nicht ein Leiden im zeitlichen Sinne des Wortes ist, sondern gewissermaßen außerhalb der Grenzen aller Leiden liegt, hat andererseits das Übel, das dem Menschen im Tod widerfährt, zugleich einen endgültigen und umfassenden Charakter. Durch sein Heilswerk befreit der eingeborene Sohn den Menschen von der Sünde und vom Tod. Vor allem verbannter aus der Geschichte des Menschen die Herrschaft der Sünde, die sich unter dem Einfluß des bösen Geistes eingewurzelt hat, angefangen von der Ursünde, und schenkt dem Menschen dann die Möglichkeit, in der heiligmachenden Gnade zu leben. In der Folge des Sieges über die Sünde beendet er auch die Herrschaft des Todes, indem er durch seine Auferstehung den Anfang der künftigen Auferstehung der Leiber setzt. Das eine wie das andere sind wesentliche Voraussetzungen des „ewigen Lebens“, das heißt, der endgültigen Glückseligkeit des Menschen in der Vereinigung mit Gott; das will sagen, für die Geretteten ist das Leiden in eschatologischer Sicht vollkommen aufgehoben. Infolge des Heilswerkes Christi lebt der Mensch auf Erden in der Hoffnung auf das ewige Leben und die ewige Heiligkeit. Und wenn auch der von Christus durch Kreuz und Auferstehung vollbrachte Sieg über Sünde und Tod die irdischen Leiden aus dem Leben des Menschen nicht hinwegnimmt und auch nicht die ganze geschichtliche Dimension des menschlichen Daseins vom Leiden befreit, so wirft er doch auf diese Dimension insgesamt und auf jedes einzelne Leiden ein neues Licht, das Licht der Erlösung. Es ist das Licht des Evangeliums, der Frohen Botschaft. Im Mittelpunkt dieses Lichtes steht die im Gespräch mit Nikodemus ausgesprochene Wahrheit: „Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab.“ Diese Wahrheit verwandelt von Grund auf das Bild der Geschichte des Menschen und seiner irdischen Situation: Trotz der Sünde, die sich in dieser Geschichte eingewurzelt hat als Erbsünde, als „Sünde der Welt“ und als Summe der persönlichen Sünden, hat Gottvater den eingeborenen Sohn geliebt, das heißt, er liebt ihn immerwährend; aus dieser alles übersteigenden Liebe „gibt“ er darum in der Zeit den Sohn „hin“, damit 970 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN er die Wurzeln des menschlichen Übels berühre und so auf heilbringende Weise der ganzen Welt des Leidens, an welcher der Mensch teilhat, nahekomme. 16. Bei seinem messianischen Wirken in Israel hat Christus sich fortwährend der Welt des menschlichen Leidens zugewandt. „Er zog umher und tat Gutes“; dieses sein Handeln betraf in erster Linie die Leidenden und solche, die auf Hilfe warteten. Er heilte die Kranken, tröstete die Trauernden, sättigte die Hungernden, befreite die Menschen von Taubheit und Blindheit, vom Aussatz, vom bösen Geist und von verschiedenen körperlichen Gebrechen; dreimal gab er Toten das Leben zurück. Er war empfänglich für jedes menschliche Leiden, für das des Leibes ebenso wie für das der Seele. Zur gleichen Zeit lehrte er, und im Mittelpunkt seiner Unterweisung stehen die acht Seligpreisungen, die sich an die Menschen richten, welche im irdischen Leben von verschiedenen Leiden heimgesucht werden. Das sind die, „die arm sind vor Gott“, und „die Trauernden“, jene, „die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“, und die, „die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden“, wenn sie für Christus beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werden . . , So bei Matthäus; Lukas nennt ausdrücklich noch diejenigen, „die jetzt Hunger“ haben. Christus hat sich der Welt des menschlichen Leidens aber vor allem dadurch genähert, daß er selbst dieses Leiden auf sich genommen hat. Bei seinem öffentlichen Wirken hat er nicht nur Mühe und Anstrengung, das Fehlen einer Wohnung sowie Unverständnis sogar von seiten der ihm Nahestehenden erfahren, sondern noch mehr als das: Er wurde immer unausweichlicher von Feindseligkeit umgeben, und immer deutlicher wurden die Vorbereitungen, um ihn aus dem Wege zu räumen. Christus ist sich dessen bewußt, und oftmals spricht er zu seinen Jüngern von den Leiden und dem Tod, die ihn erwarten: „Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird der Menschensohn den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten ausgeliefert; sie werden ihn zum Tod verurteilen und den Heiden übergeben; sie werden ihn verspotten, anspeien, geißeln und töten. Aber nach drei Tagen wird er auferstehen.“ Christus geht seinem Leiden und Tod im vollen Bewußtsein der Sendung entgegen, die er gerade auf diese Weise erfüllen muß. Gerade durch sein Leiden soll er bewirken, „daß der Mensch nicht stirbt, sondern das ewige Leben hat“. Durch sein Kreuz soll er an die Wurzeln des Übels rühren, die in die Geschichte und in die Seelen der Menschen eingesenkt sind. 971 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Durch sein Kreuz soll er das Heilswerk vollbringen. Dieses Werk hat im Plan der ewigen Liebe einen erlösenden Charakter. Deshalb weist Christus Petrus streng zurecht, als dieser ihn von den Gedanken an das Leiden und den Tod am Kreuz abbringen will. Und als bei der Festnahme im Garten von Getsemani derselbe Petrus ihn mit dem Schwert zu verteidigen sucht, sagt Christus zu ihm: „Steck dein Schwert in die Scheide . . . Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, nach der es so geschehen muß?“ An anderer Stelle sagt er: „Der Kelch, den mir der Vater gegeben hat -soll ich ihn nicht trinken?“ Diese Antwort zeigt wie die anderen, die sich an verschiedenen Stellen des Evangeliums finden, wie tief Christus von dem Gedanken durchdrungen war, den er bereits im Gespräch mit Nikodemus zum Ausdruck gebracht hatte: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat.“ Christus geht dem eigenen Leiden entgegen im vollen Bewußtsein seiner erlösenden Macht, er geht im Gehorsam gegenüber dem Vater; aber vor allem ist er mit dem Vater in der Liebe vereint, mit der er die Welt und den Menschen in der Welt geliebt hat. Darum wird der hl. Paulus von Christus schreiben: „Der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“ 17. Die Schrift mußte sich erfüllen. Viele messianische Texte des Alten Testamentes spielen auf die Leiden des kommenden Gesalbten Gottes an. Der ergreifendste von allen ist das sogenannte vierte Lied vom Gottesknecht aus dem Buch Jesaja. Der Prophet, der mit Recht „der fünfte Evangelist“ genannt wird, zeigt uns in diesem Lied ein Bild von den Leiden dieses Gottesknechtes mit solch scharfem Realismus, als sähe er sie mit eigenen Augen: den Augen des Leibes und des Geistes. Die Passion Christi wird im Lichte der Verse des Jesaja beinahe noch ausdrucksstärker und ergreifender als in den Beschreibungen der Evangelisten selbst. Da steht vor uns der wahre Schmerzensmann: „Er hatte keine schöne und edle Gestalt, so daß wir ihn anschauen mochten . . .; er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. 972 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, : wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt. Wir hatten uns alle verirrt wie Schafe, jeder ging für sich seinen Weg. Doch der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen. “ Dieses Lied vom leidenden Gottesknecht enthält eine Beschreibung, in welcher man in gewissem Sinn die Stationen der Passion Christi in ihren verschiedenen Einzelheiten erkennen kann: die Gefangennahme, die Demütigung, die Backenstreiche, das Anspeien, die Mißachtung der Würde des Gefangenen, das ungerechte Urteil und dann die Geißelung, die Dornenkrönung und Verhöhnung, der Kreuzweg, die Kreuzigung, der Todeskampf. Stärker noch als diese Beschreibung des Leidens berührt! uns in den Worten des Propheten die Tiefe des Opfers Christi: Er nimmt, obwohl unschuldig, die Leiden aller Menschen auf sich, weil er die Sünden aller auf sich nimmt. „Der Herr lud auf ihn die Schuld von uns allen“: Alle Sünde des Menschen in ihrer Breite und Tiefe wird zur wahren Ursache der Leiden des Erlösers. Wenn das Leiden am erlittenen Übel „gemessen wird“, dann lassen uns die Worte des Propheten das Ausmaß des Übels und des Leidens begreifen, das Christus auf sich genommen hat. Man kann sagen, daß dies ein „stellvertretendes“ Leiden ist; vor allem aber ist es ein „erlösendes“ Leiden. Der Schmerzensmann dieser Weissagung ist wahrhaftig „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. In seinem Leiden werden die Sünden gerade darum getilgt, weil allein er als der eingeborene Sohn sie auf sich nehmen, sie annehmen konnte mit jener Liebe zum Vater, die das Übel jeder Sünde überwindet; er macht gewissermaßen dieses Übel im geistigen Raum der Beziehungen zwischen Gott und der Menschheit zunichte und füllt diesen Raum mit dem Guten. Wir rühren hier an die doppelte Natur eines einzigen personalen Trägers des erlösenden Leidens. Derjenige, der durch Leiden und Kreuzestod die Erlösung vollbringt, ist der eingeborene Sohn, den Gott „hingegeben hat“. Und zugleich leidet dieser Sohn, der wesensgleich ist mit dem Vater, als Mensch. Sein Leiden hat menschliche Dimensionen; es hat aber auch — und dies ist einmalig in der Geschichte der Menschheit - eine solche Tiefe 973 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Intensität, daß sie, auch wenn sie menschlich sind, einzigartig genannt werden können, weil der Mensch, der hier leidet, Gottes eingeborener Sohn in Person ist: „Gott von Gott“. Daher ist nur er - der eingeborene Sohn - fähig, das Ausmaß des in der Sünde des Menschen enthaltene^ Übels zu umfassen: in jeder einzelnen Sünde und in der „Gesamtsünde“, je nach den Dimensionen des geschichtlichen Daseins der Menschheit auf Erden. 18. Man kann sagen, daß uns diese Überlegungen direkt nach Getsemani und Golgota führen, wo sich dieses Lied vom leidenden Gottesknecht aus dem Buch Jesaja erfüllt hat. Aber ehe wir dorthin gehen, lesen wir noch die anschließenden Verse des Liedes, die eine prophetische Vorwegnahme der Passion von Getsemani und Golgota enthalten. Der leidende Gottesknecht - und das ist wiederum wesentlich für eine Deutung der Passion Christi - nimmt jene Leiden, von denen die Rede war, vollkommen freiwillig auf sich: „Er wurde mißhandelt und niedergedrückt, aber er tat seinen Mund nicht auf. Wie ein Lamm, das man zum Schlachten führt, und wie ein Schaf angesichts seiner Scherer, so tat auch er seinen Mund nicht auf. Durch Haft und Gericht wurde er dahingerafft, doch wen kümmerte sein Geschick? Er wurde vom Land der Lebenden abgeschnitten und wegen der Verbrechen seines Volkes zu Tode getroffen. Bei den Ruchlosen gab man ihm sein Grab, bei den Verbrechern seine Ruhestätte, obwohl er kein Unrecht getan hat und kein trügerisches Wort in seinem Mund war.“ Christus leidet freiwillig, und er leidet unschuldig. Er greift in seinem Leiden jene Frage auf, die - von den Menschen immer wieder gestellt - in geradezu radikaler Weise vom Buch Ijob aufgeworfen wird. Doch Christus stellt nicht nur wiederum diese Frage (und das auf noch radikalere Weise, weil er ja nicht nur ein Mensch wie Ijob, sondern der eingeborene Sohn Gottes ist), sondern er gibt auch die höchst mögliche Antwort auf diese Frage. Die Antwort ergibt sich sozusagen aus der Frage selbst. Christus gibt die Antwort auf die Frage nach dem Leiden und nach dem Sinn des Leidens nicht nur in seiner Lehre, in der Frohen Botschaft, sondern vor allem durch sein eigenes Leiden, das mit der Lehre der Frohen Botschaft organisch und untrennbar verbunden ist. Dieses Leiden 974 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist das letzte, zusammenfassende Wort dieser Lehre: „das Wort vom Kreuz“, wie der hl. Paulus einmal sagen wird. Dieses „Wort vom Kreuz“ füllt das Bild der alten Weissagung mit einer endgültigen Wirklichkeit. Viele Orte, viele Reden während der öffentlichen Lehrtätigkeit Christi bezeugen, daß er von Anfang an dieses Leiden als Willen des Vaters für das Heil der Welt annimmt. Den Höhepunkt bildet hierbei jedoch das Gebet im Garten Getsemani. Die Worte: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst“ und dann: „Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne daß ich ihn trinke, geschehe dein Wille“ haben eine mannigfaltige Bedeutung. Sie beweisen die Wahrheit jener Liebe, die der eingeborene Sohn in seinem Gehorsam dem Vater entgegenbringt. Zugleich bezeugen sie die Wahrheit seines Leidens. Die Worte des Gebetes Christi im Garten Getsemani beweisen die Wahrheit der Liebe durch die Wahrheit des Leidens. Die Worte Christi bestätigen in aller Schlichtheit diese menschliche Wahrheit des Leidens bis ins letzte: Leiden bedeutet ein Übel erdulden, und davor erschaudert der Mensch. Er sagt: „Es gehe an mir vorüber“, genauso, wie Christus in Getsemani sprach. Zugleich bezeugen seine Worte die einzigartige und unvergleichliche Tiefe und Intensität des Leidens, wie sie nur jener Mensch erfahren konnte, der der eingeborene Sohn Gottes ist; sie bezeugen jene Tiefe und Intensität, die uns die oben zitierten Worte des Propheten auf ihre Weise zu begreifen helfen. Sicher nicht bis ins letzte (dazu müßte man das gottmenschliche Geheimnis dieser Person durchdringen können), aber wenigstens so weit, daß wir den Unterschied (und zugleich die Ähnlichkeit) zwischen jedem möglichen Leiden des Menschen und dem des Gottmenschen erkennen. Getsemani ist der Ort, wo eben dieses Leiden in seiner ganzen Wahrheit, wie sie der Prophet über das darin erfahrene Übel ausgedrückt hat, gleichsam endgültig vor den Augen der Seele Christi enthüllt worden ist. Nach den Worten in Getsemani werden die Worte auf Golgota gesprochen, die diese in der Geschichte der Welt einmalige Tiefe des Übels, das im Leiden erfahren wird, bezeugen. Wenn Christus ruft: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, sind seine Worte nicht nur Ausdruck jener Verlassenheit, von der im Alten Testament wiederholt die Rede ist, besonders in den Psalmen und hier besonders im Psalm 22, aus welchem die oben zitierten Worte stammen. Man kann sagen, diese Worte über die Verlassenheit kommen aus dem Grund der unauflöslichen Einheit des Sohnes mit dem Vater; sie werden 975 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gesprochen, weil der Vater „die Schuld von uns allen auf ihn lud“ und entsprechen dem, was der hl. Paulus später sagen wird: „Er hat den, der keine Sünde kannte, für uns zur Sünde gemacht.“ Zusammen mit dieser schrecklichen Last, unter der er die ganze Bosheit der Abkehr von Gott, die in der Sünde enthalten ist, erfährt, erlebt Christus in der göttlichen Tiefe der Verbundenheit des Sohnes mit dem Vater auf menschlich unaussprechbare Weise dieses Leid, die Trennung vom Vater und seine Zurückweisung, den Bruch mit Gott. Aber eben durch dieses Leiden vollbringt er die Erlösung und kann er sterbend sagen: „Es ist vollbracht.“ Man kann auch sagen, daß sich die Schrift erfüllt hat, daß sich die Worte des genannten Liedes vom leidenden Gottesknecht endgültig erfüllt haben: „Doch der Herr fand Gefallen an seinem zerschlagenen Knecht.“ Im Leiden Christi hat das menschliche Leiden seinen Höhepunkt erreicht. Zugleich ist es in eine völlig neue Dimension und Ordnung eingetreten: Es ist mit der Liebe verbunden worden, mit jener Liebe, von der Christus zu Nikodemus sprach, mit jener Liebe, die das Gute schafft, indem sie es sogar aus dem Bösen wirkt, und zwar durch das Leiden, so wie das höchste Gut der Erlösung der Welt vom Kreuz Christi ausgegangen ist und noch ständig von dort ausgeht. Das Kreuz Christi ist zu einer Quelle geworden, aus der Ströme lebendigen Wassers fließen. In ihm müssen wir auch die Frage nach dem Sinn des Leidens neu stellen und aus ihm die Antwort auf diese Frage bis zur letzten Tiefe ablesen. V. Teilhabe am Leiden Christi 19. Das gleiche Lied vom leidenden Gottesknecht im Buch Jesaja führt uns mit den folgenden Versen genau in die Richtung dieser Frage und ihrer Beantwortung: „Er (der Herr) rettete den, der sein Leben als Sühnopfer hingab. Er wird Nachkommen sehen und lange leben. Der Plan des Herrn wird durch ihn gelingen. Nachdem er so vieles ertrug, erblickt er das Licht. Er sättigt sich an Erkenntnis. Mein Knecht, der gerechte, macht die vielen gerecht; er lädt ihre Schuld auf sich. Deshalb gebe ich ihm seinen Anteil unter den Großen, und mit den Mächtigen teilt er die Beute, 976 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weil er sein Leben dem Tod preisgab und sich unter die Verbrecher rechnen ließ. Denn er trug die Sünden von vielen und trat für die Schuldigen ein.“ Man kann sagen, mit der Passion Christi ist jedes menschliche Leiden in eine neue Situation eingetreten. Ijob hat sie gleichsam vorausgeahnt, als er sagte: „Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt“, und in einer solchen Perspektive sein eigenes Leiden gesehen, das ihm ohne die Erlösung seine volle Bedeutung nicht hätte enthüllen können. Im Kreuz Christi hat sich nicht nur die Erlösung durch das Leiden erfüllt, sondern das menschliche Leiden selbst ist dabei zugleich erlöst worden. Christus hat - frei von jeder eigenen Schuld — „das ganze Übel der Sünde“ auf sich genommen. Die Erfahrung dieses Übels bestimmte das unvergleichliche Maß des Leidens Christi, das zum Preis für die Erlösungvmrde. Davon spricht das Lied vom leidenden Gottesknecht bei Jesaja. Davon werden zu ihrer Zeit die Zeugen des Neuen Bundes sprechen, der im Blute Christi geschlossen wird. Hier die Worte aus dem ersten Brief des Apostels Petrus: „Ihr wißt, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel.“ Der Apostel Paulus wird in seinem Brief an die Gälater sagen: „Er hat sich für unsere Sünden hingegeben, um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt zu befreien“, und im Brief an die Korinther: „Denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib.“ Mit diesen und ähnlichen Worten sprechen die Zeugen des Neuen Bundes von der Größe der Erlösung, die durch das Leiden Christi vollbracht wurde. Der Erlöser hat an Stelle des Menschen und für den Menschen gelitten. Jeder Mensch hat auf seine Weise teil an der Erlösung. Jeder ist auch zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das die Erlösung vollzogen wurde. Er ist zur Teilhabe an jenem Leiden gerufen, durch das zugleich jedes menschliche Leiden erlöst worden ist. Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben. Darum kann auch jeder Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben. 20. Die Texte des Neuen Testaments bringen diese Auffassung an vielen Stellen zum Ausdruck. Im zweiten Brief an die Korinther schreibt der Apostel: „Von allen Seiten werden wir in die Enge getrieben und finden 977 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN doch noch Raum; wir wissen weder aus noch ein und verzweifeln dennoch nicht; wir werden gehetzt und sind doch nicht verlassen; wir werden niedergestreckt und doch nicht vernichtet. Wohin wir auch kommen, immer tragen wir das Todesleiden Christi an unserem Leib, damit auch das Leben Jesu an unserem Leib sichtbar wird. Denn immer werden wir, obgleich wir leben, um Jesu willen dem Tod ausgeliefert, damit auch das Leben Jesu an unserem sterblichen Fleisch offenbar wird... Denn wir wissen, daß der, welcher Jesus, den Herrn, auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken wird.“ Der hl. Paulus spricht hier von den verschiedenen Leiden und insbesondere von jenen, an welchen die ersten Christen „um Jesu willen“ teilhatten. Diese Leiden ermöglichen es den Empfängern jenes Briefes, an dem Erlösungswerk teilzuhaben, das durch die Leiden und den Tod des Erlösers vollbracht wurde. Die Sprache des Kreuzes und des Todes wird jedoch durch die Sprache der Auferstehung vervollständigt. Der Mensch findet in der Auferstehung ein völlig neues Licht, das ihm hilft, sich einen Weg durch das tiefe Dunkel der Demütigungen, der Zweifel, der Verzweiflung und der Verfolgung zu bahnen. Deshalb schreibt auch der Apostel im zweiten Korintherbrief: „Wie uns nämlich die Leiden Christi überreich zuteil geworden sind, so wird uns durch Christus auch überreicher Trost zuteil.“ An anderer Stelle wendet er sich mit Worten der Ermutigung an die Empfänger des Briefes: „Der Herr richte euer Herz darauf, daß ihr Gott liebt und unbeirrt auf Christus wartet.“ Im Brief an die Römer schreibt er: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst ab lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt; das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“ Die Teilnahme am Leiden Christi erlangt in diesen Äußerungen des Apostels gleichsam eine doppelte Dimension. Wenn ein Mensch an den Leiden Christi teilhat, dann deshalb, weil Christus sein Leiden dem Menschen geöffnet hat; weil er in seinem Erlöserleiden gewissermaßen selbst an allen menschlichen Leiden teilhat. Wenn der Mensch im Glauben das Erlöserleiden Christi entdeckt, findet er darin zugleich seine eigenen Leiden; im Glauben sieht er sie nun bereichert durch einen neuen Inhalt und eine neue Bedeutung. Diese Entdeckung läßt den hl. Paulus im Galaterbrief besonders starke Worte finden: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden; nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir. Soweit ich aber jetzt noch in dieser Welt lebe, lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt und sich für mich hingegeben hat.“ Der Glaube läßt den Verfasser dieser 978 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worte jene Liebe erkennen, die Christus ans Kreuz gebracht hat. Und wenn er im Leiden und Sterben so geliebt hat, dann lebt er mit seinem Leiden und Tod in dem, den er so geliebt hat; er lebt im Menschen: in Paulus. Und indem er in ihm lebt - während Paulus, durch den Glauben dessen bewußt, diese Liebe mit Liebe beantwortet -, wird Christus auch in besonderer Weise durch das Kreuz mit dem Menschen, mit Paulus, verbunden. Diese Verbundenheit veranlaßte Paulus im selben Galaterbrief noch zu weiteren, nicht minder starken Worten: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ 21. Das Kreuz Christi wirft auf solch eindringliche Weise ein heilbringendes Licht auf das Leben und insbesondere auf das Leiden des Menschen, weil dieses Licht im Glauben zusammen mit der Auferstehung zu ihm gelangt: Das Passionsgeheimnis ist vom Ostergeheimnis umfangen. Die Zeugen des Leidens Christi sind zugleich Zeugen seiner Auferstehung. Paulus schreibt: „Christus will ich erkennen und die Macht seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit seinen Leiden; sein Tod soll mich prägen. So hoffe ich, auch zur Auferstehung von den Toten zu gelangen.“ Der Apostel hat tatsächlich zuerst „die Macht der Auferstehung“ Christi auf dem Weg nach Damaskus erlebt; erst in der Folge gelangte er in diesem österlichen Licht zu jener „Gemeinschaft mit seinen Leiden“, von der er zum Beispiel im Galaterbrief spricht. Der Weg des Paulus ist deutlich österlich: Zur Gemeinschaft mit dem Kreuz Christi kommt er durch die Erfahrung des Auferstandenen, durch eine besondere Teilhabe also an der Auferstehung. Darum ist auch in den Aussagen des Apostels zum Thema des Leidens so häufig das Motiv der Herrlichkeit zu finden, die im Kreuz Christi ihren Anfang nimmt. Die Zeugen von Kreuz und Auferstehung waren überzeugt, daß sie „durch viele Drangsale in das Himmelreich gelangen müssen“. In seinem zweiten Brief an die Thessalonicher sagt es Paulus so:; „Wir können ... mit Stolz auf euch hinweisen, weil ihr im Glauben standhaft bleibt bei aller Verfolgung und Bedrängnis, die ihr zu ertragen habt. Dies ist ein Anzeichen des gerechten Gerichtes Gottes; ihr sollt ja des Reiches Gottes teilhaftig werden, für das ihr leidet.“ So ist also die Teilhabe an den Leiden Christi zugleich ein Leiden um des Himmelreiches willen. Vor dem gerechten Gott und seinem Urteilsspruch werden alle, die an den Leiden Christi teilhaben, dieses Reiches würdig. Durch ihre Leiden erstatten sie gewissermaßen den unendlichen Preis des 979 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leidens und Sterbens Christi zurück, der zum Preis für unsere Erlösung wurde: Um diesen Preis hat sich das Reich Gottes in der Geschichte des Menschen neu gefestigt und ist zur endgültigen Perspektive seines irdischen Daseins geworden. Christus hat uns durch sein Leiden in dieses Reich eingeführt, und durch das Leiden reifen dafür die Menschen, die vom Erlösungsgeheimnis Christi umfangen sind. 22. Mit der Perspektive des Gottesreiches ist die Hoffnung auf jene Herrlichkeit verbunden, die mit dem Kreuz Christi beginnt. Die Auferstehung hat diese Herrlichkeit - die endzeitliche Herrlichkeit - offenbart, die am Kreuz Christi vom unermeßlichen Leiden noch völlig verdunkelt war. Die an den Leiden Christi teilhaben, sind auch berufen, durch ihre eigenen Leiden an der Herrlichkeit teilzuhaben. Paulus spricht das an mehreren Stellen aus. An die Römer schreibt er: „Wir sind... Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden. Ich bin überzeugt, daß die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“ Im zweiten Korintherbrief lesen wir: „Denn die kleine Last unserer gegenwärtigen Not schafft uns in maßlosem Übermaß ein ewiges Gewicht an Herrlichkeit, uns, die wir nicht auf das Sichtbare starren, sondern nach dem Unsichtbaren ausblicken.“ Der Apostel Petrus drückt diese Wahrheit in seinem ersten Brief mit folgenden Worten aus: „Freut euch, daß ihr Anteil an den Leiden Christi habt; denn so könnt ihr auch bei der Offenbarung seiner Herrlichkeit voll Freude jubeln.“ Das Motiv des Leidens und der Herrlichkeit ist ganz vom Evangelium geprägt; es erklärt sich durch seinen Bezug auf Kreuz und Auferstehung. Die Auferstehung ist vor allem zur Offenbarung der Herrlichkeit geworden, die der Erhöhung Christi durch das Kreuz entspricht. Wenn das Kreuz auch in den Augen der Menschen die Erniedrigung Christi gewesen ist, so war es gleichzeitig in den Augen Gottes seine Erhöhung. Am Kreuz hat Christus seine Sendung voll erfüllt und verwirklicht: Indem er den Willen des Vaters erfüllte, verwirklichte er zugleich sich selbst. In der Schwachheit offenbarte er seine Macht und in der Demütigung seine ganze messianische Größe. Sind nicht alle Worte, die Christus während seines Todeskampfes auf Golgota ausstieß, besonders jene, die sich auf die Urheber der Kreuzigung beziehen, ein Beweis für diese Größe: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Denen, die an den Leiden Christi teilhaben, prägen sich diese Worte mit der Kraft eines höchsten Vorbildes ein. Das 980 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Leiden ist auch ein Aufruf, die sittliche Größe des Menschen, seine geistige Reife zu bezeugen. Das haben die Märtyrer und Bekenner Christi in den verschiedenen Generationen getan, getreu den Worten: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können.“ Die Auferstehung Christi hat „die Herrlichkeit der zukünftigen Zeit“ offenbar gemacht und zugleich „den Ruhm des Kreuzes“ bestätigt: jene Herrlichkeit, die im Leiden Christi selbst enthalten ist und die sich oftmals im Leiden des Menschen als Ausdruck seiner geistigen Größe widergespiegelt hat und noch widerspiegelt. Man muß von dieser Herrlichkeit Zeugnis geben, nicht nur für die Märtyrer des Glaubens, sondern auch für zahlreiche andere Menschen, die - manchmal ohne Glauben an Christus -leiden und ihr Leben für die Wahrheit und für eine gerechte Sache hingeben. In den Leiden all dieser Menschen wird die hohe Würde des Menschen in besonderer Weise bestätigt. 1 23. Das Leiden ist stets eine Prüfung - manchmal eine recht harte Prüfung -, der die Menschheit unterzogen wird. Aus den Paulusbriefen spricht wiederholt zu uns jenes evangelische Paradox von der Schwachheit und der Stärke, das der Apostel ganz besonders an sich selbst erfahren hat und das mit ihm alle jene erleben, die an den Leiden Christi teilhaben. Er schreibt im zweiten Korintherbrief: „Viel lieber also will ich mich meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt.“ Im zweiten Brief an Timotheus lesen wir: „Darum muß ich auch dies alles erdulden; aber ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich Glauben geschenkt habe.“ Und im Philipperbrief heißt es sogar: „Alles vermag ich durch ihn, der mir Kraft gibt.“ Wer teilhat an den Leiden Christi, hat das Ostergeheimnis des Kreuzes und der Auferstehung vor Augen, bei dem Christus in einer ersten Phase bis zu den letzten Grenzen menschlicher Schwachheit und; Ohnmacht herabsteigt; denn er stirbt angenagelt an ein Kreuz. Wenn sich aber in dieser Schwachheit zugleich seine Erhöhung vollzieht, die durch die Kraft der Auferstehung bestätigt wird, bedeutet das, daß die Schwachheit aller menschlichen Leiden von derselben Macht Gottes, die sich im Kreuz Christi offenbart hat, durchdrungen werden kann. In dieser Sicht heißt leiden besonders empfänglich und offen werden für das Wirken der heilbringenden Kräfte Gottes, die der Menschheit in Christus dargeboten werden. In ihm hat Gott bekräftigt, daß er besonders durch das Leiden handeln will, das Schwachheit und Entäußerung des Menschen ist; gerade in dieser Schwachheit und Entäußerung will er seine 981 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Macht offenbaren. So läßt sich auch die Empfehlung des ersten Petrusbriefes erklären: „Wenn er aber leidet, weil er Christ ist, dann soll er sich nicht schämen, sondern Gott verherrlichen, indem er sich zu diesem Namen bekennt.“ Im Römerbrief wird, der Apostel Paulus noch ausführlicher über das Thema der „Kraft, die aus der Schwachheit kommt“, sprechen, über diese geistige Abhärtung des Menschen inmitten von Prüfungen und Bedrängnissen, die zur besonderen Berufung derer gehören, die an den Leiden Christi teilhaben. „Wir rühmen uns ebenso unserer Bedrängnis; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber läßt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Im Leiden ist somit ein besonderer Ruf zur Tugend enthalten, die der Mensch von sich her üben soll. Es ist die Tugend der Ausdauer im Ertragen all dessen, was stört und weh tut. Wenn der Mensch so handelt, findet er zur Hoffnung, welche in ihm die Überzeugung aufrechterhält, daß das Leiden ihn nicht überwältigen, ihn nicht seiner Menschenwürde, verbunden mit dem Wissen um den Sinn des Lebens, berauben wird. Eben dieser Sinn offenbart sich ihm zusammen mit dem Wirken der Liebe Gottes, die das höchste Geschenk des Heiligen Geistes ist. Während er an dieser Liebe teilhat, findet sich der Mensch letztlich im Leiden selbst wieder: Er findet „das Leben“ wieder, von dem er glaubte, er habe es wegen des Leidens „verloren“. 24. Doch die Erfahrungen des Apostels, der an den Leiden Christi teilhat, gehen noch weiter. Im Kolosserbrief lesen wir die Worte, die gleichsam den letzten Abschnitt seines geistlichen Weges angesichts des Leidens bilden. Paulus schreibt dort: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage. Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt. “ Und in einem anderen Brief fragt er die Empfänger: „Wißt ihr nicht, daß eure Leiber Glieder Christi sind?“ Im Ostergeheimnis hat Christus die Verbundenheit mit dem Menschen in der Gemeinschaft der Kirche eingeleitet. Das Geheimnis der Kirche kommt darin zum Ausdruck, daß schon in der Taufe, die mit Christus verbindet, und dann durch sein Opfer - auf sakramentale Weise durch die Eucharistie - die Kirche fortwährend als Leib Christi geistlich auferbaut wird. In diesem Leib will Christus mit allen Menschen verbunden sein, und er ist es ganz besonders mit denen, die leiden. Die angeführten Worte 982 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aus dem Kolosserbrief bezeugen den außergewöhnlichen Charakter dieser Verbundenheit. Denn wer in Verbundenheit mit Christus leidet— so wie der Apostel Paulus seine „Bedrängnis“ in Verbundenheit mit Christus ertrug —, schöpft nicht nur aus Christus jene Kraft, von der oben die Rede war, sondern er „ergänzt“ auch durch sein Leiden, „was an den Leiden Christi noch fehlt“. In diesem biblischen Bild wird in besonderer Weise die Wahrheit vom schöpferischen Charakter des Leidens hervorgehoben. Das Leiden Christi hat das Gut der Erlösung der Welt erwirkt. Dieses Gut ist in sich unerschöpflich und grenzenlos. Kein Mensch vermag ihm etwas hinzuzufügen. Zugleich jedoch hat Christus im Geheimnis der Kirche als seines Leibes gewissermaßen sein Erlöserleiden jedem anderen Leiden des Menschen geöffnet. Insofern der Mensch - an jedem Ort der Welt und in jeder Zeit der Geschichte - an den Leiden Christi teilhat, ergänzt er auf seine Weise jenes Leiden, durch das Christus die Erlösung der Welt vollbracht hat. Soll das heißen, die von Christus vollbrachte Erlösung sei noch nicht vollständig? Nein. Es bedeutet nur, daß die aus sühnender Liebe erwirkte Erlösung ständig offen bleibt für jede Liebe, die in menschlichem Leiden ihren Ausdruck findet. In dieser Dimension - in der Dimension der Liebe — vollzieht sich die bereits bis ins letzte vollzogene Erlösung gewissermaßen unaufhörlich. Christus hat die Erlösung vollständig und bis ans Ende vollbracht; zugleich aber hat er sie nicht abgeschlossen: In dem Erlöserleiden, durch das sich die Erlösung der Welt vollzog, hat sich Christus von Anfang an jedem menschlichen Leiden geöffnet und öffnet sich ihm noch ständig. Ja, es scheint zum Wesen selbst des erlösenden Leidens Christi zu gehören, daß es fortwährend ergänzt werden will. Auf diese Weise, mit einer solcher Öffnung für alles menschliche Leiden, hat Christus durch sein eigenes Leiden die Erlösung der Welt vollbracht. Und obgleich die Erlösung durch das Leiden Christi in ihrer ganzen Fülle vollbracht worden ist, lebt sie zugleich und schreitet sie gleichsam fort in der Geschichte des Menschen. Sie lebt und entfaltet sich als Leib Christi, als die Kirche, und in dieser Dimension ergänzt jedes menschliche Leiden das Leiden Christi kraft der Einheit mit ihm in der Liebe. Es ergänzt dieses Leiden, so wie die Kirche das Erlösungswerk Christi ergänzt. Das Geheimnis der Kirche - jenes Leibes, der in sich den gekreuzigten und auferstandenen Leib Christi ergänzt - gibt zugleich den Raum an, in welchem die Leiden der Menschheit die Leiden Christi ergänzen. Allein in dieser Umgebung und in dieser Dimension der Kirche, des Leibes Christi, der sich unablässig in Raum und Zeit entwickelt, kann man daran denken 983 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und von dem sprechen, „was an den Leiden Christi noch fehlt“. Auch der Apostel stellt dies klar heraus, wenn er schreibt: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinem irdischen Leben das, was an den Leiden Christi noch fehlt.“ Gerade die Kirche, die unaufhörlich aus den unbegrenzten Quellen der Erlösung schöpft und diese in das Leben der Menschheit einführt, ist die Dimension, in der das erlösende Leiden Christi ständig vom Leiden des Menschen ergänzt werden kann. Darin wird auch die gottmenschliche Natur der Kirche deutlich. Das Leiden scheint in gewisser Weise an den Merkmalen dieser Natur Anteil zu haben. Deshalb besitzt es auch in den Augen der Kirche einen besonderen Wert. Es ist ein Gut, vor dem sich die Kirche voll Verehrung, in der ganzen Tiefe ihres Glaubens an die Erlösung, verneigt. Sie verneigt sich zugleich in der ganzen Tiefe jenes Glaubens, mit dem sie in sich selbst das unaussprechliche Geheimnis des Leibes Christi umfängt. VI. Das Evangelium vom Leiden 25. Die Zeugen des Kreuzes und der Auferstehung Christi haben der Kirche und der Menschheit ein besonderes Evangelium vom Leiden überliefert. Der Erlöser selbst hat dieses Evangelium zuerst mit seinem eigenen Leiden geschrieben, das er aus Liebe auf sich genommen hat, damit der Mensch „nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“. Dieses Leiden ist zusammen mit dem lebendigen Wort seiner Unterweisung zu einer reichen Quelle für alle jene geworden, die in der ersten Generation seiner Jünger und Bekenner und dann in den Generationen der nachfolgenden Jahrhunderte an den Leiden Jesu teilgenommen haben. Es ist vor allem tröstlich - und entspricht genau der geschichtlichen Wahrheit und der Darstellung der Evangelien - sehen zu können, wie an der Seite Christi, in einer ganz innigen und betonten Nähe zu ihm, immer seine Mutter steht und in beispielhafter Weise mit ihrem ganzen Leben Zeugnis ablegt für dieses besondere Evangelium vom Leiden. In Maria ballen sich zahlreiche tiefe Leiden in einer solchen Dichte zusammen, daß diese nicht nur ihren unerschütterlichen Glauben beweisen, sondern ebenso einen Beitrag zur Erlösung aller darstellen. Seit jenem geheimnisvollen Zwiegespräch mit dem Engel erblickt sie ja in ihrer Aufgabe als Mutter die „Berufung“, an der Sendung ihres Sohnes in einzigartiger und in wiederholbarer Weise teilzunehmen. Und dies wird ihr sehr schnell von den Ereignissen bestätigt, welche die Geburt Jesu in 984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Betlehem begleiten, dann auch von der ausdrücklichen Ankündigung des greisen Simeon, der von einem Schwert sprach, so scharf, daß es ihre Seele durchbohren werde, und schließlich von den Sorgen und Entbehrungen der eiligen Flucht nach Ägypten, die vom grausamen Beschluß des Herodes veranlaßt wird. Nach den Ereignissen des verborgenen und des öffentlichen Lebens ihres Sohnes, an denen sie zweifellos mit großer Feinfühligkeit teilnahm, erreichte das Leiden Marias dann auf dem Kalvarienberg, vereint mit dem Leiden Jesu, einen Höhepunkt, wie er schon vom rein menschlichen Standpunkt aus in seiner Größe nur sehr schwer vorstellbar ist, der aber auf geheimnisvolle und übernatürliche Weise ganz gewiß fruchtbar wurde für das Heil der Welt. Dieser Gang zum Kalvarienberg, ihr ,;Stehen“ zu Füßen des Kreuzes zusammen mit dem Lieblingsjünger waren eine völlig einzigartige Teilnahme am Erlösertod des Sohnes, so wie die; Worte, die sie von seinen Lippen vernehmen konnte, gleichsam die feierliche Übergabe dieses besonderen Evangeliums waren, das sie der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen verkündigen sollte. Indem Maria durch ihre Gegenwart Zeugin des Leidens ihres Sohnes wurde und durch ihr Mitleid daran teilhatte, bot sie einen ganz besonderen Beitrag zum Evangelium vom Leiden, indem sie im voraus das Wort des Paulus verwirklichte, das ich zu Beginn zitiert habe. Sie hat tatsächlich ein ganz besonderes Anrecht darauf, von sich sagen zu können, daß sie an ihrem Leib - wie schon in ihrem Herzen - ergänze, was an den Leiden Christi noch fehlt. Im Lichte des unvergleichlichen Beispiels Christi, das sich mit einzigartiger Klarheit im Leben seiner Mutter widerspiegelt, wird das Evangelium vom Leiden durch die Erfahrung und das Wort der Apostel zu einer unerschöpflichen Quelle für die immer neuen Generationen, die in der Geschichte der Kirche einander ablösen. Evangelium vom Leiden besagt nicht nur die Gegenwart des Leidens im Evangelium als eines der Themen der Frohen Botschaft, sondern außerdem die Offenbarung der heilbringenden Kraft und Bedeutung des Leidens im messianischen Sendungsauftrag Christi und auch in der Sendung und Berufung der Kirche. Christus hat seinen Zuhörern die Notwendigkeit des Leidens nicht verborgen. Er sagte ganz klar: „Wer mein Jünger sein will..., nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ An seine Jünger richtete er sittliche Forderungen, die sich nur unter „Selbstverleugnung“ erfüllen lassen. Der Weg, der zum Himmelreich führt, ist „eng und schmal“; Christus stellt ihn dem „breiten und geräumigen“ Weg gegenüber, der jedoch ins Verderben führt. Christus sprach auch mehrmals davon, daß seine 985 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jünger und Bekenner vielfältige Verfolgungen erleiden würden, was bekanntlich nicht bloß in den ersten Jahrhunderten des Lebens der Kirche unter römischer Herrschaft eingetreten ist, sondern in verschiedenen Geschichtsepochen und an verschiedenen Stellen der Erde - auch in unseren Tagen — geschehen ist und noch geschieht. Hier einige Worte Christi zu diesem Thema: „Man wird euch festnehmen und euch verfolgen. Man wird euch um meines Namens willen den Gerichten der Synagogen übergeben, ins Gefängnis werfen und vor Könige und Statthalter bringen. Dann werdet ihr Zeugnis ablegen können. Nehmt euch fest vor, nicht im voraus für eure Verteidigung zu sorgen; denn ich werde euch die Worte und die Weisheit eingeben, so daß alle eure Gegner nicht dagegen ankommen und nichts dagegen sagen können. Sogar eure Eltern und Geschwister, eure Verwandten und Freunde werden euch ausliefern, und manche von euch wird man töten. Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehaßt werden. Und doch wird euch kein Haar gekrümmt werden. Wenn ihr standhaft bleibt, werdet ihr das Leben gewinnen.“ Das Evangelium vom Leiden spricht zunächst an verschiedenen Stellen vom Leiden „für Christus“, „um Christi willen“, und dies mit Jesu eigenen Worten oder auch mit den Worten seiner Apostel. Der Meister verbirgt nicht vor seinen Jüngern und Anhängern die Aussicht auf ein solches Leiden, sondern eröffnet sie ihnen mit allem Freimut, wobei er zugleich auf die übernatürlichen Kräfte hinweist, die ihnen inmitten von Verfolgung und Drangsal „um seines Namens willen“ beistehen werden. Diese werden zugleich ein besonderer Erweis der Ähnlichkeit mit Christus und ihrer Verbundenheit mit ihm sein. „Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat... Aber weil ihr nicht von der Welt stammt, sondern weil ich euch aus der Welt erwählt habe, darum haßt euch die Welt... Der Sklave ist nicht größer als sein Herr. Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen... Das alles werden sie euch um meines Namens willen antun; denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat.“ „Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ Dieses erste Kapitel des Evangeliums vom Leiden, das von den Verfolgungen, von der Drangsal um Christi willen spricht, enthält eine besondere Aufforderung zu Mut und Tapferkeit, die von der Botschaft der Auferstehung getragen ist. Christus hat durch seine Auferstehung die Welt endgültig überwunden; wegen ihrer Beziehung zu Passion und Tod überwand er die Welt zugleich aber auch durch sein Leiden. 986 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ja, das Leiden ist in einzigartiger Weise in jenen Sieg über die Welt einbezogen, der in der Auferstehung offenbar geworden ist. Christus bewahrt an seinem auferstandenen Leib die Wundmale der Kreuzigung an den Händen, den Füßen und an der Seite. Durch die Auferstehung offenbart er die siegreiche Kraft des Leidens und will die Überzeugung von dieser Kraft denen ins Herz senken, die er zu seinen Aposteln auserwählt hat, wie auch denen, die er ständig erwählt und aussendet. Der Apostel Paulus wird sagen: „So werden alle, die in der Gemeinschaft mit Christus Jesus ein frommes Leben führen wollen, verfolgt werden.“ 26. Wenn das erste große Kapitel des Evangeliums vom Leiden im Laufe der Generationen von denen geschrieben wird, die um Christi willen Verfolgungen leiden, so spielt sich daneben im Gang der Geschichte ein anderes großes Kapitel dieses Evangeliums ab. Dieses schreiben all jene, die zusammen mit Christus leiden, indem sie ihre persönlichen menschlichen Leiden mit seinem heilbringenden Leiden vereinen. In ihnen erfüllt sich, was die ersten Zeugen der Passion und Auferstehung über die Teilhabe an den Leiden Christi gesagt und geschrieben haben. In ihnen erfüllt sich also das Evangelium vom Leiden; zugleich schreibt jeder von ihnen an diesem Evangelium gewissermaßen weiter: Er schreibt es und verkündet es der Welt, er verkündet es seiner Umgebung und den Menschen seiner Zeit. Über Jahrhunderte und Generationen hinweg hat sich immer wieder herausgestellt, daß Leiden eine besondere Kraft in sich birgt, die den Menschen innerlich Christus nahebringt, eine besondere Gnade also. Ihr verdanken viele Heilige, wie zum Beispiel der hl. Franziskus, der hl. Ignatius von Loyola u. a., ihre tiefe Umkehr. Frucht einer solchen Umkehr ist nicht nur die Tatsache, daß der Mensch die Heilsbedeutung des Leidens entdeckt, sondern vor allem, daß er im Leiden ein ganz neuer Mensch wird. Er entdeckt gleichsam einen neuen Maßstab für sein ganzes Leben und für seine Berufung. Diese Entdeckung ist eine besondere Bestätigung für die Größe des Geistes, der im Menschen auf unvergleichliche Weise den Leib überragt. Wenn dieser Leib schwerkrank ist und völlig darniederhegt, wenn der Mensch gleichsam unfähig zum Leben und Handeln geworden ist, treten seine innere Reife und geistige Größe um so mehr hervor und bilden eine eindrucksvolle Lehre für die gesunden und normalen Menschen. Diese innere Reife und geistige Größe im Leiden sind gewiß Frucht einer echten Umkehr und eines besonderen Zusammenwirkens mit der Gnade des gekreuzigten Erlösers. Er selbst ist es, der durch seinen Geist der 987 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit, den Tröstergeist, mitten in den menschlichen Leiden wirksam ist. Er verändert gleichsam den Kern des geistlichen Lebens, indem er dem leidenden Menschen einen Platz in seiner Nähe zuweist. Er lehrt- als Meister und Seelenführer - den leidenden Bruder und die leidende Schwester diesen wundersamen Austausch, der sich im Herzen des Erlösungsgeheimnisses vollzieht. An sich ist das Leiden eine Erfahrung von Übel. Christus hat daraus jedoch die festeste Grundlage für das endgültig Gute gemacht, das heißt, für das Gut des ewigen Heiles. Mit seinem Leiden am Kreuz hat Christus die Wurzeln des Übels selbst erreicht: die Wurzeln der Sünde und des Todes. Er hat den Urheber des Bösen, den Satan, und seine dauernde Auflehnung gegen den Schöpfer besiegt. Vor dem leidenden Bruder und der leidenden Schwester erschließt Christus die Horizonte des Gottesreiches und breitet sie schrittweise vor ihnen aus: eine zu ihrem Schöpfer bekehrte Welt, eine von der Sünde befreite Welt, die auf der heilbringenden Macht der Liebe aufbaut. Langsam, aber wirksam führt Christus den leidenden Menschen in diese Welt, in dieses Reich des Vaters ein, und dies gleichsam von der Mitte seines Leidens selbst her. Denn das Leiden kann nicht mit Hilfe einer Gnade von außen, sondern nur von innen her verwandelt und verändert werden. Durch sein eigenes heilbringendes Leiden ist Christus ganz in der Mitte eines jeden menschlichen Leidens zugegen und vermag von dorther mit der Macht seines Geistes der Wahrheit, seines Tröstergeistes, zu wirken. Aber mehr noch: Der göttliche Erlöser will die Seele jedes Leidenden auch durch das Herz seiner heiligsten Mutter erreichen, die von allen als erste und am vollkommensten erlöst worden ist. Gleichsam als Fortführung jener Mutterschaft, die ihm durch den Heiligen Geist das Leben geschenkt hatte, verlieh Christus in seinem Sterben der Jungfrau Maria eine neue Mutterschaft - geistig und allumfassend - über alle Menschen, damit jeder auf seiner Pilgerschaft im Glauben zusammen mit Maria ihm ganz eng verbunden bleibe bis zum Kreuz und jedes Leiden, durch die Kraft dieses Kreuzes erneuert, von einer Schwäche des Menschen zu einer Kraft Gottes werde. Dieser innere Prozeß vollzieht sich jedoch nicht immer auf die gleiche Weise. Oft ist sein Beginn und erster Verlauf mit Schwierigkeiten verbunden. Schon der Ausgangspunkt ist unterschiedlich, verschieden ist die Bereitschaft, die der Mensch bei seinem Leiden zeigt. Man darf jedoch voraussetzen, daß jeder fast immer mit einem typisch menschlichen Protest und mit der Frage nach dem „ Warum“ in sein Leiden eintritt. 988 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein jeder fragt sich nach dem Sinn des Leidens und sucht auf seiner menschlichen Ebene eine Antwort auf diese Frage. Gewiß richtet er diese Frage auch wiederholt an Gott und an Christus. Darüber hinaus kann er nicht übersehen, daß derjenige, an den er seine Frage richtet, auch selbst leidet und ihm vom Kreuz herab, aus der Mitte seines eigenen Leidens her, antworten will. Doch manchmal braucht es Zeit, sogar lange Zeit, bis diese Antwort innerlich wahrgenommen werden kann. Denn Christus antwortet nicht direkt, und er antwortet nicht in abstrakter Weise auf diese Frage des Menschen nach dem Sinn des Leidens. Der Mensch: hört seine rettende Antwort erst, wenn er selbst mehr und mehr an den Leiden Christi teilnimmt. Die Antwort, die er durch diese Teilhabe auf dem Weg der inneren Begegnung mit dem Meister erhält, ist ihrerseits mehr als eine nur abstrakte Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Leidens. Sie ist in der Tat vor allem ein Ruf. Sie ist eine Berufung. Christus erklärt nicht in abstrakter Weise die Gründe des Leidens, sondern sagt vor allem: „Folge mir!“ Komm! Nimm mit deinem Leiden teil an dem Werk der Erlösung der Welt, die durch mein Leiden vollbracht wird! Durch mein Kreuz! Während der Mensch sein Kreuz auf sich nimmt und sich dabei geistig mit dem Kreuz Christi vereint, enthüllt sich vor ihm mehr und mehr der heilbringende Sinn seines Leidens. Der Mensch findet diesen Sinn nicht auf seiner menschlichen Ebene, sondern auf der Ebene des Leidens Christi. Zugleich aber steigt der heilbringende Sinn des Leidens von der Ebene Christi auf die Ebene des Menschen herab und wird gleichsam zu seiner persönlichen Antwort. Nun findet der Mensch in seinem Leiden inneren Frieden und sogar geistliche Freude. 27. Von solcher Freude spricht der Apostel im Kolosserbrief: „Jetzt freue ich mich in den Leiden, die ich für euch ertrage.“ Quelle der Freude wird die Überwindung des Gefühls von der Nutzlosigkeit des Leidens, eines Gefühls, das mitunter sehr stark im menschlichen Leiden verwurzelt ist. Das Leiden verzehrt nicht nur den Menschen innerlich, sondern macht ihn wohl auch zu einer Last für die anderen. Der Mensch sieht sich dazu verurteilt, von den anderen Hilfe und Beistand zu erhalten, und kommt sich selbst zugleich als unnütz vor. Die Entdeckung des heilbringenden Sinnes eines Leidens in Gemeinschaft mit Christus verwandelt dieses niederdrückende Gefühl. Der Glaube an die Teilhabe an den Leiden Christi bringt die innere Gewißheit mit sich, daß der leidende Mensch „ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt“; daß er in der geistlichen Dimension des Erlösungs- 989 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Werkes wie Christus dem Heil seiner Brüder und Schwestern dient. Damit ist er also nicht nur den anderen nützlich, sondern erfüllt zudem noch einen unersetzlichen Dienst. Im Leib Christi, der vom Kreuz des Erlösers her unaufhörlich wächst, ist gerade das vom Opfergeist Christi durchdrungene Leiden der unersetzliche Mittler und Urheber der für das Heil der Welt unerläßlichen Güter. Mehr als alles andere bahnt es der Gnade den Weg, die die menschlichen Seelen verwandelt. Mehr als alles andere läßt es in der Geschichte der Menschheit die Kräfte der Erlösung gegenwärtig werden. In jenem „kosmischen“ Kampf zwischen den geistigen Kräften von Gut und Böse, von dem der Epheserbrief spricht, bilden die mit dem Erlöserleiden Christi verbundenen Leiden des Menschen eine besondere Unterstützung für die Kräfte des Guten, weil sie dem Sieg dieser heilbringenden Kräfte den Weg eröffnen. Darum sieht die Kirche in allen leidenden Brüdern und Schwestern Christi gleichsam vielfältige Träger seiner übernatürlichen Kraft. Wie oft wenden sich die Hirten gerade an sie und suchen bei ihnen Hilfe und Stütze! Das Evangelium vom Leiden wird ununterbrochen geschrieben und spricht ständig mit den Worten dieses seltsamen Paradoxes: Die Quellen göttlicher Macht entspringen gerade inmitten menschlicher Schwachheit. Wer an den Leiden Christi teilhat, bewahrt in seinen Leiden einen ganz besonderen Teil des unendlichen Schatzes der Erlösung der Welt und kann ihn mit den anderen teilen. Je mehr der Mensch von der Sünde bedroht ist, je drückender die Strukturen der Sünde sind, welche die heutige Welt in sich trägt, um so größer ist die Ausdruckskraft, die das menschliche Leiden besitzt, und um so dringender fühlt die Kirche die Notwendigkeit, sich um des Heiles der Welt willen an die menschlichen Leiden zu wenden. VII. Der barmherzige Samariter 28. Zum Evangelium vom Leiden gehört auch in enger Verbindung das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Durch dieses Gleichnis wollte Christus Antwort geben auf die Frage: „Wer ist mein Nächster?“ Denn von den drei Passanten auf der Straße von Jerusalem nach Jericho, wo ein Mann, von Räubern ausgeplündert und niedergeschlagen, halbtot auf der Erde lag, zeigte gerade jener aus Samaria, daß für den Unglücklichen er in Wahrheit der „Nächste“ war. „Nächster“, das will zugleich sagen: derjenige, der das Gebot der Nächstenliebe erfüllte. Zwei andere Männer 990 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kamen ebenfalls diese Straße entlang; einer war ein Priester, der andere ein Levit; aber „beide sahen ihn und gingen weiter“. Der Samariter hingegen „sah ihn und hatte Mitleid. Er ging zu ihm hin, goß Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn“. Und ehe er abreiste, vertraute er dem Wirt fürsorgüch die Pflege des leidenden Mannes an, wobei er sich verpflichtete, die anfallenden Kosten zu bezahlen. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter gehört zum Evangelium vom Leiden. Es zeigt in der Tat, wie die Beziehung eines jeden von uns zu seinem leidenden Nächsten sein sollte. Es ist uns nicht erlaubt, gleichgültig „weiterzugehen“, sondern wir müssen bei ihm „stehenbleiben“. Ein barmherziger Samariter ist jeder Mensch, der vor dem Leiden eines Mitmenschen, was auch immer es sein mag, innehält. Dieses Innehalten bedeutet nicht Neugier, sondern Bereitschaft. Es öffnet sich gleichsam eine gewisse innere Bereitschaft des Herzens, die auch ihren emotionalen Ausdruck hat. Ein guter Samariter ist jeder Mensch, der für das Leiden des anderen empfänglich ist, der Mensch, der beim Unglück des Nächsten „Mitleid empfindet“. Wenn Christus, der das Innere des Menschen kennt, diese Gefühlsregung hervorhebt, will er damit sagen, daß sie für unser ganzes Verhalten dem Leiden des anderen gegenüber wichtig ist. Wir müssen also in uns jene Empfindsamkeit des Herzens pflegen, wie sie das Mitleid für einen Leidenden bezeugt. Manchmal bleibt dieses Mitleid der einzige oder der wichtigste Ausdruck unserer Liebe zu einem leidenden Menschen und der Solidarität mit ihm. Doch der barmherzige Samariter im Gleichnis Christi bleibt nicht bei Mitgefühl und Mitleid stehen. Sie werden für ihn Ansporn zu einem Handeln, das dem verletzten Menschen Hilfe bringen soll. Ein barmherziger Samariter ist also letztlich, wer Hilfe im Leiden bringt, wie beschaffen auch immer es sein mag. Wirksame Hilfe, soweit es möglich ist. Dafür setzt er sein Herz ein; doch er spart auch nicht mit materiellen Mitteln. Man kann sagen, er gibt sich selbst, sein eigenes „Ich“, indem er dieses „Ich“ dem anderen öffnet. Wir berühren hier einen der Schlüsselpunkte der ganzen christlichen Anthropologie. Der Mensch kann „sich selbst nur durch die aufrichtige Hingabe seiner selbst vollkommen finden“. Ein barmherziger Samariter ist der zu dieser Selbsthingabe fähige Mensch. 29. Dem Gleichnis des Evangeliums zufolge könnte man sagen, daß das Leiden, welches unter so vielen verschiedenen Formen in unserer Menschenwelt vorhanden ist, auch dazu dienen soll, im Menschen die Liebe zu 991 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wecken, eben jene uneigennützige Hingabe des eigenen „Ich“ zugunsten der anderen, der leidenden Menschen. Die Welt des menschlichen Leidens fordert sozusagen unaufhörlich eine andere Welt: die Welt der menschlichen Liebe; und jene uneigennützige Liebe, die in seinem Herzen und in seinem Handeln erwacht, verdankt der Mensch in gewissem Sinne dem Leiden. Der Mensch als „Nächster“ kann im Namen der grundlegenden menschlichen Solidarität und erst recht im Namen der Nächstenliebe nicht gleichgültig am Leiden des anderen vorübergehen. Er muß „innehalten“, „Mitleid haben“ und handeln wie der Samariter im Gleichnis des Evangeliums. Das Gleichnis bringt eine zutiefst christliche, zugleich aber ganz allgemein menschliche Wahrheit zum Ausdruck. Nicht ohne Grund wird auch in der Alltagssprache jede Tat zugunsten von leidenden und hilfsbedürftigen Menschen als Werk „eines barmherzigen Samariters“ bezeichnet. Diese Tätigkeit nimmt im Laufe der Jahrhunderte institutionell organisierte Formen an und bildet einen eigenen Arbeitsbereich in verschiedenen Berufszweigen. Wie sehr entsprechen doch die Berufe des Arztes, der Krankenschwester oder ähnliche der Tat des „barmherzigen Samariters“. Im Hinblick auf den darin verborgenen „evangelischen Gehalt“ sind wir geneigt, hierbei mehr an eine Berufung als an einen bloßen Beruf zu denken. Die Institutionen, die im Lauf der Generationen einen „Samari-ter“-Dienst leisteten, .haben in unserer Zeit eine noch stärkere Entwicklung und Spezialisierung erfahren. Das beweist ohne Zweifel, daß der heutige Mensch mit immer mehr Aufmerksamkeit und mit geschärftem Blick vor den Leiden des Nächsten innehält und sie immer besser zu verstehen oder sogar zu verhüten sucht. Er besitzt auf diesem Gebiet auch eine immer größere Fähigkeit und Spezialisierung. Wenn wir das alles betrachten, können wir sagen, das Gleichnis vom Samariter im Evangelium ist ein wesentlicher Bestandteil sittlicher Kultur und menschlicher Zivilisation schlechthin geworden. Und wenn wir an all die Menschen denken, die durch ihr Wissen und ihre Fähigkeiten dem leidenden Nächsten vielfältige Dienste leisten, müssen wir ihnen Worte der Anerkennung und Dankbarkeit aussprechen. Diese Worte schließen alle ein, die ihren Dienst am leidenden Nächsten in uneigennütziger Weise vollbringen, indem sie sich freiwillig zur Hilfeleistung nach Art des „barmherzigen Samariters“ zur Verfügung stellen und diesem Anliegen alle Zeit und Kraft widmen, die ihnen neben ihrer beruflichen Arbeit noch zur Verfügung stehen. Eine solche spontane Tätigkeit nach Art des „barmherzigen Samariters“ oder karitative Tätigkeit kann ein sozialer Dienst genannt werden; sie läßt sich aber auch als 992 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Apostolat bezeichnen, und zwar immer dann, wenn sie Motiven entspringt, die eindeutig auf das Evangelium zurückgehen, und besonders, wenn sie in Verbindung mit der Kirche oder einer anderen christlichen Gemeinschaft geschieht. Die freiwillige Tätigkeit als „barmherziger Samariter“ wird in entsprechenden Gruppen oder in zu diesem Zweck geschaffenen Organisationen verwirklicht. In solcher Form zu wirken ist sehr wichtig, besonders wenn es darum geht, größere Aufgaben zu übernehmen, die Zusammenarbeit und den Einsatz technischer Mittel erfordern. Nicht weniger wertvoll ist auch die Tätigkeit des einzelnen, besonders der Personen, die jeweils am besten auf die verschiedenen Arten menschlichen Leidens eingestellt sind, denen nur individuell und persönlich Hilfe gebracht werden kann. Familienhilfe schließlich umfaßt die Taten der Nächstenliebe, die den Angehörigen der eigenen Familie erwiesen werden, wie auch die gegenseitige Hilfe der Familien untereinander. Es ist kaum möglich, hier sämtliche Arten und die verschiedenen Bereiche von „Samariter“-Tätigkeit aufzuzählen, die es in Kirche und Gesellschaft gibt. Man muß anerkennen, daß sie sehr zahlreich sind, und sich darüber freuen, daß hierdurch die sittlichen Grundwerte, wie die Werte der menschlichen Solidarität und der christlichen Nächstenliebe das Bild des sozialen Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen formen und sich auf diesem Feld nachdrücklich gegen die verschiedenen Formen des Hasses, der Gewalt, der Grausamkeit, der Verachtung des Menschen oder auch der bloßen Gefühllosigkeit, der Gleichgültigkeit dem Nächsten und seinen Leiden gegenüber wenden. Außerordentliche Bedeutung kommt hier den richtigen Haltungen zu, die in der Erziehung zum Tragen kommen sollen. Familie und Schule sowie die anderen Erziehungseinrichtungen müssen, schon allein aus humanitären Gründen, beharrlich auf die Weckung und Schärfung jener Feinfühligkeit gegenüber dem Nächsten und seinem Leiden hinwirken, zu deren Symbol die Gestalt des Samariters aus dem Evangelium geworden ist. Dasselbe muß natürlich die Kirche tun, indem sie sich, wenn möglich, noch tiefer mit den Motiven befaßt, die Christus in seinem Gleichnis und im ganzen Evangelium niedergelegt hat. Die Botschaft des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter wie auch des ganzen Evangeliums ist vor allem folgende: Der Mensch muß sich in erster Person dazu aufgerufen fühlen, die Liebe im Bereich des Leidens zu bezeugen. Institutionen sind sehr wichtig und unentbehrlich; doch keine Institution vermag von sich aus das menschliche Herz, das menschliche Mitleid, die menschliche Liebe, die menschliche Initiative zu ersetzen, 993 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wenn es darum geht, dem Leiden des anderen zu begegnen. Das gilt für die körperlichen Leiden, aber noch mehr, wenn es sich um die vielfältigen moralischen Leiden handelt; vor allem, wenn die Seele leidet. 30. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter, das, wie gesagt, zweifellos zum Evangelium vom Leiden gehört, durchzieht zusammen mit diesem die Geschichte der Kirche und des Christentums, die Geschichte des Menschen und der Menschheit. Es beweist, daß die Offenbarung Christi von der Heilsbedeutung des Leidens sich in keiner Weise mit einer passiven Haltung gleichsetzen läßt. Ganz im Gegenteil. Das Evangelium ist die Verneinung von Passivität gegenüber dem Leiden. In diesem Bereich ist Christus selbst vor allem aktiv. Auf diese Weise verwirklicht er das messianische Programm seiner Sendung nach den Worten des Propheten: „Der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.“ Christus erfüllt dieses messianische Programm seiner Sendung über alle Maßen: Er zieht umher, „um Gutes zu tun“, und das Gute seiner Werke leuchtet vor allem angesichts menschlicher Leiden auf. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter steht in tiefstem Einklang mit dem Verhalten Christi selbst. Dieses Gleichnis findet schließlich wegen seines wesentlichen Inhalts Eingang in die ergreifenden Worte über das Weltgericht, die Matthäus in seinem Evangelium anführt: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich I besucht.“ Den Gerechten, die fragen, wann sie ihm denn all das getan hätten, wird der Menschensohn antworten: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Der umgekehrte Spruch wird jene treffen, die sich anders verhalten haben: „Was ihr für einen dieser Geringsten nicht getan habt, das habt ihr auch mir nicht getan.“ Man könnte die Aufzählung der Leiden, die menschliches Mitleid und Hilfe gefunden haben oder auch nicht, gewiß noch verlängern. Die beiden Teile der Botschaft Christi vom Weltgericht weisen eindeutig darauf hin, wie wesentlich es für jeden Menschen im Hinblick auf sein ewiges Leben 994 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist, „innezuhalten“ - wie der barmherzige Samariter es tat - beim Leiden des Nächsten, „Mitleid“ mit ihm zu haben und schließlich ihm zu helfen. Im messianischen Programm Christi, zugleich Programm für das Reich Gottes, ist das Leiden dafür in der Welt, um Liebe zu wecken, um Werke der Nächstenhebe zu veranlassen und die gesamte menschliche Zivilisation in eine „Zivilisation der Liebe“ zu verwandeln. In dieser Liebe verwirklicht sich die Heilsbedeutung des Leidens bis ins letzte und erreicht ihre endgültige Dimension. Die Worte Christi über das Weltgericht lassen uns das mit der ganzen Schlichtheit und Klarheit des Evangeliums verstehen. Diese Worte über die Liebe, über die Werke der Liebe in Verbindung mit dem menschlichen Leiden lassen uns noch einmal am Grunde aller menschlichen Leiden das erlösende Leiden Christi entdecken. Christus sagt: „. . . das habt ihr mir getan.“ Er selber ist es, der in einem jeden die Liebe erfährt; er selber ist es, der die Hilfe empfängt, wenn diese ausnahmslos jedem Leidenden gewährt wird. Er selber ist in diesem Leidenden gegenwärtig; denn sein heilbringendes Leiden wurde ein für allemal jedem menschlichen Leiden geöffnet. Und alle, die leiden, sind ein für allemal dazu berufen, „Anteil an den Leiden Christi zu haben.“ So wie alle dazu berufen wurden, durch ihr eigenes Leiden „zu ergänzen, was an den Leiden Christi noch fehlt“. Christus hat zugleich den Menschen gelehrt, durch das Leiden Gutes zu wirken und dem Gutes zu tun, der leidet. In diesem doppelten Aspekt hat er den Sinn des Leidens bis zum letzten enthüllt. VIII. Schluß 31. Das ist der wahrhaft übernatürliche und zugleich menschliche Sinn des Leidens. Er ist übernatürlich, weil er im göttlichen Geheimnis der Erlösung der Welt wurzelt, und ist andererseits zutiefst menschlich, weil der Mensch in ihm sich selbst, sein Menschsein, seine Würde, seine Sendung wiederfindet. Das Leiden gehört gewiß zum Geheimnis des Menschen. Aber vielleicht ist jenes nicht so stark wie er selber von diesem Geheimnis umgeben, das besonders undurchdringlich ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die Wahrheit zum Ausdruck gebracht, daß „sich nur im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes das Geheimnis des Menschen wahrhaft aufklärt ... Denn Christus, der neue Adam, macht eben in der Offenbarung 995 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Geheimnisses des Vaters und seiner Liebe dem Menschen den Menschen selbst voll kund und erschließt ihm seine höchste Berufung“. Wenn sich diese Worte auf alles beziehen, was das Geheimnis des Menschen ausmacht, dann gewiß in ganz besonderer Weise auf das menschliche Leiden. Gerade in diesem Punkt ist es besonders notwendig, „den Menschen dem Menschen kundzumachen und ihm seine höchste Berufung zu erschließen“. Es kann auch Vorkommen - wie die Erfahrung zeigt -, daß dies besonders dramatisch ist. Wenn es jedoch bis auf den Grund geschieht und dann zum Licht eines menschlichen Lebens wird, ist es auch in besonderer Weise beglückend. „Durch Christus und in Christus also wird das Rätsel von Schmerz und Tod hell.“ Wir beschließen die vorliegende Betrachtung über das Leiden in dem Jahr, in welchem die Kirche das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung feiert. Das Geheimnis der Erlösung der Welt ist auf wunderbare Weise im Leiden verwurzelt, und dieses findet seinerseits in jenem Geheimnis seinen höchsten und sichersten Bezugspunkt. Wir wollen dieses Jahr der Erlösung in besonderer Verbundenheit mit allen Leidenden leben. Darum sollen unter dem Kreuz auf Kalvaria in geistiger Weise alle Leidenden Zusammenkommen, die an Christus glauben, vor allem jene, die gerade wegen ihres Glaubens an den Gekreuzigten und Auferstandenen zu leiden haben: Das Opfer ihrer Leiden soll uns der Erfüllung der Gebete des Heilands für die Einheit aller näherbringen. Dorthin sollen alle Menschen guten Willens kommen; denn am Kreuz hängt der „Erlöser des Menschen“, der Mann der Schmerzen, der die leiblichen und moralischen Leiden der Menschen aller Zeiten auf sich genommen hat, damit sie in der Liebe den heilbringenden Sinn ihres Schmerzes und gültige Antworten auf alle ihre Fragen finden können. Zusammen mit Maria, der Mutter Christi, die unter dem Kreuz stand, halten wir an allen Kreuzen des heutigen Menschen inne. Wir rufen alle Heiligen an, die im Laufe der Jahrhunderte auf besondere Weise an den Leiden Christi teilgehabt haben. Wir bitten sie um ihren Beistand. Und wir bitten euch alle, die ihr leidet, uns zu unterstützen. Gerade euch, die ihr schwach seid, bitten wir, zu einer Kraftquelle für die Kirche und für die Menschheit zu werden. Möge in dem schrecklichen Kampf zwischen den Kräften des Guten und des Bösen, der sich vor uns in der heutigen Welt abspielt, euer Leiden in Einheit mit dem Kreuze Christi siegen! Euch allen, liebe Brüder und Schwestern, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. 996 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gegeben zu Rom bei St. Peter, am liturgischen Gedenktag Unserer Lieben Frau in Lourdes, dem 11. Februar 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikates. Anmerkungen 1 Kol 1, 24. 2 Ebd. 3 Röm 8, 22. 4 Vgl. Nr. 14; 18; 21: AAS 71 (1979) 284 f.; 304; 320; 323. 5 Wie Hiskija sie durchlitt (vgl. Jes 38, 1-3). 6 Wie Hagar ihn befürchtete (vgl. Gen 15-16), wie Jakob ihn in Gedanken sah (vgl. Gen 37, 33-35), wie David ihn erleben mußte (vgl. 2 Sam 19, 1). 7 Wie Hanna, die Frau des Tobit, ihn befürchtete (vgl. Tob 10, 1-7); vgl. auch Jer 6, 26; Am 8, 10; Sach 12, 10. 8 Das war die Prüfung des Abram (vgl. Gen 15, 2), der Rahel (vgl. Gen 30, 1) oder der Hanna, der Mutter des Samuel (vgl. 1 Sam 1, 6-10). 9 So die Klage der Verbannten in Babylon (vgl. Ps 137). 10 Wie sie zum Beispiel der Psalmist (vgl. Ps 22, 17-21) oder Jeremia (vgl. Jer 18, 18) ertragen mußten. 11 Dies war eine der Prüfungen des Ijob (vgl. Ijob 19, 18; 30, 1. 9), einiger Psalrnisten (vgl. Jer 20, 7), des leidenden Gottesknechtes (vgl. Jes 53, 3). 12 Dies war ein weiteres Leiden für einige Psalrnisten (Ps22, 2-3; 31, 13; 38, 12; 88, 9. 19), für Jeremia (vgl. Jer 20, 7), für den leidenden Gottesknecht (vgl. Jes 53, 3). 13 So beim Psalrnisten (vgl. ft 51, 5), bei den Zeugen der Leiden des Gottesknechtes (vgl. Jes 53, 3-6), beim Propheten Sacharja (vgl. Sach 12, 10). 14 Dies empfanden sehr heftig der Psalmist (vgl. Ps 73, 3-14) und Kohelet (vgl. Koh 4,1-3). 15 Das war ein Leid für Ijob (vgl. Ijob 19, 19), für einige Psalrnisten (vgl. Ps 41, 10; 55, 13-15), für Jeremia (vgl. Jer 20, 10); und Jesus Sirach meditierte darüber (vgl. Sir 37, 1-6). 16 Außer zahlreichen Stellen in den Klageliedern des Jeremia vgl. die Klagen,der Psalrnisten (vgl. 44, 10-17; 77, 3-11; 79, 11; 89, 51) oder der Propheten (vgl. Jes 22,4; Jer 4, 8; 13, 17; 14, 17-18; ft 9, 8; 21, 11-12); vgl. auch die Gebete des Asarja (vgl. Dan 3, 31-40) und des Daniel (vgl. Dan 9, 16—19). 17 Z.B. Jes 38, 13; Jer 23, 9; Ps 31, 10-11; 42, 10-11. 18 Z.B. Ps 73, 21; Ijob 16, 13; Klgl 3, 13. 19 Z.B. Klgl 2, 11. 20 Z.B. Jes 16, 11; Jer 4, 19; Ijob 30, 27; Klgl 1, 20. 21 Z.B. 1 Sam 1, 8; Jer 4, 19; 8, 18; Klgl 1, 20-22; Ps 38, 9. 11. 997 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 22 In diesem Zusammenhang muß man bedenken, daß die hebräische Wurzel r” alles bezeichnet, was übel ist, im Gegensatz zu allem, was gut (töb) ist, ohne dabei einen körperlichen, seelischen oder moralischen Sinn zu unterscheiden. Sie findet sich in der substantivischen Form ra’ und ra'a, die unterschiedslos das Übel in sich, die schlechte Handlung selbst oder den, der sie vollbringt, bezeichnet. An verbalen Formen finden sich außer der einfachen Form (qal), die in verschiedener Weise das „Übel sein“ ausdrückt, die reflex-passive Form (niphal) „ein Übel erleiden“, „vom Übel getroffen sein“ und die kausative Form (hiphil) „Übles tun“, „jemandem Übles zufügen“. Weil im Hebräischen eine wirkliche Entsprechung zum griechischen Wort Jtdoxtü = „ich leide“ fehlt, kommt dieses Wort auch nur selten in der Septuaginta vor. 23 Dan 3, 27f.; vgl. Ps 19, 10; 36, 7; 48, 12; 51, 6; 99, 4; 119, 75; Mal?,, 16-21; Mt20, 16; Mk 17, 34; Joh 5, 30; Röm 2, 2. 24 Ijob 4, 8. 25 Ijob 1,9-11. 26 2 Mak 6, 12. 27 Joh 3, 16. 28 Ijob 19, 25-26. 29 Joh 1,. 29. 30 Gen 3, 19. 31 Joh 3, 16. 32 Apg 10, 38. 33 Vgl. Mt 5, 3-11. 34 Vgl. Lk 6, 21. 35 Mk 10, 33-34. 36 Vgl. Mt 16, 23. 37 Mt 26, 52. 54. 38 Joh 18, 11. ' 39 Joh 3, 16. 40 Gal 2, 20. 41 Jes 53, 2-6. 42 Joh 1, 29. 43 Jes 53, 7-9. 44 Vgl. 1 Kor 1, 18. 45 Mt 26, 39. 46 Mt 26, 42. 47 Ps 22, 2. 48 Jes 53, 6. 49 2 Kor 5, 21. 50 Joh 19, 30. 51 Jes 53, 10. 52 Vgl. Joh 7, 37-38. 53 Jes 53, 10-12. 54 Ijob 19, 25. 55 1 Petr 1, 18-19. 56 Gail, 4. 57 1 Kor 6, 20. 58 2 Kor 4, 8-11. 14. 59 2 Kor 1, 5. 60 2 Thess 3, 5. 998 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 61 Röm 12, 1. 62 Gal 2, 19-20. 63 Gal 6, 14. 64 Pfo7 3, 10. 11. 65 Apg 14, 22. 66 2 Thess 1, 4-5. 67 tföm 8, 17-18. 68 2 Kor 4, 17-18. 69 1 Petr 4, 13. 70 Lk 23, 34. 71. Mr10, 28. 72 2 Kor 12, 9: 73 2 Tim 1, 12. 74 Phil 4, 13. 75 1 Petr 4, 16. 76 Röm 5, 3-5. 77 Vgl. M/t 8, 35; Lk 9, 24; Joh 12, 25. 78 Ko/1, 24. 79 1 Kor 6, 15. 80 Joh 3, 16. 81 Lk 9, 23. 82 Vgl. L/t 9, 23. 83 Vgl. Mt 7, 13-14. 84 Lk 21, 12-19. 85 Joh 15, 18-21. 86 Joh 16, 33. 87 2 Tim 3, 12. 88 Kol 1,24. 89 Vgl. Eph 6, 12. 90 Lk 10, 29. 91 Lk 10, 33-34. 92 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 24. 93 Lk 4, 18-19; vgl. Jes 61, 1-2. 94 Apg 10, 38. 95 Mt 25, 34-36. 96 Mt 25, 40. 97 Mt 25, 45. 98 1 Petr 4, 13. 99 Kol 1, 24. 100 II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 22. 101 Ebd. 102 Vgl. Joh 17, 11. 21-22. 103 Vgl. Joh 19, 25. 999 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Euer Leid hat unschätzbaren Wert“ Ansprache an die Teilnehmer der Behindertenwallfahrt „Sonnenzug“ aus dem Erzbistum München und Freising am 17. Februar Liebe Brüder und Schwestern! Es ist mir eine besondere Freude, eure Pilgergruppe des „Sonnenzuges“ aus der Erzdiözese München und Freising im Jubiläumsjahr der Erlösung in dieser Sonderaudienz begrüßen zu können. Ich heiße euch alle herzlich willkommen, besonders die lieben Kranken in ihren Betten und Rollstühlen. Manche von euch habe ich vielleicht schon im November 1980 bei meinem Besuch im Münchner Liebfrauendom getroffen. Ich erinnere mich noch gern an jene brüderliche Begegnung. Gerade im jetzigen Heiligen Jahr, in dem wir in Dankbarkeit unserer Erlösung durch Christi Tod und Auferstehung gedenken, steht ihr mit eurem Kreuz und Leid meinem Herzen besonders nahe. Erst kürzlich habe ich eurem Lebensschicksal als Kranke und Behinderte und eurer Berufung, die sich für euch daraus ergibt, ein eigenes Apostolisches Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens gewidmet. Darin ermutige ich euch, euer schweres Los vor allem mit den Augen des Glaubens zu sehen. Was dem ungläubigen Menschen als ein tragisches Unglück erscheint, kann für den gläubigen Christen zu einer sehr sinnvollen und lebenserfüllenden Aufgabe in der Kirche und der menschlichen Gesellschaft werden. Wer in der Verbundenheit mit Christus sein Leiden gläubig annimmt und trägt, schöpft daraus nicht nur innere Kraft und Zuversicht, sondern ergänzt auch nach den Worten des hl. Paulus durch sein Leiden, was an den Leiden Christi noch fehlt. Möge diese Jubiläumswallfahrt in die Ewige Stadt euch eures Glaubens froh machen und dazu ermutigen, eure Prüfungen und Leiden noch inniger mit dem Erlöserleiden Christi zu vereinen. Dadurch erhält gerade euer durch Krankheit und Mißgeschick behinderte Leben in den Augen Gottes für das Heilswirken der Kirche und die Erlösung der Menschheit einen unschätzbaren Wert. Ein Wort besonderer Anerkennung gebührt den Veranstaltern dieses „Sonnenzuges“, den Verantwortlichen des katholischen Caritasverbandes der Erzdiözese München und Freising, die immer wieder ihre Kraft dafür einsetzen, mit diesen Fahrten vielen Behinderten die Sonne der Freude durch erlebte christliche Nächstenhebe in ihren schweren Alltag zu bringen. 1000 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufrichtig danke ich allen, die diese Jubiläumswallfahrt und alljährlich den „Sonnenzug“ innerhalb eines Großeinsatzes als Ärzte, Krankenschwestern und Helfer betreuen und mit Liebe den Kranken und Behinderten nach Art des barmherzigen Samariters dienen. Viele verzichten sogar auf einen Teil ihres Urlaubs, um an dieser lobenswerten Initiative im Dienst am leidenden Nächsten teilzunehmen. Eine solche spontane karitative Tätigkeit ist nicht nur ein sozialer Dienst, sondern kann als wirkliches Apostolat im Geist des Evangeliums bezeichnet werden. Euch und auch allen Lesern der Münchner Katholischen Kirchenzeitung, die durch ihre großherzigen Spenden nun schon zum zwanzigsten Mal diese vorbildliche Aktion christlicher Nächstenliebe ermöglicht haben, sage ich - wie ihr es in eurer bayerischen Heimat so gern zu tun pflegt -ein herzliches Vergelt’s Gott! Ohne euch wären eure behinderten Brüder und Schwestern nicht hier. Ihr habt ein Zeichen gesetzt, ein Zeichen christlicher Caritas, ein Zeichen der Bruderliebe, das zur Nachahmung einlädt. Mit besten Wünschen für schöne und geistlich fruchtbare Tage hier im Zentrum der katholischen Christenheit erbitte ich euch allen, besonders den lieben Kranken und Behinderten, reiche Gnaden des Jubiläumsjahres der Erlösung für euren weiteren Lebensweg in Glaube, Hoffnung und Liebe und erteile euch und euren Lieben in der Heimat von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Eine zeitlose Botschaft lebendigen Christentums Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Künstler in der römischen Basilika Santa Maria sopra Minerva am 18. Februar 1. „Ich will dir vor den Engeln singen und spielen“ (Ps 138,1). Bei dieser liturgischen Feier wollen wir einen Mann ehren, dem man den Beinamen „Angelico“, „der Engelgleiche“, gab. Und sein Leben war-in voller Übereinstimmung mit seinem Beinamen - ein außergewöhnlicher „Gesang an Gott“: „ein Gesang vor den Engeln“. ! Sein ganzes Leben war ein Gesang zur Ehre Gottes, den er wie einen Schatz im Innersten seines Herzens trug und in seinen Kunstwerken zum Ausdruck brachte. Fra Angelico ist ein außergewöhnlicher Ordensmann 1001 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Künstler im Gedächtnis der Kirche und in der Kulturgeschichte geblieben. Als geistlicher Sohn des hl. Dominikus malte er seine Summa der göttlichen Geheimnisse, so wie sie der hl. Thomas von Aquin in der Sprache des Theologen verkündete. In seinen Werken sind es die Formen und die Farben, die „sich niederwerfen zum heiligen Tempel Gottes hin“ (vgl. Ps 138,2) und seinem Namen auf besondere Weise danken und huldigen. Der einzigartige mystische Zauber, der von der Malerei Fra Angelicos ausgeht, läßt uns verzückt innehalten vor dem Genius, der das geschaffen hat, und mit dem Psalmisten ausrufen: „Lauter Güte ist Gott für die Gerechten, für alle Menschen mit reinem Herzen!“ (Ps 73,1). 2. Wenn wir auf den Beato Angelico schauen, sehen wir ein Lebensmodell, in dem sich die Kunst als ein Weg darstellt, der zur christlichen Vollkommenheit führen kann: Er war ein vorbildlicher Ordensmann und ein großer Künstler. Fra Giovanni aus Fiesoie, der wegen seines vorzüglichen Charakters und der Schönheit seiner Gemälde den Beinamen „Angelico“ erhielt, war ein Priester-Künstler, der die Beredsamkeit des Gotteswortes in Farben zu übersetzen verstand. Aus seinem Elternhaus nahm er einen reinen und starken Glauben mit, und vom Dominikanerorden, in den er im Jahr 1420 eintrat, erhielt er eine gründliche Kenntnis der heiligen Lehre und den Antrieb, das Geheimnis der Erlösung durch den priesterlichen Dienst und die Malerei zu verkündigen. Dadurch, daß er sich dem Herrn weihte, gelang es dem Beato Angelico, mehr Mensch zu sein, nicht nur mit den anderen, sondern auch für die anderen; seine Werke sind eine zeitlose Botschaft lebendigen Christentums und zugleich eine höchst menschliche Botschaft, gegründet auf die übermenschliche Kraft der Religion, dank derer jeder Mensch, der mit Gott und seinem Geheimnis in Berührung kommt, ihm wieder ähnlich wird in Heiligkeit, Schönheit, Glückseligkeit; ein Mensch also, ganz den ursprünglichen Plänen seines Schöpfers entsprechend (vgl. Pius XII., AAS 1955, S. 289). Er hat die grundlegende organische Verbindung von Christentum und Kultur, Mensch und Evangelium in seinem Leben verwirklicht. In ihm ist der Glaube Kultur und die Kultur gelebter Glaube geworden. Er war ein Ordensmann, der es verstanden hat, mit den Mitteln der Kunst die Werte weiterzugeben, die die Grundlage christlicher Lebens- und Verhaltensweise bilden. Er war ein Prophet der religiösen Darstellung: Indem er aus 1002 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Mysterien des Glaubens seine Inspiration schöpfte, vermochte er die Gipfel der Kunst zu erreichen (vgl. Pius XII., AAS 1955, S. 285). In ihm wird die Kunst zum Gebet. Mit der Eucharistiefeier zu Ehren von Fra Giovanni da Fiesoie wollte ich die christliche Vollkommenheit des großen Malers, des wirksamen und aufrichtigen Erneuerers der künstlerischen Spiritualität, würdigen, doch ich wollte auch Zeugnis geben von dem tiefen Interesse der Kirche am Fortschritt der Kultur und Kunst und am fruchtbaren Dialog mit ihnen. 3. In dieser römischen Basilika Santa Maria sopra Minerva, die das Grab des Beato Angelico birgt und neben dem Kloster steht, in dem er das Ende seines irdischen Lebens am 18. Februar 1455 erwartete, habt ihr, liebe Künstlerfreunde, denen Fra Angelico besonders teuer ist, euch heute abend eingefunden. Ganz herzlich begrüße ich euch als Vertreter der vielfältigen und faszinierenden Ausdrucksformen der Kunst. Meine herzlichen Grüße gelten euch Architekten, die ihr den instinktiven Sinn für Proportion und Raumgefühl besitzt; euch Bildhauern und Malern, Künstlern der plastischen Gestaltung und der Farben; ihr seid mit den Künstlern des Gesangs, der Musik, des Tanzes und des Schauspiels zusammengekommen, um euch zu integrieren in ein Konzert menschlicher und geistlicher Werte für die Gesellschaft von heute; sie gelten euch Dozenten an den Akademien und Hochschulfakultäten, Leitern internationaler Kunstinstitute, Direktoren der Museen, Pinakotheken und Galerien; kurz, allen, die ihr zu jener Welt der Kultur gehört, in der die künstlerischen Erscheinungen entstehen und sich verbreiten. Allen sage ich: „Als Freunde der wahren Kunst seid ihr;auch unsere Freunde.“ Wenn ich diesen Satz der Konzilsväter in der Botschaft an die Künstler wiederhole, so beziehen meine von Wertschätzung und Bewunderung erfüllten Gedanken jeden menschlichen Geist ein, der das Schöne liebt, wie auch die gesamte Welt der Künstler nicht nur Roms und Italiens, sondern aller Kontinente. Einen besonderen Gruß aber will ich noch an die Herren Kardinäle und an die Brüder im Bischofs- und Priesteramt richten, die an dieser Eucharistiefeier teilnehmen. Außerdem freue ich mich über die Anwesenheit angesehener Persönlichkeiten, besonders des Herrn Ministers für die Kulturgüter Italiens; sie alle haben sich für den Anlaß dieser Begegnung aufgeschlossen gezeigt. Schließlich gilt mein ehrerbietiger Gruß auch dem Ordensmeister Pater Damian Byrne und der dominikanischen Ordensfamilie. 1003 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Als Bischof von Rom möchte ich meiner aufrichtigen Freude darüber Ausdruck geben, daß ich in dieser Basilika, die so sehr mit den Traditionen des Predigerordens verbunden ist, am Jahrestag der Geburt eines berühmten Dominikaners die heilige Eucharistie feiern darf. Noch größer aber ist meine Freude darüber, daß die heutige Begegnung auch die Feier der Künstler anläßlich des Heiligen Jahres der Erlösung ist. Zum Abschluß dieser Woche, die gekennzeichnet war durch zahlreiche religiöse, kulturelle und künstlerische Initiativen, die ehrlichen Beifall verdienen, seid ihr, liebe Künstlerfreunde, zu eurer Feier des Jubiläumsjahres hier zusammengekommen. In diesem Heiligen Jahr suchen nicht nur die Einzelpersonen, sondern auch die verschiedenen Gruppen und Kreise ihre „persönliche Rolle“ an dem außerordentlichen Jubiläumsjahr der Kirche zu entdecken, indem sie sich fragen: Welche Beziehung hat das Erlösungswerk Christi zu unserem Leben, unserer Berufung, unserem Beruf? Die Künstler stellen sich diese Frage, während sie sich um die Gestalt Fra Angelicos versammeln. Und sie tun das mit Recht. Denn das gesamte Werk dieses Künstlers Gottes entwickelt sich aus der Tiefe des Geheimnisses der Erlösung, aus seinem göttlich-menschlichen Reichtum. 5. Welche Beziehung hat die Berufung und das Schaffen des Künstlers zur Botschaft des Jubiläumsjahres der Erlösung? Wir wollen, den Texten der heutigen Liturgie folgend, auf den Spuren des Beato Angelico nach der Antwort auf diese Frage suchen. Wenden wir uns also der Heiligen Schrift zu, die die wichtigste Inspirationsquelle für Fra Angelico war. Übrigens nicht nur für ihn. Für wie viele Künstler in der Kulturgeschichte hat sich diese Inspirationsquelle in ihrem wahrhaft unerschöpflichen Reichtum erschlossen! So war es in den Kulturepochen der Vergangenheit, und so ist es in unserer Zeit. Und aus derselben Quelle schöpfend, antwortet jede Epoche auf ihre Inspiration -den immer neuen Aufgaben entsprechend - mit der ganzen Fülle und Vielfalt der Stilform und Künstlerschulen in Literatur, Malerei, Bildhauerei, Musik und Theater. Wort Gottes: eine Quelle der Inspiration Für den Beato Angelico war das Wort Gottes in seinem Leben und in seinem kreativen Schaffen Quelle der Inspiration, in deren Licht er seine Werke schuf und vor allem auch er selbst wurde, indem er seine einzigarti- 1004 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen natürlichen Anlagen entwickelte und damit auf die göttliche Gnade antwortete. 6. Diese Kreativität stellte eine besondere Fülle jenes „Lebens, das vom Geist bestimmt ist“, dar (vgl. Röm 8,5), von dem der Apostel Paulus im Römerbrief spricht (erste Lesung). Dem Geiste entsprechend leben soll heißen: „Nach dem trachten, was zum Geist gehört“ (ebd.). Das Trachten des Geistes „führt zum Leben und Frieden“ {ebd., 8,6). Zum Unterschied vom „Trachten des Fleisches“ „unterwirft es sich dem Gesetz Gottes“ (vgl. ebd., 8,7) und befähigt den Menschen zu einer solchen Unterwerfung. Wenn sich der menschliche Geist dem Gesetz Gottes, das heißt der Wahrheit, unterwirft, wird er schöpferisch und zugleich empfänglich für jene Kreativität, die der Geist Gottes in ihm bewirkt. Auf diesem Weg verbreitet sich im Menschen auch der Widerschein der göttlichen Erwählung, also der Gnade. Durch die Gnade wohnt der Geist Gottes im Menschen, und der Mensch „gehört ihm an“ als Freund und Bräutigam. Jene übernatürliche Kreativität der Gnade Gottes findet ihren Widerschein im Handeln des Menschen. Und wenn dieser Mensch ein Künstler ist, spiegelt sie sich auch in seinem künstlerischen Werk wider. In seiner Kreativität. 7. Diese Wahrheit findet ihren Ausdruck auch im heutigen Evangelium nach Matthäus. Christus sagt: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ {Mt 5,16). Christus spricht vom „Licht der guten Werke“. Im Bereich der künstlerischen Berufung könnte man weiter mit vollem Recht vom „Leuchten der menschlichen Werke“ sprechen. Dieses Leuchten ist die Schönheit; tatsächlich isLdie Schönheit als Glanz der Form ein besonderes Leuchten des Guten, das in den Werken des Menschen und Künstlers enthalten ist. Gleichfalls unter diesem Gesichtspunkt kann man auch die Aussage Christi über den guten Baum und die schlechten Früchte verstehen und deuten. „Jeder gute Baum bringt gute Früchte hervor, ein schlechter Baum aber schlechte. Ein guter Baum kann keine schlechten Früchte hervorbringen und ein schlechter Baum keine guten. Jeder Baum, der keine guten Früchte hervorbringt, wird umgehauen und ins Feuer geworfen. An ihren Früchten also werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,17—20). Ich meine, Fra Angelico hat sich von diesem Gleichnis Christi zutiefst zu 1005 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer doppelten Kreativität berufen gefühlt: Er schuf die Kunstwerke, und zugleich schuf er sich selbst! Genau diese Aufforderung bietet die Kirche allen Künstlern zu besinnlicher Überlegung an, wenn sie sagt: Trachtet nach einem angemessenen Verhältnis zwischen der Schönheit der Werke und der Schönheit der Seele! 8. Dieser großartige schöpferische Prozeß hat seine verborgene Quelle im Innersten des Menschen. Der Evangelist fordert uns auf, die Wurzeln des Leuchtens der menschlichen Werke wie auch der Werke des Künstlermenschen in dem Licht zu suchen, das dem Gewissen innewohnt. Also „das Licht, das in dir ist“! Es - das Gewissen - muß vor allem Licht sein und darf nicht zur Finsternis werden. „Wenn nun das Licht in dir Finsternis ist, wie groß muß dann die Finsternis sein!“ {Mt 6,23). Im Wort Gottes der heutigen Liturgie ist also die Aufforderung enthalten, das menschliche Gewissen zu bilden. Und man spricht im engen Sinn vom moralischen Gewissen, aber auch vom „künstlerischen Gewissen“. Wie sieht die gegenseitige Beziehung zwischen diesen beiden Begriffen aus? Die unzerstörbaren Güter, die unvergänglichen Werte 9. Im Wort Gottes der heutigen Liturgie ist auch die Aufforderung enthalten, die unzerstörbaren Güter, die unvergänglichen Werte zu lieben. Wir denken an die unvergänglichen Werte, die in den Werken der Kunst Ausdruck gefunden haben. Die Werke, auf die die menschliche Erinnerung unentwegt Bezug nimmt, auf die sie immer wieder zurückkommt. Christus jedoch denkt an das, was einen unvergänglichen, ewigen Wert vor Gott darstellt: „Sammelt euch hingegen Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz“ (Mt 6,20-21). Männer der Kunst! Euer Herz hängt gewiß an der Schönheit der Werke des menschlichen Genies wie auch an eurer eigenen Kreativität. Mein Wunsch ist, daß ihr zugleich in euch jenen evangelischen Sinn für Proportion in euch tragen könnt, von dem Christus, der göttliche Künstler, und sein Schüler, der Künstler Fra Angelico, zu uns sprechen. 10. Ja, er scheint zu seinem Meister mit den folgenden Psalmworten aus der heutigen Liturgie zu sprechen: „Du leitest mich nach deinem Ratschluß und nimmst mich am Ende auf in 1006 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herrlichkeit. Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde“ (Ps 73,24-25). . . Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig. Ich aber - Gott nahe zu sein ist mein Glück: Ich setze auf Gott, den Herrn, mein Vertrauen. Ich will alle deine Taten verkünden“ (ebd26,28). So legt unser Seliger gleichsam ein Bekenntnis ab vor uns; und in diesem Bekenntnis bringt er die Tiefe seiner Gemeinschaft mit Gott, mit dem Geheimnis der Erlösung zum Ausdruck. 11. Stellen wir uns an die äußerste Grenze aller menschlichen Probleme, an die uns der hl. Paulus mit den Worten des Römerbriefes ruft. Diese Grenze verläuft zwischen Leben und Tod. Der Apostel sagt: „Wenn Christus in euch ist, dann ist zwar der Leib tot aufgrund der Sünde, der Geist aber ist Leben aufgrund der Gerechtigkeit. Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auferweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt“ {Rom 8,10-11). Die Berufung zur Unsterblichkeit ist dem menschlichen Herzen eingeschrieben. Sie ist eingeschrieben in das Herz des Künstlers, wenn er versucht, mit dem Werk seines Talents, seines genialen Geistes die Grenze der Vergänglichkeit und des Todes zu überwinden. Christus hat einem jeden von uns die Unsterblichkeit seines Geistes verliehen. Er hat uns zur Unsterblichkeit berufen. Wir leben dem Geist gemäß! Nehmt diese Botschaft auf! Es ist die Botschaft an die Künstler im Jubiläumsjahr der Erlösung. Macht sie zu eurer Botschaft und gebt sie an eure Brüder weiter. Die Kirche gibt euch die Möglichkeit, Gottes Erbarmen zu erfahren mittels des Jubiläumsablasses, je nach eurer Vefügbar-keit für die Gnade. Sie vertraut euch die Aufgabe an, durch euer künstlerisches Werk dem Menschen, der sein Lebensschicksal erlebt und erleidet, begreiflich zu machen, daß das ganze Leben in die Erlösung eingetaucht ist, daß die Erlösung lebt und atmet und daß „jede menschliche Existenz und die ganze Geschichte der Menschheit ihre Sinnfülle erst aus der unerschütterlichen Sicherheit erlangen, daß ,Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat1 “ (Aperite portas redemptori, Nr. 10). Das also ist die Botschaft des seligen Künstlers Fra Angelico. 1007 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lauschen wir seinen Worten! Gehen wir unseren Weg in Richtung auf die Tiefe, die er uns gezeigt hat. Und damit das allen, besonders aber den Künstlern, leichter fällt, greife ich die vom Dominikanerorden, von vielen Bischöfen und verschiedenen Künstlern an mich ergangenen Bitten auf und erkläre den seligen Ange-lico zum Schutzpatron der Künstler, insbesondere der Maler, vor Gott. Zur Ehre und zum Lobpreis Gottes. Amen. Nur „ein Herz und einen Glauben“ Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 18. Februar 1. Ich freue mich, zum Abschluß der ersten Zusammenkunft des neuen Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode alle Mitglieder dieser Einrichtung zu begrüßen. Ich danke euch allen für eure Anwesenheit und Mitarbeit sowie für die Empfindungen, die ihr mir in eurem Telegramm zu Beginn der Tagung zum Ausdruck gebracht habt. Ich danke euch Altmitgliedern dieses Rates, die ihr mit eurer Beständigkeit dazu beitragt, der Synode als Institution der Universalkirche Kontinuität zu verleihen. Ich danke euch Brüdern, die ihr zum ersten Mal in den Rat berufen worden seid und mit eurem Enthusiasmus und eurer Erfahrung dazu beitragt, die Dynamik des Rates des Synoden-Sekretariats beschleunigt und wachzuhalten. Die Vorschläge und vor allem das Einfühlungsvermögen der Synodenväter vor Augen, habt ihr versucht, die Grundlagen für ein Lehrdokument über die Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche zu erstellen. Außerdem mußtet ihr die Antworten und Vorschläge prüfen, die von den Bischöfen zur Wahl des Themas der nächsten Vollversammlung gemacht worden sind. 2. Wie ihr mir durch euren Vorsitzenden mitgeteilt habt, war der Großteil eurer Arbeit dem ersten Themenbereich gewidmet. Es wird mir daher eine Freude sein, vom Sekretariat der Synode die Elemente für die Redaktion des nachsynodalen Dokumentes zu erhalten, um es der Kirche darzubieten, die schon darauf wartet, die maßgebenden Gedanken des Lehramtes über die Versöhnung und Buße kennenzulernen. Ich danke euch für diese Mitarbeit. Ich möchte heute nicht so sehr auf den 1008 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Text und die Form der propositiones (Vorschläge) eingehen, als vielmehr den Geist und missionarischen Elan hervorheben, der die künftigen pastoralen Weisungen über Versöhnung und Buße beleben soll. Befinden wir uns hier etwa nicht im Zentrum des Geheimnisses der Erlösung, die allen Menschen angeboten wird, damit sie gerettet werden sollen? Hat uns der Erlöser nicht gesagt, daß wir das Kreuz auf uns nehmen und ihm folgen sollen? Die Erlösung ist nicht nur eine Berufung; sie! ist auch die Tatsache, daß wir uns von Gott geliebt fühlen und um Gottes willen die Brüder, einschließlich unserer Feinde, lieben, so jedenfalls will es die Lehre Jesu. Das alles ist in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung von; besonderer Bedeutung. Die Versöhnung besteht darin, den Sinn für Gott durch die Zeichen seiner Gegenwart im Leben des Menschen wiederzufinden, je nach Zusammenhang und Verschiedenartigkeit seiner Sprache. Zahllos sind die Gaben, verschieden die Sprachen, aber es gibt nur ein Herz und nur einen Glauben: „Ut cognoscant te et salvi fiant“ (damit sie dich erkennen und gerettet werden). Ich werde darum eure Angaben zur Vorbereitung des erwähnten Dokumentes aufmerksam prüfen unter Berücksichtigung der Situation und der Bedürfnisse des über die ganze Erde verstreuten Gottesvolkes. 3. Was das zweite Thema eurer Arbeit betrifft, so habt ihr die beim Sekretariat eingetroffenen Anregungen für die Wahl des Themas der nächsten Generalversammlung geprüft. Nach den bei der Sichtung bereits bewährten Kriterien - Dringlichkeit, Wichtigkeit, Universalität - habt ihr auf logische und objektive Weise die aus verschiedenen Teilen der Welt eingelaufenen Themenhinweise in Gruppen geordnet. Ich möchte euch versichern, daß ich den Wünschen und Sorgen der Mitbrüder im Bischofsamt, der Hirten des Gottesvolkes, große Aufmerksamkeit schenken und das in passender Weise deutlich zu erkennen geben werde, wenn ich aus jenen Vorschlägen das Thema der nächsten Vollversammlung der Synode auswähle. Da euer Rat viel gearbeitet hat, möchte ich nicht schließen, ohne mich noch einen Augenblick zur Bedeutung dieser Insitution zu äußern, die, wie ich bei anderen Begegnungen zu sagen Gelegenheit hatte, mir besonders teuer und vertraut ist. Im neuen Codex des kanonischen Rechts wird als wichtigste Rolle der Bischofssynode angegeben, „die enge Verbundenheit zwischen Papst und Bischöfen zu fördern“ (can. 342). Diese Definition greift übrigens genau das auf, was Apostolica sollicitudo über die Synode sagt. 1009 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rechtlich wird also die Synode in direkter Beziehung zum Nachfolger Petri und zugleich zum gesamten Episkopat gesehen, deren Auftrag es ist, das Volk Gottes zu leiten, zu führen und zu heiligen. Wenn also die Synode ein ausgezeichnetes Verbindungsmittel zwischen Papst und Bischöfen ist, so ist der Rat des Synoden-Sekretariats ein maßgebendes Medium zur Übermittlung des tatsächlichen Willens der Versammlung, die in Form der verabschiedeten propositiones die entsprechenden pastoralen Richtlinien zum Nutzen der Kirche formuliert. In dieser Stunde, wo ich den Rat, der immer so treu die Erfordernisse der Kollegialität beachtet, wieder hier versammelt sehe, ist es angebracht, an die hohe Meinung zu erinnern, die mein Vorgänger Paul VI. von diesem Rat hatte, als er sagte: „Der Rat ist das Zeichen für die Lebenskraft der Synode selbst; er garantiert die Ordnung, Vertiefung und Koordinierung der Probleme, die nach und nach in den Sitzungen behandelt werden sollen . . .; er verspricht eine immer harmonischere und fruchtbarere Entwicklung der Arbeiten der Synode, damit das Wirken der Bischöfe in dieser schwierigen, aber auch faszinierenden Zeit mit immer größerem Bemühen um Treue zum Willen Christi gegenüber seiner Kirche wirklich eine Antwort auf die Liebe Christi zu seiner Kirche ist“ (Paul VI., Ansprache an die Mitglieder des Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode, 15. Mai 1970). Mit diesen Gefühlen und diesen Hoffnungen im Herzen segne ich euch, ehrwürdige Brüder, eure Diözesen, eure Mitarbeiter, besonders die Priester, die Diener der Versöhnung, sowie alle Gläubigen, die zur Freude inniger Gemeinschaft mit dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist durch den Dienst in seiner Kirche berufen sind. Für uns selber: Mut zum Glauben Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung von 100 Märtyrern in Sankt Peter am 19. Februar Liebe Brüder und Schwestern! 1. „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ (Röm 8,35). Diese Frage stellte einst der Apostel Paulus in seinem Brief an die Römer. Er hatte damals die Leiden und die Verfolgungen der ersten Generation von 1010 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jüngern, von Zeugen Christi, vor Augen. Die Worte: Bedrängnis, Angst, Hunger, Not, Gefahr, Verfolgung, Folter, „wie Schlachtvieh“ dem Tod ausgesetzt, beschrieben eindeutige Tatsachen, die zur Erfahrung vieler Menschen gehörten - und noch immer gehören -, die an Christus festhielten oder im Glauben die Liebe Christi empfangen hatten. Paulus selbst hätte die Prüfungen aufzählen können, die er bereits durchgemacht hatte (vgl. 2 Kor 6,4-10), während er hier in Rom seinen Märtyrertod erwartete. Und zusammen mit den Märtyrern des 18. und 19. Jahrhunderts fragt sich die Kirche heute ihrerseits: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi?“ Der hl. Paulus bemüht sich, auf diese Frage eine zuverlässige Antwort zu geben: „Nichts kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“, nichts, weder der Tod noch die Gewalten der Welt, weder Zukünftiges noch irgendeine andere Kreatur (vgl. Röm 8,38-39). Da Gott seinen einzigen Sohn für die Welt hingegeben hat, da dieser Sohn sein Leben für uns hingegeben hat, wird diese Liebe nicht aufhören. Sie ist stärker als alles. Sie sichert denen das ewige Leben, die Gott so sehr geliebt haben, daß sie ihr Leben für ihn hingaben. Die Regime, die Verfolgungen veranlassen, vergehen. Aber der Ruhm der Märtyrer bleibt. „All das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ {Röm 8,37). Zeugnis von der Tiefe ihres Glaubens gegeben 2. Diesen Sieg haben die Märtyrer errungen, die heute durch die Seligsprechung zur Ehre der Altäre erhoben werden. a) Das sind zunächst die zahlreichen Märtyrer, die in der Diözese Angers zur Zeit der Französischen Revolution den Tod auf sich nahmen, weil sie - wie Guillaume Repin sagt - „ihren Glauben und ihre Religion bewahren“ wollten, in Treue zur römisch-katholischen Kirche; die Priester unter ihnen weigerten sich, einen von ihnen als schismatisch verurteilten Eid zu leisten, sie waren nicht zur Aufgabe ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit bereit; die Laien blieben ihren Priestern treu, der Meßfeier, dem Ausdruck ihrer Verehrung für Maria und die Heiligen. In einer Zeit so großer ideologischer, politischer und militärischer Spannungen war es sicher ein leichtes, sie mit dem Verdacht der Untreue gegenüber dem Vaterland zu belasten. In den Urteüsbegründungen werden sie der Konspiration mit den „antirevolutionären Kräften“ beschuldigt. So ist es übrigens bei allen Verfolgungen, gestern wie heute. 1011 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber für die Männer und Frauen, deren Namen sich — unter vielen anderen sicher ebenso verdienstvollen - erhalten haben, läßt das, was sie tatsächlich gelebt haben, das, was sie bei den gerichtlichen Verhören geantwortet haben, keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit, dem, was ihr Glaube verlangte, unter Einsatz des Lebens treu zu bleiben. Auch nicht an dem eigentlichen Grund für ihre Verurteilung, dem Haß gegen den Glauben, den ihre Richter als „unhaltbare Frömmelei“ und „Fanatismus“ verächtlich machten. Wir stehen voll Bewunderung vor den entschiedenen, ruhigen, kurzen, offenen, demütigen Antworten, die nichts Provokatorisches an sich haben, sondern klar sind und auf dem Wesentlichen bestehen: der Treue zur Kirche. So sprechen die Priester, die wie ihr ehrwürdiger Dekan Guillaume Repin durch die Guillotine hingerichtet wurden, die Ordensfrauen, die gar nicht erst die Annahme vermuten lassen, sie hätten den Eid geleistet, und die vier Männer aus dem Laienstand: Es soll genügen, das Zeugnis eines von ihnen (Antoine Fournier) anzuführen: „Ihr würdet also zur Verteidigung eurer Religion den Tod erdulden? - Ja.“ So sprechen diese achtzig Frauen, die man ja nicht der bewaffneten Rebellion anklagen kann! Manche von.ihnen hatten bereits vorher den Wunsch geäußert, Heber für den Namen Jesu zu sterben, als der ReHgion zu entsagen (Renee Feilla-treau). Als wahre Christen bezeugen sie durch ihre Weigerung, ihre Henker zu hassen, durch ihr Verzeihen, durch ihren Wunsch nach Frieden für alle: „Ich habe den gütigen Gott nur um Frieden und Einheit der ganzen Welt gebeten“ (Marie Cassin). Von der Tiefe ihres Glaubens gaben schließlich ihre letzten Augenblicke Zeugnis. Einige singen auf dem Weg zur Hinrichtungsstätte Hymnen und Psalmen; „sie ersuchen um einige Minuten, um Gott das Opfer ihres Lebens darzubringen, was sie mit solcher Inbrunst taten, daß selbst ihre Henker darüber erstaunt waren“. Schwester Marie-Anne von den Barmherzigen Schwestern tröstet ihre Mitschwester: „Uns wird das Glück zuteil werden, Gott zu sehen und ihn die ganze Ewigkeit lang zu besitzen . . ., und wir werden ihm gehören, ohne fürchten zu müssen, von ihm getrennt zu werden“ (Zeugnis des Abbe Gruget). Heute werden diese neunundneunzig Märtyrer von Angers in der glorreichen Seligsprechung mit dem ersten von ihnen, dem Abbe Noel Pinot, der seit nahezu sechzig Jahre seliggesprochen ist, vereint. Ja, hier bestätigen sich weithin vernehmbar die Worte des Apostels Paulus: „Doch aU das überwinden wir durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37). 1012 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN b) Ein ähnliches Zeugnis ehernen Glaubens und glühender Liebe hat der Kirche und der Welt Pater Giovanni Mazzucconi gegeben, der sein junges Leben als Priester und Missionar im Martyrium verzehrte. Er gehörte zu den ersten Mitgliedern des Päpstlichen Instituts für die Auslandsmission in Mailand und spürte, daß die Mission sein „heimlicher Herzenswunsch“ war. Sein Lebensziel war eine noch tiefere Verbundenheit mit Christus, eine Verbundenheit, die ihn eben wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Glaubensverbreitung mit den Leiden und dem Kreuz seines Herrn und Meisters vereinigen würde: „Selig der Tag, an dem es mir gegeben sein wird, für eine so heilige und so erbarmungswerte Sache viel zu leiden, aber noch seliger jener Tag, an dem ich für würdig befunden werde, für sie mein Blut zu vergießen und unter Qualen zu sterben.“ Doch die christliche Botschaft, die Mazzucconi den Eingeborenen von Woodlark verkündete, war eine offene Verurteilung ihrer Bräuche, die bis zu den Greueltaten der Kindestötung reichten. Und so rief trotz der unermeßlichen Liebe und unermüdlicher Hingabe des Seligen seine Predigt Verwirrung und Haß hervor. Aber er war inmitten der Entbehrungen, der Fieberkrankheiten, der Widerstände von übernatürlicher, heiterer Gelassenheit, weil er in inniger Verbundenheit mit Gott lebte. In Anlehnung an die Worte des hl. Paulus konnte er schreiben: „Ich weiß, daß Gott gut ist und mich unendlich hebt. Alles übrige: die Ruhe und der Gewittersturm, die Gefahr und die Sicherheit, das Leben und der Tod sind nur wechselnde Augenblicksäußerungen der teuren unveränderlichen ewigen Liebe.“ 3. Für alle diese Märtyrer verschiedener Zeiten haben sich die Worte Christi an seine Apostel erfüht: „Nehmt euch aber vor den Menschen in acht! Denn sie werden euch vor die Gerichte bringen . . . Ihr werdet um meinetwillen vor Statthalter und Könige geführt . . . Brüder werden einander dem Tod ausliefern . . . Und ihr werdet um meines Namens willen von ahen gehaßt werden“ {Mt 10,17-22). Tatsächlich sind viele der Märtyrer von Angers in ihren Häusern oder in ihrem Versteck festgenommen worden, weil andere sie angezeigt hatten. Man wütete mit kaum begreiflicher Verachtung gegen sie, die wehrlosen Männer und Frauen. Sie erlebten die Demütigung der Inhaftierung und der ungesunden Gefängnisse; sie wurden vor Gerichte gestellt und Massenhinrichtungen unterzogen. Pater Mazzucconi erhielt den tödlichen Hieb von einem Eingeborenen, der das Schiff bestiegen und sich ihm genähert hatte und unter der 1013 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vortäuschung, ihn freundschaftlich begrüßen zu wollen, ihm die Hand hinstreckte. Das alles wird geschehen - sagt Jesus -, „damit ihr vor ihnen und vor den Heiden Zeugnis ablegt“ {Mt 10,18). Ja, unsere Märtyrer haben vor ihren Richtern, vor ihren Henkern und vor denen Zeugnis abgelegt, die als Zuschauer ihrer Hinrichtung beiwohnten, so daß diese „ihr Erstaunen nicht zurückhalten konnten und beim Weggehen sagten, an jenen Toten sei etwas Außergewöhnliches gewesen, etwas, das nur die Religion in den letzten Augenblicken einzugeben vermag“ (Tagebuch des Priesters Simon Gruget). Jesus hatte dieses Geheimnis verkündet: „Wer aber bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet“ {Mt 10,22). Und wie soll er standhaft bleiben? „Wenn man euch vor Gericht stellt, macht euch keine Sorgen, wie und was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde eingegeben, was ihr sagen sollt . . . Der Geist eures Vaters wird durch euch reden“ {Mt 10,19-20). Ja, diejenigen, die dem Heiligen Geist treu bleiben, dürfen mit Sicherheit im Augenblick, da sie Zeugnis ablegen sollen, mit seiner Kraft rechnen, so daß ihr Zeugnis die Menschen in Verwirrung setzt. 4. Durch die Kraft Gottes haben die Märtyrer den Sieg davongetragen. Sie haben sich in die Macht der Liebe Gottes versenkt: „Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?“ {Rom 8,31). Sie haben ihren Blick auf das Opfer Christi geheftet: „Gott hat . . . seinen eigenen Sohn für uns alle hingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? {Rom 8,32). Mit einem Wort, sie haben teilgehabt am Geheimnis der Erlösung, das, von Christus auf Golgota vollbracht, sich im Herzen der Menschen im Verlauf ihrer Geschichte fortsetzt. Erst vor kurzem habe ich alle Gläubigen der Kirche eingeladen, über dieses erlösende Leiden nachzudenken. Für die Märtyrer ist das Kreuz Christi zugleich die geheimnisvolle Quelle ihres Mutes, der Sinn ihrer Prüfung und das Vorbild dafür gewesen, durch ihr Opfer, verbunden mit dem Opfer Christi, Zeugnis zu geben von der Liebe des Vaters und mit Christus zur Auferstehung zu gelangen. <24> <24> Der inspirierte Verfasser des Buches der Weisheit hat die sichere Gewißheit der Märtyrer so zum Ausdruck gebracht: „Die Seelen der Gerechten sind in Gottes Hand ... In den Augen der Toren sind sie tot, sie betrachten als Unglück ihren Weggang und ihr Scheiden von uns als Vernichtung; doch die Gerechten sind in Frieden. Wurden sie auch in den Augen der Menschen gestraft: ihre Hoffnung ist voll Unsterblichkeit. . . 1014 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Denn Gott hat sie geprüft und seiner würdig befunden“ (Weish 3,1-5). 1793 und 1794 bei den seligen Gefährten von Guillaume Repin und 1855 bei dem seligen Giovanni Mazzucconi dachten diejenigen, die sie dem Tod auslieferten, und eine gewisse Zahl ihrer Landsleute, sie zu bestrafen und zu vernichten; man glaubte, die Gruben, in die sie wahllos hineingeworfen wurden, wären für immer vergessen. Aber sie „sind in Gottes Hand“. „Er hat sie als vollwertiges Opfer angenommen. Beim Endgericht werden sie aufleuchten, wie wenn Funken durch ein Stoppelfeld sprühen ... Sie werden über Nationen herrschen, und der Herr wird ihr König sein in Ewigkeit“ (Weish 3,6-8). Das Gedächtnis der Kirche hat sie nicht vergessen: Sie wurden schon sehr bald verehrt, man hat ihre Botschaft vernommen, sie wurden angerufen, man hatte Vertrauen in ihre Fürsprache bei Gott. Und heute leuchten sie wie Funken vor unseren Augen auf, weil die Kirche weiß, daß sie Selige sind und daß „sie in Liebe bei Gott bleiben werden“ ( Weish 3,9). Die Märtyrer veranschaulichen die Gnade der Erlösung 6. Diese Seligsprechung soll einen neuen Abschnitt für uns alle anzeigen, für die Kirche, besonders für die Bischöfe, Priester, Ordensfrauen und Gläubigen der Diözesen Westfrankreichs, aus denen diese Seligen stammten, sowie für das Päpstliche Institut für die Auslandsmission, für die Stadt Lecco und die ganze Erzdiözese Mailand, nicht zu vergessen Papua-Neuguinea. Es ist für alle eine tiefe Freude, die bei Gott zu wissen, die ihnen durch Blutsbande oder Volkszugehörigkeit nahestehen, den Glauben und den Mut ihrer Landsleute und Mitbrüder bewundern zu können. Aber diese Märtyrer halten uns auch dazu an, an die vielen Gläubigen zu denken, die heutzutage in der ganzen Welt eine verborgene, schmerzliche Verfolgung zu erdulden haben, die aber genauso schwer ist, denn sie schließt das Fehlen religiöser Freiheit, die Diskriminierung, die Unmöglichkeit der Verteidigung, die Internierung, den zivilen Tod ein, wie ich im vergangenen August in Lourdes sagte: Ihre Prüfung weist viele Gemeinsamkeiten mit jener unserer Seligen auf. Schließlich müssen wir für uns selber um Mut zum Glauben, zur unerschütterlichen Treue zu Jesus Christus, zu seiner Kirche in Zeiten der Prüfung wie im täglichen Leben bitten. Unsere oft gleichgültige oder unwissende Welt erwartet von den Jüngern Christi ein eindeutiges Zeugnis, das ihr - wie die heute gefeierten Märtyrer — sagt: Jesus Christus lebt! Das Gebet und die Eucharistie sind für uns wesentlich, damit wir aus seinem Leben leben können; die Marienvereh- 1015 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN rung bewahrt uns als seine Jünger; unsere Anhänglichkeit an die Kirche läßt uns eins sein mit unserem Glauben; die brüderliche Einheit ist das Zeichen der Christen schlechthin; wahre Gerechtigkeit, Reinheit, Liebe, Vergebung und Frieden sind die Früchte des Geistes Jesu; der missionarische Eifer gehört zu diesem Zeugnis; wir dürfen unser brennendes Licht nicht verborgen halten. 7. Die Seligsprechung hat mitten im Jubiläumsjahr der Erlösung stattgefunden. Die Märtyrer veranschaulichen die Gnade der Erlösung, die sie selbst empfangen haben. Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist sei dafür Ruhm und Ehre! „Gott, wir loben dich . . . Du bist es, von dem das Geschlecht der Märtyrer Zeugnis gibt!“ Gelobt sei Gott, daß er auf diese Weise den Elan unseres Glaubens, unseres Dankes, unseres Lebens neu belebt! Mit dem Blut unserer Sehgen werden heute für uns die erleuchteten Worte des hl. Paulus geschrieben: „Was kann uns scheiden von der Liebe Christi? . . . Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges . . . noch irgendeine andere Kreatur können uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn“ (Röm 8,35.38-39). Amen. 1016 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Führt ein Leben, das eurer Berufung würdig ist!“ Homilie zur Jubiläumsfeier der Priester im Heiligen Jahr der Erlösung am 23. Februar 1. „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen die frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, damit ich ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Jes 61, 1—2). Liebe Brüder in der Gnade des Priesteramtes! Vor einem Jahr habe ich mich mit dem Brief zum Gründonnerstag 1983 an Euch gewandt und Euch gebeten, gemeinsam mit mir und mit allen Bischöfen der Kirche das Jahr der Erlösung zu verkünden:: das außerordentliche Jubiläum, das Jahr der Barmherzigkeit des Herrn. Heute möchte ich Euch für alles danken, was Ihr getan habt, damit dieses Jahr, in dem wir den 1950. Jahrestag der Erlösung begehen, in Wahrheit „das Gnadenjahr des Herrn“ wurde, ein Heiliges Jahr. Zugleich möchte ich bei dieser Konzelebration, dem Höhepunkt Eurer Pilgerfahrt nach Rom, zusammen mit Euch das Bewußtsein vom Geheimnis der Erlösung erneuern und vertiefen: Sie ist ja die lebendige und lebenspendende Quelle des sakramentalen Priestertums, an dem jeder von uns teilhat. In Euch, die Ihr nicht nur aus Italien, sondern auch aus anderen Ländern und Kontinenten hier zusammengekommen seid, sehe ich alle Priester: die gesamte Priesterschaft der ganzen Kirche. Und an sie alle wende ich mich mit der ermutigenden Aufforderung aus dem Epheserbrief: Brüder, ich ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging (vgl. Eph 4, 1). Auch wir, die dazu berufen sind, den anderen bei ihrer geistigen Erneuerung im Heiligen Jahr der Erlösung zu helfen, müssen uns mit Hilfe der Gnade dieses Jahres in unserer eigenen heiligen Berufung erneuern. 2. „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen“ (Ps 89, 2). Dieser Vers des Antwortpsalms der heutigen Liturgie erinnert uns daran, 1017 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daß wir in besonderer Weise „Diener Christi“ und „Verwalter von Geheimnissen Gottes“ (1 Kor 4, 1) sind, Menschen im göttlichen Heilsplan, ein bewußtes „ Werkzeug der Gnade, des Wirkens des Heiligen Geistes in der Kraft des Kreuzes und der Auferstehung Christi. Was ist dieser göttliche Heilsplan, was ist die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, jene Gnade, die er in sakramentaler Weise mit unserem priester-lichen Leben und mit unserem priesterlichen Dienst hat verbinden wollen, auch wenn dieser von so armseligen, so unwürdigen Menschen verrichtet wird? Diese Gnade ist, wie der Psalm der heutigen Liturgie verkündet, das Zeugnis für die Treue Gottes zu jener ewigen Liebe, mit der er die Schöpfung und vor allem den Menschen seit jeher in seinem ewigen Sohn geliebt hat. So sagt der Psalm: „Denn ich bekenne: Deine Huld besteht für immer und ewig; deine Treue steht fest im Himmel“ (Ps 89, 3). Diese Treue seiner Liebe - seiner barmherzigen Liebe - ist dann auch die Treue zu dem Bund, den Gott von Anfang an mit dem Menschen geschlossen und den er viele Male erneuert hat, obwohl der Mensch diesem Bund sooft nicht treu geblieben ist. Die Gnade ist also ein reines Geschenk der Liebe, das nur in der Liebe selbst und in nichts anderem seine Begründung und sein Motiv findet. Der Psalm preist den Bund, den Gott mit David geschlossen hat, und zugleich läßt er durch seinen messianischen Inhalt erkennen, wie jener Bund der fernen Geschichte nur eine Etappe und Ankündigung des vollkommenen Bundes in Jesus Christus ist: „Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du, mein Gott, der Fels meines Heiles“ (Ps 89, 27). Die Gnade als Geschenk ist die Grundlage der Erhebung des Menschen zur Würde eines Adoptivsohnes Gottes, angenommen in Christus, dem eingeborenen Sohn. „Meine Treue und meine Huld begleiten ihn, und in meinem Namen erhebt er sein Haupt“ (Ps 89, 25). Eben diese Macht, die zu Söhnen Gottes werden läßt, von der der Prolog zum Johannesevangelium spricht, die ganze Heilsmacht: Sie ist der Menschheit in Christus, in seiner Erlösung, in Kreuz und Auferstehung geschenkt worden. Und wir — Diener Christi — sind ihre Verwalter. 1018 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priester: Mensch der göttlichen Heilsordnung. Priester: Mensch, von der Gnade geformt. Priester: Verwalter der Gnade! 3. „Von den Taten deiner Huld, Herr, will ich ewig singen.“; Genau das ist unsere Berufung. Hierin besteht das Besondere, das Originale der priesterlichen Berufung. Sie ist in besonderer Weise in der Sendung Christi, des Messias, verwurzelt. „Der Geist Gottes, des Herrn, ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine frohe Botschaft bringe und alle heile, deren Herz zerbrochen ist, damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Gefesselten die Befreiung, . . . damit ich alle Trauernden tröste“ {Jes 61, 1-2). In der Tiefe dieser messianischen Sendung Christi, des Priesters, ist auch unsere Berufung und Sendung verwurzelt: die Berufung und Sendung der Priester des Neuen und Ewigen Bundes. Es ist die Berufung und Sendung der Verkünder der Frohen Botschaft; - derer, die die Wunden der Menschenherzen verbinden müssen; - derer, die Befreiung verkünden müssen inmitten vielfältiger Bedrängnis, inmitten des Übels, das auf so vielfältige Weise den Menschen gefangenhält; - derer, die trösten müssen. Das ist unsere Berufung und Sendung als Diener Christi. Unsere Berufung, liebe Brüder, enthält einen wichtigen und grundlegenden Dienst an jedem Menschen! Niemand anders kann diesen Dienst an unserer Stelle verrichten. Darin kann uns niemand ersetzen. Mit dem Sakrament des Neuen und Ewigen Bundes müssen wir bis zu den Wurzeln der menschlichen Existenz auf dieser Erde Vordringen. Tag für Tag müssen wir die Dimension der Erlösung und der Eucharistie dort hineinbringen. Das Bewußtsein von der gnadenhaften Sohnschaft Gottes müssen wir stärken. Welches höhere Ziel, welche herrlichere Bestimmung als diese könnten wir für den Menschen haben? Schließlich müssen wir auch den sakramentalen Bereich der Versöhnung mit Gott und der heiligen Kommunion verwalten: Damit kommen wir der 1019 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tiefsten Sehnsucht des Menschenherzens entgegen, das sich durch nichts anderes „sättigen“ läßt. Ja, es ist wahr: Unsere priesterliche Salbung ist zutiefst in der messiani-schen Salbung Christi enthalten. Unser Priestertum ist ein Dienst. Ja, wir müssen dienen. Und „dienen“ bedeutet, den Menschen an die Fundamente seines Menschseins zu bringen, an den innersten Kern seiner Würde. Dort soll durch unseren Dienst „Jubel statt der Verzweiflung“ erschallen, um noch einmal die Worte des Textes aus Jesaja zu verwenden (61, 3). 4. Geliebte Brüder! Tag für Tag und Jahr für Jahr wollen wir Gehalt und Kern unseres Priestertums, die letztlich unbegreifbar sind, aus der Tiefe des Geheimnisses der Erlösung schöpfen. Und ich wünschte mir, daß dieses außerordentliche Jubiläumsjahr in besonderer Weise uns dazu diene! Immer mehr wollen wir unsere Augen - die Augen unserer Seele - öffnen, um besser zu begreifen, was es heißt, Eucharistie zu feiern, das Opfer Christi selber, unseren priesterlichen Lippen und Händen in der Gemeinschaft der Kirche anvertraut. Immer mehr wollen wir unsere Augen - die Augen unserer Seele -öffnen, um besser zu begreifen, was es heißt, Sünden zu vergeben und die Gewissen der Menschen mit Gott zu versöhnen, dem unendlich Heiligen, dem Gott der Wahrheit und der Liebe. Öffnen wir unsere Augen - die Augen unserer Seele - immer mehr, um besser zu verstehen, was es bedeutet, „in der Person Christi“, im Namen Christi zu handeln; aus seiner Kraft zu handeln - der Kraft, die letztlich im Heilswerk der Erlösung wurzelt. Öffnen wir schließlich unsere Augen - die Augen unserer Seele - immer mehr, um besser zu verstehen, was das Geheimnis der Kirche ist. Wir sind Männer der Kirche! „Ein Leib und Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles in allem ist“ (Eph 4, 4-6). Darum: „Bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 3). Ja, gerade dies hängt in besonderer Weise von euch ab: „die Einheit des Geistes zu wahren“. In einer Zeit großer Spannungen, die den irdischen Leib der Menschheit erschüttern, ergibt sich der wichtigste Dienst der Kirche aus dieser „Einheit des Geistes“: Sie soll nicht nur selber vor einer Aufspaltung von außen her bewahrt bleiben, sondern darüber hinaus die Menschen inmit- 1020 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten der Widerwärtigkeiten, die sich in der Welt von heute rings um sie her und auch in ihnen selbst ansammeln, miteinander versöhnen und einen. Meine Brüder! Jeder von uns „empfing die Gnade in dem Maß, wie Christus sie ihm geschenkt hat . . . für den Aufbau des Leibes Christi“ {Eph 4, 7. 12). Seid dieser Gnade treu! Seid ihr treu auf heroische Weise! Meine Brüder! Gott hat uns reich beschenkt, einen jeden von uns! So reich, daß jeder Priester in sich die Zeichen einer besonderen göttlichen Liebe entdecken kann. Jeder bewahre grundsätzlich sein Geschenk in der ganzen Fülle seiner Ausdrucksformen: auch das herrliche Geschenk des Zölibates, das wir aus freiem Willen dem Herrn geweiht haben - und das von ihm angenommen worden ist - zu unserer Heiligung und zur Erbauung der Kirche. 5. Jesus Christus ist unter uns und spricht: „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11). Er selbst hat auch uns zu Hirten „bestellt“. Er selbst ist es, der alle Städte und Dörfer durchzieht (vgl. Mt 9, 35), wohin auch immer wir für unseren priesterlichen Hirtendienst gesandt werden. Er ist es, Jesus Christus, der lehrt, das Evangelium vom Reich verkündet und alle Krankheiten und Leiden des Menschen heilt (vgl. ebenda), wohin auch immer wir für den Dienst am Evangelium und an den Sakramenten gesandt werden. Er, Jesus Christus, hat fortwährend Mitleid mit der Volksmenge und mit jedem müden, erschöpften Menschen, wie mit „Schafen, die keinen Hirten haben“ (vgl. Mt 9, 36). Liebe Brüder! In dieser liturgischen Versammlung bitten wir Christus um eines allein: daß jeder von uns besser, reiner und wirksamer seiner Gegenwart als Hirt unter den Menschen der heutigen Welt diene! Das ist ja auch so wichtig für uns selbst, damit uns nicht die Versuchung der „Nutzlosigkeit“ befällt, die Versuchung, sich überflüssig zu fühlen. Denn es ist nicht wahr! Mehr denn je sind wir notwendig, weil Christus mehr denn je notwendig ist! Mehr denn je notwendig ist der gute Hirt! Wir halten in Händen - gerade in unseren „leeren Händen“ - die machtvollen Werkzeuge, die der Herr uns anvertraut hat. Denkt an das Wort Gottes, schärfer als jedes zweischneidige Schwert (vgl. Hebr 4, 12); denkt an das liturgische Beten, insbesondere an das Stundengebet, bei dem Christus selbst mit uns und für uns betet; denkt an die Sakramente, vor allem an das Bußsakrament, ein wahrer Rettungsanker für so zahlreiche Gewissen, ein sicherer Hafen, zu dem so viele Menschen 1021 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ■auch unserer Zeit hinstreben. Die Priester müssen diesem Sakrament erneut großes Gewicht geben, für das eigene geistliche Leben wie für das der Gläubigen. Das ist gewiß, liebe Brüder: Wenn Ihr diese „armseligen Werkzeuge“ — aber voller Kraft durch Gott - gut anwendet, werdet Ihr auf Eurem Wege die Wunder der unendlichen Barmherzigkeit Gottes aufblühen sehen. Auch das Geschenk neuer Berufungen! In diesem Bewußtsein und mit diesem gemeinsamen Gebet wollen wir uns auch die Worte des Meisters zu eigen machen, die er an seine Jünger gerichtet hat: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9, 37-38). Wie gültig sind diese Worte gerade auch in unserer Zeit! Beten wir also darum! Die ganze Kirche muß dafür beten! In diesem Beten erweise sich unser - in diesem Jubiläumsjahr neu geschärftes -Bewußtsein vom Geheimnis der Erlösung. Vor dem Schlußsegen der hl. Messe hat der Heilige Vater an die Anwesenden Grußworte in verschiedenen Sprachen gerichtet: Al termine di questo incontro, tanto caro al mio cuore, desidero rinnovare a tutti il mio cordiale saluto nel Signore e il mio sincero ringraziamento. - Saludo muy cordialmente a los sacerdotes de lengua espanola, presentes en esta concelebraciön. A los procedentes de los diversos Paises de America del Sur o de America Central y de Mexico, con particular menciön a la representaciön de sacerdotes de Espana, la mäs numerosa de las venidas desde fuera de Italia. Queridos sacerdotes: Que el encuentro con Cristo, en este Ano Jubilar de la Redenciön, renueve plenamente en vosotros la gracia singulär que teneis por la imposiciön de las manos. Y que os haga vivir, cada vez mäs fielmente, la comuniön eclesial en torno al Papa y a vuestros Obispos. - Je salue les pretres de France, de Belgique, de Suisse, du Canada, de Djibouti, du Burundi, et des autres pays de langue frangaise, et tous leurs confreres qu’ils representent. Chers amis, que le Seigneur continue par votre ministere son ceuvre de Redemption! Qu’il vous donne chaque jour sa force, sa paix, sa joie! Qu’il suscite autour de vous beaucoup d’autres pretres! Pour l’accueil de ce don de Dieu dans les nouvelles generations, 1022 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vous avez aussi une responsabilite! Au nom du Christ qui vous benit, au nom de son Eglise dont il m’a institue Pasteur universel, je vous envoie, pour etre les temoins de son amour et de sa saintete. - It is a joy to note the presence today of groups of priests from Australia, Canada, Denmark, England, India, Ireland, Japan, Kenya, Korea, Malaysia, Nigeria, the Philippines, Sweden, Taiwan, Thailand and the United States. We are here to celebrate the unity of our priesthood and to ask the full fruits of Redemption for ourselves and our people. As we turn our eyes to Jesus, the High Priest of Salvation, we invoke the mercy of God upon the world. We renew our confidence in the One who sent us and pledge our lives anew for the Service of Christ’s holy Church. - Liebe Brüder! Bevor wir aus dieser eucharistischen Gemeinschaft wieder auseinandergehen, möchte ich euch noch einmal meine innere Verbundenheit bekunden. Ihr kehrt zurück zu euren Gemeinden und Aufgaben, um mit neuer Liebe und Zuversicht die Heilstaten Gottes zu verkünden und seine Gnadengaben auszuspenden. Dafür begleiten euch und alle eure Mitbrüder in Deutschland, Österreich und in der Schweiz meine herzlichen Segenswünsche und mein Gebet. - Van harte zegen ik ook alle nederlandstalige priesters. Ik bid dat u uit deze viering van het jubileum van de Verlossing naar huis moogt terug-keren met overvloedige genade voor de edelmoedige vervulling van uw priesterlijke dienst in uw vaderland. - Queridos Padres de lingua portuguesa: ao saudar-vos com afecto — a vös e a quantos representais — como servidores do Povo de Deus numa vasta ärea da Igreja, quereria repetir quanto disse na vossa lingua aos Padres do Brasil e de Portugal, quando os visitei, e adaptä-lo aos dos outros Paises: Angola, Cabo Verde, Guine-Bissau, Mocambique e Säo Tome e Principe. Mas so posso dizer, ao abencoar-vos de todo o coracäo: sede homens de Deus, bons, cordatos e magnänimos, ao servigo, dos homens, conscientes de continuar no tempo Cristo, Deus e Homem, nosso Redentor! - Z velikim veseljem pozdravljamo med nami stevilno skupino slovens-kih duhovnikov, ki spremljajo svetoletno narodno romanje v Rim. Po njih naj dosezejo nase zelje vsega dobrega vse sobrate, ki se niso mogli tudi sami romanja udeleziti. 1023 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Od srca pozdravljam i sve svecenike Hrvate, koji su prisustvovali ovom jubileju. - SIowo serdecznego podzi^kowania kieruj§ do Braci Kaplanöw, ktörzy na uroczystosci jubileuszowe Roku Odkupienia u grobu sw. Piotra przy-byli z Polski. Niech nadzwyczajny Jubileusz, ktory przezywacie na Waszych placowkach duszpasterskich z wiernymi i ta uroczystosc rzymska pogl^bi w Was i we wszystkich Wspölbraciach w naszej Ojczyznie swiadomosc daru, ktory Chrystus zlozyl w Waszych sercach. Stöjcie przy Waszych wiernych i prowadzcie ich pewnie po drodze Odkupienia. B^dzcie wierni wlasnemu powolaniu i bqdzcie wierni calemu tysi^cletniemu dziedzictwu wypracowa-nemu przez Kosciöl i Naröd pod Krzyzem. Broricie tego dziedzictwa i rozwijajcie je na miar§ naszych trudnych czasöw. Do Waszych parafii i srodowisk zaniescie moje blogoslawienstwo. - Saluto, in fine, tutti voi sacerdoti italiani qui presenti. Voglio salutare anche tutti i confratelli nel sacerdozio viventi in Italia e li affido - insieme con i sacerdoti qui presenti come anche con tutti i sacerdoti del mondo -alla Madre dei Sacerdoti, alla Madre di Cristo, unico e sommo Sacerdote. Ella e anche la Madre di tutti noi che partecipiamo, sacramentalmente anche se indegnamente, al sacerdozio di Cristo. Sia lodato Gesü Cristo. Die Welt gestalten, nicht sie zerstören Botschaft zur Fastenzeit 1984 vom 23. Februar Wie oft haben wir schon den erregenden Text aus dem 25. Kapitel des Matthäusevangeliums gehört und verstanden: „Wenn der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt . . ., wird er sagen: Kommt her, die ihr von 1024 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN meinem Vater gesegnet seid . . denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben.“ Ja, der Erlöser der Welt macht sich den Hunger aller seiner Brüder zu eigen. Er leidet mit denen, die ihren Leib nicht ernähren können: mit all jenen Völkern, die Opfer von Dürre oder schlechten wirtschaftlichen Bedingungen sind, mit all jenen Familien, die von fehlender oder zu geringer Arbeitsmöglichkeit betroffen sind. Und doch kann und muß unsere Erde alle ihre Bewohner ernähren, von den Kindern im zarten Alter bis zu den alten Menschen, die Menschen aller Berufe und Stände. Christus leidet aber in gleicher Weise mit all denen, die zu Recht nach Gerechtigkeit und Achtung ihrer Menschenwürde hungern, mit denen, die ihrer Grundrechte beraubt sind, mit denen, die in ihrer elenden Lage im Stich gelassen oder, schlimmer noch, ausgebeutet werden. Christus leidet mit denen, die nach einem umfassenden und gerechten Frieden hungern, wo dieser zerstört oder von so vielen Konflikten und einer an Wahnsinn grenzenden Überbewaffnung bedroht wird. Dürfen wir denn vergessen, daß es unsere Aufgabe ist, die Welt zu gestalten, und nicht, sie zu zerstören? Mit einem Wort, Christus leidet mit allen Opfern einer materiellen, moralischen und geistigen Verelendung. „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ... ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ... ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ {Mt 25,35.36). An jeden einzelnen von uns werden diese Worte am Jüngsten Tag gerichtet werden. Aber schon jetzt sind sie uns Appell und Gericht. Von unserem Überfluß oder sogar vom Notwendigen etwas abzugeben ist kein spontaner Zug unserer Natur. Das ist genau der Grund, warum unsere Augen in brüderlicher Gesinnung immer wieder auf Person und Leben unserer Mitmenschen gelenkt werden müssen und wir in uns selbst diesen Hunger und Durst nach Teüen, nach Gerechtigkeit und Frieden wecken müssen, damit wir wirklich zum Handeln kommen und uns daran beteiligen, den hartgeprüften Menschen und Völkern zu helfen. Liebe Brüder und Schwestern! In dieser Fastenzeit im Jubüäumsjahr der Erlösung bitte ich euch: Laßt euch bekehren, versöhnt euch ehrlich mit Gott und euren Mitmenschen! Ein solcher Bußgeist, eine solche Bereitschaft zum Teilen und zur freiwilligen Beschränkung wird sich dann in konkreten Gesten ausdrücken, zu denen euch eure Ortskirchen sicherlich einladen werden. „Jeder gebe, wie er es sich in seinem Herzen vorgenommen hat, nicht 1025 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verdrossen und nicht unter Zwang; denn Gott liebt einen fröhlichen Geber.“ Diese Aufforderung des hL Paulus an die Korinther ist durchaus noch aktuell (2 Kor 9,7). Ich wünsche euch, daß ihr tiefe Freude verspüren mögt, wann immer ihr eure Nahrung teilt, dem Fremden Gastfreundschaft bietet, zur Unterstützung der Armen beitragt, den Arbeitslosen Arbeit verschafft, eure Verantwortung in Staat und Beruf ehrlich und mutig ausübt, den Frieden lebt im Kreis eurer Familie wie in allen euren menschlichen Bindungen. Das alles ist konkrete Liebe zu Gott, zu der wir uns bekehren müssen. Eine Liebe, die nicht zu trennen ist von dem oft so dringenden Dienst an unserem Nächsten. Machen wir es möglich, daß Christus am Jüngsten Tag mit Recht zu uns sprechen kann: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“ Versöhnung, Frieden und Fortschritt Ansprache an den Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl, Dr. Hans Pasch, anläßlich der Übergabe seines Beglaubigungsschreibens am 24. Februar Sehr geehrter Herr Botschafter! 1. Mit besonderer Freude nehme ich heute Ihr Beglaubigungsschreiben entgegen. Ich beglückwünsche Sie zu Ihrer ehrenvollen Ernennung als außerordentlicher und bevollmächtigter Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl. Sie übernehmen damit ein Amt, durch das unter Ihren verdienten Vorgängern das in der Geschichte gewachsene gute Einvernehmen zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl den neuen iZeitumständen entsprechend fruchtbar weiterentwickelt und gefestigt worden ist. Ihr heutiger erster offizieller Besuch im Vatikan steht, wie Sie selbst soeben hervorgehoben haben, noch ganz unter der Erinnerung an den Pastoralbesuch, den ich im vergangenen Jahr Ihrem geschätzten Land habe abstatten dürfen. Er bot mir bei verschiedenen Anlässen Gelegenheit, die jahrtausendalte tiefe Verbundenheit des österreichischen Volkes mit dem Christentum und sein sich daraus ergebendes reiches geschichtliches und kulturelles Erbe besonders zu würdigen. Die zahlreichen eindrucksvollen Begegnungen und Feiern während meines kurzen Aufent- 1026 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haltes waren dafür ein gelebtes Zeugnis. Wie dieser denkwürdige Besuch seinen erfolgreichen Verlauf im wesentlichen dem vertrauensvollen Zusammenwirken der Verantwortlichen von Kirche und Staat verdankt, so möge er seinerseits auch deren weitere Zusammenarbeit im gemeinsamen Dienst am Menschen, der zugleich Bürger und Christ ist, nachhaltig vertiefen und befruchten. 2. In Ihrer Begrüßungsansprache, für die ich Ihnen aufrichtig danke, hoben Sie unter anderem die hohen Ziele und Ideale hervor, denen sich Österreich von seiten seiner Geschichte und geographischen Lage her bei der Gestaltung des eigenen gesellschaftlichen Lebens und in seiner Verantwortung für die internationale Völkergemeinschaft verpflichtet fühlt: gerechter Ausgleich zwischen arm und reich, Wahrung der Menschenrechte, Versöhnung zwischen den Völkern und Blöcken, Sicherung des Friedens durch Abrüstung und Vertrauensbildung, Hilfe für die Völker der Dritten Welt. Wie die Geschichte zeigt, versteht Ihr Land seine selbstgewählte Neutralität nicht als selbstgenügsame Isolierung oder Gleichgültigkeit gegenüber den großen Weltproblemen, sondern ist bemüht, diese vielmehr für seinen speziellen Beitrag zu deren Lösung fruchtbar zu machen. Im Bemühen um die Verwirklichung der genannten vordringlichen Anliegen zum Wohl der Menschen und Völker findet Ihre Regierung im Hl. Stuhl stets einen loyalen Verbündeten. Der Hl. Stuhl teüt mit Ihrem Land das Merkmal der Neutralität, was ihn in einer besonderen Weise dazu befähigt, sich uneigennützig in den Dienst der Völkergemeinschaft zu stellen, seine Vermittlung und konkrete Mitarbeit anzubieten. 3. Versöhnung, Frieden und Fortschritt haben aber nur Aussicht auf Erfolg und Bestand, wenn sie nicht auf einer reinen „Koexistenz“ der Blöcke, auf Zwang oder dem Gleichgewicht des Schreckens gründen, sondern in Freiheit und Gerechtigkeit, also in sittlichen Bindungen verankert sind. Deshalb geht es der Kirche auch bei ihrer Mitarbeit im politischen und gesellschaftlichen Bereich stets vorrangig um die Förderung und Verteidigung der grundlegenden geistigen und moralischen Werte, ohne die eine wirklich menschenwürdige Staats- und Völkergemeinschaft nicht auferbaut werden kann. Die Beobachtung dieser Werte ist schon für die Art der Kontakte, für das Verhalten und die Verhandlungsweise zwischen den Staaten und deren Vertreter untereinander von größter Bedeutung. Deshalb habe ich in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps in Wien so nachdrücklich 1027 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN betont, daß es im gegenwärtigen Augenblick vor allem einer „ehrlichen und aufrichtigen Diplomatie“ bedarf, „die auf trügerische Verschlagenheit, Lüge und Intrigen verzichtet, die legitime Ansprüche und Forderungen der Partner achtet und durch loyale Verhandlungsbereitschaft den Weg für eine friedliche Lösung von bilateralen und internationalen Konflikten ebnet“ (Ansprache vom 11. September 1983). Dieses ist die wichtigste und grundlegendste Forderung aller Vertrauens- und sicherheitsbildenden Maßnahmen, um die man sich bekanntlich im derzeitigen politischen Dialog auf höchster Ebene wieder neu bemüht. „Unaufrichtigkeit verbreitet Mißtrauen gerade dort, wo Vertrauen absolut notwendig ist und allein eine wirklich tragfähige Grundlage für eine dauerhafte Verständigung bieten kann“ (ebd.). 4. Gemäß ihrer Sendung zum Heil des Menschen fühlt sich die Kirche mitverantwortlich für eine gerechte und menschenwürdige Gestaltung der Gesellschaft. Die gegenwärtig besorgniserregend um sich greifenden sozialen Übel, organisiertes Verbrechertum, Drogen, sexuelle Ausbeutung, Abtreibung zeigen nur allzu deutlich, auf welchem Irrweg wir uns befinden, wenn wir auf die sittliche Ausrichtung unseres Handelns verzichten zu können glauben. Gerade auch die politische Verantwortung ist letztlich nach sittlichen Maßstäben zu messen. Deshalb wird die Kirche nicht müde, „gelegen oder ungelegen“, immer wieder auf diese hinzuweisen. Sie steht auf der Seite all derer, die sich aus innerer Überzeugung für die Anerkennung und Wahrung allgemeinverbindlicher Grundwerte in der Gesellschaft, für den Schutz des menschlichen Lebens und der Familie sowie die Förderung der öffentlichen Moral einsetzen. Alle Christen sind aufgerufen, sich aus dem Glauben heraus ihrer besonderen Verantwortung für das Gemeinwohl zu stellen. Mögen Sie sich, sehr geehrter Herr Botschafter, bei der Wahrnehmung Ihrer neuen verantwortungsvollen Aufgabe als österreichischer Botschafter beim Hl. Stuhl gegenüber Ihrer Regierung auch als Sprecher und Vermittler dieser großen Sorge der Kirche um das wahre Wohl der Menschen und der Völkergemeinschaft verstehen und zu einer noch wirksameren Zusammenarbeit zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl im gemeinsamen Dienst am Menschen beitragen. Aufrichtig danke ich für die mir von Ihnen überbrachten Grüße des Herrn Bundespräsidenten und bitte Sie höflich, diese freundlich zu erwidern. Zugleich erbitte ich Ihnen, Ihrer werten Familie sowie allen Mitarbeitern Ihrer Botschaft für Ihre wichtige Mission mit meinem besonderen Segen von Herzen Gottes bleibenden Schutz und Beistand. 1028 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Saat, in der Erde verborgen Ansprache bei der Audienz für die chinesischen Bischöfe aus Taiwan am 28. Februar Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! Es ist mir eine wirkliche Freude, euch heute willkommen zu heißen und durch euch meine Grüße an eure Mitarbeiter im Apostolat, die bei euch arbeitenden Ordensfamilien, an die eurer Seelsorge anvertrauten Gläubigen und all eure Landsleute schicken zu können. Unser heutiges Treffen ist kein vorübergehendes Ereignis: Ihr seid immer im Herzen und im Gebet des Papstes gegenwärtig, genauso wie ich weiß, daß ihr ihm durch die geistliche Solidarität verbunden seid, durch die die Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri zu einem Kriterium der Zugehörigkeit zur katholischen Kirche wird, die die „uralte Disziplin weiterführt, daß die auf dem ganzen Erdkreis bestellten Bischöfe untereinander und mit dem Bischof von Rom im Bande der Einheit, der Liebe und des Friedens Gemeinschaft halten“ (Lumen gentium, Nr. 22). Ihr seid im Heiligen Jahr der Erlösung in den Vatikan gekommen, um an den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus neue Kraft zu schöpfen, in die Stadt, in der sie ihr Zeugnis durch den Märtyrertod besiegelten, um so einer ihnen feindlich gesinnten Welt ihren Glauben an Jesus Christus, den Heiland der Menschen, zu verkünden. 1. Euer Aufenthalt hier gehört zum Abschluß der Feiern, die im letzten Jahr in Taiwan in Erinnerung an den 400. Jahrestag der Ankunft von P. Matteo Ricci in China abgehalten wurden, während ihr mit der Vorbereitung des 125. Jahrestags der Evangelisierung Taiwans schon begonnen habt. Dies ist eine Gelegenheit, der ganzen Kirche in Erinnerung zu rufen und erneut zu sagen, daß ein Leben im Glauben immer auch Selbstaufgabe, Mißachtung der eigenen Interessen und persönliches Zeugnis bedeutet. Ihr und euer Volk von Gläubigen wißt dies genau, denn ihr habt viele Prüfungen durchmachen müssen, um den Schatz, der euer Glaube an Jesus ist, „der derselbe gestern, heute und in Ewigkeit ist“ (Hebr 13,8), zu bewahren. Diesen Glauben habt ihr nicht für euch selbst zurückbehalten, denn er ist - wie die tapferen Missionare, die zu euch kamen, lehrten - dazu ausersehen, weitergegeben und mitgeteilt zu werden. In diesem Sinne 1029 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN möchte ich euch meine Zufriedenheit ausdrücken über die Weise, in der es euch gelang, diese Feierlichkeiten zu veranstalten, nämlich nicht als ein nostalgisches Zurückschauen auf die Vergangenheit, sondern eine Verpflichtung, eine Entschlossenheit, Christus und seine Kirche dem heutigen chinesischen Volk immer konsequenter zu verkünden. 2. Ihr seid Chinesen und stolz darauf, es zu sein. Ihr gehört einem großen Volk an, das ein Viertel der Menschheit ausmacht. Ein Volk, das nicht nur zahlenmäßig bedeutend, sondern vor allem aufgrund seiner Kultur und Werte groß ist. Ein fleißiges Volk, dessen Einfluß auf Frieden und Wohlergehen der Menschheit heute und in Zukunft nicht ignoriert werden kann. Die Kirche hat etwas mit diesem Volk, was Gott und die Menschen betrifft, gemein. Sie möchte diesem Volk die Wahrheit verkünden, die sie von den Aposteln erhielt: „. . . Einer ist Gott, einer ist auch Mittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus, der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle“ (1 Tim 2,4-5). In einem Hirtenbrief für das Jahr 1981 habt ihr selbst geschrieben: „Weit vorausschauende Missionare sahen die Verkündigung des Evangeliums an das chinesische Volk als das Ziel an, das ihnen am meisten am Herzen lag. Sie kamen nach China, um ihren christlichen Glauben zu verkünden. Wir heute lebenden Chinesen müssen nun uns selbst fragen, was wir für die Verkündigung des Evangeüums in unserem eigenen Volk getan haben und was wir in dem gegenwärtigen geschichtlichen Moment tun können. Wir müssen sorgfältig zu prüfen suchen, welche Haupthindernisse unserer Verkündigung in China heute entgegenstehen. Wir müssen ebenfalls untersuchen, wie wir das Evangelium wirksam zu unseren eigenen Leuten bringen können (Gemeinsamer Hirtenbrief der Chinesischen Bischofskonferenz in Erinnerung an den 400. Jahrestag der Ankunft M. Riccis in China am 3. Dezember 1981). 3. Ja, meine lieben Brüder, ihr habt klar verstanden, daß die Wahrheit Christi, die ihr zu verkünden habt, die Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort erreicht. Als geliebte Söhne der chinesischen Nation seid ihr mit der Aufgabe betraut, die Glaubensbotschaft so zu übersetzen, daß sie von euren Landsleuten überall verstanden werden kann. Für die Kirche ist das kein neues Problem. Seit ihren Anfängen mußte sie wissen, wie ihr Glaube und dessen Formulierung mit der „Gastkultur“ in Übereinklang gebracht werden konnte. Dabei hat sie diese respektiert und all ihre besten Elemente übernommen. Die Missionare, deren aposto- 1030 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lisches Wirken in China ihr jetzt feiert, haben genau das getan. Sie nahmen eure Schätze an und gaben euch ihren eigenen, damit Jesus Christus, der einzige Schatz, den es auf der Welt zu besitzen gilt, bekannt und geliebt würde. Die Fackel ist an euch weitergereicht worden. Ihr müßt nun ins Herz dieser Sammlung von Werten eindringen, die die Kultur eines Volkes ausmachen, Werte, in denen ein Volk sich selbst über alle Wechsel und momentanen geschichtlichen Trennungen hinaus erkennt. Die Kirche -wie ich schon beim Abschluß des Matteo Ricci gewidmeten Internationalen Kongresses im Jahre 1982 zu sagen Gelegenheit hatte -, die empfänglich ist für die geistlichen Talente eines jeden Volkes, kann nicht umhin, das chinesische Volk, zahlenmäßig das stärkste auf der Erde, als eine große, einzige Realität zu betrachten, einen Schmelztiegel edler Traditionen und lebendiger Fermente und deshalb gleichzeitig als eine große, vielversprechende Hoffnung“ (Ansprache an die Päpstliche Universität Gregoriana vom 25. 10. 1982, Nr. 6). Die in Taiwan lebende Kirche ist dieser Wirklichkeit gegenüber besonders aufgeschlossen. Sie lebt nicht abgekapselt in sich selbst, indem sie der Vergangenheit nachtrauert oder sich fürchtet. Nein, sie betet, heüigt sich und arbeitet, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). Seit der lange vergangenen Epoche der Tang-Dynastie (617-917), die man allgemein als Beginn der Evangelisierung des chinesischen Festlandes ansieht, bis heute im Jahr 1984 haben das Wort Christi, seine Botschaft und seine Kirche nichts von ihrer schöpferischen Kraft, ihrem Licht und ihrer Neuheit verloren, denn Jesus Christus ist mit uns „bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20), und sein versöhnendes Wort hat die Form eines Kreuzes angenommen, das die verschiedensten Völker verbindet. Wir müssen ihre Sprache, ihre Art des Redens und ihre Gebräuche kennenlernen, damit wir ihnen über den Plan von einem Gottvater erzählen können, von dem und dessen Liebe Jesus durch sein Opfer Zeugnis ablegte. Ihr Katholiken aus Taiwan und die euch anvertraute Diaspora habt diese großartige Aufgabe, eine Brücken schlagende Kirche für eure Landsleute auf dem Festland zu sein. Eure anderen christlichen Brüder und Schwestern, die im Moment wie Saat in der Erde verborgen sind, müssen dann die Fackel weitertragen. All diese Bemühungen und all diese Opfer können aber nicht ohne Früchte bleiben: Der Tag wird kommen, an dem Jesus verkündet, weitergereicht und sichtbarer in der Kultur, den Erwartungen und Hoffnungen der ganzen chinesischen Nation gefeiert werden kann, die die Kirche zutiefst respektiert und liebt. 1031 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Meine lieben Brüder, ich möchte euch ebenso wie eure Gläubigen ermutigen durchzuhalten, zu beten und zu leiden und so Gottes Plan immer aufgeschlossener gegenüberzustehen, der allem zum Trotz sich in der Geschichte jeden Volkes entfaltet: „Fürchte dich nicht . . . Der Heilige Geist wird über dich kommen . . . Denn für Gott ist nichts unmöglich“ (Lk 1,30-38), wie der Engel zu Maria sagte. Der Papst gedenkt euer, und er möchte zusammen mit der Kirche, die euch nicht vergißt und von euren Schwierigkeiten weiß, diese Wort an euch richten, die der Apostel Paulus an die Christen in Kolossä schrieb: „Wir danken Gott, dem Vater Jesu Christi, unseres Herrn, jedesmal, wenn wir für euch beten. Denn wir haben von eurem Glauben an Christus Jesus gehört und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt“ {Kol 1,3-4). Möge unser Eifer, den Menschen, jeden und alle Menschen, anzusprechen, uns die siegreiche Liebe Christi auch in geschichtlichen Widersprüchen entdecken helfen, eine Geschichte, in der Gott sich über Dinge hinwegsetzt, die wir Menschen als Hindernisse oder unmöglich anzusehen versucht sind. „Seid stark und unverzagten Herzens, ihr alle, die ihr harrt des Herrn!“ (Er 31,25). Laßt eure Augen in die Zukunft schauen und laßt, getröstet durch das Zeugnis derer, die vor euch kamen, und unterstützt von dem Gebet der ganzen Kirche, das Licht des Evangeliums durch die Frömmigkeit und Heiligkeit eurer Gemeinden sichtbar werden. Es ist mir auch eine Freude, heute morgen die in Rom lebenden Mitglieder der chinesischen Gemeinschaft begrüßen zu können, die ihren Bischof auf diesem bedeutungsvollen Besuch begleiten wollten. Ich ermutige euch alle, euch noch mehr dem Herrn Jesus zu verpflichten. Werdet durch ein rechtschaffenes tägliches Leben zu Zeugen des Evangeliums vor der Welt! Ich gebe euch allen meinen Apostolischen Segen mit einem von Liebe und Gebet erfüllten Herzen. 1032 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Es genügt nicht, stehenzubleiben!“ Ansprache des Papstes an die Provinzialminister der Kapuziner am 1. März Liebe Brüder! 1. Mit euch, den Ministern und Räten eurer italienischen Provinzen, begrüße ich alle eure italienischen Mitbrüder und den ganzen verdienstvollen Kapuzinerorden. Eure Anwesenheit hier und heute entspricht vor allem dem klaren Wunsch, dem Stellvertreter Christi eure Treue zum Ausdruck zu bringen, wie es der Wunsch eures seraphischen Vaters war: „der heiügen Mutter Kirche allezeit untergeben und dienstbar zu sein“.) Sie entspricht ferner dem kindlichen Wunsch, zu der schwierigen Aufgabe der „ständigen Fortbildung“ ein Wort der Ermutigung zu hören. 2. Ich weiß, daß euer Orden in letzter Zeit versucht hat, dieses Problem ernsthaft in Angriff zu nehmen. Ein deutlicher Beweis dafür sind auf gesetzgeberischer Ebene die derzeitigen Normen eurer Konstitutionen von 1982) und auf praktischer Ebene die Einrichtung eines zentralen Organismus zur Durchführung dieser Normen. All dem kann ich nur zustimmen und euch ermutigen. Im Rahmen dieses Programms seid ihr als Provinzial-Minister zwei volle Monate zu einem Kurs ständiger Fortbildung zusammengekommen, d. h. zu einer Zeit intensiveren Gebets, Nachdenkens und Studierens. Ihr wolltet so Jesus nachfolgen, der „vom Heiligen Geist geführt vierzig Tage lang in der Wüste blieb“ (vgl. Lk 4,1) und sich auch sonst oft zum Beten zurückzog. Ihr wolltet zugleich dem hl. Franziskus nachfolgen, der sich häufig für längere Zeit - zumal während der Fastenzeit - zur Besinnung nach La Verna und an andere einsame Orte zurückzog. Ihr habt das Bedürfnis nach geistlicher Erneuerung und kultureller Vertiefung gespürt, um damit auch euren Mitbrüdern Beispiel und Anregung zu geben. 1033 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN. jedenfalls neuen Wertempfindungen konfrontiert. Das alles erfordert eine Gott wie den Menschen enger verbundene Haltung, die auf die „Stimme des Geistes“ achtet, die im Inneren der Gewissen als Zeichen der Zeit spricht. Notwendig wird daher ein tiefer erfahrenes geistliches Leben und eine kulturelle Ausbildung, die euch fähig machen - im Licht des Evangeliums und der Lehre der Kirche -, voll und ganz eurer Berufung gerecht zu werden und unsere heutige Welt richtig zu interpretieren. 4. In einem meiner Briefe an alle Priester der Kirche habe ich zwei grundlegende Prinzipien in Erinnerung gerufen, nämlich die Notwendigkeit täglicher Umkehr und die Notwendigkeit immerwährenden Gebetes. Dann sagte ich weiter: „Mit diesem Gebet müssen wir eine ständige Arbeit an uns selber verbinden, nämlich uns ständig weiterbilden“), innerlich, seelsorglich und intellektuell. <25>) Das bedeutet: „Wenn auch unsere pastorale Tätigkeit, die Verkündigung des Wortes und die Gesamtheit unseres priesterlichen Dienstes von der Lebendigkeit unseres eigenen inneren Lebens abhängen, so brauchen wir doch ebenso eine Stütze durch unser ständiges Weiterstudium. Es genügt nicht, bei dem stehenzubleiben, was wir einmal im Seminar gelernt haben, selbst wenn wir damals auf Universitätsniveau studiert haben... Dieser Prozeß der geistigen Bildung muß das ganze Leben hindurch weitergehen... Als Lehrer der Wahrheit und der Moral ist es unsere Aufgabe, ihnen überzeugend und wirksam Rechenschaft von der Hoffnung zu geben, die uns erfüllt. Auch dies macht einen Teil der täglichen Umkehr zur Liebe durch die Wahrheit aus.“ <26>) <25> Die ständige Fortbildung hat in ihrer doppelten Dimension als Umkehr und kulturelles Aggiornamento ein volleres und konsequenteres Ja zum eigenen Beruf zum Ziel: „Das Bemühen der Ordensinstitute um ein Aggiornamento der Zielsetzungen und Methoden wäre vergeblich, wenn es nicht von Vertiefung und Wiederbelebung der Spiritualität inspiriert und begleitet würde.“7) Hier möchte ich einige Zielsetzungen herausstellen, die eure besondere Art der ständigen Fortbildung kennzeichnen müssen. An erster Stelle nenne ich ein tieferes Ausschöpfen des Schatzes, der das brüderliche Leben ist, zu dem ihr berufen wurdet. Der Wert dieser vom Heiligen von Assisi so lebendig und echt vorgelebten Brüderlichkeit Diese Lehre der Kirche findet sich im neuen Codex des kanonischen Rechts und wird auch in euren neuen Konstitutionen deutlich, in zwei Dokumenten also, die ihr gewiß schätzt und eifrig studiert. 1034 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurde von den Menschen aller Zeiten als hohes Ideal menschlicher und gemeinschaftlicher Vollkommenheit betrachtet. An euch liegt es vor allem, diesen Wert im geduldigen täglichen Zusammenleben, Beten und Wirken mehr durch Taten als durch Worte mit Überzeugung zu verwirklichen. ; In eurer Geschichte hat sich diese Botschaft der Brüderlichkeit oft in die Förderung von Friedensverträgen auf der Ebene der öffentlichen Gewalt - es genügt, an das Friedenswerk eurer Mitbrüder Laurentius von Brindisi und Markus von Aviano zu erinnern — umgesetzt, aber auch bei sozialen Spannungen, und zwar durch Wanderpredigten und die Spendung des Sakraments der Versöhnung, die, weil mit Eifer und Einfachheit ausgeführt und auf dem Wort Gottes gründend, sich als weise und fruchtbar erwiesen. Der hl. Leopold, der selige Jeremias von der Walachei, P. Pio und P. Mariano von Turin verkündeten die Liebe und wurden damit „Friedensstifter“ (vgl. Mt 5,9). 6. Das Charisma eures Ordens, das dem kräftigen, vom hl. Franz von Assisi gepflanzten Baum entstammt, zeichnet sich durch die Praxis glühenden Gebets aus, verbunden mit jener „vollkommenen Freude“ (Jak 1,2), die nicht von der Welt, sondern von einer tiefen, kontemplativen Vereinigung mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus kommt. Wenn euch der Weg der letzten Jahre vielleicht zu einer allzu intensiven und weitgestreuten apostolischen Tätigkeit geführt hat, ist es nun Zeit, eure diesbezüglichen Ausrichtungen zu überprüfen. Schenkt Gott mehr von eurer Zeit, eurem Geist und eurem Herzen; lehrt eure Brüder durch euer Leben, daß Gott im Dasein des Menschen heilige und unverletzliche Rechte besitzt und nicht auf den letzten Platz im Haus, den letzten Augenblick des Tages verwiesen werden darf. Das Suchen nach inniger Vereinigung mit ihm muß das unermüdliche Bemühen eurer Tage sein. <27> <27> Die Entscheidung für die Armen: Die Welt nimmt heute mit neuem Verantwortungsbewußtsein die Präsenz der Armen wahr. Oft bleibt diese Erkenntnis freilich Theorie. Ihr habt euch für die Armen entschieden, und eure Konstitutionen erinnern euch jeden Tag daran, wie ihr die Seligpreisung des Herrn leben sollt: „Selig die Armen, denn euch gehört das Reich Gottes“ (Lk 6,20). Es gibt verschiedene Weisen, sich mit den Armen des Herrn zu identifizieren, aber ihr müßt sie immer besonders lieben, und ihre Leiden und Nöte zu teilen muß ein grundlegendes Element eures ganzen Lebens und Wirkens sein. 1035 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Wenn ihr diese Lebensregeln befolgt, dann könnt ihr zu jenen Zeugen der Frohbotschaft werden, die die Kirche und die Menschen in euch sehen möchten, entsprechend der Lehre und dem Beispiel des hl. Franz. Man nennt euch die „Brüder des Volkes“), und ihr seid es. Ihr habt leichteren Zugang zum Herzen der Kleinen und könnt auch leichter, zumal durch das Wanderapostolat, Jesus, den Erlöser des Menschen, in die Gesellschaft hineintragen, speziell in die breiten Massen der Armen, der Kleinen und Schwachen. Die Menschen unserer Zeit sind von Kämpfen und Kriegen, von Ungerechtigkeiten und Krisen aller Art betroffen und brauchen Freude und Hoffnung, die man nur aus der göttlichen Quelle schöpfen kann. Labt euch täglich an dieser Quelle und zieht in die Welt wie Franziskus, indem ihr allen sagt: „Der Herr schenke dir Frieden!“) Verkündet als „Hüter der Hoffnung“ das Heil, das von der Versöhnung mit Gott herkommt. Bei diesem immer neuen Bemühen möge Jesus, der göttliche Meister, euch führen und die Jungfrau Maria euch beistehen, die das Wort des Herrn „in ihrem Herzen bewahrte“ (Lk 2,51). Auf euch und den ganzen Kapuzinerorden steige der Apostolische Segen herab, den ich euch von Herzen erteile. Anmerkungen ’) Regel, c. 12. 2) Ebd., Nr. 41-44. 3) Gaudium et spes, Nr. 5. 4) Schreiben an alle Bischöfe und Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1979, Nr. 10. 5) Ygl. Kongregation für den Klerus, Brief Inter ea, AAS LXII (1970), S. 123 ff. 6) Schreiben an alle Bischöfe und Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1979, Nr. 10. 7) Ansprache an das 106. Generalkapitel des Dritten Regular-Ordens des hl. Franz von Assisi vom 19. 5. 1983. 8) Vgl. Ansprache an die Franziskaner- Volksmissionare der Diözese Rom vom 15.11.1982. 9) Testament des hl. Franziskus. 1036 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Auf den Pfaden des Dialogs“ Ansprache an die Mitglieder und Konsultoren der internationalen lutherischen/katholischen Kommission am 2. März Liebe Freunde in Christus! Ich heiße Sie herzlich willkommen und begrüße Sie mit Hochachtung und einem starken Empfinden für die Bande, die uns miteinander verknüpfen. Dankbarkeit erfüllt unsere Herzen, „Wir danken Gott für euch alle, sooft wir in unseren Gebeten an euch denken“ (2 Thess 1,2). Unsere Gedanken gehen zurück in die denkwürdigen Jahre des Zweiten Vatikanischen Konzils. Damals beschloß die katholische Kirche in der Versammlung ihrer mit dem Nachfolger Petri vereinten Bischöfe unter dem Antrieb des Heiligen Geistes, mit ganzer Kraft ihre Verpflichtung zur christlichen Einheit wieder wahrzunehmen. Damals kam es zu unseren ersten Kontakten mit den geschätzten Beobachterdelegierten auf dem Konzil. Das führte bald zum offiziellen Dialog, wie er hier zwischen dem Lutherischen Weltbund und dem Sekretariat für die Einheit der Christen stattfindet. Wir sehen diese besonderen, offiziellen Beziehungen als eine Notwendigkeit und ein Geschenk Gottes an. 20 Jahre intensiver Arbeit Nun hat uns Gottes Vorsehung seit nahezu 20 Jahren auf den Pfaden des Dialogs geführt. Während dieser Zeit haben Sie als Mitglieder und Konsultoren der gemeinsamen lutherischen/katholischen Kommission zehn Vollversammlungen und mehrere kleinere Tagungen abgehalten. Als Ergebnis haben Sie wichtige und bedeutende Elemente zur Errichtung des Gebäudes der Einheit, an dem wir gemeinsam bauen, erarbeitet. Dankbar blicken Sie auf diese Jahre intensiver Arbeit, die vom Geist der Selbsthingabe gekennzeichnet sind, zurück. Auf dem ganzen; Weg wurden Ihre Bemühungen von den Gebeten des christlichen Volkes unterstützt und vom Vertrauen in die Gaben des Heiligen Geistes ermutigt. Ihnen oblag eine große Verantwortung, die Sie in leidenschaftlicher Liebe zur Wahrheit, die Christus selbst ist, in Demut vor dem Geheimnis des heiligen Willens Gottes und in Treue zu Ihrem eigenen geistlichen Erbe wahrnahmen. Inmitten Ihrer Bemühungen wuchs eine Atmosphäre enger geistiger Verwandtschaft und auch ein Gefühl der Solidarität mit jenen, die unter der Spaltung leiden; die Ergebnisse Ihrer Arbeit sind in der 1037 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN christlichen Welt weitgehend bekannt. Viele Menschen überdenken, studieren und prüfen die von Ihnen gemeinsam verfaßten Dokumente. Mögen Ihre Berichte zur Bewegung auf die christliche Einheit hin beitragen, damit diese Bewegung unter der Leitung der jeweiligen kirchlichen Autoritäten tiefe Wurzeln in den Herzen aller Gläubigen schlägt und diese ihrerseits dazu bewogen werden, ihren besonderen Beitrag zu leisten. Vor vier Jahren wurde der Jahrestag der Vorlage des Hauptdokuments des lutherischen Bekenntnisses, der Confessio Augustana, auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 begangen. Sie haben mit tiefer Genugtuung in einer Reihe zentraler Glaubenswahrheiten eine Übereinstimmung festgestellt. Was uns eint und woran wir gemeinsam festhalten, ermutigt uns in der Hoffnung, daß wir zu noch größerer Einheit auch in jenen Bereichen des Glaubens und christlichen Lebens gelangen, in denen wir noch getrennt sind. In dem eben zu Ende gegangenen Gedenkjahr der Geburt Martin Luthers konnten wir erkennen, daß die Bemühungen evangelischer und katholischer Forschung uns ein vollständigeres Bild der Person und der Lehre Luthers sowie einen besseren Überblick über die verwickelten historischen Ereignisse im 16. Jahrhundert bieten. Das alles sind wichtige Elemente für die Versöhnung und das Zusammenwachsen von Katholiken und Lutheranern. Es sind Marksteine auf dem langen, mühsamen Weg, der uns voranführt. Wir werden nie aufhören, neue Gelegenheiten zur allmählichen Verwirklichung jener Einheit zu suchen, für die Christus am Abend vor seinem Opfertod gebetet hat. Was immer zwischen uns, hier und jetzt, auf dem Weg des gemeinsamen christlichen Zeugnisses möglich ist, dem wollen wir Leben und Wirklichkeit verleihen. Ich danke Ihnen noch einmal für alles, was Sie im Gehorsam gegenüber dem Willen Christi, in Treue zur Wahrheit und im Dienst am Evangelium getan haben in einer Welt, die sich nach Licht und Wegweisung sehnt. Möge Ihre Arbeit reich gesegnet sein und viel Frucht bringen. Ich bete, daß der Geist Gottes der Versammlung des Lutherischen Weltbundes im kommenden Sommer seinen reichen Beistand zuteil werden lasse. Ich bete auch für die Zukunft unseres Dialogs, auf daß wir gemeinsam, den Eingebungen des Heiligen Geistes folgend, „wachsen in der Gnade und Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus. Ihm gebührt die Herrlichkeit, jetzt und bis zum Tag der Ewigkeit. Amen“ (2 Petr 3,18). 1038 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Sie rechnen mit euren Gebeten“ Ansprache an die litauischen Pilger aus aller Welt am 3. März Liebe Brüder und Schwestern! Ich freue mich sehr, euch heute begrüßen zu können, liebe Litauer. Ihr seid aus der ganzen Welt nach Rom gekommen, um des 500. Todestages des hl. Kasimir, des Patrons von Litauen, zu gedenken. Obwohl ihr jetzt in Ländern außerhalb Litauens lebt, seid ihr durch das gemeinsame, von den Ahnen überkommene Erbe verbunden. Und ihr bleibt treu solidarisch mit euren Brüdern und Schwestern in eurem Herkunftsland, denen es nicht möglich ist, heute unter uns zu weilen. Viele von ihnen werden heute mit den Bischöfen in der Stadt Wilna, wo die sterblichen Überreste des hl. Kasimir seit Jahrhunderten verehrt werden, sein Gedächtnis feiern. Wir wollen uns ihnen geistig und im Gebet anschließen und die besondere Fürsprache des hl. Kasimir für das litauische Volk und die litauische Nation erflehen. Viele Litauer mußten seit dem 19. Jahrhundert und besonders nach dem letzten Weltkrieg aus verschiedenen Gründen ihre Heimat verlassen. Wenn sie in neue Länder einwanderten, brachten sie ihre religiösen und kulturellen Schätze mit, besonders ihre Verehrung für den hl. Kasimir. Unter seinem Namen wurden zahlreiche religiöse und soziale Stiftungen errichtet. Unter großen Anstrengungen und Opfern wurden viele Kirchen erbaut und diesem edlen Heiligen geweiht. Litauische Jugendverbände, wie die Knights of Lithuania und die litauischen Pfadfinder, haben den hl. Kasimir zu ihrem Patron gewählt. Ein Segen für die Kirche war die Gründung der Schwestern des hl. Kasimir; Provinzen der Marianisten und der Fanziskaner haben sich unter seinen Schutz gestellt. Hier in Rom besteht das Päpstliche Litauische Kolleg, das den Namen des hl. Kasimir trägt und junge Männer litauischer Herkunft auf den priesterlichen Dienst in der Kirche vorbereitet. Es ist also klar, daß der hl. Kasimir zu einem starken Band zwischen jenen, die noch in der Heimat leben, und den über die ganze Welt verstreuten Litauern geworden ist. Die Kirche hat vor Jahrhunderten Kasimir heiliggesprochen; und ihn uns nicht nur zur Verehrung vor Augen gestellt, sondern damit wir seine heroischen Tugenden nachahmen und seinem Vorbild der Heiligkeit folgen. Sein Zeugnis eines großen Glaubens und einer glühenden Frömmigkeit hat auch noch für uns heute besondere Bedeutung. An die Jugend 1039 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN richtet er einen herausfordernden Appell. Sein Leben der Reinheit und des Gebets ist eine Einladung an euch, mit Mut und Eifer euren Glauben auszuüben, die trügerischen Attraktionen der modernen permissiven Gesellschaft zurückzuweisen und unerschrocken, voll Zuversicht und Freude eure Überzeugung zu leben. Sein Leben weist uns auch auf die Bedeutung der christlichen Familie hin. Denn Kasimir war eines von zwölf Kindern und erfuhr schon in seiner frühesten Jugend, daß jedes Kind ein einmaliges Geschenk Gottes ist und daß ein Mensch, der auf die Liebe Gottes baut, eine wahrhaft kostbare Perle ist. Ordensmänner und Ordensfrauen können im hl. Kasimir eine Inspiration für ihr geweihtes Leben finden, wenn sie sich erinnern, wie er ein Leben der Ehelosigkeit annahm, sich in allen Dingen demütig dem Willen Gottes unterordnete, sich mit zartfühlender Liebe der seligsten Jungfrau Maria widmete und eine leidenschaftliche Übung in der Anbetung Christi, der im Heiligsten Sakrament gegenwärtig ist, entfaltete. Für alle war er ein leuchtendes Vorbild der Armut und der opferbereiten Liebe zu den Armen und Notleidenden. Liebe litauische Söhne und Töchter, anläßlich des 500. Todestages des hl. Kasimir richte ich die besondere dringende Bitte an euch: Bleibt eins in Solidarität mit der Kirche in eurem Heimatland! Eure Brüder und Schwestern, die noch dort leben, blicken in ihren Sorgen und Freuden, in den täglichen Schwierigkeiten des Lebens voll aufmerksamer Zuversicht auf euch. Sie wissen eure Unterstützung zu schätzen. Sie rechnen mit euren Gebeten. Verkündet standhaft das Geschenk des christlichen Glaubens, das ihr empfangen habt, und denkt daran, daß eure Vorfahren diesen Glauben selbst unter Blutvergießen bewahrt und verteidigt haben. Und kommt euren in Litauen lebenden Landsleuten dadurch zu Hilfe, daß ihr inständig Gebete zu Gott emporrichtet und sie der liebenden Sorge des hl. Kasimir empfehlt. Vor allem aber hebt sie empor im Gebet zu unserem Herrn und Erlöser, der Quelle allen Mutes und aller Hoffnung. Ich bitte euch auch dringend, bewahrt mit Liebe die vielen religiösen und kulturellen Traditionen, die ihr als Erbe übernommen habt Die wahre Seele Litauens spiegelt sich in eurer Kultur wider, und diese Kultur hat im Laufe der Geschichte in großem Maß dazu gedient, die Werte des Evangeliums von Generation zu Generation weiterzugeben. Bleibt also eurem religiösen und kulturellen Erbe treu! Seid mit Recht stolz darauf. Macht es zur Grundlage der Erziehung eurer Jugend, wenn ihr aus ihnen treue Söhne und Töchter der Kirche zu machen versucht. Und ich bitte euch, vereint euch mit mir im Gebet um mehr geistliche Berufe. Möge der 1040 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Herr viele eurer jungen Leute zu einem Leben des freudigen Dienstes im Priestertum oder Ordensleben berufen. Der 500. Todestag des hl. Kasimir trifft günstig auf das Heilige Jahr der Erlösung, eine Zeit der Gnade für alle in der Kirche, ein Ereignis, das uns alle zur Umkehr und geistliche Erneuerung aufruft. Laßt euch vom hl. Kasimir inspirieren, damit ihr überreich die besonderen Gnaden des Jubiläumsjahres empfangt. Möge sein Vorbild euch zu immer größerem Streben nach Heiligkeit und immer tieferer Liebe zu Christus, unserem Erlöser, veranlassen. Euch allen, die ihr heute hier anwesend seid, euren Familien und Angehörigen zu Hause und allen, die dafür kämpfen, in Litauen den christlichen Glauben zu leben, erteile ich von Herzen meinen Apostolischen Segen. Dialog heißt: verzeihen lernen Ansprache an die Vollversammlung des Sekretariats für die Nichtchristen am 3. März Meine Herren Kardinäle! Liebe Brüder! 1. Ich freue mich über die Begegnung mit Ihnen zum Abschluß der Arbeiten der Vollversammlung, bei der Sie sich mit dem Studium und der Vertiefung des Generalthemas „Dialog und Mission“ beschäftigten, wie es vom Sekretariat für die Nichtchristen vorgeschlagen worden war -20 Jahre seit der Gründung dieses Dikasteriums und seit dem Erscheinen der ersten Enzyklika Pauls VI., Ecclesiam suam, die wohl mit Recht als die „Magna Charta“ des Dialogs in seinen verschiedenen Formen gilt. In diesen Jahren wurde eine gewaltige Arbeit geleistet, um „nach der Methode und den Wegen zur Eröffnung eines geeigneten Dialogs mit den Nichtchristen zu suchen“ (Regimini Ecclesiae, AAS 59, S. 919). Unter denjenigen, die an der Verwirklichung dieses Vorhabens mitgearbeitet haben, möchte ich Kardinal Pignedoli nennen, der durch seine freundschaftlichen Kontakte die Hochachtung von Angehörigen verschiedener Religionen gewonnen und Initiativen unterstützt hat, die den Forderungen der heutigen Zeit entsprechen. Mein aufrichtiger Dank gilt auch dem Pro-Präsidenten Msgr. Jadot, der unaufhörlich geeignete 1041 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Begegnungen fördert, um den Dialog zwischen Angehörigen verschiedener Religionen zu fördern. Von geistlichen Werten inspiriert 2. Tatsächlich kann niemandem die Bedeutung und Notwendigkeit des Dialogs zwischen den Religionen für alle Religionen und für alle Glaubenden entgehen, die heute mehr denn je zur Mitarbeit aufgerufen sind, damit jeder Mensch sein transzendentes Ziel erreicht, sein echtes Wachstum verwirklicht und den Kulturen angesichts der raschen gesellschaftlichen Veränderungen bei der Wahrung ihrer religiösen und geistlichen Werte behilflich ist. Für die Kirche, die berufen ist, mit ihren Methoden der Präsenz, der Achtung und der Liebe gegenüber allen Menschen am Heilsplan Gottes mitzuwirken, ist der Dialog von grundlegender Bedeutung (vgl. Ad gentes, Nr. 10-12; Ecclesiam suam, Nr. 41-42; Redemptor hominis, Nr. 11-12). Daher habe ich selber seit meiner ersten Enzyklika und dann bei verschiedenen Begegnungen mit einzelnen Persönlichkeiten und vor allem bei meinen Reisen nicht aufgehört, die Bedeutung, die Motivierungen und die Zielsetzungen dieses Dialogs zu unterstreichen. Für die Kirche gründet er sich auf das Leben des dreieinigen Gottes. Gott ist Vater der ganzen Menschheitsfamilie; Christus hat sich mit jedem Menschen verbunden (Redemptor hominis, Nr. 13); der Geist wirkt in jedem Menschen: darum stützt sich der Dialog auch auf die Liebe zum Menschen als solchem, der der erste und grundlegende Weg der Kirche ist (Redemptor hominis, Nr. 14), und die Verbindung, die zwischen der Kultur und den Religionen besteht, die die Menschen bekennen. Diese freundschaftliche Beziehung zwischen Glaubenden verschiedener Religionen entsteht aus der Achtung und der Liebe zum anderen, sie setzt die Ausübung der Grundfreiheiten voraus, um den eigenen Glauben voll praktizieren und mit dem der anderen vergleichen zu können (vgl. Redemptor hominis, Nr. 12). 3. Die Pflege des Dialogs hat in diesen Jahren neue Wege und Erfordernisse erkennen lassen. Vor allem die Ortskirchen haben ehrliche und konstruktive Beziehungen, zu den Gläubigen anderer Religionen geknüpft, die in ihrem Kulturbereich präsent sind. Angeregt wurde diese Entwicklung von diesem Sekretariat; es muß die Erarbeitung und Vertiefung einer entsprechenden Pastoral für die Beziehungen zu den Nichtchristen weiterführen, vor allem durch die Förderung des Gedankenaustau- 1042 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sches und der Reflexion. Die Ortskirchen müssen sich ihrerseits in dieser Richtung einsetzen und allen Gläubigen dabei behilflich sein, die Werte, Traditionen und Überzeugungen der anderen Gläubigen zu respektieren und hochzuachten, und zugleich eine solide und geeignete religiöse Bildung der Christen selbst fördern, damit sie ein überzeugendes iZeugnis des großen Geschenkes des Glaubens geben können. Keine Ortskirche ist von dieser Verpflichtung frei, die durch die dauernden Veränderungen noch dringender wurde. Infolge der Auswanderung, der Reisen, der Medien und der persönlich getroffenen Entscheidungen begegnen sich die Gläubigen verschiedener Religionen; und Kulte unschwer und leben nicht selten zusammen. Es bedarf daher einer Pasto-ral, die die Achtung, das Anhören, das Zeugnis fördert, damit unsere Gesellschaften, die der Versuchung des Egoismus, Atheismus und Materialismus ausgesetzt sind, von geistlichen Werten inspiriert werden. Zur Förderung einer solchen Pastoral ist die Einrichtung einer Sonderkommission innerhalb jeder Bischofskonferenz dringend angebracht. 4. Die Erfahrung zeigt auch, daß sich der Dialog in vielfacher Form entwickelt. Da ist nicht nur der Bereich der Lehre, so wichtig er für ein tieferes Verständnis auch ist, sondern auch der Bereich der täglichen Beziehungen zwischen den Gläubigen, die zu gegenseitiger Achtung und gemeinsamem Kennenlernen aufgerufen sind. Tatsächlich begünstigt ja der Dialog des Lebens die friedliche Koexistenz und die Zusammenarbeit für eine gerechtere Gesellschaft, damit der Mensch im Sein und nicht nur im Haben zunimmt. Auf diesem Gebiet gebührt der Familie besondere Beachtung. Die häufigen familiären Beziehungen und Kontakte ermöglichen es, die Menschen ihrer Geschichte und ihren Werten nach kennenzulernen und sie mit dem Evangelium zu konfrontieren. In der Konsequenz des eigenen Glaubens ist es auch möglich, die geistlichen Erfahrungen und die Gebetsformen sowie Wege der Gottesbegegnungen mitzuteilen, zu vergleichen, zu bereichern. Alle Christen sind zum Dialog aufgerufen. Wenn die Spezialisierung einiger von großem Nutzen ist, so ist die Unterstützung anderer ein beachtlicher Beitrag. Ich denke insbesondere an den intermonastischen Dialog und den Dialog zwischen anderen Bewegungen, Gruppen und Institutionen. Für alle bedarf es einer angemessenen Vorbereitung und ständigen Vertiefung der eigenen kirchlichen Identität. Der Dialog mit den Nichtchristen kann auch ein Weg zur Verwirklichung der Einheit zwischen den von derselben Liebe Christi beseelten christlichen Kirchen sein. Die gegenseitige Zusammenarbeit auf diesem Gebiet 1043 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist durch die Teilnahme des Moderators des Weltkirchenrates an dieser Vollversammlung sichtbar geworden. Aber der Dialog ist nicht einfach. So kann selbst die Religion als Werkzeug mißbraucht und Vorwand der Polarisierung und Spaltung werden. In der aktuellen Weltlage heißt Dialog verzeihen lernen, da alle Religionsgemeinschaften möglicherweise Ungerechtigkeiten anklagen können, die sie im Laufe der Jahrhunderte erlitten haben. Dialog bedeutet, das Herz der anderen zu verstehen versuchen, was besonders schwierig ist, wenn es keine Verständigung gibt. Vor allem aber bedeutet es, sich in den Dienst der ganzen Menschheit und des einen Gottes zu stellen. Man darf nicht bei den einfachen oder anscheinenden Ergebnissen stehenbleiben. Dieser Einsatz erwächst aus den theologischen Tugenden und wächst mit ihnen. 5. Das Thema Ihrer Vollversammlung über die Beziehung von „Mission und Dialog“ ist äußerst wichtig. Ihre pastorale Erfahrung und Ihre gemeinsame Reflexion, liebe Mitglieder des Sekretariats, haben sicher mitgeholfen, die Verbindungen und Beziehungen zwischen Mission und Dialog klarzustellen und geeignete pastorale Richtlinien aufzuzeigen. Ich möchte nur einige Aspekte hervorheben. Methode als Ausdruck der Liebe Der Dialog gehört in den Heilsauftrag der Kirche; er ist darum ein Dialog des Heils: „Die Jünger Christi hoffen, durch die enge Verbindung mit den Menschen in ihrem Leben und Arbeiten ein wahres Zeugnis abzulegen und auch da zu deren Heil beizutragen, wo sie Christus nicht ganz verkünden können“ (Ad gentes, Nr. 12). Auch bei dieser kirchlichen Tätigkeit gilt es, Ausschließlichkeit und Spaltung zu vermeiden. Der echte Dialog wird zum Zeugnis, und die wahre Evangelisierung verwirklicht sich in der Achtung und im Anhören des anderen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 12). Auch wenn alles seine Stunde hat (vgl. Koh 3,1-8), werden die Klugheit und die Unterscheidung lehren, was in jeder einzelnen Situation angebracht ist: die Zusammenarbeit, das Zeugnis, das Anhören, der Austausch von Werten. Die Heiligen, wie Franz von Assisi, und die großen Missionare, wie Matteo Ricci und Charles de Foucauld, sind uns hier Vorbild. Wenn wir voll und ganz in Christus leben, werden wir zu immer geeigneteren Werkzeugen der 1044 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitarbeit an seinem Werk und werden seiner Methode folgen, die Ausdruck der Liebe dessen ist, der sich für uns hingegeben hat. In diesem Jubiläumsjahr können wir nicht die Rolle des Dialogs für die Versöhnung zwischen den Völkern und mit Gott vergessen; sie ist die wesentliche Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben und die von Gott gewollte (vgl. Gaudium et spes, Nr. 24, 29; Lumen gentium, Nr. 9, 13, 42) und von Christus wiederhergestellte Einheit (vgl. Gaudium et spes, Nr. 78). 6. Die Herausforderungen sind vielfältig, und der Horizont der Verpflichtungen ist sehr weitreichend. Wir wollen uns darum an Christus wenden; von ihm lernen, wie wir uns im Umgang mit den anderen verhalten sollen. Auf diese Weise werden wir in ihm die erbarmende Liebe des Vaters erleben, der durch den Geist alle Menschen auffordert, sich in Christus und untereinander zu versöhnen. Mit diesen Gedanken und diesen Wünschen erteile ich allen und jedem einzelnen von Ihnen meinen besonderen Apostolischen Segen als Ansporn und Ermutigung zu Ihrem so verdienstvollen Einsatz. (Text des Dokumentes „Dialog und Mission“ auf Seite 1864.) Im Feuer so vieler Prüfungen Predigt bei der feierlichen Konzelebration mit den Bischöfen Europas anläßlich des 500. Todestages des hl. Kasimir, des Patrons Litauens, am 4. März 1. „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ {Lev 19,2). Mit diesen Worten aus der ersten Lesung der heutigen Liturgie gehe ich mit Geist und Herz zusammen mit euch, Brüder und Schwestern, an das Grab des hl. Kasimir in Wilna. In diesem Jahr sind es fünf Jahrhunderte, seit diese Reliquien, die der ganzen Kirche teuer sind, inmitten des heimatlichen Gottesvolkes bestattet wurden. Seit 500 Jahren befindet sich der hl. Kasimir, der Patron Litauens, mit dem ganzen Erbe seiner Heiligkeit inmitten jenes Volkes als Zeuge des Erlösungsgeheimnisses und als Zeichen der Hoffnung, in der wir alle gerettet sind (vgl. Rom 8,24). Seit 500 Jahren spricht er zu seinen Landsleuten, die zugleich seine 1045 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüder und Schwestern in der Gnade des Glaubens und der heiligen Taufe sind: „Seid heilig, denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig.“ 2. Gestern hat die Kirche in Litauen die Jubiläumsfeierlichkeiten zum 500. Todestag des hl. Kasimir mit einer feierlichen Messe der litauischen Bischöfe am Grab des Heiligen in Wilna begonnen. Wir wollen dieses Jubiläum auch hier, in der Basilika des hl. Petrus, dem sichtbaren Mittelpunkt der Einheit der Kirche, beginnen. Auf diese Weise bekundet die ganze Weltkirche ihre katholische Einheit mit der Kirche, die sich in Litauen um die 500jährige Tradition des hl. Kasimir versammelt. Man kann sagen, die ganze Weltkirche macht mit dem Bischof von Rom, dem Nachfolger Petri, eine geistige Pilgerfahrt zum Heiligtum in Wilna, wo der Patron Litauens begraben liegt. Es ist eine Pilgerfahrt des Glaubens und der Liebe, die uns in Jesus Christus, dem Sohn Gottes und Mariens, als Adoptivkinder des Vaters verbindet und vereint, als Zeugen derselben Wahrheit - der Wahrheit, die den Menschen kraft des Tröstergeistes befreit. 3. Das Gedenken an den hl. Kasimir ist den Söhnen und Töchtern jenes Landes teuer, das sich einst unter den Großherzögen aus dem Geschlecht des Gediminas und unter der Herrschaft der Jagiellonen entwickelt hat. Ich selber kann nicht ohne innere Ergriffenheit daran denken, daß dieser Heilige im Jahr 1458 im Königsschloß von Krakau geboren ist; er war der Sohn des großen Jagiellonenkönigs Kasimir, des Königs von Polen und Großherzogs von Litauen; seine Mutter war Elisabeth (aus dem Haus der Habsburger) und wurde „Königsmutter“ genannt. Kasimir erbte von seinem Vater den Namen. Er stammte aus dem großen Geschlecht, dem Litauen seine Taufe im Jahr 1386 (also vor beinahe 600 Jahren) verdankt. Wie bedeutungsvoll ist es doch, daß aus dem Erbe jener Taufe in kurzer Zeit eine so reife Frucht der Heiligkeit erwachsen ist! Wie bedeutungsvoll ist es, daß an eben dem Ort, am dem die Vorfahren jene historische Taufe empfangen hatten, in Wilna, ein Jahrhundert später ein Heiliger begraben wurde! In ihm hat sich aufs neue jene Berufung zur Heiligkeit bestätigt, an der das ganze Volk Gottes teilhat und die durch Generationen hindurch auf alle Landsleute des hl. Kasimir ausstrahlt. In Litauen, Polen und anderen christlichen Nationen fehlt es auch heute nicht an denen, die bei der heiligen Taufe den Namen Kasimir erhalten, damit er ihnen Führer und Vorbild auf ihrem christlichen Lebensweg sei. 1046 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Das Erdenleben Kasimirs war kurz: 26 Jahre. Zugleich kann man mit den Worten der Schrift sagen, daß trotz dieser kurzen Lebensdauer „der. Gerechte, früh vollendet, doch ein volles Leben gehabt hat“ (Weish 4,13). Denn der Maßstab des menschlichen Lebens ist die sittliche Reife und vor allem der Grad der Gottes- und Nächstenliebe, mit der der Mensch alle Tage seines Daseins auszufüllen vermag. Davon sprechen die Lesungen der heutigen Liturgie: der Psalmist ebenso wie der hl. Paulus im Philipperbrief und schließlich der hl. Johannes in seinem Evangelium. Sicher kann man auch von Kasimir aus dem Geschlecht der Jagiellonen sagen: Siehe den, „der makellos lebt und das Rechte tut; der von Herzen die Wahrheit sagt“ (Ps 15,2), und damit auf die große Rechtschaffenheit seines Lebens hinweisen. Im Geist dieser Rechtschaffenheit zögerte er nicht — so bezeugen die Chroniken —, sogar Einfluß auf den König, seinen Vater, zu nehmen, wenn Gründe der Gerechtigeit gegenüber den Untertanen es erforderten. Kasimir war vor allem Schüler und Jünger Jesu Christi, der von sich selbst die Worte des Apostels wiederholen könnte: „Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein“ {Phil3,8-9). Dieser brennende Wunsch verzehrte seine Seele wie eine innere Flamme. Er glich jenem „Wettkämpfer“ aus dem Evangelium, der „sich nach dem ausstreckt, was vor ihm ist, und, das Ziel vor Augen, nach dem Siegespreis jagt“ (vgl. Phil 3,13-14). Tatsächlich ist Kasimir in der Erinnerung der Nachwelt ein eifriger Asket geblieben, der sich mit wenig zufriedengibt, aber an sich selbst hohe Ansprüche stellt. <28> <28> Der Weg der Heiligkeit, mit der jenes junge Leben sich in Jesus Christus Gott näherte, hatte seine Hauptquelle in der Liebe. Kasimir lebte das Gebot der Liebe Christi als wichtigste Nahrung seiner Gedanken, Gefühle und Werke. Dieses „Bleiben in der Liebe“ lernte er täglich von dem göttlichen Meister, der sagt: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,9—10). Kasimir blieb also in der Liebe Christi, des Sohnes Gottes, und wurde zum immer vollkommeneren Freund seines Meisters. Er festigte sich auch immer mehr in jener Entscheidung und jener beständigen Haltung, von der der Meister selbst zu den Aposteln spricht: „Ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch auf macht und Frucht bringt und daß eure 1047 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Frucht bleibt. Dann wird euch der Vater alles geben, um was ihr ihn in meinem Namen bittet“ (Joh 15,16). So steht also aufgrund der liturgischen Lesungen Kasimir vor uns: als Mann des Gebets, als Mann der Werke der Liebe, als wahrer Zeuge des Evangeliums Christi! 6. „...Liebt einander!“ (Joh 15,12.17), sagte der Meister, und der Schüler und Jünger versucht, diese Liebe in seinem ganzen Leben zu bekunden. Obwohl er Sohn des Königs ist, findet er die besondere Bezeigung dieser Liebe im demütigen Dienst an den anderen, insbesondere an den Armen, den Kranken, den Notleidenden. In diesem Zusammenhang lesen wir in seiner Lebensbeschreibung, deren Verfasser ein Zeitgenosse des Heiligen war: „Er verfocht und ergriff die Anliegen der Armen und Elenden, als wären sie seine eigenen, weshalb ihn das Volk ,Verteidiger der Armen1 nannte. Und obgleich er der Sohn des Königs und adeliger Herkunft war, ließ er im Umgang und im Gespräch mit den Leuten, auch mit den bescheidensten und denen von niedrigster Herkunft, niemals Überlegenheit erkennen“ (Stundengebet). Er hatte stets das Bild Christi vor Augen, der den Jüngern die Füße wäscht, und die Worte: „Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müßt auch ihr einander die Füße waschen“ (Joh 13,14). 7. Und mit einem solchen Erbe der Heiligkeit ist Kasimir, der Königssohn, beim Gottesvolk seines Landes gegenwärtig geblieben. Patron Litauens. Und darum sind heute unsere Herzen und unser Gebet ganz besonders auf dieses Land und dieses Volk gerichtet. Voll Liebe umfangen wir alle Söhne und Töchter Litauens, das — geographisch dem Osten zugewandt — seit 600 Jahren durch das Band des Glaubens und der katholischen Einheit mit dem Stuhl Petri in Rom verbunden ist. Mit meinen Gedanken und meinem Gebet möchte ich jeden einzelnen der Söhne und Töchter jener Nation erreichen: Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, die ihr mit der Sorge des Guten Hirten das litauische Volk unter so vielen Hindernissen auf dem Weg des Heils führen sollt, getröstet und gestärkt von dem leuchtenden und bisweilen heroischen Zeugnis der Treue und der Liebe zu Christus und zur Kirche, wie es von so vielen Seelsorgern eurer Heimat erbracht wird. Euch Priester, eifrige und getreue „Diener Christi und Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1): Möge das Licht eures Glaubens, der 1048 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN im Feuer so vieler Prüfungen, die ihr mit euren Gläubigen teilt, gestählt wurde, stets vor den Menschen leuchten. Mit besonderer: Zuneigung denke ich an die alten und kranken Priester, die unermüdlich, bis zum letzten Atemzug, im Weinberg des Herrn arbeiten. Euch Ordensleute, die ihr euch durch das Gelübde der evangelischen Räte Gott geweiht habt: Mit dem Zeugnis eurer Ganzhingabe an Gott und mit dem schweigenden, oft verborgenen Leben, das aber reich an Werken der Nächstenliebe ist, baut ihr den Leib Christi auf. Euch Seminaristen: Möge es euch gelingen, mit Hochherzigkeit, Mut und Ausdauer unter Überwindung aller Schwierigkeiten dem Ruf des Herrn zu entsprechen. Ich umfange alle christlichen Familien, damit sie in einer Welt, die die religiösen Werte mißachtet, den Kindern die kostbaren Güter weitergeben können: den in der Taufe empfangenen Glauben, die Tugenden, die die wahre Würde des Menschen begründen, die schönen christlichen Traditionen, die seit Jahrhunderten die Kultur der litauischen Nation prägen. Ganz besonders gedenke ich euer, der Jugend, damit ihr dentiBeispiel des hl. Kasimir in der Treue zu Gott und in der Heiligkeit des Lebens folgt. Mein und euer Gebet schließlich wird zur inständigen Bitte für die Kranken, für alle, die Prüfungen erdulden, für alle, die den Geist der Seligsprechungen leben: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt: Euer Lohn im Himmel wird groß sein“ (Mt 5,11-12). 8. „In allen Völkern der Erde wohnt also dieses eine Gottesvolk, da es aus ihnen allen seine Bürger nimmt, Bürger eines Reiches freilich nicht irdischer, sondern himmlischer Natur . . . Kraft dieser Katholizität bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen . . .“ (Lumen gentium, Nr. 13). Kirche in Litauen! Heute feiert der Stuhl Petri voll Dankbarkeit jene besondere Gabe, die das Gottesvolk deines Landes zur geistlichen Einheit der Kirche beigetragen hat. Jene Gabe ist der hl. Kasimir! Kirche in Litauen! Du bist in der geistlichen Einheit der katholischen Kirche durch diese Gabe und durch das gesamte Erbe des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe gegenwärtig, das sich im Laufe von fünf Jahrhunderten - und 1049 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN besonders in der heutigen Zeit — um den hl. Kasimir, Patron Litauens, gebildet hat. O Kirche von Litauen! So nahe und zugleich so fern bist du allen Kirchen der weltweiten Gemeinschaft der einen katholischen Kirche teuer. Und teuer ist ihnen jenes Volk, das bei sich so beharrlich die Reliquien und das geistliche Erbe des hl. Kasimir bewahrt. Wir knien am Grab des hl. Kasimir und wenden uns voll Vertrauen an die Mutter der Barmherzigkeit am „Tor der Morgenröte“ in Wilna und flehen vereint zu ihr, mit derselben Sorge, mit derselben Hoffnung und mit derselben Liebe, die im Herzen des hl. Kasimir für sie brannte: Spes nostra, salve! Ad te clamamus! Sub tum praesidium confugimus, mater misericordiae! Unsere Hoffnung, sei gegrüßt! Zu dir rufen wir! Unter deinen Schutz fliehen wir, Mutter der Barmherzigkeit! Liebe litauische Brüder und Schwestern! Zum Abschluß möchte ich mich an euch, die ihr hier anwesend seid, sowie an die Menschen in Litauen in eurer Muttersprache wenden. Während wir in Rom, dem Mittelpunkt der Katholizität, den 500. Todestag des hl. Kasimir begehen, versammeln wir uns im Geiste vor dem Grab des Patrons Litauens in Wilna. Vor unseren Augen ersteht die Gestalt des jungen Heiligen, der ein Vorbild des Gebetslebens, der von der Liebe inspirierten Werke, des Zeugnisses Christi und einer besonderen Liebe zur seligsten Jungfrau Maria ist. Er ist ein Geschenk Gottes an die ganze Kirche, aber in besonderer Weise an die Nation, mit deren Schicksal sein Leben verflochten war und in der das Erbe seiner Heiligkeit lebendig bleibt. Beim Gebet der Kirche Roms ist heute die Kirche in Litauen und die ganze Nation zugegen, die uns innerlich so nahesteht und die seit Jahrhunderten in der Gemeinschaft des Glaubens dem Apostolischen Stuhl treu geblieben ist. Wir gedenken der Bischöfe in Litauen, der Priester, der Seminaristen, der gottgeweihten Personen und der Jugend, deren besonderer Patron der hl. Kasimir ist. In der Verbundenheit der Liebe mit allen litauischen Brüdern und Schwestern in der Heimat, vor allem mit jenen, die um ihres Glaubens willen zu leiden haben, erflehen wir von Gott für alle die Gnade der Treue zu Christus. Der Madonna der Barmherzigkeit am „Tor der Morgenröte“ legen wir die Freuden und Schmerzen der litauischen Kirche zusammen mit unserer Liebe und unserer Hoffnung zu Füßen: Maria, Maria, reine Lilie, erleuchte uns aus der Himmelshöhe. Befreie uns von der Last der Knecht- 1050 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft, komm der Menschheit zu Hilfe . . . Denn du vermagst alles bei Gott. Tiefbewegt vom Jubiläum der Erlösung Schreiben an die Priester zum Gründonnerstag vom 7. März Liebe Brüder in der Gnade des Priesteramtes! Es nähert sich der Gründonnerstag, an dem jeder von uns eingeladen ist, mit tiefer Dankbarkeit über das unschätzbare Geschenk nachzudenken, das uns Christus gegeben hat. Darum fühle ich mich gedrängt, mich an Euch zu wenden, um Euch die aufrichtige Liebe und die lebendige Anteilnahme zu bekunden, mit denen ich in Gedanken und Gebet Eure tägliche Mühe im Dienst an der Herde des Herrn verfolge. Am vergangenen 23. Februar habe ich die Freude gehabt, mit einer großen Zahl von Priestern, die aus Rom und allen Teilen der Welt zusammengekommen waren, das Jubiläum unserer Erlösung zu feiern. Es war ein sehr schönes Erlebnis, das mein Herz tief bewegt hat und mit unverminderter Kraft in mir fortlebt. In der Absicht, alle „Verwalter der Geheimnisse Gottes“ (1 Kor 4,1) an diesem Gemeinschaftsereignis gewissermaßen teilhaben zu lassen, möchte ich Euch den Text der Predigt schicken, die ich bei diesem Anlaß gehalten habe. Mögen diese Worte, die ich dort gesprochen habe, jedem von Euch geistliche Ermutigung schenken, um in Euren Herzen den Vorsatz zu erneuern, großmütig Eurer Berufung im Dienst der barmherzigen Liebe Gottes treu zu bleiben. Darin bestärke Euch mein Segen, den ich Euch aus herzlicher Verbundenheit in Jesus Christus erteile. Aus dem Vatikan, am 7. März 1984 1051 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Fasten: die Richtung „nach innen“ Predigt vor den Calixtus-Katakomben am Aschermittwoch, 7. März 1. Heute ruft die Kirche zur vierzigtägigen Fastenzeit auf. Sie tut das eingedenk des Fastens Christi, des Herrn, der sich auf diese Weise auf sein öffentliches messianisches Wirken vorbereitete. Die Kirche verkündet diese vierzig Tage als Zeit der Vorbereitung auf das Osterfest. Und Ostern - Leiden, Tod und Auferstehung - ist die Erfüllung der messiani-schen Sendung Jesu von Nazaret. Die Kirche beginnt das vierzigtägige Fasten heute am Aschermittwoch. An diesem Tag beschränken wir uns bei unseren Mahlzeiten auf das Notwendigste, und wir neigen das Haupt, damit der Priester die Asche darauf streue. Das entspricht einer sehr alten Tradition des Gottesvolkes, die bis ins Alte Testament zurückreicht. 2. An diesem besonderen Tag treffe ich mich mit euch, liebe Jugend: Söhne und Töchter Roms. Zusammen wollen wir die vierzigtägige Fastenzeit beginnen, und wir tun es bei den Katakomben des hl. Calixtus. Dieser Ort hat uns viel zu sagen. Bekanntlich entstand und entwickelte sich die römische Kirche während der ersten Jahrhunderte in den Katakomben. Das Zeitalter der Märtyrer, der heroischen Zeugen des Evangeliums Christi, seines Kreuzes und seiner Auferstehung. In diesen unterirdischen Friedhöfen des antiken Roms hat sich das Licht Christi ausgebreitet: die Botschaft vom neuen Leben, um dann zu dem von der Vorsehung bestimmten Zeitpunkt nach außen und an die Öffentlichkeit zu dringen. Die Stätte, an der wir Zusammenkommen, hat uns besonders heute, zu Beginn der Fastenzeit des Heiligen Jahres der Erlösung, viel zu sagen. 3. Ihr seid als Pilger aus den verschiedenen Teilen des heutigen Roms hierhergekommen, um den Gang durch die Fastenzeit des Jahres der Erlösung zu beginnen: Es ist ein ganz besonderer Weg, das Erbe vieler vergangener Generationen von Bekennern Christi. Es ist zugleich der Weg in die Zukunft: denn ihr, junge Römer, junge Bekenner Christi, wollt ihm ja während eures ganzen Lebens folgen; und dieses Leben gehört der Zukunft. Eben darum wählt ihr die vierzigtägige Fastenzeit als einen besonderen Zeitabschnitt. Er soll euch innerlich auf den Palmsonntag vorbereiten, den Tag, den die Jugendlichen verschiedener Nationen der Welt gewählt 1052 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben, um sich im außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung zu treffen. 4. Zu Beginn dieses Zeitabschnitts treffe ich als Bischof von Rom mit euch zusammen. Wir müssen gemeinsam unser Haupt neigen, auf das die Hand des Priesters die Asche auflegen wird. Jeder von uns wird in jenem Augenblick die Worte vernehmen, die die Bedeutung des Aschermittwochs zusammenfassen. Die Liturgie des Aschermittwochs drückt sich in zwei kurzen Formeln aus der Heiligen Schrift aus: Die erste Formel: „Denn Staub bist du, zum Staub mußt du zurück!“ ist dem Buch Genesis entnommen (vgl. Gen 3,19). Die zweite Formel: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ ist aus dem Markusevangelium (Mk 1,15). Jede dieser beiden Formeln hat ihren eigenen Inhalt. Jede stellt eine besondere Synthese dar.1 Die Kirche will, daß wir zu Beginn der Fastenzeit die Wahrheit annehmen, die in den beiden Formeln des liturgischen Ritus enthalten ist. Wir nehmen also die Wahrheit über den Tod, über die Hinfälligkeit des Menschen in der irdischen Welt an. Und wir nehmen zugleich die Wahrheit über das Leben an, das die Dimension der Zeitlichkeit übersteigt: über das ewige Leben in Gott, in das uns Christus einführt. Und aufgrund dieser zweifachen Wahrheit nehmen wir den Ruf zur Umkehr an. Möge das für uns die belebende Sinnmitte dieses Zeitabschnitts sein, den wir beginnen, die Fastenzeit im Jubiläumsjahr der Erlösung.: Jedem von uns eine Aufgabe 5. Betrachten wir gut die heutige Lesung aus dem Matthäusevangelium. Die Fastenzeit stellt jedem von uns die besondere Aufgabe unserer Menschlichkeit. Sie empfiehlt uns, sie zu leben, sie trägt uns auf, sie konzentrierter zu verwirklichen. Und dies gelingt uns, wenn Wir bewußter versuchen, „vor Gott wir selbst zu sein“. „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen; sonst habt ihr keinen Lohn vor eurem Vater im Himmel zu erwarten“ (Mt 6,1). Die Fastenzeit ist also eine theozentrische Konzentration: ein theozentrischer Blick auf den Menschen. Ausgehend von dieser Konzentration empfiehlt uns die Fastenzeit, uns nach drei Grundrichtungen zu orientieren, in denen die Geistigkeit des Menschen und vor allem sein Wille und seine Freiheit zum Ausdruck kommen. 1053 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Richtung nach innen; ihr entspricht die Selbstbeherrschung, der Sieg des Willens über die menschliche Sinnlichkeit. Das ist das „Fasten“, das uns aufgetragen ist. Die Richtung nach oben, in der Ausrichtung unseres Geistes auf das Transzendente, und dies bedeutet Gebet. Die Richtung zu den anderen Die Richtung zu den anderen, durch die sich das menschliche Ich den anderen öffnet. Und das können wir als „Almosen“ bezeichnen. Ihr müßt in dieser Fastenzeit gründlicher über die Aufgabe nachdenken, die Christus uns im heutigen Evangelium stellt. Sie ist, wie wir sehen, organisch in das Menschsein eines jeden von uns eingeschrieben. Sie verbindet sich aufs engste mit dem Programm der evangelischen Selbstverwirklichung des Menschen. 6. Besondere Aufmerksamkeit müßt ihr auch dem Psalm 51 (50) schenken, dem bekanntesten und am meisten verbreiteten der sogenannten Bußpsalmen. Seine Verse sind als Antwortpsalm in die heutige Liturgie aufgenommen. Es ist der Mühe wert, den ganzen Psalm kennenzulernen und ihn als Ganzes aufzunehmen. In dieser Stunde möchte ich eure Aufmerksamkeit auf drei Verse dieses Psalms lenken, die in besonderer Weise Licht in die gesamte Frage von Buße und Umkehr bringen. - Der Psalmist bittet: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,12). Gott „erschafft“, und der Mensch „macht“. Die Aufgabe, die die Kirche uns in dieser Zeit vor Augen stellt, ist die Verwirklichung einer besonderen Kreativität. Aus ihr soll ein geistlich starker Mensch hervorgehen. - Der Psalmist bittet: „Mach mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus!“ (ebd., Vers 14). Gemeint ist die Freude, die die Arbeit an sich selbst begleitet. Das ist eine schöpferische Arbeit, die ihren Preis kostet; aber eben darum bringt sie eine ungeheure Freude mit sich. - Und schließlich: „Herr, öffne mir die Lippeji, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden“ (ebd., Vers 17). Ohne diese Perspektive kann man nicht leben. „Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch“, sagt der hl. Irenäus. Ein Leben ohne diese Perspektive ist in der Tat unmöglich. Nur in ihr enthüllt sich die wahre Würde des Menschen. 1054 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Es ist für mich eine besondere Freude, diese vierzigtägige Fastenzeit des Heiligen Jahres der Erlösung zusammen mit euch beginnen zu können. Ich freue mich über die Anwesenheit des Kardinalvikars von Rom und der Bischöfe, die mit uns Zusammenarbeiten. Ich freue mich über die Teilnahme der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen. Gemeinsam freuen wir uns ganz herzlich zusammen mit euch: mit dir, junge Kirche des alten Rom! Und während wir mit dem Apostel diese seelsorgliche Aufforderung wiederholen: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20), bitten wir auch: Lernt die Tiefe, den Reichtum dieser Versöhnung mit Gott kennen und wie sehr ihr durch sie reich werdet, wie sehr ihr ihr selbst werdet. Denn das ist ja der ewige Plan Gottes, der Heilsplan: Der Mensch wird ganz er selbst - das heißt wahrhaft Mensch - in Jesus Christus. „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade; jetzt ist er da, der Tag der Rettung“ (2 Kor 6,2). Arbeitet mit ihm zusammen! Arbeitet mit Christus zusammen! „Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch (und bitten euch aus ganzem Herzen), daß ihr seine Gnade nicht vergebens empfangt“ (2 Kor 6,1). Möge sie Frucht tragen! Möge sie in besonderer Weise Frucht tragen, diese vierzigtägige Fastenzeit des Jubiläumsjahres der Erlösung! Das Recht auf Religionsfreiheit Ansprache an die Teilnehmer des 5. Internationalen Juridischen Kolloquiums der Päpstlichen Lateran-Universität am 10. März Liebe Brüder! 1. Diese Begegnung ist mir sehr willkommen, da sie mir Gelegenheit gibt, Ihnen meine Freude darüber auszudrücken, daß Sie für Ihr übliches Juridisches Kolloquium ein so bedeutsames und aktuelles Thema gewählt haben: „Die Grundrechte des Menschen und die Religionsfreiheit“ und mit der Behandlung dieses Themas das Gedenken an die Wahl Papst Johannes’ XXIII. vor 25 Jahren und die Veröffentlichung seiner Enzyklika Pacem in terris vor 20 Jahren verbunden haben. 1055 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die fachliche Kompetenz und das Engagement aller, die bei diesem Kolloquium das Wort ergriffen haben, sind Gewähr für die Verläßlichkeit Ihrer Arbeiten und einen positiven Beitrag zur Vertiefung des Themas. Ich möchte meinen Dank und herzlichen Gruß an alle richten: besonders an die hervorragenden Referenten; den Rektor der Universität, Msgr. Pietro Rossano, der die Initiative ergriffen und ermutigt hat, die nunmehr zum normalen Leben des Instituts Utriusque Iuris - der beiden Rechte -gehört; und an Msgr. Franco Biffi, der die Arbeiten geleitet hat. 2. Eines der Zeichen der Zeit, das sich besonders auf das menschliche Zusammenleben und seine ständige Entfaltung auswirkt, ist das verstärkte Bewußtsein, das die Menschen der ganzen Welt von ihrer Personenwürde erlangt haben. Eine Würde, die existentiell als Sache des Bewußtseins wahrgenommen wird und die geschichtlich und kulturell durch die fortschreitende Bestimmung und Beanspruchung der Menschenrechte, die, in feierlichen internationalen Erklärungen proklamiert, bereits in die Verfassungen der modernen Staaten Eingang gefunden haben, zum Ausdruck kommt. In der Würde der menschlichen Person, die heute immer allgemeiner empfunden und verkündet wird, muß der Punkt der Begegnung für eine Stimme der Kirche, die der Stimme des menschlichen Gewissens beistimmt, muß in den unterschiedlichen Systemen und unter den mannigfachsten sozio-kulturellen Bedingungen laut werden, um die einzelnen und die Gemeinschaft zu erziehen, die öffentliche Meinung zu formen und die Verantwortlichen der Völker zu orientieren. <29> <30> <31> <29> Halten wir uns dann vor Augen, daß das Wirken der Kirche auf dem Gebiet der Menschenrechte stets im Dienst am Menschen stehen will; des Menschen, wie sie ihn in anthropologischer Sicht versteht. Die Kirche braucht sich in der Tat nicht Systemen und Ideologien zuzuwenden, um die Freiheit des Menschen zu lieben, zu schützen und für sie zu arbeiten. Aus der Mitte des Evangeliums, dessen Hüterin und Verkünderin sie ist, schöpft sie die Inspiration und die Kriterien, um mitzuwirken am Wachstum des Friedens und der Gerechtigkeit gegenüber allen Formen der Sklaverei, der Gewalt, der Angriffe gegen den Menschen und seine Rechte. Die Kirche steht also nicht aus Opportunismus und Zweckdienlichkeit als „Expertin in Menschlichkeit“ (vgl. Paul VI., Ansprache vor der UNO vom <31> Oktober 1965) zur Verteidigung der Menschenrechte auf. Das tut sie aus einer echten evangelischen Verpflichtung, der sie treu bleibt, indem 1056 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie gegenüber den gegensätzlichen Systemen ihre Freiheit bewahrt und sich allein für den in seinem ganzen Wesen gesehenen Menschen entscheidet. Der Herr Jesus hat im Gleichnis vom barmherzigen Samariter ein Modell der Beachtung der menschlichen Bedürfnisse gegeben (vgl. Lk 10,29) und erklärt, daß er sich mit dem Geringsten identifizieren werde, dem die Hand gereicht wurde (vgl. Mi 25,31 ff.). Und aus diesen und anderen Stellen des Evangeliums (vgl. Mk 6,35-44) hat die Kirche gelernt und lernt sie noch immer, daß zu ihrem Evangelisierungsauftrag unabdingbar der Einsatz für die Gerechtigkeit und das Werk der Förderung des Menschen gehört. 4. Welcher Kriterien können wir uns in der heutigen Welt bedienen, um zu sehen, ob wirklich die Rechte aller Menschen geschützt werden? Welche Grundlagen können wir als Basis anbieten, auf der die Rechte des Menschen zur Entfaltung gelangen können? Diese Basis ist ohne Zweifel die Würde der menschlichen Person. Mein Vorgänger Johannes XXIII. hat das in der Enzyklika Pacem in terris ausgeführt: „Ein geordnetes und fruchtbares Zusammenleben hat das Prinzip zur Grundlage, daß jeder Mensch Person ist . . .; er ist also Träger der Rechte und Pflichten, die unmittelbar und gleichzeitig seinem eigenen Wesen entspringen: Rechte und Pflichten, die daher universal, unverletzlich, unveräußerlich sind.“ In dieser Würde der Person haben die Menschenrechte ihren Ursprung. Und die Achtung vor dieser Würde ruft ihren wirksamen Schutz hervor. Die menschliche Person, Mann wie Frau, bewahrt, selbst wenn sie irrt, stets eine angeborene Würde, die sie niemals verliert (vgl. Pacem in terris, Nr. 158). Deshalb müssen die Gläubigen die Bedingungen schaffen, jdamit Gott zum Menschen durch die Kirche sprechen kann, um zur authentischeren Erkenntnis beizutragen,daß sämtliche Rechte des Menschen aus seiner tief in Gott verwurzelten Würde stammen. <32> <32> Nun, zu den Menschenrechten zählt man mit Recht auch das Recht auf Religionsfreiheit; ja, dieses Recht ist das grundlegendste, weil die Würde jedes Menschen ihre erste Quelle in seiner Wesensbeziehung zu Gott, dem Schöpfer und Vater, hat, als dessen Bild und Gleichnis er geschaffen ist, weil er mit Vernunft und freiem Willen begabt ist. Das Recht auf Religionsfreiheit war - was sicherlich auch in Ihrem Kolloquium deutlich wurde - im Leben und in der Geschichte der Kirche von den frühesten Zeiten an vorhanden. Das Zweite Vatikanische Konzil 1057 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat die Erarbeitung einer umfassenderen Erklärung zu diesem Thema als besonders notwendig erachtet: die bekannte Erklärung Dignitaüs huma-nae. In diesem Dokument hat nicht nur die theologische Auffassung des Problems Ausdruck gefunden, sondern auch die naturrechtliche, die rein menschliche auf der Grundlage jener Voraussetzungen, die von der Erfahrung des Menschen selbst, von seiner Vernunft und vom Bewußtsein seiner Würde bestimmt sind. Gewiß ist die Einschränkung der Religionsfreiheit der einzelnen und der Gemeinschaften nicht nur eine schmerzliche Erfahrung, sondern vor allem ein Schlag gegen die Würde des Menschen, unabhängig vom Religionsbekenntnis oder der Konzeption, die sie in der Welt vertreten. Das obengenannte Konzilsdokument spricht aus, was eine solche Einschränkung und Verletzung der Religionsfreiheit tatsächlich ist, wobei es nachdrücklich unterstreicht, der Mensch habe das Recht, in der Wahrheit zu leben und in der Freiheit: dem letzten Sinn seines Lebens zu folgen. Dieses Recht ist ein menschliches und damit universales Recht: denn es ergibt sich nicht aus dem subjektiven redlichen Tun der Menschen oder ihrem rechten Gewissen, sondern aus den Menschen selbst, das heißt aus ihrem Dasein, das in seinen grundlegenden Elementen in allen Menschen wesensmäßig identisch ist. Es ist daher ein Recht, das jeder Person immer gehört, auch im Fall, daß es nicht ausgeübt oder von den Personen, die es besitzen, selbst verletzt wird. Denn die Verletzung eines Rechtes bringt ja nicht seine Zerstörung mit sich, sondern läßt vielmehr die Forderung nach seiner Wiederherstellung erstehen (vgl. Dignitatis humanae, Nr. 2). 6. Es ist also ein Recht in der Funktion einer Pflicht. Ja, es ist, wie mein Vorgänger Paul VI. wiederholt betont hat, das grundlegendste der Rechte, das sich aus der ersten Pflicht ergibt: der Pflicht nämlich, sich im Licht der Wahrheit mit jener Regung der Seele, die die Liebe ist, auf Gott hinzubewegen: eine Regung, die allein an jenem Licht sich entzündet und aus ihm sich nährt (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 39; in: Wort und Weisung, 1975, S. 563). „Denn der Jünger hat gegenüber Christus, dem Meister, die ernste Pflicht, die von ihm empfangene Wahrheit immer vollkommener kennenzulernen, in Treue zu verkünden und kraftvoll zu verteidigen unter Ausschluß aller Mittel, die dem Geist des Evangeliums entgegengesetzt sind. Zugleich wird er von der Liebe Christi gedrängt, den Menschen, die in Irrtum oder Unwissenheit in den Dingen des Glaubens befangen sind, in Liebe, Klugheit und Geduld zu begegnen. So ist Rücksicht zu nehmen sowohl auf die Pflichten gegenüber Christus, dem lebendigmachenden Wort, das es zu verkünden gilt, wie auch auf die 1058 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rechte der menschlichen Person und auf das Maß der Gnade, das von Gott durch Christus dem Menschen gewährt wird, an den sich die Einladung richtet, den Glauben freiwillig anzunehmen und zu bekennen“ (Dignitatis humanae, Nr. 14). Es ist sicher falsch, dem Gewissen des Menschen etwas Beliebiges aufzuerlegen, aber diesem Gewissen die Wahrheit des Evangeliums und das Heil in Jesus Christus mit aller Klarheit und unter absoluter Respektierung der freien Entscheidung, die es treffen wird, vorzustellen ist, weit davon entfernt ein Anschlag auf die religiöse Freiheit zu sein, eine Huldigung an diese Freiheit, der die Wahl eines Weges angeboten ist, das selbst die Nichtglaubenden für edel und begeisternd halten. Diese respektvolle Weise, Christus und sein Reich vorzustellen, ist nicht nur ein Recht, sondern eine Pflicht des Glaubensboten. Angesichts der vielen Humanismen, die sich oft mit einem streng ökonomischen, biologischen und psychischen Menschenbild begnügen, hat die Kirche das Recht und die Pflicht, die Wahrheit über den Menschen zu verkünden, die sie von ihrem Meister selbst empfangen hat, und sich darum zu bemühen, daß Christus, Gottes Geschenk an die Welt, Heimatrecht finde im Leben der einzelnen, der Staaten, der Kontinente, im Leben der ganzen Menschheit. Liebe Brüder, nehmen Sie diese Überlegungen als Zeichen meiner tiefen Wertschätzung für Sie und Ihre wichtige Arbeit. Der Herr seijhnen Licht und Hilfe, er belohne Ihr Bemühen mit der Freude über die Ergründung der Wahrheit, die in ihm ihre unerschöpfliche Quelle hat. Ich begleite diese Wünsche mit meinem Segen für Sie und Ihr Wirken als Wissenschaftler und Dozenten. Wissen und Weisheit im Einklang Ansprache bei der Gedenkfeier zum 100. Todestag von Gregor Mendel am 10. März 1. Mit tiefer Freude und herzlicher Dankbarkeit schließe ich mich der dreifachen Huldigung an, die dem Abt Gregor Mendel vom Augustinerorden, dem er angehörte, vom Päpstlichen Rat für die Kultur und vom Gregor-Mendel-Institut in Rom dargebracht wurde. Er war in der Tat ein Mann des Glaubens, ein Mann der Kultur und ein Mann der Wissenschaft. 1059 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Mann des Glaubens war Gregor Mendel von seiner Geburt an: Er stammte aus einer tiefkatholischen Familie Mährens. Sein Weg von der Familie zur Pfarrei, von der Schule ins Kloster war sozusagen ganz natürlich. Noch ehe Gregor Mendel ein Mann der Kultur und der Wissenschaft wurde, war er ein Mann des Glaubens. Und das blieb er, als er, wie andere vor ihm, aber in höherer Weise, sein Leben als Christ und Mönch mit seinen wissenschaftlichen Forschungen zu verbinden wußte. Und der Genius seines außergewöhnlichen Verstandes wandte sich gleicherweise seinem Schöpfer zu, um ihn zu loben und anzubeten, und der Schöpfung, um die von der weisen Vorsehung Gottes in ihr verborgenen Gesetze zu entdecken. Ist es nicht der Kultur eigen, die Lebensweisen mit den Lebensursachen harmonisch zu verknüpfen, diese in jenen darstellen zu wissen in einer tief schöpferischen Synthese, in der sich die zu lösende Aufgabe von einem empfangenen Erbe und einem Ideal nährt, das man mit anderen teilt? Gregor Mendel war also ein Mann christlicher und katholischer Kultur, in dessen Dasein das Gebet und das augustinische Gotteslob das Forschen des geduldigen Beobachters und das Nachdenken des genialen Wissenschaftlers unterstützten. 2. Mann des Glaubens und der Kultur, war Gregor Mendel auch ein Mann der Wissenschaft, und wir würden sicher weder den einen noch den anderen feiern, wenn uns nicht das Ansehen dazu veranlaßte, das seine Arbeiten und seine wissenschaftlichen Entdeckungen seinem bescheidenen Leben als Priester und Augustinerabt verliehen. Der bescheidene, aber geniale Gelehrte der Kreuzungen der Saaterbse ist zum Vater der modernen Vererbungslehre geworden, dessen Vererbungsgesetze heute den Gymnasiasten im Unterricht beigebracht werden. Der Obere des Augustinerklosters von Brünn hat sicher nicht den tadelnden Vorwurf des Augustinus verdient, der derüber klagte, daß viele „eher geneigt sind, die Fakten zu bewundern als nach den Ursachen zu suchen“ (Epist. 120,5). Er verstand es, das eine wie das andere zu tun. Nach dem Vorbild seines Lehrers, des hl. Augustinus, seiner persönlichen Berufung folgend, gelang es Gregor Mendel, in der Beobachtung der Natur und in der Betrachtung ihres Schöpfers in ein und demselben Anlauf die Suche nach der Wahrheit mit der Gewißheit zu verbinden, diese schon im Wort des Schöpfers zu erkennen, in dem jedem Menschen eingegebenen Licht, das im Innersten der Naturgesetze erstrahlt, die der Wissenschaftler geduldig entziffert. Weit davon entfernt, dem Glauben zu widersprechen, verbindet sich die 1060 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wahre Wissenschaft mit ihm in einer fruchtbaren Symbiose, in der Erkenntnis und Liebe miteinander verknüpft werden. Das bemerkte schon der hl. Augustinus in einem Abschnitt, über den der Abt des Klosters in Brünn vermutlich mehr als einmal seine Betrachtungen angestellt hat: „Die Schönheit der Erde ist wie eine stumme Stimme, die sich von der Erde erhebt. Du beobachtest sie, du nimmst ihre Schönheit wahr, ihre Fruchtbarkeit, ihren Reichtum; du siehst, wie sich ein Same vermehrt, wobei er meist etwas sprießen läßt, was von dem Gesäten verschieden ist. Du beobachtest das und beginnst gleichsam, es mit deiner Überlegung zu prüfen ... Voll Staunen führst du die Untersuchung weiter, und bei gründlicher Erforschung entdeckst du eine große Macht, eine große Schönheit und eine erstaunliche Kraft. Da es diese Kraft weder in sich noch aus sich haben kann, kommt dir sogleich der Gedanke, daß, wenn es sie nicht von sich aus geben konnte, er, der Schöpfer, sie ihm verliehen hat. So ist das, was du in der Kreatur entdeckt hast, die Stimme ihres Bekenntnisses, die dich Gott loben läßt“ (Enarr. in Ps 144,13). 3. Gregor Mendel war ein Forscher ersten Ranges. Sein großes Verdienst unter diesem Aspekt ist es, eine neue Forschungsrichtung eingeschlagen zu haben, die den Weg zu den erstaunlichsten Erkenntnissen und Errungenschaften im Bereich der Biologie eröffnet hat. Als aufmerksamer Beobachter war er betroffen von der Regelmäßigkeit, mit der spezifische Merkmale, die zu Blüten oder ganz verschiedenen Pflanzenarten gehören, durch nachfolgende Generationen weitergegeben wurden. Er wollte - wie er selbst in seiner ursprünglichen Art sagt - das „allgemeine Gesetz“ dieser Regelmäßigkeit finden. Er war sich des Ernstes der Aufgabe bewußt. Auf denselben Seiten schrieb er zwischen den einführenden Bemerkungen: „Daß es bisher nicht gelungen ist, ein allgemeines Gesetz zu formulieren, kann den nicht verwundern, der Bescheid weiß über den gewaltigen Umfang der Aufgabe und in der Lage ist, die Schwierigkeiten abzuschätzen, die einem bei dieser Art von Experimenten begegnen. Eine endgültige Entscheidung wird nur dann erreicht werden können, wenn man über die Ergebnisse von eingehenden Experimenten verfügt, vorgenommen an Pflanzen, die zu verschiedenen Ordnungen gehören . . . Es gehört in der Tat nicht geringer Mut dazu, eine Mühe von so großer Tragweite auf sich zu nehmen. Sie erscheint jedoch als der einzig richtige Weg, mit dem man endlich die Lösung einer Frage wird erreichen können, die im Hinblick auf die Geschichte der Entwicklung der organischen 1061 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Formen von nicht geringer Bedeutung ist“ (G. Mendel, Versuche über Pflanzen-Hybriden. Originaltext bei J. Krizenecky, Fundamenta Genetica, Prag 1965, anläßlich des 100. Jahrestages der Veröffentlichung). Seine Experimente zogen sich über acht Jahre hin (1856-1863), sie erfolgten nach einem streng vorbereiteten und durchgeführten Plan und wurden ständig nach und nach erweitert, wenn sich aus der Prüfung der gesammelten Daten Anregungen zu neuen Experimenten ergaben. Es war eine enorme Arbeit, die Fisher - der strenge Kritiker ist jedem Genetiker bekannt - als „einen der größten experimentellen Fortschritte in der Geschichte der Biologie“ bezeichnet, und wurde nach den Worten Fishers durch „experimentelle Untersuchungen erreicht, die ausschlaggebend in ihren Ergebnissen, von einwandfreier Klarheit in der Darbietung und wichtig waren, weil sie nicht nur ein Problem von laufendem Interesse, sondern viele erfaßten“ (R. A. Fisher, Introductory notes on Mendel’s paper. In J. H. Bennet: Experiments in plant hybridization. Mendel’s original paper in English translation with commentary and assessment by late Sir Roland A. Fisher, Oliver and Bryd 1965, S. 1-16). Dank dieser Arbeit, die von einer scharfen Analyse begleitet war, die sich auf die einfachsten Axiome des kombinatorischen Rechnens stützte, für das man gerade in jener Zeit die mathematischen Grundlagen legte, gelangte Abt Mendel außer zu den nach ihm benannten Gesetzen zu seiner entscheidenden Entdeckung: der Existenz von Erbeinheiten als Träger der Merkmale, die sich in den Keimzellen absondern und sich nach ganz bestimmten Gesetzen in den nachfolgenden Generationen verbinden und wieder verbinden. 4. Mit Gregor Mendel hat also der Zweig der Naturwissenschaft, der heute als Genetik oder Vererbungslehre bezeichnet wird, seine Entwicklung begonnen. Seit damals bis heute hat sich die tatsächliche Existenz der Erbeinheiten, die etwa zwanzig Jahre nach seinem Tod als „Gene“ bezeichnet wurden, erwiesen, die Lokalisierung in besonderen Zellstrukturen wurde festgestellt, ihre Natur bestimmt, die Struktur analysiert und die Funktion begriffen. Heute kann man sie bereits im Laboratorium hersteilen. Diese biologischen Einheiten, deren Existenz von Gregor Mendel entdeckt wurde, sind nun in der Hand des Menschen, dem es durch eine rigorose wissenschaftliche Methode gelungen ist, volle Kenntnis über sie zu erlangen. Wird der Mensch fähig sein, von den großartigen Errungenschaften dieses Zweiges der Naturwissenschaft, der in dem Klostergarten 1062 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in Brünn seinen Ausgang nahm, ausschließlich zum Dienst am Menschen Gebrauch zu machen? Gregor Mendel hatte etwas von der Zukunft geahnt, als er bei der Vorlage seiner Ergebnisse unterstrich, daß sie „die Lösung einer Frage“ bieten, „die im Hinblick auf die Geschichte der Entwicklung der organischen Formen von nicht geringer Bedeutung ist“. Der Mensch beginnt heute, die Macht in Händen zu haben, seine Entwicklung zu kontrollieren. Das Ausmaß und die guten oder schlechten Auswirkungen dieser Kontrolle werden nicht so sehr von seinem Wissen als vielmehr von seiner Weisheit abhängen. Wissen und Weisheit, die in Gregor Mendel auf gleichsam sinnbildliche Weise in Einklang gebracht wurden. In dem Wunsch und in der Hoffnung, daß die Forscher von heute und morgen nach dem Vorbild des großen Naturforschers, dessen wir heute feierlich gedenken, niemals die Wissenschaft, die die Geheimnisse der Natur erforscht, loslösen von der Weisheit, die dem Erdenweg des Menschen seine Richtung weist, erteile ich Ihnen, die Sie hier anwesend sind, und allen, die ihre besten Kräfte für die Forschung verwenden, meinen Apostolischen Segen. „. . . man nehme mir nicht das Kreuz“ Predigt bei der Messe und Heiligsprechung der seligen Paola Frassinetti am 11. März 1. „. . . Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel in Versuchung geführt werden . . .“ (Mt 4,1). Jedes Jahr zu Beginn der österlichen Bußzeit gedenkt die Kirche des vierzigtägigen Fastens Christi. Am Ende dieses Fastens, das dem messia-nischen Wirken Jesu von Nazaret vorausgeht, findet die dreimalige Versuchung durch den Teufel statt, deren Beschreibung nach dem Matthäusevangelium zur Lesung der Sonntagsliturgie gehört. Die Versuchung endet mit der Niederlage des Versuchers. Jesus sagt zu ihm: „Weg mit dir, Satan! Denn in der Schrift steht: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen“ (ebd., Vers 10). 2. Durch die Offenbarung seiner messianischen Macht hat Christus an den Beginn der Sünde des Menschen gerührt. Denn die Sünde des 1063 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen hatte ihren Anfang in der Versuchung der Stammeltern. Die Liturgie des ersten Fastensonntags erinnert in der ersten Lesung aus dem Buch Genesis an diese Versuchung. Die Versuchung nimmt konkrete Gestalt an im Zusammenhang mit dem Baum, den der biblische Text den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nennt. Die Worte, deren sich der Versucher bedient, sind ein klarer Hinweis auf das Motiv der Tat, zu der er die Stammeltern verführt: „Gott weiß vielmehr: Sobald ihr davon eßt, gehen euch die Augen auf; ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“ {Gen 3,5). Die Versuchung, die am Anfang der Ursünde des Menschen steht, betrifft also die Grundlagen der Beziehung des Menschen zu Gott, des Geschöpfes zum Schöpfer, des Sohnes zum Vater. Die Sünde, die Folge dieser Versuchung ist, zerstört deshalb diese Beziehung in ihren Grundfesten. Zugleich wird auch der Gnadenstand der ursprünglichen Unschuld und Gerechtigkeit des Menschen zunichte gemacht. In der menschlichen Geschichte beginnt damit die Herrschaft der Sünde. 3. Die Kirche will, daß wir uns über all das zu Beginn der Fastenzeit Rechenschaft geben. Und sie will zugleich, daß wir uns der Größe der von Christus gewirkten Erlösung bewußt werden. Im Brief des hl. Paulus an die Römer lesen wir: „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten . . .“ „Doch anders als mit der Übertretung verhält es sich mit der Gnade; sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheimgefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden ... Es wird durch die gerechte Tat eines einzigen für alle Menschen zur Gerechtsprechung kommen, die Leben gibt. . . Wie durch den Ungehorsam des einen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden“ {Röm 5,12.16.18-19). Diese Tat des Gerechten, die alle zu Gerechten macht, heißt Erlösung. Christus bewirkt die Erlösung durch seinen Gehorsam bis zum Tod, zum Tod am Kreuz. Die erste Tat dieses Gehorsams, an der Schwelle seines messianischen Wirkens, ist die Zurückweisung des Versuchers: „Weg mit dir, Satan! . . . Ihm allein (dem Herrn, deinem Gott) sollst du dienen!“ 1064 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Wir meditieren über diese grundlegenden Wahrheiten zu Beginn der österlichen Bußzeit, und wir werden in dieser besonderen Zeit, die in der Erfahrung und lebendigen Tradition der Kirche eine Zeit der Umkehr und der Buße ist, immer wieder über sie nachdenken. Um so mehr in diesem Heiligen Jahr, das das Jahr der Erlösung und die Zeit des außerordentlichen Jubiläumsjahres ist. In der Fastenzeit des Jubiläumsjahres der Erlösung soll dieses Werk der Versöhnung mit Gott in Jesus Christus, das wir am 25. März des vergangenen Jahres eingeleitet haben, als ein nützlicher, ja notwendiger Dialog zwischen der Kirche und der heutigen Welt für den Aufbau einer authentischen, auf Wahrheit und Liebe gründenden Gesellschaft erkannt werden. Wenn wir an diesem ersten Fastensonntag eine Heiligsprechung vornehmen, so tun wir das, um die Heilskraft des Erlösungswerkes hervorzuheben. Die heutige Liturgie gibt Zeugnis von dieser Kraft, wenn sie die Fülle, ja die reiche Fülle der Gnade der Erlösung verkündet, die das Vermächtnis der Sünde übersteigt: „. . . So ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden. ... so werden erst recht alle, denen die Gnade und die Gabe der Gerechtigkeit reichlich zuteil wurde, leben und herrschen durch den einen, Jesus Christus“ (Röm 5,15.17). 5. Wir wollen diese Fülle, ja diesen Reichtum der Gabe und der Macht der Erlösung heute, zu Beginn der Fastenzeit, dadurch preisen und herausstellen, daß wir die selige Paola Frassinetti zur Ehre der Altäre erheben und ihren Namen in das Buch der Heiligen der katholischen Kirche eintragen. Die Heiligen sind die reife Frucht der Erlösung Christi. 6. Paola Frassinetti ist in der Tat eine herrliche Frucht der in der Kirche ständig wirksamen Erlösung. Man hat gesagt, um festzustellen, ob ein Werk christlich sei, müsse man sehen, ob es das Siegel des erlösenden Kreuzes trage. Nun, das Kreuz Christi warf weithin seinen Schatten oder, besser, sein Licht über das ganze Leben und alle Werke der Heiligen. Denn sie war überzeugt, daß einer, der den Weg der Vervollkommnung einschlagen will, nicht auf das Kreuz, die Abtötung, die Demütigung und das Leiden verzichten kann, die den Christen dem göttlichen Vorbild, dem Gekreuzigten, ähnlich machen. In ihrer glühenden Aufopferung für das Heil aller Seelen meinte sie, daß das, was einer zu leiden vermag, nichts sei im Vergleich mit den Leiden 1065 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi. Nicht nur, daß sie vor dem Kreuz nicht zurückschreckte, sondern es war für sie die Triebkraft, die sie bewegte, die geheime Quelle, aus der sie ihre unermüdliche Aktivität und ihren unbeugsamen Mut schöpfte. Sie pries das Jahr, das mit irgendeinem Kreuz begann, und empfand jede Erleichterung als Bestrafung: „Ach, jede Strafe — sagte sie —, aber man nehme mir nicht das Kreuz!“ Der Heiligen fehlte es nicht an inneren Qualen und an Verfolgungen; Verleumdungen, Schmähungen, Beleidigungen, Bosheiten und Übergriffe. Aber sie wußte alles mit christlicher Kraft zu ertragen, überzeugt, daß so, wie die Erde den befruchtenden Regen braucht, ihr heranwachsendes Institut von ihren Tränen begossen werden mußte. Die innere Kraft, die sie bewog, die „Torheit“ des Kreuzes ganz zu leben, ist in der frommen Verehrung zum Herzen Jesu Christi zu suchen. Mit ihrer wahrhaft apostolischen Sensibilität begriff die Heilige, daß niemand ein echtes Apostolat ausüben kann, wenn er nicht in seinem Herz die Wundmale Christi eingeprägt hat, wenn in ihm nicht jene unsagbare Verflechtung von Liebe und Schmerz wirksam ist, die im Heiligsten Herzen Jesu Gestalt wird: Sie wollte daher, daß in ihrem Institut die Herz-Jesu-Verehrung in die Regel aufgenommen werde: der Regel entsprechend sollte am Vortag des Herz-Jesu-Festes gefastet werden; an jedem ersten Freitag (des Monats) sollten sich Schwestern und Schülerinnen abwechselnd zur Anbetung vor dem göttlichen Sakrament einfinden. Im Jahr 1872 weihte sie das ganze Institut dem Herzen Jesu. Das innere Feuer des hl. Paola Frassinetti mußte in ein intensives apostolisches Wirken münden, wobei ihr besonderes Interesse der christlichen Formung verwahrloster Kinder und Jugendlicher galt. Zu diesem Zweck gründete sie ja das Institut der Schwestern von der hl. Dorothea. Sie dürfen sich heute freuen, ihre Gründerin in das Buch der Heiligen aufgenommen zu sehen, und folgen voll Stolz ihren leuchtenden Spuren und ihrer immer noch aktuellen Lehre. Denn die Botschaft, die dem einfachen, aber tief frommen Leben der hl. Paola entspringt, das ganz Reinheit und Armut, aber auch von glühendem Eifer beseelter Einsatz für die jungen Mädchen war, die von der Gesellschaft benachteiligt wurden, diese Botschaft ist ein Hinweis auf die wahren Werte der Frau, auf den Ausdruck der zartesten fraulichen Gaben, auf die Bestätigung der Identität und Würde der Frau, die die Kirche stets geschützt und unterstützt hat zur sittlichen Förderung der Gesellschaft und des nahenden Reiches Christi. Diese Botschaft fügt sich gut in das Jubiläumsjahr ein, insofern sie eine Aufforderung ist, die Erlösung dadurch in die Tat umzusetzen, daß man 1066 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Frau hilft, sich ihrer selbst und des Platzes bewußt zu werden, den sie in der christlichen Gemeinschaft und in der zivilen Gesellschaft einnimmt, sie ihren Voraussetzungen entsprechend vorzubereiten auf die Übernahme ihrer Verantwortlichkeiten und die Erfüllung ihrer Aufgabe. Ich hoffe und wünsche, daß diese Botschaft für die verdienstvollen Schwestern von der hl. Dorothea ein Antrieb sei, auch weiter den Geist und den Eifer ihrer Gründungsheiligen in alle Kontinente zu tragen, wo sich ihre Häuser befinden. 7. An der Schwelle der Fastenzeit des Jahres der Erlösung verkündet die Kirche voll Freude über eine neue Heilige auf ihren Altären mit ihren Lippen und mit dem Herzen aller ihrer Söhne und Töchter die Worte des Psalmisten: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz, und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ (Ps 51,12). Sie verkündet diese Worte mit einer neuen Hoffnung, die die Erfahrung des Jubiläumsjahres der Erlösung in unsere Herzen ausgegossen hat. „Mach mich wieder froh mit deinem Heil; mit einem willigen Geist rüste mich aus!“ (ebd., Vers 14). Zu Beginn der Fastenzeit lehrt uns Christus diese Macht, die er selbst über das Böse besitzt und die alle diejenigen aus ihm schöpfen, die durch ihre Bekehrung zum Reich Gottes das Evangelium annehmen. „Herr, öffne mir die Lippen, und mein Mund wird deinen Ruhm verkünden“ (ebd., Vers 17). Jene, die in Jesus Christus den Weg der Bekehrung zum Reich Gottes finden, leiten zugleich das große Werk des Lobpreises ein, den Gott im ewigen Bund der Gemeinschaft der Heiligen empfängt. Amen. „Christus hat die Welt auch durch die Arbeit erlöst“ Predigt beim Gottesdienst anläßlich der Heilig-Jahr-Wallfahrt der Arbeiter am 18. März 1. „Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde“ (Gen 12,1). Der Auftrag Gottes, den Abram - später Abraham genannt - mit diesen Worten empfing, bezeichnet den Anfang der Geschichte dieses Vaters 1067 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aller Glaubenden. Denn Abram nahm den göttlichen Auftrag im Glauben an. Hiermit begann seine Wanderschaft aus Haran im Lande Ur in das Land von Kanaan, das für ihn zu dem von Gott versprochenen Land wurde. Noch eine weitere Verheißung gab der Herr dem Abraham: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein . . . Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen“ (ebd., Vers 2-3). In der Kraft dieser Worte - liebe Arbeiter und Arbeiterinnen, hier in Rom zur Wallfahrt versammelt - beginnt nicht nur eine irdische Wanderung des Abraham: eine Wanderung von zunächst einer Familie, dann eines Stammes und eines ganzen Volkes, von der die Geschichte des Alten Testamentes voll ist. Diese Wanderung beginnt im Glauben und bestimmt die Zukunft aller Generationen des Volkes Gottes im Alten wie im Neuen Bund. Zugleich hat diese Wanderung eine geistliche und übernatürliche Dimension; es ist eine innere Bewegung in Richtung auf die Verheißung Gottes zu, des Gottes, mit dem sie im Bund stehen, des Gottes Abrahams. Dieses innere Streben, das mit dem Glauben des Abraham beginnt, erreicht seinen Höhepunkt in der Menschwerdung Jesu Christi, des Sohnes Gottes. Von diesem Gipfelpunkt aus wird der Blick frei für jenes endgültige Reich Gottes, in dem „alle Geschlechter der Erde“ ihren Segen erlangen sollen. Heute, am 2. Fastensonntag, führt uns die Kirche auf diesen Gipfel, vor den Gesalbten der messianischen Verheißung: auf den Berg Tabor, nachdem sie uns zuvor den Beginn des geistigen Weges des ganzen Volkes Gottes im Herzen des Abraham, des Vaters aller Glaubenden, gezeigt hat. Die Fastenzeit ist ja für die Kirche ein besonders intensiver Abschnitt ihres Glaubensweges. 2. Die Petersbasilika umfängt heute die Vertreter der Arbeitsbereiche, die sich hier aus vielen Teilen Italiens, verschiedenen europäischen Ländern und auch aus anderen Kontinenten zusammengefunden haben. Unter uns sind die Landwirte, Landarbeiter, die durch ihre tägliche Mühe der Erde die Produkte abgewinnen, mit denen wir unseren Hunger stillen. Hier sind die Werktätigen, die Vertreter der Welt der Industrie, die unserer Gesellschaft ein neues Gesicht gegeben hat. Zugegen bei dieser Feier ist auch eine große Schar von Handwerkern, aus jenem Bereich also, der in seinen vielfältigen Formen eine wichtige Rolle in der Wirtschaft spielt. Auch Josef und Jesus waren Handwerker. Anwesend sind auch die Hausangestellten, die die unzähligen Personen 1068 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vertreten, die in der Verborgenheit der häuslichen Wände die einfachen, aber notwendigen Hausarbeiten verrichten. Meine Gedanken gehen dann zu den Technikern, den Angestellten, den Handel- und Gewerbetreibenden, dem Personal im öffentlichen Dienst, den Emigranten. Ihnen allen gilt die Versicherung meiner Zuneigung mit dem Wunsch für ein fruchtbares Arbeiten, das sich der menschlichen Grundwerte, die auf dem Spiel stehen, bewußt ist. 3. Liebe Brüder und Schwestern! Daß ihr heute bei den Apostelgräbern, der Stelle, die uns durch das Blutzeugnis der hll. Petrus und Paulus und so vieler anderer heldenhafter Zeugen des Geheimnisses unserer Erlösung so verehrungswürdig geworden ist, zusammengekommen seid, stellt eine besondere Etappe jener geistlichen Pilgerschaft dar, die im Glauben des Abraham ihren Anfang genommen hat. Zugleich besitzt eure heutige Anwesenheit im Rahmen des außerordentlichen Jubiläumsjahres der Kirche noch eine ganz spezielle Bedeutung. Ihr seid hier zugegen als Vertreter der Welt der Arbeit und tragt mit euch eine umfassende und vielfältige Erfahrung mit menschlicher Arbeit sowie auch die zahlreichen Probleme, die damit für das persönliche und familiäre, für das berufliche und soziale Leben verbunden sind. Die Erfahrung mit der menschlichen Arbeit - in ihrem ganzen Umfang, früher und heute - beginnt bei den Worten des Schöpfers an den ersten Mann und die erste Frau: „Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch“ {Gen 1,28). Auch wenn in diesen Worten der Ausdruck „Arbeit“ nicht vorkommt, so beziehen sie sich doch ganz deutlich auf die Reaütät der Arbeit. Die Worte des Schöpfers bestimmen die Arbeit als ein beständiges Element im Leben des Menschen auf dieser Erde. Die Arbeit bindet den Menschen an die Erde, an die Welt) an ihre vielfältigen Schätze. Sie dient dazu, diese Schätze zu nutzen und die Welt nach den Erfordernissen des Menschen umzuformen. Damit ist jegliche menschliche Arbeit gemeint, sei es die körperliche oder die geistige. Man kann sagen - ausgehend von jenen Worten der Genesis -, daß die Menschheit ihre Wanderung durch die Geschichte begonnen hat, durch die sie an diese Erde gebunden wird, und in der Entwicklung! der verschiedenen Zivilisationen sowie den Errungenschaften der menschlichen Arbeit fortschreitet. Zugleich aber richten sich gerade an diesen Menschen, durch die Arbeit an die Erde und die sichtbare Welt gebunden, in der Person des Abraham die folgenden Worte: „Zieh weg aus deinem Land!“ Dies sind Worte des 1069 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebendigen Gottes, die dem Menschen den Blick auf das Himmelreich eröffnen, auf das „verheißene Land“, das Symbol für seine endgültige Zukunft, die Gott selbst ist. Diese Worte können nur im Glauben angenommen werden. Und so sind sie auch von Abraham und seiner gesamten geistigen Nachkommenschaft angenommen worden. Die Dimension der Arbeit im Rahmen der irdischen Berufung des Menschen ist mit der Dimension des Reiches Gottes durch den Glauben verbunden. 4. In beide Dimensionen tritt Jesus von Nazaret ein: Jesus Christus, die höchste Erfüllung der Verheißung, die an Abraham erging. Christus verkündet das Evangelium vom Himmelreich und widmet den größten Teil seiner Lebensjahre der Arbeit an der Seite Josefs, des Zimmermanns von Nazaret. Gerade morgen, am 19. März, begehen wir das Fest des hl. Josef. Dieses Fest legt uns nahe, das Evangelium von der Arbeit aufmerksam zu lesen, das Jesus mit seinem ganzen Leben verkündet hat, vor allem mit seinem verborgenen Leben in Nazaret, als er an der Seite von Josef und Maria körperliche Arbeiten verrichtete. Mit dieser Wahl machte er die Arbeit zu einem Bestandteil des Erlösungswerkes. Jesus Christus hat die Welt und die Menschheit letztlich durch das Kreuz und die Auferstehung erlöst. Das hebt nicht auf, daß sein gesamtes irdisches Leben vom Augenblick der Empfängnis im Schoß der Jungfrau und Mutter Maria an - und eben auch seine Arbeit - zum Ganzen seiner Heilssendung gehört, für die er in die Welt gekommen ist. Christus hat die Welt auch durch die Arbeit erlöst. In diesem Licht zeigt sich die menschliche Arbeit als erlöst, uns von Gott, dem Schöpfer und Vater, in Jesus Christus neu angeboten. Zugleich verkündet das Evangelium der Arbeit, daß jeder Mensch, der in Einheit mit Christus arbeitet, an der von diesem gewirkten Erlösung teilhat. Die Arbeit erlangt so für den Menschen einen neuen Wert: Sie wird etwas Heiliges. Die Kirche hat die Jahrhunderte hindurch ständig das Evangelium der Arbeit verkündigt. Alle Werte der Arbeit hat sie betont: für den sozialen, den wirtschaftlichen, den kulturellen Bereich. Vor allem aber hat sie die personale Würde der menschlichen Arbeit hervorgehoben und hat ihre Söhne und Töchter darin unterwiesen, durch die Arbeit am Werk der Erlösung der Welt teilzuhaben. Hierzu sind wir besonders in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung aufgerufen! 1070 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Die Verklärung auf dem Berg Tabor, an die uns das Evangelium nach Matthäus am heutigen Fastensonntag erinnert, ist gleichsam ein besonderer Strahl jenes Lichtes, das Jesus auf das unsterbliche Leben des Menschen wirft. Das ist der Gipfel, zu dem ganze Generationen des Gottesvolkes im Glauben unterwegs sind. Es sind Generationen von arbeitenden Menschen. Und arbeitende Menschen waren auch die drei Apostel Petrus, Jakobus und Johannes, denen es geschenkt war, an jenem Ereignis auf dem Tabor teilzunehmen. Durch die Botschaft der Verklärung wirft Christus ein besonderes Licht auf das unsterbliche Leben, an dem der Mensch im Himmelreich teilhaben soll. Dieses Evangelium spricht von der geistlichen Erhöhung des Menschen zur Ebenbildlichkeit mit dem Sohn Gottes und von seiner Unsterblichkeit in Gott. In Jesus Christus erreicht der Mensch diese Erhöhung und Würde. In ihm geht der Mensch der eigenen himmlischen Unsterblichkeit entgegen. Die Verklärung des Herrn bereitet die Apostel auf die Passion Christi vor, aber vor allem auf seine Auferstehung. Die irdische Berufung des Menschen 6. Ihr alle, liebe Brüder und Schwestern, die ihr heute an dieser Eucharistiefeier teilnehmt und das Evangelium von der Verklärung des Herrn hört, stärkt dadurch euren Glauben an die geistliche Erhöhung des Menschen in Jesus Christus. Und bedenkt zugleich, auf welche Weise ihr diese Dimension des Glaubens - die Dimension des Gottesreiches, die uns mit Hilfe des Evangeliums den Blick auf die Unsterblichkeit eröffnet - mit der Dimension der Arbeit verbinden könnt, die von Anfang an die irdische Berufung des Menschen ist. Diese Berufung bindet uns an die Welt und endet mit dem Tod. Wie sind diese beiden Dimensionen zu vereinen: die Arbeit und die Erlösung, die Endlichkeit und die Unsterblichkeit? Hören wir die Worte des Apostels Paulus aus dem Brief an Timotheus: „Leide mit mir für das Evangelium. Gott gibt dazu die Kraft. Er hat uns gerettet; mit einem heiligen Ruf hat er uns gerufen, . . . aus eigenem Entschluß und aus Gnade; die uns schon vor ewigen Zeiten in Christus Jesus geschenkt wurde“ (2 Tim 1,8-9). Habe teil an den Mühen des Evangeliums! Genau das ist der Ruf des Heiligen Jahres der Erlösung, der auf unsere 1071 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Pilgerschaft im Glauben antwortet. In besonderer Weise antwortet er auf eure heutige Pilgerfahrt in diesem Jubiläumsjahr. „Leide mit mir für das Evangelium!“ Diese beiden Dimensionen: die Dimension der Arbeit und die Dimension des Glaubens, sind nicht voneinander getrennt, wie auch die Dimension der Welt nicht von der Dimension des Gottesreiches getrennt ist. Sie sind verbunden im ewigen Denken und Wollen des Schöpfers. Von Anfang an geht der Weg des Glaubens über die Arbeit und der Weg der Arbeit über den Glauben. Jesus Christus - der geliebte Sohn, an dem der Vater seine Freude hat -hat dies mit seinem ganzen Evangelium der Arbeit bestätigt. Es ist also nicht wahr, daß der Weg des Glaubens und die Hoffnung auf das Reich Gottes den Menschen von der Arbeit abbringen. Das Gegenteil ist wahr: Glaube und Hoffnung sind es, die volles Licht in die menschliche Arbeit bringen, die den Sinn und wahren Wert der Arbeit bis auf den Grund enthüllen. Es ist das Evangelium der Arbeit, das dem Menschen seine Arbeit in voller Weise zurückgibt. Es allein erlaubt dem Menschen, sich selbst als Mensch zu verwirklichen, während er mit seiner Hände Arbeit die Natur gestaltet. Es allein gibt der Arbeit ihre Würde. Und zugleich führt dieses Evangelium auf den Gipfel einer „Verklärung“, durch die die Arbeit an der Unsterblichkeit des Menschen teilhat, indem sie der Weg zum Heil wird. Nur wenn die Arbeit dem Menschen in Jesus Christus voll und ganz zurückgegeben ist, wird sie zum Geschenk Gottes an jenes Geschöpf, das sich „die Erde unterwerfen“ soll (vgl. Gen 1,28). Und zugleich soll dieselbe Arbeit des Menschen die Dimension jenes ihm von Gott verheißenen Landes werden, zu dem die Generationen des Gottesvolkes, hervorgegangen aus dem Glauben Abrahams, unterwegs sind. 7. Liebe Arbeiter und Arbeiterinnen, Pilger im Heiligen Jahr der Erlösung! Nehmt dieses Geschenk des Gotteswortes, das die Kirche euch am heutigen Sonntag zur Betrachtung anbietet, mit auf euren Weg: „Denn das Wort des Herrn ist wahrhaftig, all sein Tun ist verläßlich“ (Ps 33,4). Möge euer Besuch an den Gräbern der Apostel euch jener Gerechtigkeit und Gnade nahebringen, die uns in Jesus Christus geschenkt sind: „Er liebt Gerechtigkeit und Recht, die Erde ist erfüllt von der Huld des Herrn“ (ebdVers 5). „Laß deine Güte über uns walten, o Herr, denn wir schauen aus nach dir“ (ebd., Vers 22). Ja, die Gnade des Heiligen Jahres der Erlösung sei mit euch! Seid stark im 1072 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glauben, der allen Generationen des Gottesvolkes gemeinsam ist! Seid stark durch die Frohe Botschaft von der Arbeit in Jesus Christus! Allein die Suche nach der Wahrheit Ansprache an die Mitglieder des Veranstaltungskomitees der internationalen Studientagung über Martin Luther am 24. März Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Seien Sie willkommen! Während ich Sie herzlich begrüße, bringe ich Ihnen mit Freude meine Genugtuung über diese internationale Studientagung zum Ausdruck, die sich in die Reihe der anläßlich des 500. Geburtsjahres Martin Luthers unternommenen kulturellen Initiativen einordnen läßt. Der Gedenktag, der in verschiedenen Teilen der Welt weitreichend und feierlich begangen wurde, bot Gelegenheit zu ausgewogenem Nachdenken über die komplexen Ereignisse der Vergangenheit und eröffnete tröstliche Perspektiven für die Zukunft. „Es gibt drei Zeiten“, bemerkte der hl. Augustinus: in der Vergangenheit gegenwärtige, in der Gegenwart gegenwärtige, in der Zukunft gegenwärtige. Diese drei Arten von Zeiten existieren in gewisser Weise in der Seele, anderswo sehe ich sie nicht: Die Gegenwart der Vergangenheit ist die Erinnerung, die Gegenwart der Gegenwart der Augenschein, die Gegenwart der Zukunft die Erwartung“ (Augustinus, Bekenntnisse, Buch XI). Und genau in den Rahmen dieser dreifachen Dimension der Zeit haben Sie Ihre Tagung gestellt. Während ich Sie zu dieser Begegnung empfange, flehe ich den Geist an, er möge Ihrer so bedeutungsvollen Initiative seine Fülle schenken. 2. Viele Christen wie auch kirchliche Kreise waren im 500. Geburtsjahr Luthers auf vielfältige Weise und durch verschiedene Initiativen an der Bemühung beteiligt, eine noch offene Rechnung aus der Vergangenheit zu begleichen: Sie hatten den Wunsch, die Zeit der Wiederherstellung jener vollen Einheit, für die der Erlöser beim Letzten Abendmahl gebetet hat, zu beschleunigen. Viele unserer Zeitgenossen haben diese Gelegenheit benützt, um im Geist christlicher, für die Wahrheit sachlich offener 1073 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe über die verhängnisvollen Ereignisse und Höhepunkte der Geschichte der Reformationszeit nachzudenken. Zu dieser inneren Haltung leistet die für die ganze Wirklichkeit offene geistliche Bewegung des Heiligen Jahres der Erlösung einen besonderen Beitrag. „Wenn wir die Erlösung feiern, betreten wir ein Feld jenseits historischer Mißverständnisse und zufälliger Kontroversen und befinden uns auf dem gemeinsamen Boden unseres Christseins, d. h. Erlöstseins“ (Weihnachtsansprache an die Kardinäle und Mitarbeiter der Römischen Kurie am 23. Dezember 1982, Nr. 9, in: Der Apostolische Stuhl, 1982, S. 1473). Die Versöhnung ist eine kennzeichnende Dimension des Jahres der Erlösung: Versöhnung mit Gott und mit den Brüdern und Schwestern. Und wie könnte in diesem Vorsatz nicht — und in dominierender Weise — die Versöhnung zwischen Christen gegenwärtig sein! Ich habe bereits betont, daß in bezug auf Martin Luther in der Suche nach der Wiederherstellung der Einheit ein doppeltes Bemühen nötig ist: eine gewissenhafte historische Forschungsarbeit und der Dialog des Glaubens, in dem hier und jetzt unsere Suche nach der Einheit Ausdruck findet (vgl. Schreiben an Kard. Willebrands, 31. Oktober 1983, in O.R.dt. vom 11. 11. 83, S. 5). Ihre Tagung kommt diesen beiden Tendenzen entgegen. Die Vergangenheit ist gegenwärtig. Sie dringt in das Heute und wirkt darauf ein. Aus diesem Grund müssen wir uns mit ruhigem Blick ohne Parteinahme vor die Geschichte stellen, indem wir uns einzig von der Suche nach der Wahrheit leiten lassen. Wir wollen der Klärung, die die Wahrheit zu vollbringen vermag, Kredit geben. 3. Im Programm Ihrer Arbeiten finden sich die komplexen politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Gegebenheiten jener Zeit tiefer Umwälzung wieder, die das 16. Jahrhundert war. Darüber hinaus widmen Sie der großen Gestalt jenes Mannes der Kirche, Theologen und Humanisten, Aegidius von Viterbo, besondere Aufmerksamkeit. In den verschiedenen Abschnitten seines reichen Lebens war er aufs engste mit dem Leben der katholischen Kirche verbunden und arbeitete in der stürmischen Periode der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts mit dem Hl. Stuhl zusammen. Seine umfangreiche theologische und humanistische Kultur, seine geistliche Orientierung und sein von der Tugend geformtes Leben waren wie ein Leuchtturm, ein Zeichen der Hoffnung für die Kirche seiner Zeit, die sich so sehr nach geistlicher Erneuerung, Buße und Umkehr sehnte. In Papst Hadrian IV. fand er den Anwalt und Befürworter seiner Reformabsichten. Als Generaloberer bemühte er sich in der Leitung des Ordens der 1074 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Augustiner-Eremiten hartnäckig darum, zugleich das Ziel der Reform und der Bewahrung der Ordenseinheit zu erreichen. Wie wir sehr wohl wissen, haben sich die vielfältigen geistlichen, politischen und sozio-kulturellen Kräfte jener Zeit als zu stürmisch erwiesen, um sich im Schoße der Kirche zur Einheit zusammenfügen zu lassen. Europa war daran, eine Veränderung zu erfahren, die in eine tiefgreifende Veränderung seines Gesichtes mündete. Seine schon brüchige und unbeständige Einheit erfuhr einen unaufhaltsamen Niedergang. 4. Heute erwacht unter den Christen Europas ein neues Bewußtsein ihrer besonderen Verantwortung beim Aufbau eines geeinten Europas, das Inspiration und Kraft aus jener christlichen Tradition schöpfen soll, die alle seine Völker verbindet. Man darf nicht vergessen - und noch weniger leugnen -, daß das Leben dieser Völker, im Norden wie im Süden, im Osten wie im Westen, objektiv in christlichen Werten wurzelt; und diese gemeinsamen christlichen Werte können ihnen das Bewußtsein wiedergeben, zu einer einzigen Völkerfamilie zu gehören. Unter den getrennten Christen wächst das tiefe Verlangen, zu ihrer geschichtlichen Einheit zurückzufinden, um gemeinsam das Haus der Familie der europäischen Völker zu errichten. Die Einheit der Christen ist tief verflochten mit der Einigung des Kontinents: Das ist unsere Berufung und unsere historische Aufgabe in der gegenwärtigen Stunde. Ich danke Ihnen, daß sich Ihr Treffen diesen weiten Horizonten öffnet, in denen in gleicher Weise Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vibrieren, um durch die Perspektiven, die sie öffnen, dem Engagement all derer Gestalt zu geben, denen das Schicksal der von Christus erlösten Menschheit am Herzen liegt. Mögen aus Ihrer Tagung neue, echte Impulse erwachsen zur Überwindung der schmerzlichen Vergangenheit, zur Förderung der Einheit der Christen, zur Versöhnung unter den Menschen und zur Entfaltung des Prozesses der europäischen Integration in ihrem ganzen Reichtum. Europa ist eine große Herausforderung, aber auch eine außergewöhnliche Gelegenheit für alle, die den Namen Christi auf ihrer Stirn eingemeißelt tragen. Gott segne Ihre Arbeit! 1075 Apostolisches Schreiben „Redemptionis donum“ an die Ordensleute über das gottgeweihte Leben im Licht des Geheimnisses der Erlösung 25. März BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geliebte Brüder und Schwestern in Jesus Christus! I. Gruß 1. Das Geschenk der Erlösung, das im Mittelpunkt dieses außerordentlichen Jubiläumsjahres steht, enthält einen besonderen Ruf zur Umkehr und zur Versöhnung mit Gott in Jesus Christus. Während dieses Jubiläum in seinem äußeren Motiv geschichtlichen Charakter hat - wir begehen damit ja die 1950. Jahrfeier der Ereignisse von Kreuz und Auferstehung wird es zugleich von einem inneren Motiv bestimmt, das mit dem Kern des Geheimnisses unserer Erlösung verbunden ist. Die Kirche ist aus diesem Geheimnis hervorgegangen, und aus ihm lebt sie in ihrer ganzen Geschichte. Die Zeit eines außerordentlichen Heiligen Jahres hat ihren ganz besonderen Charakter. Der Ruf zur Umkehr und zur Versöhnung mit Gott bedeutet, daß wir tiefer über unser Leben, über unsere christliche Berufung im Licht des Geheimnisses der Erlösung nachdenken sollen, um jenes Leben immer mehr in diesem Geheimnis zu verankern. Wenn sich auch dieser Ruf an alle Gläubigen in der Kirche richtet, so betrifft er doch in besonderer Weise euch Ordensmänner und Ordensfrauen, die ihr mit eurer Weihe an Gott durch das Gelöbnis der evangelischen Räte nach einer besonderen Fülle des christlichen Lebens strebt. Eure besondere Berufung und euer gesamtes Leben in der Kirche und in der Welt erhalten ihre geistliche Ausprägung und Kraft aus der Tiefe des Geheimnisses unserer Erlösung. Indem ihr Christus auf dem „schmalen Weg“1 nachfolgt, erfahrt ihr in außerordentlicher Weise, daß „bei ihm Erlösung in Fülle ist“: copiosa apud eum redemptio? 2. Während dieses Heilige Jahr allmählich seinem Ende zugeht, möchte ich mich deshalb in besonderer Weise an euch richten, an alle Männer und Frauen im Ordensleben, ob ganz der Kontemplation geweiht oder im Dienst an den verschiedenen Werken des Apostolates. An zahlreichen Orten und bei verschiedenen Gelegenheiten habe ich dies auch früher schon getan, indem ich die Lehre des Evangeliums, wie sie in der gesamten Tradition der Kirche und vor allem in der Unterweisung des jüngsten ökumenischen Konzils, von der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium bis zum Dekret Perfectae caritatis, enthalten ist, im Sinne der Hinweise des Apostolischen Schreibens meines Vorgängers Paul VI. Evangelica testificatio bekräftigt und weiter ausgeführt habe. Der kürzlich in Kraft getretene Kodex des Kirchenrechtes, den man gewissermaßen als 1078 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das letzte Dokument jenes Konzils ansehen kann, wird euch allen eine wertvolle Hilfe und ein sicherer Führer sein, um die konkreten Mittel genau zu bestimmen, damit ihr eure großartige kirchliche Berufung treu und hochherzig leben könnt. Ich grüße euch mit der Liebe des Bischofs von Rom und Nachfolgers des heiligen Petrus, mit dem eure Gemeinschaften in eigener Weise verbunden bleiben. Vom Heiligen Stuhl her richten sich an euch wie ein stetiges Echo die Worte des heiligen Paulus: „Ich habe euch einem einzigen Mann verlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen.“3 Die Kirche, die nach den Aposteln den kostbaren Schatz dieses Ehebundes mit dem göttlichen Bräutigam übernommen hat, schaut mit inniger Liebe auf alle ihre Söhne und Töchter, die durch die Profeß der evangelischen Räte mit ihrer Hilfe einen besonderen Bund mit dem Erlöser der Welt geschlossen haben. Nehmt diese Botschaft im Jubiläumsjahr der Erlösung als ein Wort der Liebe an, das die Kirche an euch richtet. Nehmt sie an, wo immer ihr lebt: in der Klausur der kontemplativen Gemeinschaften oder in der Hingabe an vielfältige apostolische Dienste in der Mission und in der Seelsorge, in Krankenhäusern oder an anderen Orten, wo dem leidenden Menschen geholfen wird, in Erziehungseinrichtungen, in Schulen und Universitäten und schließlich in jedem einzelnen eurer Häuser, wo ihr, im Namen Christi vereint, aus dem Bewußtsein lebt, daß der Herr in eurer Mitte ist.4 Möge dieses liebende Wort der Kirche, das ich in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung an euch richte, an jenes liebende Wort erinnern, das Christus selbst an jeden von euch gerichtet hat, als er eines Tages das geheimnisvolle „Folge mir nach“5 zu euch sprach, von dem aus eure Berufung in der Kirche ihren Anfang genommen hat. <33> <33> Berufung „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb“ 3. „Da sah ihn Jesus an und gewann ihn lieb“6; er sagte zu ihm: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“7 Auch wenn wir wissen, daß diese Worte bei dem reichen jungen Mann kein Gehör fanden, verdient jedoch ihr Inhalt, aufmerksam bedacht zu werden; stellen sie doch die innere Struktur der Berufung dar. 1079 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb.“ Das ist die Liebe des Erlösers: eine Liebe, die der innersten gottmenschlichen Tiefe der Erlösung entspringt. In ihr spiegelt sich die ewige Liebe des Vaters wider, der „die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat“.8 Der Sohn, mit dieser Liebe beschenkt, nahm die Sendung vom Vater im Heiligen Geist an und wurde zum Erlöser der Welt. Die Liebe des Vaters hat sich im Sohn als erlösende Liebe offenbart. Gerade diese Liebe bildet den wahren Preis für die Erlösung von Mensch und Welt. Die Apostel Christi sprechen vom Preis der Erlösung mit tiefer Bewegung: „Nicht um einen vergänglichen Preis wurdet ihr losgekauft, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“, so schreibt der hl. Petrus.9 „Um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden“, sagt der hl. Paulus.10 Der Ruf auf den Weg der evangelischen Räte erwächst aus der inneren Begegnung mit der Liebe Christi, die eine erlösende Liebe ist. Christus ruft gerade durch diese seine Liebe. In der Struktur der Berufung wird die Begegnung mit dieser Liebe ein ganz personaler Akt. Als Christus „euch ansah und liebgewann“ und dann jeden von euch berief, liebe Ordensmänner und Ordensfrauen, richtete sich seine erlösende Liebe an eine bestimmte Person; zugleich wurde sie dabei zu einer bräutlichen Liebe: Sie wurde erwählende Liebe. Diese Liebe umfaßt die ganze Person, Seele und Leib, ob Mann oder Frau, in ihrem einen und unwiederholbaren persona-. len „Ich“. Derjenige, der, von Ewigkeit her dem Vater geschenkt, sich selbst im Geheimnis der Erlösung „schenkt“, hat den Menschen dazu berufen, daß auch er sich seinerseits ganz und gar einem besonderen Dienst im Werk der Erlösung „schenkt“, indem er sich einer von der Kirche anerkannten und gebilligten brüderlichen Gemeinschaft anschließt. Beziehen sich nicht auf diesen Ruf die Worte des hl. Paulus: „Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist... ? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis seid ihr erkauft worden.“11 Ja, die Liebe Christi ist für jeden einzelnen von euch, liebe Brüder und Schwestern, zu diesem „Preis“ der Erlösung geworden. Deshalb seid ihr euch bewußt geworden, daß ihr nicht mehr euch selbst gehört, sondern ihm. Dieses neue Bewußtsein ist die Frucht aus dem „liebenden Blick“ Christi, den er in das Innere eures Herzens gerichtet hat. Ihr habt auf diesen Blick geantwortet, indem ihr ihn erwählt habt, der als erster jeden einzelnen von euch mit seiner unermeßlichen Er loser liebe rief. Wenn er „beim Namen ruft“, spricht er immer die Freiheit des Menschen an. 1080 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus sagt: „Wenn du ... willst.“ Die Antwort auf diesen Ruf ist also eine freie Entscheidung. Ihr habt euch für Jesus von Nazaret entschieden, den Erlöser der Welt, als ihr den Weg wähltet, den er euch gewiesen hat. „Wenn du vollkommen sein willst...“ 4. Dieser Weg heißt auch Weg der Vollkommenheit. Im Gespräch mit dem jungen Mann sagt Christus: „Wenn du vollkommen sein willst...“ Somit findet der Begriff des „Weges der Vollkommenheit“ seine Begründung im Evangelium selbst. Hören wir nicht auch in der Bergpredigt: „Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist?“12 Die Berufung des Menschen zur Vollkommenheit ist bis zu einem gewissen Grad schon von den Denkern und Sittenlehrern des Altertums und auch danach in den verschiedenen Epochen der Geschichte wahrgenommen worden. In der Bibel besitzt dieser Ruf jedoch sein ganz eigenes Profil: Er ist besonders anspruchsvoll, weil er dem Menschen eine Vollkommenheit zuspricht, die Gott selbst gleicht.13 Gerade in dieser Form entspricht der Ruf ganz der inneren Logik der Offenbarung, nach der der Mensch nach dem Abbild Gottes selbst geschaffen worden ist. Er muß darum die ihm eigene Vollkommenheit in der Richtung dieser Abbildlichkeit suchen. Der hl. Paulus schreibt im Epheserbrief: „Ahmt Gott nach als seine geliebten Kinder und liebt einander, weil auch Christus uns; geliebt und sich für uns hingegeben hat als Gabe und als Opfer, das Gott gefällt.“14 So gehört also der Ruf zur Vollkommenheit zum Wesen der christlichen Berufung. Von diesem Ruf her muß man auch die Worte Christi an den jungen Mann im Evangelium verstehen. Sie sind in besonderer Weise mit dem Geheimnis der Erlösung des Menschen in dieser Welt: verbunden. Die Erlösung gibt ja das von der Sünde verunstaltete Werk der Schöpfung wieder an Gott zurück, indem es die Vollkommenheit aufzeigt, welche die gesamte Schöpfung und insbesondere der Mensch im Denken und Wollen Gottes selbst besitzen. Vor allem der Mensch muß sich an Gott verschenken und zurückgeben, wenn er sich selbst voll und ganz zurückerhalten soll. Daher der fortwährende Ruf: „Kehre zurück zu mir; denn ich befreie dich.“15 Die Worte Christi: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen...“, führen uns ohne Zweifel in den Bereich des evangelischen Rates der Armut, der zum Wesen von Ordensberufung und -profeß gehört. Zugleich kann man diese Worte auch umfassender und grundsätzlich verstehen. Der Meister von Nazaret lädt seinen Gesprächspartner ein, auf 1081 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ein Lebensprogramm zu verzichten, bei dem das „Besitzen“, das „Haben“, an erster Stelle steht, und statt dessen ein Lebensprogramm zu übernehmen, in dessen Mitte der Wert der menschlichen Person steht: das personale „Sein“ mit all seiner ihm eigenen Transzendenz. Ein solches Verständnis der Worte Christi stellt gleichsam einen breiteren Rahmen für das Ideal der evangelischen Armut dar, vor allem für jene Armut, die als evangelischer Rat zum wesentlichen Inhalt eurer mystischen Hochzeit mit dem göttlichen Bräutigam in der Kirche gehört. Wenn wir die Worte Christi im Licht des Prinzips vom Vorrang des „Seins“ vor dem „Haben“ lesen - vor allem wenn dieses letztere im materialistischen und utilitaristischen Sinn verstanden wird -, dann berühren wir gleichsam die anthropologischen Grundlagen der Berufung im Evangelium. Vor dem Hintergrund der Entwicklung heutiger Zivilisation ist dies eine sehr aktuelle Entdeckung. Dadurch wird auch die Berufung „zum Weg der Vollkommenheit“, wie Christus sie vorgezeichnet hat, ganz aktuell. Wenn der Mensch im Bereich der heutigen Zivilisation, vor allem in der Welt des Wohlstandes und des Konsums, das tiefreichende Defizit an personalem „Sein“ schmerzlich empfindet, das für sein Menschsein aus dem Überfluß an vielfältigem „Haben“ entsteht, dann wird er eher bereit, die Wahrheit jenes Rufes anzunehmen, der ein für allemal im Evangelium verkündet worden ist. Ja, der Ruf, den ihr, liebe Brüder und Schwestern, annehmt, wenn ihr den Weg der Ordensprofeß betretet, berührt die Wurzeln des Menschseins, die Wurzeln der Bestimmung des Menschen in dieser zeitlichen Welt. Der evangelische „Stand der Vollkommenheit“ reißt euch nicht von diesen Wurzeln los. Im Gegenteil, er gibt euch die Möglichkeit, euer Leben noch stärker in dem zu verankern, was den Menschen zum Menschen macht, indem ihr dieses Menschsein, das in verschiedenster Weise von der Sünde niedergedrückt ist, mit der gottmenschlichen Heilkraft des Erlösungsgeheimnisses durchdringt. „Du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben“ 5. Die Berufung enthält in sich die Antwort auf die Frage: Wozu Mensch sein - und auf welche Weise? Die Antwort darauf gibt dem ganzen Leben eine neue Dimension und legt seinen endgültigen Sinn fest. Dieser Sinn ergibt sich aus dem Paradox des Evangeliums vom Leben, das man verliert, wenn man es retten will, und das man im Gegenteil gewinnt, wenn man es um Christi und des Evangeliums willen verliert, wie wir bei Markus lesen.16 Im Licht dieser Worte wird der Ruf Christi ganz klar: „Geh, verkauf 1082 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.“17 Zwischen diesem „Geh“ und dem sich anschließenden „Komm und folge mir nach“ besteht eine enge Beziehung. Man kann sagen, daß diese letzten.Worte das Wesen der Berufung bestimmen; es geht ja darum, den Spuren Christi zu folgen („folgen“; hiervon abgeleitet: „Nachfolge Christi“). Die Worte „Geh... verkaufe... gib“ scheinen die Bedingung zu umschreiben, die der Berufung vorausgeht. Andererseits liegt diese Bedingung nicht „außerhalb“ der Berufung, sondern macht schon einen inneren Teil von ihr aus. Der Mensch entdeckt ja den neuen Sinn seines eigenen Menschseins nicht nur bei der „Nachfolge Christi“, sondern gerade auch in dem Maße, wie er ihm folgt. Wenn er „seinen Besitz verkauft“ und „das Geld den Armen gibt“, dann gerade entdeckt er, daß jene Güter und Reichtü-mer, die er besaß, kein bleibender Schatz für ihn waren: Der Schatz liegt vielmehr in seinem Herzen, das von Christus die Kraft bekommen hat, den anderen zu „geben“, indem es sich selbst gibt. Reich ist nicht, wer besitzt, sondern wer „gibt“, wer geben kann. An diesem Punkt wird das Paradox des Evangeliums besonders deutlich. Es wird zu einem Programm des Seins: Arm sein in dem Sinne, den der Meister von Nazaret einer solchen Seinsweise gegeben hat, bedeutet, mit dem eigenen Menschsein ein Ausspender des Guten zu werden. Das heißt zugleich, den „Schatz“ zu entdecken. Dieser Schatz ist unzerstörbar. Zusammen mit dem Menschen geht er ein in die Dimension der Ewigkeit; er gehört zu dem von Gott geschenkten letzten Ziel des Menschen. Durch diesen Schatz hat der Mensch seine endgültige Zukunft in Gott. Christus sagt: „Du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“ Dieser Schatz ist nicht so sehr eine „Belohnung“ nach dem Tode für die Werke, die jemand nach dem Beispiel des göttlichen Meisters vollbracht hat, als vielmehr die eschatologische Erfüllung von dem, was sich hinter diesen Werken bereits hier auf Erden im inneren „Schatz“ des Herzens verbarg. Als Christus in der Bergpredigt18 dazu aufforderte, sich Schätze im Himmel zu sammeln, hat er hinzugefügt: „Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“19 Diese Worte deuten auf den eschatologischen Charakter jeder christlichen Berufung hin und ganz besonders auf den eschatologischen Charakter jener Berufung, die sich in der geistigen Vermählung mit Christus durch ein Leben nach den evangelischen Räten verwirklicht. 6. Die Struktur dieser Berufung, wie man sie den Worten an den jungen Mann in den synoptischen Evangelien entnehmen kann20, wird in dem Maße deutlich, wie jemand den grundlegenden Schatz seines eigenen 1083 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschseins im Hinblick auf jenen „Schatz“ entdeckt, den der Mensch „im Himmel“ hat. In dieser Blickrichtung verbindet sich der grundlegende Schatz des eigenen Menschseins mit der Wirklichkeit eines Menschen, der „sich selbst verschenkt“. Der direkte Bezugspunkt einer solchen Berufung ist die lebendige Person Jesu Christi. Der Ruf zum Weg der Vollkommenheit formt sich von ihm her und durch ihn im Heiligen Geist, der immer wieder neue Personen, Männer und Frauen, in verschiedenen Momenten ihres Lebens und vor allem in ihrer Jugend an alles „erinnert“, was Jesus gesagt hat21, und besonders an das, was er dem jungen Mann sagte, als dieser ihn fragte: „Meister, was muß ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“22 Durch die Antwort Christi, der seinen Gesprächspartner „mit Liebe anschaut“, dringt die intensive Kraft des Erlösungsgeheimnisses in das Gewissen, das Herz und den Willen des Menschen ein, der in Wahrheit und Aufrichtigkeit auf der Suche ist. So beginnt der Ruf zum Weg der evangelischen Räte immer in Gott: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt.“23 Die Berufung, in der der Mensch das Gesetz des Evangeliums vom Sichverschenken, das seinem eigenen Menschsein eingeprägt ist, in seiner ganzen Tiefe entdeckt, ist auch selbst ein Geschenk. Ein Geschenk, gefüllt mit dem tiefsten Inhalt des Evangeliums, ein Geschenk, in dem das gottmenschliche Wesen des Geheimnisses der Erlösung der Welt aufleuchtet. „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat.“24 III. Weihe Die Ordensprofeß ist ein „vollerer Ausdruck“ der Taufweihe 7. Die Berufung hat euch, liebe Brüder und Schwestern, zur Ordensprofeß geführt, in der ihr durch den kirchlichen Dienst Gott geweiht und zugleich eurer Ordensgemeinschaft eingegliedert worden seid. Darum sieht die Kirche in euch vor allem „geweihte“ Personen: in Jesus Christus Gott geweihtxmd ihm allein zu eigen. Diese Weihe bestimmt euren Platz in der weltweiten Gemeinschaft der Kirche, des Volkes Gottes. Und zugleich stellt sie der umfassenden Sendung dieses Gottesvolkes eine besondere Quelle an geistlicher und übernatürlicher Energie zur Verfügung: eine besondere Form des Lebens, des Zeugnisses und des Apostolates in der Treue zur Sendung eurer Ordensgemeinschaft, zu ihrer Identität 1084 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und ihrem geistlichen Erbe. Die universale Sendung des Volkes Gottes wurzelt in der messianischen Sendung Christi selbst - als Prophet, Priester und König an der alle auf verschiedene Weise teilhaben. Die den „geweihten“ Personen eigene Form dieser Teilhabe entspricht der Form eurer Verwurzelung in Christus. Uber die Tiefe und Kraft dieser Verwurzelung entscheidet gerade die Ordensprofeß. Sie schafft eine neue Verbindung des Menschen mit Gott, dem Einen und Dreifältigen, in Jesus Christus. Diese Verbindung wächst auf der Grundlage jenes ursprünglichen Bandes, das mit dem Sakrament der Taufe gegeben ist. Die Ordensprofeß „wurzelt zutiefst in der Taufweihe und bringt diese voller zum Ausdruck“.25 Auf diese Weise wird sie in ihrem wesentlichen Inhalt zu einer neuen Weihe: zur Weihe und Hingabe der menschlichen Person an Gott als den über alles Geliebten. Die in den Gelübden übernommene Verpflichtung, die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams nach den euren Ordensgemeinschaften eigenen Anweisungen zu leben, wie sie in den Konstitutionen festgelegt sind, ist der Ausdruck einer vorbehaltlosen Weihe an Gott und zugleich das Mittel zu ihrer Verwirklichung. Von hierher finden dann auch das Zeugnis und das Apostolat, das den geweihten Personen zukommt, ihre entsprechende Form. Die Wurzel jener bewußten und freien Weihe und der daraus folgenden Selbsthingabe und Zueignung an Gott muß man aber immer in der Taufe suchen, dem Sakrament, das uns zum Ostergeheimnis führt als dem Gipfel und der Mitte der von Christus erwirkten Erlösung. Um also das Wesen der Ordensprofeß voll herauszustellen, muß man die eindringlichen Worte des hl. Paulus im Römerbrief zu Hilfe nehmen: „Wißt ihr denn nicht, daß wir alle, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus... sollen auch wir als neue Menschen leben“26; „unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit... wir nicht Sklaven der Sünde bleiben“27; „so sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“.28 Die Ordensprofeß ist - auf der sakramentalen Grundlage der Taufe, in der sie wurzelt - ein neues „Begrabenwerden im Tode Christi“: neu, weil bewußt und frei gewählt; neu, weil aus Liebe und Berufung; neu, weil gelebt in ständiger Bereitschaft zur „Umkehr“. Ein solches; „Begrabenwerden“ bedeutet, daß der Mensch, der „zusammen mit Christus begraben“ ist, „mit Christus als neuer Mensch leben“ soll. In Christus, dem Gekreuzigten, finden sowohl die Taufweihe als auch die' Profeß der 1085 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN evangelischen Räte, die nach den Worten des II. Vatikanischen Konzils „eine besondere Weihe“ darstellen, ihr letztes Fundament. Diese Weihe ist zugleich Tod und Befreiung. Der hl. Paulus schreibt: Begreift euch als „Menschen, die für die Sünde tot sind“; zugleich aber nennt er diesen Tod eine „Befreiung von der Sklaverei der Sünde“. Vor allem jedoch stellt die Ordensweihe, auf der sakramentalen Grundlage der heiligen Taufe, ein neues Leben „für Gott in Christus Jesus dar“. So wird also bei der Profeß der evangehschen Räte in einer viel reiferen und bewußteren Weise „der alte Mensch abgelegt“ und zugleich „der neue Mensch angezogen“, „der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit“, um noch einmal die Worte aus dem Epheserbrief zu benutzen.29 Ein Bund bräutlicher Liebe 8. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr in der ganzen Kirche den Bund der Profeß der evangehschen Räte lebt, erneuert in diesem Heihgen Jahr der Erlösung das Bewußtsein von eurer besonderen Teilnahme am Kreuzestod des Erlösers: jener Teilnahme, durch die ihr mit ihm wiederauferweckt seid und ständig zu einem neuen Leben aufersteht. Der Herr spricht zu einem jeden von euch, wie er einmal durch den Propheten Jesaja gesprochen hat: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen: Du gehörst mir!“30 Der Ruf des Evangeliums: „Wenn du vollkommen sein willst,... folge mir nach“31, führt uns mit jenem Licht, das Worte des götthchen Meisters stets ausstrahlen. Aus der Tiefe der Erlösung kommt der Ruf Christi, und aus dieser Tiefe erreicht er das Herz des Menschen; aus der Kraft der Gnade der Erlösung nimmt dieser Heilsruf im Herzen des Gerufenen die konkrete Gestalt der Profeß der evangelischen Räte an. In dieser Gestalt ist eure Antwort auf den Ruf der erlösenden Liebe enthalten, und auch diese Antwort kommt aus der Liebe: aus der Liebe der Hingabe, die die Seele der Weihe ist, das heißt, der Weihe der ganzen Person. Die Worte bei Jesaja: „Ich habe dich ausgelöst...: du gehörst mir“, scheinen genau diese Liebe zu besiegeln, die Liebe einer vollen und ausschließlichen Hingabe an Gott. 1086 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf solche Weise bildet sich der besondere Bund bräutlicher Liebe, in welchem mit unaufhörlichem Echo die Worte über Israel gleichsam widerhallen, daß der Herr „es erwählt hat. . . als sein Eigentum“.32 In jeder geweihten Person wird nämlich das „Israel“ des neuen und ewigen Bundes erwählt. Das ganze messianische Volk, die ganze Kirche, wird in jeder Person auserwählt, die der Herr mitten aus diesem Volk ruft: in jeder Person, die sich für alle als ausschließliches Eigentum an Gott weiht. Wenn auch kein Mensch, auch nicht der heiligste, die Worte Christi „Ich heilige mich für sie“33, entsprechend der in ihnen enthaltenen erlösenden Kraft auf sich selbst beziehen kann, so darf doch jeder dank der liebenden Hingabe, durch die er sich als ausschließliches Eigentum Gott anbietet, durch den Glauben im Kraftfeld dieser Worte stehen. Rufen uns dazu nicht auch die Worte des Apostels im Brief an die Römer auf, die wir so oft wiederholen und meditieren: „Angesichts des Erbarmens Gottes ermahne ich euch, meine Brüder, euch selbst als lebendiges und heiliges Opfer darzubringen, das Gott gefällt: Das ist für euch der wahre und angemessene Gottesdienst.“34 Diese Worte sind gleichsam ein fernes Echo auf denjenigen, der bei seinem Eintritt in die Welt durch die Menschwerdung zum Vater sagt: „Einen Leib hast du mir geschaffen . . . Ja, ich komme . . . , um deinen Willen, Gott, zu tun.“35 Vertiefen wir uns also - in diesem besonderen Zusammenhang des Jubiläumsjahres der Erlösung - in das Geheimnis des Leibes und der Seele Christi als der gemeinsamen Quelle von erlösender und bräutlicher Liebe: bräutlich, weil erlösend. Aus Liebe bot er sich selbst als Opfer an, aus Liebe gab er seinen Leib „für die Sünde der Welt“ dahin. Indem ihr durch die Weihe der Ordensgelübde in das österliche Geheimnis des Erlösers mit der Liebe einer Ganzhingabe eintaucht, wollt ihr Seele und Leib mit Opfergeist füllen, wozu euch auch der hl. Paulus mit den Worten des Römerbriefes einlädt: „Bringt euch selbst als Opfer dar.“36 Auf diese Weise prägt sich der Ordensprofeß die Ähnlichkeit mit jener Liebe ein, die im Herzen Christi erlösend und zugleich bräutlich ist. Eine solche Liebe muß bei einem jeden von euch, liebe Brüder und Schwestern, aus derselben Quelle jener besonderen Weihe hervorströmen, die - auf dem sakramentalen Grund der hl. Taufe — den Beginn eures neuen Lebens in Christus und in der Kirche, den Beginn der neuen Schöpfung also, darstellt. Möge sich, zusammen mit dieser Liebe, in jedem einzelnen von euch die Freude darüber vertiefen, ausschließlich Gott anzugehören, ein besonderes Erbe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit des Vaters, des Sohnes und des 1087 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heiligen Geistes zu sein. Wiederholt öfters zusammen mit dem Psalmisten die vom Geist geschenkten Worte: „Was habe ich im Himmel außer dir? Neben dir erfreut mich nichts auf der Erde. Auch wenn mein Leib und mein Herz verschmachten, Gott ist der Fels meines Herzens und mein Anteil auf ewig.“37 Oder auch: „Ich sage zum Herrn: ,Du bist mein Herr; mein ganzes Glück bist du allein.1 Du, Herr, gibst mir das Erbe und reichst mir den Becher; du hältst mein Los in deinen Händen.“38 Das Bewußtsein, Gott selbst in Jesus Christus, dem Erlöser der Welt und Bräutigam der Kirche, anzugehören, besiegle eure Herzen?9, all eure Gedanken, Worte und Werke mit dem Zeichen der biblischen Braut. Wie ihr wißt, verwirklicht sich diese vertraute und tiefe Kenntnis Christi täglich mehr durch euer vom persönlichen, gemeinschaftlichen und liturgischen Gebet geprägtes Leben, wie es jeder eurer Ordensfamilien eigen ist. Gerade dadurch sind auch die Ordensleute, die sich ganz dem kontemplativen Leben geweiht haben, für ihre Brüder und Schwestern, die im Apostolat tätig sind, eine starke Hilfe und anregende Stütze. Dieses Bewußtsein, Christus anzugehören, öffne eure Herzen, Gedanken und Werke mit dem Schlüssel des Geheimnisses der Erlösung für alle Leiden, Nöte und Hoffnungen der Menschen und der Welt, in deren Mitte ihr eure Weihe nach dem Evangelium lebt als ein besonderes Zeichen der Gegenwart Gottes, „für den alle lebendig sind“40, weil umfangen von der unsichtbaren Dimension seines Reiches. Das Wort „Folge mir“, das Christus gesprochen hat, als er jeden einzelnen von euch, liebe Brüder und Schwestern, „mit Liebe ansah“, hat auch diese Bedeutung: Nimm auf möglichst vollständige und radikale Weise an der Gestaltung jener „neuen Schöpfung“41 teil, die sich aus der Erlösung der Welt durch die Kraft des Geistes der Wahrheit ergeben soll, der aus der Fülle des österlichen Geheimnisses Christi wirkt. 1088 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN IV. Evangelische Räte Ökonomie der Erlösung 9. In der Profeß eröffnet sich einem jeden von euch der Weg der evangelischen Räte. Im Evangelium gibt es viele Empfehlungen, die das Maß eines Gebotes überschreiten, indem sie nicht nur angeben, was „notwendig“ ist, sondern was „besser“ ist. So zum Beispiel die Aufforderung, nicht zu schwören42, zu leihen, „ohne Dank zu erwarten“43, alle Bitten und Wünsche des Nächsten zu erfüllen44, die Armen zum Mahl einzuladen45, immer zu vergeben46 und viele ähnliche. Wenn die Profeß der evangelischen Räte nach der Tradition auf die drei Punkte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams konzentriert ist, scheint eine solche Gewohnheit hinreichend deutlich deren Bedeutung und Schlüsselstellung hervorzuheben, weil sie in einem gewissen Sinne die ganze Heilsökonomie „zusammenfassen“. Alles, was im Evangelium ein Rat ist, gehört indirekt zum Programm jenes Weges, auf den Christus ruft, wenn er sagt: „Folge mir.“ Keuschheit, Armut und Gehorsam aber geben diesem Weg einen besonderen christozentrischen Charakter und prägen ihm das besondere Kennzeichen der Ökonomie der Erlösung ein. Für diese „Ökonomie“ ist die Umgestaltung des ganzen Kosmos durch das Herz des Menschen, von innen her also, wesentlich: „Die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes . . .; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes.“47 Diese Umgestaltung geht gleichen Schrittes mit jener Liebe, die der Ruf Christi dem Menschen ins Herz gibt, mit jener Liebe, die das Wesen der Weihe bildet: jenes Aktes, durch den sich Mann oder Frau in der Ordensprofeß auf der Grundlage der sakramentalen Weihe der Taufe an Gott binden. Wir können das Fundament der Ökonomie der Erlösung entdecken, wenn wir die Worte aus dem 1. Johannesbrief lesen: „Liebt nicht die Welt und was in der Welt ist! Wer die Welt hebt, hat die Liebe zum Vater nicht. Denn alles, was in der Welt ist, die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und die Hoffart des Lebens, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Die Welt und ihre Begierde vergehen; wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“48 Die Ordensprofeß legt in das Herz eines jeden von euch, liebe Brüder und Schwestern, die Liebe des Vaters; jene Liebe, die im Herzen Jesu Christi ist, des Erlösers der Welt. Es ist die Liebe, die die Welt umfängt und alles, 1089 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN was in ihr vom Vater kommt; zugleich sucht sie alles in der Welt zu überwinden, was „nicht vom Vater kommt“. Sie sucht also die dreifache Begierde zu besiegen. „Die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und die Hoffart des Lebens“ sind im Innern des Menschen als Erbschaft der Ursünde verborgen; als deren Folge ist die Beziehung zur Welt, die von Gott geschaffen und der Herrschaft des Menschen anvertraut wurde49, auf verschiedene Weise im menschlichen Herzen entstellt worden. Die evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams bilden in der Ökonomie der Erlösung die radikalsten Mittel, um im Herzen des Menschen diese Beziehung zur „Welt“ umzugestalten: zur äußeren Welt und zum eigenen „Ich“, das gewissermaßen den zentralen Teil dieser „Welt“ im biblischen Sinne darstellt, da in ihm das, was „nicht vom Vater kommt“, seinen Ausgang nimmt. Auf dem Hintergrund der aus dem 1. Johannesbrief angeführten Sätze ist es nicht schwierig, die grundlegende Bedeutung der drei evangelischen Räte in der ganzen Ökonomie der Erlösung wahrzunehmen. Die evangelische Keuschheit hilft uns, in unserem inneren Leben alles umzuformen, was seinen Ursprung in der Begierde des Fleisches hat; die evangelische Armut das, was seinen Ursprung in der Begierde der Augen hat; der evangelische Gehorsam erlaubt uns schließlich, in radikaler Weise das umzugestalten, was im menschlichen Herzen der „Hoffart des Lebens“ entspringt. Wir sprechen hier bewußt von der Überwindung als einer Umgestaltung, weil die ganze Ökonomie der Erlösung von jenen Worten umschrieben wird, die Christus im Hohenpriesterlichen Gebet an den Vater gerichtet hat: „Ich bitte nicht, daß du sie aus der Welt nimmst, sondern daß du sie vor dem Bösen bewahrst.“50 Die evangelischen Räte dienen in ihrer wesentlichen Sinnrichtung „der Erneuerung der Schöpfung“: Die „Welt“ soll durch sie dem Menschen unterworfen und ihm in der Weise anheimgegeben werden, daß der Mensch sich selbst vollkommen an Gott übergeben kann. Teilnahme der Entäußerung Christi 10. Der innere Sinn der evangelischen Räte führt zur Entdeckung noch weiterer Aspekte, die ihre enge Beziehung zur Ökonomie der Erlösung hervorheben. Wir wissen ja, daß diese im österlichen Geheimnis Jesu Christi gipfelt, in welchem sich die Entäußerung im Tod und die Geburt zu einem neuen Leben durch die Auferstehung verbinden. Der Vollzug der evangelischen Räte ist zutiefst gekennzeichnet von diesem doppelten Ostergeschehen.51 Er enthält die notwendige Trennung von dem, was in 1090 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einem jeden von uns die Sünde und ihre Folge ist, und die Möglichkeit, jeden Tag neugeboren zu werden zu einem höheren Gut, das in der menschlichen Seele verborgen ist. Dieses Gut offenbart sich unter der Einwirkung der Gnade, für die ein Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam die Seele des Menschen besonders empfänglich macht. Die ganze Ökonomie der Erlösung verwirklicht sich durch eben diese Empfänglichkeit für das Wirken des Heiligen Geistes, der der unmittelbare Urheber jeder Heiligkeit ist. Auf diesem Wege öffnet die Profeß der evangelischen Räte in einem jeden von euch, liebe Brüder und Schwestern, einen weiten Raum für die „neue Schöpfung“52, die aus der Ökonomie der Erlösung in eurem menschlichen „Ich“ und durch dieses menschliche „Ich“ auch in den zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Beziehungen entsteht. Sie entsteht damit zugleich in der Menschheit als einem Teil der von Gott geschaffenen Welt: jener Welt, die der Vater „von neuem“ geliebt hat im ewigen Sohn, dem Erlöser der Welt. Von diesem Sohn sagt der hl. Paulus: „Er war Gott gleich . er entäu-ßerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich.“53 Das besondere Merkmal der Entäußerung, das im Vollzug der evangelischen Räte enthalten ist, ist also ganz und gar christozentrisch. Deshalb verweist auch der Meister von Nazaret ausdrücklich auf das Kreuz als Bedingung, um in seine Nachfolge einzutreten. Jener, der einmal zu jedem einzelnen von euch gesagt hat: „Folge mir“, hat auch gesagt: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (= wandle auf meinen Spuren).54 Und er sagte dies allen seinen Zuhörern, nicht nur seinen Jüngern. Das Gesetz des Verzichtes gehört also zum Wesen der christlichen Berufung. In besonderer Weise gehört es jedoch zum Wesen der Berufung, die mit der Profeß der evangelischen Räte verbunden ist. Zu denen, die sich auf dem Weg dieser Berufung befinden, sprechen in einer durchaus verständlichen Sprache auch jene schwierigen Aussagen, die wir im Brief an die Philipper lesen : „Seinetwegen habe ich alles aufgegeben und halte es für Unrat, um Christus zu gewinnen und in ihm zu sein.“55 Verzicht also - als Widerschein des Geheimnisses von Kalvaria-, um sich vollkommener in Christus „wiederzufinden“, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist; Verzicht, um in ihm bis zum Grund das Geheimnis des eigenen Menschseins zu erkennen und es auf dem Wege jener wunderbaren Verwandlung zu bestätigen, von der derselbe Apostel an einer anderen Stelle schreibt: „Wenn auch unser äußerer Mensch aufgerieben wird, der innere wird Tag für Tag erneuert.“56 Auf diese Weise überträgt die Ökonomie der Erlösung die Macht des österlichen Geheimnisses auf den 1091 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bereich des Menschseins, das empfänglich ist für den Ruf Christi zum Leben in Keuschheit, Armut und Gehorsam, zum Leben nach den evangelischen Räten. V. Keuschheit - Armut - Gehorsam Keuschheit 11. Der österliche Charakter dieses Rufes läßt sich unter verschiedenen Gesichtspunkten erkennen, in bezug auf jeden einzelnen Rat. So muß man nach dem Maßstab der Ökonomie der Erlösung jene Keuschheit beurteilen und leben, die ein jeder und eine jede von euch durch ein Glübde zusammen mit Armut und Gehorsam versprochen hat. Darin enthalten ist die Antwort auf die Worte Christi, die zugleich Einladung sind: „Manche haben sich selbst zur Ehe unfähig gemacht um des Himmelreiches willen. Wer das erfassen kann, der erfasse es.“57 Zuvor hatte Christus betont: „Nicht alle können dieses Wort erfassen, sondern nur die, denen es gegeben ist.“58 Diese letzteren Worte weisen deutlich darauf hin, daß diese Einladung ein Rat ist. Dem hat auch der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther eine eigene Betrachtung gewidmet.59 Dieser Rat richtet sich in einer besonderen Weise an das liebende Herz des Menschen. Er verdeutlicht mehr den bräutlichen Charakter dieser Liebe, während die Armut und mehr noch der Gehorsam vor allem den Aspekt der erlösenden Liebe heraussteilen, wie sie in der Ordensweihe enthalten ist. Es handelt sich hier bekanntlich um Keuschheit im Sinne eines Verzichtes auf die Ehe „um des Himmelsreiches willen“; es geht also um die Jungfräulichkeit als Ausdruck der bräutlichen Liebe für den Erlöser selbst. In diesem Sinn lehrt der Apostel, daß derjenige „richtig handelt“, der sich für die Ehe entscheidet, und jener „besser handelt“, der die Ehelosigkeit wählt.60 „Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn; er will dem Herrn gefallen“61; „die unverheiratete Frau aber und die Jungfrau sorgen sich um die Sache des Herrn, um heilig zu sein an Leib und Geist.“62 Weder in den Worten Christi noch in denen des Paulus ist eine Mißachtung der Ehe enthalten. Der evangelische Rat der Keuschheit ist nur ein Hinweis auf jene besondere Möglichkeit, die für das menschliche Herz, sei es des Mannes oder der Frau, die bräutliche Liebe für Christus selbst, für Jesus, „den Herrn“, darstellt. „Sich zur Ehe unfähig machen um des Himmelreiches willen“ ist nämlich nicht nur ein freier Verzicht auf die 1092 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ehe und auf das Familienleben, sondern eine charismatische Entscheidung für Christus als ausschließlichen Bräutigam. Diese Entscheidung erlaubt nicht nur, sich in ganz besonderer Weise „um die Sache des Herrn zu sorgen“, sondern bringt - wenn gefällt „um des Himmelreiches willen“ - dieses eschatologische Reich Gottes dem Leben aller Menschen unter den Bedingungen der Zeitlichkeit nahe; sie macht es gewissermaßen inmitten der Welt gegenwärtig. Dadurch verwirklichen die geweihten Personen den inneren Sinn der ganzen Ökonomie der Erlösung. Dieser äußert sich nämlich im Herannahen des Reiches Gottes in seiner endgültigen, eschatologischen Dimension. Durch das Gelübde der Keuschheit nehmen die geweihten Personen teil an der Ökonomie der Offenbarung, indem sie freiwillig auf die zeitlichen Freuden des Ehe- und Familienlebens verzichten. Andererseits tragen sie gerade durch ihren Verzicht auf die Ehe „um des; Himmelreiches willen“ mitten in die vergängliche Welt die Verkündigung der künftigen Auferstehung63 und des ewigen Lebens: des Lebens in Gemeinschaft mit Gott selbst durch die selige Schau und die Liebe, die alle anderen möglichen Weisen der Liebe des menschlichen Herzens in sich schließt und vollkommen durchdringt. Armut 12. Wie ausdrucksstark sind hinsichtlich der Armut die Worte des 2. Korintherbriefes, die eine knappe Zusammenfassung all dessen bilden, was wir im Evangelium zu diesem Thema hören! „Denn ihr wißt, was Jesus Christus, unser Herr, in seiner Liebe getan hat: Er, der reich war, wurde euretwegen arm, um euch durch seine Armut reich zu machen.“64 Nach diesen Worten gehört die Armut zur inneren Struktur der erlösenden Gnade Jesu Christi. Ohne die Armut ist es nicht möglich, das Geheimnis der Hingabe der Gottesnatur an den Menschen zu verstehen, eine Hingabe, die sich in Jesus Christus erfüllt hat. Deshalb steht sie auch im Zentrum des Evangeliums, am Anfang der Botschaft der acht Seligpreisungen: „Selig, die arm sind vor Gott.“65 Die evangelische Armut öffnet der menschlichen Seele den Blick auf das ganze Geheimnis, „das von Ewigkeit her in Gott verborgen war“.66 Allein diejenigen, die auf diese Weise „arm“ sind, sind auch innerlich fähig, die Armut dessen zu verstehen, der selber unendlich reich ist. Die Armut Christi birgt in sich den unendlichen Reichtum Gottes; sie ist sogar dafür ein unfehlbarer Ausdruck. Ein Reichtum, wie ihn die Gottesnatur selbst darstellt, konnte tatsächlich in keinem geschaffenen Gut in angemessener Weise ausge- 1093 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN drückt werden. Er kann sich nur in der Armut so ausdrücken. Deshalb kann er auch nur von den Armen richtig verstanden werden, von denen, die vor Gott arm sind. Christus, Mensch und Gott, ist der erste von ihnen: Er, der „reich war und arm wurde“, ist nicht nur der Meister, sondern auch der Künder und Garant jener erlösenden Armut, die dem unendlichen Reichtum Gottes und der unerschöpflichen Macht seiner Gnade entspricht. Deshalb ist es auch wahr - wie der Apostel schreibt -, daß „er uns durch seine Armut reich gemacht hat“. Er ist der Meister und Künder der Armut, die reich macht. Eben deshalb sagt er zu dem jungen Mann in den synoptischen Evangelien: „Verkauf deinen Besitz..., gib ihn weg..., und du wirst einen bleibenden Schatz im Himmel haben.“67 In diesen Worten ist ein Ruf enthalten, die anderen durch die eigene Armut reich zu machen; aber in der Tiefe dieses Rufes ist das Zeugnis des unendlichen Reichtums Gottes verborgen, eines Reichtums, der, im Geheimnis der Gnade auf die menschliche Seele übertragen, im Menschen selbst gerade durch die Armut eine Quelle schafft, die die anderen reich macht. Diese ist nicht zu vergleichen mit irgendeiner anderen Quelle materieller Güter; es ist eine Quelle, um die anderen nach dem Vorbild Gottes selbst zu beschenken. Dieses Schenken verwirklicht sich im Bereich des Geheimnisses Christi, der „uns durch seine Armut reich gemacht hat“. Wir sehen, wie sich dieser Vorgang des Reicherwerdens auf den Seiten des Evangeliums entwickelt und seinen Gipfel im Osterereignis findet: Christus, der Ärmste im Kreuzestod, ist zugleich derjenige, der uns mit der Fülle des neuen Lebens durch die Auferstehung unendlich reich macht. Liebe Brüder und Schwestern, arm vor Gott durch die Profeß der evangelischen Räte: Nehmt diesen Heilscharakter der Armut Christi in euer ganzes Leben hinein! Bemüht euch Tag für Tag um ihre immer größere Reife! Sucht vor allem „das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit“, und alles andere „wird euch dazugegeben“.68 Möge sich in euch und durch euch die Seligpreisung des Evangeliums erfüllen, die den Armen verheißen ist69, denen, die vor Gott arm sind!70 Gehorsam 13. Christus „war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“.71 In diesen Worten aus dem Brief des hl. Paulus an die Philipper berühren 1094 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wir das Wesen der Erlösung. Darin findet sich auf grundlegende und konstitutive Weise eingeschrieben der Gehorsam Jesu Christi. Das bestätigen auch die anderen Worte des Apostels aus seinem Brief an die Römer: „Wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen zu Sündern wurden, so werden auch durch den Gehorsam des einen die vielen zu Gerechten gemacht werden.“72 Der evangelische Rat des Gehorsams ist der Ruf, der von diesem Gehorsam Christi „bis zum Tod“ ausgeht. Jene, die diesen Ruf annehmen, der mit den Worten „Folge mir“ an sie ergeht, entscheiden sich — wie das Konzil sagt -, Christus zu folgen, der „durch seinen Gehorsam bis zum Tod am Kreuz die Menschen erlöst und geheiligt hat“.73 Indem sie den evangelischen Rat des Gehorsams verwirklichen, erreichen sie das innere Wesen der ganzen Ökonomie der Erlösung. Indem sie diesen evangelischen Rat erfüllen, möchten sie auf besondere Weise am Gehorsam jenes „einen“ teilhaben, durch dessen Gehorsam „die vielen zu Gerechten gemacht werden“. Man kann also sagen, daß jene, die sich entscheiden, nach dem evangelischen Rat des Gehorsams zu leben, sich in einer einzigartigen Weise zwischen das Geheimnis der Sünde74 und das Geheimnis der Rechtfertigung und der Heilsgnade stellen. Sie befinden sich an diesem „Platz“ mit dem ganzen sündigen Untergrund ihrer menschlichen Natur, mit dem ganzen Erbe „der Hoffart des Lebens“, mit der ganzen egoistischen Neigung, lieber zu herrschen als zu dienen. Aber gerade durch das Gelübde des Gehorsams entscheiden sie sich, sich nach dem Bilde Christi umzuwandeln, der „durch seinen Gehorsam die Menschen erlöst und geheiligt hat“. Im Rat des Gehorsams möchten sie ihre eigene Aufgabe im Erlösungswerk Christi und ihren Weg der Heiligung finden. Dies ist der Weg, den Christus im Evangelium aufgezeigt hat, wenn er viele Male von der Erfüllung des Willens Gottes, von der ständigen Suche nach ihm spricht. „Meine Speise ist es, den Willen dessen zu tun, der mich gesandt hat, und sein Werk zu Ende zu führen“75; „..., weil es mir nicht um meinen Willen geht, sondern um den Willen dessen, der mich gesandt hat.“76 „Er, der mich gesandt hat, ist bei mir; er hat mich nicht allein gelassen, weil ich immer das tue, was ihm gefällt.“77 „Denn ich bin nicht vom Himmel herabgekommen, um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat.“78 Diese ständige Erfüllung des Willens des Vaters läßt uns auch an jenes messianische Bekenntnis des Psalmisten im Alten Testament denken: „In dieser Schriftrolle steht, was an mir geschehen ist. Deinen Willen zu tun, mein Gott, macht mir Freude, deine Weisung trag’ ich im Herzen.“79 1095 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser Gehorsam des Sohnes - voller Freude - erreicht seinen Höhepunkt im Angesicht von Leiden und Kreuz: „Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir! Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.“80 Seit seinem Gebet in Getsemani füllt sich die Bereitschaft Christi, den Willen des Vaters zu tun, bis an den Rand mit Leiden; sie wird zu jenem Gehorsam „bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“, von dem der hl. Paulus spricht. Durch das Gelübde des Gehorsams entscheiden sich die geweihten Personen, den Gehorsam des Erlösers auf besondere Weise in Demut nachzuahmen. Wenn auch die Unterwerfung unter den Willen Gottes und der Gehorsam seinem Gesetz gegenüber für jeden Stand eine Bedingung des christlichen Lebens sind, so begründet doch im „Ordensstand“, im „Stand der Vollkommenheit“, das Gelübde des Gehorsams im Herzen eines jeden von euch, liebe Brüder und Schwestern, die Pflicht zu einer besonderen Beziehung zu Christus, der „gehorsam war bis zum Tod“. Und da dieser Gehorsam Christi den Wesenskern des Erlösungswerkes darstellt, wie es die oben angeführten Worte des Apostels bezeugen, muß man deshalb auch in der Verwirklichung des evangelischen Rates des Gehorsams ein besonderes Merkmal jener „Ökonomie der Erlösung“ sehen, die unsere ganze Berufung in der Kirche durchdringt. Von hierher ergibt sich jene „vorbehaltlose Verfügbarkeit dem Heiligen Geist gegenüber“, der vor allem in der Kirche wirkt, wie mein Vorgänger Paul VI. in seinem Apostolischen Schreiben Evangelica testificatio81 gesagt hat, der sich aber auch in den Konstitutionen eurer Gemeinschaften kundtut. Hieraus ergibt sich jene geistliche Unterordnung, die die geweihten Personen im Geist des Glaubens ihren rechtmäßigen Vorgesetzten gegenüber zeigen, welche Gottes Stelle vertreten.82 Im Brief an die Hebräer finden wir zu diesem Thema einen sehr bedeutsamen Hinweis: „Gehorcht euren Vorstehern, und ordnet euch ihnen unter, denn sie wachen über euch und müssen Rechenschaft darüber ablegen.“ Und der Autor des Briefes fügt hinzu: „Sie sollen das mit Freude tun können, nicht mit Seufzen, denn das wäre zu eurem Schaden.“83 Die Vorgesetzten werden ihrerseits bedenken, daß sie die ihnen im Einvernehmen mit dem kirchlichen Hirtenamt verliehene Vollmacht im Geist des Dienens ausüben müssen; darum werden sie bereitwillig auf ihre Mitbrüder und Mitschwestern hören, um besser unterscheiden zu können, was der Herr von jedem einzelnen fordert, wobei die ihnen eigene Vollmacht bestehen bleibt, zu entscheiden und anzuordnen, was sie für angebracht halten. Ähnlich wie mit einer so verstandenen Unterordnung und einem solchen 1096 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gehorsam verhält es sich mit der Haltung des Dienens, die euer ganzes Leben bestimmt nach dem Vorbild des Menschensohnes, der nicht gekommen ist, „um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“.84 Seine Mutter sagte im entscheidenden Augenblick der Verkündigung und Menschwerdung, indem sie sich von Anfang an in die ganze Heilsökonomie der Erlösung hineingegeben hat: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du gesagt hast.“85 Erinnert euch, liebe Brüder und Schwestern, auch daran, daß der Gehorsam, zu dem ihr euch in der vorbehaltlosen Weihe an Gott durch die Profeß der evangelischen Räte verpflichtet habt, ein besonderer Ausdruck der inneren Freiheit ist, so wie der endgültige Ausdruck der Freiheit Christi sein Gehorsam „bis zum Tod“ gewesen ist: „. . . Ich gebe mein Leben hin, um es wieder zu nehmen. Niemand entreißt es mir, sondern ich gebe es aus freiem Willen hin.“86 VI. Liebe zur Kirche Zeugnis 14. Im Jubiläumsjahr der Erlösung möchte die ganze Kirche ihre Liebe zu Christus erneuern, dem Erlöser des Menschen und der Welt, ihrem Herrn, der zugleich ihr göttlicher Bräutigam ist. Deshalb schaut die Kirche in diesem Heiligen Jahr mit besonderer Aufmerksamkeit auf euch, liebe Brüder und Schwestern, die ihr als geweihte Personen, sei es in der umfassenden Gemeinschaft des Volkes Gottes oder in der jeweiligen Ortsgemeinde, einen besonderen Platz einnehmt. Wenn die Kirche wünscht, daß sich durch die Gnade des außerordentlichen Jubiläums auch eure Liebe zu Christus erneuert, so ist sie sich gleichzeitig dessen bewußt, daß diese Liebe ein besonderes Gut für das ganze Volk Gottes darstellt. Die Kirche ist sich bewußt, daß in der Liebe, die Christus von den geweihten Personen empfängt, die Liebe des ganzen mystischen Leibes in besonderer und außergewöhnlicher Weise auf den Bräutigam ausgerichtet wird, der zugleich das Haupt dieses Leibes ist. Die Kirche bekundet euch, liebe Brüder und Schwestern, ihre Dankbarkeit für eure Weihe und die Profeß der evangelischen Räte, die ein besonderes Zeugnis der Liebe sind. Sie bekräftigt zugleich ihr großes Vertrauen in euch, die ihr einen Lebensstand erwählt habt, der ein besonderes Geschenk Gottes an seine Kirche ist. Sie rechnet mit eurer vollen und hochherzigen Mitarbeit, damit ihr euch als treue Verwalter eines so kostbaren Geschenkes, „in Denken und 1097 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tun mit der Kirche verbunden fühlt“ und immer mit ihr zusammen wirkt im Einklang mit den Unterweisungen und Direktiven des Lehramtes Petri und der mit ihm in Gemeinschaft stehenden Oberhirten, indem ihr euch auf persönlicher und gemeinschaftlicher Ebene um eine Erneuerung des kirchlichen Bewußtseins bemüht. Zugleich betet die Kirche für euch, daß euer Zeugnis der Liebe niemals nachlassen möge87 und bittet euch auch, in diesem Geist die vorliegende Botschaft des Jubiläumsjahres der Erlösung aufzunehmen. Genau so bittet der Apostel in seinem Brief an die Philipper: ,,. . . daß eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird, damit ihr beurteilen könnt, worauf es ankommt. Dann werdet ihr rein und ohne Tadel sein für den Tag Christi, reich an der Frucht der Gerechtigkeit . . .“88 Durch das Erlösungswerk Christi ist „die Liebe Gottes ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“.89 Ich bitte unablässig den Heiligen Geist, einem jeden und einer jeden von euch „entsprechend seiner Gnadengabe“90 zu helfen, ein besonderes Zeugnis dieser Liebe zu geben. Möge in euch „das Gesetz des Geistes und des Lebens in Christus Jesus . . .“ in einer eurer Berufung würdigen Weise siegen, jenes Gesetz, das uns „frei gemacht hat vom Gesetz . . . des Todes“.91 Lebt also aus diesem neuen Leben nach dem Maß eurer Weihe und auch nach dem Maß der verschiedenen Charismen, die der Berufung der einzelnen Ordensgemeinschaften entsprechen. Die Profeß der evangelischen Räte zeigt jedem von euch, in welcher Weise ihr alles, was dem Leben entgegensteht und der Sünde und dem Tode dient, „durch den Geist töten“ könnt92; ebenso alles, was der wahren Liebe Gottes und der Menschen widerstreitet. Die Welt bedarf des echten „Widerspruchs“ der Ordensweihe als eines beständigen Sauerteigs heilsamer Erneuerung. „ Gleicht euch nicht dieser Welt an, sondern wandelt euch und erneuert euer Denken, damit ihr prüfen und erkennen könnt, was der Wille Gottes ist; was ihm gefällt, was gut und vollkommen ist.“93 Nach der besonderen Periode des Experimentierens und der Erneuerung, die vom Motuproprio Ecclesiae sanctae vorgesehen war, haben eure Gemeinschaften die Approbation der Kirche für die überarbeiteten Konstitutionen kürzlich erhalten oder werden sie bald erhalten. Möge dieses Geschenk der Kirche euch dazu anregen, die erneuerten Konstitutionen kennenzulernen, sie zu lieben und vor allem großmütig und treu zu leben, dessen eingedenk, daß der Gehorsam ein unmißverständlicher Ausdruck der Liebe ist. Die heutige Welt und Menschheit bedürfen genau dieses Zeugnisses der Liebe. Sie bedürfen des Zeugnisses der Erlösung, so wie dieses in der 1098 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Profeß der evangelischen Räte enthalten ist. Die Räte, jeder auf seine Weise und alle zusammen in innerster Verbindung, „geben Zeugnis“ von der Erlösung, die mit der Kraft des Kreuzes und der Auferstehung Christi die Welt und die Menschheit im Heihgen Geist zu jener endgültigen Vollendung führt, die der Mensch - und durch den Menschen die ganze Schöpfung — in Gott und nur in Gott findet. Euer Zeugnis ist deshalb unschätzbar wertvoll. Man muß sich mit Ausdauer darum bemühen, daß es inmitten der Menschen voll sichtbar ist und Frucht bringt. Eine Hilfe hierbei wird auch die treue Beachtung der kirchlichen Normen sein, die das äußere Erscheinungsbild eurer Weihe und eurer Verpflichtung zur Armut betreffen.94 Apostolat 15. Aus diesem Zeugnis bräutlicher Liebe zu Christus, durch das die ganze Heilswahrheit des Evangeliums unter den Menschen besonders sichtbar wird, ergibt sich auch, liebe Brüder und Schwestern, als Element eurer Berufung die Teilnahme am Apostolat der Kirche, an ihrer universalen Sendung, die sich gleichzeitig in allen Nationen auf so vielfältige Weise und durch so verschiedene Gnadengaben Gottes verwirklicht. Eure besondere Sendung geht harmonisch einher mit der Sendung der Apostel, die der Herr „in die ganze Welt“ gesandt hat, um „alle Völker zu seinen Jüngern zu machen“95; ebenso ist sie verbunden mit der entsprechenden Sendung der kirchlichen Amtsträger. Im Apostolat, das die geweihten Personen ausüben, wird die bräutüche Liebe zu Christus auf fast organische Weise Liebe zur Kirche als dem Leibe Christi, zur Kirche als Volk Gottes, zur Kirche, die zugleich Braut und Mutter ist. Es ist schwer zu beschreiben, ja sogar nur aufzuzählen, auf wie vielfältige Weise die geweihten Personen durch das Apostolat ihre Liebe zur Kirche verwirklichen. Es entspringt immer aus jener besonderen: Gnadengabe eurer Gründer, die — von Gott empfangen und von der Kirche gebilligt -ein Charisma für die ganze Gemeinschaft geworden ist. Jene Gabe entspricht den verschiedenen Bedürfnissen von Kirche und Welt in den einzelnen Momenten ihrer Geschichte. Sie setzt sich ihrerseits fort und festigt sich im Leben der Ordensgemeinschaften als eines der beständigen Elemente im Leben und Apostolat der Kirche. In jedem dieser Elemente, auf jedem Gebiet - sei es in der für das Apostolat fruchtbaren Kontemplation, sei es in der direkten apostolischen Tätigkeit-begleitet euch stets der Segen der Kirche und zugleich ihre pastorale und mütterliche Sorge hinsichtlich der geistigen Identität eures Lebens und eurer richtigen 1099 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Handlungsweise inmitten der großen umfassenden Gemeinschaft der Berufungen und Charismen des ganzen Gottesvolkes. Durch jede einzelne eurer Gemeinschaften wie auch durch ihre gesamte organische Einheit wird im Zusammenhang der Sendung der Kirche jene Ökonomie der Erlösung besonders verdeutlicht, von der jeder einzelne von euch, liebe Brüder und Schwestern, zutiefst gekennzeichnet ist durch die Weihe und die Profeß der evangelischen Räte. Wenn auch die vielfältigen apostolischen Werke, die ihr verrichtet, sehr wichtig sind, so bleibt doch das wirklich grundlegende Apostolat immer das, was und zugleich wer ihr in der Kirche seid. Von jedem einzelnen von euch kann man mit besonderem Grund diese Worte des Apostels sagen: „Ihr seid gestorben, und euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.“96 Gleichzeitig erlaubt dieses „Verborgensein mit Christus in Gott“, auf euch die folgenden Worte des Meisters selbst zu beziehen: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“97 Für dieses Licht, mit dem ihr „vor den Menschen leuchten“ sollt, ist das Zeugnis gegenseitiger Liebe in der Gemeinschaft wichtig, verbunden mit dem brüderlichen Geist jeder Kommunität; denn der Herr hat gesagt: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“98 Die grundsätzlich gemeinschaftliche Natur eures Ordenslebens, das von der Lehre des Evangeliums, von der Liturgie und vor allem der Eucharistie genährt wird, stellt eine vorzügliche Weise dar, diese zwischenmenschliche und soziale Dimension zu verwirklichen. Indem ihr euch mit zuvorkommender Fürsorge begegnet und die einen die Lasten der anderen tragen, bezeugt ihr durch eure Einheit, daß Christus in eurer Mitte lebt.99 Bedeutend für euer Apostolat in der Kirche ist ein umfassendes Gespür für die Nöte und Leiden des Menschen, die sich in der Welt von heute so offen und aufrüttelnd zeigen. Der Apostel lehrt: „Einer trage des anderen Last; so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen“100; „die Liebe ist die Erfüllung des Gesetzes.“101 Eure Sendung muß sichtbar sein! Tief, sehr tief soll das Band sein, das euch mit der Kirche verbindetZ102 Durch alles, was ihr tut, und vor allem durch das, was ihr seid, werde die Wahrheit verkündet und bekräftigt, daß „Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“103: eine Wahrheit, die der gesamten Ökonomie der Erlösung zugrunde liegt. Möge Christus, der Erlöser der Welt, die unerschöpfliche Quelle auch für eure Liebe zur Kirche sein! 1100 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN VII. Schluß Die erleuchteten Augen des Herzens 16. Dieses Schreiben, das ich am Fest der Verkündigung des Herrn im Jubiläumsjahr der Erlösung an euch richte, will Ausdruck jener Liebe sein, die die Kirche für die Ordensleute hegt. Ihr seid nämlich, liebe Brüder und Schwestern, ein besonderer Reichtum der Kirche. Dieser Wert wird besser verständlich gerade durch die Betrachtung der Wirklichkeit der Erlösung, für die das jetzige Heilige Jahr eine stetige Gelegenheit und glückliche Ermutigung bietet. Erkennt also in diesem Licht eure Identität und eure Würde. Der Heilige Geist erleuchte - durch das Kreuz und die Auferstehung Christi - „die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt“. Diese „erleuchteten Augen des Herzens“ erbittet die Kirche ununterbrochen für jeden einzelnen von euch, die ihr euch schon auf dem Weg der Profeß der evangelischen Räte befindet. Dieselben „erleuchteten Augen“ erbittet die Kirche zusammen mit euch auch für viele Christen, besonders für die männliche und weibliche Jugend, damit sie diesen Weg entdecken können und sich nicht fürchten, ihn einzuschlagen; damit sie - auch inmitten der widrigen Verhältnisse des heutigen Lebens - das „Folge mir“ Christi zu hören vermögen. Auch ihr müßt euch dafür durch euer Gebet und durch das Zeugnis jener Liebe einsetzen, durch die „Gott in uns bleibt, und seine Liebe in uns vollendet ist“. Möge dieses Zeugnis überall gegenwärtig und allgemein verständlich sein. Der Mensch unserer Zeit, geistig so ermüdet, findet darin Stütze und Hoffnung. Dient deshalb den Brüdern mit der Freude, die aus einem Herzen kommt, in dem Christus wohnt. „Die heutige Welt... möge die Frohe Botschaft nicht aus dem Munde trauriger und entmutigter Verkünder hören, ... sondern von Dienern des Evangeliums, deren Leben voller Glut ist, die als erste in sich die Freude Christi aufgenommen haben.“ Die Kirche hört in ihrer Liebe zu euch nicht auf, „vor dem Vater die Knie zu beugen“, damit er bewirke, daß ihr „in eurem Innern ... an Kraft und Stärke zunehmt“. Wie in euch, so möge Gott dies auch in vielen anderen, in unseren getauften Brüdern und Schwestern, besonders in den Jugendlichen, bewirken, damit sie denselben Weg zur Heiligkeit finden. So viele Generationen sind ihn ja in der Geschichte mit Christus, dem Erlöser der Welt und Bräutigam der Seelen, gegangen und haben auf dem 1101 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN grauen und dunklen Hintergrund der menschlichen Existenz einen hellen Schein von Gottes Licht hinterlassen. An euch alle, die ihr im gegenwärtigen Augenblick der Geschichte der Kirche und der Welt auf dieser Straße wandert, richtet sich der innige Segenswunsch des Jubiläumsjahres der Erlösung, daß ihr „in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet, zusammen mit allen Heiligen dazu fähig seid, die Länge und Breite, die Höhe und Tiefe zu ermessen und die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt. So werdet ihr mehr und mehr von der ganzen Fülle Gottes erfüllt“. Die Botschaft des Festes der Verkündigung des Herrn 17. Am Fest der Verkündigung in diesem Heiligen Jahr der Erlösung empfehle ich das vorliegende Schreiben dem Herzen der unbefleckten Jungfrau Maria. Unter allen Personen, die sich vorbehaltlos Gott geweiht haben, ist sie die erste. Sie - die Jungfrau von Nazaret - ist diejenige, die am vollständigsten und auf die vollkommenste Weise Gott geweiht ist. In der göttlichen Mutterschaft erreicht ihre bräutliche Liebe durch die Kraft des Heiligen Geistes ihren Höhepunkt. Sie, die als Mutter Christus auf ihren Armen trägt, verwirklicht zugleich in vollkommenster Weise seinen Ruf „Folge mir“. Sie folgt ihm - sie, die Mutter - als ihrem Meister in Keuschheit, Armut und Gehorsam. Wie arm war sie in der Nacht in Betlehem und wie arm auf dem Kalvarienberg! Wie gehorsam war sie bei der Verkündigung und wie gehorsam dann - am Fuße des Kreuzes — bis zur Zustimmung zum Tod ihres Sohnes, der gehorsam war „bis zum Tod“! Wie hingegeben war sie in ihrem ganzen irdischen Leben an die Sache des Reiches Gottes aus reinster Liebe! Wenn die ganze Kirche in Maria ihr erstes Modell findet, um wieviel mehr findet ihr es dort, geweihte Personen und Gemeinschaften in der Kirche! Am Tage, an dem wir an die Eröffnung des Jubiläumsjahres der Erlösung im vergangenen Jahr erinnert werden, wende ich mich mit dieser Botschaft an euch, um euch einzuladen, eure Ordensweihe nach dem Vorbild der Weihe der Gottesgebärerin neu zu leben. Liebe Brüder und Schwestern! „Treu ist Gott, durch den ihr berufen worden seid zur Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn.“ Während ihr dem eure Treue wahrt, der selber treu ist, bemüht euch, eine ganz besondere Stütze dafür in Maria zu finden! Sie ist ja von Gott in die vollkommenste Gemeinschaft mit seinem Sohn gerufen worden. Sie, die treue Jungfrau, sei auch die Mutter eures evangelischen 1102 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Weges: Sie helfe euch, zu erfahren und vor der Welt zu zeigen, wie unendlich treu Gott selber ist! Mit diesen Wünschen segne ich euch von ganzem Herzen. Aus dem Vatikan, am 25. März des Jubiläumsjahres der Erlösung 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikates. 0 Pf. / Anmerkungen 1 Vgl. Mt 7, 14. 2 Ps 130, 7. 3 2 Kor 11, 2. 4 Vgl. Mt 18, 20. 5 Vgl. Mt 19, 21; Mk 10, 21; Lk 18, 22. 6 Mk 10, 21. 7 Mt 19, 21. 8 Joh 3, 16. 9 1 Petr 1, 18. 10 1 Kor 6, 20. 11 1 Kor 6, 19-20. 12 Mt 5, 48. 13 Vgl. Lev 19, 2; 11, 44. 14 Eph 5, 1-2. 15 Jes 44, 22. 16 Mk 8, 35; vgl. Mt 10, 39; Lk 9, 24. 17 Mt 19, 21. 18 Vgl. Mt 6, 19-20. 19 Mt 6, 21. 20 Vgl. Mt 19, 21; Mk 10, 21; Lk 18, 22. 21 Vgl. Joh 14, 26. 22 Mt 19, 16. 23 Joh 15, 16. 24 1 Joh 4, 10. 25 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 5; vgl. auch das Dokument der Religiosenkongregation Elementi essenziali (31. Mai 1983). 26 Röm 6, 3-4. 27 Röm 6, 6. 28 Röm 6, 11. 29 Vgl. Eph 4, 22-24. 30 Jes 43, 1. 1103 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 31 Mt 19, 21. 32 Pi-135, 4. 33 Joh 17, 19. 34 Röm 12, 1. 35 Hebr 10, 5. 7. 36 Vgl. Pöm 12, 1. 37 Pi- 73, 25-26. 38 Pi-16, 2. 5. 39 Vgl. Hld 8, 6. 40 Vgl. Lk 20, 38. 41 2 Kor 5, 17. 42 Vgl. Mt 1,1. 43 Lk 6, 35. 44 Vgl. Mt 5, 40-42. 45 Vgl. Lk 14, 13-14. 46 Vgl. Mt 6, 14-15. 47 Röm 8, 19-21. 48 1 Joh 2, 15-17 (nakh dem Text der alten Vulgata, der eine lange patristische und aszetische Tradition inspiriert hat). 49 Vgl. Gen 1, 28. 50 Joh 17, 15. 51 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 5. 52 2 Kor 5, 17. 53 Phil 2, 6-7. 54 Mk 8, 34; Mt 16, 24. 55 Phil 3, 8-9. 56 2 Kor 4, 16. 57 Mt19, 12. 58 Mt 19, 11. 59 Vgl. 1 Kor 7, 28-40. 60 Vgl. 1 Kor 7, 38. 61 1 Kor 7, 32. 62 1 Kor 7, 34. 63 Vgl. Lk 20, 34-36; Mt 22, 30; Mk 12, 25. 64 2 Kor 8, 9. 65 Mt 5, 3. 66 Eph 3, 9. 67 Mt 19, 21; vgl. Mk 10, 21; Lk 18, 22. 68 Mt 6, 33. 69 Vgl. Lk 6, 20. 70 Vgl. Mt 5, 3. 71 Phil 2,6-8. 72 Röm 5, 19. 73 II. Vatikanisches Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 1. 74 „Mysterium iniquitatis“: vgl. 2 Thess 2, 7. 75 Joh 4, 34. 76 Joh 5, 30. 77 Po/t 8, 29. 78 Joh 6, 38. 1104 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 19 Ps 40, 8-9; vgl. Hebr 10, 7. 80 Lk 22, 42; vgl. Mk 14, 36; Mt 26, 42. 81 Vgl. Evangelica testificatio, 6: AAS 63 (1971) 500. 82 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 14. 83 Hebr 13, 17. 84 Mk 10, 45. 85 Lk 1, 38. 86 Joh 10, 17-18. 87 Vgl. Lk 22, 32. 88 Phil 1,9-11. 89 Röm 5, 5. 90 Vgl. 1 Kor 1,1. 91 Röm 8,2. 92 Vgl. Röm 8, 13. 93 Röm 12, 2. 94 Vgl. CIC, can. 669. 95 Vgl. Mt 28, 19. 96 Kol2, 3. 97 Mt 5, 16. 98 Joh 13, 35. 99 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret Perfectae caritatis, 15. 100 Gal 6, 2. 101 Röm 13, 10. 102 Daran erinnert ausdrücklich der Kodex des Kirchenrechts im Zusammenhang mit der apostolischen Aktivität: vgl. can. 675, § 3. 103 Eph 5, 25. 104 Eph 1, 18. 105 Lk 5, 27. 106 1 Joh 4, 12. 107 Papst Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 80: AAS 68 (1976) 75. 108 Vgl. Eph 3, 14. 109 Vgl. Eph 3, 16. 110 Eph 3, 17-19. 111 1 Kor 1, 9. 1105 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einer neuen Zukunft Leben geben Ansprache bei der Begegnung mit den Familien in der Audienzhalle am 25. März Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit lebhafter Anteilnahme habe ich die Zeugnisse vernommen, die einige von euch in diese Aula eingebracht haben, und bin auch mit Interesse der Darstellung einiger Seiten einer meiner früheren literarischen Arbeiten gefolgt. Während ich für diese intensiven und eindrucksvollen Stunden der Gemeinschaft, die ich heute mit euch erleben durfte, aufrichtig danke, begrüße ich euch alle sehr herzlich. Diese Begegnung ordnet sich in besonderer Weise in das Jubiläumsjahr der Erlösung und seine Thematik ein. Ist das Heilige Jahr denn nicht ein Jahr der Umkehr und der Erlösung? Gerade die christliche Familie ist ja der Ort, an dem der Mensch eine besonders tiefe Erfahrung von dem machen soll, was Versöhntsein mit seinesgleichen dank der persönlichen Versöhnung mit Gott bedeutet. In einer Welt, die wie die unsere in dramatischer Weise durch Spannungen jeglicher Art entzweit ist, erscheint die Aufforderung zu gegenseitigem Verständnis sehr wichtig, die von den christlichen Familien ausgehen kann, in denen man in freudiger Konsequenz die täglich neue Erfahrung der Versöhnung erlebt. Ich will daher heute für euch, christliche Eheleute, die leidenschaftliche Aufforderung des Apostels Paulus wiederholen: „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“ (2 Kor 5,20). Aus dieser Aufforderung ist tatsächlich eine dreifache Einladung herauszuhören: Laßt euch mit dem Gott des Anfangs versöhnen, daß heißt, versöhnt euch mit eurer Vergangenheit! Laßt euch mit dem Gott der Hoffnung versöhnen, versöhnt euch mit eurer Zukunft! Laßt euch mit dem Gott der Liebe versöhnen, versöhnt euch mit eurer Gegenwart! Ja sagen zu meinen Grenzen 2. Sich mit dem Gott des Anfangs versöhnen lassen. Nicht wir haben den Anfang gesetzt. Er war es, der uns geschaffen hat. Wir müssen uns aus seiner Hand annehmen. Viele Menschen unserer Zeit sind nicht mehr bereit, diese Tatsache anzunehmen: zu sein, wie sie sind, also mit bestimmten Wesensmerkmalen, einer bestimmten Vorgeschichte, in einer bestimmten Weltepoche, in einer bestimmten sozialen und kulturellen 1106 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Situation. Ja sagen zu mir selbst; ja sagen dazu, daß Gott mich hier und jetzt, so und nicht anders, leben läßt; ja sagen zu meinen Grenzen, aber auch ja sagen zum Du, zum Nächsten, dazu, daß er von Gott so geschaffen worden ist: Das alles gehört unvermeidlich zu unserem Ja zu Gott. In der Ursünde hat der Mensch dieses Ja zu einem Anfang zurückgezogen, indem er vom Nullpunkt aus und nicht von Gott her zu existieren versuchte. Gott aber hat sein Ja nicht zurückgezogen. Er ist der Gott des Anfangs geblieben und hat uns in Jesus Christus einen neuen Anfang geschenkt. Er hat in Jesus die menschliche Natur angenommen, er hat bis zum Äußersten die verfehlte Vergangenheit durchlitten, die der Mensch sich selbst geschaffen hatte, und teilte dessen Situation, bis er sich am Kreuz selbst von Gott verlassen fühlte. Auf diese Weise hat er die Vergangenheit besiegt und in einen neuen Anfang verwandelt. Versöhnt leben heißt darum, das Ja, das einst uns gegenüber gesprochen wurde, annehmen und ihm treu bleiben, und es heißt, das Ja annehmen und ihm treu bleiben, das wir einst Gott gegenüber gesprochen haben. Wer den Mut hat und zuläßt, daß das Ja Gottes und das eigene Ja zu Gott stärker ist als jede negative Erfahrung, wer bereit ist, immer wieder durch die Versöhnung mit Gott und dem Nächsten sein Versagen vor diesem Ja zu überwinden, nur der wird mit dem eigenen Dasein versöhnt. Es ist von Grund auf verfehlt zu glauben, die Verwirklichung der Person bestehe in dem Abenteuer, immer wieder von neuem beim Punkt Null zu beginnen, den Partner wechseln zu können, wann man wolle, statt -obwohl es Schwierigkeiten kostet - dem einmal gesagten Ja treu zu bleiben. Wer das Ja widerruft, das er einmal gesagt hat, wer die einmal gelobte Treue widerruft, wer die einmal geschenkte Liebe widerruft, reißt sich selbst von den Fundamenten los, in denen sein Leben verankert ist. Er hat keine Heimat mehr und wird in einen unaufhörlichen Fall hineingerissen, der im ersten Augenblick verlocken kann, aber unvermeidlich zur Selbstentfremdung, zum Verlust der eigenen Identität, zur Selbstzerstörung führt. Die Treue zum eigenen Anfang: Das bedeutet Treue zu dem Partner, den ich vor Gott angenommen habe, und Treue zu mir selbst, der ich dieses Ja gesagt habe, Treue, die davon absieht, wie ich mich entwickelt und wie weit ich mich verwirklicht habe oder nicht, Treue zum Du so, wie es ist, ungeachtet, wie sich dieses Du entwickelt hat; diese Treue ist die tragende Struktur nicht nur der Ehe und Familie, sondern des menschlichen Daseins selbst, Gewähr für die Vertrauenswürdigkeit und Ordnung, ohne die die Menschheit in den Abgrund stürzen würde. 1107 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Sodann gilt es, sich mit dem Gott der Hoffnung versöhnen zu lassen -also sich versöhnen zu lassen mit der eigenen Zukunft. Zahlreich sind die Fragen, die sich uns stellen: Wird die Menschheit auch morgen noch leben können, oder werden Egoismus und Ausbeutung die Lebensquellen selbst auf unserem Planeten zerstören? Wird der Geist der Versöhnung und der Liebe dem Egoismus und der Selbstbehauptung, die die Menschheit in unheilvolle Katastrophen treiben können, überlegen sein? In einer Welt, die immer vollkommener organisiert, aber auch immer stärker manipuliert wird, in einer Wohlstands- und Konsumwelt fragt man uns, ob ein Leben hier denn überhaupt noch Sinn habe oder ob diese Welt vielmehr nur Leerlauf sei, sich selbst zerstöre und damit jeder Zukunftsperspektive verschließe. Wer nicht mehr den Mut auf bringt, sich der Zukunft zu stellen, bringt auch nicht den Mut auf, einer neuen Zukunft Leben zu geben. Die in unserer Zeit so weitverbreitete lebensfeindliche Gesinnung - „antilife-mentality“ - geht Hand in Hand mit dem Rückzug auf das kleine Glück des Augenblicks, auf die Abkapselung in der Freundschaft mit einem Partner, der uns wenigstens einen Augenblick lang verstehen und trösten soll. Aber so kann die Welt nicht fortschreiten, gerade auf diese Weise gefährden wir die Zukunft des Menschen, auf diese Weise verursachen wir die Rückschritte, denen wir entgehen wollen. Wer glaubt, kann ja sagen zu einer Zukunft, die nicht allein von äußerlich gesehenen Zukunftsperspektiven abhängt - mögen sie noch so großartig sein -, denn er glaubt an jenen Gott, der uns gerade in der Katastrophe des Kreuzes die große Zukunft geöffnet hat - eine Zukunft, die uns niemand nehmen kann. Er glaubt an jenen Gott, der Jesus zwar nicht vor dem Tod bewahrt, aber von den Toten auf erweckt hat; darum hat er den Mut, die endgültige Zukunft dieser Welt anzunehmen und zu gestalten. Er weiß, daß es der Mühe wert ist, jenes Maß an Liebe in diese Welt einzubringen, das eine rein rationale Berechnung unserer Zukunftsaussichten übertrifft. Nur wer an eine größere Zukunft in Gott glaubt, wird den Mut aufbringen, sich der begrenzten Zukunft der Welt zu stellen, und wird die Kraft haben, die auf dieser Zukunft lastenden Schatten zu zerstreuen. Dort, wo wir unsere Grenzen berühren, wo wir uns begrenzt fühlen, dort steht Gott am Anfang. Vertrauen wir auf seinen immer neuen Anfang! Bauen wir seine Zukunft! 4. Schließlich gilt es, sich mit dem Gott der Liebe zu versöhnen, das heißt, sich mit seiner Gegenwart zu versöhnen. Viele werden sagen: Gewiß, wir 1108 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wollen ja sagen zum Gott des Anfangs, wir wollen ja sagen zum Gott der Hoffnung, aber die Gegenwart zu leben, das fällt uns schwer. Hier und jetzt verstehen wir uns nicht mehr, hier und jetzt fühlen wir, wie schwierig es ist, die verlorengegangene Harmonie wiederzufinden, hier und jetzt brechen die einstigen Hoffnungen zusammen, hier und jetzt gelingt es uns nicht, den Pflichten und Forderungen nachzukommen. Ich verstehe diese Schwierigkeiten nur zu gut. Wenn alles von euch allein abhinge, hättet ihr sicher recht. Aber ihr seid nicht allein, ihr braucht euer Leben nicht allein zu bewältigen. Es gibt jemanden, der euren Weg mit euch teüt. Sein Name ist „Gott-mit-uns“. Er, der sich am Kreuz hingeopfert hat, der am Kreuz in:die Finsternis und Verlassenheit des Todes eintauchte, ist auferstanden und erscheint, durch verschlossene Türen hindurchgehend, mitten unter seinen Jüngern und sagt zu ihnen: „Friede sei mit euch!“ (vgl. Joh 20,21-23). Der Gott-mit-uns, der auferstandene Christus, ist mit seinem Volk auf dem Weg und in ihm mit jeder Familie, die „sich in der gegenseitigen Liebe ihrer Glieder und im gemeinsamen Gebet vor Gott als häusliches Heiligtum der Kirche erweist“ (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 11). 5. In diesem Zusammenhang möchte ich, daß ihr, die ihr an diesem Jubiläumstag teilnehmt, mit der tiefen Überzeugung nach Hause zurückkehrt: Wir müssen jeden Tag in der Familie beten; wir haben die vorrangige Pflicht, unsere Kinder beten zu lehren, in der festen Überzeugung, daß ein „unersetzliches Grundelement der Gebetserziehung das praktische Beispiel und lebendige Zeugnis der Eltern ist“ (Familiaris consortio, Nr. 60,2). Denn die christliche Familie findet und festigt ihre Identität im Gebet. Bemüht euch, jeden Tag Zeit zu finden für das gemeinsame Sprechen mit Gott und das gemeinsame Hören auf seine Stimme. Wie schön ist es, wenn in einer Familie am Abend auch nur ein Rosenkranzgesetz gebetet wird! Eine Familie, die miteinander betet, bleibt miteinander verbunden: Eine Familie, die betet, ist eine Familie, die rettet! Macht euer Zuhause durch das Gebet in Gemeinschaft zu Stätten des christlichen Glaubens und der christlichen Tugend! Ihr gehört einander 6. Liebe Ehepaare, liebe Familien, ihr habt einander die Liebe Christi versprochen, ihr gehört einander in der Liebe Christi. Das ist nicht nur bindend, das ist nicht nur ein Ideal in der Ferne, es ist dies Gegenwart. 1109 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wenn ihr im Herrn verbunden seid, wenn ihr miteinander betet, wenn ihr euch immer wieder neu seinen Händen anvertraut, wenn ihr immer wieder einander entgegengeht, um euch gegenseitig zu vergeben, wie er euch vergibt, wenn ihr im gegenwärtigen Augenblick ja zu seinem Willen sagt, wenn ihr ihn jetzt anruft und ihn bittet: Sei du stärker in uns und unter uns, als wir es sind, dann wird er sein Versprechen erfüllen und zu euch sagen: „Fürchtet euch nicht! Ich bin es“ (vgl. Mk6,50). Dann wird er mitten unter euch sein (vgl. Mt 18,20). Dann werdet ihr in eurer besonderen Situation das erfahren können, was er der Kirche und seinen Jüngern im allgemeinen verheißen hat: „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20). Der Gott der Liebe ist bei euch. Er ist durch seinen Sohn mitten unter euch. Jesus Christus haucht euch an und vermittelt euch seinen Geist (vgl. Joh 20,22), damit wir im Geist Zeugen der Erlösung sind. Geht also euren Weg in der Liebe, von der Hoffnung gestützt. Ihr seid berufen, Hauskirchen zu sein, um das Licht der einen universalen Kirche überall hinzutragen: in die unterschiedlichsten Situationen, in die Zweifel und Ängste dieser Welt. Durch euch soll das Licht einer neuen Hoffnung, die Kraft eines neuen Anfangs, die Macht der göttlichen Liebe sichtbar werden. Dann wird das ausgehende Heilige Jahr nicht zu Ende gehen, sondern eine neue Zeit eröffnen, die aus der Versöhnung lebt, die Gott uns schenkt. Mein Segen sei mit euch. Ist Gott in unserer Mitte? Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Familien auf dem Petersplatz am 25. März Im Namen Christi grüße ich euch, katholische Eltern, Söhne und Töchter deutscher Sprache. Seid herzlich willkommen in dieser betenden Gemeinschaft im Jubiläumsjahr der Erlösung. Niemand hat den Herrn intensiver beim Werk der Erlösung begleitet als seine Mutter Maria. Ihrem Schutz möchte ich heute die Menschen und Völker der Welt anvertrauen. Ich bitte euch, diesen Akt innerlich mitzuvollziehen für euch selbst, für eure Angehörigen und für alle, die euch nahestehen. 1110 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. „Gib mir zu trinken“ (Joh 4,7). Mit dieser Bitte wendet sich Jesus von Nazaret an eine samaritische Frau beim Jakobsbrunnen. Jesus, müde vom Wandern und Lehren, bittet um etwas Wasser. In der Liturgie des heutigen Sonntags fügt sich diese Bitte an das eindringliche Rufen der Söhne Israels auf ihrer Wanderung zum verheißenen Land an. Das war in der Wüste, bei Refidim. Das Schreien des Volkes ist hartnäckig, ja aufsässig: „Warum hast du uns überhaupt aus Ägypten hierher geführt? Um uns, unsere Söhne und unser Vieh verdursten zu lassen?“ {Ex 17,3). Mose legte damals Fürbitte bei Gott ein und ließ nach dem empfangenen Hinweis eine Quelle aus dem Felsen entspringen. Dieses Ereignis war ein Zeichen der Macht Gottes und seiner Vorsehung für das erwählte Volk. In der Gegend von Sychar bittet Christus die Samariterin um Wasser aus dem Jakobsbrunnen und enthüllt ihr zugleich das Geheimnis des lebendigen Wassers, das der Mensch nicht aus einem Brunnen schöpft, sondern als Geschenk von Gott selbst empfängt. „Wenn du wüßtest, worin die Gabe Gottes besteht, und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Wasser gegeben“ {Joh 4,10). Was ist lebendiges Wasser? Jesus antwortet: „Das Wasser, das ich ihm gebe, wird in ihm zur sprudelnden Quelle werden“ {ebd., 14). Darum: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben“ (ebd.). Einerseits also: Wasser als Element dieser Erde, das den leiblichen Durst stillt und das irdische Leben erhält. Andererseits: Wasser als Symbol der göttlichen Gnade, das ewiges Leben schenkt. So steht im Mittelpunkt der Liturgie des 3. Fastensonntags die Wahrheit von der Gnade. <34> <34> So möchte ich heute alle Pilger des Jubiläumsjahres der Erlösung willkommen heißen, die diese große betende Gemeinschaft bilden. In besonders herzlicher Verbundenheit grüße ich die Ehepaare und Familien, die aus Italien und anderen Ländern Europas und der ganzen Welt hier zusammengekommen sind, um an den Feiern zum Heiligen Jahr teilzunehmen. Ich möchte euch zur Quelle des lebendigen Wassers bitten, die Jesus Christus ist, der Erlöser der Welt; Jesus Christus, der göttliche Bräutigam der Kirche, seiner Braut auf Erden. Dieser Bund bräutlicher Liebe, an dem christliche Eheleute teilhaben, gehört zum inneren Wesen des Erlösungs- UU BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geheimnisses, er ist ein „großes Geheimnis“ in Christus und in seiner Kirche. Als Bischof von Rom möchte ich heute in besonderer Weise die hier anwesenden Eheleute und Familien - und durch sie alle Eheleute und Familien in der Kirche und Welt - dazu auffordern, - im Licht des Geheimnisses der Erlösung die Würde und Größe ihrer Berufung als Eheleute und Eltern neu zu bedenken und - aus der Kraft dieses göttlichen Geheimnisses die Gnade des Ehesakraments zu erneuern. Öffnet eure Herzen und beugt euch nieder zur Quelle des lebendigen Wassers, das für das ewige Leben hervorsprudelt! Die Ehe ist ein großes Sakrament, das Mann und Frau als Spender der gegenseitigen Liebe und als Mitwirkende des Schöpfers bei der Weitergabe des Lebens heiligt. Diesem sakramentalen Bund der Eheleute entspringt dank der erlösenden Kraft Christi die Quelle des lebendigen Wassers, so wie es einst dem Felsen in der Wüste entsprang. Dieses Wasser, das für das ewige Leben hervorsprudelt. 3. Die liturgischen Texte des heutigen Sonntags erinnern uns daran, daß an den Stellen, wo Mose das Wasser aus dem Felsen sprudeln ließ, sich die Söhne Israels gegen Gott auflehnten und „ihn auf die Probe stellten“, indem sie sagten: „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ {Ex 17,7). Diese Orte wurden danach genannt „Massa und Meriba“ (Probe und Streit). Ein Echo dieses Streites und Protestes finden wir im Antwortpsalm der heutigen Liturgie: „Ach, würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören: Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba, wie in der Wüste am Tag von Massa! Dort haben eure Väter mich versucht, sie haben mich auf die Probe gestellt und hatten doch mein Tun gesehen“ (Ps 95,8-9). In der heutigen Zeit ist das Leben der Völker (vielleicht vor allem in den reichen, entwickelten Staaten) von Episoden und Ereignissen geprägt, die Widerstand gegen Gott bezeugen, gegen seine Pläne, zu lieben und zu heiligen, gegen seine Gebote im Bereich von Ehe und Familie. Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: „Jedoch nicht überall erscheint die Würde dieser Institution (Ehe und Familie) in gleicher Klarheit. Polygamie, um sich greifende Ehescheidung, sogenannte freie Liebe und andere Entartungen entstellen diese Würde. Darüber hinaus wird die eheliche Liebe öfters durch Egoismus, bloße Genußsucht und durch unerlaubte 1112 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Praktiken gegen die Fruchtbarkeit der Ehe entweiht“ (Gaudium et spes, Nr. 47). Und das Apostolische Schreiben Familiaris consortio, im Jahr 1981 als Frucht der Bischofssynode über das Thema von Ehe und Familie in der Sendung der Kirche von heute veröffentlicht, legt zunächst die positiven Aspekte der Situation dar, in der sich die Familie heute befindet; dann aber zählt es die Zeichen eines besorgniserregenden Wertverlusts einiger Grundwerte auf: „eine irrige theoretische und praktische Auffassung von der gegenseitigen Unabhängigkeit der Eheleute; die schwerwiegenden Mißverständnisse hinsichtlich der Autoritätsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern; die häufigen konkreten Schwierigkeiten der Familie in der Vermittlung der Werte; die steigende Zahl der Ehescheidungen; das weitverbreitete Übel der Abtreibung; die immer häufigere Sterilisierung; das Aufkommen einer regelrechten empfängnisfeindlichen Mentalität“ (Nr. 6). So kann man also sagen, daß die heutige Gesellschaft eine breite Welle der Entzweiung mit dem Schöpfer und dem Erlöser Jesus Christus durchzieht: Die Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe werden in Frage gestellt; die Eieiligkeit und Unverletzlichkeit des menschlichen Lebens sind umstritten; über das Wesen von Freiheit, Würde und Liebe des Menschen ist man uneins. Und man kann ebenfalls sagen, daß die Menschheit von heute, wie einst die Kinder Israels in Massa und Meriba, Gott „versucht“ und ihn auf einem wesentlichen Gebiet „auf die Probe stellt“, auch wenn sie - mehr als in anderen Epochen - „die Taten Gottes sieht“. Die Menschheit stellt also den Herrn auf die Probe (vgl. Ex 17,7); und mit dem Verhalten der einzelnen Personen, den zerbrochenen Ehen, den zerstörten Familien, den noch vor ihrer Geburt getöteten Kindern und schließlich mit ihrer permissiven Gesetzgebung und Moral scheint sie zu fragen: „Ist der Herr in unserer Mitte, ja oder nein?“ „Hört heute auf seine Stimme: Verhärtet euer Herz nicht wie in Meriba!“ Hören wir auf diese Stimme, die uns vom Kreuz und Leiden Christi her erreicht. Diese Stimme verurteilt nicht Menschen, die vielleicht enttäuscht und unglücklich sind, sondern nennt nur das Böse beim Namen. 4. Christus bittet die samaritische Frau um Wasser aus dem Jakobsbrunnen, und dann, während er zu ihr vom Wasser des Lebens spricht, antwortet die Frau: „Gib mir dieses Wasser!“ (Joh 4,15). Daraufhin beginnt folgendes eindrucksvolles Gespräch: 1113 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus: „Geh, ruf deinen Mann, und komm wieder her“ (ebd., Vers 16). Samariterin: „Ich habe keinen Mann“ (Vers 17). Jesus: „Du hast richtig gesagt: Ich habe keinen Mann; denn fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Damit hast du die Wahrheit gesagt“ (Vers 17—18). Samariterin: „Herr, ich sehe, daß du ein Prophet bist. Unsere Väter haben auf diesem Berg Gott angebetet; ihr aber sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten muß“ (Vers 19-20). Jesus: „Glaube mir, Frau, . . . die Stunde kommt, und sie ist schon da, zu der die wahren Beter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn so will der Vater angebetet werden. Gott ist Geist, und alle, die ihn anbeten, müssen im Geist und in der Wahrheit anbeten (Vers 21,23-24). Jesus spricht mit einer samaritischen Frau, einer mehrmals geschiedenen Frau, einer Ehebrecherin. Aber indirekt spricht er auch mit jedem dieser Männer, die trotz des „im Anfang“ von Gott gegebenen Gebotes sie zur Frau genommen hatten, obwohl sie bereits die Frau eines anderen war. Im Gespräch mit dieser Frau - der vielleicht Unrecht geschehen war - ist Jesus voller Liebe und Verständnis. Trotzdem dringt er bis zur Wahrheit selbst vor, berührt das Gewissen. Das Gewissen ist die Stimme der Wahrheit. Jesus führt die samaritische Frau zur Wahrheit über jene Liebe, die Mann und Frau in der Ehe verbinden sollte. Die Enzyklika Humanae vitae (vgl. Nr. 9) betont, daß diese Liebe, die eheliche Liebe, vor allem eine volle menschliche Liebe ist, das will sagen: sinnenhaft und geistig; sie ist nicht einfach Austausch von Instinkt und Gefühl, sondern auch und vorrangig ein Akt des freien Willens. Sie ist weiter eine totale Liebe, eine Form ganz besonderer persönlicher Freundschaft, in der die Eheleute hochherzig alles miteinander teilen, ohne unzulässige Vorbehalte und egoistische Berechnungen. Sie ist auch treue und ausschließliche Liebe bis zum Tod; Treue, die manchmal schwerfallen kann, die aber - zweifelsohne - immer noch möglich, edel und verdienstvoll ist. Und schließlich ist sie eine fruchtbare Liebe, die sich nicht gänzlich in der Gemeinschaft zwischen den Eheleuten erschöpft, sondern im Hervorbringen neuen Lebens zur Fortdauer bestimmt ist. Das ist die Wahrheit über die eheliche Liebe, wie sie das kirchliche Lehramt für unsere Zeit beschreibt. Und Jesus sagt, daß der Mensch nur in der Wahrheit ein wahrer Beter vor Gott ist. Nur in der Wahrheit der ehelichen Liebe beten Mann und Frau zu Gott „in Geist und Wahrheit“. Liebe Brüder und Schwestern! Übertragen wir das Gespräch zwischen 1114 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus und der samaritischen Frau in die Dimension unserer Zeit. Stellen wir es in den Mittelpunkt unserer eucharistischen Gemeinschaft. Was heißt das: die Gnade des Ehesakramentes erneuern? Das heißt: die Wahrheit der ehelichen und elterlichen Liebe wiederzufinden, die ihren Ursprung in Gott, dem Schöpfer, und ihr endgültiges sakramentales Siegel im Erlöser der Welt hat. Es bedeutet: diese Wahrheit aufzuriehmen; sie im Herzen und im Gewissen anzunehmen; sie zum Maß des Lebens zu machen! Liebe Eheleute, welche Kraft hat diese Wahrheit in eurem Leben? Am Tag eurer Eheschließung habt ihr euch gegenseitig eine wahre und totale Liebe versprochen ohne Grenzen und Vorbehalte. Wollt ihr heute diese Wahrheit neu entdecken, die Reinheit jener Liebe? Ihr könnt es, wenn ihr die Gnade zu finden versteht, die Gott euch stets im Sakrament anbietet. Diese Gnade könnt ihr Tag für Tag finden, wenn ihr gläubig zu beten versteht. Gemeinsam im Kreis der Familie beten, das ist der Auftrag, den der Papst euch bei dieser Jubiläumsfeier gibt. Dank eines eifrigen, innigen Gebetes werdet ihr nie die Wahrheit über eure Liebe verlieren. Die Kirche lehrt diese Wahrheit von Generation zu Generation. Sie lehrt sie in unserer Zeit mittels der Dokumente Casti conubii, Gaudium etspes, Humanae vitae, Familiaris consortio. Dies ist eine anspruchsvolle Wahrheit so wie das ganze Evangelium anspruchsvoll ist. Was sie jedoch fordert, dient dem Wohl des Menschen, dem rechtverstandenen Wohl des Menschen. Es dient seiner Würde, seiner Liebe. Es dient der Verherrlichung Gottes: Denn es ist die Ehre Gottes, wenn der Mensch aus der Wahrheit und Liebe lebt. <35> <35> „Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist“ {Rom 5,5). Darüber spricht uns das Geheimnis der Erlösung. Darüber spricht uns das Jubiläumsjahr der Erlösung. „Gott aber hat seine Liebe zu uns darin erwiesen, daß Christus für uns gestorben ist“ (ebd., Vers 8). Machen wir uns auf zu dieser Liebe wie zu einer Quelle lebendigen Wassers. Wir sind hier am Grab des hl. Petrus versammelt: Ehemänner und Ehefrauen, Eltern und Kinder, Brautleute, Familien, wir alle, die wir den Vater im Geist und in der Wahrheit anbeten wollen. Wir alle wollen die Versuchung besiegen, mit der die heutige Welt den Schöpfer und den Erlöser „versucht“, ihn „auf die Probe stellt“, indem sie sagt: „Der Herr ist mitten unter uns, ja oder nein?“ Sind wir sein Sakrament in Jesus Christus? Oder sind die einzige Dimension und der einzige Sinn unseres Lebens das Zeitliche, das Weltliche und die unge- 1115 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hemmte Freiheit des sinnlichen Menschen? Wir wollen diese Versuchung besiegen. Tag für Tag, Jahr für Jahr, das ganze Leben über. Wir wollen sie aus der Kraft Christi besiegen: mit der Liebe, mit der er uns geliebt hat. Wir wollen - durch ihn, mit ihm und in ihm - den Vater in Geist und Wahrheit anbeten. Die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Geist, der uns im Sakrament der Kirche gegeben worden ist. Beten wir zusammen für den Sieg unserer Liebe in einem jeden von uns: in jedem Ehepaar, in jeder Familie. Von diesem Sieg hängt die Zukunft der ganzen Menschheitsfamilie ab. Die Kirche bittet unaufhörlich darum, indem sie betet, wie wir es während der Bischofssynode im Jahr 1980 im Blick auf die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute getan haben: Gott, von dir kommt alle Vaterschaft im Himmel und auf Erden. Vater der Liebe und des Lebens, gib, daß jede menschliche Familie auf der Erde durch deinen Sohn Jesus Christus, der „von einer Frau geboren wurde“, und durch den Heiligen Geist, den Urquell göttlicher Liebe, für die kommenden Generationen zu einem wahren Heiligtum des Lebens und der Liebe werde. Lenke durch deine Gnade das Denken und Handeln der Eltern auf das Wohl ihrer Familie und aller Familien in der Welt. Laß die Jugendlichen für ihre menschliche Entfaltung und ihr Wachsen in Wahrheit und Liebe in der Familie einen starken Rückhalt finden. Laß die Liebe, gefestigt durch die Gnade des Ehesakramentes, sich stärker als alle Schwäche und jegliche Krise erweisen, die unsere Familien mitunter zu bestehen haben. Gib ferner, so bitten wir dich auf die Fürsprache der Heiligen Familie von Nazaret, daß die Kirche inmitten aller Völker der Erde in der Familie und durch die Familie ihre Sendung fruchtbar erfüllen kann. Durch Christus, unseren Herrn, der Weg, die Wahrheit und das Leben von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. 1116 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,,Kleine Herde“ unter anderen Christen Ansprache an die Teilnehmer der Heilig-Jahr-Wallfahrt aus den skandinavischen Ländern am 30. März Liebe Brüder und Schwestern! „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ {Eph 1,2). Es ist eine überaus große Freude für mich, euch Pilger aus Skandinavien willkommen zu heißen. Ihr kommt als Vertreter der Kirche in Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Ihr seid gekommen mit euren Hoffnungen und Sorgen und den Hoffnungen und Freuden eures Christenlebens. Ihr seid gekommen, um in Rom Zeugnis zu geben von eurem Glauben an Jesus Christus, Gottes Sohn und Erlöser der Welt. Ihr habt in euren Heimatländern den Aufruf der Kirche vernommen: „Öffnet dem Erlöser die Türen!“ Dieser Aufruf hat eure Herzen getroffen, und ihr hattet das Bedürfnis, in Gemeinschaft mit der Gesamtkirche das Geheimnis der Erlösung zu feiern. Eure Anwesenheit in Rom zu diesem Zeitpunkt huldigt dem erlösenden Blut Christi und der durch sein Blutvergießen bewirkten Erlösung. Ihr seid hier, um in und mit der Kirche zu verkündigen, daß Christus uns von Sünde und Tod befreit hat. Mit den Worten des Apostels Paulus: „Durch Christus und sein Blut haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden nach dem Reichtum seiner Gnade“ {Eph 1,7). Aufgrund der Erlösung seid ihr zu einem heiligen Volk berufen, in Christus Jesus zu leben zur Ehre des Vaters. Durch die Erlösungstat seines Sohnes - das Ostermysterium Jesu - ergreift Gott von euch als seinem Eigentum Besitz. Und heute seid ihr in der Lage, durch die Umkehr, die Gott euch anbietet, durch die Öffnung eurer Herzen für ihn, in das Geheimnis der Erlösung einzutreten. In diesem Zusammenhang bietet euch die Kirche den großen Schatz der Gnade: das Sakrament der Buße, durch das ihr in der persönlichen Begegnung des einzelnen mit dem Erlöser die Ausgießung seiner Vergebung, seines Erbarmens und seiner Liebe empfangt. Und dann lädt euch die Kirche zur Fülle der Gemeinschaft mit Gott in der Eucharistie ein, in der das Geheimnis der Erlösung in eurem Leben seine höchste Verwirklichung findet. Die Kirche bittet euch, liebe Brüder und Schwestern, dieses Sakrament zu empfangen. Buße und Eucharistie gehören zur Umkehr, zur Öffnung der Türen eurer Herzen für den Erlöser. Da gibt es freilich noch einen anderen Aspekt der Erlösung, den ich heute 1117 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hervorheben möchte. Jesus starb, sagt der hl. Johannes, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Die Erlösung durch Jesus ist aufs engste mit der Einheit der Kirche verbunden und fordert die volle Einheit in Glaube und Liebe aller Anhänger Christi. Als Katholiken seid ihr in Skandinavien eine kleine Herde unter anderen christlichen Brüdern. In eurem Alltagsleben erfahrt ihr den Mangel an vollkommener christlicher Einheit. Diese Einheit ist ein Geschenk Gottes und muß demütig im Gebet angestrebt werden. Durch diese Umkehr, die das Ziel eurer Pilgerfahrt nach Rom ist, werdet ihr getreu an dem Gebet für die christliche Einheit festhalten können. Denn durch die Heiligkeit eures Lebens werdet ihr zur Erfüllung dieses Anliegens beitragen. Auch dieser Aspekt ist im Aufruf der Kirche enthalten: „öffnet die Türen dem Erlöser!“ Wenn ihr in eure Heimatländer zurückkehrt, bringt bitte, meine Grüße und meinen Segen euren Familien und Freunden, besonders den Kranken und Leidenden. Der Papst ist den Bischöfen, Priestern, Ordensleuten und Laien in Skandinavien nahe. Seid meines Gebetes für euch alle gewiß. „Meine Liebe ist mit euch allen in Christus Jesus“ (7 Kor 16,24). Den Sieg über das Leid vorwegnehmen Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Behinderten am 31. März 1. „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele . . ., sie hatten alles gemeinsam . . ., reiche Gnade ruhte auf ihnen allen. Es gab auch keinen unter ihnen, der Not litt“ (Apg 4,32-34). Der Abschnitt aus der Apostelgeschichte, der soeben verlesen wurde, beschreibt uns die christliche Urgemeinde, die sich um die Apostel gebildet hatte, die „mit großer Kraft Zeugnis ablegten von der Auferstehung Jesu, des Herrn“ (ebd., Vers 33). Es ist ein lebendiges Bild brüderlicher Einheit und Solidarität, die für die Entwicklung des entstehenden Christentums so notwendig waren. Auch wir, die wir heute hier um den Altar versammelt sind, um die Eucharistie, Gipfel, Quelle und Mittelpunkt des christlichen Lebens, zu feiern, wollen eine echte Gemeinschaft von Brüdern bilden, von denen manche von besonderen Leidumständen betroffen sind und andere ihnen in liebevoller Fürsorge zur Seite stehen. Wir alle wollen wirklich „ein Herz und eine Seele“ sein in der Bereit- 1118 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaft, das Wort Gottes anzunehmen, das auch hinsichtlich des besonderen Problems unserer behinderten Brüder und Schwestern von uns eine Antwort fordert, wenn es uns zur Umkehr und Versöhnung, dem wichtigsten Ziel dieses Heiligen Jahres der Versöhnung, einlädt. Ja, wir wollen eine aus der Kraft des Lebensbrotes genährte christliche Gemeinschaft sein, die sich um den Bischof von Rom und Nachfolger Petri versammelt hat, um die Gnade des Jubiläumsjahres voll zu empfangen, die ja zunächst ein erhabenes Geschenk Gottes, die reiche Begegnung mit seinem Erbarmen und seiner alles erneuernden Liebe ist. Dieser Gnade entspricht in uns eine bestimmte Verantwortung: Wir sollen Gottes Gabe in solidarische Anteilnahme, in Liebe zu unseren behinderten Brüdern und Schwestern umsetzen. So soll dieser Tag von dem Willen gekennzeichnet sein, einen gemeinschaftlichen, ja brüderlichen Lebensstil zu schaffen, der für die Erfordernisse der Gerechtigkeit und Solidarität empfänglich ist. Indem wir unseren Egoismus, unser Zaudern, unsere Furcht hinter uns lassen und für das alles um Vergebung bitten, wollen wir uns wahrhaftig mit Gott und mit unseren gebrechlichsten Brüdern und auch mit ihren dringendsten Bedürfnissen versöhnen, nämlich dadurch, daß wir sie verstehen und zu unseren eigenen machen. 2. Liebe leidgeprüfte Freunde, eure Pilgerfahrt ist meinem Herzen gewiß die teuerste. Ihr vertretet die leidende Kirche, die mit vollem Vertrauen den Willen Gottes im geheimnisvollen Plan der Erlösung annimmt, der durch Kreuz und Auferstehung vollbracht wurde. Empfangt meinen herzlichen Gruß und meine Umarmung. Zusammen mit euch möchte ich eure Begleiter und die Organisatoren der Pilgerfahrt begrüßen, alle Vertreter der Pfarrgruppen, der Schulen, der Fabriken, der Genossenschaften, Vereine und Institutionen, in die ihr eingegliedert seid und Pflege und Betreuung, vor allem aber Hilfe zur wirksamen Integrierung empfangt. Ich begrüße auch die Delegationen aus verschiedenen Städten Italiens und bedeutenden europäischen Zentren. Allen spreche ich meinen lebhaften und herzlichen Dank aus. 3. Ihr habt euch hier eingefunden, um die universale Heilsbotschaft von der Erlösung deutlich zu machen, die von unserem Herrn Jesus Christus vor 1950 Jahren vollbracht wurde und vor allem durch das eucharistische Opfer noch immer gegenwärtig und wirksam ist. Ihr seid gekommen, um der ganzen Welt zu verkünden und zu bezeugen, daß es nicht nur eine weltliche Geschichte gibt, sondern vielmehr die eine und einzige 1119 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Geschichte des Heils“, die sich um das Kreuz und die Auferstehung Christi abspielt. Eure Erwartungen richten sich, auch wenn sie durch das Geheimnis des unverschuldeten Schmerzes hindurchgehen, auf die Auferstehung des ganzen Menschen, auf die Befreiung zunächst vom Zustand der Sündhaftigkeit, aber auch auf die Befreiung von Krankheit und jeder Form körperlicher und seelischer Behinderung. Und wie lautet die Antwort Christi auf eure Erwartungen? Wird er sie enttäuschen? Jesus Christus bietet die vollkommene Heilsrettung des Menschen, und so ist auch die prophetische und eschatologische Ankündigung Jesaja zu verstehen, die wir gehört haben: „(Gott) selbst wird kommen und euch erretten. Dann werden die Augen der Bünden geöffnet, auch die Ohren der Tauben sind wieder offen. Dann springt der Lahme wie ein Hirsch, die Zunge des Stummen jauchzt auf. In der Wüste öffnen sich Quellen, und Bäche fließen in der Steppe“ (Jes 35,4-6). Das ist ein Ausbruch der Freude in lebendigen Bildern über die Rettung des Restvolkes Israel, das aus der Sklaverei zurückgekehrt war, um das gelobte Land wieder zum Blühen zu bringen. Und zugleich ist es ein Ausbruch der Freude im Ausbück auf den Vollzug der Heilsrettung, die der Sohn Gottes, Jesus Christus, durch das Werk der Erlösung vollbringen wird. Er wird das Wort des Jesaja auch wortgetreu erfüllen, wie in dem eben gelesenen Evangeliumsabschnitt bezeugt wird. „Mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben“ (Mk 2,5), sagt Jesus zu dem Gelähmten; in Erwiderung auf seine stummen Ankläger fügt Jesus dann hinzu: „Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben. Ich sage dir: Steh auf, nimm deine Tragbahre, und geh nach Hause!“ (ebd., Vers 10-11). Jesus vollbringt als Messias, Erlöser und Herr, was der Prophet vorausgesagt hat. „Jesus zog in ganz Galiläa umher, verkündete die Frohbotschaft vom Reich und heilte im Volk alle Krankheiten und Leiden“ (Mt 12,23). Die Verkündigung des Reiches Gottes, die sich an den Glauben wendet, zur Umkehr ruft und zur Liebe führt, geht Hand in Hand mit der echten Bezeigung dieser Liebe für das Los der Schwachen und Bedürftigen. Das Reich Gottes drängt zur Fülle der Begegnung des Menschen mit seinem Schöpfer und Vater, aber der Glaube an die reale Möglichkeit einer solchen Begegnung wird durch die Werke der Liebe geweckt: „Ihr sollt aber erkennen, daß der Menschensohn die Vollmacht hat, hier auf der Erde Sünden zu vergeben . . . Ich sage dir: Steh auf!“ 1120 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Ist die totale Heilsrettung, die Christus Jesus dem Menschen angebo-ten hat und die während seines Erdenaufenthalts durch so offenkundige Wundertaten bezeigt wurde, auch noch heute, am Ausgang des zweiten Jahrtausends des christlichen Zeitalters, wirksam? Wir müssen sagen: Ja! Gott ist sich selbst und seinen Verheißungen treu. Es liegt an uns, an der Kirche, an der messianischen Gemeinschaft, dieses vom Herrn vollbrachte vollkommene Erlösungswerk dadurch fortzusetzen, daß wir mit Hilfe des Glaubens bewirken, daß unsere schwächsten Brüder - was auch immer ihre Behinderung sein mag - Linderung und auch Befreiung aus ihrer schweren Lage erfahren. Der Aussicht auf die von Christus vollbrachte vollkommene Heilsrettung gebührt in diesem geheüigten Augenblick eine weitere kurze Vertiefung. Das Erlösungswerk Christi führt geheimnisvollerweise über das Kreuz, an dem teilzuhaben wir alle ohne Ausnahme berufen sind; das Kreuz, das sich an den Gliedern dieser unserer leidenden Brüder und Schwestern so augenfällig zeigt. Ohne das Kreuz, das aus Liebe und als der höchste Ausdruck der Liebe angenommen wird, bleibt die völlige Heilsrettung unbegreiflich. Das habe ich bereits in meinem Apostolischen Schreiben Salvifici doloris (vgl. Nr. 13) gesagt. Wir alle, nicht nur die von einer Behinderung heimgesuchten Brüder und Schwestern, sind aufgerufen, das Kreuz anzunehmen, und jeder von uns hat sein Kreuz zu tragen: „Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein“, sagt Jesus (Lk 14,27). In der Annahme des Kreuzes ändert das Leiden sein Zeichen, es nimmt seine volle Bedeutung an: die Freude über die Liebe. Eine grundlegende Hilfe, die wir unseren leidenden Brüdern und Schwestern bieten müssen, ist, uns durch Liebeswerke glaubwürdig zu machen, damit sie Hilfe erfahren bei der Annahme des geheimnisvollen göttlichen! Planes mit ihrem Kreuz. <36> <36> Das Kreuz seinerseits enthält eine innere und nicht zu unterdrückende Ausrichtung auf den Sieg der Auferstehung. Das Ziel der Erlösung ist die Wiedergewinnung des ganzen menschlichen Seins: des geistigen und physischen, der Seele und des Leibes. Das wird in der endgültigen Phase des Reiches Gottes eintreten. Daraus ergibt sich die unumgängliche Dringlichkeit des Einsatzes des Christen, die Fülle des Lebens und der Freude, die die Erfahrung der Ewigkeit ausmachen wird, vorwegzunehmen. Wie kann man diese Fülle des Lebens und der Freude, diesen Sieg auch über das körperliche Leiden vorwegnehmen? 1121 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das vollzieht sich zunächst in der Vereinigung der Seelen und Herzen, im wirksamen Mitleid. Hören wir in diesem Zusammenhang die Stimme des Apostels Paulus: „Nehmt einander an, wie auch Christus uns angenommen hat“ (Rom 15,7). „Einer trage des anderen Last“ (Gal 6,2). Wir müssen wirklich diese Last tragen, wenn wir Christen sein wollen, andernfalls laufen wir Gefahr, in konkreten Situationen Gottes Wort über das Leiden, das von jemandem, der nicht zutiefst davon geprägt ist, nur schwer angenommen werden kann, zu vereiteln. Wir müssen zu unseren behinderten Brüdern eine Atmosphäre echter Liebe, ein Verhältnis intensiven, nicht nur flüchtigen Mitleidens herstellen. Die Liebe verwandelt, die Liebe ermöglicht die Annahme, die Liebe bringt vor allem das Wunder der Herzensänderung, der Verinnerlichung des göttlichen Planes mit dem Leiden fertig. Diese unsere Brüder und Schwestern müssen sich wirklich als Brüder und Schwestern unter uns fühlen und nicht bloß als Sorgeempfänger. Hier müssen die christlichen Gemeinden deutliche Zeichen der Glaubwürdigkeit setzen, damit sich die behinderten Brüder in dem gemeinsamen Haus, das die Kirche ist, nicht fremd fühlen. Die Liebe zu ihnen muß echt, persönlich, direkt sein. Man darf sich dieser unserer Brüder nicht zu anderen Zwecken, die sich leicht einschleichen könnten, annehmen, zu Zwecken, die nicht allein ihrem Wohl, der Befriedigung ihrer gerechten Erwartungen dienen. 6. Die gerechten Erwartungen unserer Brüder: Das ist ein weiterer Schritt, der erfüllt werden muß, wenn jene Fülle des Lebens und der Freude, jener Sieg über das Leid, auf den ich oben hingewiesen habe, schon hier vorweggenommen werden soll. Die berechtigte Erwartung unserer Brüder ist kurz folgende: die ausgewogene, aber tatsächliche Integrierung in den Rahmen des bürgerlichen Zusammenlebens, um sich als vollgültige Mitglieder fühlen zu können. Wir sehen in der Behinderung nicht eine dramatische und unnatürliche Tatsache - was nur Anlaß zu Entmutigung und Diskriminierung gibt -, sondern vielmehr einen ' Zustand der Schwäche, der sich für die christliche und zivile Gesellschaft in eine Probe auf den Stand ihres Glaubens und ihrer Menschlichkeit verwandelt. Die Bedürfnisse der Behinderten sind normale Bedürfnisse von Menschen, die zwar unter gewissen Gesichtspunkten schwächer, aber doch immer Personen sind, die voll anerkannt werden möchten. Sie können, wenn sie wirksam unterstützt werden, in sich außergewöhnliche Kräfte und Werte zum Durchbruch bringen, die für die ganze Gemeinschaft von großem Nutzen sind. Ihre Eingliederung in die bürgerliche Lebensord- 1122 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung wird vorwiegend dahin ausgerichtet sein müssen, in unseren Brüdern und Schwestern jene Zuversicht und jenen Mut zu nähren, der es ihnen möglich macht, aktiv an ihrem eigenen Fortschritt mitzuwirken. Diese Hinweise sind allgemeine Grundsätze, die mit großer Liebe in individuelle Verfahrensweisen umgesetzt werden müssen, wie das in den bereits unternommenen Bemühungen deutlich wird. Der Hl. Stuhl hat zu den genannten Themen im Jahr 1981, dem Internationalen Jahr des Behinderten, ein wichtiges Dokument veröffentlicht; man wird gut daran tun, sich immer wieder darauf zu berufen, wenn man eine wirksame Aktion beginnen will. Es ist notwendig, zugleich mit den Tatsachen anzuerkennen, daß der Behinderte eine vollmenschliche Person mit heiligen, unverletzlichen Rechten ist; daß es ihm erleichtert werden muß, in jeder erreichbaren Dimension am Leben der Gesellschaft teilzunehmen; daß die Qualität einer Gesellschaft an der Achtung gemessen wird, die sie gegenüber ihren gebrechlichsten Mitgliedern an den Tag legt. 7. Das bisher Gesagte ergibt sich folgerichtig aus dem Wort Gottes. Die Gnade des Heiligen Jahres ist die Gnade der Versöhnung mit Gott und den Brüdern: mit diesen Brüdern und ihren Bedürfnissen. Lassen wir uns mit Gott versöhnen (vgl. 2 Kor 5,20), und bitten wir bei dieser Eucharistiefeier um Hilfe, damit wir das göttliche Wort in die Tat umsetzen können. Die Aufgabe mag schwierig erscheinen, doch wir haben mit dem Antwortpsalm gebetet: „Herr, meine Stärke, eil mir zu Hilfe!“ (Ps 22,20). Der Herr - dessen dürfen wir gewiß sein - ist unseren Bemühungen nicht fern. Er ist unsere Stärke und unsere Hilfe. Er will uns die Gnade gewähren, durch unsere Werke unseren schwächsten Brüdern seinen Namen zu verkündigen und ihn zusammen mit ihnen in der Gemeinschaft zu loben: der Lobpreis des Einsatzes unserer Liebe. Euch alle, die ihr von heiligen Vorsätzen beseelt seid, „erfülle der Gott der Hoffnung mit aller Freude und mit allem Frieden im Glauben“ (Röm 15,13). Amen. 1123 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von christlicher Tradition inspiriert Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Bruderschaften am 1. April Liebe Brüder und Schwestern, mit dem Gruß des Apostels Paulus, die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit euch, heiße ich euch, die Mitglieder der deutschsprachigen Bruderschaften, herzlich willkommen. „Die Gnade des Herrn Jesus sei mit euch allen“ (1 Kor 16,23). Mit diesen Worten des Apostels Paulus begrüße ich euch alle, liebe Mitglieder der Bruderschaften, die ihr hier aus verschiedenen Teilen Italiens und der Welt zusammengekommen seid, um das Jubiläumsjahr der Erlösung zu feiern. Ich bringe euch zudem meinen Dank für dieses Schauspiel des Glaubens zum Ausdruck, das ihr heute im Namen und in Vertretung eurer jeweiligen Vereine, die durch Jahrhunderte hindurch unaufhörlich ihre Treue zur Kirche bezeugt haben, der Kirche und der Welt darbietet. 1. „Ich bin das Licht der Welt“ (Joh 8,12). „Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt“ (Joh 9,5). Jesus Christus ist in der Welt. Er ist mitten unter den Menschen. Am meisten unter den Unglücklichen. Das ganze Evangelium bezeugt es. Heute stehen im Mittelpunkt des Evangeliums und der Liturgie Jesus und ein von Geburt an blinder Mann. Christus schenkt ihm das Augenlicht und tut das am Sabbat. Er vollbringt dieses Wunder unter gewissen Aspekten auf „rituelle“ Weise. Zuerst vermischt er Erdenstaub mit Speichel und streicht ihn dem Blinden auf die Augen. Dann heißt er ihn, sich im Teich Schiloach zu waschen. Nachdem er sich gewaschen hat, gewinnt der Blindgeborene das Augenlicht. Mit diesem Zeichen offenbart sich Jesus von Nazaret als Licht der Welt, zunächst, weil er dem blinden Mann das Sehen ermöglicht: Sehen ist die Fähigkeit des Kontaktes mit dem Licht der Außenwelt. Dann aber auch, weil er diesen Menschen von der Blindheit des Geistes befreit. Er öffnet ihm die Augen der Seele für Gott und seine Geheimnisse. Eine solche Öffnung der Seele heißt Glaube, was soviel bedeutet, wie mit dem Licht der Innenwelt in Kontakt zu stehen. Nachdem der Mann, der seit seiner Geburt blind war, die Sehfähigkeit erlangt hatte, öffnete er sich zugleich dem Geheimnis Gottes in Christus. Er bekannte seinen Glauben an den Menschensohn. 1124 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Glaubst du an den Menschensohn?“ fragt Jesus (Joh 9,35). „Wer ist der Herr? (Sag es mir), damit ich an ihn glaube“, antwortet der Geheilte (ebd., Vers 36). „Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es“ (ebd., Vers 37). „Ich glaube, Herr!“ und er wirft sich vor ihm nieder (ebd., Vers 38). Die Begebenheit, die wir in der Liturgie dieses vierten Fastensonntags lesen, führt uns dazu, über unseren Glauben an Christus, den Menschensohn, an Christus, das Licht der Welt, nachzudenken. Indirekt bezieht sich dieses Ereignis auch auf die Taufe, die das erste Sakrament des Glaubens ist: das Sakrament, das durch die Wiedergeburt aus Wasser und dem Heiligen Geist dem Menschen die Augen öffnet; so wie es dem Blindgeborenen widerfahren ist, dem die Augen aufgingen, nachdem er sich im Wasser des Teiches Schiloach gewaschen hatte. 2. Die Begebenheit, die in der heutigen Liturgie erzählt wird, zeigt uns auch, daß der Glaube des durch die Kraft Christi wiedergeborenen Menschen auf Mißtrauen, ja geradezu auf Unbehagen stößt! Er muß sich gewissermaßen einen Weg durch dieses Mißtrauen und diesen Unglauben bahnen. So bahnt sich der Glaube des Blindgeborenen, dem Christus das Augenlicht gegeben hat, den Weg. Sein Glaube an den Menschensohn stößt auf den Widerstand der Pharisäer, auf ihren Unglauben. Es ist für einen sozial benachteiligten, körperbehinderten Menschen nicht leicht, diesem Unglauben seinen eigenen Glauben entgegenzusetzen. Doch er hat gegenüber sämtlichen Anschuldigungen, die seine Gesprächspartner an die Adresse Jesu richten, ein unwiderlegbares Argument: Er hat mir das Augenlicht gegeben: „Ich war blind, und jetzt kann ich sehen“ (ebd., Vers 25). Außer dem entschiedenen Unglauben begegnet der von seiner angeborenen Blindheit geheilte Mann auch der Furcht und Angst, sogar bei seinen Eltern, die sich lieber nicht den Repressalien der einflußreichen Pharisäer aussetzen wollen: „Wir wissen, daß er unser Sohn ist und daß er blind geboren wurde. Wie es kommt, daß er jetzt sehen kann, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen (ebd., Vers 20-21). So wird also der Glaube des Mannes, dem Christus das Augenlicht gegeben hat, hart auf die Probe gestellt, aber er geht siegreich daraus hervor. Das Licht, das Christus in seine Seele — nicht nur in seine Augen — eingepflanzt hat, erweist sich als stärker als der Unglaube und das 1125 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mißtrauen, es zeigt sich aber auch als stärker denn Menschenfurcht und stärker als der Wille, einzuschüchtern. Das alles hat seine Bedeutung nicht nur im Zusammenhang mit diesem konkreten Menschen und dieser konkreten Begebenheit (die im Johannesevangelium außergewöhnlich detailliert beschrieben wird), sondern auch im Zusammenhang mit dem Leben und Verhalten jedes Menschen, jedes Christen. Ist nicht der Glaube eines jeden von uns unserer Schwachheit ausgesetzt? Und auch dem Unglauben, dem Mißtrauen, den Zweifeln, dem Meinungsdruck und manchmal der Einschüchterung, Diskriminierung und Verfolgung? Wenn wir heute an alle Menschen in der ganzen Welt denken, an alle, denen Christus sein Licht geschenkt hat: wie vielen Schwierigkeiten, Unterdrückungen, Verfolgungen ist der Glaube vieler von ihnen ausgesetzt! Und wie oft muß der Glaube gegen die Schwächen eines jeden von uns ankämpfen! Beten wir um einen starken Glauben. Beten wir um den Mut zum Glauben. 3. Die Liturgie des heutigen Sonntags wendet sich darum an Christus, den Guten Hirten, der uns von sich aus auf den Wegen des Glaubens führt: „Der Herr ist mein Hirte . . ., er führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen“ (Ps 23,1-3). Daraus schöpfen wir in allen Prüfungen und Erfahrungen Kraft und Mut: „Muß ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (ebd., Vers 4). Der Mann, dem Christus das sinnliche Sehvermögen und zugleich das Sehvermögen der Seele geschenkt hat, ist sich dessen bewußt, daß der Gute Hirte bei ihm ist. Er ist es, der ihn zum Tisch der Eucharistie führt, an dem der Erdenpilger die Kräfte seiner Seele für den Weg in die Ewigkeit stärkt: „Du deckst mir den Tisch vor den Augen meiner Feinde. Du salbst mein Haupt mit Öl . . (ebd., Vers 5). Die Salbung ist das Symbol der geistlichen Kraft. Der Glaube stellt eine besondere Synthese von Licht und Kraft des Geistes dar, die von Gott kommen, und die Liturgie des heutigen Sonntags hebt das hervor. Von der Salbung spricht die erste Lesung aus dem Buch Samuel. Der Prophet, der vom Herrn in das Haus des Isai nach Bethlehem gesandt 1126 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN worden war, salbt dort den jüngsten seiner Söhne, David, zum künftigen König von Israel. . . Von diesem Tag an wirkte der Geist des Herrn in David“ (I Sam 16,13), lesen wir. Die Salbung ist - wie die Waschung mit Wasser - ein äußerer Ritus, der Ausdruck für einen inneren, geistlichen und übernatürlichen Inhalt ist. Ein gläubiger Mensch empfängt das Licht Christi und gelangt zugleich kraft des Heiligen Geistes zur Teilhabe an der dreifachen Sendung Christi: der Sendung des Propheten, des Priesters und des Königs. Durch diese Teilhabe verbindet er sein Leben und sein Verhalten mit der Heilssendung des Guten Hirten, die sich an die ganze Menschheit und an die ganze Welt richtet. Der Gute Hirte ist tatsächlich der Erlöser der Welt, und alle jene, die durch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu seiner Herde gehören, haben teil an der Macht des Erlösungsgeheimnisses. 4. Liebe Pilger, von tiefem Glauben geleitet, seid ihr als Pilger nach Rom gekommen, um an den Gräbern der Apostel und Märtyrer eure Teilhabe an der Heüssendung Christi, am Geheimnis der Erlösung der Welt anläßlich des Jubiläumsjahres der Erlösung zu erneuern. Bei diesem Zeichen von Christus, dem Licht, Christus, dem Hirten, Christus, dem Welterlöser, möchte ich mich gern kurz aufhalten, um mit euch die Bedeutung der Bruderschaften, denen ihr angehört, zu überdenken. Ihr Ursprung geht, wie ihr wißt, auf den Beginn des elften Jahrhunderts zurück, als sich um die Klöster in Deutschland, Frankreich, Kalabrien, der Toskana und anderer italienischer Regionen Gruppen eifriger Christen zusammenschlossen. Ihr verdienstvolles Wirken entwickelte sich in immer größerem Einklang mit der Kirche, bis sie im 13. und 14. Jahrhundert mit den im Umfeld der neuen Orden des hl. Franz und des hl. Dominikus wie auch anderer Ordensinstitute eingerichteten Bußbruderschaften ihre größte Ausdehnung erreichten. Im 16. Jahrhundert entstanden die Oratorien, die mit den Bruderschaften oder Gesellschaften verbunden waren, wie das 1517 in Rom errichtete Oratorium der Göttlichen Liebe (Divino Amore) oder die Oratorien des hl. Filippo Neri, die sich sehr um das geistliche Leben und die Sorge für Arme und Pilger verdient machten. Ja, man kann sagen, daß bis ins 17. Jahrhundert die karitative Arbeit der Kirche vorwiegend durch diese Oratorien und Bruderschaften ausgeführt wurde. Unter ihnen seien die toskanischen „Misericordie“ erwähnt, die noch heute blühend und tätig sind. 1127 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Zielsetzungen der Bruderschaften lassen sich in drei Worte zusammenfassen: Frömmigkeit, Wohltätigkeit, Buße. a) Sie trugen vor allem Sorge für die Verehrung Gottes, Jesu, Mariens (besonders durch das Rosenkranzgebet), der Heiligen, im besonderen der örtlichen Schutzheiligen, für die Seelen im Fegfeuer, für die sie viele Seelenmessen hielten. Besonderen Fleiß verwendeten sie, wie das noch heute in manchen Nationen Europas und Lateinamerikas geschieht, auf das Gedenken der Mysterien vom Leiden und Tod unseres Herrn während der Karwoche in Form von eindrucksvollen Prozessionen und Darstellungen. b) Die Wohltätigkeit ist dann entsprechend den Lehren der Kirche, wie sie in den Werken der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeit vorgeschlagen wurden, praktisch geübt worden. Sie hat sich auch in gesellschaftlicher Solidarität ausgedrückt, besonders im 13. Jahrhundert, als sich mit dem Enstehen der Künste und Zünfte ihre Mitglieder auch zu Bruderschaften, entsprechend den verschiedenen Handwerkszweigen, zusammenschlossen und dadurch eine entscheidende Rolle spielten in der Festigung der christlichen Solidarität und Brüderlichkeit, in der Verschmelzung der gesellschaftlichen Klassen, in der Durchführung von Diensten, insbesondere in Krankenhäusern, und nicht selten im Rahmen öffentlicher Werke. c) Auch die Buße gehörte zu den Zielsetzungen der Bruderschaften, die bestrebt waren, für die Bildung und sittliche Vervollkommnung ihrer Mitglieder zu sorgen und in Zeiten schwerer Naturkatastrophen oder des Sittenverfalls Gottes Gnade zu erflehen. <37> <37> Aber außer diesen spezifischen Zielsetzungen gab es einen tieferen Grund, der die Gläubigen dazu bewegte, sich den Bruderschaften anzuschließen: „pro Dei timore et Christi amore“, aus Gottesfurcht und Liebe zu Christus! Hier stehen wir also wieder vor Christus, dem Hirten und Erlöser, vor Christus, dem Licht des Lebens, vor Christus, der die Menschen an sich zieht, vor Christus, der uns lehrt und hilft, im menschlichen Geist und in der christlichen Lebenspraxis Gottesfurcht und Gottesliebe, Buße und Freude, Frömmigkeit und praktische Tat in Einklang zu bringen. Wie einst so ruft Christus auch heute die Menschen zum Glauben, zur Liebe, zur Hoffnung; und unter denen, die ihm folgen, wählt er die Jünger und Apostel aus, denen er die Aufgabe anvertraut, sein Evangelium in der Welt zu bezeugen, zu verkündigen und zu verwirklichen. Diese Entscheidung vollzieht sich auch bei denen, die sich in Bruderschaf - 1128 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten zusammenschließen, um auf dem dreifachen traditionellen Gebiet der Frömmigkeit, der Wohltätigkeit und der Buße ihre Tätigkeit in alten und neuen Formen zu entfalten und, den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (vgl. Lumen gentium, Nr. 33-36; Apostolicam actuositatem, Nr. 6-8,12,13,18-19) und des neuen Codex des kanonischen Rechts (can. 298) entsprechend, den apostolischen Einsatz ihrer Vereine zu betonen. In der Geschichte der Bruderschaften gibt es nicht wenig Präzedenzfälle solcher Bestimmung zum Apostolat: so in den bereits erwähnten Gesellschaften der Göttlichen Liebe und in den Bruderschaften von der Christlichen Lehre, die auf Anregung des hl. Karl Borromäus und des Konzils von Trient errichtet und von der Kirche in allen Pfarreien verbreitet wurden. Heute erfordert die Dringlichkeit der Glaubensverkündigung, daß auch die Bruderschaften intensiver und unmittelbarer an dem Bemühen teilnehmen, das die Kirche vollbringt, um den Menschen unserer Zeit das Licht, die Erlösung, die Gnade Christi zu bringen. Die Bruderschaften ergreifen dazu geeignete Initiativen, sei es für die religiöse, kirchliche und pastorale Ausbildung ihrer Mitglieder, sei es für die verschiedenen Klassen und Stände, in die sich der Sauerteig des Evangeliums einbringen läßt. Diesem Zweck kann und muß auch das beeindruckende künstlerischen Erbe dienen, das von den Bruderschaften in ihren Oratorien und Kirchen gesammelt wurde; die große Zahl von Gewändern, Insignien, Statuen, Kruzifixen (wie jene, die heute von den berühmten „casasse“ von Genua und Ligurien hierhergebracht wurden), mit denen die Bruderschaften an Gottesdiensten und Prozessionen teilnehmen; die Wirkung, die die Veranstaltungen der Bruderschaften auch heute noch nicht nur im Bereich der religiösen Praxis, sondern auch auf dem Gebiet der von christlicher Tradition inspirierten Folklore haben können: Das alles kann und soll dem kirchlichen Apostolat, besonders dem liturgischen und katecheti-schen, dienen. 6. Ich freue mich, als Bischof von Rom mit euch zusammen heute an diesem Fastensonntag Christus, der unser Licht ist, verehren zu können. Wie er dem Blindgeborenen das Sehvermögen schenkt, so gibt er uns das Sehvermögen des Glaubens. Wie in Zusammenfassung des heutigen Johannesevangeliums schreibt der hl. Paulus im Brief an die Epheser: „Denn einst wart ihr Finsternis, jetzt aber seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als Kinder des Lichts! 1129 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN . . . Deshalb heißt es: Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten, und Christus wird dein Licht sein“ (Eph 5.8.14). In diesem Satz wird die Stimme des nahen Osterfestes hörbar. Auf dieses Ostern des Jubiläumsjahres der Erlösung bereitet euch, liebe Brüder und Schwestern, mit großer Offenheit des Geistes vor. Damit „Christus euch aufs neue erleuchte“. Damit er in den ehrwürdigen Traditionen eurer Vereine und Gemeinschaften leuchte; in eurem Familien- und Berufsleben; in euren Pfarreien und Diözesen. „Das Licht bringt laute Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor“ (Eph 5,9). Christus, der Gekreuzigte und Auferstandene, erleuchte durch euch alle Menschen guten Willens! Die Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst wird in zwei einzelne Dikasterien geteilt Da bei dem raschen Lauf der Zeit auch alles, was mit der pastoralen Praxis zusammenhängt, neue Überlegungen erfordert und neue Wege verlangt, scheint es angebracht, die von meinem Vorgänger Paul VI. mit Datum vom 11. Juli 1975 errichtete Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst, die damals aus der Kongregation für die Disziplin der Sakramente und der Kongregation für den Gottesdienst zusammengewachsen ist, in zwei Dikasterien zu teilen. Tatsächlich bestand sie schon zweigeteilt, wobei jedem der beiden Teile oder Sektionen ein eigener Sekretär vorangestellt war. Nachdem ich alles reiflich überlegt habe, beschließe ich daher und ordne an, daß die Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst in zwei Kongregationen geteilt wird, von denen die eine Kongregation für die Sakramente, die andere Kongregation für den Gottesdienst heißen soll. Jede von beiden übernimmt aber den Sachbereich, für den bereits die eine bzw. die andere der beiden Sektionen, von denen oben die Rede war, zuständig waren. Die verbesserte Gestaltung dieser Kongregationen aber wird bei der Revision der Dikasterien der Römischen Kurie, an der schon gearbeitet wird, vorgenommen. Gegeben zu Rom, am 5. April 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikats. Papst Johannes Paul II. 1130 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Freiheit für katholische Schulen Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Kongregation für das katholische Bildungswesen am 5. April Ehrwürdige Brüder! 1. Während ich Sie herzlich begrüße, möchte ich vor allem Herrn Kardinal Baum für die freundlichen Worte danken, mit denen er mir soeben die Arbeiten dieser Vollversammlung der Kongregation für das katholische Bildungswesen dargelegt hat, wobei er liebenswürdigerweise auch an Augenblicke erinnerte, die ich in vergangenen Zeiten als Mitglied dieses Dikasteriums zu meiner Freude habe mit euch verbringen können. Allen und jedem einzelnen Kardinal und Bischof möchte ich dafür danken, daß sie in der Gemeinschaft des Geistes und der Pläne hier anwesend sind, und dieser Dank gilt auch den Oberen und Offizialen der Kongregation, die wirksam zum guten Gelingen der Versammlung beigetragen haben. 2. Ich habe nicht unterlassen, die mir zugesandten Dokumentationen durchzusehen, und möchte allem voran meiner Freude Ausdruck geben über den ausführlichen Bericht, der die Priesterberufe betrifft, deren Zukunftsaussichten große Hoffnung für die Kirche versprechen. Denn bereits in zahlreichen Nationen hält die Zunahme von Berufen an. In anderen macht sich ein vielversprechendes Wiedererwachen bemerkbar. Glücklicherweise gibt es nur wenige Länder, wo man Mühe hat, einen neuen Anfang zu setzen; aber auch dort gibt es hoffnungsvolle Anzeichen für die Zukunft. Mein Wort der Anerkennung und Ermutigung sollte alle erreichen können, die in den einzelnen Diözesen mit Eifer in der Pastoral der Berufe tätig sind. Das ist ein für das Leben der Kirche vorrangiger und sicher grundlegender Bereich, und diejenigen, die hier ihre Kräfte einsetzen, verdienen größte Anerkennung. Ich weiß, daß die Kongregation seit Jahren das Problem der geistlichen Berufe verfolgt und ihre — diskrete, aber feste — Beharrlichkeit mitgeholfen hat, schlummernde Kräfte zu wecken und Herzen Mut zu machen, die vielleicht von mangelnder Zuversicht versucht waren. Die von der Kongregation mit soviel Zähigkeit verfolgten Pläne zur Pastoral der Berufe auf nationaler und diözesaner Ebene bringen tröstliche Früchte. Dank sei dem Herrn der Ernte, der weiterhin seinen Ruf im Herzen der 1131 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jungen Menschen laut werden läßt, die sich heute mehr als in vergangenen Jahren bereit zeigen, die Einladung anzunehmen und ihr Leben dem Dienst an der Kirche und den Brüdern zu weihen. 3. Mit dem Problem der Berufe ist das der Seminare verbunden. Denn wenn es wichtig ist, zahlreiche Berufe zu haben, so ist es ebenso wichtig, in passender Weise für ihre Vorbereitung auf das künftige Apostolat Sorge zu tragen. Die Probleme der Priesterseminare und der Berufungen gehen also Hand in Hand. Ich habe gelesen, wieviel im letzten Jahr auf diesem Gebiet getan worden ist, und ich freue mich darüber. Auch im Leben der Seminare macht sich beinahe überall ein tröstliches Neuerwachen bemerkbar. Ihre Studie konzentriert sich jedoch vor allem auf die endgültige Fassung zweier Dokumente, über die Sie im vergangenen Jahr Ihre Stellungnahme zum Ausdruck bringen konnten. Ich wünsche mir, daß die in ihnen erteilten Weisungen, sowohl was die Oberen der Seminare betrifft als auch hinsichtlich der Ausbildung der Seminaristen im Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel, dem Leben und der Tätigkeit der Seminare in der ganzen Welt neue Impulse geben. Auch an alle, die auf diesem Gebiet arbeiten, ergeht mein Gruß, mein Wunsch und meine Ermutigung. 4. Ein weiteres wichtiges Thema sind die katholischen Schulen. Auch dieses Thema möchte ich in der Perspektive der Berufe sehen in der Hoffnung, daß die katholischen Schulen eine Pflegestätte für künftige Berufungen zum geistlichen Leben werden. Ihr letztes Dokument über die Erziehung zur Liebe bemüht sich unter anderem, in der Erziehungsgemeinschaft ein Klima zu schaffen, in dem der Keim eventueller Berufungen blühen und reifen kann. Ich halte jedoch bei einem anderen Aspekt inne, dem heute große Aktualität zukommt. In manchen Teilen der Welt liegen über diesem Bereich des kirchlichen Lebens besorgniserregende Schatten aufgrund der Schwierigkeiten, die die staatlichen Behörden mitunter der legitimen Autonomie der katholischen Schulen in den Weg legen. Es ist daher angebracht, daß die Kongregation erneut die tatsächliche Zielsetzung bekräftigt, die die katholischen Schulen verfolgen. Es ist gewiß nicht ihre Absicht, den staatlichen Schuleinrichtungen Konkurrenz zu machen oder sie zu kritisieren. Sie verlangen lediglich, frei ein auf den Werten des Evangeliums basierendes Erziehungsprogramm aufstellen und den Eltern - den Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder - Studienzentren anbieten zu können, die der Jugend eine umfassende Erziehung 1132 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewährleisten, die an jenen soliden christlichen Grundsätzen .ausgerichtet ist, die morgen ihr Leben als erwachsene Staatsbürger orientieren sollen. Auf diesem Gebiet hat die Kongregation bereits viel gearbeitet; ich erinnere nur an die beiden Dokumente „Die katholische Schule“ und „Der katholische Laie - Glaubenszeuge in der Schule“; ich möchte hoffen, daß die Aufmerksamkeit, die dem katholischen Schulsektor in der Welt entgegengebracht wird, dazu beiträgt, die Schatten, von denen ich soeben sprach, zu vertreiben. 5. Der Faszikel über die Universitäten umfaßt weniger Seiten, ist aber deshalb nicht von geringerer Bedeutung. Er setzt die Studie der Magna Charta der katholischen Universitäten fort, und ich meine, man muß mit Energie, Einfühlsamkeit und Verständnis weitermachen, indem man den vorhandenen Schwierigkeiten und den verschiedenen milieubedingten Situationen Rechnung trägt, in denen die über die Welt verstreuten katholischen Universitäten am Werk sind. Das Ideal einer katholischen Universität vorzustellen ist eine schwierige, aber nicht unmögliche Aufgabe, und darum ermutige ich alle zu dieser Arbeit, die ich mit Aufmerksamkeit verfolge. Wie sollte man nicht betonen, welche Vorteile die Apostolische Konstitution Sapientia christiana den kirchlichen Universitäten und Fakultäten bereits gebracht hat und weiter bringt! Auch bei der Vorbereitung jenes Dokuments gab es Schwierigkeiten; aber der engagierte Einsatz, die Beharrlichkeit und der gute Wille aller hat sie überwinden lassen. So wird es auch für die katholischen Universitäten sein. Also: Voran im Namen des Herrn! 6. Wenn ich die Arbeit, die die Kongregation geleistet hat und weiter leistet, in ihrer Gesamtheit betrachte, kann ich nicht umhin, nochmals meine herzlichen Glückwünsche auszusprechen. Gehen Sie auf der eingeschlagenen Straße weiter, indem Sie das Vertrauen in die Hilfe des Herrn neubeleben. Er ist Ihnen sicher nahe, da Sie für Probleme eintreten, die neuralgische Punkte des kirchlichen Lebens berühren: Berufungen, Seminare, katholische Schulen und Universitäten. Das sind Brennpunkte, von denen zu einem großen Teil die Zukunft der Kirche abhängt. Ich ermutige Sie, mit diesem Bewußtsein und Verantwortungssinn Ihre Tätigkeit fortzusetzen. Und damit der Herr Ihnen bei dieser so umfassenden und wichtigen Arbeit helfe, beistehe und Sie erleuchte, erteile ich einem jeden von Ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. 1133 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Neue Bestimmungen zur Ausübung der zivilen Macht in der Regierung des Vatikanstaates Unserem ehrwürdigen Bruder Agostino Casaroli, Kardinalstaatssekretär Die wachsenden Sorgen für die Universalkirche lassen es geraten erscheinen, mich immer mehr der Erfüllung meines Sendungsauftrages zu widmen, und deshalb, Herr Kardinal, habe ich unter Berücksichtigung der Bestimmung in Nr. 25 der Apostolischen Konstitution Regimini Ecclesiae' nach reiflicher Überlegung beschlossen, Ihnen in Ihrer Eigenschaft als meinem Staatssekretär die besondere Vollmacht zu übertragen, mich in der zivilen Regierung des Staates der Vatikanstadt zu vertreten und in meinem Namen und an meiner Stelle - wobei Sie mir immer, vor allem in besonders wichtigen Angelegenheiten berichten - die mit meiner weltlichen Souveränität über diesen Staat verbundene Macht und Verantwortung auszuüben; von diesem Staat wird die Unabhängigkeit dieses Apostolischen Römischen Stuhles, zu dessen Führung mich die Vorsehung berufen hat, von allen irdischen Mächten garantiert. Während ich also in Anwendung der erwähnten Apostolischen Konstitution eine teilweise Änderung dessen vornehme, was mein Vorgänger Pius XII. mit einem Billet des Staatssekretariats vom April 1939 und unter ausdrücklicher Abweichung von der Bestimmung des Grundgesetzes des Vatikanstaates, Nr. 1 vom 7. Juni 1929, Art. 7, Paragraph 1, festgelegt hat, will ich und entscheide ich, daß Ihnen, Herr Kardinal, als meinem Staatssekretär die Päpstliche Kommission für den Staat der Vatikanstadt zusammen mit dem Kardinalspräsidenten, der noch ernannt wird, in allen Angelegenheiten, die die geltenden Gesetze meiner Person Vorbehalten, Bericht erstatten. Die nämliche Kardinalskommission wird — unter Mitwirkung eines Prälaten, der derzeit den Titel eines Pro-Präsidenten hat, und eines Sonderdelegaten - die ordentliche Regierung im Bereich der Machtbefugnisse weiterführen, die gemäß dem Gesetz vom 7. Juni 1929 der Person des Gouverneurs übertragen wurden oder übertragen werden können, auch -wie es bereits in jüngster Vergangenheit geschehen ist - bei Vakanz der hohen Staatsämter. In der Gewißheit, daß ich in Ihnen, Herr Kardinal, auch in dieser neuen Machtbefugnis eine starke Hilfe habe, rufe ich auf Ihre Person und die schwierige Aufgabe, die Ihnen anvertraut wird, die Gnade des Herrn und 1134 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Schutz der seligen Jungfrau Maria und des hl. Petrus herab und erteile Ihnen von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Aus dem Apostolischen Palast, am 6. April 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikats. Papst Johannes Paul II. „ Wenn es sie nicht gäbe, müßte man sie schaffen“ Ansprache an die Vollversammlung des Obersten Rates der Päpstlichen Missionswerke am 6. April 1. Ich danke euch herzlich für die freundliche Aufmerksamkeit, daß ihr im Rahmen des Arbeitsprogramms eurer Vollversammlung auch dem Papst begegnen wolltet, um eure Verbundenheit mit der Kirche zum Ausdruck zu bringen und ein Wort der Ermutigung zu empfangen. Ich habe diesem euren Wunsch gern entsprochen und freue mich, euch alle, die Verantwortlichen der Päpstlichen Missionswerke für die Glaubensverbreitung, des Petruswerkes, des Kindermissionswerkes und der Missionsunion, zu sehen und zu begrüßen. Ich begrüße insbesondere Kardinal Agnelo Rossi, dem ich für die freundlichen Worte danke, die er soeben gesagt hat, und mit ihm begrüße ich Msgr. Simon Lourdusamy als Präsidenten der Päpstlichen Missionswerke. <38> <38> Während ich meiner Freude über euer Zeugnis der Liebe und Treue zur Kirche Ausdruck gebe, kann ich nicht umhin, euch die Gefühle meiner Dankbarkeit zu bekunden für das von euch vollbrachte Gute: Denn mir ist der Einsatz wohl bekannt, mit dem ihr materiell und spirituell die apostolische Tätigkeit unterstützt, die manchmal unter Schwierigkeiten und Opfern von den Verkündern des Evangeliums geleistet wird, die auf den entlegensten Missionsstationen der Erde unter Menschen und Völkern arbeiten, die noch nichts oder kaum etwas von Christus und seiner Heilsbotschaft wissen. Diese wertvolle Tätigkeit missionarischer Zusammenarbeit wird von euch nicht nur in den Kirchen alten Ursprungs, sondern auch in jenen, die sich erst in letzter Zeit zum Christentum bekehrten, gefördert, um in allen Gläubigen ein starkes Missionsbewußtsein zu entwickeln. Tatsächlich bezieht das Zweite Vatikanische Konzil, das betont, daß die Kirche 1135 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ihrem Wesen nach missionarisch ist“ (Ad gentes, Nr. 2), heute mehr denn je alle Glieder des Gottesvolkes - ich würde sagen: in gebieterischer Weise - in die Missionstätigkeit ein. Auf diese Verpflichtung wurde auch vom neuen Codex des kanonischen Rechts hingewiesen (can. 781). Das umfassende und verbindliche Werk missionarischer Zusammenarbeit hat seine geeigneten Instrumente in den Päpstlichen Missionswerken, die bereits seit mehreren Jahrzehnten ihre Gültigkeit und Wirksamkeit beweisen. Auch wenn sie in je besonderen Bereichen tätig sind, stimmen sie in der einen Absicht überein, das Reich Christi, des Erlösers, zu verbreiten. Ihre Bedeutung ist so groß, daß man sie - wie mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. in seiner Botschaft zum Weltmissionssonntag 1974 gesagt hat -, „wenn es sie nicht gäbe, schaffen müßte“. 3. In allerletzter Zeit erfolgte die Verlegung des Kindermissionswerkes an den Sitz des Werkes für die Glaubensverbreitung in Rom. Dieser Schritt wird sicher seine Früchte tragen, weil er die zentrale Koordinierung mit den anderen Werken erleichtert. Gleichfalls mit Befriedigung nehme ich den neuen Impuls zur Kenntnis, den das Petruswerk erfuhr, das mit der Gründung neuer Seminare, mit der finanziellen Unterstützung der zahlreichen Ordens- und Priesterberufe, die in den Missionsgebieten eine vielversprechende Blüte erfahren, den Dienst an den jungen, künftigen Generationen sicherstellt. Ich wurde auch darüber unterrichtet, daß ihr in der Pastoralsitzung das Thema behandelt: „Die biblischen Grundlagen in der Pastoraltätigkeit der Päpstlichen Missionswerke.“ Zweifellos bildet die Heilige Schrift zusammen mit der Tradition die erste Quelle der götttlichen Offenbarung. Die Wahl dieses Themas war daher äußerst passend, weil ihr durch seine Vertiefung immer besser verstehen könnt, daß das Wort Gottes, wenn es die Führung und Grundlage der gesamten Pastoraltätigkeit der Kirche bilden soll, mit noch größerem Recht das Fundament der Missionstätigkeit sein muß, die sich im wesentlichen der Weitergabe der Inhalte der Offenbarung selbst widmet. Das angemessene und methodische Studium der Bibel, ihre klare und sachkundige Erklärung für die Gläubigen, natürlich unter Anpassung der Auslegung an die gegebenen Möglichkeiten, die Vorbildung und das Alter der Zuhörer, werden daher die Arbeit der Missionswerke in wunderbarer Weise verstärken. So werden die Gläubigen in euch die lebendigen Zeugen des heilbringenden Wortes erkennen, die den Missionsauftrag Christi weiterführen. 1136 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Ihr wißt, daß ich, so Gott will, demnächst eine neue apostolische und missionarische Reise in Gebiete unternehmen werde, die der pastoralen Sorge der Kongregation für die Glaubensverbreitung anvertraut sind. Es wird eine unermeßliche Freude für mich sein, persönlich Zeugnis von der „Sorge für alle Gemeinden“ (2 Kor 11,28) zu geben, was ich als universaler Hirt der Herde Christi für eine meiner wichtigsten Pflichten halte. Es handelt sich um junge, aber an evangelischen Impulsen reiche Kirchen, wie die Kirche von Fairbanks in Alaska, die Kirche von Korea, die das 200jährige Jubiläum ihrer Evangelisierung begehen wird, die Kirche von Papua-Neuguinea, die Kirche der Salomon-Inseln und die Kirche in Thailand. Kirchen, die geographisch sehr weit entfernt, aber alle meinem Herzen nahe und gleichermaßen teuer sind, ja die wegen ihrer Schwierigkeiten und Prüfungen jeglicher Art einen besonders bevorzugten Platz einnehmen. Betet darum und laßt die Gläubigen eurer Nationen darum beten, daß diese nächste Reise auch eine neue Gelegenheit sei, die es jedem Christen ermöglicht, immer stärker den missionarischen Antrieb zu verspüren, der alle in dem Bemühen vereinen soll, die unermeßlichen Wohltaten der Erlösung jenen Brüdern zu vermitteln, die ihrer noch beraubt sind. Möge dieses ausgehende außerordentliche Jubiläumsjahr für jeden ein weiterer Antrieb und Ansporn sein. Mein Segen begleite euch in eurem Bemühen um die Förderung der Missionswerke der Länder, in die ihr wieder zurückkehrt mit den Worten Christi im Herzen: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern, . . . und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Seid gewiß: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ {Mt 28,19-20). 1137 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mündig werden für das „Zeitgespräch der Kirche“ Ansprache an die Teilnehmer des Rom-Seminars der Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse (AKP) am 6. April Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der katholischen Presse gilt mein besonderes Interesse. Mit dankbarer Anerkennung Ihrer wichtigen Arbeit und mit dem Wunsch zur Ermutigung begrüße ich Sie als Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Presse in Deutschland und Ihre Kollegen aus Österreich sehr herzlich. In einem Rom-Seminar haben Sie Ihre Verbundenheit mit dem Apostolischen Stuhl zu vertiefen gesucht durch persönlichen Kontakt mit jenen, die mir bei der Wahrnehmung des Petrusdienstes unermüdlich helfen, angefangen von jenem Amt, das Ihrer Aufgabe besonders zugeordnet ist, der Päpstlichen Kommission für die sozialen Kommunikationsmittel. Als Journalisten wollen Sie hier den Puls fühlen, und ich hoffe, daß er sich -am Ende Ihres Seminars - als kraftvoll erwiesen hat. Fühlen Sie sich zu stets großem Einsatz angespornt in Ihrem besonderen Dienst am ganzen Volk Gottes, im Dienst an Ihren Lesern, die ich Ihnen noch viel zahlreicher wünsche, damit dank Ihrer Informationsarbeit und Lebenshilfe im Glauben noch mehr Gläubige mündig werden für das „Zeitgespräch der Kirche“, das unseren Glauben immer und jeweils neu zu stärken und in das Interesse der Öffentlichkeit zu rücken vermag, als Orientierung und Hilfe sowie als Einladung für Suchende. Angesichts solch tiefgreifender und umfassender Verantwortung der katholischen Presse finden Sie zuverlässige Weisung und sicheres Geleit in den Äußerungen des II. Vatikanischen Konzils, zumal in dem besonders auf Ihre Berufung bezogenen Dekret Inter mirifica und in der darauf aufbauenden konkreten Pastoralinstruktion Communio et progressio. Sehen Sie dort das organische und dynamische Ganze Ihrer Sendung! Nehmen Sie dadurch an dem Auftrag der Kirche teil, in dieser Epoche ihrer Geschichte das vom Geist Gottes gewirkte ökumenische Konzil unverkürzt und lebendig zum Heil der Menschen zu verwirklichen! Die großen und säkularen Aufgaben der katholischen Presse brauchen eine solide Basis: wirtschaftlich gesunde Verlage, weitsichtige internationale Kooperation, vor allem im Bereich katholischer Nachrichtenagenturen, sowie umfassende und intensive fachliche wie spirituelle Ausbildung von Journalisten für die „Sache der Kirche“ in der Zukunft. In diesem 1138 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zusammenhang möchte ich auch die unersetzlichen Dienste an der katholischen Presse im Bereich von Werbung und Vertrieb würdigen. Indem ich Sie meines besonderen Gebetes für Sie selbst und für die fruchtbare Wahrnehmung Ihrer publizistischen Berufung in der Kirche versichere, erteile ich Ihnen und Ihren Kollegen daheim von Herzen den Apostolischen Segen. „Den Krieg zu verhindern, ist schon ein Wirken für den Frieden“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe für die Soldaten auf dem Petersplatz am 8. April Seid willkommen, liebe Soldaten, die ihr aus verschiedenen Teilen Italiens und aus zahlreichen Ländern der Welt nach Rom gekommen seid, um das Jubiläumsjahr zu feiern! Indem ich euch herzlich begrüße, erweise ich euren Fahnen meine Ehrerbietung, die Symbol des Vaterlandes und ständiger Hinweis auf die Gesinnung der Kühnheit, des Edelmutes, der Selbstlosigkeit sind, die dem Leben Würde verleihen. Christus nimmt euch heute unter das Banner des Kreuzes. Möge seine Botschaft der Liebe und des Friedens in euren Herzen großen Widerhall finden! Ein besonderes Grußwort richte ich an die Verteidigungsminister und die Verantwortlichen der hier anwesenden Militärbistümer. Ebenso erwähne ich die Freiwilligen Helferinnen des Internationalen Roten Kreuzes, die Vertreter des Patronats der Militärseelsorge und des Internationalen Militärapostolats. Einen herzlichen Willkommensgruß auch an euch, Soldaten Und Militärseelsorger deutscher Sprache! In dieser betenden Gemeinschaft seid ihr heute als katholische Christen angesprochen, versammelt unter dem Siegeszeichen Christi, dem Kreuz. Lernt vom Kreuz Christi und von seiner Hingabe, um den Menschen und eurem Volk wahrhaft dienen zu können. 1. „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben“ (Joh 11,21.32). 1139 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Worte, die ihr im Evangelium der heutigen Messe gehört habt, wurden zuerst von Martha, dann von Maria, den beiden Schwestern des Lazarus, gesprochen und an Jesus von Nazaret gerichtet, der ihr Freund und der ihres Bruder war. Die heutige Liturgie lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Tod. Heute ist der fünfte Fastensonntag, und es naht die Zeit der Passion Christi. Die Zeit des Todes und der Auferstehung. Heute blicken wir auf dieses Ereignis durch den Tod und die Auferweckung des Lazarus. In der messianischen Sendung Christi dient dieses erschütternde Ereignis als Vorbereitung auf die Karwoche und Ostern. 2. „.. . Dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ In diesen Worten erklingt die Stimme des menschlichen Herzens, die Stimme eines liebenden Herzens, das von dem Zeugnis gibt, was der Tod ist. Wir hören fortwährend vom Tod, reden und lesen Meldungen über den Tod verschiedener Personen. Es gibt eine systematische Information zu diesem Thema. Es gibt auch die Todesstatistik. Wir wissen, daß der Tod eine allgemeine und ununterbrochene Erscheinung ist. Wenn täglich auf der Erde ungefähr 145 000 Menschen sterben, kann man sagen, daß in jedem Augenblick Menschen sterben. Der Tod ist ein universales Phänomen und ein gewöhnliches Ereignis. Die Universalität und Normalität des Faktums bestätigen die Wirklichkeit und die Unvermeidlichkeit des Todes, aber zugleich verwischen sie gewissermaßen die Wahrheit über den Tod, seine undurchdringliche Botschaft. Hier reicht die Sprache der Statistiken nicht aus. Es braucht die Stimme des menschlichen Herzens: die Stimme einer Schwester wie im heutigen Evangelium, die Stimme einer Person, die liebt. Die Wirklichkeit des Todes in ihrer ganzen Wahrheit kann nur in der Sprache der Liebe ausgedrückt werden. Denn die Liebe widersteht dem Tod und wünscht das Leben . . . Keine der beiden Schwestern des Lazarus sagt „mein Bruder ist gestorben“, sondern jede sagt: „Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben.“ Die Wahrheit über den Tod läßt sich nur aus der Perspektive des Lebens, aus dem Wunsch nach Leben zum Ausdruck bringen: das heißt vom Verbleiben in der liebevollen Gemeinschaft mit einem Menschen. Die Wahrheit über den Tod wird in der heutigen Liturgie in Beziehung zur Stimme des menschlichen Herzens ausgedrückt. 3. Zugleich findet sie Ausdruck in Beziehung zur Sendung Christi, des Welterlösers. 1140 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus von Nazaret war der Freund des Lazarus und seiner Schwestern. Der Tod des Freundes hat sich auch in seinem Herzen mit besonderem Widerhall bemerkbar gemacht. Als Jesus nach Betamen kam, als er die Schwestern und andere dem Toten nahestehende Menschen weinen sah, „war er im Innersten erregt und erschüttert“ (Joh 11,33), und in dieser inneren Verfassung fragte er: „Wo habt ihr ihn bestattet?“ (ebd.) Jesus von Nazaret ist zugleich der Christus, der, den der Vater in die Welt gesandt hat: Er ist der ewige Zeuge der Liebe des Vaters. Er ist der endgültige Wortführer dieser Liebe vor den Menschen. Er ist gewissermaßen der Gefangene dieser Liebe für jeden und alle. In ihm und durch ihn bestätigt und erfüllt sich die ewige Liebe des Vaters in der Geschichte des Menschen, sie bestätigt und erfüllt sich in überreichem Maße. Und die Liebe widersteht dem Tod und wünscht das Leben. Der Tod des Menschen widersetzt sich seit Adam der Liebe: Er widersetzt sich der Liebe des Vaters, der der Gott des Lebens ist. Die Wurzel des Todes ist die Sünde, die sich ebenfalls der Liebe des Vaters widersetzt. In der Geschichte des Menschen ist der Tod mit der Sünde verbunden und widersetzt sich der Liebe wie die Sünde. 4. Jesus Christus ist in die Welt gekommen, um den Menschen von der Sünde zu erlösen; von jeder Sünde, die im Menschen wurzelt. Deshalb hat er sich der Wirklichkeit des Todes widersetzt; denn in der Geschichte des Menschen ist der Tod mit der Sünde verbunden: er ist Folge der Sünde. Jesus Christus ist durch seinen Tod am Kreuz, der das Opfer zur Wiedergutmachung jeder Sünde war, der Erlöser des Menschen geworden. In seinem Tod hat Jesus Christus das Zeugnis von der Liebe des Vaters bestätigt. Die Liebe, die dem Tod widersteht und das Leben wünscht, kommt in der Auferstehung Christi zum Ausdruck, in der Auferstehung dessen, der, um die Welt von den Sünden zu erlösen, freiwillig den Tod am Kreuz auf sich genommen hat. Dieses Ereignis heißt Ostern: das Osternmysterium. Jedes Jahr bereiten wir uns durch die Fastenzeit darauf vor, und der heutige Sonntag zeigt uns bereits aus der Nähe dieses Mysteriums, in dem die Liebe und die Allmacht Gottes offenbar geworden sind, da das Leben den Sieg über den Tod davongetragen hat. <39> <39> Was in Betanien am Grabe des Lazarus geschah, war gleichsam die letzte Ankündigung des Ostergeheimnisses. Jesus von Nazaret blieb neben dem Grab seines Freundes Lazarus stehen und rief: „Lazarus, komm heraus!“ (Joh 11,43). Mit diesen machtvollen 1141 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Worten erweckte ihn Jesus wieder zum Leben und ließ ihn aus dem Grab hervor kommen. Bevor Christus dieses Wunder vollbrachte, „erhob er seine Augen und sprach: Vater, ich danke dir, daß du mich erhört hast. Ich wußte, daß du mich immer erhörst, aber wegen der Menge, die um mich herum steht, habe ich es gesagt; denn sie sollen glauben, daß du mich gesandt hast“ (ebd., Vers 41-42). Am Grab des Lazarus kam es zu einer besonderen Konfrontation des Todes mit dem Erlösungsauftrag Christi. Christus war der Zeuge der ewigen Liebe des Vaters - jener Liebe, die dem Tod widersteht und das Leben wünscht. Mit der Auferweckung des Lazarus legte er Zeugnis ab von dieser Liebe. Er legte auch Zeugnis ab von der ausschließlichen Macht Gottes über Leben und Tod. Zugleich war Christus am Grab des Lazarus der Prophet seines eigenen Geheimnisses: des Ostergeheimnisses, in dem der Erlösungstod am Kreuz zur Quelle neuen Lebens in der Auferstehung wurde. 6. Heute, am fünften Fastensonntag, feiert eine besondere Pilgergruppe ihr Jubiläumsjahr der Erlösung: die Soldaten. Die Anwesenheit einer so beträchtlichen Anzahl von Personen, die dem Vaterland unter den Waffen dienen, wirft weitreichende Fragen auf: Ist es möglich, gute Christen und gute Soldaten zu sein? Wie kann ein Mann der Waffen vor Christus treten, der gütig und von Herzen demütig ist (vgl. Mt 11,29)? Wie kann man mit den Waffen dem inneren und internationalen Frieden dienen? Was bedeutet für junge Soldaten die Feier des Jubiläumsjahres der Erlösung? Eine erste Antwort liegt in der Tatsache eurer Anwesenheit um den Altar im Rahmen einer Pilgerfahrt, die Soldaten aus verschiedenen Nationen, verbrüdert durch ein und denselben Glauben an einen einzigen Gott und Herrn, hier vereint. Ihr seid hier als Männer zusammengekommen, die für den Frieden tätig sein wollen, um der Gerechtigkeit Kraft zu geben, um den Tod durch die Liebe zu besiegen. Ich wiederhole: eure heutige Anwesenheit bestätigt das in der Tat. Beseelt von einem tiefen Verlangen nach Gebet und innerer Versöhnung, werdet ihr, durch diese Liturgie der Lobpreisung brüderlich verbunden, trotz der verschiedenen Herkunft zu einem Einzigen. Ihr habt euch hier eingefunden, weil ihr wißt, das das Heil allein von Christus kommt, und weil ihr den Wunsch habt, an der Erlösung mitzuwirken, um in der Welt die Fülle der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Heiligkeit zum Ausdruck zu bringen. 1142 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Aber es gibt noch eine tiefere Antwort, und zwar die, daß den Krieg zu verhindern schon ein Wirken für den Frieden ist. In diesem Sinne können sich alle - bemerkte schon das Zweite Vatikanische Konzil „die als Soldaten im Dienst des Vaterlandes stehen, sich als Diener der Sicherheit und Freiheit der Völker betrachten. Indem sie diese Aufgabe recht erfüllen, tragen sie wahrhaft zur Festigung des Friedens bei“ (Gaudium et spes, Nr. 79). Das Ideal des völligen Friedens gehört zum Wesen des Christentums. Wehe, wenn ihm dieses Ideal abhanden käme. Aber das darf den Christen nicht von der realistischen Betrachtung der Lage des Menschen abhalten, die von der Sünde geschwächt und nicht selten gefährdet ist. Aus dieser Betrachtung erwächst denn auch das Bewußtsein der Verpflichtung zur Verteidigung des Lebens und auch - und noch mehr - zum Schutz der Werte des Lebens. Die Kirche rät seit langem zu einer konkreten Überwindung des Gleichgewichts des Schreckens durch eine wirksamere internationale Organistion. Muß man nicht den schon von den Vätern des Zweiten Vatikanischen Konzils ausgesprochenen Wunsch wiederholen, den Wunsch nach „einer zuständigen internationalen Autorität, die mit entsprechenden Mitteln ausgestattet ist“, um von jeder Verletzung des Rechts abzuhalten und, wenn nötig, das verletzte Recht wiederherzustellen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 79)? Die fortschreitende Verwirklichung dieses Ideals würde bald radikale Auswirkungen auf die aktuellen Verhältnisse haben, weil sie der politischen Verhandlung den Vorrang einräumt, die auf Vernunft, Überzeugung und gegenseitiger Achtung gründet und zugleich durch die bestehenden ernsthaften internationalen Garantien bekräftigt wird, durch die die militärische Macht jeder Versuchung zur Hegemonie einer Seite entzogen werden soll. Der sittliche Charakter eures Berufes, liebe Soldaten, ist mit diesem Ideal des Friedensdienstes in den einzelnen nationalen Gemeinschaften und noch mehr im weltweiten Kontext verbunden. Die Logik des Dienstes, d. h. des Einsatzes für die anderen, hat ihren Grund in der christlichen Lebensauffassung. Wenn ihr zu dieser Quelle zurückgeht, bedeutet das, den tiefsten Grund eures Berufsstandes zu entdecken, der über die berechtigten rein persönlichen und familiären Interessen hinaus Opferbereitschaft und Solidarität einschließt. So sind es an erster Stelle die Christen, die sich für die Überwindung der Versuchung zur Gewalt einsetzen wie auch die Mühe des konkreten Einsatzes für die Verteidigung der Sache des Friedens und der Liebe auf sich nehmen. 1143 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 8. Die Pilgerfahrt, die ihr heute aus Anlaß des Jubiläumsjahres unternommen habt, führt euch, liebe Soldaten, die ihr aus verschiedenen Ländern hier zusammengekommen seid, in das Geheimnis der Erlösung ein; das geschieht durch die Liturgie dieses Fastensonntags, die uns auffordert, innezuhalten an der Front zwischen Leben und Tod, um Gottes Allmacht und Liebe anzubeten. Das sind die Worte des Propheten Ezechiel: „So spricht Gott, der Herr: . . . Wenn ich eure Gräber öffne und euch, mein Volk, aus euren Gräbern heraufhole, dann werdet ihr erkennen, daß ich der Herr bin“ (Ez 37,12.13). Diese Worte haben sich am Grab des Lazarus in Betanien erfüllt. Sie haben sich endgültig erfüllt am Grab Christi auf Golgota. Darüber unterrichtet uns die heutige Liturgie. In der Auferstehung des Lazarus ist Gottes Macht über Geist und Leib des Menschen offenbar geworden. In der Auferstehung Christi wurde der Heilige Geist als Quelle des neuen Lebens geschenkt: des göttlichen Lebens. Dieses Leben ist die ewige Bestimmung des Menschen. Es ist seine von Gott empfangene Berufung. In diesem Leben verwirklicht sich die ewige Liebe des Vaters. Denn die Liebe begehrt das Leben und widersetzt sich dem Tod. Liebe Brüder! Leben wir aus diesem Leben! Damit nicht die Sünde in uns Oberhand gewinne! Leben wir aus diesem Leben, dessen Preis die Erlösung durch den Kreuzestod Christi ist! „Wenn der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er, der Christus Jesus von den Toten auf erweckt hat, auch euren sterblichen Leib lebendig machen, durch seinen Geist, der in euch wohnt“ (Röm 8,11). Der Heilige Geist wohne stets in euch durch die Gnade der Erlösung Christi. Amen. 1144 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Möge Amerika sich selbst treu bleiben Ansprache bei der Audienz für den ersten US-amerikanischen Botschafter beim Hl. Stuhl, William A. Wüson, am 9. April Herr Botschafter! Es ist mir eine große Freude, nach der jüngsten Aufnahme diplomatischer Beziehungen Sie als ersten außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika beim Hl. Stuhl willkommen zu heißen. Das ist tatsächlich, wie Sie festgestellt haben, ein historischer Augenblick: Die freundschaftlichen Beziehungen, die seit langem zwischen den Vereinigten Staaten und dem Hl. Stuhl bestehen, werden heute in neuer und besonderer Weise bestätigt. Diplomatische Verbindungen geben nun in der üblichen Form, die den Regeln der internationalen Gemeinschaft entspricht, einer Beziehung enger Zusammenarbeit, die schon seit vielen Jahren fruchtbare Ergebnisse gezeitigt hat, konkrete Gestalt. Auf seiten des Hl. Stuhles bedeutet diese Zusammenarbeit das ernsthafte Bemühen, einen Dienst zu leisten. Sie bedeutet, einen offenen Dialog anzuknüpfen über die wichtigen Fragen, die der Gesellschaft selbst zugrunde liegen. Sie bedeutet gemeinsame Anstrengungen zur Verteidigung der Menschenwürde und der Rechte der menschlichen Person — jedes Menschen, jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes auf dieser Erde. Bei dieser Zusammenarbeit faßt der Hl. Stuhl einen nützlichen und achtungsvollen Gedankenaustausch über den Frieden und die Entwicklung in der Welt ins Auge und über die wesentlichen Voraussetzungen für ihre Verwirklichung, angefangen bei der Notwendigkeit, die Freiheit zu schützen, die Gerechtigkeit zu fördern und die Wahrheit gegen jeden Manipulationsversuch zu verteidigen. Und da Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit sich auf konkrete Lebenssituationen beziehen, müssen unsere gemeinsamen Sorgen unbedingt die weltumfassenden Probleme einschließen, wie den Hunger, das Wettrüsten, menschliches Elend, die Unterdrückung der Schwachen, die Lage der Armen, die Situation von Flüchtlingen, die Verletzung der Gewissensfreiheit, die ganzheitliche Entwicklung des einzelnen, der Gemeinschaft und der Völker. Alle diese Aspekte sind für die Regierung der Vereinigten Staaten ebenso von lebenswichtigem Interesse wie für die Katholiken der Vereinigten Staaten und der Welt, weil sie das Leben der Menschen — des amerikanischen Volkes und 1145 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aller anderen Völker der Welt — zutiefst berühren und wegen der besonderen Stellung der Vereinigten Staaten auf der internationalen Bühne. Sie, Herr Botschafter, haben unterstrichen, und das mit Recht, daß in vielen Punkten die Grundsätze, auf die Ihre Republik gegründet wurde, aufs engste mit den Grundsätzen des Hl. Stuhls gleichgerichtet sind. Ja, es ist eine Frage religiöser und menschlicher Werte und moralischer Grundsätze. Die Anerkennung Gottes und die Verteidigung der menschlichen Würde und damit des menschlichen Lebens sind zweifellos ein sehr kostbarer Teil Ihres nationalen Erbes. Ihre Unabhängigkeitserklärung spricht zur ganzen Welt über die „Gesetze der Natur und des Gottes der Natur“ und erkennt mit großer Weisheit dem Menschen unveräußerliche Rechte zu. Ihre Verfassung sieht ihrerseits die Notwendigkeit, „Gerechtigkeit zu schaffen . . . und die Wohltaten der Freiheit zu gewährleisten“. Anläßlich des 200. Jahrestages der Verkündigung der Unabhängigkeitserklärung hat mein Vorgänger Paul VI. seiner tiefen Bewunderung für die gesunden Grundlagen des amerikanischen Lebens Ausdruck gegeben und seine Hoffnung bekundet für „eine erneuerte Hingabe an jene moralischen Grundsätze, die von euren Gründungsvätern formuliert und für immer in eure Geschichte eingeschrieben worden sind“ (Ansprache an amerikanische Kongreßmitglieder, 26. April 1976). Zur Größe des amerikanischen Ideals gehört zweifellos die Offenheit anderen Völkern gegenüber: nicht im Sinn „fremder Einmischungen“, sondern im Sinn brüderlicher Sorge „um das Wohlergehen - wie Sie sagten — unserer Mitmenschen in der ganzen Welt“. Ich kann bei dieser Gelegenheit nicht umhin, meine Überzeugung zum Ausdruck zu bringen, daß die Lage der heutigen Welt in großem Maße davon abhängt, wie die Vereinigten Staaten ihrem weltweiten Sendungsauftrag des Dienstes an der Menschheit nachkommen. Die Vereinigten Staaten sind für diese universale Aufgabe des Offenseins für den anderen hervorragend geeignet aufgrund ihrer inneren Zusammensetzung als Nation: „Ex pluribus unum!“ Setzt sich Amerika nicht aus unzähligen ethnischen Gruppen und allen Rassen der Erde zusammen? Besitzt es nicht in seinen Bürgern die Empfänglichkeit für andere Völker: für ihre Kulturen, ihre Bedürfnisse, ihr Sehnen nach Menschenwürde und Frieden? Es ist mein Gebet, Herr Botschafter, daß Amerika sich selbst treu bleiben und seine Identität erneuern wird in Treue zu den sittlichen und religiösen Grundsätzen und im Dienst an einer Welt, die des Friedens und der Menschenrechte bedarf, einer Welt, die nach Brot hungert und nach Gerechtigkeit und brüderlicher Liebe dürstet. Mit diesen Gefühlen bitte 1146 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ich Gott, Ihnen in Ihrer Mission beizustehen, und rufe seinen Segen auf den Präsidenten und das ganze Volk der Vereinigten Staaten herab. Der Sport muß im Dienst des Menschen stehen Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Sportler im römischen Olympiastadion am 12. April Liebe Brüder und Schwestern! 1. Im Laufe dieses außerordentlichen Heiligen Jahres durfte auch das Glaubenszeugnis der Vertreter der Welt des Sports nicht fehlen, jenes menschlichen und sozialen Phänomens, das so große Bedeutung und Auswirkung in der zeitgenössischen Lebens- und Denkweise hat. Es ist daher für mich ein Grund zu großer Freude, mit euch, Männer und Frauen, die sich dem Sport widmen, das Jubiläum der Erlösung zu feiern, die Christus durch sein Leiden, seinen Tod und seine Auferstehung vollbracht hat. Der hl. Paulus, der die zeitgenössische Welt des Sports gekannt hat, schreibt im ersten Brief an die Korinther, den wir soeben gehört haben, an die in griechischem Milieu lebenden Christen: „Wißt ihr nicht, daß die Läufer im Stadion zwar alle laufen, aber daß nur einer den Siegespreis gewinnt? Lauft so, daß ihr ihn gewinnt“ (1 Kor 9,24). Der Völkerapostel, der, um allen Völkern die Botschaft Christi zu bringen, Begriffe, Bilder, Terminologien, Ausdrucksweisen, philosophische und literarische Zitate nicht nur aus der jüdischen Überheferung, sondern auch aus der griechischen Kultur schöpft, zögerte nicht, den Sport unter die menschlichen Werte zu zählen, die ihm als Anhalts- und Bezugspunkte für den Dialog mit den Menschen seiner Zeit dienten. Er erkannte also die grundlegende Gültigkeit des Sports an, der ihm nicht nur eine Vergleichsmöglichkeit bot, um ein höheres ethisches und asketisches Ideal zu erläutern, sondern er sah ihn auch in seiner inneren Wirklichkeit als Bildungsfaktor des Menschen und als Komponente der Kultur und der Gesellschaft. 1147 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hymnus auf das Leben So hat der hl. Paulus in Fortsetzung der Lehre Jesu die christliche Haltung gegenüber dieser wie anderen Ausdrucksformen der natürlichen Fähigkeiten des Menschen, wie Wissenschaft, Arbeit, Kunst, Liebe, soziales und politisches Engagement, festgelegt: keine Haltung der Ablehnung oder der Flucht, sondern der Achtung, der Wertschätzung, wenn nicht gar der Befreiung und Erhebung: mit einem Wort, der Erlösung. 2. Und gerade diese Auffassung des Christentums als Annahme, Übernahme, Vervollkommnung und Erhebung der menschlichen Werte - und damit als Hymnus auf das Leben - möchte ich heute euch und allen anvertrauen, die in irgendeiner Form und in jedem Land der Welt diese menschliche Tätigkeit, den Sport, ausüben und sich für ihn interessieren. Das Jubiläum wirft das Licht der Erlösung auch auf dieses menschliche und soziale Phänomen, indem es seine positiven Werte lobend hervorhebt. Wir können nicht verschweigen, daß es auch auf diesem Gebiet leider nicht an negativen oder zumindest fragwürdigen Aspekten fehlt, die heute mit Recht von Spezialisten, die Sitten und Verhaltensweisen beobachten, analysiert und beklagt werden, und unter denen ihr selbst zweifellos leidet. Aber wir wissen auch um die vielen Anstrengungen, die unternommen werden, damit stets eine „Philosophie des Sports“ herrsche, deren Schlüsselwort nicht „Sport um des Sports willen“ heißt oder der keine anderen Motivierungen als die Würde, die Freiheit, die ganzheitliche Entwicklung des Menschen zugrunde liegen. Ihr selbst bekräftigt im „Manifest der Sportler“, das ihr anläßlich dieses Jubiläums verbreitet habt, feierlich, daß „der Sport im Dienst des Menschen und nicht der Mensch im Dienst des Sportes steht und daher die Würde der menschlichen Person das Ziel und den Maßstab für die Beurteilung jeder sportlichen Aktivität darstellt ... Der Sport ist ein fairer und hochherziger Wettkampf, ein Ort der Begegnung, ein Band der Solidarität und Freundschaft . . . Der Sport kann echte Kultur sein, wenn die Umgebung, in der er ausgeübt wird, und die dabei gewonnene Erfahrung für die menschlichen und universalen Werte zur ausgewogenen Entwicklung des Menschen in allen seinen Dimensionen offen stehen und empfänglich sind“. Und ihr sagt weiter, daß der Sport „wegen seiner Universalität auf internationaler Ebene als Mittel der Brüderlichkeit und des Friedens in Erscheinung tritt“ 1148 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und daß ihr euch darum bemühen wollt, daß „er für die Menschen und für die Welt ein wirksames Instrument der Versöhnung und des Friedens sei“! 3. Ja, liebe Sportler, möge diese wirklich außergewöhnliche Begegnung in euch das Bewußtsein von der Notwendigkeit stärken, sich dafür einzusetzen, daß der Sport immer mehr dazu beiträgt, die Gesellschaft mit der gegenseitigen Liebe, aufrichtigen Freundschaft und echten Solidarität zu durchdringen. In der Tat kann der Sport einen wertvollen und fruchtbaren Beitrag zum friedlichen Zusammenleben aller Völker jenseits aller Diskriminierung durch Rasse, Sprache und Nationszugehörigkeit leisten. Gemäß dem Wortlaut der Olympischen Charta, die im Sport die Gelegenheit zu „einer besseren gegenseitigen Verständigung und Freundschaft“ sieht, um eine bessere und friedlichere Welt aufzubauen, sollt ihr bemüht sein, euch durch eure Begegnungen vor der ganzen Welt ein Beispiel zu geben und den Anfang zu setzen für die neue Ära, in der „sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen“ schmieden (,Jes 2,4). Die Gesellschaft blickt auf euch voll Hoffnung und ist euch dankbar für euer Zeugnis zugunsten der Ideale eines friedlichen bürgerlichen und sozialen Zusammenlebens zum Aufbau einer neuen Gesellschaft im Zeichen der Liebe, der Solidarität und des Friedens. Diese Ideale gereichen den Sportlern, die darüber nachgedacht und sie verkündet haben, zur Ehre, besonders aber den zahlreichen Meistersportlern - von denen einige heute hier anwesend sind -, die diese Ideale im Laufe ihrer Karriere vorgelebt und mit beispielhaftem Einsatz verwirklicht haben! 4. Der hl. Paulus unterstreicht in dem Abschnitt, den wir gehört haben, auch die innere und geistliche Bedeutung des Sports: „Jeder Wettkämpfer lebt aber völlig enthaltsam“ (2 Kor 9,25). Das ist die Anerkennung einer guten Dosis von Ausgeglichenheit, Selbstdisziplin, Nüchternheit und somit schließlich der Tugend, die zur Sportausübung gehört. Um ein tüchtiger Sportler zu sein, sind Ehrlichkeit gegenüber sich und den anderen, Loyalität, moralische Kraft, mehr als physische, Ausdauer, Geist der Zusammenarbeit und Geselligkeit, Hochherzigkeit, Selbstlosigkeit, Weite der Gesinnung und des Herzens, die Fähigkeit, miteinander zu leben und zu teilen, unerläßlich: Das alles sind Erfordernisse: der Sittenordnung; doch der Apostel fügt sogleich hinzu: „Jene (d. h. die Wettkämpfer in den griechischen und römischen Stadien) tun dies, um einen vergänglichen Siegeskranz (d. h. Ruhm, irdische, vorübergehende, kurz- 1149 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebige Belohnung, auch wenn er die Begeisterung der Massen hervorruft), wir aber, um einen unvergänglichen Siegeskranz zu gewinnen“ (.1 Kor 9,25). In diesen Worten finden wir die Elemente, um nicht nur eine Anthropologie, sondern eine Ethik des Sports und auch eine Theologie zu entwerfen, die seinen ganzen Wert herausstellt. Der Leib ist Tempel des Heiligen Geistes Der Sport ist zunächst eine Würdigung des Leibes, das Bemühen, optimale körperliche Bedingungen zu erreichen, was beträchtliche psychologische Folgen nach sich zieht. Vom christlichen Glauben her wissen wir, daß der Mensch total und integral, mit Leib und Seele, durch die Taufe zum Tempel des Heiligen Geistes wird: „Oder wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt und den ihr von Gott habt? Ihr gehört nicht euch selbst; denn um einen teuren Preis (nämlich mit dem Blut Christi, des Erlösers) seid ihr erkauft worden. Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 9,19-20). Sport ist Kampfgeist, Wettkampf um die Erlangung eines Siegeskranzes, eines Pokals, eines Titels, eines Rekords. Aber vom christlichen Glauben her wissen wir, daß der „unvergängliche Siegeskranz“ kostbarer ist, das „ewige Leben“, das wir von Gott als Geschenk erhalten, das aber das Ziel eines täglichen Ringens in der Übung der Tugenden ist. Und wenn es ein wirklich bedeutendes Wetteifern gibt, dann lautet es, wieder nach dem hl. Paulus: „Strebt nach den höheren Gnadengaben“ (1 Kor 12,31), also nach den Gaben, die am besten dem Wachstum des Reiches Gottes in euch und in der Welt dienen! Sport ist Lebensfreude, Spiel, Fest und wird als solcher gewertet und vielleicht heute von den Auswüchsen der Technik und des Professionalismus befreit durch die Rückgewinnung seiner Unentgeltlichkeit, seiner Fähigkeit, Bande der Freundschaft zu knüpfen, den Dialog und die Öffnung zueinander zu fördern als Ausdruck der Fülle des Seins, das gültiger und wertvoller ist als das Haben und damit über den harten Gesetzen von Produktion und Konsum und jeder anderen rein utilitaristischen und hedonistischen Betrachtungsweise des Lebens steht. 4. Das alles, liebe Freunde, erlangt seine Fülle im Evangelium der Liebe, dessen Verkündigung wir mit den Worten Jesu gehört haben, die uns der hl. Johannes überliefert, und das sich in einem einzigen Gebot zusammenfassen läßt: Liebt! 1150 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus fordert eindringlich: „Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben . . . Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird. Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe . . . Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage . . . Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt . . . Dies trage ich euch auf: Liebt einander!“ (Joh 15,9-17). Bei dieser einzigartigen und bedeutsamen Gelegenheit, wie sie unsere heutige Begegnung darstellt, möchte ich euch allen und besonders den jüngeren diese Botschaft, diesen Ausdruck, dieses Gebot Christi anvertrauen: Liebt! Liebt einander! Bleibt in der Liebe Christi und macht eure Herzen weit von Bruder zu Bruder! Das ist das Geheimnis des Lebens und auch die tiefste und wahrste Dimension des Sports! Lebt als Freunde und Brüder Euch allen will ich noch sagen: Bemüht euch in dieser so herrlichen und so verwirrten Zeit um den Aufbau einer Kultur der Liebe, einer Gesellschaft im Zeichen der Liebe! Zu diesem Aufbau könnt ihr durch den Sport und durch euer ganzes Verhalten, durch die Frische eurer Empfindungen und den Ernst der Disziplin, zu dem euch auch der Sport erziehen kann, beitragen. Lebt als Menschen, die untereinander Freunde und Brüder bleiben, auch wenn ihr um den „Kranz“ eines irdischen Sieges kämpft! Drückt einander die Hand, vereint eure Herzen in der Solidarität der Liebe und der Zusammenarbeit ohne Grenzen! Erkennt und achtet in euch selbst, einer im andern, das Zeichen der Vaterschaft Gottes und der Brüderlichkeit in Christus! Ich vertraue in die Aufrichtigkeit eures Glaubens und eures Willens; ich vertraue in eure Jugend, ich vertraue in euren Vorsatz, euch über den Sport hinaus für das Heil des modernen Menschen, für den Anbruch jenes „neuen Himmels“ und jener „neuen Erde“ (vgl. 2 Petr 3,13) einzusetzen, nach denen wir alle uns mit der Glut christlicher Hoffnung sehnen! Ich spüre, daß nicht zuletzt die Kirche eurer Heimatländer mit euch rechnen kann! Ihr habt Vorbilder, an denen ihr euch inspirieren könnt. Ich denke zum Beispiel an Pier Giorgio Frassati, der ein moderner junger Mann und offen für die Werte des Sports war, ein tüchtiger Alpinist und ein 1151 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erprobter Skifahrer, der aber gleichzeitig ein mutiges Zeugnis der Hochherzigkeit im christlichen Glauben und in der Übung der Nächstenliebe, besonders gegenüber den Ärmsten und Leidenden, zu geben wußte. Der Herr hat ihn im Alter von nur vierundzwanzig Jahren, im August 1925, zu sich gerufen; aber er ist mit seinem Lächeln und mit seiner Güte noch immer unter uns lebendig, um seine Altersgenossen zur Liebe Christi und zum tugendhaften Leben aufzufordern. Nach dem Ersten Weltkrieg schrieb er: „Mit der Liebe sät man unter den Menschen den Frieden, freilich nicht den Frieden der Welt, sondern den Frieden, den uns allein der Glaube an Christus geben kann, wenn wir uns verbrüdern.“ Diese seine Worte hinterlasse ich euch zusammen mit seiner geistlichen Freundschaft als Programm, damit auch ihr an jedem Ort auf Erden Träger des wahren Friedens Christi seid! Ich wünsche euch, daß ihr den neuen Zeiten mit jenem „neuen Herzen“ entgegengeht, das jeder von euch in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung gleichsam als ein Gnadengeschenk und eine Errungenschaft der Liebe in sich verwirklichen konnte! Amen. „ Oft ist das Radio das einzige Mittel für Information und Katechese“ Ansprache an die Vorstandsmitglieder der Europäischen Rundfunkunion (UER) am 13. April Herr Präsident der Europäischen Rundfunkunion! Herr Präsident der technischen Kommission! Meine Damen und Herren! 1. Am 3. April 1981, kurz vor Ostern, habe ich hier auch die Programmkommission der Europäischen Rundfunkunion empfangen. Heute, drei Jahre später und wiederum im Zeitraum desselben liturgischen Festes, habe ich die Freude, mit den höchsten Mitgliedern der Union zum Abschluß der Arbeiten der technischen Kommission zusammenzutreffen, die auf Einladung von Radio Vatikan in der Vatikanstadt stattgefunden haben. Seien Sie willkommen und erlauben Sie mir, vor allem Herrn Albert Scharf und Herrn Carlo Terzani zu begrüßen. Ich danke ihnen für 1152 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Worte, die sie im Namen aller Teilnehmer an mich gerichtet haben. Worte, die erfüllt sind von dem lebendigen Bewußtsein der Ihnen obliegenden Verantwortlichkeiten. Gerade die Kirche als „Sachverständige in Menschlichkeit - wie es mein Vorgänger Paul VI. einmal treffend formulierte - und überzeugt von der Bedeutung Ihrer Tätigkeiten, kann Ihnen gegenüber nur respektvoll und fordernd sein. Und möge Gott, der Vater alles Guten, Sie Ihre beachtliche Macht mit einem Gewissen ausüben lassen, das Sie unaufhörlich dazu anhält, den wahren Dienst an der Menschheit zu suchen! Qualifikation und Zielsetzung Ihrer Union sind mir bekannt. Ich denke an Ihre Sorge, das Feld der Rundfunkübertragung auszuweiten, Programme auszutauschen (hier ist Eurovision das bekannteste Vorbild), die dieses große Kommunikationsmittel betreffenden Studien zu koordinieren, desgleichen die zu unterstützen, die mit einer Aufgabe in allen Bereichen der Radiodiffusion betraut sind. Kreativität, Engagement und Demut Diese berufliche Zusammenarbeit gehört zu dem Ideal, das Ihre Kräfte im Dienst der Öffentlichkeit mobilisiert. Sie erfordert gleicherweise viel Kreativität, Engagement und Demut. Der echte Geist des Dienens verpflichtet dazu, über die nationalen Grenzen hinauszuschauen und nach dem gemeinsamen Guten zu suchen, indem man sich von einer breiteren Inspiration ansprechen läßt. Es besteht eine wachsende Notwendigkeit an exakter Information, an wirklichem wechselseitigem Kennenlernen, am Wissen um die Probleme des ganzen Planeten, auch wenn diese Arbeit häufig von Angst und Furcht diktiert wird. Man kann diese Arbeit - die ja gerade Ausdruck davon ist - nicht von der allgemeinen Forderung nach Frieden trennen, die mehr und mehr die einzelnen und die Völker gewinnt. Ohne Kommunikation und Dialog wird kein Frieden errichtet. Aber es gibt auch keinen Dialog, wenn kein Raum vorhanden ist, den anderen zu hören. All das begründet die große Bedeutung Ihrer Aufgabe. Denn die heutige Zeit verlangt, daß die Ethik Ihrer öffentlichen Tätigkeit Dienst an der Menschheit wird. <40> <40> Im Bereich der Zielsetzung Ihrer Union besteht eine besondere Aufgabe der technischen Kommission darin, die Verbesserungen zu studieren und vorzuschlagen, die an den Geräten und Einrichtungen vorzunehmen sind, deren sich einerseits die Sendeanstalten und anderseits die Konsu- 1153 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menten bedienen. Die Schnelligkeit der technischen Entwicklung und ihr Einfluß auf die Veränderungen der Gesellschaft machen Ihre Aufgabe zugleich anspruchsvoll und faszinierend. In den Bereichen, wo die technische Kommission kürzlich Untersuchungen und Anstrengungen unternommen hat, möchte ich an erster Stelle und was die Produktionstechniken betrifft die magnetische Ton- und Bildaufzeichnung durch das Digitalverfahren (elektronische Methode) und die Entscheidung für eine einzige Norm in Zusammenarbeit mit der Industrie erwähnen. Und an zweiter Stelle möchte ich im Bereich der Übertragungstechniken nennen: die Studien im Hinblick auf die direkte Rundfunk- und Fernsehübertragung mit Hilfe von Satelliten unter besonderer Berücksichtigung von Erfahrungen, die neben einer bestimmten Anzahl nationaler Wellenbereiche einen sogenannten „europäischen“ vorsehen, der im Rahmen der Europäischen Rundfunkunion zahlreiche Länder erfassen soll; die Entwicklung des Fernsehens dank der Satellitenprogramme; die Festsetzung einer einzigen Norm für die Kodifizierung von Video-Bildern zum Gebrauch bei der Direktübertragung über Satelliten; die vorbereitenden Studien für das Fernmeldewesen (UIT): die eine zur Planung bestimmter Wellenlängen für die Hörfunkübertragung auf Ultrakurzwelle, die andere zur weltweiten Verteilung der dem Hörfunk zugewiesenen Kurzwellen. Der Staat der Vatikanstadt, der an diesen Tagungen, besonders an jener, die die Verteilung der Kurzwellensender behandelt, unmittelbar interessiert ist, hat - wie schon bei anderen Tagungen der UIT - einmal mehr die Wirksamkeit der Hilfe feststellen können, die die technische Kommission der Europäischen Rundfunkunion dessen Mitgliedern sowohl in Form von Studien und Vorschlägen als auch durch die Bereitstellung der erforderlichen Einrichtungen leistet. 3. Die Kirche war die Jahrhunderte hindurch nicht unempfänglich für die Ausdrucksformen der Kultur und der Künste. Das beweisen die vielen Kunstwerke, die innerhalb der Mauern dieser winzigen Stadt zum Nutzen der Menschheit gehütet werden. Sodann konnte die Kirche nicht gleichgültig gegenüber den Möglichkeiten bleiben, die sich ihr durch die Technik eröffneten. Das war besonders der Fall, wenn sich wissenschaftliche Entdeckungen so unmittelbar an ihren Grundinstinkt wandten, an den wahren Grund ihres Wesens, nämlich die Verkündigung der Frohbotschaft an alle Männer und Frauen überall auf der Welt. Mein großer Vorgänger Pius XI. erkannte die Bedeutung des Rundfunks. Die erste von Guglielmo Marconi errichtete Rundfunkstation wurde im Vatikanstaat 1154 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zwei Jahre nach der Errichtung dieses Staates in Betrieb genommen. Pius XI. weihte sie am 12. Februar 1931 mit einer Botschaft an die ganze Welt ein. Aber das Projekt selber war viel älter. Bereits 1925 plante Pater Gianfra-neschi, der damalige Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und danach erste Direktor von Radio Vatikan, eine Station, die nicht nur dem Papst die Möglichkeit böte, zur Welt zu sprechen, sondern auch ein Mittel zur Verbreitung der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung sein sollte. So galten die ersten Programme von Radio Vatikan wissenschaftlichen Themen und wurden in Latein ausgestrahlt, der Sprache der Universalkirche und damals auch noch Sprache der Wissenschaft. Das Programm trug den Titel „Scientiarum nuntius radiophonicus“. In der Sendung vom 23. Februar 1933 wurde unter dem Titel „De microundis in Colle Vaticano“ bekanntgegeben, daß mit Hilfe Marconis und von Ingenieur Mathieu das erste Zentrum für drahtlose Kurzwellen-Telegraphie eingerichtet und zwischen dem Vatikan und Castel Gandolfo in Betrieb sei. Obwohl das System bereits bekannt und erprobt war, konnte der Sprecher mit berechtigtem Stolz verkünden, daß Radio Vatikan die erste und bisher einzige Einrichtung sei, die regelmäßig das System der Kurzwellenradiotelegraphie benützte. Heute, im Zeitalter der elektronischen Massenmedien, bringt einen diese aristokratische Auffassung vom Rundfunk zum Lächeln. Heute muß Radio Vatikan der Herausforderung begegnen, den Bischof der Weltkirche mit sämtlichen, auch den abgelegensten, Ortskirchen und diese mit dem Papst und untereinander in Kontakt zu bringen. Jedermann weiß, daß die schwierigsten Distanzen, die es zu überwinden gilt, sehr oft gar nicht die geographischen sind. In vielen Regionen der Welt ist das Radio das einzige Mittel, Informationen und Katechese zu bieten und zu ermöglichen, daß die Weisung und das aktuelle Wort des Oberhirten diejenigen erreichen, die diese hören wollen. Radio Vatikan erfährt laufend das Mißverhältnis zwischen seinen beschränkten Mitteln und den Anforderungen des Dienstes, zu dem es sich berufen fühlt. Während es dieser Herausforderung, die auch eine technische ist, begegnet, ist es in wertvoller Zusammenarbeit mit Ihnen verbunden. Ich kann bei diesem freudigen Anlaß nicht umhin, meine Dankbarkeit für das Radio Vatikan gewährte Verständnis und die Hilfe zum Ausdruck zu bringen; Radio Vatikan ist stolz darauf, zu den Gründungs- und aktiven Mitgliedern Ihrer Organisation zu gehören. Diese Zusammenarbeit war besonders hilfreich während der verschiedenen Pastoralbesuche, die ich 1155 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als Teil meiner apostolischen Mission manchen Ihrer Länder abgestattet habe. Aber mein Dank geht allgemein an alle Ihre Rundfunkvereinigungen, die in voller Achtung vor dem Pluralismus von Kulturen, Religionen und Meinungen meiner weltweiten Mission Aufmerksamkeit geschenkt und ein positives Echo gegeben haben. Mein Dank gilt auch jedem einzelnen von Ihnen, dessen Arbeit dazu beiträgt, Entfernungen zu überwinden und die Menschen einander dadurch näherzubringen, daß sie ihnen stärker ihre gemeinsame Bestimmung bewußt macht. Wieviel Verwirrung und Kontraste Hier führen uns unsere Gedanken dahin, ernsthaft über das Geheimnis der Größe und Gebrechlichkeit des Menschen selbst nachzudenken. Er hat großartige Errungenschaften in Wissenschaft und Technik vollbracht. Und doch gelingt es ihm nicht immer, sie in den Dienst seines eigenen echten Wohls zu stellen. Wieviel Verwirrung und Kontraste herrschen auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel bei deren Gebrauch! Wie ungleich sind Mittel und Einrichtungen verteilt! Was für eine Verschwendung wertvoller Energie als Folge gegensätzlichen Interesses, von Egoismus und Herrschsucht! Traurig, daß als Folge hier wie in anderen Bereichen alle Schaden leiden. Die Kirche ist nicht berufen, technische Lösungen für die großen Probleme anzubieten, die die Menschheit quälen. Das ist nicht ihre Aufgabe. Es ist nicht ihre Sendung. Ihr Sendungsauftrag besteht darin, den Menschen ständig an seine Würde, an sein wahres Wohl zu erinnern. Ihre Aufgabe ist es, unermüdlich das Evangelium des Friedens zu verkündigen und im Dienst an den Brüdern von der Wahrheit Zeugnis zu geben. Das ist ihre Aufgabe. Aufgrund dieses Auftrages bitte ich Sie als Männer der Medien dringend, stets Diener der Wahrheit, Verteidiger der Freiheit, Baumeister des Friedens zu sein. Dies soll mein Wunsch für Sie sein: daß der Friede in Ihnen, in Ihren Familien und an den Stätten, an denen Sie arbeiten und einen so beachtlichen Teil Ihres Lebens verbringen, fortdauern möge. Gott segne Sie und alle Ihre Lieben. Er segne die Vereinigungen, die Sie vertreten, die Länder, denen Sie angehören. Gott segne Ihre Hoffnungen, Ihre Pläne, Ihre Entschlüsse. 1156 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Die wahre Kraft liegt in Christus“ Ansprache an die Jugend aus aller Welt auf dem Petersplatz am 14. April Liebe Jugend! 1. Zunächst meinen Gruß und Dank an jeden und jede von euch für die pünktliche Anwesenheit, die beim Abschluß des außerordentlichen Jubiläumsjahres der Erlösung für Rom — aber nicht nur für Rom — ein Zeichen der Hoffnung, der Zuversicht und der geistlichen Kraft darstellt. Ich würde lieber sagen: Eure Anwesenheit ist ein Zeugnis und hat Zeugniswert! Sodann begrüße ich die Persönlichkeiten aus dem politischen Leben Italiens, die heute unter uns sind, sowie die anwesenden Kardinäle und Bischöfe. Ihre Teilnahme an dieser Begegnung unterstreicht die Wertschätzung, mit der man von allen Seiten auf euch, hebe Jugend, als die Träger der Gesellschaft von morgen blickt. Welch großartiges Schauspiel bietet auf dieser Bühne eure heutige Versammlung! Wer hat behauptet, die heutige Jugend habe dem Sinn für die Werte verloren? Stimmt es wirklich, daß man nicht auf sie zählen kann? Nun, ich meine, schon die Erfahrung dieser Tage - eine großartige und tröstliche Erfahrung der Gemeinsamkeit, der Brüderlichkeit und des Mutes zum offenen Bekenntnis des Glaubens - ist an sich eine Antwort auf derartige Fragen und eine Widerlegung solcher Zweifel! Darum fühlte ich das Bedürfnis, noch einmal mit euch zusammenzutreffen, um den begonnenen Dialog fortzusetzen und uns - euch und mich -auf den erhabenen und feierlichen Augenblick vorzubereiten, den wir morgen, an dem heiligen Tag, an dem die Gedächtnisfeier der erlösenden Passion Christi beginnt, erleben werden. Morgen werden wir gemeinsam die Palmzweige schwenken als bedeutsames Symbol jenes Glaubens, der euch nach Rom geführt hat: ein Glaube, der bekräftigt und gestärkt wird durch die Kontakte, die bei dieser einzigartigen Erfahrung des Jubiläumsjahres geknüpft wurden, und durch die Konfrontierung mit dem Leben und seinen Problemen. <41> <41> Von diesem Wunsch leitet sich das Thema meiner Ansprache ab. Denn es ist ein echtes Lebensproblem zu prüfen, welchen Platz die Jugend in der heutigen Welt hat. Doch statt abstrakter Ausführungen möchte ich mich lieber direkt an euch wenden und mit euch ein Gespräch führen: Ich werde also von eurem Platz sprechen und will gleich sagen, daß er euch garantiert, „reserviert“ ist und euch von Rechts wegen aus dem einfachen 1157 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Grund des Generationenwechsels zusteht. Wo heute die Erwachsenen oder die Alten sind, werdet eines Tages ihr sein, und das in einer Zukunft, die unaufhaltsame, technische Entwicklung und Sozialgesetzgebung schneller näherbringen, als man glaubt. Es ist eine fast banale Behauptung zu sagen, die Zukunft gehöre der Jugend, auch wenn man anderseits erwartet, daß die Jugend diese Zukunft nicht aufbauen und gestalten kann, ohne das Erbe der früheren Generationen zu übernehmen, ohne „Vater und Mutter zu ehren“ (vgl. Dtn 5,16), die ihnen das Leben geschenkt und ihre höchsten Werte und Ideale mitgegeben haben. Aber die Frage wird schärfer und verfänglicher, wenn sie von einem nicht allzu fernen oder ständig näherrückenden Ziel („ihr werdet eines Tages den Platz einnehmen, der euch gebührt“) zum aktuellen Zustand übergeht: Welchen Platz habt ihr jetzt als Jugendliche? Hier kann sich tatsächlich mancher Zweifel erheben vor der Offensichtlichkeit bestimmter Tatsachen: Wie ließe sich zum Beispiel leugnen, daß die Welt der Erwachsenen manchmal versucht, die Jüngeren auszuschließen? Wie könnte man bestreiten, daß es in der modernen Welt so viele Bedrohungen und Gefahren gibt, die die Jugendlichen mit größerer Klarheit und Unmittelbarkeit, gleichsam aus Instinkt, wahrnehmen? Wie kann man angesichts solcher Bedrohungen der entscheidenden Frage unserer Tage über den allgemeinen Sinn des heutigen Lebens entfliehen: Wohin treibt die Welt? Und wohin wird der wissenschaftlich-technische Fortschritt mit seinen unleugbaren Gefahren führen? Und wie läßt sich der alles umstürzende Wahnsinn eines Atomkrieges ausschließen? Ihr fühlt euch von einer Gesellschaft bedroht, die ihr nicht gewählt habt, einer Gesellschaft, die ihr nicht aufgebaut habt, der ihr aber dennoch mit zunehmender Verantwortlichkeit angehört. Diese Gesellschaft scheint vom Wahnsinn erfaßt, wenn sie alle ihre Kräfte mobilisiert, um zu dem vorzustoßen, was ihre Zerstörung bedeutet. Der wissenschaftliche und technologische Fortschritt hat den Menschen scheinbar zum Herrn der materiellen Welt gemacht. Die Erfahrung zeigt leider, daß es sich nicht um eine neutrale wissenschaftliche Beherrschung handelt, wie manche gedacht hatten. Der moderne Mensch ist tatsächlich versucht, jede Sache als manipulierbar zu betrachten, und kommt oft so weit, daß er sich selbst unter die manipulierbaren Dinge einreiht. Das ist die große Bedrohung unserer Zeit! Es liegt nun an euch, liebe Jugend, mit jener aufmerksamen Besonnenheit, die sich sehr gut mit eurem natürlichen Enthusiasmus verbinden läßt, einen persönlichen Beitrag zur Überwindung unbefriedigender Situatio- 1158 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen zu leisten, wozu ihr aus eurem Glauben Inspiration und aus eurer Dynamik Kraft schöpft. Ihr könnt das tun, indem ihr den Dialog mit den Erwachsenen offen haltet und mit ihnen freimütig ohne jede Bitterkeit sprecht: Wir — werdet ihr zu ihnen sagen — anerkennen und nützen das, was ihr uns anbietet; wir legen euch nicht die Früchte und den Komfort des Fortschritts zur Last; wir leugnen eure Verdienste nicht; aber wir bitten euch, an eurer Seite stehen zu können, wenn es gilt, gewisse Mißbildungen auszumerzen, dauernde Ungerechtigkeiten zu überwinden. Wir möchten einen positiven und keinen tödlichen Fortschritt, der allen gehört und für alle da ist, nicht nur für einige; der der Sache des Friedens dient und nicht dem Krieg; der die Glaubwürdigkeit der Menschheit fördert und niemals den göttlichen Funken im Menschen schwächt oder herabsetzt. Manche von uns fühlen sich übersehen und an den Rand gedrängt; wir akzeptieren keine Lösungen, die zum Verfall führen; wir wollen euch die Kraft unserer Hoffnung anbieten! Der Lebenselan in uns, der ein Geschenk Gottes ist, steht immer bereit, für den Menschen und niemals gegen den Menschen eingesetzt zu werden. 3. Hier rühren wir an den Kern des Problems: Ihr selbst müßt euch in verantwortlicher Weise mit den Erwachsenen verbunden fühlen, indem ihr euch mit ihnen zusammen für die Beseitigung des Übels, der vielen Übel einsetzt und mit ihnen für die Wiederherstellung der echten Werte in der heutigen Gesellschaft zusammenarbeitet. Genau hier, in dem einträchtigen Bemühen aller, kann das Problem selbst eine Lösung finden: Statt gelehrter Erörterungen über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Generationen bedarf es heute dringend einer besser aufeinander abgestimmten und solidarischen Aktion, um so mehr, als die Gefahren für alle größer geworden sind. Neben den Pflichten der einen stehen also die Pflichten der anderen, und mit den Pflichten die entsprechenden Rechte. Und was ist nun eure Aufgabe, meine heben, jungen Freunde? Nach allem, worauf ich oben hingewiesen habe, möchte ich sagen, euch kommt eine Art prophetischer Funktion zu: Ihr könnt Anklage gegen die heutigen Übel und Mißstände erheben, indem ihr zunächst gegen jene verbreitete „Kultur des Todes“ Einspruch erhebt, die sich zumindest in bestimmtem ethnisch-sozialen Kontext (zum Glück nicht überall) als eine gefährliche, schiefe Bahn zum Absinken und Untergang herausstellt. Auf eine solche Kultur zu reagieren ist euer Recht und eure Pflicht: Ihr müßt immer das Leben hochschätzen und euch um seine Hochschätzung bemü- 1159 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hen, indem ihr jene Formen systematischer Gewalt zurückweist, die mit der Auslöschung des ungeborenen Lebens beginnen, sich in den unzähligen Gewalttaten der Kriege fortsetzen, alte und behinderte Menschen ausschließen, um schließlich in die Euthanasie einzumünden. Euch fällt aufgrund eurer angeborenen Sensibilität für die von Christus verkündeten Werte und eurer Abneigung gegen Kompromisse zu, euch gemeinsam mit den Älteren, die sich nicht mit solchen Kompromissen abgefunden haben, für die Überwindung der anhaltenden Ungerechtigkeiten und all ihrer vielfältigen Formen zu kämpfen, die wie die obengenannten Übel im Herzen des Menschen ihre Wurzel haben. Das alles hätte übrigens keinen Sinn, wenn ihr es nicht fertigbrächtet, auch eine mutige „Selbstanzeige“ vorzunehmen durch Feststellung der Grenzen all dessen, was an bestimmten Forderungen übertrieben ist, und durch Verzicht auf die mitunter instinktive und immer irrationale Versuchung zu totalem Protest und blinder Auflehnung. An euch ist es, festzustellen, ob sich nicht auch in euch ein Bazillus jener „Kultur des Todes“ (z. B. Drogen, Terror, Erotismus und die vielfältigen Formen des Lasters) eingenistet hat, der - leider! - eure Jugend vergiftet und zerstört. Ich sage euch, liebe Jugend, noch einmal: Gebt der „Kultur des Todes“ nicht nach. Wählt das Leben. Stellt euch auf die Seite all derer, die ihren Leib nicht zu einem bloßen Objekt herabwürdigen lassen. Respektiert euren Leib! Er ist Teil eures Menschseins: Er ist Tempel des Heiligen Geistes. Er gehört euch, weil er euch von Gott geschenkt wurde. Er wurde euch nicht als ein Ding geschenkt, von dem ihr Gebrauch machen und das ihr mißbrauchen könnt. Er gehört zu eurer Person als Ausdruck eurer selbst, als eine Sprache, mit deren Hilfe ihr mit den anderen in einen Dialog der Wahrheit, der Achtung, der Liebe eintreten könnt. In eurem Leib könnt ihr die geheimste Seite eurer Seele, den persönlichen Sinn eures Lebens zum Ausdruck bringen: eure Freiheit, eure Berufung. 4. „Verherrlicht also Gott in eurem Leib!“ (1 Kor 6,20). Und verherrlicht ihn in eurem Leben! Liebe, junge Freunde, vergeßt nicht: Eure Anklage gegen die Widersprüche in der Welt der Erwachsenen wird um so wirkungsvoller und glaubwürdiger, je mehr ihr imstande seid, in erster Linie vor euch selbst das Beispiel eines auf das Rechte und das Redliche gerichteten Willens zu geben, einer reifen Initiative, einer konsequenten Treue zu den positiven Linien des Lebens und zu den beständigen Werten, wie Religiosität, Freiheit, Gerechtigkeit, Fleiß, Korrektheit, Zusammenarbeit, Frieden. Anzuklagen genügt freilich nicht: Man muß handeln. Man muß sich ganz 1160 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN persönlich, zusammen mit allen Menschen guten Willens für ;den Aufbau einer Welt einsetzen, die wahrhaftig den Menschen, den Kindern Gottes, gerecht wird. Mit täglich neuer Hoffnung müßt ihr an der Seite derer, die diesen Kampf bereits vor euch aufgenommen haben, darum kämpfen, das Übel wiedergutzumachen, die Trauernden zu trösten, ihnen das Wort der Hoffnung anzubieten, das die Herzen zur Umkehr bewegen und zum Segen statt zum Fluch, zur Liebe statt zum Haß hinführen kann. Auf diese Weise werdet ihr Zeugen des Lichtes Christi in einer Welt sein, in derdie Schatten des Bösen weiterhin die Menschenherzen gefährlich bedrängen. Euer Mut und eure Kraft werden um so größer sein, je mehr ihr begreift, daß es in diesem Kampf zwischen Licht und Finsternis nicht unsere Sache sein kann zu bestimmen, wie sich dieser Kampf entwickeln und noch weniger, wie er ausgehen muß. Unsere Aufgabe ist lediglich, unsere Rolle in ihm aufrichtig und konsequent wahrzunehmen, wobei wir auf die Kraft des auferstandenen Christus setzen, bis der Vater, der die Geschichte ihrer jenseitigen Bestimmung zuführt, die Fülle der Zeiten für gekommen hält. 5. Wenn ihr mit den neuen Augen, die der Glaube euch schenkt, auf die Welt zu blicken vermögt, dann werdet ihr imstande sein, ihr mit ausgestreckten Händen in einer Geste der Liebe entgegenzugehen. Ihr werdet in ihr mitten in dem vielen Elend und in all der Ungerechtigkeit die unerwartete Gegenwart der Güte, die bezaubernden Perspektiven der Schönheit, begründete Anlässe zur Hoffnung auf ein besseres Morgen entdecken können. Wenn ihr das Wort Gottes in euer Herz eindringen und es erneuern laßt, werdet ihr verstehen, daß nicht alles, was die Erwachsenen und besonders eure Eltern euch weitergegeben haben, abgelehnt werden muß. Es gilt nur, alles klug zu prüfen, um das, was hinfällig und vergänglich ist, zu verwerfen und das Gültige und Bleibende zu behalten. Ja, ihr werdet entdecken, wieviel Anerkennung ihr jenen schuldet, die euch vorausgegangen sind, weil auch sie gehofft, gekämpft und gelitten haben. Und all das haben sie für euch getan. Denn das ist die Wahrheit: Die jungen Generationen von gestern, die Generationen eurer Eltern und Großeltern haben für euch Mühen, Schmerzen und Verzicht auf sich genommen in der Hoffnung, daß euch die Prüfungen erspart bleiben, die über sie hereingebrochen sind. Vielleicht ist es ihnen nicht gelungen, euch den besten Teil ihrer selbst zu vermitteln. Aber wenn ihr die Augen offenhaltet, werdet ihr die Liebe entdecken, von der ihre Versuche inspiriert waren, und ihr werdet dahin gelangen, in der Vergangenheit 1161 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nicht so sehr eine Last als vielmehr eine Kraft, nicht so sehr eine Abhängigkeit als vielmehr ein Angebot und eine Möglichkeit zu erkennen. Wenn ihr auf den Ruf Gottes zu antworten vermögt, werdet ihr noch viel überraschendere Dinge entdecken — und viele von euch haben das gewiß schon getan: Ihr werdet entdecken, daß die wahre Jugend die ist, die Gott selber schenkt. Nicht jene, die dem im Meldeamt eingetragenen Alter entspricht, sondern jene, die in einem von Gott erneuerten Herzen aufbricht. Ihr werdet entdecken, daß der Jüngere sich an die Seite des Älteren stellen und einen Dialog eröffnen kann, in dem man zur gegenseitigen Bereicherung und immer neuen Freude gibt und empfängt. Ihr werdet entdecken, daß der Ärmste, der an seinem Leib am meisten Geschlagene, der menschlich und sozial Rechtlose wahrhaft im Himmelreich der erste sein kann, daß er oder sie es sein können, deren Gott sich bedient, um das Heil in die Welt zu bringen. Ihr werdet entdecken, daß ein Kranker, ein Sterbender sein Leben mit dem Leben Christi vereinen und wie der Mächtigste und Weiseste dazu beitragen kann, den Lauf der Dinge umzukehren. Ihr werdet entdecken, wo die wahre Kraft liegt, die die Welt umzugestalten vermag. 6. Die wahre Kraft liegt in Christus, dem Erlöser der Welt! Das ist der zentrale Punkt der ganzen Ansprache. Und das ist auch der Augenblick, um die entscheidende Frage zu stellen: Dieser Jesus, der jung war wie ihr, der in einer Familie vorbildlich lebte und die Welt der Menschen gründlich kannte - wer ist dieser Jesus für euch? Ist er bloß ein Mensch, ein großer Mensch, ein Sozialreformer? Ist er nur ein von den Seinen mißverstandener Prophet (vgl. Joh 1,11), dem zu seiner Zeit widersprochen (vgl. Lk 2,34) und der darum getötet wurde? Oder ist er nicht vielmehr der „Menschensohn“, also der Mensch schlechthin, der in der Menschwerdung die Drangsale und Nöte seiner Menschenbrüder auf sich genommen hat und immer wieder auf sich nimmt und zugleich als „Sohn Gottes“ sie alle befreit und erlöst? Ich weiß, daß Christus, Mensch und Gott, für euch der höchste Bezugspunkt ist. Ich weiß es! In den Hinweisen auf die Passion, die die Osterliturgie nunmehr wieder zusammenstellt, hören wir im heutigen Evangelium zwischen den Zeilen eines zynischen Ränkespiels das dunkle Wort des Kajaphas, der daran dachte, den Unschuldigen zu opfern, „damit nicht das ganze Volk zugrunde geht. Das aber - bemerkt der Evangelist als Psychologe - sagte er nicht aus sich selbst; sondern . . . aus prophetischer Eingebung sagte er, daß Jesus für das Volk sterben werde. Aber er sollte nicht nur für das 1162 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Volk sterben, sondern auch, um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,50-52). Diese Prophezeiung, hebe Jugend, hat sich erfüllt. Christus ist für die Menschen gestorben, für die Menschen aller Generationen, die auf Erden einander folgen. Christus ist gestorben und hat durch seinen Tod die Kinder Gottes wieder vereint, indem er sie zu Brüdern machte. Die Erlösung des Menschen ist sein Werk; die Einheit der Menschen ist sein Werk; und das eine wie das andere hat universalen Wert und ist von ewiger Dauer, weil es aus der unerschöpflichen Kraft seiner Auferstehung genährt wird. Das Wesentliche ist also, an Christus als Mensch und Gott zu glauben; an Christus, der gestorben und auferstanden ist; an Christus, der die ganze Menschheit erlöst und wieder zusammenführt. Wenn eure Anhänglichkeit an ihn lebendig und unerschütterlich ist, wird es euch leichter gelingen, die kleinen und großen Probleme zu lösen, die sich in eurem Leben — ob als einzelne, ob als Vertreter der jungen Generation — einstellen. Vergeßt in keiner Lebenslage, daß Gott die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen einzigen Sohn für uns hingegeben hat (vgl. Joh 3,16). Sucht in eurem Glauben die Gründe zur Hoffnung und die Art zu reagieren, die den Jüngern Christi entspricht. Festigt also euren Glauben; belebt ihn neu, wenn er schwach ist! Öffnet Christus die Türen! Öffnet eure Herzen Christus, nehmt ihn als Begleiter und Führer eures Weges an! In seinem Namen werdet ihr imstande sein, eine frohere, menschlichere Zukunft für euch und für eure Brüder vorzubereiten. Es liegt an euch, vor allem an euch, ihm das dritte Jahrtausend zu weihen, das am menschlichen Horizont schon sichtbar wird. „In Jesus Christus zum Heil berufen“ Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe mit der Jugend auf dem Petersplatz am 15. April 1. „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn“ {Mt 21,9). Die Kirche spricht jedes Jahr wieder diese Worte voller Jubel und Hoffnung, die einst auf den Straßen, die nach Jerusalem führten, erklan- 1163 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, als sich Jesus der Stadt seiner messianischen Bestimmung näherte. In der Liturgie des Palmsonntags weckt die Kirche von neuem diese Freude und diese Hoffnung, die den Einzug Jesu in Jerusalem begleiteten. Er kam wie einer der Pilger zum Osterfest, inmitten der Menge seiner Mitpilger. Er ging nicht zu Fuß, sondern ritt auf dem Jungen einer Eselin, damit sich die Worte des Propheten erfüllten: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers“ (ebdVers 5). Dein König . . . Er trug in sich das wahre Erbe der Könige Israels aufgrund seiner Abstammung von David. Er trug in sich die königliche Sendung für das Reich Gottes auf dieser Erde. Diese Sendung sollte sich durch das Kreuz verwirklichen. Jesus von Nazaret ging nach Jerusalem, um zu sterben: um einen für Menschen zutiefst schändlichen Tod zu erleiden, der näher war, als man damals denken konnte. Aber im Augenblick, als Jesus in Jerusalem einzog, umgab ihn noch die Begeisterung der Pilgermassen. In ihrer heutigen Liturgie lebt die Kirche diese Begeisterung nach, um den Ereignissen um das Ostergeheimnis einen deutlicheren Hintergrund zu geben. Heute beginnt die heilige Karwoche, die Woche des Leidens, des Todes und der Auferstehung Jesu Christi aus dem Stamme Davids: Jesu Christi, des Sohnes Gottes. 2. An der Begeisterung der Pilger, die mit Jesus nach Jerusalem kamen, hatten die Kinder und Jugendlichen besonderen Anteil. „Pueri Hebraeorum“ - „Kinder Israels“. Das erklärt auch die besondere Teilnahme der Jugendlichen an der Liturgie des Palmsonntags auf dem Petersplatz. So ist es jedes Jahr. Aber in besonders auffälliger Weise ist es so in diesem Jubiläumsjahr der Erlösung, bei dem der Palmsonntag der Höhepunkt der Jubiläumsteilnahme der Jugendlichen geworden ist. Zu diesem Jubiläum seid ihr als Pilger aus den verschiedenen Regionen Italiens und anderer Länder, ja sogar aus den verschiedenen Kontinenten des Erdkreises gekommen. Mit dieser Pilgerfahrt der Jugend schließt ihr euch jener Jugend von Jerusalem an, die Jesus von Nazaret begleitete und rief: „Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn!“ und so ihre Begeisterung für den Messias ausdrückte. 3. Begeisterung für eine bestimmte Person: Jesus Christus ist noch immer das Ideal, das vollkommenste Modell des Menschen. Die Jugendlichen 1164 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schauen auf ihn; denn jung sein bedeutet, das Modell des wahren Menschen nötig zu haben: das Modell einer vollen, einfachen und klaren Menschlichkeit, einer vorbildhaften Menschlichkeit. Das Verlangen nach solcher Menschlichkeit ist besonders stark in den Jugendlichen; denn gerade sie sind vor die Frage gestellt: Wie soll der Mensch sein? Was für ein Mensch lohnt es sich zu sein? Wie muß ich sein, um die Menschennatur, die mir gegeben ist, mit echtem Gehalt zu erfüllen? Die jungen Menschen, die Jesus Christus bei der Palmsonntagsliturgie umgeben, wollen also die Begeisterung ausdrücken, die seine Person in immer neuen Generationen hervorruft. Sie alle rufen gleichsam: Hosanna dem Sohn Davids! Es lohnt sich, Mensch zu sein, denn du selbst bist Mensch gewesen! Du bist in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis zu geben! Durch deine Liebe warst du ganz für die anderen da. Du hast die Menschennatur mit einfachem, klarem und echtem Gehalt gefüllt. Du gibst uns immer wieder Antwort auf die Fragen, die den Menschen, vor allem den jungen Menschen bedrängen. Darum: Sei gegrüßt, Jesus von Nazaret, der du auf einem Fohlen in Jerusalem einziehst. Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! 4. Die Liturgie des Einzugs in Jerusalem entwickelt sich nun weiter. Auf den Eröffnungsteil, die Prozession, folgt die Darstellung der Passion unseres Herrn Jesus Christus nach dem Matthäusevangelium: Vorausging die Lesung nach dem Propheten Jesaja und die Lesung aus dem Brief des hl. Paulus an die Philippen Der Apostel führt uns in das Geheimnis der Erlösung ein, in den göttlichen Inhalt jener Antwort, die Jesus gibt auf die Frage des Menschen nach dem wahren Sinn der Menschennatur, nach seinem endgültigen und letzten Sinn. Der Apostel schreibt: „Er (Jesus Christus) war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ {Phil 2,6-7). Am Sonntag der Passion des Herrn bekennt die Kirche ihren Glauben an Jesus Christus, den Sohn Gottes, eines Wesens mit dem Vater. Wahrer Mensch und zugleich wahrer Gott. Im Geheimnis der Erlösung nimmt dieser Sohn, der dem Vater wesensgleich ist, den Stand eines Knechtes und Sklaven an. Gott in der Gestalt des Knechtes, das gehört zum Wesen der Erlösung, die die Sünde bis in 1165 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihre Wurzeln überwindet. Die Wurzel der Sünde besteht darin, daß jener, der nicht „dem Vater gleich“ war - zuerst das Geschöpf Engel, dann auch das Geschöpf Mensch -, sich „Gott gleich“ zu stellen suchte. Die Erlösung besiegt die Sünde bis in ihre Wurzel, wenn jener, der „Gott gleich“ ist - wie der Sohn dem Vater -, der Rechte „sich entkleidet“, die diese Gleichheit ihm gab, und den Stand des Sklaven annimmt. Er nimmt diese Haltung als Mensch an, „indem er den Menschen gleich wird“, und besiegt auf diesem Weg die Sünde des Menschen. Der Sieg über die Sünde des Menschen und über die Sünde der Welt steht im Mittelpunkt der Erlösung der Welt. 5. Liebe jungen Freunde! Pilger des Jubiläumsjahres der Erlösung! Weil euch Christus als Mensch so sehr anspricht, bekennt zusammen mit der Kirche, bekennt zusammen mit dem Nachfolger Petri den Glauben an Christus, den Sohn Gottes. Dann wird sich euch die wesentliche Dimension der Erlösung enthüllen. Dann werdet ihr auch entdecken, welche Größe des Menschen in der Haltung des Dienens verborgen hegt, in einem Leben, das sich als Dienst versteht. „Indem er den Menschen gleich wird“, hat der Sohn Gottes „den Stand der Sklaven angenommen“. Der Sohn Gottes dient. Er dient dem ganzen Wohl des Menschen. Und besonders dient er seinem letzten Gut, dem Gut seines Heils. So also, „indem er den Menschen gleich wird“, ist er „Mensch für die anderen“. Dieser Mensch für die anderen - der Mensch, der dient - ist dennoch Gott. Er ist der Sohn Gottes. Bestimmend für seinen Dienst ist nicht nur seine Menschennatur, bei all ihrer Würde. Sein Dienen trägt in sich auch die göttliche Dimension. Es trägt das Zeichen des Sohnes Gottes in sich. Dies alles ist in die Wirklichkeit der Erlösung der Welt tief eingeschrieben. Wie im Drama der Verdammnis der Welt, im Drama der Abwendung von Gott, das Programm „Ich diene nicht“ eingeschrieben ist, so ist im Evangelium (d. h. in der Frohen Botschaft der Umkehr und der Versöhnung mit Gott), im Evangelium vom Heil der Welt, Christus eingeschrieben, der „den Stand des Knechtes angenommen hat“. Und in dasselbe Evangelium, in dieselbe Frohe Botschaft schreibt sich jeder Mensch ein, wenn er von Christus die Haltung und die Bereitschaft zu dienen übernimmt. Wenn er - nach dem Maß der eigenen Möglichkeiten und Aufgaben — auch „ein Mensch für die anderen“ wird: ein Mensch, der dient. Liebe jungen Freunde! Nehmt diese Dimension der Erlösung in den 1166 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Entwurf eures Lebens auf, den ihr jetzt in eurer Jugend entwerft. Er werde die besondere Frucht eures Jubiläums der Erlösung. Lernt von Christus, dem Erlöser, die Sünde zu besiegen, den Egoismus und die Begierde, die sich in ihr verbergen: die Begierde der Augen und des Fleisches und den Stolz, das heißt, die darin versteckte Haltung „Ich diene nicht“. 6. Lernt auch aus der Erfahrung des Palmsonntags, euch selbst zu schenken, euer Ich, euer Leben in seiner vollen und totalen Dimension, vor allem an Gott. Christus „erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,8-9). Christus, der Sohn Gottes, Christus, der wahre Mensch! Der Sohn Gottes ist ewig im Herzen des Vaters, mit ihm geeint im Heiligen Geist. Christus-Mensch, in allem „außer der Sünde den Menschen gleich“, hat sich dem Vater bis zur letzten Konsequenz dahingegeben für das Heil der Welt. Er hat sich dem Vater angeboten als Opfer für die Sünden der Welt, für die Sünden des Menschen. Christus, wahrer Mensch, vertraute sich dem Vater an bis zum Ende: ihm vertraute er sein Leben und sein Sterben an, alles, was die irdische Existenz des Menschen ausmacht. Und der Vater hat das Opfer Christi angenommen. Der Vater hat Christus verherrlicht! Er hat ihm einen Namen gegeben, der über jedem anderen Namen ist. Er hat ihn am Kreuz verherrlicht, im Tod am Kreuz. Er hat ihn in der Auferstehung verherrlicht, indem er aus seinem Tod jenes Leben entspringen ließ, das im ewigen, barmherzigen Plan Gottes dem Menschen bestimmt ist. Das ist das ewige Leben. Die Auferstehung Christi ist die endgültige Offenbarung der Berufung des Menschen zur Unsterblichkeit. 7. Die Liturgie des Palmsonntags im Jubiläumsjahr der Erlösung enthüllt euch deshalb, junge Pilger, diese Wahrheit über den Menschen, die Wahrheit, die zu entdecken kein anderer jemals fähig gewesen wäre. Nur Jesus Christus! Diese Wahrheit ist zugleich ein Ruf: Wir sind in Christus erlöst, wir sind in Jesus Christus zum Heil berufen, in der Gnade Gottes zu leben, das Böse mit Liebe und Wahrheit zu besiegen, d.h., wir sind zur wahren Freiheit der Söhne und Töchter Gottes berufen. Und schließlich sind wir in Jesus Christus zur Herrlichkeit berufen. 1167 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das ist die göttliche Wahrheit über den Menschen. Das ist der Plan Gottes im Blick auf jeden einzelnen von uns: der Plan Gottes, der in Jesus Christus dem Menschen bis zum Grund dargelegt worden ist. Was erwartet nun Christus von uns? Er erwartet, daß wir in diesen Plan Gottes einzutreten suchen mit unserem eigenen „Lebensplan“, mit unserer existentiellen Antwort. Christus will uns dabei helfen mit der Kraft seiner Wahrheit und Liebe, die dank des unerschöpflichen Reichtums der Erlösung durch den Heiligen Geist, den Tröster, in uns eingepflanzt und befestigt ist. 8. „Kinder Israels . . .“ Gehen wir also, junge Christen, Pilger im Jubiläumsjahr der Erlösung. Vereinigen wir uns mit jener Jugend auf den Straßen, die nach Jerusalem führen. Sie kannten das Geheimnis des Jesus von Nazaret noch nicht vollständig. Sie verstanden nicht, welche Wirklichkeit der Name „Messias“, der Sohn Davids, in sich birgt. Wir wissen es. Wir sind Zeugen des Todes und der Auferstehung, des Kreuzes und des Heils. Uns ist das österliche Geheimnis Christi voll bewußt. Mit diesem österlichen Wissen vereinen wir uns heute mit der Jugend von Jerusalem und rufen: „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn! Hosanna in der Höhe!“ Gott selbst hat ihn verherrlicht! „Eine messianische Prophezeiung“ Predigt bei der Messe und Ölweihe in St. Peter am Gründonnerstag, 19. April 1. Die Worte des heutigen Lukasevangeliums führen uns, während die öffentliche Sendung des Messias auf Erden dem Ende zugeht, noch einmal an den Anfang, indem sie uns Jesus in der Synagoge von Nazaret und das Buch des Propheten Jesaja vorstellen. Jesus liest (aus dem Buch des Jesaja): „Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den 1168 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe“ (Lk 4,18-19). Eine messianische Prophezeiung. Jesus von Nazaret sagt: „Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt“ (ebd., Vers 21). Die messianische Prophezeiung erfüllt sich in ihm. 2. Der Messias wird mit dem Heiligen Geist gesalbt. Er besitzt die Fülle des Geistes, weil er der Sohn Gottes ist. In ihm erfüllen sich die Worte des Psalmisten, die unmittelbar auf König David bezogen waren. Gott spricht durch den Mund des Psalmisten: „Meine Treue und meine Huld begleiten ihn, und in meinem Namen erhebt er sein Haupt. Er wird zu mir rufen: Mein Vater bist du, mein Gott, der Fels meines Heiles“ (Ps 89,25.27). Nur als Ankündigung Jesu konnte David dies ausrufen, denn nur Jesus kann zu Gott sagen: „Du bist mein Vater.“ Nur Jesus ist - als wesensgleicher Sohn mit dem Vater - mit ihm im Heiligen Geist vereint. Und nur Jesus besitzt als der vom Vater Gesandte die Fülle des Heiligen Geistes. Er besitzt diese Fülle als Erlöser der Kirche, seines Leibes. Er besitzt diese Fülle in der Kirche für die ganze Menschheit, für alle Völker, Nationen und Generationen, für jeden Menschen. 3. Das Symbol für die Spendung des Heiligen Geistes ist die Salbung. Die Kirche weiht am heutigen Tag das öl, das zur Salbung dient; im besonderen das heilige Charisma, das Öl für die Katechumenen und das Öl für die Kranken. Durch diese besondere Liturgie am Morgen des Gründonnerstags will die Kirche bekennen, - daß Christus, der als Sohn Gottes und Erlöser der Welt die Fülle des Heiligen Geistes besitzt, aus dieser Fülle schöpft, um die Kirche ständig neu zu bereichern, - und in der Kirche und durch die Kirche aus dieser unerschöpflichen Fülle des Heiligen Geistes schöpfen will, um einen jeden und alle, die sich der Kraft der Erlösung öffnen, zu bereichern, - und daß insbesondere die Kirche aus dieser Fülle des Heiligen Geistes 1169 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi schöpfen will, um einen jeden und alle durch die Verwaltung der Sakramente, Zeichen des Heiles und der Gnade, zu bereichern. Das heilige Öl - das Charisma, das Öl für die Katechumenen, das öl für die Krankensalbung - ist für den sakramentalen Dienst der Kirche bestimmt. 4. Wir Priester, die wir heute morgen die Eucharistie des Gründonnerstags in Konzelebration feiern, wollen bekennen, daß jeder von uns an dieser Fülle des Heiligen Geistes, die in Christus, dem ewigen und einzigen Priester des Neuen Bundes, in besonderer Weise teilhaben. Am Gründonnerstag gedenken wir der Einsetzung des eucharistischen Opfers. Um dieses heilige Opfer zu feiern, sind wir im Sakrament der Priesterweihe gesalbt worden. Als Spender der Eucharistie sind wir außerordentliche Diener Christi gegenüber dem ganzen Gottesvolk geworden. Uns ist die Sündenvergebung und der Dienst der übrigen Sakramente ebenso übertragen worden wie den Glauben zu lehren. 5. Heute, am Gründonnerstag, blicken wir mit besonderer Liebe auf den, den der Vater „gesalbt und in die Welt gesandt hat“: Wir blicken auf Christus, der die vollkommene Fülle des Heiligen Geistes besitzt zum Wohl der ganzen Menschheit, - auf Christus, von dessen Fülle wir alle empfangen haben, - und an dem jeder von uns „seinen Anteil“ hat. Durch diesen „Anteil“, durch unsere priesterliche Teilhabe an der mes-sianischen Salbung Jesu Christi sind wir vor dem Volk Gottes seine Priester im Dienst dieses Volkes. Wir danken für unser priesterliches Dienstamt dem, der es in unsere Seele eingepflanzt hat. Wir wollen daran festhalten und ausharren im Dienst des menschlichen Heils. Wir geloben dem unsere priesterliche Treue, der uns liebt und uns von unseren Sünden durch sein Blut erlöst hat . . . 6. Das außerordentliche Jubiläum der Kirche zum Jahr der Erlösung neigt sich dem Ende zu. In diesem Heiligen Jahr haben wir versucht, in uns die Gnade des Sakraments der Priesterweihe zu erneuern. Danken wir für dieses Sakrament, das auf der Grundlage des „universalen Priestertums“ aller Getauften als Sakrament des Heilsdienstes erwächst. Christus, „der uns zu Königen gemacht hat und zu Priestern vor Gott, seinem Vater“ (Offb 1,6), sei die Herrlichkeit in Ewigkeit. 1170 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter den Zeichen von Brot und Wein Predigt bei der Abendmahlsmesse in St. Johann im Lateran am Gründonnerstag, 19. April 1. „Man nehme etwas von dem Blut und bestreiche damit die beiden Türpfosten und den Türsturz an den Häusern, in denen man das Lamm verzehren will“ (Ex 12,7). Die erste Lesung dieser Liturgie enthält die einzelnen Vorschriften des Buches Exodus, die das Ostermahl des Alten Testamentes betreffen. Der Tod des Lammes ist das Zeichen der Macht Gottes geblieben, der sein Volk von der ägyptischen Sklaverei befreit hat. Seinen Leib, „das Fleisch über dem Feuer gebraten“ (ebd., Vers 8), mußten alle in Eile essen, zum sofortigen Aufbruch bereit, wenn der Herr „durch Ägypten geht“ (vgl. ebd., Vers 12). Deshalb: die Hüften gegürtet, Schuhe an den Füßen und den Stab in der Hand. Sie sollen das Blut des Lammes „auf die beiden Türpfosten und auf den Türsturz der Häuser streichen, in denen man das Lamm verzehren will“. Dieses Blut ist zum Zeichen für die Rettung aller Erstgeborenen Israels in Ägypten vor dem Tod geworden. In der Tradition des Alten Bundes war die Befreiung aus der Knechtschaft fest verbunden mit dem Ritus des Paschamahles, bei dem das Paschalamm verzehrt wurde: Durch den Tod dieses Lammes sind die Kinder Israels vor dem Tod gerettet worden. <42> <42> Triduum Sacrum: Heute beginnen die drei Tage des heiligen Tridu-ums. Am Horizont des Neuen Bundes ist „das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt“, erschienen. Zum ersten Mal hat Johannes es bei der Taufe im Jordan verkündet (vgl. Joh 1,29). Das war auch der Zeitpunkt, zu dem Jesus von Nazaret seine messianische Sendung in Israel begann. Triduum Sacrum: Siehe, es ist die Zeit gekommen, wo die alttestament-liche Gestalt des Paschalammes in einer neuen, endgültigen Wirklichkeit ihre Erfüllung findet. Es ist die Wirklichkeit, die Johannes der Täufer am Jordan verkündet hatte: das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt. Jesus sieht, „daß ihm der Vater alles in die Hand gegeben hat“ (Joh 13,3). Jesus weiß, daß „der Teufel Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben hatte, ihn zu verraten“ (Joh 13,2). 1171 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Jesus „stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab . . . und begann den Jüngern die Füße zu waschen“, wie ein Diener (vgl. Joh 13,4.5). Mit diesem Dienst des Gründonnerstags bereitet er sich darauf vor, das Kreuzesopfer zu vollenden. Im Kreuzesopfer soll das Geheimnis des Gotteslammes seine letzte Erfüllung finden: Es soll sich erfüllen mit dem ganzen Inhalt des Geheimnisses der Erlösung. Die Ankündigung dieses Geheimnisses war das Paschalamm. 3. Das Geheimnis der Erlösung, das sich in der Wirklichkeit des Lammes Gottes erfüllt hat, soll als Sakrament der Kirche bestehen bleiben: als das Sakrament der Liebe. Es ist das Sakrament, das an den Ritus des Abendmahls, des Paschamahls, gebunden ist. Die Befreiung von der Vorherrschaft des Bösen, von der Knechtschaft der Sünde und des Todes muß sich um den Preis des Todes des Gotteslammes vollenden. Diese Befreiung verbindet sich im Geheimnis der Erlösung wiederum mit dem Paschamahl. Der Herr Jesus nahm das Brot, „sprach das Dankgebet, brach das Brot und sagte: Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24). Dann nahm er den Kelch und sprach: „Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis.“ (So hat es der hl. Paulus im ersten Korintherbrief festgehalten: 1 Kor 11,25). „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt“ (ebd., Vers 26). Auf diese Weise hat das Sakrament von Brot und Wein ein für allemal die Wirklichkeit des Gotteslammes angenommen. Oder vielmehr: Die Wirklichkeit des Gotteslammes, die im Tod Christi die Erlösung der Welt erfüllt, schließt für alle Zeiten das während des letzten Abendmahles - des Paschamahles - eingesetzte Sakrament von Brot und Wein ein. 4. Darum findet die Kirche Tag für Tag, von Generation zu Generation, im Sakrament des Abendmahles des Herrn unter den Zeichen von Brot und Wein immer aufs neue dieselbe Kraft der Erlösung. Und mit der Feier dieses heiligen Sakramentes bekennt die Kirche immer aufs neue: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünden der Welt hinwegnimmt!“ Durch das Sakrament des Leibes und Blutes Christi lebt die Kirche ständig im Herzen des Geheimnisses der Erlösung. 1172 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Versöhnung auch im Heiligen Land Apostolisches Schreiben vom 20. April an die Bischöfe der katholischen Kirche, die Priester, Ordensleute und alle Gläubigen über die Stadt Jerusalem, heiliges Erbe aber Glaubenden, ersehnter Kreuzpunkt des Friedens für alle Völker des Nahen Ostens Während sich das Jubiläumsjahr der Erlösung dem Ende zuneigt, gehen meine Gedanken zu jenem auserwählten Land am Schnittpunkt von Europa, Asien und Afrika, wo sich die Erlösung des Menschengeschlechts „ein für allemal“ vollzogen hat (vgl. Röm 6,10; Hehr 7,27; 9,12; 10,10). Es ist das Land, das wir heilig nennen, weil es die irdische Heimat Christi war, das er durchzog und dabei „das Evangelium vom Reich verkündete und im Volk alle Krankheiten und Leiden heilte“ {Mt 4,23). Besonders in diesem Jahr hätte ich gewünscht, die tiefe Ergriffenheit und unermeßliche Freude erleben zu dürfen, die mein Vorgänger Paul VI. verspürte, als er im Jahr 1964 ins Heilige Land und nach Jerusalem reiste. Wenn es mir auch nicht möghch war, physisch anwesend zu sein, fühle ich mich dennoch geistig als Pilger in dem Land, wo sich unsere Versöhnung mit Gott vollzogen hat, um den Friedensfürst um das kostbare Geschenk der Erlösung und des Friedens zu bitten, den das Herz der Menschen, die Familien, die Völker und besonders die Völker, die jene Region bewohnen, so sehr ersehnen. Ich denke insbesondere an die Stadt Jerusalem, wo Jesus dadurch, daß er sein Leben hingab, „die beiden Teile (Juden und Heiden) vereinigte und durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft niederriß“ (Eph 2,14). Jerusalem war, noch ehe es zur Stadt Jesu, des Erlösers, wurde, der geschichtliche Ort der biblischen Offenbarung Gottes, die Stätte, an der mehr als an jedem anderen Ort sich der Dialog zwischen Gott und den Menschen vollzogen hat, gleichsam der Ort der Begegnung zwischen Erde und Himmel. Die Christen blicken auf diese Stadt mit frommer und eifersüchtiger Zuneigung, weil dort wiederholt das Wort Christi widerhallte, weil dort die großen Ereignisse der Erlösung, also das Leiden, der Tod und die Auferstehung des Herrn, geschehen sind. In Jerusalem ist die erste christliche Gemeinde entstanden, und dort hat sich durch die Jahrhunderte, wenn auch unter Schwierigkeiten, eine dauernde kirchhche Präsenz erhalten. Für die Juden ist Jerusalem Gegenstand lebendiger Liebe und ewiger 1173 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mahnung, reich an zahllosen Spuren und Erinnerungen seit der Zeit Davids, der sie zur Hauptstadt gewählt, und der Zeit Salomons, der dort den Tempel errichtet hat. Seit damals blicken sie, kann man sagen, jeden Tag auf Jerusalem und bezeichnen es als Symbol der Nation, ihrer Existenz und Freiheit. Auch die Muslime nennen Jerusalem „die Heilige“, mit einer tiefen Anhänglichkeit, die auf die Anfänge des Islams zurückgeht und von bevorzugten Wallfahrtsstätten und einer mehr als tausendjährigen, ununterbrochenen Präsenz verursacht ist. Außer so seltenen und hervorragenden Zeugnissen beherbergt Jerusalem lebendige Gemeinden von Gläubigen, deren Anwesenheit Unterpfand und Quelle der Hoffnung für die Völker und Menschen ist, die in allen Teilen der Welt auf die Heilige Stadt als ihr geistiges Erbe und ein Zeichen des Friedens und der Harmonie blicken. Ja, denn in seiner Eigenschaft als Heimat des Herzens aller geistlichen Nachkommen Abrahams, die es als unermeßlich teuer empfinden, und -in den Augen des Glaubens - als Begegnungspunkt zwischen der unendlichen Transzendenz Gottes und der Wirklichkeit des geschaffenen Seins erhebt sich Jerusalem zum Symbol der Begegnung, der Einheit und des Friedens für die ganze Menschheitsfamilie. Die Heilige Stadt birgt deshalb eine tiefe Aufforderung zum Frieden, die sich an die ganze Menschheit und besonders an die Verehrer des einzigen großen Gottes, des barmherzigen Vaters der Völker, richtet. Aber leider muß man feststellen, daß Jerusalem Anlaß zu fortdauernder Rivalität, zu Gewalt und Ausschließlichkeitsansprüchen ist. Diese Situation und diese Erwägungen lassen uns die Worte des Propheten auf die Lippen kommen: „Um Zions willen kann ich nicht schweigen, um Jerusalems willen nicht still sein, bis das Recht in ihm auf strahlt wie ein helles Licht, und sein Glück auf leuchtet wie eine brennende Fackel“ (/es 62,1). Ich denke an den Tag und sehne ihn herbei, an dem wir alle wirklich in der Weise „Schüler Gottes sein werden“ (Joh 6,45), daß wir seine Botschaft der Versöhnung und des Friedens hören. Ich denke an den Tag, an dem Juden, Christen und Muslime in Jerusalem miteinander den Friedensgruß austauschen können, den Jesus nach seiner Auferstehung von den Toten an die Jünger gerichtet hat: „Friede sei mit euch!“ (Joh 20,19). Die römischen Päpste haben, vor allem in diesem Jahrhundert, stets mit banger Sorge die schmerzlichen Geschehnisse verfolgt, in die Jerusalem jahrzehntelang verwickelt war, und haben den Entscheidungen der inter- 1174 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nationalen Institutionen, die sich für die Heilige Stadt einsetzen, wachsame Aufmerksamkeit geschenkt. Der Hl. Stuhl hat bei unzähligen Anlässen zum besonnenen Überlegen aufgefordert und gemahnt, eine angemessene Lösung für das komplexe und heikle Problem zu finden. Er hat das getan in seiner großen Sorge um den Frieden zwischen den Völkern wie auch aus geistlichen, geschichtlichen und kulturellen Motiven von eminent religiösem Charakter heraus. Die ganze Menschheit und vor allem die Völker und Nationen, die in Jerusalem ihre Glaubensbrüder haben, Christen, Juden und Muslime, haben Grund, sich betroffen zu fühlen und alles nur Mögliche zu tun, um den heiligen, einzigartigen und unvergleichlichen Charakter der Stadt zu bewahren. Nicht nur die Denkmäler oder die heiligen Stätten, sondern das ganze historische Jerusalem und die Existenz der religiösen Gemeinschaften, ihre Situation, ihre Zukunft müssen Gegenstand des Interesses und der Sorge aller sein. Es ist tatsächlich geboten, mit gutem Willen und Weitblick einen konkreten und gerechten Modus zu finden, durch den die verschiedenen Interessen und Hoffnungen in eine harmonische und stabile Form gebracht und in entsprechend wirksamer Weise von einem international garantierten Statut geschützt werden, so daß die eine oder andere Seite es nicht mißachten kann. Gegenüber den christlichen Gemeinden, gegenüber denen, die den Glauben an den einen Gott bekennen und sich für die Verteidigung der menschlichen Grundwerte einsetzen, fühle ich die dringende Pflicht zu wiederholen, daß die Jerusalemfrage für den gerechten Frieden im Nahen Osten von grundlegender Bedeutung ist. Es ist meine Überzeugung, daß die religiöse Identität der Stadt und insbesondere die gemeinsame monotheistische Glaubensüberlieferung den Weg ebnen können, um die Eintracht zwischen allen jenen zu fördern, die in verschiedener Weise die Heilige Stadt als ihre Stadt ansehen. Ich bin überzeugt, daß die mangelnde Suche nach einer geeigneten Lösung der Jerusalemfrage ebenso wie die resignierende Verschleppung des Problems die erwünschte friedliche und gerechte Beilegung der ganzen Nahostkrise nur noch weiter gefährden. i Natürlich muß in diesem Zusammenhang erwähnt werden, daß in der Region seit Jahrzehnten zwei Völker, das israelische und das palästinensische, in einem Gegensatz zueinander stehen, der unlösbar scheint. Die Kirche, die auf Christus, den Erlöser, blickt und im Antlitz jedes Menschen sein Abbild erkennt, erfleht Frieden und Versöhnung für die Völker des Landes, das einst sein Land gewesen ist. 1175 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Für das jüdische Volk, das im Staat Israel lebt und in jenem Land so kostbare Zeugnisse seiner Geschichte und seines Glaubens bewahrt, müssen wir um die gewünschte Sicherheit und die gerechte Ruhe bitten, die das Vorrecht jedes Volkes und die Voraussetzung für Leben und Fortschritt jeder Gesellschaft sind. Das palästinensische Volk, dessen geschichtliche Wurzeln in jenem Land liegen und das seit Jahrzehnten verstreut lebt, hat aus gerechtem Grund das natürliche Recht, wieder eine Heimat zu finden, um in Frieden und Ruhe mit den anderen Völkern der Region leben zu können. Alle Völker des Nahen Ostens, jedes mit einem eigenen Erbe an geistlichen Werten, werden die tragischen Ereignisse, in die sie verstrickt sind -ich denke an den'so schwergeprüften Libanon -, nicht überwinden können, wenn sie nicht imstande sind, den wahren Sinn ihrer Geschichte wiederzuentdecken, der sie durch den Glauben an den einen Gott zu einem friedlichen Zusammenleben der Verständigung und gegenseitigen Zusammenarbeit aufruft. Ich möchte daher die Aufmerksamkeit aller Politiker, die für das Schicksal der Völker verantwortlich sind, aller, die an der Spitze der internationalen Institutionen stehen, auf das Schicksal der Stadt Jerusalem und der in ihr lebenden Gemeinschaften lenken. Denn es entgeht in der Tat niemandem, daß die verschiedenen Ausdrucksformen von Glaube und Kultur, die in der Heiligen Stadt vorhanden sind, ein Faktor der Eintracht und des Friedens sein können und sollen. An diesem Karfreitag, an dem wir feierlich des Leidens und des Todes des Erlösers gedenken, möchte ich euch alle, liebe Brüder im Bischofsamt, und alle Priester, Ordensleute und Gläubige der ganzen Welt auffordern, in die besonderen Gebetsmeinungen die Bitte um eine gerechte Lösung des Jerusalem- und Heilig-Land-Problems und um die Rückkehr des Friedens im Nahen Osten einzuschließen. Im Heiligen Jahr, das nun zu Ende geht und das wir in Rom wie in sämtlichen Diözesen der Universalkirche mit großer geistlicher Freude gefeiert haben, war Jerusalem das ideale Ziel, der natürliche Ort, dem sich unsere Gedanken der Liebe und Dankbarkeit für das große Geschenk der Erlösung zuwandten, die in der Heiligen Stadt vom Menschensohn für die ganze Menschheit bewirkt wurde. Und da die Frucht der Erlösung die Versöhnung des Menschen mit Gott und jedes Menschen mit seinen Brüdern ist, müssen wir darum bitten, daß auch in Jerusalem, dem Heiligen Land Jesu, jene, die an Gott glauben, nach so schmerzlichen Spaltungen und Uneinigkeiten die Versöhnung und den Frieden wiederfinden. 1176 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieser von Jesus Christus im Namen des Vaters im Himmel verkündete Friede macht so Jerusalem zum lebendigen Zeichen des großen Ideals der Einheit, der Brüderlichkeit und des Zusammenfindens der Völker, gemäß den großartigen Worten des Buches Jesaja: „Viele Nationen machen sich auf den Weg und sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er soll uns seine Wege zeigen, auf seinen Pfaden wollen wir gehen“ (Jes 2,3). Zum Schluß erteilen wir von Herzen unseren Apostolischen Segen. Rom, St. Peter, 20. April 1984, im 6. Jahr unseres Pontifikats. Papst Johannes Paul II. „ Gott wird in der Geschichte der Menschheit niemals sterben“ Ansprache beim Kreuzweg am Kolosseum am Karfreitag, 20. April 1. Ecce, lignum crucis: „Seht das Kreuz, an dem der Herr gehangen, das Heil der Welt. Kommt, lasset uns anbeten.“ Die Kirche in aller Welt verehrt heute das Kreuz Christi. <43> <43> Für diese Kreuzverehrung am Karfreitag sind wir zum Kolosseum gekommen. Es ist bereits Tradition, daß die Pilger der Karwoche hier unter der Führung des Bischofs von Rom den Kreuzweg meditieren. So haben wir es auch heute getan, am Karfreitag des Jubiläumsjahres der Erlösung. Der Ort, an dem wir uns befinden, spricht zu uns in besonderer Weise mit der Sprache des Kreuzes Christi, weil er uns in Gedanken in die Jahrhunderte zurückführt, in denen die Christen verfolgt wurden. Dieser Ort war bekanntlich Schauplatz grausamer Spiele von Raubtieren und Gladiatoren, dann Festung und Zufluchtsort. In jüngerer Zeit hat die christliche Frömmigkeit hieraus einen Ort des Gebetes gemacht, dem Gedenken an die Passion Jesu Christi und all jener Christen geweiht, die in der Verfolgungszeit an verschiedenen Orten Roms das Martyrium erlitten. Mein Vorgänger Benedikt XIV. hat diese neue Bestimmung bestätigt, indem er zum Ende des Heiligen Jahres 1750 im Kolosseum Kreuzwegstationen errichten ließ. Im jetzigen außerordentlichen Heiligen Jahr setzen wir diese Andachtsform zum Gedenken an die durch das Kreuz erwirkte Erlösung des Menschen fort. 1177 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Im Heiligen Jahr der Erlösung fühlen wir uns in ganz besonderer Weise mit dem Kreuz Christi verbunden. In diesem Jubiläumsjahr spricht zu uns das Zeugnis der Märtyrer des christlichen Roms besonders eindrucksvoll und tief und ruft uns die Worte des hl. Ambrosius in Erinnerung: „Wir rühmen uns des Blutes“ (Eph 18,11). Seht hier, unsere Brüder und Schwestern im selben Glauben aus dem einen Evangelium, verbunden in demselben Christus und in seiner Kirche. Jene, die uns, den heutigen Christen, vorausgegangen sind auf dem Weg, den Christus uns eröffnet hat: dem Weg des neuen und ewigen Bundes im Kreuz. Sie haben uns ein Zeugnis ihres heroischen Opfers hinterlassen; in ihnen „kämpften Tod und Leben einen unbegreiflichen Zweikampf“ (Ostersequenz). Obgleich in den Augen der Menschen der Tod gesiegt zu haben scheint, so haben sie nach dem göttlichen Heilsplan der Erlösung die Fülle des Lebens als Geschenk erhalten. Sie leben also in Gott selbst, verbunden im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen, in dem sie sich - kraft des ewigen Bundes mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn - zugleich mit der Kirche auf Erden im Jubiläum der Erlösung verbinden. An diesem Ort möchten wir ihre Gegenwart besonders tief erfahren. Wir möchten Anteil erhalten am Erbe ihrer Verdienste, die ja alle Frucht des Kreuzes Christi sind. Mit solchem Glauben betrachten wir ihr Martyrium und wagen es, mit dem Apostel Paulus zu sprechen: Mit ihren Leiden haben sie ergänzt, was an den Leiden Christi noch fehlt (vgl. Kol 1,24). Selbst durch die Kraft des Kreuzes Christi erlöst, helfen sie uns also, daß wir zu den Quellen der Erlösung gelangen und aus ihnen in Fülle zu schöpfen vermögen. 4. Wenn wir uns dieser ersten Generation von Christen erinnern, die für Christus gelebt haben und bereit waren, ihr Leben für ihn zu geben, können wir bei diesem Kreuzweg am Kolosseum alle unsere Brüder und Schwestern nicht vergessen, die heutzutage an verschiedenen Orten der Welt für Christus leben und ebenfalls bereit sind, ihr Leben für ihn zu geben. Gerade sie, auf einzigartige Weise im Herzen der Kirche zugegen, müssen auch im Denken und Beten von uns allen besonders gegenwärtig sein, die wir an diesem Karfreitag im Jubiläumsjahr der Erlösung beim Kolosseum in Rom versammelt sind. Auf der Pilgerfahrt des vergangenen Jahres nach Lourdes habe ich vor der Mutter Christi solche Brüder und Schwestern, die um ihres christlichen 1178 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Glaubens willen leiden müssen, mit folgenden Worten in Erinnerung gebracht: „Es gibt heute Tausende und Abertausende von Glaubenszeugen, sehr oft von der öffentlichen Meinung ignoriert oder vergessen; oft sind sie nur Gott bekannt. In den verschiedenen Regionen der Erde ertragen sie täglich Entbehrungen. Es handelt sich dabei um Gläubige, die gezwungen sind, heimlich zusammenzukommen, weil ihre Gemeinde nicht zugelassen ist. Es handelt sich um Bischöfe, Priester und Ordensleute, denen die Ausübung ihres heiligen Amtes in den Kirchen oder bei öffentlichen Zusammenkünften verwehrt ist. Es handelt sich um verstreut lebende Ordensfrauen, die ihr gottgeweihtes Leben nicht führen können. Es handelt sich um hochherzige Jugendliche, die am Eintritt in ein Priesterseminar oder in ein Noviziat und somit an der Verwirklichung ihrer Berufung gehindert werden. Es handelt sich um Mädchen, denen die Möglichkeit versagt wird, sich in einer Form gemeinschaftlichen Lebens in Gebet und Nächstenhebe Gott zu weihen.“ Auch das Apostolische Schreiben Salvifici doloris, das das christliche Verständnis des Leides vertiefen will, erwähnt die genannten Situationen des schmerzlichen und durch Widerstände erschwerten Zeugnisses und sagt unter anderem: „Darum sollen unter dem Kreuz auf Kalvaria in geistiger Weise alle Leidenden Zusammenkommen, die an Christus glauben, vor allem jene, die gerade wegen ihres Glaubens an den Gekreuzigten und Auferstandenen zu leiden haben: Das Opfer ihrer Leiden soll uns der Erfüllung der Gebete des Heilands für die Einheit aller näherbringen“ (Nr. 31). Alle Brüder und Schwestern, die um ihres Glaubens wülen leiden, haben in einzigartiger Weise am Kreuz Christi teil und haben deshalb auch ein besonderes Anrecht auf die geistigen Schätze dieses Jubiläumsjahres der Erlösung. Sie schöpfen hieraus und vermehren zugleich den geistlichen Reichtum der Erlösung in Verbindung mit unserem Herrn Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen. <44> <44> Seht das Holz des Kreuzes! Seht das Holz, an dem Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, Christus der Sohn Mariens aus Nazaret, die Erlösung der Welt erwirkt hat. Die Kirche verehrt heute dieses Holz unseres Heiles und betet dabei in demütigem Vertrauen: O crux, ave, spes unica - Sei gegrüßt, o Kreuz, unsere einzige Hoffnung! „Heilig Kreuz, du Baum der Treue, / edler Baum, dem keiner gleich . . . / Beuge, hoher Baum, die Zweige, / werde weich an Stamm und Ast; / denn dein hartes Holz muß tragen / eine königliche Last, / gib den Gliedern 1179 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deines Schöpfers / an dem Stamme linde Rast“ (Antiphon und Hymnus vom Karfreitag). Das Kreuz trägt mit seinem tödlichen Zugriff den Leib Christi, bis „alles vollbracht“ ist. Erst dann gibt es den toten Leib der Schmerzhaften Mutter zurück, damit die Beerdigung des Gekreuzigten stattfinden kann. Dieses Geheimnis setzt sich in der Geschichte der Welt fort. Ebenso setzt sich die herrliche Erlösung fort, die auf immer an das Kreuz von Kalvaria gebunden sein wird. Darum ruft die Kirche - und in ihr der Bischof von Rom als unwürdiger Hüter dieses undurchdringlichen Geheimnisses - es allen Menschen in Vergangenheit und Zukunft zu, besonders allen heutigen Zeitgenossen ruft sie es zu: Kommt und betet an! Kommt von allen Orten der Erde, von allen Kontinenten, von allen Nationen und Rassen, von allen Sprachen und Kulturen! Kommt, Menschen jeden Alters und jeden Berufes, in welcher Situation ihr euch aufgrund eurer menschlichen Erfahrung auch immer befindet, welchen Preis auch immer ihr in eurem Leben bezahlt, welche Last auch immer euer Gewissen bedrückt, welche Leere auch immer euren Geist bedrohen mag. Kommt! Kommt! Laßt uns zusammen das Kreuz Christi verehren, das untrennbar mit der Geschichte dieser Erde verbunden ist! Laßt uns zusammen das Kreuz verehren, an dem der Sohn Gottes gestorben ist! Durch dieses Kreuz wird Gott in der Geschichte des Menschen niemals sterben! Baut euer Leben auf Liebe auf! Anprache bei der Audienz für Lehrer und Schüler katholischer Schulen in Limburg (Belgien) am 21. April Voll Freude begrüße ich euch alle, Lehrer und Schüler verschiedener Schulen aus dem flämischen Belgien, die ihr mit dem 24. Osterpilgerzug, der vom Kolleg des hl. Hubert in Neerpelt - das ich besonders willkommen heiße — organisiert wurde, nach Rom gekommen seid. Euer Besuch ist diesmal Anlaß zu einer besonders großen Freude. Er ruft die Erinnerung an die große Freude des Jubiläumsjahres der Erlösung wach, das hunderttausend Jugendliche vor einer Woche hier in Rom gefeiert haben. 1180 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Treffen heute ist gleichsam der Abschluß davon, der Schlußakkord des Jubiläumsjahres. Während der Feier ihres Jubiläumsjahres hat die Jugend über drei Themen nachgedacht: die Freude, die Freiheit und die Liebe. Gott hat dem Menschen wahre Freiheit geschenkt, die Möglichkeit, sich für oder gegen Gott zu entscheiden. Der Mensch kann sich gegen Gott entscheiden, indem er seinen Nächsten beherrscht, ihn wie ein Mittel, wie einen Gegenstand behandelt, kurz, indem er sündigt. Die Suche nach der eigenen Identität und Befriedigung kann eine gewisse Freude bereiten, die jedoch oberflächlich und kurz ist und dann in Traurigkeit, Bitterkeit und sogar Verzweiflung umschlägt. Der Mensch kann sich auch für Gott entscheiden, indem er dem Nächsten dient, ihn als Subjekt, als Person behandelt, kurz, ihn liebt. Die Selbsthingabe, die Liebe erfordert Kampf und kann ein Kreuz sein, aber sie führt zu tiefer und bleibender Freude, die ein Geschenk des Geistes der Liebe und ein Vorgeschmack der ewigen und vollkommenen Freude beim auferstandenen Herrn ist. Er ist durch das Leiden und das Kreuz hindurchgegangen, um in seine Herrlichkeit eingehen zu können, die wir gerade in dieser Karwoche in Erinnerung gebracht haben und morgen, am Ostersonntag, mit großem Jubel feiern werden. Ich bitte Gott um die Gnade, daß ihr alle von dieser Jubiläumspilgerfahrt und der Feier des Paschamysteriums vom Tod und der Auferstehung des Herrn mit dem festen Entschluß nach Hause zurückkehren könnt, den Sinn eurer Freiheit dadurch zu erfüllen, daß ihr euer Leben auf der Liebe aufbaut, daß ihr mitwirkt an der Gestaltung der Gesellschaft im Zeichen der Liebe, des Friedens und der Gerechtigkeit, in der zu leben eine wahre Freude sein wird. Dazu erteile ich euch von ganzem Herzen den Apostolischen Segen. „Nacht der heiligsten Erwartung“ Predigt bei der Osternachtsmesse auf dem Petersplatz am 21. April 1. In dieser Osternacht des Jubiläumsjahres der Erlösung warten wir zusammen mit Maria aus Magdala, Maria, der Mutter des Jakobus, und Salome, daß der Sabbat vorübergeht. Sie können nun zu dem Grab, in das der Leichnam Jesu gelegt wurde, gehen und den Leib salben. 1181 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle drei leben in der Perspektive des im Grab bestatteten Leichnams; sie leben in der Sicht des Todes Jesu; sie leben auch in der beängstigenden Vorstellung des mit einem schweren Stein verschlossenen Grabes: „Wer könnte uns den Stein vom Eingang des Grabes wegwälzen?“ (Mk 16,3). Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wußten noch nicht, daß dieser Sabbat der Vorabend des neuen Paschafestes war. Sie waren überzeugt, das Paschafest bereits hinter sich zu haben und daß am Ort der Kreuzigung nur das Grab mit dem toten Leib zurückgeblieben sei, der tote Leib des geliebten Menschen. Für uns bedeutet die Osternacht jedes Jahr und besonders in diesem Heiligen Jahr der Erlösung die Erwartung dessen, was mit Sicherheit eintreten wird. Es wird eintreten, weil es bereits eingetreten ist. Es geschah eben in jener Nacht nach dem Sabbat. Es geschah, als die Nacht dem Tag weichen mußte. Von diesem Augenblick an wird Ostern die große Nacht bedeuten. 2. Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome erreichen das Grab. Und siehe, plötzlich ändert sich die Perspektive des Todes. Zunächst sehen sie, daß jener große Stein, der den Hauptgegenstand ihrer Sorgen und Ängste bildete, bereits weggewälzt ist und den Zugang nicht mehr behindert. Dann gehen sie hinein und finden Jesu Leichnam nicht, sondern begegnen im Grab einem weißgekleideten Engel. Statt ihre Fragen abzuwarten, spricht der Engel als erster. Er sagt: „Fürchtet euch nicht! Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat“ {Mt 28,5-6). Im Licht dieser Worte verändert sich die Perspektive des Todes. Wenn Jesus von Nazaret auferstanden ist, heißt das, daß er lebt. Das ist schwer zu begreifen, aber das Grab ist tatsächlich leer. Gleichsam zur Bestätigung fügt der Engel hinzu: „Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag“ {Mt 28,6). So weicht also die Perspektive des Todes vor der Verkündigung des Lebens. Von sich aus hätten Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome nicht gewagt, das zu behaupten. Die Wahrheit über die Auferstehung Jesu wird in den Worten des Engels ausgesprochen. So wie Jahre zuvor die Wahrheit von der Geburt des Sohnes Gottes in Betlehem durch den Mund der Engel verkündet wurde. 3. Die Perspektive hat sich also geändert: Der Tod ist dem Leben gewichen. Der Sabbat, der auf den Tag der Kreuzigung und der Grable- 1182 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gung folgte, ist tatsächlich als Tag der Erwartung offenbar geworden. Als Vorabend von Ostern. Von da an bedeutet Pascha nicht mehr nur die Erinnerung an den Auszug aus der Sklaverei und das Gedenken an den Durchzug durch das Rote Meer: Pascha bedeutet von nun an Übergang vom Tod zum Leben. „Pascha nostrum immolatus est Christus“ (Unser Osterlamm Christus ist geopfert worden). Der Samstag nach jener „Opferung“ ist zum Tag und zur Nacht der heiligsten Erwartung geworden: denn an diesem Tag und in dieser Nacht warten wir auf die Erfüllung des Geheimnisses unserer Erlösung. Die Erlösung hat sich mit der Auferstehung des Erlösers vollzogen. 4. In diesem Übergang vom Tod zum Leben wurzelt die neue sakramentale Ordnung. Allen voran das Sakrament der Taufe. In dieser Osternacht verkündet die Kirche „die Taufe auf Christus Jesus“ (vgl. Röm 6,3) und spendet dieses Sakrament. So war es seit den ältesten Zeiten: und so ist es auch heute. Tiefergriffen spende ich in dieser Osternacht euch, liebe Katechumenen, die ihr aus verschiedenen Ländern und Kontinenten kommt, das Sakrament unserer Erlösung. Ihr kommt aus neun Ländern, manche geographisch nahe, andere weit entfernt gelegen, die aber meinem Herzen alle gleich teuer sind: Japan, Korea, Tschechoslowakei, Kenia, Ghana, Ägypten, den Niederlanden, Frankreich und Italien. Mit dem Apostel Paulus wollen wir bekennen: „Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auf erweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (Röm 6,4). Der Tod weicht dem Leben. Die Sünde wird mit der Macht der Erlösung durch den Tod und die Auferstehung Christi getilgt. „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, daß wir auch mit ihm leben werden“ (Röm 6,8). Das gilt für jeden von uns Getauften; in dieser Osternacht gilt es vor allem für euch, liebe Katechumenen. Ich wiederhole noch einmal die Worte des Apostels: „So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus“ (Röm 6,11). 1183 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Jesus Christus ist auferstanden. Jesus Christus, „von den Toten auferweckt, stirbt nicht mehr; der Tod hat keine Macht mehr über ihn“ (Rom 6,9). Jesus Christus lebt! Und wir leben in Christus! „O wahrhaft selige Nacht. . ., die uns diesen großen Erlöser sehen ließ!“ O wahrhaft selige Nacht! O Nacht, die ein für allemal die Macht und die Kraft des Gekreuzigten, die Macht und die Kraft des Erlösers der Welt, offenbar gemacht hat! „öffnet euch, Menschenherzen, und nehmt das Geschenk Christi an!“ Osterbotschaft zum Abschluß des Heiligen Jahres der Erlösung vor dem Segen „Urbi et Orbi“ am Ostersonntag, 22. April 1. „Danket dem Herrn, denn er ist gütig; denn seine Huld währt ewig. Die Rechte des Herrn hat Wunder vollbracht“ (Ps 118,1.16). Heute, am Ostersonntag, stimmen wir dieses Lied des Dankes an, von dem die heilige Liturgie ganz erfüllt ist. Wir danken für die Auferstehung Jesu Christi. Wir danken für die Verherrlichung dessen, der sich entäußert hat und gehorsam wurde bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz (vgl. Phil 2,8). Seht, das Werk der Erlösung vollendet sich in seiner Auferstehung. Vom Stein des Grabes wird das Siegel des Todes entfernt. Den Herzen der Menschen wird das Siegel des Lebens eingeprägt. <45> und vom Bösen befreit; er hat uns unsere Sünden vergeben und uns mit Gott und den Brüdern versöhnt; er hat uns sein Leben geschenkt und dadurch die Tore zum ewigen Leben geöffnet. <45> Christus ist als unser Paschalamm geopfert worden (vgl. 1 Kor 5,7). Wir danken für das Opfer, das die Herrlichkeit des Vaters erlangt. Wir danken für die Liebe des Vaters, die in der Auferstehung des Sohnes offenkundig geworden ist. Wir danken für den Hauch des Heüigen Geistes, der Leben schenkt: jener Hauch, den die Apostel empfangen, die im Abendmahlssaal beisamen sind. Christus wird bei verschlossenen Türen kommen und ihnen sagen: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben“ (Joh 20,22-23). Von der Auferstehung Christi nimmt die Vergebung der Sünden ihren Anfang: In seinem Kreuz liegt die Wurzel unserer Bekehrung, seine Auferstehung enthält den Sieg über die Sünde. Christus hat uns losgekauft 1184 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Danket dem Herrn, denn er ist gütig.“ Unser Heil, das Werk der Erlösung, von der Heiligsten Dreifaltigkeit, die Leben schenkt, ersonnen, kommt durch das Kreuz und die Auferstehung des Gotteslammes auf uns herab. 3. Die Kirche Jesu Christi sagt heute feierlich Dank für die besondere Erfahrung der Erlösung, wie sie uns das nunmehr zu Ende gehende Jahr geboten hat: das Heilige Jahr, das außerordentliche Jubiläumsjahr, das mit dem Gedenktag der Menschwerdung des Ewigen Wortes, dem 25. März 1983, begann und heute mit dem Fest der Auferstehung schließt. „Singt das Lob dem Osterlamm, bringt es ihm dar, ihr Christen. Das Lamm erlöst die Schafe: Christus, der ohne Schuld war, versöhnte die Sünder mit dem Vater.“ Wir sagen Dank für das Jubiläumsjahr der Erlösung, die „Gnadenzeit des Herrn“: Seine Gnade währt in Ewigkeit. 4. Rom dankt, der Bischof von Rom dankt an den Gräbern der Apostel, an den Gräbern der Märtyrer, die den irdischen Beginn der Kirche anzeigen und zugleich fortwährend das Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen erschließen. Mit diesen Märtyrern und mit den Heiligen der gesamten Geschichte stehen wir in Lebensgemeinschaft, weil wir alle an demselben Leben des auferstandenen Herrn teilhaben. Rom dankt, und alle Kirchen auf dem ganzen Erdenrund sagen Dank. In der allumfassenden Gemeinschaft der Kirche war es uns gegeben, dieses Jubiläumsjahr der Erlösung zu beginnen und es gemeinsam zu erleben. Die Kirche ist ja die Gemeinschaft der Gemeinden, zusammengefügt in der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Wir danken also heute für alles, was aufgrund dieses Jubiläumsjahres in jeder Gemeinde geschehen ist, für alles, was in jedem Menschen geschehen ist. Der Bischofssitz des Petrus dankt allen Pilgern, die ihn in dieser heiligen Zeit besucht haben. Auch er ist in geistiger Weise auf Pilgerschaft gegangen zu all jenen, die den Ruf vernommen haben: „öffnet die Tore dem Erlöser!“ Und die Tore des Heiligen Jahres, geöffnet in den römischen Basiliken, standen überall offen, wohin die Bekenner Christi kamen, damit alle „aus den Quellen des Heils“, aus der Fülle der Erlösung, schöpfen konnten (vgl. Jes 12,3). 1185 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Heute werden diese Pforten wieder geschlossen, wie Tradition und symbolischer Ritus es verlangen: besonders intensive Zeiten müssen ihren Rhythmus haben. Aber gerade heute ist, ein für allemal, das Tor zum Grab Christi geöffnet worden! Er, der „die Auferstehung und das Leben ist“ (vgl. Joh 11,25), erlaubt keinen Stein vor dem Grab, kennt keine verschlossenen Türen. 6. Während also der Stein vom Grab des Herrn weggerollt wird, schließen wir im Namen der Auferstehung die Heilige Pforte des außerordentlichen Jubiläumsjahres, auf daß man immer wieder neu rufe: öffnet die Tore dem: Erlöser! Christus ist auferstanden und steht vor dem Herzen jedes Menschen; er bittet, eintreten zu dürfen: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir“ (Offb 3,20). Für Christus sollen sich die Tore des Menschenherzens öffnen, des Menschen, der für sich allein ein unverständliches Rätsel bleibt, „der Mensch, das unbekannte Wesen“, solange er nicht durch Christus erleuchtet wird. öffnet, Menschen, die Tore dem Erlöser! Öffnet ihm die Tore der Familien und jeden Ortes der Menschen, die Tore der Gesellschaft, der Nationen und Völker! öffnet ihm die Tore dieser unserer schwierigen Gegenwart, dieser Gesellschaft wachsender Kontraste, wo - die Sehnsucht nach Frieden und die fieberhafte Herstellung zerstörerischer Kriegswaffen miteinander ringen; - der Reichtum des materiellen und technischen Fortschritts und äußerste Not und Elend, bezahlt mit dem Hungertod von Millionen von Kindern, Männern und Frauen, miteinander ringen; - das allgemeine Verlangen nach Respektierung der Würde des Menschen und seiner Rechte und die Verletzung ebendieser Rechte bis zu den brutalen Formen von Einschüchterung und Gewalt, von Unterdrückung der Gewissen, von Folter und Terrorismus miteinander ringen; - die Bemühungen, das menschliche Leben zu sichern und zu verlängern, und die Zerstörung ebendieses Lebens unter verschiedenen Formen, die auch die Ungeborenen und Schwerkranken nicht verschonen, miteinander ringen; - die von einzigartigen wissenschaftlichen und technischen Errungenschaften genährte Hoffnung und die durch den Mißbrauch, den der Mensch auf jedem Gebiet zu machen versucht ist, hervorgerufene Verzweiflung miteinander ringen. 1186 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Öffnet also Christus die Tore zu unserer heutigen, schwierigen Epoche, zu dieser Gesellschaft der wachsenden Kontraste; erlaubt ihm, in sie die Erlösung und die Gesellschaft im Zeichen der Liebe einzupflanzen. Der Tag wird kommen, an dem dieses Werk endgültig vollendet sein wird. Wer glaubt, der weiß: Christus gegenüber hat der Tod nicht das letzte Wort behalten. In seiner Auferstehung hat der Herr über Tod und Sünde triumphiert. Und sein Triumph gilt auch für den Menschen, in dessen Fleisch er den Tod erlitten hat und auferstanden ist. Dem Menschen, allen Menschen will er Anteil geben an dem Leben, das er am Kreuz errungen hat. Vom Menschen, von allen Menschen, erwartet er die freie Zustimmung des Herzens, eines durch die Erfahrung von Reue und Vergebung geläuterten Herzens. Öffnet euch, Menschenherzen, und nehmt das Geschenk Christi an! Laßt den Erlöser die Menschheit in eine bessere Zukunft, über die Schwelle vom zweiten zum dritten Jahrtausend, führen! 8. Christus, gekreuzigt und auf erstanden! Wir danken dir! Wir bitten dich um Vergebung - für jegliches Übel, das im Menschenherzen und in der Welt Platz greift; - für alles Gute, das in diesem Heiligen Jahr der Erlösung unterlassen worden ist: Wir bitten dich um Vergebung! Wir beten dich an in deiner Auferstehung! Wie der Apostel Thomas, der zunächst an deine Auferstehung nicht glauben wollte, berühren wir die Zeichen unserer Erlösung an deinen Händen, deinen Füßen, deiner Seite und rufen in lebendigem Glauben: „Mein Herr und mein Gott“ (.Joh 20,28). Höre diesen Ruf: diese Osterbotschaft deiner Kirche. Wie ein weites Echo soll er in den frohen Grüßen widerhallen, die wir heute in den verschiedenen Sprachen austauschen; deine Jünger auf dem ganzen Erdenrund bekennen und verkünden darin den Glauben an die Auferstehung. 1187 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Zukunft für die Kinder Ansprache an die Teilnehmer der UNICEF-Tagung am 26. April Herr Direktor des Exekutivausschusses! Mit Freude heiße ich Sie und mit Ihnen alle Teilnehmer an der Tagung des Exekutivrates von UNICEF, die dieser Tage in Rom stattfindet, heute vormittag im Vatikan willkommen. Ihre Organisation wurde mit einer sehr edlen und dringenden Aufgabe betraut: der Sorge für alle Kinder der Welt. Der Hl. Stuhl verfolgt Ihr Tun und Wirken auf diesem Gebiet mit großer Aufmerksamkeit. Denn die Sendung und Pflicht der Kirche zum Dienst an der Menschheitsfamilie macht sie besonders empfänglich für die Bedürfnisse der Kinder, jenes kostbaren Schatzes, der größte Liebe, Achtung und Rücksicht verdient und der jeder Generation als eine Herausforderung an ihre Weisheit und Menschlichkeit gegeben ist. Es freut mich daher, diese Gelegenheit zu haben, um Ihnen einige Gedanken über die vor Ihnen liegende Aufgabe mitzuteilen! <46> <47> <46> Als ich vor etwas mehr als vier Jahren die Ehre hatte, vor der 34. Vollversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen, stellte ich die Frage: „Was könnte man also einer jeden Nation und der ganzen Menschheit sowie allen Kindern der Welt Besseres wünschen als jene schönere Zukunft, in der die Achtung der Menschenrechte voll und ganz zur Wirklichkeit wird nach den Maßstäben des kommenden Jahres zweitausend?“ (Ansprache an die Vollversammlung der Vereinten Nationen, <47> Oktober 1979, Nr. 21, in O.R.dt. vom 5. 10. 79, S. 10). Sorge für das Kind ist Sorge für jene schönere Zukunft, von der ich vor der Vollversammlung sprach. Was in der Kindheit und in der Sorge für das Kind auf dem Spiel steht, ist das Schicksal der Person, des Lebens und der Existenz des Menschen. Das Kind ist ein Zeichen des Geheimnisses des Lebens und ein Prüffeld der Echtheit unserer Achtung vor dem Geheimnis des Lebens. Jedes Kind ist gewissermaßen ein Zeichen der Hoffnung der Menschheit. Er oder sie ist ein Zeichen der von der Liebe der Eltern geforderten und zum Ausdruck gebrachten Hoffnung; ein Zeichen der Hoffnungen einer Nation und eines Volkes. Das Kind stellt für die Kirche ein besonderes Zeichen dar. Sorge für das Kind ist in der Tat mit der grundlegenden Sendung der Kirche verknüpft. Wie ich in meinem Apostolischen Schreiben Familiaris consortio, über die 1188 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rolle der christlichen Familie in der Welt von heute, in Erinnerung brachte, ist die Kirche „berufen, in der Geschichte das Beispiel und Gebot Christi kundzutun und immer neu in Erinnerung zu bringen, der das Kind in die Mitte des Gottesreiches stellen wollte: ,Laßt die Kinder zu mir kommen: . . . Denn Menschen wie ihnen gehört das Reich Gottes“ (Lk 18,16)“ (Nr. 26). Ja, Christus geht soweit, sich mit den Kindern zu identifizieren: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ {Mt 18,5). Jedes einzelne Kind auf dieser Welt ist ein lebendiges Zeichen jenes Geheimnisses des Lebens und der Hoffnung, das in Jesus Christus offenbar wurde. Darum hat die Kirche immer die Meinung vertreten, daß jeder Energieaufwand zugunsten einer wahren Entwicklung und Entfaltung: des Kindes eine unschätzbare Anlage für eine bessere Zukunft der ganzen Gesellschaft darstellt. 2. Während man Trost empfinden mag über das zunehmende Bewußtsein der öffentlichen Meinung von der Notwendigkeit, für das Wohl der Kinder immer großzügiger und immer rascher Mittel bereitzustellen, bleibt doch die Tatsache bestehen, daß die Lage so vieler Kinder in der heutigen Welt äußerst kritisch ist. Es ist sicher einer der größten Skandale unserer Gesellschaft mit ihrem großartigen Fortschritt, den sie in Technologie und Wissenschaft zu erzielen vermochte, daß gerade unter denjenigen, die am ärgsten leiden, so viele Kinder sind. Und noch trauriger ist es festzustellen, daß solche Kinder - und besonders die ärmsten unter ihnen - oft die ersten sind, die vom Wirtschaftsrückgang und seinen Folgen betroffen werden. Die schockierenden Mißverhältnisse, die in unserer Gesellschaft bestehen, spiegeln sich besonders in . unseren Kinder wider: Während in einem Teil unserer Welt ihre wichtigsten menschlichen Bedürfnisse nicht erfüllt werden können, werden in anderen Regionen Kinder vom frühesten Alter an in eine Gesellschaft eingegliedert, die auf Verbrauch, Besitz, ja Verschwendung beruht. Eine solche Situation ist eine Herausforderung an das Gewissen jedes Mannes und jeder Frau in unserer Welt, jeder Nation und besonders all jener, die in der internationalen Gemeinschaft Verantwortung tragen. Die Forderungen des Gewissens lassen sich nicht durch vage Versprechungen und noch viel weniger durch die politische Ausnutzung menschlichen Leides beantworten. Die kritische Situation des Leidens der Schwächsten unserer Brüder und Schwestern verlangt rasche und gemeinsame Anstrengungen, um für alle unsere Kinder eine bessere Zukunft, auf die sie ein Recht haben, sicherzustellen. 1189 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Sorge der Kirche um die Kinder ergibt sich auch aus der Tatsache, daß die Kirche auf der Seite des Lebens steht. Die Kirche betrachtet es als vorrangigen Aspekt ihrer Sendung in der heutigen Welt, den Wert jeder einzelnen menschlichen Person zu verkünden, besonders jener, die am wenigsten in der Lage sind, sich selbst zu schützen. Darum wird die Kirche niemals aufhören, ihre prophetische Stimme zu erheben, um zu verkünden, daß menschliches Leben vom Augenblick der Empfängnis an geachtet und geschützt werden muß. Muß man in den sich wandelnden demographischen Tendenzen zahlreicher hochentwickelter Länder nicht eine veränderte Einstellung gegenüber dem Kind und damit gegenüber dem Leben selbst erkennen? Ist es vielleicht möglich, daß manche Leute in ihrem Wunsch, ihre Kinder sollten möglichst viel haben, diese Kinder einiger grundlegender, positiver Elemente dessen berauben, was eine echte menschliche Person sein soll? Ist nicht eine gewisse Angst vor dem Kind zu spüren, eine Angst vor den Ansprüchen von Liebe und menschlicher Hochherzigkeit, die die Zeugung und Erziehung eines Kindes an die Eltern stellen? Gehören Liebe, Hochherzigkeit und Selbsthingabe nicht zu den edelsten Elementen des Lebens selbst? Die lebensfeindliche Gesinnung, die in der heutigen Gesellschaft auftaucht, ist sehr oft ein Zeichen dafür, daß die Menschen den Glauben an das Leben, den Blick für die grundlegenden Elemente der menschlichen Bestimmung verloren haben. Es besteht tatsächlich die Gefahr, zu Lösungen Zuflucht zu nehmen, die scheinbar kurzfristige Ergebnisse zeitigen, aber, da solche Lösungen nicht auf einem ganzheitlichen Bild der Person beruhen, nicht nur nicht zu der gewünschten Lösung, sondern zu einer weiteren Selbstentfremdung des Menschen führen werden. Gesunde Familien stärken die Gesellschaft 4. Ein Beispiel für eine falsche Antwort auf die kritische Lage der Kinder wäre zweifellos die Ergreifung politischer Maßnahmen, die auf eine Schwächung der Familie als Institution hinausliefen, und das besonders in den Entwicklungsländern, wo das traditionelle Familiensystem mit menschlicher Weisheit durchtränkt ist und von tiefen sittlichen Werten genährt wird. Die Kirche ist überzeugt, daß eine der entscheidendsten Antworten auf die Situation des Kindes in der heutigen Welt durch die Kräftigung und Stärkung der Familie als Institution und durch politische Maßnahmen 1190 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zustande kommen wird, die den Familien die Ausübung der eigenen unersetzlichen Rolle ermöglichen wird. Erst kürzlich legte der Hl. Stuhl der internationalen Gemeinschaft eine „Charta der Familienrechte“ vor, ein Dokument, das von vielen Bischöfen aus der ganzen Welt während der 1980 im Vatikan abgehaltenen Bischofssynode gefordert worden war. Dieses Dokument weist ganz klar auf die Bereiche hin, in denen Familienrechte ignoriert und untergraben werden. Aber es ist vor allem ein Dokument, das anschaulich das Vertrauen darlegt, das die Kirche in die Familie hat, jene natürliche Liebesund Lebensgemeinschaft, die in einzigartiger Weise mit der Aufgabe der Weitergabe des Lebens und der liebevollen Sorge und Entwicklung der menschlichen Person, besonders in den frühesten Jahren, betraut ist. Ein gesundes Familienleben wird in hohem Maße zur Stabilität der Gesellschaft beitragen. Es wird die Gewähr dafür sein, daß Kinder eine harmonische Erziehung erhalten, in der ihre Bedürfnisse gleichmäßig berücksichtigt werden. Sie sind sich, wie ich weiß, sehr wohl des entscheidenden Beitrags bewußt, den die Familien bei der Gesundheitsfürsorge, bei der Gesundheitserziehung und bei der Krankheitsbekämpfung in den Entwicklungsländern leisten können. Die Liebe und Stabilität, die ein starkes, unverfälschtes Familienleben auf physischer, kultüreller und moraüscher Ebene zu bieten vermag, müssen auch als ein wichtiger Faktor bei der Reaktion auf die neuen Krankheitsformen angesehen werden, die in zunehmendem Maße die Kinder der hochentwickelten Länder befallen. Unter Bezugnahme auf die Familie kann ich nicht den wichtigen Aspekt der Rolle der Mutterschaft und die Notwendigkeit übergehen, daß Müttern während der Schwangerschaft und eine angemessene Zeit danach jeder notwendige soziale Schutz und Beistand gewährt wird. Ein wesentliches Element jeder Politik zum Schutz des Kindes ist, für die tatsächliche Nähe der Mutter an der Seite ihrer kleinen Kinder zu sorgen und zu garantieren, daß Mütter auf die wirksame Ausübung ihrer Rolle im Bereich der Ernährung und der Gesundheitserziehung vorbereitet werden. Der Hl. Stuhl trat wiederholt für eine geeignete persönliche und soziale Besserstellung für Frauen ein, um die Würde der Frauen und die Verbesserung der Lebensqualität für die kommenden Generationen zu gewährleisten. Politische Maßnahmen, deren Ziel es ist, den Müttern bei der wirksamen und befriedigenden Erfüllung ihrer Aufgabe beizustehen, beruhen auf dem Prinzip, der Hausarbeit der Mütter wegen ihres Wertes 1191 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für die Familie und die Gesellschaft entsprechende Anerkennung zuteil werden zu lassen. 5. Eben weil die Kirche den großen Wert der Familie erkennt, fühlt sie sich allen jenen Kindern besonders nahe, die nicht die Freude hatten, in einer gesunden und vollständigen Familie aufzuwachsen. Wie ich in Familiaris consortio ausführte: „Es gibt sehr viele Menschen in der Welt, die sich unglücklicherweise auf überhaupt keine Familie im eigentlichen Sinn dieses Wortes beziehen können. Weite Bereiche der Menschheit leben in größter Armut, wo das wahllose Zusammenleben der Geschlechter, die Wohnungsnot, die Unordnung und mangelnde Festigkeit in den Beziehungen zueinander sowie das Fehlen jeglicher Kultur es praktisch unmöglich machen, von einer wahren Familie zu reden. Sodann gibt es Menschen, die aus verschiedenen Gründen in der Welt allein geblieben sind“ (Nr. 85). Neben allen Anstrengungen, die wir unternehmen müssen, um den Familien bei der wirksameren Ausübung ihrer Rolle behilflich zu sein, ist es dringend geboten, den Kindern unmittelbare Aufmerksamkeit zu widmen, die das Familienleben entbehren müssen. Ich appelliere besonders an andere Familien, ihrer Berufung zur Gastfreundschaft zu entsprechen und den Kindern, die vorübergehend oder ständig Obhut brauchen, ihre Türen zu öffnen. Und zugleich wiederhole ich meinen Appell an die Behörden, für eine Gesetzgebung zu sorgen, die es geeigneten Familien ermöglicht, Kinder zu adoptieren oder eine Zeitlang für sie Sorge zu tragen. Eine solche Gesetzgebung sollte zugleich die natürlichen Rechte der Eltern, auch im religiösen Bereich, respektieren. Es gilt auch, darauf zu achten, daß sämtliche Mißbräuche auf diesem Gebiet, sowohl auf nationaler wie auf internationaler Ebene, die Kinder und ihre Bedürfnisse ausnutzen, beseitigt werden. Herr Direktor, Sie sollen wissen und nicht im geringsten daran zweifeln, daß alle, die ehrlich für eine schönere Zukunft für alle Kinder der Welt arbeiten, in der Kirche und dem Apostolischen Stuhl einen zuverlässigen Verbündeten finden. Ich erbitte Gottes Segen für Ihre Arbeit und die Arbeit aller Institutionen und Einzelpersonen, die auf so vielfältige Weise sicherzustellen versuchen, daß das Geschenk von Gottes Leben, an dem jedes Kind teilhat, sich in reichster Weise zum Wohl der ganzen Familie entwickeln und entfalten kann. 1192 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Familie ist Pflanzstätte des religiösen Lebens Ansprache an Mitglieder der Schönstatt-Bewegung am 27. April Liebe Brüder und Schwestern! Nach unserer ersten Begegnung in der großen Gemeinschaft der Gläubigen bei der Generalaudienz heiße ich euch heute noch in diesem mehr familiären Rahmen herzlich willkommen. Ich grüße in euch alle Mitglieder des Schönstatt-Familienbundes und der Schönstatt-Familienliga, die sich in einer besonderen Weise dem Laien- und Familienapostolat in der Kirche verpflichtet wissen. Der Familie gilt bekanntlich heute die besondere pastorale Sorge der Kirche. Sie bildete das Thema der letzten Bischofssynode und ist auch das zentrale Anhegen des sich davon herleitenden wichtigen Apostolischen Schreibens Familiaris consortio. Die Sorge um Ehe und Familie ist eine der Hauptaufgaben einer lebensnahen und zeitgemäßen Pastoral. Die Familie ist nicht nur die Ürzelle der menschlichen Gemeinschaft, sondern auch der Kirche. Das II. Vatikanische Konzil hat die Familie zu Recht eine „Art Hauskirche“ genannt, in der die Eltern durch Wort und Beispiel für ihre Kinder die ersten Glaubensboten sein sollen“ (Lumen gentium, Nr. 11). Ich ermutige euch als christliche Eheleute sowie alle Familien, die ihr hier vertretet, in eurem aufrichtigen Bemühen, diesem wichtigen Apostolat im Kreise eurer eigenen Familien nach Kräften zu entsprechen und hierbei die Lehre der Kirche und ihres obersten Lehramtes als Richtlinie für euer Handeln zu nehmen. Ohne das aufgeschlossene und engagierte Mitwirken gerade von euch Eltern ist es kaum möglich, den Glauben wirksam an die nachfolgende Generation weiterzuvermitteln. Ihr seid für eure Kinder nicht nur die ersten, sondern in den allermeisten Fällen auch die wichtigsten Glaubenszeugen. Schon von früh an spüren eure Kinder, ob ihr Wert darauf legt, in lebendiger Verbindung mit Gott zu leben; im Vertrauen auf seine Führung, in Gemeinschaft mit Jesus Christus und im Bewußtsein, daß ihr auf die Kraft und Führung des Heiligen Geistes vertraut. Schon früh spüren sie, ob ihr die Kirche liebt, den Gottesdienst und die Sakramente, vor allem, ob ihr euch ernstlich bemüht, euren Glauben auch zu leben. Viel wirksamer als eure Worte ist euer Leben! Von einer Gesundung und Erstarkung der Familie als Pflanzstätte des religiösen Lebens dürfen wir entscheidende Impulse für eine geistige Erneuerung in der Kirche und in der Gesellschaft erwarten. Eine wirklich 1193 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lebendige christliche Familie wird gleichsam von selbst in ihre Umgebung hinein apostolisch wirksam. Für die Kirche werden solche Familien, wie das II. Vatikanische Konzil überzeugt ist, dadurch sogar „zu Pflanzstätten des Laienapostolats sowie für Priester- und Ordensberufe“ (Ad gentes, Nr. 19). Möge der auferstandene Herr den Einsatz des internationalen Schönstattwerkes für die christliche Familie in seinen vielfältigen Vereinigungen mit seiner Gnade reichlich befruchten. Das erbitte ich euch auf die Fürsprache unserer Mutter Maria als besonderes Geschenk dieser eurer Rompilgerfahrt mit meinem Apostolischen Segen, den ich euch und allen Mitgliedern eurer Familienbewegung von Herzen erteile. Medizinische Forschung — sittliche Werte Ansprache an die Teilnehmer eines internationalen Krebsforschersymposiums am 27. April Liebe Freunde! 1. Es ist mir eine Ehre und Freude, die Teilnehmer des internationalen Symposiums „National Foundation for Cancer Research“ im Vatikan willkommen zu heißen. Wenn ich Sie heute begrüße, möchte ich meine hohe Anerkennung für den wichtigen Beitrag zum Ausdruck bringen, den Sie zur Gesundheit und zum Wohl der Menschheit leisten. Durch Ihre Hochherzigkeit und Hingabe in der Lehrtätigkeit und der oft mühsamen Forschungsaufgabe haben Sie unsere Kenntnisse über die Ursachen und die Natur des Krebses sowie die besten und wirksamsten Behandlungsmethoden beachtlich gesteigert. Dieses Symposium ist ein Beispiel mehr für Ihre unermüdlichen Anstrengungen auf diesem Gebiet und für Ihre eifrige Sorge um diejenigen überall in der Welt, die an dieser furchtbaren Krankheit leiden. <48> <48> Vor einigen Monaten habe ich ein Apostolisches Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens veröffentlicht. In diesem Dokument versuchte ich, jene Erfahrung durch das Licht Christi zu erhellen, die zum wesentlichen Bestandteil jedes menschlichen Lebens gehört. Außer meinem Wunsch, den Menschen zu helfen, in der geheim- 1194 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nisvollen Erscheinung des Leidens einen Sinn zu finden, wollte ich auch voll Dankbarkeit die Aufmerksamkeit auf diejenigen lenken, die wie Sie für die Leiden der anderen besonders empfänglich sind und sich bemühen, nicht nur Mitgefühl und Mitleid, sondern konkrete Maßnahmen bei der Erleichterung dieser Leiden anzubieten. Ich sagte in diesem Zusammenhang: „Wie sehr entsprechen doch die Berufe des Arztes, der Krankenschwester oder ähnliche der Tat des ,barmherzigen Samariters1. Im Hinblick auf den darin verborgenen evangelischen Gehalt1 sind wir geneigt, hierbei mehr an eine Berufung als an einen bloßen Beruf zu denken. Die Institutionen, die im Lauf der Generationen einen ,Samariter‘-Dienst leisteten, haben in unserer Zeit eine noch stärkere Entwicklung und Spezialisierung erfahren. Das beweist ohne Zweifel, daß der heutige Mensch mit immer mehr Aufmerksamkeit und mit geschärftem Blick vor den Leiden des Nächsten innehält und sie immer besser zu verstehen oder sogar zu verhüten sucht. Er besitzt auf diesem Gebiet auch eine immer größere Fähigkeit und Spezialisierung. Wenn wir das alles betrachten, können wir sagen, das Gleichnis vom Samariter im Evangelium ist ein wesentlicher Bestandteil sittlicher Kultur und menschlicher Zivilisation schlechthin geworden. Und wenn wir an all die Menschen denken, die durch ihr Wissen und ihre Fähigkeiten dem leidenden Nächsten vielfältige Dienste leisten, müssen wir ihnen Worte der Anerkennung und Dankbarkeit aussprechen“ (Salvifici doloris, Nr. 29). „Zwischen Leib und Geist besteht eine tiefe Einheit“ 3. Jahrelang hat die medizinische Forschung gefordert, moderne Spezialmethoden anzuwenden, um zu neuen Entdeckungen zu gelangen. In jüngster Zeit hat sich eine interdisziplinäre Annäherung als zunehmend notwendig erwiesen, die die von verschiedenen Wissensgebieten, wie Medizin, Biologie, Chemie, Physik, Mathematik usw., gelieferten Einsichten umfaßt. Das alles deutet auf die wachsende Notwendigkeit des Dialogs und der Zusammenarbeit unter den Männern und Frauen der verschiedenen Wissenschaften hin. Damit zugleich erkennen immer mehr Wissenschaftler und Forscher, wie wichtig es ist, ihre Forschungsergebnisse in einen umfassenderen sozialen und kulturellen Zusammenhang zu stellen und den moralischen Grundsätzen und geistigen Werten, die mit Neuentdeckungen verknüpft sind, gebührende Beachtung zu schenken. Ihr Wunsch, anläßlich dieses internationalen Symposiums mit dem Papst 1195 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zusammenzutreffen, läßt Ihre eigene Sensibilität für diese Dimensionen erkennen. Medizinische Forschung, ja jedes wissenschaftliche Studium bedarf der Unterstützung und Führung durch geistige und sittliche Werte. Denn solche Forschung hat letzten Endes das Wohl der ganzen Person zum Ziel, auch wenn der unmittelbare Zweck die Behandlung bestimmter Gewebe oder Organe des Leibes ist. Zwischen Leib und Geist besteht eine tiefe Einheit, die so wesentlich ist, daß die geistvollste Tätigkeit von der körperliche Verfassung beeinflußt wird und der Leib selbst seinen eigentlichen und endgültigen Zweck nur erfüllt, wenn er vom Geist geleitet wird. Ich möchte daher alle jene ermutigen, die eine interdisziplinäre Annäherung in der Krebsforschung und anderen medizinischen Problemen fördern, und würde darauf dringen, daß in diese Annäherung die Weisheit aufgenommen wird, die sich im spirituellen Erbe der Menschheit findet. Ich versichere Sie in dieser Hinsicht des großen Interesses der katholischen Kirche an Ihrer Forschung und der Bereitschaft zum Dialog, um mit Ihnen die geistlichen und ethischen Traditionen des christlichen Glaubens zu teilen. 4. Der interdisziplinäre Charakter der heutigen Wissenschaft hat auch eine Internationalisierung unter den Forschern mit sich gebracht. Das ist deutlich an Ihrem jetzigen Symposium zu sehen. Und es ist ein hoffnungsvolles Zeichen eines wachsenden Geistes der Brüderlichkeit und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Männern und Frauen guten Willens aus allen Nationen. Ich bete darum, daß Ihre Erfolge und Errungenschaften in ähnlicher Weise nicht nur einigen vom Glück Begünstigten, sondern den Menschen überall in der Welt Hoffnung und Hilfe bringen. Meine Damen und Herren, Sie haben in der Tat eine edle und lebenswichtige Aufgabe. Möge Gott Ihnen Freude und Kraft bei Ihrer Arbeit gewähren und Sie und Ihre Familien mit seinem reichen und dauernden Frieden segnen. 1196 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine unvergeßliche Erfahrung der Kirche Brief an alle Bischöfe der Kirche zum Dank für ihre Mitfeier des Heiligen Jahres vom 29. April Liebe Brüder im Bischofsamt! Am Ostersonntag habe ich mit bewegtem Herzen die Heilige Pforte wieder geschlossen, die ich am 25. März 1983 geöffnet hatte, um dadurch das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung in geistiger Einheit mit Euch einzuleiten, die Ihr dieses Heilige Jahr mit mir in Euren Diözesen eröffnet habt. Zum guten Abschluß dieser unvergeßlichen Erfahrung von Kirche möchte ich Euch allen meine herzliche Dankbarkeit bekunden für die geistliche Teilnahme und pastorale Bereitschaft, mit denen Ihr die Jubiläumsfeier in Euren Ortskirchen durchgeführt habt. Eure Hirtensorge hat sich mit vermehrter Kraft darauf gerichtet, den Gläubigen zu helfen, die wichtigen übernatürlichen Ziele, die für das Jubiläum angegeben waren, in ihrem Leben zu verwirklichen: die innere Umkehr und Versöhnung mit Gott, mit sich selbst und mit den anderen, und dies vor allem durch eine intensivere Teilnahme an den Sakramenten, besonders an Bußsakrament und Eucharistie, sowie durch größeren Ernst beim gläubigen Hören des Wortes Gottes. Ermutigend und aufschlußreich ist die überraschend große Bereitschaft, mit der die Gläubigen die Einladung beantwortet haben, das Geschenk des Jubiläumsjahres mit besonderer innerer Anteilnahme zu leben. Mein Dank richtet sich darum an Euch, liebe Brüder im Bischofsamt, und an alle Eure Mitarbeiter im Priesteramt, die Ihr meine Ankündigung bereitwillig aufgenommen und mit klugem pastoralem Einsatz geeignete Initiativen eingeleitet habt, damit das Jubiläum in angemessener Weise verwirklicht werden konnte. Jeder Seelsorger muß sich über die breite Bewegung zu geistlicher Erneuerung freuen, die diese besondere Gnadenzeit ausgelöst hat. Das Jubiläumsjahr hat eine hochherzige und bewußte Teilnahme der Laien, vor allem der Jugendlichen, in den einzelnen Diözesen wie auch auf der Ebene der Weltkirche erbracht. Die jungen Menschen waren eingeladen, Christus die Tore zu öffnen, und sie haben darauf froh geantwortet; man hat ihnen Vertrauen entgegengebracht, und sie haben bewiesen, daß sie es verdienen. Das ist der Weg, auf dem man heute mit erneuerter Hoffnung 1197 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in Richtung auf das dritte Jahrtausend christlicher Zeitrechnung vorangehen muß. Das Heilige Jahr hat auch den aufrichtigen Einsatz der Priester und Ordensmänner gesehen, die ihre eigene Identität als Zeugen des Gottesreiches, als Verkünder des Wortes Gottes, als Verwalter der Sakramente, vor allem der Eucharistie und der Versöhnung, besser verstehen und werten konnten. Das wurde besonders sichtbar an den Initiativen, die auf Pfarr- und Diözesanebene unternommen wurden, aber ebenso bei den zahlreichen Wallfahrten, die von ihnen zu den Gräbern der Apostel und Märtyrer geführt wurden, die in dieser Stadt Rom verehrt werden. Spontan formt sich dabei im Herzen der heiße Wunsch, die in dieser Gnadenzeit gemachte Erfahrung möge zu jener Zunahme der priesterlichen Berufungen beitragen, die ein ständiges Anliegen jedes Seelsorgers darstellt. Schließlich möchte ich auch die gute Gelegenheit erwähnen, die das Jubiläumsjahr bot, um die Bedeutung einer spezifischen Gegenwart der Kirche in der Welt der Kultur, der Arbeit und der Familie sowie ihrer Beteiligung an der Förderung der grundlegenden Werte, die sich aus der wahren Menschenwürde ergeben, zu unterstreichen. Einmal mehr ist deutlich geworden, daß „es die grundlegende Aufgabe der Kirche in allen Epochen und besonders in der unsrigen ist, den Blick des Menschen, das Bewußtsein und die Erfahrung der ganzen Menschheit auf das Geheimnis Christi zu lenken und auszurichten“ (Redemptor hominis, Nr. 10). Dann drängt es mich auch, liebe Brüder, euch meine Dankbarkeit zu bekunden für die bereite Antwort auf die Einladung, die ich seinerzeit an Euch richtete, daß Ihr Euch nämlich am Fest der Verkündigung des Herrn mir angeschlossen habt, um erneut einen „Akt der Überantwortung“ an die Jungfrau Maria zu vollziehen, wie ich es auf dem Petersplatz vor der verehrten Statue der Madonna von Fatima getan habe. Wenn wir so einen Blick auf die verschiedenen Phasen des nunmehr abgeschlossenen außerordentlichen Jubiläumsjahres der Erlösung zurückwerfen, möchte ich zusammen mit Euch die dringende Notwendigkeit bedenken, daß die geistlichen Keime dieses Ereignisses zu reichen Gnadenfrüchten für alle heranreifen sollten. Das muß die gemeinsame Sorge der Bischöfe, der Priester, der Ordensmänner und Ordensfrauen und der Laien sein: Die Feier des Heiligen Jahres darf nicht nur als begeisternde Erinnerung an die großartige Antwort fortdauern, die viele Millionen von Gläubigen Jesu Christi, unserem Erlöser, gegeben haben, um ihren Glauben in der Öffentlichkeit deutlich und klar zu bezeugen, sondern sollte durch geeignete geistliche und pastorale Initiativen weiterhin tief auf die 1198 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gewissen einwirken, um die guten Vorsätze und die Bereitschaft, die Liebe zu Gott und zu den Brüdern in Fülle zu leben, immer reichere Frucht bringen zu lassen. Mit diesen guten Wünschen erteile ich Euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich auch Eure Mitarbeiter und Gläubigen gern mit einschließe. Aus dem Vatikan, am 29. April, dem Zweiten Ostersonntag „in Albis“ des Jahres 1984. PAPST JOHANNES PAUL II. Eure Würde in Gottes Augen Ansprache bei der Audienz für spanische Gastarbeiter am 30. April Liebe Brüder und Schwestern! Mit echter Freude empfange ich heute eure zahlreiche Gruppe, die spanische Gastarbeiter in verschiedenen europäischen Ländern, besonders in Belgien, Frankreich, der Bundesrepublik Deutschland, England, den Niederlanden und der Schweiz umfaßt. Ich freue mich auch, daß euch etwa dreißig Priester begleiten, die mit der ständigen Seelsorge für euch beauftragt sind. Und bei diesem römischen Treffen könnt ihr auch mit der von euch, euren Kaplänen und mir so geschätzten Anwesenheit von Repräsentanten der Bischöfe Spaniens rechnen, die über die bischöfliche Kommission für die Menschen unterwegs die Problematik verfolgen, die eure besonderen Lebensbedingungen aufwerfen. Sucht alles, was euch fördert Diese Tatsache, daß euch, liebe Emigranten, eure Bischöfe und Priester nahestehen, läßt mich dem Herrn danken, weil darin eine kirchliche Realität von großer Bedeutung gegeben ist. In der Tat ist sich die Kirche in dem Maße, in dem das Phänomen der - vorübergehenden oder ständigen - Migration sich in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat, immer klarer der Bedeutung dieser Erscheinung und der pastoralen Planungen, die sie erfordert, bewußt geworden. Die Auswanderung 1199 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN brachte schmerzliche Situationen für die Emigrantengruppen mit sich, die zu den Schwierigkeiten, die ihnen durch die Entwurzelung und das Leben in einer fremden Umgebung aufgenötigt wurden, nicht gerade leichte Probleme bei der normalen Ausübung ihres christlichen Lebens auf sich nahmen. Darum soll mein erstes Wort sofort euren Bischöfen und Kaplänen gelten, damit sie das Hilfssystem für die Emigranten immer mehr zu vervollkommnen suchen und die ganze tiefe apostolische Bedeutung eines Lebens ermessen, das sich hochherzig und aufopfernd dem Dienst an den Kirchen in der Diaspora hingibt, zu denen die Menschen unterwegs zählen. Wieviel moralische Kraft, wieviel Mut, wieviel Hoffnung können sie wecken und wieviel Leid oder Probleme können sie durch ihre Nähe und durch das passende, im Geist christlich-brüderlicher Liebe angebotene Wort des Glaubens lindern! Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, welcher Art und wie zahlreich die Schwierigkeiten sind, die in eurem Leben als Männer und Frauen auftre-ten, die getrennt von ihrer Familie, manchmal von ihren eigenen Kindern oder ihren Heimatorten leben (vgl. Laborem exercens, Nr. 23). Zweifellos muß darum eure Lebenssituation oft als hart in menschlicher und gefährlich und unsicher in religiöser Hinsicht bezeichnet werden. Seid trotzdem auf eure Würde als menschliche Geschöpfe bedacht, die in Gottes Augen der Würde keines anderen Menschen, ob Herr oder Abhängiger, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer, der eigenen oder einer anderen Nation nachsteht. Gott und die Kirche sehen mit tiefem Mitgefühl euer Verlangen und euer Bemühen um Verbesserung eurer persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Lebensbedingungen. Das ist ein edles, wertvolles Bestreben, das größte Achtung und Anerkennung von seiten aller verdient, und zwar in der Weise, daß sie die angemessenen Bedingungen der Gleichheit und Gerechtigkeit erfüllen, auf die ihr ein Recht habt (vgl. Laborem exercens, Nr. 23). Doch die Kirche und ich selbst ermutigen euch auch dazu, niemals eure Stellung als Kinder Gottes, als Brüder in Christus, als Geschöpfe mit einer ewigen Bestimmung, zu der uns der auf erstandene Christus beruft, zu vergessen (vgl. Redemptor hominis, Nr. 18; Laborem exercens, Nix. 27). In diesem Bewußtsein sucht alles, was euch fördert und mit Würde ausstattet, gebt jedoch nicht euren christlichen Glauben auf, teilt ihn euren Gefährten bei der Arbeit und im gesellschaftlichen Bereich mit, und seid untereinander solidarisch als Zeugnis gelebter christlicher Brüderlichkeit. Mit diesen Wünschen und der Versicherung meines besonderen Gebetes 1200 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für euch, für eure Kinder und Familien, für eure Arbeitskollegen und besonders für alle, die sich eurer religiösen Betreuung widmen, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. „Die großen Geheimnisse“ Apostolisches Schreiben an alle Bischöfe der katholischen Kirche vom 1. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! Die großen Geheimnisse unseres Heils, die wir in den vergangenen Tagen gefeiert haben, brachten uns in Erinnerung, um welchen Preis wir von Christus losgekauft worden sind, der „wegen unserer Verfehlungen hingegeben, wegen unserer Gerechtmachung auferweckt wurde“ (Röm 4,25). Die ganze Kirche hat ihr Halleluja gesungen in dem freudigen Bewußtsein, Trägerin der Botschaft des Lebens und der Hoffnung! zu sein, die Ostern der Menschheit bietet. Aber das Wissen um den Sieg Christi über die Finsternis macht unsere Sorge noch größer, da wir wissen, daß so viele unserer Brüder noch immer dem Bösen in all seinen Formen, besonders dem Krieg und seinen schrecklichen Folgen, ausgesetzt sind. Deshalb schnürt sich mir das Herz zusammen bei dem Gedanken an das Drama, das der Libanon seit nunmehr zehn Jahren erlebt. Der Libanon ist heute für die Welt und für die Kirche ein Gegenstand des Leidens, denn dort leiden Menschen, die unsere Brüder sind, und blicken voll Angst in die Zukunft. Ich habe soeben an alle Libanesen eine Botschaft gerichtet, in der ich noch einmal mein Vertrauen in den Libanon und in all seine Bürger aussprechen wollte, die den Wunsch haben, einem neuen Land, das zugleich seinem wertvollen geistlichen Erbe treu ist, zur Geburt zu verhelfen. Ich möchte, daß diese Botschaft zur Botschaft der ganzen Kirche werde, und deshalb unterbreite ich sie eurer Aufmerksamkeit, ehrwürdige Brüder, damit ihr sie euren Gemeinden zur Kenntnis bringt; diese Botschaft soll das Gebet fördern und alle Menschen, die Freunde des Friedens und der Wahrheit sind, zum Nachdenken über das Drama eines Volkes veranlassen, das schon allzu lange unter der Gewalttätigkeit zu leiden hat. 1201 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Als Christen können wir nur Baumeister des Friedens sein, jenes Friedens, den die Seligpreisungen lehren, jenes Friedens, der zugleich Geschenk und Aufgabe ist, Werk jedes einzelnen. Aber diese Solidarität wird zu einer noch gebieterischen Pflicht, wenn diejenigen, die leiden, auch christliche Brüder sind. Sie sollen wissen, daß wir geistlich an ihrem Schicksal teilnehmen im Bewußtsein, daß wir zur gleichen Familie gehören. Wir vergessen sie nicht. Mehr noch, wir zählen auf sie und auf ihre Anwesenheit in einem demokratischen Libanon, der den anderen offensteht im Dialog mit den Kulturen und Religionen; der nur so überleben und ihre Existenz in Freiheit und Würde sichern kann. Darüber hinaus ist die Entwicklung des Christentums im Libanon Voraussetzung für die Präsenz der christlichen Minderheiten im Nahen Osten: dessen sind sich der Papst und die Gesamtkirche bewußt. Jede christliche Gemeinde überall auf der Welt möchte zweifellos ihren Beitrag für den Schutz dieser orientalischen Kirchen leisten, die die Wiege unseres Glaubens gewesen sind und denen wir soviel verdanken: Sie können mit der moralischen und geistlichen Unterstützung der ganzen katholischen Kirche rechnen. Aus diesem Grund, ehrwürdige Brüder, lade ich euch ein, für unsere christlichen libanesischen Brüder zu beten und beten zu lassen: damit sie den Mut haben, an die Zukunft zu glauben, und sich daher immer mehr um ihre Bischöfe scharen, um als Kirche ihren Mitbürgern den Namen Gottes zu bringen. In einem Libanon, der noch immer von Spaltungen und Schranken jeder Art heimgesucht wird, ist es von vorrangiger Bedeutung, daß die christliche Gemeinschaft als Sauerteig der Einheit und Versöhnung erscheint. Beten wir auch für unsere nichtchristlichen libanesischen Brüder, die zusammen mit ihren Mitbürgern, die sich zum christlichen Glauben bekennen, die Geschichte des Libanon, eines Landes der Begegnung und des Dialogs, geschrieben haben. Wie sollten Menschen, die auf demselben Boden leben und sich als Kinder desselben Gottes betrachten, nicht imstande sein, die traurigen Episoden der Gewalttaten und Vergeltung schließlich zu beenden, um gemeinsam den Blick auf eine Zukunft zu richten, die es aufzubauen gilt? Was für eine Katastrophe für die Welt, wenn die einen und die anderen dahin kämen, sich im Namen der Religion gegenseitig auszuschließen! Die Christen der arabischen Welt ihrerseits haben sich in dieser Region immer zu Hause gefühlt, wo sie zur Verbreitung einer Botschaft der Kultur und des Fortschritts beigetragen haben, deren Nutznießer alle waren. Bitten wir schließlich den Herrn, daß er die Freunde des Libanon überall 1202 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in der Welt, besonders jene, die auf der Ebene der politischen Entscheidungen Verantwortung auf sich nehmen, inspirieren möge. Niemand gebe der Mutlosigkeit nach, sondern alle seien bereit, dem Libanon auch weiterhin bei der Wiederfindung seines ursprünglichen Charakters zu helfen! Alle, die dieses Land lieben, müssen den Libanesen helfen, es aus eigenen Kräften um die gesetzlichen Autoritäten wiederaufzubauen: Das kann nur gelingen, wenn jeder, im Libanon und anderswo, bereit ist, seine eigenen Interessen zu opfern, damit das gemeinsame Wohl aller die Oberhand gewinnen kann. Das sind die Überlegungen, die ich euch, ehrwürdige Brüder, anvertraue, damit diese an die Libanesen gesandte Botschaft auch jene sei, die ihr selbst und jene, für die ihr die pastorale Verantwortung tragt, an sie richtet. Wie unsere ersten Brüder im Glauben, die nach der Auferstehung des Herrn „einmütig im Gebet verharrten, zusammen mit. . . Maria, der Mutter Jesu“ (Apg 1,14), vereinen wir uns zum inständigen Gebet für die Kirche im Libanon, damit ihr die Gnade zuteil werde, aus dem Kreuz Christi, das sie in ihrem Fleisch trägt, die Kraft zu schöpfen, das Heute Gottes und sein Ideal der Brüderlichkeit und Versöhnung zu leben. Wir möchten auch noch einmal unsere Wertschätzung für die nichtchristlichen Libanesen aussprechen, und wir beten zu Gott, daß er sie erleuchte, damit sie der Versuchung zu Trennungen und Mißtrauen, das sie so leicht auslösen, widerstehen. Möge Gott jedem genug Mut und Glauben schenken, damit der Mensch Sieger über die Finsternis bleibt! Es wird übrigens nicht das erste Mal sein, daß die Libanesen der Prüfung und Unsicherheit die Stirn geboten haben. Der Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria vertrauen wir diese Wünsche und diese Bitten an, damit der Libanon bald wieder für die Völker der Region und der Welt zu einem Zeichen der Hoffnung für alle werde. Mit besonderer Liebe im Herrn gewähre ich euch meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, am 1. Mai 1984. PAPST JOHANNES PAUL II. 1203 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Botschaft an alle Libanesen vom 1. Mai Liebe Söhne und Brüder im Libanon! Nachdem ich in den letzten Tagen das qualifizierte Zeugnis der katholischen Patriarchen des Libanon gehört und mit ihnen ihre Sorge geteilt habe, fühle ich das Bedürfnis, noch einmal meine geistliche Nähe allen zu bekunden, die in eurem teuren Land noch immer unter den Schrecken des Krieges leben. Das ist für mich auch eine Gelegenheit, erneut die Aufmerksamkeit der Welt auf das Schicksal einer Nation zu lenken, die seit nunmehr zehn Jahren den verheerenden Folgen endemischer Gewalt gegenübergestellt ist. Die tiefe Liebe, die ich seit langem für dieses Land und seine schwergeprüfte Bevölkerung hege, ermächtigt mich, wie ich glaube, an alle Libanesen - Katholiken, Christen und Muslime - ein freundschaftliches Wort zu richten: Ich weiß, daß es den Weg zu ihrem Herzen finden wird! Ich tue das im unvergleichlichen Licht von Ostern, der Offenbarung des Lebens. Denn wenn die Libanesen unter den gegebenen Umständen ein Wort brauchen, dann wohl ein Wort von der Auferstehung, ein Wort für die Zukunft! Denn diese langen Kriegsjahre dürfen nicht euer Vertrauen in den Libanon selbst erschüttern. Er bildet einen Wert kostbarer Zivilisation: Man denke daran, was die ganze Menschheit ihm seit dem weit zurückliegenden Zeitalter der Phönizier zu verdanken hat, ohne die Begegnung der Religionen, den kulturellen Dialog zwischen Orient und Okzident und die wirtschaftlichen Initiativen zu vergessen. Freiheit, Verständigung, Gastfreundschaft und geistige Aufgeschlossenheit waren die Werte, auf denen der Libanon von gestern ruhte. Sie bilden auch die Grundlage des Libanon von morgen. Eine vom demokratischen und pluralistischen Ideal beseelte Gesellschaft ist ein kostbares Erbe, das niemand aus den Augen verlieren darf. Alle Länder, die Freunde des Friedens und der Freiheit sind, können nur ihre Unterstützung anbieten, um dem Libanon zu helfen, seinen ursprünglichen Charakter wiederzufinden, was das geduldige und hochherzige Werk der Libanesen selbst sein wird. Es ist deshalb geboten, daß jeder libanesische Staatsbürger volles Vertrauen in den Menschen bewahrt. Liebe Libanesen, denkt in der Tat an das, was ihr gemeinsam aufbauen konntet: eine Gesellschaft des Dialogs 1204 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und des Wohlstandes, um die euch viele beneideten. Gewiß haben innere und äußere Faktoren, die nicht unterschätzt werden dürfen, diesen Libanon entstellt. Aber niemals können die Niederlagen, die Verbitterung, die Kämpfe und selbst die Massaker die kleine Flamme ganz auslöschen, die im Herzen jedes Menschen flackert, die Liebe heißt und die das ist, wodurch er Gott am ähnlichsten ist. Ich weiß sehr wohl, daß der furchtbare Ausbruch von Gewalttätigkeiten in den letzten Jahren ein Klima des Zweifels und Argwohns erzeugt hat, das zur Folge hat, daß derjenige, der nicht so denkt wie man selbst oder der nicht derselben Religion angehört, verdammt wird. Aber ich bin ebenso überzeugt, daß es nicht zu spät ist, um diese Situation zu überwinden: Bereit zu sein, sich als Menschen zu begegnen, als Brüder zu betrachten heißt, bereits eine Lösung anbahnen. Man erklärt damit, daß man sich nicht mit dem Scheitern abfindet. Die Libanesen sind gläubig, sie wissen daher, daß der Schöpfer ihnen ihr Land anvertraut hat, damit sie es bewohnbar und gastlich für alle machen! „Aus einem neuen Herzen wird der Friede geboren“, sagte ich zu Beginn dieses Jahres aus Anlaß des Weltfriedenstages. Soll man dai nicht unterstreichen, daß letzten Endes jeder Libanese für die Zukunft seines Landes verantwortlich ist? Jeder muß bereit sein, eine Gewissensprüfung vorzunehmen, auf etwas zu verzichten, sich in Frage zu stellen, damit die Werte, an denen alle teilhaben, die Oberhand gewinnen: die moralische Rechtschaffenheit, die Sorge um die Wahrheit, das menschliche Empfinden, die wahre Solidarität, die Verteidigung der Freiheiten und die Achtung der Traditionen. Und das alles auf der Ebene der Personen wie der Gemeinschaften; Arroganz, Machthunger, Fanatismus, Defätismus oder Furcht sind Todeskeime, die nicht nur den Nationalgeist schwächen, sondern euer Land in einen verhängnisvollen Zerfall führen können. Der Libanon des Jahres 1984 muß die Herausforderung zum moralischen Wiederaufbau einer Gesellschaft annehmen, die ihrem wertvollen zivilisatorischen Erbe treu ist und klar in die Zukunft blickt. Bei diesem erhebenden Abenteuer haben die Christen eine besondere Rolle zu spielen. Gerade an sie, die meinem Herzen und meinem Gebet zum Vater ständig gegenwärtig sind, will ich mich nun ganz besonders wenden. Liebe Söhne und Töchter, im heutigen Libanon seid ihr für die Hoffnung verantwortlich. Für die Hoffnung, die dem offenen Grab von Ostern, dem auferstandenen Christus, entspringt. „Er (Jesus) hat in seiner Person die Feindschaft getötet“ (Eph 2,16): Das ist die Frohbotschaft, die ihr in 1205 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eurer Umwelt verkünden sollt! Durch die Früchte des österlichen Geistes, die „Aufrichtigkeit und Wahrheit“ sind (2 Kor 5,8), schafft ihr dort, wo ihr lebt und arbeitet, eine brüderliche Atmosphäre. Bemüht euch, ohne einfältig zu sein, bei-den anderen Vertrauen zu schaffen, und seid erfinderisch, um der erneuernden Kraft der Vergebung und des Erbarmens zum Sieg zu verhelfen. Ich möchte euch mit dem Apostel Petrus sagen: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Laß dich nicht vom Bösen besiegen, sondern besiege das Böse durch das Gute!“ (Röm 12,17.21). Aber zeigt euch niemals zaghaft, wenn es darum geht, eure Freiheiten zu verteidigen, besonders die, die evangelischen Werte zu verkünden und gemeinsam zu leben. Die gesamte Kirche steht auf eurer Seite, sie ist solidarisch mit euren Prüfungen und euren Hoffnungen, denn sie denkt daran, daß in eurem Land die Jünger Christi zum ersten Mal den schönen Namen „Christen“ erhalten haben. Sie ist auch stolz auf alle Opfer der Christen im Orient, um den Glauben an Jesus Christus, den wahren Gott und wahren Menschen, intakt zu erhalten. Sie könnte sich darum nicht damit abfinden, im Libanon und anderswo diese um den Preis so heroischen Durchhaltens errungene Präsenz dahinschwinden zu sehen. Gebt gemeinsam als Glieder einer Kirche, die über ihre legitimen Unterschiede hinaus darauf bedacht ist, ihre Kräfte zu sammeln, Zeugnis von einer geeinten Gemeinschaft, die bestrebt ist, die vom Krieg hervorgerufenen künstlichen Gegensätze zu überwinden. Die Kirche im Libanon muß auf prophetische Weise den Dienst des Dialogs und der Versöhnung garantieren, der seine Quelle im Herzen Christi hat, der - daran hat die Kirche in der Karwoche erinnert - sein Leben hingegeben hat für die vielen. Beteiligt euch unter der Führung eurer Bischöfe zusammen mit euren treuen Priestern, angespornt vom Zeugnis eurer Ordensmänner und Ordensfrauen, mit euren Brüdern und Schwestern der anderen christlichen Kirchen ohne Zögern an allem, was dem Guten dient. Arbeitet mit euren Landsleuten, die guten Willens sind - und sie bilden die Mehrheit -, zusammen, um das Gefüge des nationalen Lebens wiederherzustellen und so der libanesischen Nation eine Beständigkeit zu geben, die künftig den inneren Erschütterungen und dem Druck von außen widerstehen kann. Die kommenden Generationen werden euch danach beurteilen, wieweit es euch gelungen ist, die gegenwärtigen Spannungen und die Angst vor der Zukunft zu meistern: „Das künftige Schicksal der Menschheit ruht in den Händen jener, die den kommenden Geschlechtern Triebkräfte des 1206 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebens und der Hoffnung vermitteln können“ (Gaudium et spes, Nr. 31). Für uns ist das Christus, der Erlöser des Menschen! Diese Hoffnungen und diese Wünsche vertraue ich der seligen Jungfrau an, die unter dem Namen Unserer Lieben Frau vom Libanon angerufen wird, ihr, die mit offenen Armen vom Hügel Harissa herab jedem Libanesen ihr Lächeln und ihre Zärtlichkeit entgegenbringt,: wie um ihn daran zu erinnern, daß nur die Liebe große Dinge tut! Allen Libanesen, besonders denen, die den Verlust ihrer Lieben beklagen, den Kranken und den Kriegsversehrten, den um ihre Zukunft bangenden Jugendlichen, allen, die einen freien und strahlenden Libanon herbeisehnen, und nicht zuletzt den Christen, die soeben das Geheimnis der Auferstehung des Herrn gefeiert haben, sende ich aus ganzem Herzen meinen väterlichen, liebevollen Segen als Unterpfand der <49> Tröstungen Gottes, der uns zum Leben ruft! <49> Ich wende mich voll Vertrauen an euch alle mit der Einladung, den 21. Weltgebetstag für die geistlichen Berufe gläubig und einmütig zu feiern. Als Hirt der gesamten Kirche drängt es mich, euch meine unaufhörliche Sorge um ein Wiedererwachen der Berufe für den geistlichen Dienst, für das Ordensleben in seinen verschiedenen Formen und für den Missionsdienst auszusprechen. Dabei geht es um ein Problem von äußerster Wichtigkeit für die Gemeinschaft der Gläubigen und für die ganze Menschheit. Der Gebetstag bietet daher den Seelsorgern und Gläubigen Gelegenheit, dieses gemeinsame Anliegen mitzutragen und hochherzig dem Ruf des Herrn zu entsprechen. Der Gebetstag fällt auf den 4. Ostersonntag, und vom Geheimnis des Oster- und Pfingstfestes erhält er einen vertieften Sinn als Zeichen der Aus dem Vatikan, am 1. Mai 1984. Jesus begegnen — in Stille und Gebet Botschaft zum Weltgebetstag für die geistlichen Berufe am 13. Mai Verehrte Brüder im Bischofsamt, geliebte Söhne und Töchter in aller Welt! 1207 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hoffnung. Das Johannesevangelium zeichnet uns an diesem Tag das Bild des Guten Hirten: „Er ruft die Schafe, die ihm gehören, einzeln beim Namen und führt sie hinaus. Wenn er alle seine Schafe hinausgetrieben hat, geht er ihnen voraus, und die Schafe folgen ihm; denn sie kennen seine Stimme“ (Joh 10,3f.). Der Gute Hirt, der auferstandene Herr, bedient sich, um seine ständige Gegenwart in der erneuerten Menschheit sichtbar zu machen, jener, die er im Laufe der Geschichte immer wieder aussendet, um das Werk der Erlösung zu verwirklichen. Auch heute lebt er in unserer Mitte, und er schenkt jedem sein Wort und seine Liebe. Der Gute Hirt ist aber besorgt um das ständige Wachsen seiner Herde, denn es gibt noch andere Schafe, die nicht in seinem Schafstall sind (vgl. Joh 16,16). Er ist sich bewußt, daß es zu allen Zeiten viele Menschen gab, die müde und erschöpft sind „wie Schafe, die keinen Hirten haben. Da sagte er . . .: Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenige Arbeiter“ (Mt 9,36f.). Diese von Herzen kommende Klage Christi wiederholt sich und darf uns nicht ungerührt lassen. Denn wer ließe sich nicht beeindrucken von den riesenhaft angewachsenen Erfordernissen, die Frohe Botschaft zu verkündigen. Der göttliche Erlöser bittet alle um ihre Mitarbeit, damit es nie an Verkündigern des Evangeliums fehlt, damit es stets Männer und Frauen gebe, die entschlossen sind, sich ganz dem Dienst am Volk Gottes zu widmen. <50> <50> Das Gebet. Die Feier des Weltgebetstages soll vor allem dazu entladen, den eindringlichen Ruf Christi zu erfassen: „Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden“ {Mt 9,38). Das ist nicht irgendeine Einladung, sondern ein Anruf, der unseren Glauben und unser Verantwortungsbewußtsein als Getaufte herausfordert. Es muß jedem klar werden, daß das Gebet in seinen vielfältigen Formen ein fundamentaler und unersetzlicher Dienst ist, mit dem wir das Anliegen der geistlichen Berufe unterstützen können. Dem ungeheuren Bedarf an Priestern, Diakonen, Ordensleuten, Mitgliedern der Säkularinstitute und Missionare muß unser Gebet entsprechen. Daher lade ich euch, die ihr in aller Welt lebt, zum beharrlichen Gebet für dieses Anliegen ein, das die Belange des Reiches Gottes so sehr berührt. Der Weltgebetstag soll in der Kirche jenes geistliche Leben wecken, das die ersten Jünger in Erwartung des Geistes im Abendmahlssaal prägte: „Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,14). Jede christliche Gemeinschaft sollte ebenso um geistliche Berufe beten, 1208 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nämlich die Diözesen, Pfarreien, Ordensgemeinschaften, Familien, die kirchlichen Gruppen und alle anderen Vereinigungen des Volkes Gottes. Im beharrlichen Gebet aller, insbesondere aber in der Feier der Eucharistie als Quell des priesterlichen Dienstes und jeder Berufung, sind die Hoffnungen der Kirche und der Menschheit gut aufgehoben. Christus hat uns sein Wort gegeben, und er wird sich uns nicht versagen. Den Auftrag Christi entdecken und annehmen 3. Die Aktion. Was können wir tun? Das von Jesus gewünschte beharrliche Gebet darf uns aber nicht zur Untätigkeit auf anderen Gebieten veranlassen. Ganz im Gegenteil! Es ist der Wunsch des Herrn, daß sich mit dem Gebet auf rechte Weise unsere Mitarbeit verbinde. Jesus betet nicht nur, und er befiehlt auch nicht nur zu beten, sondern er beruft zugleich die Apostel und Jünger, trägt Sorge für ihre Bildung und sendet sie aus, das Evangelium zu verkünden. Das Zweite Vatikanische Konzil hat daran erinnert, daß die ganze Christenheit verpflichtet ist, sich für die geistlichen Berufe einzusetzen (vgl. Dekret über die Ausbildung der Priester, Optatam totius). Die entsprechenden seelsorglichen Bemühungen müssen gut bedacht werden, denn alle Getauften sind dazu aufgerufen, entsprechend ihren Möglichkeiten sich mit Gottes Hilfe an diesem wichtigen Anliegen zu beteiligen. In besonderer Weise betrifft das die Bischöfe, Priester, Diakone und geweihten Personen, ferner all jene, die Erziehungsaufgaben wahrnehmen, darunter an erster Stelle die christlichen Familien. Euch, verehrte Brüder im Bischofsamt, die ihr nach dem Vorbild des Guten Hirten voll Liebe und Sorge die euch anvertraute Herde führt, gilt mein und der Kirche Dank für die Anstrengungen, die ihr der Weckung geistlicher Berufe widmet. Davon zeugen die Aktionspläne in euren Diözesen, die ihr schon bekanntgegeben habt oder noch vorbereitet. Der Herr beschenkt gerade jetzt seine Kirche mit neuen Berufen. In einigen Ländern ist ein verheißungsvolles Anwachsen zu bemerken, für das man dem gütigen Gott nicht genug danken kann. Diese hoffnungsvollen Zeichen sollen euch dazu anspornen, mutig und mit Eifer die Arbeit fortzusetzen. Haltet euch dabei an das Schlußdokument des Zweiten Internationalen Kongresses über die Pastoral der geistlichen Berufe vom Mai 1981 und mobilisiert alle Apostolatskräfte und Lebensbereiche. Mein Wort richtet sich ferner an euch, die ihr mit den Bischöfen auf diesem Gebiet zusammenarbeitet: an die Priester, Diakone, Ordensleute, 1209 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Mitglieder der Säkularinstitute, Missionare und an alle Verantwortlichen für die geistlichen Berufe. Es ist mir bewußt, wie wichtig der Beitrag ist, den ihr bereits leistet und noch leisten könnt durch euer fröhliches Zeugnis, apostolisches Wirken und beharrliches Beten. Bei dieser Gelegenheit möchte ich euch auch eine Bitte vortragen, die mir besonders am Herzen liegt: Verkündet die Berufung Christi mit Mut und Kraft. Er beruft nämlich heute so, wie er es auch früher tat, und er bedient sich unser, um seine Einladung zu überbringen. Verkündet ihn in den christlichen Gemeinden, verkündet ihn mit Macht, besonders unter der Jugend. In vielen Gegenden wächst eine neue Jugend heran, die offen ist für das Gebet und die Suche nach Gott, die bereit ist, sich der Kirche und Gesellschaft nicht zu versagen. Enttäuscht nicht ihre Erwartungen. Seid daher Boten Gottes, und seid es mit Nachdruck. Auch ihr jungen Menschen, die ihr euch auf den priesterüchen Dienst oder auf das Gelöbnis der evangelischen Räte vorbereitet, könnt euren Altersgenossen die Einladung zur Nachfolge Christi überbringen. Wer begriffen hat, daß die Einladung Christi den größten Reichtum für das eigene Leben bedeutet, der muß sich gedrängt fühlen, seine Entdeckung weiterzugeben. So führte ja auch der Apostel Andreas seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus (vgl. Joh 1,41). Liebe Seminaristen und ihr alle, die ihr euch auf ein gottgeweihtes Leben vorbereitet, strahlt jene Ideale aus, die euch selbst bewegen, und weckt auch in euren Altersgenossen die Berufung. 4. Den christlichen Familien möchte ich schließlich den unersetzlichen Wert ihrer Arbeit und Mühe in Erinnerung rufen. Liebe christliche Eheleute und Eltern! Ihr wart Gottes Mitarbeiter bei der Schöpfung neuen Lebens. Arbeitet nun auch mit daran, daß eure Kinder den Auftrag Christi, der einem jeden anvertraut ist, entdecken und annehmen. Das ist das eindrucksvollste Zeichen der Liebe, das ihr ihnen geben könnt. Die geistliche Berufung ist nicht nur ein großes Geschenk für jene, die sie erhalten, sondern auch für die Eltern. Was machst Du aus Deinem Leben? Angesichts einer so erhabenen Verpflichtung ermahne ich euch: Bleibt der Berufung treu, die ihr selbst im Sakrament der Ehe empfangen habt. Pflegt in euren Familien das Gebet, denn ihr braucht den Beistand Gottes, um seinen Willen zu erkennen und um ihm hochherzig zu entsprechen. 1210 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Schließlich wende ich mich vor allem an euch, meine lieben jungen Freunde, an die Kinder und Jugendlichen, die vor ihrer Lebenswahl stehen. Ich möchte euch am liebsten einzeln begegnen, euch beim Namen nennen und in aller Offenheit über jene Fragen sprechen, die nicht nur für euch selbst, sondern für die ganze Menschheit von größter Bedeutung sind. Ich möchte jeden von euch fragen: Was machst Du aus Deinem Leben? Welche Pläne hast Du? Hast Du schon einmal daran gedacht, Dein ganzes Leben für Christus einzusetzen? Kannst Du Dir vorstellen, daß es etwas Größeres gibt, als den Menschen Jesus zu bringen und die Menschen zu Jesus zu führen? Der Weltgebetstag lädt dazu ein, um im Gebet Fragen von solcher Wichtigkeit zu bedenken. Das Gebet um geistliche Berufe darf jedoch nicht nur den Beruf anderer im Auge haben. Für alle, insbesondere aber für euch, hat es auch einen Bezug zur eigenen Person und zur eigenen Bereitschaft, Christus zu folgen. Ihr wißt ja, daß er euch braucht, um sein Heilswerk fortzusetzen. Könnt ihr da ungerührt und untätig bleiben? Heutzutage, meine heben jungen Freunde, gibt es viele Stimmen, die auf euch einzuwirken suchen. Wie kann man da jene Stimme erkennen, die eurem Leben den wahren Sinn weist? Wir begegnen Jesus in der Stille und im Gebet. In dieser sehr persönlichen Begegnung mit ihm kann jeder von euch die liebevolle, aber zugleich bestimmte Einladung des Guten Hirten erfahren, der zu ihm sagt: „Folge mir nach“ (Mk 2,14; Lk 5,27). Viele unter euch sind zum Priestertum berufen; viele andere zu einem Leben der Hingabe in Ehelosigkeit, Armut, Gehorsam; viele zum missionarischen Dienst in den verschiedenen Kontinenten. Viele Mädchen sind dazu berufen, ihre Liebe einzig Christus zu schenken. Jeder Anruf Christi ist aber das Zeichen seiner einzigartigen und unwiderruflichen Liebe. Wie aber soll eure Antwort lauten? Fehlt euch vielleicht der Mut zum Ja? Fühlt ihr euch vielleicht allein? Fragt euch doch, ob es nicht möglich ist, Jesus uneingeschränkt für das ganze Leben zu folgen. Wenn er euch ruft und an sich zieht, dürft ihr gewiß sein, daß er euch nicht verlassen wird. Im Evangelium lesen wir oft: „Fürchtet euch nicht!“ (vgl. Mt 14,27; Mk 6,50); „Ich lasse euch nicht allein“ (vgl. Joh 14,18). Mit anderen Worten: Er weiß um eure Schwierigkeiten und gibt denen, die er gerufen hat, die Kraft und den Mut, sie zu überwinden. Jesus nimmt an eurem ganzen Leben Anteil. Vertraut euch ihm an. 6. Nach diesen Überlegungen und Ermutigungen lade ich euch, liebe Brüder und Schwestern, ein, mit mir zu beten: „O Jesus, du Guter Hirt, 1211 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nimm unser Lob und unseren demütigen Dank entgegen für alle geistlichen Berufe, mit denen du im Heiligen Geist immer wieder deine Kirche beschenkst. Stehe den Bischöfen, Priestern, Missionaren und allen gottgeweihten Menschen bei, damit sie das Beispiel eines wahrhaft evangelischen Lebens geben. Gib allen Kraft und Ausdauer, die sich auf den heiligen Geist und auf ein gottgeweihtes Leben vorbereiten. Mehre die Zahl derer, die das Evangelium verkünden, damit dein Name allen Völkern kund werde. Schütze alle jungen Menschen in unseren Familien und in unseren religiösen Gemeinschaften. Schenke ihnen Bereitschaft und Hochherzigkeit, wenn es gilt, dir zu folgen. Wende dich ihnen zu und berufe sie. Schenke allen Berufenen die Kraft, ahes zu verlassen und dich allein zu wählen, der du die Liebe selber bist. Sieh allen, die du erwählt hast, ihr Ungenügen und ihren schwachen Glauben nach. Erhöre, o Herr, unser Flehen auf die Fürsprache Mariens, deiner Mutter, der Königin der Apostel. Sie hat geglaubt und hochherzig geantwortet, und sie ist dadurch zur Ursache unserer Freude geworden. Sie möge durch ihre Nähe und durch ihr Beispiel all jene begleiten, die du zur ganzen Nachfolge berufen hast. Amen.“ Im Vertrauen darauf, daß der Herr die Bitte seiner Kirche erhöre, erflehe ich nun über euch, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, liebe Priester, Ordensleute und dich, ganzes christliches Volk, die Fülle göttlicher Gnade. Dies gilt ganz besonders für alle, die sich auf die heiligen Weihen und auf ein gottgeweihtes Leben vorbereiten, ferner für alle, die hochherzig die geistlichen Berufe fördern. Vatikanstadt, am 11. Februar 1984, dem Gedenktag Unserer Lieben Frau von Lourdes, im 6. Jahr meines Pontifikates. PAPST JOHANNES PAUL II. 1212 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Lebensweg in der Gnade des Vaters Glückwunschschreiben zum 50. Priesterjubiläum von Kardinal Johannes Willebrands vom 14. Mai Dem ehrwürdigen Bruder Kardinal Johannes Willebrands, Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen An geeigneten und willkommenen Gelegenheiten zum brieflichen und mündlichen Austausch mit den ehrwürdigen Brüdern im Bischofsamt, vor allem, wenn sie sich in Rom, der Hauptstadt der katholischen Welt, aufhalten, fehlt es nie. Aber die Gelegenheit, die sich heute anläßlich Deines bevorstehenden Priesterjubiläums bietet, geht allen anderen voraus und ist Grund genug, meine Empfindungen mit besonderer Herzlichkeit auszudrücken. Denn der 26. Mai ist der goldene Tag, an dem Du in diesem Blütenmonat vor 50 Jahren die Priesterweihe empfangen hast, mit ihr beschenkt, mit ihr geehrt wurdest. Damals wurdest Du durch das Geschenk und die Gnade Gottes so verwandelt, daß Du, ähnlich seinem anbetungswürdigen Sohn, ein zweiter Christus, ein Mittler zwischen Gott und den Menschen geworden bist. Und mit dieser Würde wurden auch die Gewalten übertragen, die den Himmlischen eigen sind, vor allem nach Empfang der Bischofsweihe. Aber Deine höchste Gnade, Dein höchstes Geschenk, Dein höchstes Lob ist das: Du hast Dein Priestertum mit soviel Herzenstugend geschmückt, daß Du täglich ein geeigneteres Werkzeug zur Erfüllung der Pläne wurdest, die Gott mit Dir vorhatte. Deine immer herausragende Frömmigkeit leuchtete deshalb wie eine Flamme; Deine Aufgaben nach so vielen Ereignissen häuften sich; die Sorge nicht nur um die Schafe, die im sicheren Schafstall der Kirche lagern, sondern auch um die, die draußen nahe vor der Tür standen, wuchs; der Eifer für die Ehre Gottes, der immer die guten Priester und Bischöfe zu begleiten pflegt, veranlaßte Dich, nach neuen, geeigneten Wegen, die erwünschte Einheit der Christen herzustellen, zu suchen. Das war Dein vorzüglichstes priesterliches Werk, das war Dein höchstes Lob. Obwohl Du immer alle priesterlichen und bischöflichen Pflichten fromm erfüllt hattest, richtete sich Dein Sinn mit besonderer Sorgfalt nach dem Wunsch Christi (über den Du viel Lobenswertes geschrieben hast): Wie kann die Herde Christi zusammengerufen werden? Möge Gott in seiner 1213 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche durch das Gebet und den Eifer seiner Kinder das Begonnene endlich vollenden. Wenn ich Deinen Lebensweg kurz betrachte, fällt mir auf, daß dieser durch die Gnade des höchsten Vaters von Anfang an so eingerichtet war, daß Du nach notwendiger und guter Vorbereitung (Du warst Kaplan und dann Professor für Philosophiegeschichte und Rektor des Seminars in Warmond/Holland) bald Deine gefaßten Pläne verwirklichen konntest. Du wurdest in reifem Alter Leiter des Willibrordus-Apostolats und Sekretär der katholischen Konferenz für ökumenische Fragen. Aber größere Aufgaben als diese blieben Dir im unsterblichen Rom Vorbehalten. Als 1964 in dieser Stadt das Sekretariat für die Einheit der Christen geschaffen wurde, wurdest Du sein Sekretär mit Bischofsrang, 1969 sein Präsident. Im gleichen Jahr verlieh Dir mein Vorgänger Paul VI. die Kardinalswürde, weil Du Dich des Purpurs würdig gezeigt hattest und damit das Sekretariat eine stärkere Position erhielt. Schließlich wurdest Du 1975 zum Erzbischof von Utrecht ernannt und hast das Büd eines guten Hirten geboten. Aber 1983 hast Du, um Dich mit noch mehr Sorgfalt und Eifer dem Sekretariat, dem Du vorstehst, widmen zu können, auf den Utrechter Stuhl verzichtet. Ich darf auch nicht die Ehrendoktorwürden übergehen, die Dir von mehreren Universitäten verliehen wurden und die Dir und der Kirche Ehre eingebracht haben. Es gibt also Grund, daß Du Dich an diesem Festtag freust und daß ich mich mit der Kirche freue, daß Deine Freunde und alle, die Dich lieben, Dir herzlich gratulieren. Im übrigen nimm als Zeichen meiner besonderen Liebe und als Unterpfand göttlichen Wohlwollens den Apostolischen Segen entgegen, den ich auch Deinem Dikasterium erteile und allen, die Dich verehren. Aus dem Vatikan, am 14. Mai 1984, im 6. Jahr unseres Pontifikates. PAPST JOHANNES PAUL II. 1214 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 75 Jahre Päpstliches Bibelinstitut Ansprache bei der Audienz für die Dozenten und Studenten des Päpstlichen Bibelinstituts in Rom am 17. Mai Herr Kardinal! Liebe Dozenten und Studenten des Päpstlichen Bibelinstituts! 1. Gern bin ich der Bitte um diese Sonderaudienz mit Ihnen anläßlich des 75jährigen Gründungsjubiläums des Bibelinstituts nachgekommen, das von meinem Vorgänger, dem hl. Pius X., eingerichtet wurde, um den Fortschritt der Bibelstudien zu fördern und für ihre Freiheit von Irrtü-mern Sorge zu tragen. Aufrichtig und herzlich begrüße ich Kardinal Baum, dem ich auch für die vornehmen Worte danke, mit denen er diese familiäre Begegnung so freundlich eingeleitet hat. Ebenso begrüße ich den Generalobern der Gesellschaft Jesu, Pater Peter-Hans Kolvenbach, den Rektor und den gesamten Lehrkörper, der für das hohe Ansehen des Bibelinstituts sorgt; und besonders begrüße ich euch, liebe junge Studenten, die ihr aus allen Teilen der Welt mit dem Verlangen kommt, eine tiefe Kenntnis des Wortes Gottes zu erwerben. Seid alle herzlich willkommen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (Gal 1,3). Seit seiner Gründung bis in unsere Tage ist das Bibücum eine der bevorzugten Stätten, wo die Gelehrten ihr Bestes geben für die Ergründung der Heiligen Schrift und jener Wissenschaften, die ihr besseres Verständnis ermöglichen. Für diesen Dienst, den ihr der Kirche in voller Treue zu den Wünschen eures Stifters leistet, spreche ich euch meine Freude und meinen Dank aus. Und ich füge einen besonderen Dank an die Gesellschaft Jesu hinzu, die sich weiterhin hochherzig dafür einsetzt, damit dieser kirchliche Dienst, der sowohl von der Fakultät für Altorientalistik wie von der Bibelfakultät in Rom und vom Sitz des Instituts in Jerusalem geleistet wird, immer besser den Forderungen der Zeit entspricht. <51> <51> Ihr kommt aus allen Ländern der Welt nach Rom, um zu studieren, zu lehren oder daran mitzuwirken, die Heilige Schrift besser bekanntzumachen. Eure Arbeit ist dazu bestimmt, reiche Früchte zu tragen, und sie tut das in der Tat. Eure Arbeiten finden großen Widerhall, und eure Verant- 1215 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wortung erstreckt sich auf die ganze Kirche. Dessen müßt ihr euch bewußt sein! Natürlich verlangt eure Forschung ernsten und engagierten Einsatz. Die Kenntnis der alten Sprachen und des Umfeldes, in dem die Bibel entstanden ist, erfordert beharrliche Anstrengungen und die Bereitschaft, eine von der unseren völlig verschiedene Welt zu verstehen, in der das Wort Gottes seine literarische Form angenommen hat. Diese Forschung ist darum ein besonderer Dienst, der der Kirche erwiesen wird, eine Sendung, ein Apostolat. Es fordert, wie der hl. Ignatius von Loyola sagen würde, „den ganzen Menschen“ (Konstitutionen der Gesellschaft Jesu, VI, 4,2, Nr. 340): Gedächtnis, Empfindungsvermögen, Verstand und Willen. Ihr könnt eurer kirchlichen Verantwortung nicht voll und ganz entsprechen, wenn ihr euch nicht voll einsetzt. Darum dürfen bei eurem Engagement für das inspirierte Wort der gute Wille, der Glaube, das Gebet und die Liebe zu Gott und zu seiner Kirche nicht fehlen. Wie kann im übrigen ein Wissenschaftler sich den Heiligen Büchern nähern ohne das Bemühen, aufrichtig zu hören und selbst in die Tat umzusetzen, was er liest und zu begreifen sucht? Die Seele der Theologie 3. Die tiefe Ehrfurcht, die ihr für die Heilige Schrift hegt, läßt euch sehr nahe an die einzigartigen Zeugnisse über denjenigen herankommen, der im Mittelpunkt unseres Glaubens steht, Jesus Christus, unseren Erlöser, der von den Propheten angekündigt und von den Aposteln verkündigt wurde. Die heiligen Texte sind der privilegierte Ort, wo sich die geheimnisvolle Heilswirklichkeit offenbart, die Gott uns in Jesus Christus anbietet. Hören Sie nicht auf, diese Texte mit Hilfe Ihrer philologischen, linguistischen, literarischen und historischen Untersuchungen zu erforschen: Sie sind, mögen sie noch so schwierig und mühsam sein, nützlicher denn je für ein besseres Verständnis des Wortes Gottes. Die Treue zu dem uns überlieferten heiligen Text bleibt und muß einer eurer Wesenszüge bleiben. Sicher gibt es bei der Forschung nach dem Sinn der Texte wie nach dem geschichtlichen Umfeld, in dem sie entstanden sind, noch dunkle Stellen, die von den wissenschaftlichen Arbeiten nach und nach geklärt werden. Es werden immer feiner ausgeklügelte Hypothesen vorgetragen, um noch getreuer über die vom Text selbst gebotenen Daten nachzudenken. Bei all diesen heute unerläßlichen Untersuchungen werden von dem, der die Texte analysiert, stets Klugheit, Diskretion und Nüchternheit gefordert. 1216 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und das um so mehr, als die biblischen Schriften, die den Glauben der Kirche zum Ausdruck bringen, die Regel ihres Glaubens sind. Fahrt also fort, beseelt von diesen Tugenden und in den Fußstapfen eurer Vorgänger, unter denen ich gern Kardinal Bea nenne, euren Beitrag zu einer „tieferen Erfassung und Auslegung des Sinnes der Heiligen Schrift zu leisten, damit so gleichsam aufgrund wissenschaftlicher Vorarbeit das Urteil der Kirche reift“ (Dei verbum, Nr. 21). 4. Als Werk der Wissenschaft und Werk des Glaubens ist euer Einsatz in der Tat seinem Wesen nach ein kirchlicher Dienst. Die Kirche fühlt jeden Tag deutlicher die Notwendigkeit, aus der Heiligen Schrift zu schöpfen, um dort zu lesen, was sie ist und wozu sie berufen ist. Es gibt kein geistliches Leben, keine Katechese oder Pastoral, die nicht die ständige Rückkehr zu den heiligen Büchern verlangen. Auch die anderen heiligen Wissenschaften, gleichfalls für das Leben der Kirche grundlegend, verlangen von euch heute eine Mitarbeit, der ihr euch nicht entziehen könnt. Vor allem die Dogmatik und Moraltheologie spüren die Dringlichkeit, ihre biblischen Grundlagen methodisch zu vertiefen. Das Zweite Vatikanische Konzil greift eine Aussage der Väter wieder auf, wenn es sagt, die Heilige Schrift sei die Seele der Theologie (vgl. Dei verbum, Nr. 24). Eure kirchliche Sendung darf daher nicht bei der Erklärung des heiligen Textes stehenbleiben, sondern muß zur Klärung der dogmatischen und moralischen Fragen beitragen — um nur diese beiden wichtigsten Bereiche herauszugreifen -, damit die Einheit des Glaubens und der christlichen Moral immer offenkundiger wird. Ich möchte noch hinzufügen, daß im Dialog mit unserem getrennten Brüdern wie auch im Gespräch mit den Kindern Abrahams nach dem Fleisch eure aktive Präsenz sehr oft von erstrangiger Bedeutung ist, um wiederzuentdecken, was uns in dem einen Herrn, Gott und Väter, verbindet. Schließlich: Ihr werdet euch heute, wo sich so viele Kulturen im Bibelinstitut begegnen, bei eurer exegetischen Arbeit der Konsequenzen einer neuen, an die Kirche unserer Zeit gerichteten Herausforderung bewußt: Helft ihr dabei, den Schatz der Heiligen Schrift allen Kulturen zur Verfügung zu stellen, den die Kirche eurer eifrigen Hingabe anvertraut. <52> <52> Liebe Brüder, seit 75 Jahren steht das Bibelinstitut im Dienst der Kirche und des Apostolischen Stuhls im Geist des ihm vom hl. Pius X. und seinen Nachfolgern anvertrauten Auftrags. Während ich euch gegenüber heute diesen Auftrag erneuere, mahne ich euch, in immer neuer Treue die 1217 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kenntnis und Liebe der Heiligen Bücher in der Kirche und in der ganzen Welt zum Leuchten zu bringen, in klarer Anhänglichkeit an das lebendige Lehramt der Kirche, dem die Aufgabe anvertraut ist, das geschriebene oder überlieferte Wort Gottes authentisch zu erklären, dessen Vollmacht im Namen Jesu Christi ausgeübt wird (vgl. Dei verbum, Nr. 10). Als Zeichen der Ermutigung zu eurer besonderen Berufung erteile ich euch aus ganzem Herzen meinen besonderen Segen. „Im harten Wirtschaftsleben als Christen bewähren!“ Ansprache an die Mitglieder der Vollversammlung der Schwäbischen Wirtschaft am 18. Mai Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlich grüße ich Sie als Mitglieder der Vollversammlung der Schwäbischen Wirtschaft unter der Leitung Ihres Herrn Präsidenten Hans Haibel. Sie verstehen Ihren Rombesuch nicht als touristischen Wochenendausflug, sondern als Pilgerfahrt zu den heiligen Stätten der Christenheit in der Ewigen Stadt. Als Bischof von Rom heiße ich Sie dazu aufrichtig willkommen und ermutige Sie gemäß dem mir vom Herrn anvertrauten Auftrag in der religiösen Zielsetzung dieser Ihrer Romreise. Denn Christus sagte zu Petrus: „Stärke deine Brüder!“ (Lk 22,32). Als Verantwortliche der Wirtschaft bekleiden Sie eine wichtige Stellung im öffentlichen Leben Ihres Landes. Die Arbeit nimmt den größten Raum im Leben der Menschen ein und bestimmt entscheidend die persönliche Entfaltung des einzelnen wie auch das menschliche Zusammenleben in ■Familie und Gesellschaft. Die bedrückende Arbeitslosigkeit hat uns wieder neu erkennen lassen, welch hohen Wert die Arbeit für den Menschen und für das Gemeinwohl darstellt. Deshalb hat auch die Kirche in ihrer pastoralen Sorge für das zeitliche und ewige Heil des Menschen der Welt der Arbeit stets ihre besondere Aufmerksamkeit zugewandt; und das besonders in der jüngsten Geschichte, da sie die sittlichen Grundsätze, die das menschliche Zusammenwirken in diesem wichtigen Bereich entsprechend der christlichen Sicht des Menschen und der Welt bestimmen sollen, in einer eigenen katholischen Soziallehre deutlich aufgezeigt hat und immer wieder mit Nachdruck unterstreicht. Das Zweite Vatikanische 1218 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Konzil faßt die sittliche Verantwortung des Menschen in der Welt der Wirtschaft in dem folgenden Satz kurz zusammen: „Alle wirtschaftliche Tätigkeit ist - nach den ihr arteigenen Verfahrensweisen und Gesetzmäßigkeiten - immer im Rahmen der sittlichen Ordnung so auszuüben, daß das verwirklicht wird, was Gott mit dem Menschen vorhat“ {Gaudium et spes, Nr. 64). Ihre große Verantwortung und Aufgabe ist es, sich auch im harten Wirtschaftsleben gemäß Ihrer Stellung und Entscheidungsbefugnis als Christen zu bewähren. Die Kirche bietet Ihnen dafür in der Soziallehre ihren Rat und ihre Hilfe an; natürlich nicht in Form von konkreten Lösungen für soziale und wirtschaftliche Einzelfragen, sondern in der Form einer sittlich verantwortbaren Grundorientierung, damit das Wirtschaftsleben insgesamt menschenwürdig gestaltet wird. Es ist Ihrem Gewissen und Ihrer Sachkompetenz anheimgestellt, die sittlichen Grundsätze in die konkreten Einzelentscheidungen einzubringen und dadürch zur Vermenschlichung und Verchristlichung der Welt der Arbeit und der Wirtschaft Ihren ganz persönlichen Beitrag zu leisten. In dieser Ihrer Aufgabe als Christen möchte ich Sie heute bei dieser kurzen Begegnung von Herzen ermutigen. Möge diese Rompilgerfahrt Sie in Ihrem Glauben an Jesus Christus und in Ihrem christlichen Auftrag in der heutigen Gesellschaft bestärken. Dazu erbitte ich Ihnen Gottes Licht und Beistand mit meinem besonderen Apostolischen Segen. Die Sendung des Laien Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode am 19. Mai Ehrwürdige Brüder! 1. Mit großer Freude begrüße ich euch herzlich. Dieser Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode ist in diesen Tagen zum zweiten Mal seit der Abhaltung der letzten Vollversammlung zusammengetreten. Diese Tatsache bekundet neben anderen die Lebenskraft der noch jungen synodalen Institution und ist zugleich ein Zeichen eures hochherzigen Einsatzes in der Erfüllung des euch übertragenen Vertrauensauftrags. Die Kirche und der Papst danken euch für die zusätzliche Mühe, die ihr 1219 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN euch trotz eurer zahlreichen und schweren Verpflichtungen aufbürdet; eine Mühe, die ihr im Geist der lebendigen Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri auf euch genommen habt, wie das Gruß- und Wunschtelegramm betont, das mir in eurer aller Namen vom Moderator eurer Arbeiten, dem ehrwürdigen Bruder Kardinal Zoungrana, und von Generalsekretär Msgr. Tomko übersandt wurde. Auch dafür danke ich euch herzlich. Euer Treffen bildet gleichsam eine Brücke zwischen der Vollversammlung der Synode vom vergangenen Oktober und jener, die für 1986 vorbereitet werden soll. In Fortsetzung der Zusammenkunft vom Februar habt ihr vor allem am Entwurf des Dokuments gearbeitet, das das Ergebnis und die Krönung der Synode über Versöhnung und Buße im Sendungsauftrag der Kirche sein soll. Der Geist der Versöhnung und Buße, der in der gleichzeitigen Feier des Jubiläumsjahres der Versöhnung und der Synode einen wirksamen Ansporn gefunden hat, soll zu einer festen Leitlinie des täglichen Weges der Erneuerung und Heiligung der Kirche werden. Genau diesem Zweck soll das Dokument dienen, um dessen Ausarbeitung ihr euch bemüht habt. 2. Sodann hat sich eure Aufmerksamkeit der kommenden Vollversammlung zugewandt. Bereits im Februar habt ihr mir das Ergebnis der Analyse der von den verschiedenen Ortskirchen vorgeschlagenen Themen vorgelegt und auch eure Gedanken zur Entscheidung für das eine oder andere Thema. Diese Betrachtung über die Wahl des bei der Synode zu behandelnden Themas hat sich als sehr nützlich erwiesen und ist inzwischen zu einem festen Bestandteil der synodalen Praxis geworden. Sie ermöglicht, sich mit den universalsten, dringlichsten und aktuellsten pastoralen Problemen des Lebens der Kirche auseinanderzusetzen. Unter den diesmal von einem großen Teil des Episkopats angegebenen und von euch nach sorgfältiger Prüfung empfohlenen Themen ragt ganz klar das der Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt hervor. Es fällt nicht schwer, die Gründe für ein solches Zusammentreffen der Meinungen anzuführen. Der Sendungsauftrag der Laien als wesentlicher Bestandteil der Heilssendung des ganzen Gottesvolkes ist tatsächlich von fundamentaler Bedeutung für das Leben der Kirche und für den Dienst, den die Kirche ihrer Berufung entsprechend der Welt der Menschen und der irdischen Wirklichkeit anbieten soll. 3. Das Zweite Vatikanische Konzil hat eine weite und tiefe Betrachtung über Wesen, Würde, Sendung und Verantwortung der Laien in Kirche 1220 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Welt entfaltet, wie zahlreiche Konzilsdokumente, besonders die dogmatische Konstitution Lumen gentium, die Pastoralkonstitution Gaudium et spes und das Dekret Apostolicam actuositatem, in großartiger Weise bezeugen. Die Lehre des Konzils hat bekanntlich klar und nachdrücklich die kirchliche Rolle der Laien wieder in den Vordergrund gerückt, also jener Gläubigen, „die, durch die Taufe Christus einverleibt, zum Volk Gottes gemacht und des priesterlichen, prophetischen und königlichen Amtes Christi auf ihre Weise teilhaftig, zu ihrem Teil die Sendung des ganzen christlichen Volkes in der Kirche und in der Welt ausüben“ {Lumen, gentium, Nr. 31). Gleichzeitig hat das Konzil eine theologische Auslegung des Weltstandes der Laien geboten, indem es diesen im Zusammenhang einer wahren und eigentümlichen christlichen Berufung darstellte: „Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen. Sie leben in der Welt, das heißt in all den einzelnen irdischen Aufgaben und Werken und den normalen Verhältnissen des Familien- und Gesellschaftslebens, aus denen ihre Existenz gleichsam zusammengewoben ist. Dort sind sie von Gott gerufen, ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, auszuüben und so wie ein Sauerteig zur Heiligung der Welt gewissermaßen von innen her beizutragen und vor allem durch das Zeugnis ihres Lebens, im Glanz von Glaube, Hoffnung und Liebe Christus den anderen kundzumachen“ {Lumen gentium, Nr. 31). 4. Die Notwendigkeit einer Wiederaufnahme der Besinnung,der Kirche auf die Berufung und die Sendung der Laien im Rahmen des Heilsplans, den Gott in Jesus Christus in der Geschichte erfüllt, ist zwanzig Jahre nach Abschluß des Konzils keineswegs geringer geworden, sondern hat sich im Gegenteil verstärkt und ist dringender geworden. Um die Aktualität und Dringlichkeit einer weiteren Vertiefung der Konzilslehre über die Laienschaft zu unterstreichen, scheinen unter anderem besonders zwei Überlegungen notwendig. Die erste ist mehr zwischenkirchlicher Natur: Wir müssen uns nach den mannigfachen und wertvollen Früchten fragen, die das Zweite Vatikanische Konzil dadurch hervorgebracht hat, daß es die Laien anspornte, ein lebendigeres Bewußtsein ihrer wesenhaften Eingliederung in die Kirche und einer verantwortlichen Teilhabe an deren Heilssendung; zu entwik-keln. Das wird uns erlauben, uns wirksamer dafür einzusetzen, daß diese 1221 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Früchte nicht nur für eine Elite bestimmt sind, sondern auch für jeden einzelnen der großen Masse der Laien selbst. Die zweite Überlegung steht in besonderem Zusammenhang mit dem weltlichen Stand und der weltlichen Aufgabe der Laien. Die Welt, der vorzugsweise die christliche Verantwortung der Laien gilt, befindet sich in rascher Entwicklung und weist heute mehr denn je eine Fülle neuer, komplexer, bisweilen sogar dramatischer Fragen und Probleme auf. Muß man nicht zum wiederholten Mal auf die anhaltende Gefahr einer wissenschaftlichen und technischen Entwicklung hinweisen, die nicht genügend in jener vollmenschlichen Inspiration verwurzelt ist, zu der ganz wesentlich auch die ethische und die religiöse Dimension gehören? Gerade diese Welt, diese Kultur erwarten, verlangen das kompetente, hochherzige, entschiedene und christlich inspirierte Eingreifen der Laien, die sich nur unter dieser Bedingung als treu zu der ihnen von Jesus Christus übertragenen Aufgabe werden fühlen können, nämlich Salz der Erde und Sauerteig der Welt zu sein. Ihnen obliegt es, bei der heutigen Weltlage das unerläßliche Bündnis zwischen Wissenschaft und Weisheit, zwischen Technik und Ethik, zwischen Geschichte und Glaube zu fördern, damit sich der Plan Gottes fortschreitend verwirklichen kann und mit ihm das wahre Wohl des Menschen. <53> <53> Es handelt sich, wie jeder sieht, um überzeugende Gründe. Ich freue mich daher, eure Wahl zur meinen zu machen, da ich der Meinung bin, daß sie alle Erfordernisse erfüllt, um in einer so qualifizierten kollegialen Versammlung, wie es die Bischofssynode ist, erörtert und vertieft zu werden. Ich ermutige euch daher, in der begonnenen Arbeit zur Vorbereitung der für 1986 vorgesehenen Vollversammlung fortzufahren, deren Sache es dann sein wird, in Erfüllung ihrer Funktion als wertvolles Instrument der bischöflichen Kollegialität die erreichten Ergebnisse zu bewerten und die passenden Hinweise zu formulieren. Als Trost für eure Mühe rufe ich den immerwährenden Beistand Gottes und den Schutz der Mutter der Kirche auf euch herab, während ich euch als Unterpfand brüderlicher Liebe von Herzen meinen Apostolischen Segen spende. 1222 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter allen Nationen am nächsten Ansprache beim offiziellen Besuch des italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini im Vatikan am 21. Mai 1. Mit dem aufrichtigen Gefühl der Ehrerbietung und Hochachtung heiße ich Sie, Herr Präsident, herzlich willkommen und danke Ihnen für diesen feierlichen Besuch, mit dem Sie als Oberhaupt des italienischen Staates und Repräsentant der nationalen Einheit den Nachfolger Petri ehren wollten. Es ist nicht unsere erste Begegnung. Wir hatten bereits früher Gelegenheit, uns - in mehr familiärer Form - miteinander zu unterhalten und Gedanken und Hoffnungen auszutauschen, die uns innerlich beschäftigten. Unter diesen Begegnungen kann ich die Besuche nicht unerwähnt lassen, die Sie, Herr Präsident, mir vor drei Jahren, gerade in diesem Monat, abstatteten, um in brüderlichem Bangen an meinem Krankenbett im Krankenhaus, wo ich in Lebensgefahr schwebte, zu verweilen. Ich begrüße auch Herrn Ministerpräsidenten Bettino Craxi, Herrn Außenminister Giulio Andreotti und die anderen hohen Persönlichkeiten, die Sie begleiten. <54> <54> Es sei auch diesem Papst, der „aus der Ferne kam“, gestattet, über die gebotene und aufrichtige Ehrerbietung hinaus den besonderen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, die ihn beim offiziellen Empfang des höchsten Repräsentanten jener Nation bewegen, die durch ihre territoriale Lage und durch das gemeinsame Leben und die gemeinsame Geschichte dem Stuhl Petri unter allen Nationen am nächsten steht. Denn seitdem der Fischer aus Galiläa im Herzen des Römischen Reiches landete, war Italien — und ist das heute nicht weniger als in den vergangenen Jahrhunderten — durch eine lange Reihe historischer, geographischer und kultureller Gründe mit der katholischen Kirche und mit diesem Apostolischen Stuhl besonders verbunden. Darüber hinaus lenkt das unvergleichliche Erbe alter Zivilisation, Kultur und Kunst, in dem die christliche und universale Komponente so lebendig und beherrschend ist, den bewundernden Blick der anderen Völker auf die italienische Nation. Ich selbst habe bereits auf der Schulbank, in den Jahren meiner humanistischen Studien in Polen, diese Nation kennenzulernen und zu lieben begonnen; dann unmittelbarer während meiner philosophischen und theologischen Ausbildung in Rom. Meine Bande zu der Stadt wurden noch enger, als Paul VI. mich unter die Kafdinäle der 1223 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Heiligen Römischen Kirche aufnahm; sie haben aber einen neuen Charakter angenommen, als ich nach dem unerforschlichen Plan Gottes durch die Verantwortung, der erste unter den Brüdern und der Diener der Diener Gottes zu sein, mit der Kirche von Rom verbunden wurde. Als Bischof dieses Apostolischen Stuhls und Primas von Italien fühle ich mich - in der Verbundenheit der Gedanken und des Herzens mit allen italienischen Bischöfen - als Teilhaber am Schicksal, an den Freuden und Leiden aller Menschen Italiens. Das ist eine Sorge aller römischen Päpste, von Gregor dem Großen bis Pius XII., der sich vor 40 Jahren um die Verteidigung und Hilfe der Verfolgten und der ganzen römischen Bevölkerung bemühte. Auf der Linie dieser Tradition möchte ich vor Ihnen, Herr Präsident, meiner tiefen Liebe zum italienischen Volk Ausdruck geben, das täglich von so vielen geistigen und sittlichen Werten Zeugnis gibt, während es sich mit so schmerzlichen Ereignissen wie den leider immer wiederkehrenden Erdbeben und einer nicht leichten wirtschaftlichen und sozialen Lage auseinandersetzen muß. Diese Werte habe ich auch persönlich erleben können, sei es auf meinen Pastoraireisen durch die Halbinsel, bei denen ich stets mit herzlicher Wärme empfangen und aufgenommen werde, sei es bei Begegnungen hier in Rom mit Pilgergruppen aus Diözesen und Pfarreien der verschiedenen Regionen Italiens. Es sind Werte, die sich aus einer christlichen Tradition nähren, die mit breiten Fasern tief in der Bevölkerung verwurzelt ist. Die Liebe, die mich an dieses Land bindet, drängt mich zu dem herzlichen Wunsch, daß sich alle seine besten Kräfte in dem Bemühen vereinen mögen, jenes geistliche Erbe zu bewahren, das seinen eigentümlichen Reichtum darstellt. Dadurch, daß es aus diesem Erbe schöpfte, hat das italienische Volk den großen Prüfungen der Geschichte standhalten können. Und diesem Erbe ist es zu verdanken, daß es gerade in den letzten Jahren mit standhafter Würde die unsinnige Herausforderung des Terrorismus zu überwinden vermochte. Ich zweifle nicht daran, daß das italienische Volk im Bewußtsein jener höchsten Werte mit gleicher Entschlossenheit die geeignete Lösung auch der anderen Probleme finden wird, die es zutiefst spürt, angefangen von Fragen wie der Achtung vor dem Leben, der Förderung der Gerechtigkeit und der Sicherstellung einer gerechten Arbeitsmöglichkeit für alle. Ich habe auf meine Pastoraireisen quer durch die Halbinsel hingewiesen. Das ist mir eine willkommene Gelegenheit, meine dankbare Anerkennung zu bekunden für den wirksamen Einsatz der italienischen Behörden auf allen Ebenen sowie sämtlicher öffentlicher Dienste, damit die geplan- 1224 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten Ortsveränderungen und der damit verbundene Volkszulauf stets in einem Klima der Sicherheit und Ruhe vor sich gehen. 3. Sie, Herr Präsident, wollten für diesen offiziellen Besuch den Abschluß des Abkommens zur Modifizierung der Lateranverträge abwarten - und damit seinen Wert betonten -, dessen Grundlagen bezeichnenderweise bereits die Zustimmung einer parlamentarischen Mehrheit erlangt haben, die weit über den formell regierenden Raum hinausgeht. Was die anderen Motivationen angeht, die es inspirieren, wünsche ich mir, daß das neue Konkordat, das in besonderer Weise und auf wichtigen Gebieten die Rolle der Italienischen Bischofskonferenz aufwertet, in den kommenden Jahren ein Wachsen der guten Beziehungen zwischen den religiösen und den weltlichen Einrichtungen erzielen möge, die alle darauf gerichtet sind, das Wohl des Landes durch die Förderung des Menschen zu begünstigen. 4. Herr Präsident, der Mensch, die menschliche Person, in ihren wunderbaren Fähigkeiten wie in ihrer (eher moralischen als physischen) Gebrechlichkeit ist tatsächlich der große „Weg der Kirche“. Die Kirche ist sich bewußt, daß die im Auftrag Christi verkündete Botschaft in ihren Idealen und Verpflichtungen fordernd ist; aber sie ist sich ebenso bewußt, daß diese Botschaft der Sache des Menschen dient und die menschliche Person reifen läßt. Und die menschliche Person ist auch der Weg, den ein demokratischer und für die Zukunft aufgeschlossener Staat gehen muß, wenn er wahrhaftig dem Menschen dienen will. Ich weiß, daß ich in dieser Überzeugung mit Ihnen, Herr Präsident, wie auch mit den Italienern, die für die öffentlichen Angelegenheiten verantwortlich sind, übereinstimme. Und ich bin sicher, daß auch Sie, Herr Präsident, bei Ihren häufigen Kontakten mit den Menschen - und vor allem mit der Jugend, die Sie mit so großer Zuneigung und Vertrauen umgibt — am Grund der vielen und verschiedenen Interessen eine gemeinsame Leidenschaft für den Menschen wahrnehmen konnten: für jene Freiheit und Gerechtigkeit - verschiedene, aber untrennbare Werte -, die zur vollen Entfaltung der Persönlichkeit jedes einzelnen notwendig sind. Trotz der Schwierigkeiten, Verzögerungen und manchmal auch Rückschritte läßt uns dieser umfassende und wachsende Einsatz für die Anerkennung der herausragenden Würde der menschlichen Person als Zweck jeder öffentlichen Institution für die Zukunft des Landes Gutes hoffen. <55> <55> Möge dieser Einsatz stets das Vorgehen Italiens sowohl auf nationaler Ebene wie im Zusammenspiel der Völker leiten: 1225 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor allem zugunsten der Bedürftigsten: der Armen und aller, die in weiten und weniger begünstigten Gegenden der Erde von Hunger und anderem Unheil heimgesucht werden; zum Schutz des Friedens: der ohne die Respektierung der Menschenrechte nicht aufrechtzuerhalten ist und der seinerseits eine grundlegende Voraussetzung zur Verwirklichung jedes Rechts darstellt; zur Förderung von allem, was das italienische Vaterland gerecht und groß, der Liebe und des Opfers würdig macht. Mit diesen Wünschen, Herr Präsident, rufe ich den Segen Gottes auf Italien und auf alle Italiener herab. Der Gemeindesaal soll eine Ergänzung der Kirche seih Ansprache an die Teilnehmer des 4. Nationalausschusses der katholischen Vereinigung für das Filmgewerbe am 24. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit lebhafter Freude und herzlichem Gruß empfange ich euch in Audienz anläßlich des Nationalkongresses, der von eurer katholischen Vereinigung für das Filmgewerbe veranstaltet wurde, um den 35. Jahrestag ihrer Gründung zu begehen. Mein Gruß gilt auch den maßgebenden Vertretern der verschiedenen Sektoren der Bühnen, die an dieser Begegnung freundlicherweise teilnehmen wollten. <56> <56> Euer Kongreß berührt nicht nur Themen, die häufig die Aufmerksamkeit meiner Vorgänger in einer breiten Serie von Dokumenten angezogen haben, sondern reiht sich auch in den Pastoralplan an, den die italienischen Bischöfe den Ortskirchen Italiens für die achtziger Jahre vorgeschlagen haben: „Gemeinschaft und Gemeinde“. In der Tat ist leicht einzusehen, daß die Gemeinde sich nicht ohne Gemeinschaft verwirklichen läßt, deren Voraussetzung wiederum die Kommunikation ist. Aber das Thema eures Kongresses greift auch einen Anlaß von allgemeinem Interesse für die Menschheit auf, besonders in unseren Tagen, wo die gewaltige technische Entwicklung immer mehr zur Isolierung der Men- 1226 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen zu führen scheint, statt ihnen behilflich zu sein, wieder zu sich selbst zu finden. In der Tat verzerrt das Uberwiegen des Interesses für die Instrumente der Kommunikation jenen Begriff von Kommunikation, den das Zweite Vatikanische Konzil im Dekret Inter mirifica betont und die Pastoralinstruktion Communio et progressio so definiert hat: „Gemeinschaft und Fortschritt der menschlichen Gesellschaft sind die obersten Ziele sozialer Kommunikation und ihrer Instrumente“ (Nr. 1). 3. Eure Sorge ist die gleiche wie die der Kirche. Denn diese verwirklicht ihren Sendungsauftrag in der Mitteilung, in der Kommunikation des Heiles, das heißt, indem sie das Werk Christi fortsetzt, der sich „während seines Erdenwandels als Meister der Kommunikation erwiesen hat (Communio et progressio, Nr. 11), indem er die nach Wahrheit dürstenden Volksscharen an sich zog, seine Jünger darauf hinwies, daß ihre Gemeinschaft untereinander das Erkennungsmerkmal seiner Jünger sei, und schließlich die Eucharistie einsetzte, in der er „die höchste Form von Einigung verwirklichte, die den Menschen auf Erden möglich ist, und zwar die Einigung zwischen Gott und Mensch und deshalb auch die innigste und vollendetste Gemeinschaft zwischen den Menschen selbst“ {ebd., Nr. 11). Eure Eigenart kommt durch den Gebrauch eines besonders wirksamen Mittels zum Ausdruck: den Gemeindesaal. In den 35 Jahren des Bestehens eurer Vereinigung hat dieser Saal, der ursprünglich „Kinosaal der Pfarrei“ genannt wurde, eine immer deutüchere pastorale Gestalt angenommen und entsprach immer mehr den Anforderungen, die über den bloßen Genuß von Filmvorführungen hinausgehen, insofern diese nach sittlichen und kulturellen Kriterien ausgewählt werden. Dadurch, daß ihr euch einem breiteren und tieferen Begriff von Kommunikation geöffnet und die technischen Einrichtungen in ihrem instrumentalen Wert betrachtet habt, wolltet ihr auch unter der Führung und nach den Anweisungen eurer Bischöfe eure Kinosäle zu „Orten der Begegnung und des Dialogs“, „Räumen der Kultur und des Engagements“ machen, „für eine kluge Aktion kultureller Wiedereroberung, Vorevangelisierung und voller Evangelisierung“ (Pastoralnote der Italienischen Bischofskonferenz, Januar 1982, Nr. Id). So habt ihr in euren Sälen die sozialen Kommunikationsmittel aufgenommen und ausgewertet, indem ihr der Bevölkerung, unter der ihr pastoral tätig seid, eine Reihe von Gelegenheiten botet, sich selbst wiederzufinden, in Kommunikation zu treten, in Gemeinschaft zu treten und Gemeinde zu bilden. Eure Säle sind auf diese Weise zu Vorbereitungsstätten auf die 1227 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kirche, zum Bezugs- und Interessenpunkt auch für die Fernstehenden, zum Dienst am Volk Gottes, aber auch an „allen überall verstreuten Kindern Gottes“ geworden. 4. Ich freue mich herzlich mit euch über euren Dienst und hoffe, daß der „Gemeindesaal“ für alle Pfarreien zur Ergänzung der Kirche wird, zum Ort und Raum für die erste Annäherung der Menschen an das Geheimnis der Kirche und durch das Nachdenken der schon reiferen Gläubigen zu einer Art von Katechese, die von menschlichen Ereignissen ausgeht und sich verkörpert in der „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art“ (Gaudium et spes, Nr. 1). Ich freue mich auch, weil sich euer Zeugnis bei solcher Führung des „Gemeindesaales“ und beim Einsatz der sozialen Kommunikationsmittel dem entwürdigenden Gebrauch entgegenstellt, der eben mit diesen Mitteln leider häufig vorgenommen wird. Das sich ausbreitende Phänomen der Pornographie muß jeden Menschen, dem der Schutz der Würde der Person und die sittliche Formung der jungen Generationen am Herzen liegt, mit Sorge erfüllen. Ihr kennt die Überzeugungskraft der von den modernen Instrumenten der sozialen Kommunikation vermittelten Botschaften und wißt, wie viele und welche Anschläge laufend gegen jedes Wertsystem, gegen das Leben, die Sittlichkeit, die Wahrheit und die Gerechtigkeit, gegen die fundamentalen Gesellschaftsinstitutionen, vor allem die Familie, begangen werden. Die Jugend und selbst die Kindheit erlebt die verlockende Offensive von Lebens- und Verhaltensmodellen, die der christlichen Lebensauffassung entgegenstehen. Die Kirche weist durch ihr Lehramt unaufhörlich auf die Gefahren dieses verderblichen Treibens hin und auf die Wege des Lebens. Aber es ist notwendig, daß die den sozialen Kommunikationsmitteln eigene Überzeugungskraft von den Verantwortlichen mit dem Bewußtsein benutzt wird, daß diese Mittel, „obwohl Ergebnis menschlichen Einsatzes, Geschenke Gottes sind“ (Miranda prorsus, Nr. 1) und daher dazu benützt werden sollen, „die Menschen brüderlich zu verbinden, damit diese im Heilswerk Gottes mitwirken“ (Communio et progressio, Nr. 2). Diese Empfehlung richte ich mit bewegtem Herzen und voll Vertrauen auch an die verehrten Vertreter der Bühnenwelt: ihre Teünahme an dieser Begegnung darf sicher als ein Zeichen ihrer besonderen Sensibilität für die Werte des Geistes gedeutet werden. Ich bin daher zuversichtlich, daß sie trotz der Schwierigkeiten, die sie bei ihrer Arbeit zu bewältigen 1228 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben, diese Einladung wohlwollend annehmen und sich darum bemühen, daß die Schauspiele in ihren verschiedenen Ausdrucksformen einen gültigen Beitrag zum echten Fortschritt der Gesellschaft leisten. 5. Aus diesen Gründen halte ich euren Einsatz nicht nur für lobenswert, sondern geradezu für notwendig, um allen Menschen guten: Willens zu dienen, damit die höchsten Werte der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität gefördert werden, Werte, die unumgängliche Voraussetzung für den echten Fortschritt der Menschen und Menschengruppen sind. Während ich mit diesen Gefühlen auf die Vereinigung, die einzelnen Mitglieder und ihre Mitarbeiter sowie auch auf jene, die in der Welt der sozialen Kommunikation tätig sind, den göttlichen Beistand herabrufe, erteile ich allen von Herzen meinen Segen. Zeichen der Nächstenliebe Ansprache an den Verwaltungsrat der Stiftung „Johannes Paul II. für die Sahelzone“ am 25. Mai Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Freunde! 1. Unsere heutige Begegnung ist bedeutungsvoll, und ihr versteht, mit welcher Freude ich euch, die Mitglieder des ersten Verwaltungsrates der „Stiftung Johannes Paul II. für die Sahelzone“, empfangen und begrüßen kann. Hier in diesem Gespräch läßt die Erinnerung in unserem Geist und Herzen die Ereignisse wieder lebendig werden, die den Weg eröffnet und gewiesen haben, der uns dann zu eurer ersten Versammlung geführt hat; wir alle haben den Bück auch auf die Zukunft gerichtet, denn sie ist das Ziel der Stiftung. Die Vergangenheit, von der ich spreche, liegt noch nicht so weit zurück, als daß ich sie in ihren Einzelheiten in Erinnerung rufen müßte. Nur an zwei Daten, an zwei Fakten möchte ich erinnern. 1229 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Am 10. Mai 1980 habe ich während meines ersten apostolischen Besuches in Afrika in Ouagadougou, im Herzen der Sahelzone, einen feierlichen Appell an die Kirche und die ganze Welt, an alle Menschen guten Willens und an all jene gerichtet, die als Verantwortliche zu einer raschen Erweiterung der Solidaritätsprogramme und zum Kampf gegen die Ursachen der Versteppung beitragen konnten. Am 5. November 1981 sagte ich bei der Audienz für die Teilnehmer an der wichtigen, von unserem Päpstlichen Rat „Cor Unum“ veranstalteten Versammlung für die Länder des Sahel und der Dürrezone Afrikas: „Damit meinem feierlichen Appell von Ouagadougou tatsächlich Folge geleistet wird, möchte ich, daß mit Hilfe der Spenden, die mir übergeben worden sind bzw. noch übergeben werden, in der Sahelzone etwas Konkretes unternommen wird und daß es für meine schwergeprüften afrikanischen Brüder, die mir seit meiner unvergeßlichen Reise von 1980 noch teurer sind, ein wirksames Zeichen meiner Liebe bleibt“ (in: Wort und Weisung, 1980, S. 599). 2. Unter den Antworten auf meinen Appell von Ouagadougou kann die großzügige Kollekte nicht unerwähnt bleiben, die die Katholiken der Bundesrepublik Deutschland anläßlich meines Besuches bei ihnen im November desselben Jahres 1980 durchzuführen beschlossen hatten und deren Ergebnis für die Länder der Sahelzone bestimmt waren. Dank dieser großartigen solidarischen Geste der Ortskirchen konnten bereits große Entwicklungsprojekte finanziert werden, und heute wird die Stiftung „Johannes Paul II. für die Sahelzone“ in Gang gebracht. Ihr habt außerdem von den Beratungen erfahren, die bei den Bischöfen der betroffenen Länder abgehalten wurden, um das Wesen, die Tätigkeit und die Statuten der Stiftung genauer zu bestimmen. Seit einigen Monaten liegen die letzte Vorbereitung und die Fertigstellung besonders beim Päpstlichen Rat „Cor Unum“, dessen neuen Vorsitzenden, den verehrten Kardinal Roger .Etchegaray, ich hier begrüße. An „Cor Unum“ nämlich wandte sich Paul VI. sofort, als die große Dürre in den Ländern der Sahelzone bekannt wurde; und der Päpstliche Rat wird euch weiterhin bei euren Aktivitäten zur Seite stehen, so wie er bekanntlich die Situation in euren Ländern und die fortschreitenden Probleme der Dürre und des Hungers ständig genau verfolgt hat. 3. Eure heutige Anwesenheit, liebe Brüder im Bischofsamt, ist bezeichnend: wohl hat die Stiftung, ihrem Rechtsstatus entsprechend, ihren Sitz im Vatikanstaat, untersteht aber der Leitung und Verwaltung ihrer Mit- 1230 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN glieder, den Ortskirchen aus den acht Ländern der Sahelzone, die als solche international anerkannt sind. Ihr selbst seid die ersten Repräsentanten dieser Kirchen, die den Verwaltungsrat bilden, der mit schwerwiegender Verantwortung ausgestattet ist. In euch grüße ich heute nicht nur die Bevölkerung eurer Länder, sondern auch jene der allzu zahlreichen Länder Afrikas, die gleichfalls Opfer der herrschenden Trockenheit sind und denen zu helfen sich die internationale Gemeinschaft großzügig bemüht - leider sind die Bedürfnisse außerordentlich. Ich weiß, daß die Not jenseits der Grenzen eurer Länder euch nicht gleichgültig läßt und daß die katholischen Hilfsorganisationen ihre Zusammenarbeit koordinieren, um wirksamer helfen zu können. Im übrigen beansprucht unsere Aktion nicht, alle Bedürfnisse der Dürreopfer zu befriedigen, sondern wie ihr aus Erfahrung wißt, ergänzt der Einsatz der Kirche überall, wo es möglich ist, die Arbeit der Behörden, der zwischenstaatlichen Organe und der regierungsunabhängigen Organisationen. Die im Hinblick auf ihre Mittel eher bescheidene Stiftung will ein Zeichen inmitten all dieser solidarischen Aktionen sein und, wie meine afrikanischen Brüder es auch verstanden haben, das Zeichen meiner Zuneigung für sie und meiner Liebe für die am härtesten Getroffenen. 4. Die schreckliche Geißel der Trockenheit ist nicht die einzige Wunde, an der die Menschen Afrikas leiden; in wenigen Wochen wird eine wichtige internationale Tagung in Genf über die Hilfe für Millionen afrikanischer Flüchtlinge beraten, an der auch der Hl. Stuhl teilnimmt; wir wissen, wie sich die Lage für die Menschen verschlimmert, wenn sich die Ursachen der Leiden häufen und nacheinander verstärken. Die Kirche will dieser menschlichen Not nahe sein, um ihre Bemühungen mit jenen zu vereinen, die die Ursachen beseitigen oder zumindest mildern wollen, wenn sie das Werk des Menschen sind, um die Wunden zu verbinden, wieder Hoffnung zu verbreiten und zu bezeugen, daß sie an die Würde des Menschen glaubt. <57> <57> Es geht nämlich um Menschen, um Männer und Frauen, die hungern und dürsten, um unterernährte oder schlecht ernährte Kinder; die internationale Solidarität kann wertvolle, ja unerläßliche Hilfe leisten, aber die Lösung liegt letztlich in den Händen der Afrikaner: Zusammenarbeit mit ihnen, auch auf technischem Gebiet, bedeutet nicht, sie zu ersetzen. Das ist auch der Zweck der Stiftung, mit deren Verwaltung ihr beauftragt seid, und ihr sollt darüber wachen, daß er respektiert wird; das wird das 1231 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erste Kriterium sein, wenn ihr zwischen mehreren Projekten oder Aktionen eure Wahl zu treffen habt; im Artikel 2 der Statuten heißt es: „Förderung der Ausbildung von Fachkräften, die sich ohne Diskriminierung in den Dienst ihrer Länder und ihrer Brüder stellen, im Geist einer ganzheitlichen und solidarischen Humanisierung, um gegen die Versteppung und ihre Ursachen anzukämpfen . . Es wird euer Beitrag sein, den Menschen beim gemeinsamen Aufbau der Zukunft Afrikas und bei der Überwindung der Konflikte zu helfen, die oft unter dem Vorwand trennender Ideologien die Erfüllung der dringendsten Aufgabe verzögern. Niemand ist zuviel auf dieser Baustelle. Ist nicht „Entwicklung“, nach einem Ausspruch Pauls VI., „der neue Name für Frieden“? Ehe wir auseinandergehen, möchte ich euch daran erinnern, daß ich in der Gründungsurkunde dieser Stiftung folgenden Wunsch ausgesprochen habe: „Möge sie ein Zeichen und ein Zeugnis sein für eine Tat der Nächstenhebe, die in diesem Heiligen Jahr der Erlösung im Namen Christi ausgeführt wird.“ Ich vertraue sie euch in der Gewißheit an, daß ihr mit der Fürsprache Mariens in euren Ländern Zeugen dieser Liebe Christi sein werdet. Er segne euch und das Werk, das ihr in seinem Geist vollbringt! Zur Vorbereitung auf die christliche Ehe Ansprache an die Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Familie am 26. Mai Liebe Brüder und Schwestern! 1. Mit besonderer Freude begegne ich heute euch, den Mitgliedern des Päpstlichen Rates für die Familie, die ihr Freunde und Mitarbeiter auf einem für das Leben der Kirche und der Gesellschaft so wichtigen Gebiet seid. Die bürgerliche und religiöse Zukunft der Menschheit hängt ja von der Familie ab, weil das Wohl des Menschen in ihr seinen Ursprung hat. Ich bin euch daher für die Mitarbeit im Bereich der Familienpastoral sehr dankbar, stellt diese doch einen wichtigen Weg der Evangelisierung und einen Sektor dar, der mir während der Ausübung meines Amtes in der 1232 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erzdiözese Krakau besonders teuer war und der auch jetzt: noch einen besonderen Platz in meiner Hirtensorge einnimmt. 2. Das Thema, das euch während dieser Generalversammlung beschäftigte, war - nach eingehender Überprüfung der verschiedenen Situationen in den Ortskirchen - die Vorbereitung auf die christliche Ehe. Es ist dies ein äußerst wichtiges und dringliches Thema. Mehrmals habe ich meine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß „die Zukunft der Menschheit über die Familie“ geht (vgl. Familiaris consortio, Nr. 68). Man kann jedoch noch weiter gehen und behaupten, daß die Zukunft der Familie über ihre entsprechende Vorbereitung geht. Wir berühren hier einen Wert und eine Notwendigkeit, die nicht nur die zur Ehe berufenen Jugendlichen, sondern auch die gesamte kirchliche und bürgerliche Gemeinschaft betreffen. Man denke insbesondere an den Reichtum, den die Kirche - und nicht nur sie - von jenen empfängt, die sich auf die Ehe vorbereiten: Die Frische und Begeisterung, die Freude an der Schönheit, der Wunsch nach einem offenen Dialog und die Hoffnung auf die Zukunft sind eine Gabe für alle und ein Aufruf an die bereits Verheirateten, ja geradezu eine Einladung, zum Ursprung ihrer Wahl, zum „Frühling“ ihrer Liebe zurückzukehren. 3. Das Apostolische Schreiben Familiaris consortio geht ausdrücklich und ausführlich auf das Thema der Ehevorbereitung in ihren verschiedenen Etappen — fernere, nähere und unmittelbare Vorbereitung — ein und hebt die Bedeutung der Familie für die Vorbereitung der Kinder auf das Ehesakrament hervor. In ihr wird der erste und tiefste Grund für jene psychologische und moralische Haltung gelegt, die später das Eheleben möglich macht, indem sie die zukünftigen Partner auf die Übernahme der Verantwortungen vorbereitet, die das Ehesakrament mit sich bringt. Eure Antworten auf dem Fragebogen, der euch während der Vorbereitung der Vollversammlung zugesandt worden war, bekräftigen diese Überzeugung, indem sie hervorheben, daß die beste, fernere Vorbereitung auf eine spätere Ehe der Kinder ein vorbildliches christliches Familienleben ist, in dem das gelebte Zeugnis der Ehepartner ein wesentliches Element darstellt. Das Familienleben, von der entsprechenden Unterweisung durch die Eltern erhellt, stellt die beste Vorbereitung der Kinder auf das Leben und somit auch auf die Ehe dar. 4. Mit dem Heranwachsen treten die Kinder in eine ganz besonders wichtige, heikle und schwierige Erziehungsphase ein. Das notwendige 1233 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erringen ihrer Identität führt die Heranwachsenden zu einer Selbstbehauptung, die nicht selten von der Versuchung begleitet ist, die Autorität der Eltern in Frage zu stellen und sich vom Familienleben zu distanzieren, das bisher ihr fast ausschließlicher Lebensbereich war. Gerade in diese Zeit fällt die faszinierende Entdeckung des anderen Geschlechts, und gleichzeitig verstärkt sich der Einfluß der außerfamiliären Elemente im Leben des Reifenden, insbesondere jener der Mittel der sozialen Kommunikation, der Freundesgruppen und der Schule. All das erschwert die Erziehung seitens der Eltern, verringert aber deshalb nicht ihre Bedeutung, ist sie doch nunmehr vor allem der Anziehungskraft des Beispiels und des diskreten Einflusses einer klugen Haltung anvertraut, die eine tiefe Beziehung zum Jugendlichen pflegen muß, in Form und Stil seinem Alter und den persönlichen Wesensmerkmalen angepaßt. Indem sie ihm die notwendige Zeit und Aufmerksamkeit widmen, werden die Eltern ihn ihr treues, ausdauerndes Wohlwollen spüren lassen, das seine Person und seine Freiheit achtet und stets hilfs- und aufnahmebereit ist, besonders in schwierigen Stunden. 5. In der Reifezeit üben, wie gesagt, außerfamiliäre Elemente auf die Entwicklung der Jugendlichen einen ganz besonders nachhaltigen Einfluß aus. Ich beziehe mich hier ganz besonders auf die Schule und auf die Mittel der sozialen Kommunikation. In beiden Bereichen muß der Päpstliche Rat für die Familie Impulse geben, um den Familien bei der Erfüllung der wesentlichen Aufgabe, die die Erziehung der Kinder insbesondere zur Liebe darstellt, wirksame Hilfe zu leisten. Engere Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erziehern Eine viel engere Zusammenarbeit zwischen Eltern und Erziehern in Internaten und Schulen muß gefördert und durchgeführt werden. Die Eltern können nicht alle Erzieherfunktionen auf die Schule abwälzen, die wiederum nicht über jene hinwegsehen kann, die ihr ihre Kinder zu einer vollständigen Erziehung anvertrauen. Schule und Eltern müssen einander bei der Erfüllung der erzieherischen Aufgaben an den Kindern und den Heranwachsenden auch in jenen Belangen unterstützen, die sich auf die Erziehung zur Liebe und zur Ehe beziehen. Wir dürfen jedoch nicht vergessen, daß viele Jungen und Mädchen nichtkatholische Schulen besuchen, wo ihnen oft auf diesem Gebiet nicht die richtige Orientierung zuteil wird oder wo sie einen Unterricht empfan- 1234 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen und einem Milieu ausgesetzt sind, das ihnen nicht hilft, sich eine christliche Auffassung von Liebe, Sexualität und Ehe zu bilden. In diesem Fall wird die Pflicht der Eltern noch schwerwiegender, sei es der Schule gegenüber, sei es vor allem innerhalb der eigenen Familie, wo sie eine Erziehung und ein Zeugnis geben müssen, das die negativen Einflüsse der Schule oder des Milieus auf die Kinder überwinden kann. 6. Die Mittel der sozialen Kommunikation verdienen besondere Erwähnung. Aus euren Antworten auf dem Fragebogen geht klar der große Einfluß hervor, den sie ausüben und der im allgemeinen eher negativ ist. Der Päpstliche Rat für die Familie hat hier einen anderen wichtigen Aufgabenbereich, sei es, um die Art und Weise herauszufinden, auf die man den Eltern bei der weisen und kritischen Verwendung der Mittel der sozialen Kommunikation helfen kann, sei es, um die Künstler und Medienschaffenden zu Initiativen anzuregen, das Angebot von Sendungen, die an christlichen Werten ausgerichtet sind, zu verstärken. Die Massenmedien haben in unserer modernen Kultur großen Einfluß, und man kann nicht von ihnen absehen: Man muß sich jedoch verpflichten, ihre enormen Möglichkeiten für das Wohl der Einzelpersonen und der Familien einzusetzen, ohne sich von Interessen leiten zu lassen, die oft das wahre moralische Wohl der Kinder, der Jugendlichen und der Familien, an die sie sich wenden, außer acht lassen. 7. Wo eine gute entfernte und nähere Vorbereitung auf die Ehe vorhegt, wird die unmittelbare Vorbereitung leichter und fruchtbarer. Die vielen Bemühungen auf diesem Gebiet haben in der Kirche das Bewußtsein gefördert, daß die Ehe - wie jedes andere Sakrament - einer entsprechenden Vorbereitung bedarf, damit sie im Leben der Eheleute fruchtbar werde. Der Neue Codex des kanonischen Rechts hat die Ehevorbereitung unter die Pflichten der kirchlichen Gemeinschaft (vgl. CIC1063) und insbesondere der Hirten eingereiht. 8. Die Vorbereitung auf die Ehe öffnet dem Päpstlichen Rat für die Familie ein weites Aktionsfeld, an das er mit Begeisterung, Kreativität, Energie und Ausdauer herantreten muß. Man darf angesichts der unvermeidlichen Schwierigkeiten nicht den Mut verlieren. Kein Opfer kann die christliche Gemeinschaft und die einzelnen Familien von der Aufgabe der guten Vorbereitung der zukünftigen Eheleute abhalten, die die Familien des dritten Jahrtausends christlichen 1235 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lebens bilden werden. Auch ist es notwendig, keine Initiative zu unterlassen, die den bereits bestehenden Familien helfen kann, ihre Pflicht in einem oft schwierigen Milieu zu verstehen und zu erfüllen, in dem zu leben sie berufen sind. Ich bitte euch, bemüht euch mit allen Kräften, diesen Familien beizustehen, sie auf jede Weise zu unterstützen und zu jener Liebe zu erziehen, die im Ehesakrament durch ein freies Geschenk Jesu Christi Nachahmung der Liebe des Herrn zu seiner Kirche und Teilhabe an dieser Liebe wird. Indem ich euch meine Wertschätzung für eure hochherzige Hingabe ausspreche, erteile ich aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen euch, euren Familienangehörigen und allen, denen eure Aufmerksamkeit und euer pastorales Handeln gelten. „Ihr werdet meine Zeugen sein“ Predigt bei der Messe und Priesterweihe in St. Peter am Fest Christi Himmelfahrt, 31. Mai 1. „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde . . .“ {Mt 28,18). Nach dem Text des Matthäusevangeliums bilden diese klaren Worte den Abschluß des messianischen Wirkens Christi auf Erden. Sie gehen auch unmittelbar seiner Himmelfahrt voraus. „Alle Macht . . .“ Wir denken an die Macht nach den Kategorien, die sich auf die Beherrschung der Gesellschaftsordnung, auf die Gerechtigkeit dieser Welt beziehen. Jesus Christus geht über diese Kategorien hinaus. Die Macht, die ihm im Himmel und auf der Erde gegeben ist, die Macht, die ihm eigen ist, ist die Kraft, sich selbst hinzugeben für das Leben der Welt: die Macht der Erlösung durch die Liebe. Diese Macht hat im Ostermysterium ihren Höhepunkt erreicht. Das Kreuzesopfer und die Auferstehung sind der Gipfel dieser Macht. Durch die Eucharistie nimmt die Kirche jeden Tag an jener Macht Christi - der Kraft, sich hinzugeben für das Leben der Welt - teil. Sie wird zum Herzstück ihrer Sendung und ihres Dienstes. Ihr, denen es gegeben ist, am Fest der Himmelfahrt des Herrn das Sakrament der Priesterweihe zu empfangen, müßt das ständig gegenwärtig vor Augen haben. Das Sakrament der Priesterweihe ist eng mit der 1236 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eucharistie verbunden. Christus teilt mit euch in ganz besonderer Weise diese Macht, die ihm allein „im Himmel und auf der Erde“ gegeben ist. 2. Nach dem Text der Apostelgeschichte hat der auferstandene Christus, bevor er zum Vater ging, an die Apostel folgende Worte gerichtet: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apg 1,8). Heute beten wir im Verlauf der Weiheliturgie besonders darum, daß der Heilige Geist herabkomme. Wir singen das „Veni, Creator Spiritus“ und öffnen uns mit ganzem Herzen seinen Gaben. In der Macht des Heiligen Geistes sollt ihr das Sakrament der Priesterweihe empfangen und annehmen. Er ist der Schöpfer dieses Priestertums in jedem von euch: Creator Spiritus, der Schöpfergeist. Seine Herabkunft ist unerläßlich. Da ihr Zeugen sein sollt, ist seine Herabkunft und das innere Eingreifen seiner Macht unerläßlich. Ihr habt die Worte Jesu von Nazaret nicht mit eigenen Ohren gehört. Ihr seid ihm nicht auf den Straßen Galiläas und Judäas gefolgt. Ihr habt nicht den nach der Kreuzigung Auferstandenen gesehen. Ihr habt nicht gesehen, wie er in den Himmel aufgestiegen ist. Und doch ... Ihr sollt Zeugen des gekreuzigten und auferstandenen Christus sein, Zeugen dessen, der „zur Rechten des Vaters sitzt“. Ihr sollt Zeugen dieser Macht sein, die ihm - und nur ihm - im Himmel und auf der Erde gegeben ist. Ja, ihr sollt Verwalter der Eucharistie und aller Sakramente sein, in denen die Kirche zum Heil der Welt an dieser Macht teilhat. 3. Darum empfinde ich heute, an dem Tag, an dem ich als Bischof von Rom euch zu Priestern weihe, besonders tief, was wir in der heutigen Liturgie aus dem Brief des hl. Apostels Paulus an die Epheser lesen. Mit den Worten dieses Briefes bete ich für euch und spreche zugleich den Wunsch aus, daß „der Gott Jesu Christi, unseres Herrn, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung gebe, damit ihr ihn erkennt“ (Eph 1,17); daß „er die Augen eures Herzens erleuchte, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid“ (Eph 1,18). Genau das wünsche ich euch. Daß er euch die Berufung verstehen läßt, die der Heilige Geist heute in euren Herzen mit dem Siegel des Sakramentes der Priesterweihe bestätigt. 1237 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich bete und wünsche von Herzen, daß der Reichtum an Herrlichkeit, den sein Erbe unter den Heiligen birgt und „die überragend große Macht, die sich an uns, den Gläubigen, erweist“ (Eph 1,19), immer in euch lebendig bleibe. 4. Empfangt nun die Priesterweihe! Wenn ihr während der Allerheiligenlitanei am Boden hingestreckt seid, möge jedem von euch im Geheimnis seiner Himmelfahrt jener Christus nahekommen, der die Fülle ist: Er, dessen Fülle „das All ganz und gar beherrscht“ (Eph 1,23). Die Übel der Welt erleichtern Ansprache an die Mitglieder der Lepra-Arbeitsgruppe der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 1. Juni Herr Präsident! Meine Damen und Herren! 1. Die heutige Begegung ist eine Quelle tiefen Interesses für mich, da das Thema, das Sie in diesen Tagen studieren, mir nicht weniger als Ihnen erneut die schrecklichen Leiden einer großen Zahl unserer Brüder und Schwestern in Erinnerung bringt, die von der gefürchteten Krankheit der Lepra geplagt werden, und besonders jener, bei denen sie den unwiderruflichen Verlust von Gliedmaßen zur Folge hatte. Mein Interesse geht Hand in Hand mit meiner aufrichtigen Bewunderung für die sorgfältigen und unermüdlichen Forschungen, die Sie durchführen, um diese Krankheit zu bekämpfen und viele Menschenleben zu retten. In diesem Moment gehen meine Gedanken zu den verschiedenen Begegnungen, die Jesus mit Aussätzigen hatte. Ich möchte nur aus einer zitieren, die vom hl. Markus im ersten Kapitel seines Evangeliums berichtet wird. In dem heiligen Text lesen wir: „Ein Aussätziger kam zu Jesus und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte: Wenn du willst, kannst du machen, daß ich rein werde. Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn und sagte: Ich will es - werde rein! Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein“ (Mk 1,40-42). Dadurch, daß er mit seiner Hand die Wunden des Aussätzigen berührte, 1238 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN riß Jesus die Schranken nieder, die die Unberührbaren von der menschlichen Gemeinschaft trennten, und eröffnete durch diese wunderbare Heilung einen Weg der Hoffnung, dem Religion und Wissenschaft folgen müssen. Weder für die eine noch für die andere kann von nun an eine Person unrein genannt werden, sondern jeder Mensch wird Achtung und Hilfe erfahren müssen, um die gute Gesundheit, die der menschlichen Person zusteht, wiederzuerlangen. 2. Der vom Evangelium verkündete Sinn universaler Brüderlichkeit löste bei Anhängern jedes Glaubens das hochherzige und eifrige Bestreben aus, den Leprakranken zu helfen, und in allen Teilen der Welt entstanden Leprastationen und Leprakrankenhäuser. Überall kam es zu einer weitverbreiteten Bewegung, um freiwillige Hilfe zu organisieren, ein „unerwartetes Geschenk privater Barmherzigkeit“ von seiten derer, die „von starkem Mut beseelt. . ., von Mitleid ergriffen, die Sorge auf sich nahmen und tapfer weiterführten, zu der sie von ihren Aufgaben her nicht berufen waren“, wie es bei der Pest in Mailand geschah und von Alessandro Manzoni in seinem berühmten Roman I Promessi Sposi (Kap. 32) beschrieben wird. Unter den Aposteln der Aussätzigen, die unter den christüchen — sowohl katholischen wie protestantischen - Missionaren hervorragten, kann ich nicht versäumen, Pater Damien De Veuster von den Picpus-Patres zu nennen, der in der ganzen Welt als hochherziges Vorbild christlicher Nächstenliebe gegenüber Leprakranken geehrt wurde. Zusammen mit ihm möchte ich noch unter den Laienaposteln Marcello Candia erwähnen, der sich selbst und sein ganzes Vermögen für die unter dieser Krankheit Leidenden hingab. Doch die von hochherzigen Freiwilligen gewährte Sorge und Pflege und die später von den Regierungen errichteten Institutionen hätten auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge nicht wirksam sein können, wenn nicht die Wissenschaft Mittel und Methoden der Diagnose und Therapie ange-boten und zur Verfügung gestellt hätte. Alle Menschen sind als Gleichnis Gottes geschaffen 3. Wie auf jedem anderen Gebiet, so verbinden sich im Behandlungsbereich der sehr unterschiedlichen Krankheitsformen der Sinn der Brüderlichkeit und die wissenschaftliche Forschung, um die Menschheit von ihren Nöten und Leiden zu befreien. Sowohl die Hilfe der Freiwilligen wie die Arbeit des Wissenschaftlers erfordern starke geistige Kräfte. Wissen- 1239 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schaftliche Forschung ist nicht allein ein großartiger Gebrauch des Verstandes; nach den Worten meines Vorgängers Paul VI. in einer Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften verlangt sie auch „die Übung hoher sittlicher Tugenden, die dem Wissenschaftler die Erscheinung und das Verdienst eines Asketen, manchmal eines Heroen verleihen, dem die Menschheit große Anerkennung und Dankbarkeit zollen muß“ (Ansprache vom 23. April 1966). Herausragende sittliche Tugenden und den Beistand des Geistes benötigt der Wissenschaftler, der sich nicht nur der Forschung widmet, sondern auch die Liebe des Wissens ausüben möchte. Wenn aufgrund von Übermüdung und vielleicht Enttäuschung bei den Anstrengungen des Studiums der Verstand der Versuchung nachgeben will, das Unternehmen aufzugeben, kommt der Geist denen zu Hilfe, die die Anstrengungen, die sie aus Liebe zum Nächsten anstellen, heroisch fortsetzen wollen, und am Höhepunkt des Verstehens entzündet er einen Funken, der eine plötzliche Erkenntnis der Wahrheit mit sich bringt, worauf die Forschung ihren Weg wieder aufnimmt und zur ersehnten Entdeckung gelangt. 4. Meine Damen und Herren, Sie folgen dem von Gerhard Hansen vorgezeichneten Weg, der durch die Ausdauer des Verstandes und den Funken des Geistes die Ursache der Lepra entdeckte: das Mycobacterium leprae. Durch Ihre erleuchtete wissenschaftliche Arbeit in harmonischem Zusammenwirken mit klugen Ärzten und hochherzigen Freiwilligen und durch die Umsicht öffentlicher und privater Einrichtungen ist die Lepra in vielen Teilen der Welt zurückgegangen. Aber noch immer leiden Millionen von Brüdern und Schwestern unter ihren entsetzlichen Folgen. Um dieser Menschen willen müssen überall die Anstrengungen verstärkt werden, um sicherzustellen, daß diejenigen, die noch immer zu einer Art von zivilem Tod verdammt sind, wieder zum Leben und zu einer besseren Lebensqualität zurückkehren und in der Gesellschaft einen Platz finden können, der ihrer menschlichen Würde entspricht. Denn wie alle anderen Menschen sind auch sie als Bild und Gleichnis Gottes geschaffen. Es gibt keinen Grund, warum diejenigen, die geheilt worden sind, nicht voll und ganz wieder in die Gesellschaft integriert werden sollten. Herr Präsident, Sie haben in Ihrer Grußadresse mit Recht festgestellt, daß die Wissenschaft, wenn sie sich friedlichen Zwecken zuwendet, die Übel der Welt erleichtern, die Situation des Menschen verbessern und zur Hebung der Lebensqualität besonders jener beitragen kann, die zu den niedrigsten und am meisten ins Abseits gedrängten Menschen gehören. 1240 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Ich appelliere daher an Regierungen, internationale Institutionen und Hilfsorganisationen, in zunehmendem Maße zu der Arbeit beizutragen, die von Wissenschaftlern, Ärzten und Freiwilligen geleistet wird, um die Leprapatienten von ihrer Krankheit und von ihrer erniedrigenden und tragischen Zurückweisung durch die Gesellschaft zu befreien. Herr Präsident, Sie erwähnten meine apostolische Pilgerfahrt nach Brasilien und insbesondere meinen Besuch in der Leprastation von Marituba, wo Sie selbst mich begleiteten. Dort und erst kürzlich in Korea hatte ich Gelegenheit, persönlich meine Solidarität mit den Leidenden zum Ausdruck zu bringen und sie der Liebe und Sorge der gesamten Kirche zu versichern. Meine Damen und Herren, setzen Sie Ihre Forschungen und Ihre Therapie fort und seien Sie gewiß, daß die Kirche Ihre Arbeit voll und ganz unterstützt, denn sie hat wie Sie das Gebot Christi im Evangelium empfangen, „die Aussätzigen rein zu machen“, und sie weiß, daß Aussätzige, die geheilt wurden, ein Zeichen setzen für das Reich Gottes (vgl. Mt 10,8; 11,5). Helfen Sie mit, das Reich Gottes aufzubauen, das auch das Reich der Menschlichkeit ist. Schenken Sie Gerechtigkeit und Liebe allen, die in den verlassensten Winkeln der Welt darauf warten, von der heutigen Gesellschaft eine Botschaft der Hoffnung zu erhalten. Gott segne Sie und Ihre Arbeit im Dienst an seinem Volk! In untrennbarer Verbundheit mit dem italienischen Volk Ansprache an den italienischen Staatspräsidenten Sandro Pertini bei seinem Staatsbesuch im Quirinalspalast am 2. Juni Herr Präsident! Die freundschaftliche, herzliche Begrüßung, mit der Sie mich empfangen, weckt in mir ein tiefes Echo. Ich danke Ihnen von Herzen. Ich danke Ihnen für die Bezeigung der Freundschaft, die Sie mir so hochherzig gewähren und die mich zutiefst rührt. Ich möchte Ihnen meinerseits mit den Worten der Bibel sagen, was diese Freundschaft auch für mich bedeutet: „Wie ein Balsam des Lebens ist ein treuer Freund, ihn 1241 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN findet, wer Gott fürchtet“ (Sir 6,16). Die Freundschaft ist also auch ein Geschenk, für das ich Gott dankbar bin. Ich danke Ihnen auch für alles, was Sie über die Werte gesagt haben, die das Evangelium allen Menschen als Beispiel der Erhebung gezeigt hat: Werte, die sich widerspiegeln sollen in den Grundsätzen und Normen der staatlichen Ordnungen und die sich auch in der internationalen Ordnung auswirken sollen, damit die Völker ihrer natürlichen Erwartung entsprechend in Ruhe und Frieden und in tätiger Eintracht Zusammenleben können. Heute, am 2. Juni, feiert Italien die Geburtsstunde der Republik und der Verfassung, die sich das italienische Volk nach dem schmerzlichen Erlebnis des Zweiten Weltkrieges gegeben hat. Die Anerkennung und die Garantie der unverletzlichen Rechte des Menschen, sowohl des einzelnen wie innerhalb der gesellschaftlichen Formationen, in denen seine Persönlichkeit zur Entfaltung und Reife gelangt; die unabdingbare Verpflichtung zu politischer, wirtschaftlicher und sozialer Solidarität; die gleiche Würde und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, ohne jede Diskriminierung; die Ablehnung des Krieges als Mittel zur Verletzung der Freiheit anderer Völker; die internationale Zusammenarbeit: das sind einige der Grundsätze an der Spitze des italienischen Grundgesetzes, die die demokratischen Einrichtungen des Landes inspirieren und dem Rechtsstaat Gestalt geben. Solche Ideale erscheinen heute in Italien wie ein Erbe, das man friedlich besitzt; aber man muß daran erinnern, daß die Verfassung von 1947 sie nach Jahren feierlich bestätigte, in denen das bürgerliche Zusammenleben in Gefahr war und von den Ruinen des unmenschlichen Kriegsgeschehens ausgelöscht schien. Aber es stimmt auch, daß gerade in jenen leidvollen Jahren die Italiener, indem sie neue moralische Stärke gewannen, den Wert der Solidarität und der Brüderlichkeit nicht nur als Erwartung, sondern als gegenseitige Opferbereitschaft verstanden und gelebt haben: Zeugnis dafür waren die zahlreichen Episoden des Heroismus, vor allem aber die unzähligen täglichen Gesten selbstloser Hilfe, die von Leuten jeden Standes denen geboten wurde, die sich in Not oder Gefahr befanden. Die Gemeinsamkeit der Leiden ließ Geist und Herzen reifen und führte zur Wiedererttdeckung alter Werte. Es ist gut, sich daran zu erinnern, wie sich die Erfahrung einer Familie auf den großen, glücklich überwundenen Prüfungen des Lebens aufbaut, so nehmen für die Völker die moralischen Zeugnisse, die dem menschlichen Dasein Substanz geben und aus denen Ermutigung für die Zukunft kommt, bleibende Gültigkeit an. 1242 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bei unserer Begegnung am 21. Mai erinnerten Sie, Herr Präsident, mit edlen Worten daran, daß bei dieser schmerzlichen und schweren Erfahrung die Kirche und ihre Institutionen sich als am Schicksal: des italienischen Volkes beteiligt erwiesen haben. Tatsächlich versuchten Bischöfe und Klerus, Ordensmänner und Ordensfrauen, ihre Brüder und Schwestern vor Haßausbrüchen zu schützen, ihre Wunden zu heilen, sie moralisch und nach Möglichkeit auch materiell in ihrer Sehnsucht nach Frieden und Freiheit zu unterstützen, indem sie ihnen Vertrauen in Gott und in das Leben einflößten. Und als vor vierzig Jahren, am 4. Juni 1944, der Tag der Befreiung der Hauptstadt Italiens kam, versammelte sich das römische Volk um seinen Bischof zu einem spontanen Zeichen der Dankbarkeit an den „defensor civitatis“ und vernahm voll Überzeugung seine Aufforderung, im „Geist hochherziger brüderlicher Liebe“ die gewiß nicht leichte Zukunft aufzubauen. Und diese Hochherzigkeit ist keineswegs ein nebensächliches Merkmal, vielmehr eine natürliche Wesenseigenschaft des italienischen Volkes. Das „offene Herz“, der Sinn für brüderliche Gastfreundschaft, die spontane Solidarität, die die Italiener für die hegen, die in Not sind, haben in den vergangenen Jahrhunderten eine ununterbrochene Reihe beispielhafter Einrichtungen für den Dienst am Menschen entstehen lassen: Ich denke unter anderem an die Krankenhäuser, die in den verschiedenen Jahrhunderten von Bruderschaften oder von vortrefflichen Männern mit großem Glauben und Herzen gegründet worden sind, wie Camillo de Lellis oder Giuseppe Cottolengo, um nur einige zu nennen. Man kann nicht sagen, hier handle es sich nur um Geschichte der Vergangenheit. Wir sehen, daß dieser eifrige Einsatz für den Menschen nicht erloschen ist, sondern weiter in Einrichtungen der verschiedensten Art, die auch nur aufzuzählen schwierig wäre, sowie in verschiedenen Bereichen des Freiwilligendienstes seinen Ausdruck findet, wo Männer und Frauen aller Klassen und verschiedenen Alters und viele, viele Jugendliche — mit der ihnen eigenen Begeisterung und einer immer fruchtbaren Kreativität - hochherzig ihre Kräfte einsetzen. Herr Präsident, voll Bewunderung muß ich auf Ihr persönliches Engagement blicken, den jungen Generationen jene Ideale der Solidarität und des Friedens zu vermitteln, die die Geschichte des italienischen Volkes erhellen, auf daß die Jugend sie zu ihrem Besitz macht und sie ihrerseits an die künftigen Generationen weitergibt, um einer freieren und brüderlicheren Gemeinschaft Raum zu geben. Von solchen echt menschlichen und wahrhaft christlichen Idealen fühlt 1243 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sich die Kirche in Italien, die heute hier so würdig vom Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz vertreten ist, beseelt. Und es ist ihre feste Absicht, in untrennbarer Verbundenheit mit dem italienischen Volk und in seinem Dienst für ihre Verwirklichung zu arbeiten. Das jüngste Übereinkommen vom 18. Februar dieses Jahres erwähnt das ausdrücklich und feierlich. Im besonderen fühlt sich die Kirche verpflichtet, die - mit Recht von Ihnen erwähnten - hochherzigen Initiativen zur Unterstützung der von Hunger heimgesuchten Bevölkerung anderer Länder und zur Förderung aller nützlichen Formen der Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu fördern. Herr Präsident! Bei dieser unserer Begegnung an einem für die Republik Italien so bedeutungsvollen Tag wandern die Gedanken nachdenklich in die Vergangenheit, um die Herzen zu neuem Vertrauen in die Zukunft zu öffnen. Daraus entspringt mein tiefer Wunsch, der von täglichem Gebet zu Gott begleitet wird, daß das italienische Volk immer - in Übereinstimmung der moralischen Inspiration, die ihm seine Geschichte gibt - die nationalen und internationalen Probleme, mit denen es sich auseinandersetzen muß, zu lösen wisse; daß es sich, im Licht der hohen Ideale, von denen seine besten Geister Zeugnis gegeben haben, einer Zukunft in Glück und Frieden erfreuen möge. Möge Italien weiterhin ein Vorbild sein bei der Verteidigung der Menschenrechte und der Werte der Freiheit und der Gerechtigkeit, in der Spur seiner europäischen und universalen Berufung. Getreu im Dienst der Wahrheit Botschaft zum 18. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 3. Juni Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Dieser Jahrestag, der jetzt zum 18. Mal begangen wird und vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewünscht wurde, „um das vielgestaltige Apostolatswerk der Kirche auf dem Gebiet der sozialen Kommunikationsmittel wirksam zu kräftigen“ (Dekret Inter mirifica, Nr. 18), setzt sich zum Ziel, die Gläubigen immer besser für ihre Aufgaben in diesem so wichtigen Bereich zu erziehen. Bei dieser Gelegenheit will ich zuerst 1244 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jeden einzelnen von euch auffordern, sich mir im Gebet anzuschließen, damit die Welt der sozialen Kommunikation mit den Medienschaffenden und der Schar der Leser, Hörer und Zuschauer ihre Funktion getreu im Dienst der Wahrheit, der Freiheit und der Förderung des ganzen Menschen an allen Menschen ausübe. i Das für diesen 18. Welttag gewählte Thema ist von großer Bedeutung: Die sozialen Kommunikationsmittel als Mittel der Begegnung zwischen Glaube und Kultur. Kultur, Glaube und Kommunikation sind drei Realitäten, zwischen denen eine Beziehung besteht, von der die Gegenwart und die Zukunft unserer Gesellschaft abhängen, die berufen ist, sich immer mehr in ihrer planetarischen Dimension zum Ausdruck zu bringen. 2. Die Kultur ist - wie ich bei anderer Gelegenheit bereits sagte (vgl. Ansprache an die UNESCO, 2. Juni 1980, Nr. 6; in: Wort und Weisung, 1980, S. 224) - eine besondere Form des „Daseins und des Seins des Menschen“. Sie schafft zwischen den Personen, die zur selben Gemeinschaft gehören, eine Gesamtheit von Verbindungen, die den „zwischenmenschlichen und gesellschaftlichen Charakter der menschlichen Existenz prägen“. Träger und Baumeister der Kultur ist der Mensch, der sich in ihr zum Ausdruck bringt und in ihr sein Gleichgewicht findet. Der Glaube ist die Begegnung zwischen Gott und dem Menschen: Dem Gott, der seinen Heilsplan in der Geschichte offenbart und verwirklicht, antwortet der Mensch durch den Glauben, indem er diesen Plan annimmt und danach handelt, also sein Leben nach dieser Botschaft ausrichtet (vgl. Röm 10,9; 2 Kor 4,13). Der Glaube ist ein Geschenk Gottes, dem die Entscheidung des Menschen entsprechen muß. Wenn aber die Kultur der spezifisch menschliche Weg ist, um in höherem Maße zum Sein an sich zu gelangen, und wenn anderseits sich im Glauben der Mensch der Erkenntnis des höchsten Seins öffnet, als dessen Bild und Gleichnis er geschaffen ist (vgl. Gen 1,26), muß wohl jeder sehen, welch tiefe Beziehung zwischen der einen und der anderen menschlichen Erfahrung besteht. Man versteht also, warum das Zweite Vatikanische Konzil die „wirksamen Antriebe und Hilfen“ hervorgehoben hat, die das Mysterium des christlichen Glaubens dem Menschen bietet, die Aufgabe des Aufbaus einer menschlicheren Welt mit größerer Hingabe, also seiner „vollen Berufung“ entsprechend, zu erfüllen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 57). Und weiter: Die Kultur ist von sich aus Kommunikation: nicht nur und nicht so sehr Kommunikation des Menschen mit seiner Umwelt, die zu beherrschen er berufen ist (vgl. Gen 2,19-29; 1,28), als vielmehr des 1245 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen mit den anderen Menschen. Denn die Kultur ist eine Bezie-hungs- und Gesellschaftsdimension des menschlichen Daseins; wenn sie vom Glauben erleuchtet ist, bringt sie auch die volle Kommunikation des Menschen mit Gott in Christus zum Ausdruck und findet im Kontakt mit den von Gott geoffenbarten Wahrheiten leichter das Fundament der menschlichen Wahrheiten, die das Gemeinwohl fördern. 3. Glaube und Kultur sind darum berufen, gerade auf dem Gebiet der Kommunikation einander zu begegnen und miteinander tätig zu werden: Die wirksame Realisierung der Begegnung und des gemeinsamen Einsatzes wie ihre Intensität und Wirksamkeit hängen in hohem Maße von der Eignung der Mittel ab, mit deren Hilfe die Kommunikation vonstatten geht. Presse, Kino, Theater, Rundfunk und Fernsehen haben sich bei der Entwicklung, die diese Mittel im Laufe der Geschichte erfahren haben, nicht immer als für die Begegnung zwischen Glaube und Kultur geeignet erwiesen. Besonders die Kultur unserer Zeit scheint so sehr von den modernsten und mächtigsten Kommunikationsmitteln - vom Radio und vor allem vom Fernsehen - beherrscht und geformt zu werden, daß diese, auch wegen der organisatorischen und strukturellen Merkmale, die sie erfordern, mitunter als Ziele und nicht als einfache Mittel erscheinen. Dieser Aspekt der modernen Massenmedien darf uns jedoch nicht vergessen lassen, daß es sich noch immer um Mittel der Kommunikation handelt und daß diese ihrer Natur nach immer Mitteilung von etwas ist: Der Inhalt der Kommunikation ist daher immer ausschlaggebend, ja bestimmend für die Qualifikation der Kommunikation selbst. Das Verantwortungsbewußtsein der Medienschaffenden wie auch das kritische Bewußtsein der Leser, Hörer und Zuschauer wird also immer auf die Inhalte der Kommunikation gerichtet sein müssen. 4. Gewisse enttäuschende Aspekte der Verwendung moderner Massenmedien dürfen uns nicht vergessen lassen, daß diese Medien mit ihren Inhalten zu wunderbaren und zeitgemäßen Werkzeugen für die Verbreitung des Evangeliums werden können, die auch die entlegensten Winkel der Erde erreichen können. Von besonderer Hilfe können sie bei der Katechese sein, wie ich in dem Apostolischen Schreiben Catechesi traden-dae erwähnt habe (Nr. 46). Alle jene, die zum Zweck der Evangelisierung von den sozialen Kommunikationsmitteln Gebrauch machen und auf diese Weise auch zum Aufbau eines kulturellen Netzes beitragen, in dem der Mensch im Bewußtsein seiner Beziehung zu Gott immer mehr Mensch an sich wird, mögen sich 1246 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN daher ihres hohen Sendungsauftrages bewußt sein; sie sollen über die notwendigen beruflichen Fachkenntnisse verfügen und die Verantwortung empfinden, die evangelische Botschaft rein und unverkürzt weiterzugeben, ohne die göttliche Lehre mit den Meinungen der Menschen zu vermischen. Hier setzt mein Appell ein, der aus besorgtem Herzen kommt und sich an alle Medienschaffenden aller Länder und aller Religionen wendet: - Medienschaffende, gebt keine verstümmelte, verzerrte, den echten menschlichen Werten gegenüber verschlossene Darstellung vom Menschen! - Gebt dem Transzendenten Raum, das den Menschen mehr zum Menschen macht! Verhöhnt die religiösen Werte nicht, mißachtet sie nicht, interpretiert sie nicht nach ideologischen Schablonen! - Eure Information inspiriere sich stets an Kriterien der Wahrheit und der Gerechtigkeit, wobei ihr es als eure Pflicht betrachten müßt, richtigzustellen und wiedergutzumachen, wenn euch ein Irrtum unterlaufen ist! - Verderbt nicht die Gesellschaft und besonders die Jugend durch die wohlgefällige und aufdringliche Darstellung des Bösen, der Gewalt, der sittlichen Verderbtheit, indem ihr so ideologische Manipulation vollbringt und Zwietracht sät! - Medienschaffende, ihr sollt auch wissen, daß eure Mitteilungen eine zahlenmäßige Masse erreichen, deren einzelnes Glied jedoch Mensch ist, konkrete und unwiederholbare menschliche Person, die als solche anerkannt und respektiert werden muß. Wehe dem, der besonders die Kleinsten zum Bösen verführt hat (vgl. Mt 18,6)! - Mit einem Wort: Bemüht euch um die Förderung einer Kultur, die wahrhaftig dem Menschen entspricht in dem Bewußtsein, daß ihr dadurch die Begegnung mit dem Glauben, den niemand zu fürchten hat, erleichtert. <58> <58> Eine realistische Prüfung zeigt uns leider, daß in unserer Zeit die enorme Macht der Massenmedien sehr häufig gegen den Menschen eingesetzt wird und daß die herrschende Kultur der Begegnung mit dem Glauben keine Beachtung schenkt, und das sowohl in Ländern, wo der freie Austausch der Gedanken gestattet ist, als auch überall dort, wo die Freiheit der Meinungsäußerung mit der Erlaubnis zur Verantwortungslosigkeit verwechselt wird. Es ist die Aufgabe aller, die soziale Kommunikation zu heben und wieder auf ihre edlen Ziele auszurichten: Die Medienschaffenden sollen sich an 1247 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Regeln einer konkreten Berufsethik halten; die Kritiker sollen ihre nützliche Tätigkeit der Klärung durch Förderung der Ausbildung eines kritischen Bewußtseins bei Lesern, Hörern und Zuschauern entfalten; diese letzteren müssen ihrerseits imstande sein, mit kluger Umsicht Bücher, Zeitungen, Kino- und Theateraufführungen, Rundfunk- und Fernsehprogramme auszuwählen, um aus dem Gebotenen Gewinn und nicht Verderben zu schöpfen; außerdem sollen sie auch durch geeignetes gemeinsames Vorgehen ihre Stimme bei den Medienschaffenden geltend machen, damit die Kommunikation immer die Würde des Menschen und seiner unveräußerlichen Rechte achtet. Und mit den Worten des Zweiten Vatikanischen Konzils erinnere ich daran, daß „die gleiche öffentliche Gewalt, die kraft ihres Amtes für das Wohl der Bürger Sorge trägt, durch Erlaß und sorgfältige Durchführung von Gesetzen schwere Schäden für die öffentliche Sitte und den Fortschritt der Gesellschaft verhindern muß, die durch Mißbrauch der sozialen Kommunikationsmittel entstehen könnten“ (Inter mirifica, Nr. 12). 6. Da am Anfang der Kommunikation ein Mensch als Medienschaffender und am Ende ein Mensch als Empfänger (Leser, Hörer oder Zuschauer) steht, werden die sozialen Kommunikationsmittel tatsächlich die Begegnung zwischen Glaube und Kultur erleichtern, je stärker sie die Begegnung der Menschen untereinander fördern, so daß sich nicht eine Masse isolierter Individuen bildet, von denen jeder sozusagen seinen Dialog mit der Buch- oder Zeitungsseite, mit der Bühne oder mit dem kleinen oder großen Bildschirm hält, sondern eine Gemeinschaft von Menschen, die um die Bedeutung der Begegnung mit dem Glauben und mit der Kultur weiß und entschlossen ist, die Begegnung durch den persönlichen Kontakt, in der Familie, am Arbeitsplatz, in den sozialen Beziehungen zu verwirklichen. Kultur und Glaube, die in den Massenmedien nützliche und manchmal unerläßliche direkte oder indirekte Hilfe finden, durchpulsen den Dialog zwischen Eltern und Kindern, werden durch die Arbeit von Lehrern und Erziehern bereichert und entfalten sich durch die unmittelbare Seelsorge bis hin zur persönlichen Begegnung mit Christus, der in der Kirche und ihren Sakramenten gegenwärtig ist. Durch die Fürsprache der seligsten Jungfrau Maria rufe ich auf die Medienschaffenden und die unermeßliche Gemeinschaft der Leser, Hörer und Zuschauer die himmlischen Gnaden herab, die mein Apostolischer Segen vermitteln soll, auf daß ein jeder sich in seiner Rolle bemühe, dafür 1248 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu sorgen, daß die sozialen Kommunikationsmittel immer wirksamere Mittel für die Begegnung zwischen Glaube und Kultur darstellen. Aus dem Vatikan, am 24. Mai 1984, im 6. Jahr meines Pontifikates. PAPST JOHANNES PAUL II. Kirche tritt für das Leben ein Ansprache an den Generalsekretär der Weltkonferenz für Bevölkerungsfragen am 7. Juni 1. Gern heiße ich Sie heute hier willkommen, um Ihnen einige Gedanken zur kommenden Weltkonferenz 1984 für Bevölkerungsfragen vorzutragen, zu deren Generalsekretär Sie bestimmt worden sind. Die Konferenz wird im August dieses Jahres in Mexico City stattfinden und bietet Gelegenheit zu neuer Überprüfung zahlreicher wichtiger Fragen, die mit dem Anwachsen oder Abnehmen der Bevölkerung etwa 10 Jahre nach der Weltbevölkerungskonferenz von 1974 verbunden sind. Der Hl. Stuhl hat im Laufe dieser Jahre die Diskussion der Bevölkerungsfragen verfolgt und die Auswirkungen der demographischen Faktoren auf die gesamte Menschheitsfamilie studiert. Offensichtlich ist die weltweite Bevölkerungssituation sehr vielschichtig und auch von Gebiet zu Gebiet verschieden. Hinter den demographischen Daten stehen zahlreiche miteinander verknüpfte Fragen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse, die dahin zielen, daß die Menschen in Würde, Gerechtigkeit und Frieden leben und dann ihr gottgegebenes Recht, Familien zu gründen und Kinder zu gebären und aufzuziehen, wahrnehmen können, um damit ihrer ewigen Bestimmung, der Vereinigung mit dem liebenden Gott, der sie geschaffen hat, zu entsprechen. Die katholische Kirche wertet es also positiv, wenn die Verbesserung von Erziehungssystemen und der Gesundheitsfürsorge angestrebt wird. Sie erkennt die Aufgaben der beteiligten Personen an, die den Menschen größere Chancen zur aktiven Beteiligung am Entwicklungsprozeß und beim Aufbau eines neuen weltweiten Wirtschaftssystems auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Gleichheit bieten möchten. <59> <59> Die Kirche erkennt ferner die Aufgabe der Regierenden sowie der internationalen Gemeinschaft an, das Bevölkerungsproblem: im Kontext 1249 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und im Hinblick auf das Gemeinwohl der einzelnen Nationen und der gesamten Menschheitsfamilie verantwortungsvoll zu studieren und in Angriff zu nehmen (Populorum progressio, Nr. 37). Doch darf Bevölkerungspolitik Menschen nicht einfach als Nummern oder lediglich unter wirtschaftlichen Aspekten oder mit sonst einem Vorurteil betrachten. Sie muß vielmehr Würde und Grundrechte der menschlichen Person und der Familie anerkennen und fördern. Die Würde der menschlichen Person - jeder einzelnen Person - ihre Einmaligkeit und Fähigkeit, einen Beitrag zum Wohl der Gesellschaft zu leisten, sind für die Kirche von erstrangiger Bedeutung, wenn sie sich an Gesprächen über Bevölkerungsfragen beteiligt. Die Kirche glaubt nämlich, daß die Würde des Menschen in der Tatsache der Erschaffung jeder Person durch Gott gründet, darin, daß wir durch Christus erlöst sind und daß wir nach dem Plan Gottes uns ewig mit Gott freuen sollen. Die Kirche muß daher stets Zeichen und Hüterin des transzendenten Charakters der menschlichen Person sein (vgl. Gaudium et spes, Nr. 76) und denen Hoffnung geben, die sonst daran verzweifeln könnten, daß es etwas Besseres gibt als ihr gegenwärtiges Los. Diese Überzeugung der Kirche wird von anderen geteilt und stimmt mit den innersten Wünschen des menschlichen Herzens überein. Sie antwortet zugleich auf die tiefsten Sehnsüchte der menschlichen Person. Die Würde der Person ist ferner ein Wert von globaler Wichtigkeit, den Menschen verschiedener religiöser, kultureller und nationaler Herkunft teilen. Diese Betonung des Wertes der Person verlangt Achtung vor dem menschlichen Leben, das immer ein herrliches Geschenk der Güte Gottes ist. Gegen Pessimismus und Selbstsucht, die einen Schatten auf die Welt werfen, tritt die Kirche für das Leben ein und ruft zu immer stärkerem Bemühen um die Änderung von Situationen auf, die den Wert und die entsprechende Freude am menschlichen Leben gefährden oder vermindern. Ich nehme daher die Worte meines Apostolischen Schreibens Familiaris consortio wieder auf, die das gemeinsame Denken der Bischofssynode 1980 über die Familie in der Welt von heute widerspiegeln: „Die Kirche ist berufen, aufs neue und mit klarerer und festerer Überzeugung allen ihre Entschlossenheit zu zeigen, das menschliche Leben, ganz gleich in welcher Lage und in welchem Stadium der Entwicklung es sich befindet, mit allen Mitteln zu fördern und gegen alle Angriffe zu verteidigen. Deshalb verurteilt die Kirche als schwere Beleidigung der menschlichen 1250 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde und der Gerechtigkeit alle Aktivitäten von Regierungen oder anderen öffentlichen Autoritäten, die in irgendeiner Weise die Freiheit der Ehegatten über Nachkommenschaft zu entscheiden, zu beschränken versuchen. Dementsprechend ist jede gewaltsame Maßnahme dieser Autoritäten zugunsten der Empfängnisverhütung oder gar der Sterilisation und der Abtreibung völlig zu verurteilen und mit aller Kraft zurückzuweisen. Auf die gleiche Weise ist die Tatsache als schweres Unrecht zu bezeichnen, daß in den internationalen Beziehungen die Wirtschaftshilfe zur Förderung der unterentwickelten Völker von Programmen zur Emp-, fängnisverhütung, Sterilisation und Abtreibung abhängig gemacht wird“ (Nr. 30). Die Erfahrungen und Tendenzen der letzten Jahre zeigen klar die weithin negativen Auswirkungen der Programme zur Empfängnisverhütung. Diese Programme haben die sexuelle Freizügigkeit gesteigert und unverantwortliches Verhalten gefördert mit schweren Folgen vor allem für die Erziehung der Jugend und die Würde der Frau. Selbst der Begriff „verantwortliche Elternschaft“ und Familienplanung wurde mißachtet durch die Verteilung von empfängnisverhütenden Mitteln an Heranwachsende. Außerdem ist man von den Programmen zur Empfängnisverhütung oftmals zur Praxis der Sterilisierung und Abtreibung übergegangen, die von Regierungen und internationalen Organisationen finanziert werden. 3. Die Kirche unterstreicht die Bedeutung der Familie, denn diese ist „die natürliche und grundlegende Gruppeneinheit der Gesellschaft und hat ein Recht auf Schutz durch Gesellschaft und Staat“ (vgl, Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, 16,3). Auf Bitten der internationalen Bischofssynode hat der Hl. Stuhl selbst eine Charta der Familienrechte aufgestellt, in der er „alle Staaten und internationalen Organisationen, alle interessierten Institutionen und Personen dringend bittet, die Achtung vor diesen Rechten zu fördern und ihre tatsächliche Beachtung und Einhaltung zu gewährleisten“ (Präambel). In diesem Dokument wird die Familie anerkannt als „eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität . . ., die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft“ (Präambel, E). Die Familie ist in Wahrheit eine Gemeinschaft von in Liebe miteinander verbundenen Personen, die sich umeinander sorgen und in Vergangenheit und Zukunft füreinander einstehen. Während die nächsten Mitglieder der Familie die Eheleute und ihre Kinder sind, bleibt die Erhaltung des 1251 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bewußtseins wichtig, das die Familie als Gemeinschaft sieht, in der die verschiedenen Generationen Zusammentreffen, und deren Kraft darin liegt, einen Ort der Identität und Sicherheit für Verwandte und jene zu bieten, die ihr angegliedert sind. Die Familie spielt eine einzigartige und unersetzliche Rolle bei der Weitergabe des Geschenks des Lebens und im Bereitstellen der besten Umgebung für die Erziehung der Kinder und ihre Einführung in die Gesellschaft. Die Familie ist der Ort, wo das Kind vom Augenblick der Empfängnis an und während seines ganzen Wachstums- und Entwicklungsprozesses geliebt und angenommen wird. Unsicherheit über die Zukunft darf unsere Hoffnung und Freude an Kindern nicht vermindern. Heute mehr als je zuvor müssen wir unseren Glauben an den Wert des Kindes bekräftigen und daran, daß die Kinder von heute ihren Beitrag für die ganze Menschheitsfamilie leisten können. Vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen habe ich gesagt: „. . . Ich möchte vor den versammelten Vertretern so vieler Nationen der Welt der Freude Ausdruck geben, die für jeden von uns die Kinder bedeuten, der Frühling des Lebens, der Anfang der zukünftigen Geschichte eines jeden hier vertretenen Vaterlandes. Kein Land der Welt, kein politisches System kann anders an seine eigene Zukunft denken als nur mit dem Blick auf diese neuen Generationen, die von ihren Eltern das vielfältige Erbe an Werten, Verpflichtungen und Hoffnungen der Nation, zu der sie gehören, zusammen mit dem Erbe der gesamten Menschheitsfamilie übernehmen. Die Sorge für das Kind noch vor seiner Geburt, vom ersten Augenblick seiner Empfängnis an, und dann in den Jahren der Kindheit und Jugendzeit ist die erste und grundlegende Probe für das Verhältnis des Menschen zum Menschen“ (Ansprache vom 2. Oktober 1979, Nr. 21). 4. Und doch wissen wir alle, daß die Entscheidung der Eheleute zur Elternschaft nicht immer leicht ist und oft Opfer erfordert. Die Kirche ist sich dessen realistisch bewußt, und ihre Lehre über verantwortliche Elternschaft richtet sich an die Eheleute - denn sie allein haben das Recht auf Weitergabe des Lebens — und will ihnen helfen bei ihrer Entscheidung, die frei, überlegt und beiderseitig sein muß in bezug auf den zu planenden Zeitpunkt und die Anzahl der Geburten. Diese Entscheidung sollte - verbunden mit Gebet - in der hochherzigen Wertschätzung ihrer Mitwirkung mit Gott beim Schöpfungswerk gründen sowie in ihrer Verantwortung sich selbst, ihren Kindern, der Familie und der Gesellschaft gegenüber. Diese Entscheidung muß sich auf sittlich 1252 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vertretbare Methoden der Zeitwahl oder Geburtenbeschränkung stützen, worüber die Kirche zu sprechen berechtigt und verpflichtet ist. Anderseits bleibt es Aufgabe der Regierungen und internationalen Organisationen, den Eheleuten durch den Aufbau einer sozialwirtschaftlichen Ordnung zu helfen, die das Familienleben begünstigt, ferner durch das Angebot zuverlässiger Informationen über die demographische Lage, so daß Ehepaare ihre Pflichten und Möglichkeiten richtig orientieren können. 5. Besondere Aufmerksamkeit muß der Rolle der Frau in der Gesellschaft von heute.gelten. Die Verbesserung des Status der Frau ist wichtig. Wir dürfen hier nicht den Beitrag übersehen, den Frauen im Haushalt und in ihrer einzigartigen Fähigkeit, den Säugling zu nähren und das Kind in der frühesten Phase der Erziehung zu leiten, leisten. Dieser besondere Beitrag der Frauen wird oft mißachtet oder verringert zugunsten wirtschaftlicher Überlegungen oder Arbeitsmöglichkeiten, manchmal sogar, um die Zahl der Kinder zu vermindern. Ständiges Bemühen muß hier sicherstellen, daß die Frau voll in die Gesellschaft integriert ist, indem man ihre wichtige soziale Aufgabe als Mutter gebührend anerkennt. Dazu sollte auch die Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind gehören, echte Müttererholung und Zuschüsse zum Familieneinkommen. Die Kirche denkt ferner an die von UNFPA geförderte Initiativen zugunsten des alten Menschen. In den meisten Ländern nimmt die Zahl der alten Menschen zu. Ihre Bedürfnisse werden aber oft übersehen, dazu der Beitrag, den sie für die Gesellschaft leisten. Sie bringen Erfahrung, Weisheit und besondere Geduld für die Lösung menschlicher Probleme ein und können und sollen daher aktive Mitglieder der heutigen Gesellschaft sein. 6. Viel Aufmerksamkeit findet das Verhältnis von Bevölkerung und Entwicklung. Dabei wird weithin anerkannt, daß Bevölkerungspolitik nur ein Teil der umfassenden Entwicklungsstrategie ist. Wieder betont die Kirche, daß bei dieser Entwicklungsstrategie die Bedürfnisse der Familie erstrangige Aufmerksamkeit finden sollen, daß die Familien ermutigt werden müssen, ihre Verantwortung für die Umwandlung der Gesellschaft zu übernehmen und aktive Teilnehmer am Entwicklungsprozeß zu werden. Dabei sollte freilich Entwicklung mehr einschließen als das Streben nach materiellen Gütern. Sie sollte breiter angelegt sein und die geistigen wie die materiellen Bedürfnisse der Einzelperson und der ganzen Gesellschaft umfassen. Mit einem Wort: Entwicklungsstrategie muß sich gründen auf 1253 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einer gerechten weltweiten sozialwirtschaftlichen Ordnung, die eine ausgewogene Verteilung der geschaffenen Güter anstrebt, verantwortungsbewußte Haushaltung gegenüber der Umwelt und den Bodenschätzen, dazu Sinn für moralische Verantwortung und Zusammenarbeit der Nationen, damit Frieden, Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität für alle erreichbar werden. Vor allem darf Entwicklung nicht nur als Bevölkerungskontrolle verstanden werden, und Regierungen oder internationale Organisationen dürfen Entwicklungshilfe nicht von der Erreichung der Ziele der Familienplanung abhängig machen. Hier möchte ich mich nun an Sie, Herr Generalsekretär, wenden, und durch Sie an alle Teilnehmer der internationalen Konferenz 1984 für Bevölkerungsfragen, daß Sie die Bevölkerungsfragen mit neuem Vertrauen in die menschliche Person und in die Kraft moralischer und geistiger Werte aufgreifen, Werte, die zur echten Lösung der menschlichen Probleme unserer Tage beitragen können. Möge Gott Ihnen bei der Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe beistehen. „ Verkündet Gottes große Werke!“ Predigt beim feierlichen Pfingstgottesdienst in St. Peter am 10. Juni 1. Nun also „ist der Pfingsttag gekommen“ (vgl. Apg 2,11). In Gedanken und mit dem Herzen sind wir im Abendmahlssaal von Jerusalem; denn dort befanden sich an diesem Tag die Apostel und Jünger Christi und verharrten im Gebet zusammen mit Maria, seiner Mutter. In der Lesung aus dem Johannesevangelium führt uns die Kirche in denselben Abendmahlssaal, und zwar am Abend des Tages der Auferstehung. Auch damals waren die Jünger versammelt und hatten die Türen verschlossen „aus Furcht vor den Juden“ (Joh 20,19). Die Ereignisse vom Karfreitag waren noch frisch. Doch bereits am Morgen war die Nachricht vom leeren Grab eingetroffen, und es war das unbegreifliche Wort gesprochen worden: „Er ist auferstanden“ {Mt 28,6). Die Liturgie des Pfingstfestes führt uns in den Abendmahlssaal am Tag der Auferstehung, weil an diesem Tag - bereits an diesem Tag! - den 1254 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aposteln der Heilige Geist geschenkt wurde. Schon an diesem Tag hat Pfingsten begonnen. Christus trat durch die verschlossenen Türen ein, grüßte die Apostel mit den Worten: „Friede sei mit euch!“ {Joh 20,19) und zeigte ihnen seine Wundmale an den Händen, den Füßen und an der Seite und sagte schließlich: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert“ (Joh 20,22-23). Die Apostel haben den Heiligen Geist empfangen, um mit seiner Kraft den Erlösungs- und Heilsauftrag Christi zu übernehmen: „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch“ {Joh 20,21). 2. Wenn wir dieses Geschenkes am Tag und Abend der Auferstehung Christi gedenken, können wir nicht umhin, einen besonderen Dank zum Himmel emporzusenden. Mit dem Fest der Auferstehung des Herrn am 22. April wurde das außerordentliche Jubiläumsjahr der Erlösung abgeschlossen. Heute, an Pfingsten, müssen wir ganz besonders für dieses Jahr, für diese ganze heilige Zeit tiefer Versöhnung mit Gott danken. Für alles, woran die Kirche im Rom und auch auf der ganzen Erde Anteil hatte. Wir danken dafür, daß während des Jubiläumsjahres der Erlösung aufs neue die Worte gehört wurden: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben...“ Dafür, daß diese Worte von so vielen Bischöfen und Priestern der Kirche gehört worden sind. Dafür, daß sie von weiten Teilen des Gottesvolkes in der ganzen Welt gehört worden sind. Dafür, daß das Verlangen nach der sakramentalen Versöhnung mit Gott eine Neubelebung erfahren hat. Wir danken dir, Geist der Wahrheit! Wir danken dir, Tröster, daß du uns das Geheimnis der durchbohrten Hände, Füße und Seite Christi nahegebracht hast. Daß du uns aufs neue die Tiefe und Kraft des Erlösungsgeheimnisses nahegebracht hast. 3. Heute, wo der Pfingsttag gekommen ist, befinden wir uns im Geiste rund um den Abendmahlssaal, der sich plötzlich allen Menschen öffnete, die damals zum Fest nach Jerusalem gekommen waren. Wir sind dort so, wie sich an jenem Tag „Parther, Meder und Elamiter, Bewohner von Mesopotamien, Judäa und Kappadozien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrygien und Pamphylien, von Ägypten und dem Gebiet Libyens nach Zyrene hin, auch die Römer, die sich hier aufhielten, Juden und Proselyten, Kreter und Araber...“ dort befanden (Apg 2,9-11). 1255 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Alle fragten sich voll Erstaunen und Verwunderung: „Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören?“ (Apg 2,7-8). Jene Apostel waren Galiläer, die plötzlich, am Pfingsttag, „alle mit dem Heiligen Geist erfüllt wurden und in fremden Sprachen zu reden begannen, wie es der Geist ihnen eingab“ (Apg 2,4). Ja, es waren Galiläer. Bei Tagesanbruch hatten sie sich im Abendmahlssaal eingeschlossen, als „plötzlich vom Himmel her ein Brausen kam... und das ganze Haus, in dem sie waren, erfüllte“ (Apg 2,2) und über dem Haupt eines jeden von ihnen Feuerzungen erschienen. Es trat das ein, was der auferstandene Herr ihnen angekündigt hatte, als er zum Vater ging. Die Kirche nahm am Kreuz aus seiner geöffneten Seite ihren Anfang. Am Auferstehungstag wurde die Kirche den Aposteln zusammen mit der Macht des Heiligen Geistes, den sie empfangen hatten, offenbar gemacht. Am Pfingsttag hat sich die Kirche der Welt offenbart und ihr Dasein als die universale Gemeinschaft des Volkes Gottes begonnen. Heute bestätigen die Sprachen, die noch viel zahlreicher sind als damals, auf dem ganzen Erdkreis die Macht des Tröstergeistes bei der Geburt der Kirche, die am Tag von Pfingsten in Jerusalem erfolgte. Die Nachfolger der Apostel und alle, die sich zum auferstandenen Christus bekennen, verkünden in allen Sprachen der Menschen „Gottes große Werke“. 4. „... Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr!, wenn er nicht aus dem Heiligen Geist redet“ (1 Kor 12,3). Das konnten nicht einmal sie sagen, die Ersten, die Apostel, die am Tag der Auferstehung im Abendmahlssaal versammelt waren. Erst nachdem sie sozusagen aus den Händen des Auferstandenen selbst den Heiligen Geist empfangen hatten, wurde ihnen mit dieser Gabe die volle Erleuchtung des Glaubens und seine ganze Kraft zuteil. Ja: „Jesus ist der Herr.“ So geschah es an Pfingsten. Vor den Bewohnern von Jerusalem und den Pilgern aus verschiedenen Ländern, die sich eingefunden hatten, begannen sie, erfüllt von diesem Licht und dieser Kraft, öffentlich zu verkünden: „Jesus ist der Herr.“ Und der erste, der das verkündete, war Petrus. Und aus dieser göttlichen Quelle entsprang aufgrund des Wortes der apostolischen Verkündigung die Taufe, die diejenigen empfingen, die das Wort hörten. Alle „durch den einen Geist in der Taufe in einen einzigen Leib aufge- 1256 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nommen... Alle wurden mit dem einen Geist getränkt“ (vgl. 1 Kor 12,13). Sie bilden auch die erste Generation der Christen, die erste Generation derer, die durch die Macht des Heiligen Geistes geglaubt und bekannt haben: „Jesus ist der Herr.“ 5. Wieviele Generationen sind seit jenem ersten Tag, seit dem Pfingsttag in Jerusalem über diese Erde gegangen? In der Ostemacht sind in dieser Basilika Sankt Peter zu ihnen die Neugetauften aus verschiedenen Ländern und Kontinenten hinzugekommen. Und gleichzeitig andere an so vielen Orten des Erdballs. Und heute empfangt am gleichen Ort ihr, junge, getaufte Christen aus Rom und verschiedenen Teilen Italiens, das Sakrament der Firmung. Es hat diesen Namen, weil es durch das Wirken des Heiligen Geistes in jedem von euch das bestätigt und festigt, was die Taufe eingeleitet hat. Durch das Sakrament der Firmung möchte jeder von euch mit um so größerer Überzeugungskraft bekennen: „Jesus ist der Herr.“ Und es nicht nur mit dem Denken und mit dem Herzen bekennen, sondern es auch den anderen vermitteln und vor der Welt in Wort und Tat verkünden: „Jesus ist der Herr.“ Dieses Sakrament prägt der Seele des Christen ein besonderes Zeichen ein. Es ist auch Grundlage und Quelle jedes Apostolats. Es macht jeden von uns denen ähnlich, die am Pfingsttag aus dem Abendmahlssaal von Jerusalem herausgetreten sind, also den Aposteln. „Die christliche Berufung ist ihrer Natur nach auch Berufung zum Apostolat“, wie das Zweite Vatikanische Konzil lehrt (Apostolicam actuositatem, Nr. 2). 6. Was heißt: „Jesus ist der Herr?“ Hören wir, was Petrus zu diesem Thema am Pfingsttag sagt: Jesus Christus: Er, der „hingegeben... durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht wurde... Gott aber hat ihn von den Wehen des Todes befreit und auferweckt; denn es war unmöglich, daß er vom Tod festgehalten wurde...“ (Apg 2,23-24); es war unmöglich. Er ist der Herr über seinen eigenen Tod. Er hat ihn freiwillig auf sich genommen, um sein Leben hinzugeben für die Rettung der Welt. Indem er das Leben hingab durch den Tod, hat er das Leben erneuert. Er hat es neu begonnen in der Geschichte des Menschen. Er tat dies, damit die Menschenseelen wieder am Baum des Lebens teilhaben können. Sein Kreuz ist zu diesem Baum geworden. Und es birgt in sich das Geheimnis des ewigen Lebens in Gott. 1257 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daher also: In seiner Auferstehung ist Jesus, der Herr des Todes, zum Herrn des Lebens geworden. Als Herr des Lebens trat er unter die Apostel und schenkte ihnen den Heiligen Geist. Er sagte: „Empfangt!“ Ihr, die ihr heute durch das apostolische Erbe der Kirche im Sakrament der Firmung den Heiligen Geist empfangt, geht in die Welt, gestärkt durch diese Gewißheit, daß „Jesus der Herr ist“. Diese Gewißheit verwandelt den Menschen und hilft ihm, sich allen Erfahrungen und Belastungen des Erdendaseins auszusetzen. Geht also wie viele andere vor euch und verkündet in der Sprache unserer Zeit vor den Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts „Gottes große Werke“. Die Fülle dieser Werke ist Jesus Christus. Er ist der Herr! Das Leiden ist kostbares Werkzeug der Evangelisierung Botschaft zum Weltmissionssonntag im Oktober, veröffentlicht am 10. Juni Liebe Brüder und Schwestern! „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Christenheit“ (Tertullian, Apologeticus, 50: PL 1,534). Während meiner jüngsten apostolischen Reise in den Fernen Osten konnte ich zu meiner Freude 103 Bekenner des katholischen Glaubens heiligsprechen, die durch die Verkündigung der Botschaft Christi Korea evangelisierten und dabei das Privileg hatten, mit dem äußersten Opfer ihres irdischen Lebens die Gewißheit des ewigen Lebens im auferstandenen Herrn zu bezeugen. Dieser Umstand hat mich zu einigen Gedanken angeregt, die ich zum kommenden Weltmissionstag der Aufmerksamkeit aller Gläubigen unterbreiten möchte. Der erlösende Wert des Kreuzes Tatsächlich bestätigen die Briefe der Apostel und die Apostelgeschichte, daß es eine besondere Gnade ist, „für den Namen Jesu“ leiden zu können. 1258 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wir lesen z. B., daß die Apostel „weggingen vom Hohen Rat und sich freuten, daß sie gewürdigt worden waren, für seinen Namen Schmach zu erleiden“ (Apg 5,41) in vollkommener Übereinstimmung mit dem, was der Erlöser in der Bergpredigt verkündet hatte: „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt und auf alle mögliche Weise verleumdet werdet. Freut euch und jubelt...“ (Mt 5,11-12). Christus selbst hat sein Erlösungswerk an der Menschheit vor allem durch das schmerzliche Leiden und das schrecklichste Martyrium vollbracht, womit er zugleich denen, die ihm folgen, den Weg wies: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach“ (Mt 16,24). Die Liebe geht also unvermeidlich über das Kreuz, in ihm wird sie zur schöpferischen und unerschöpflichen Quelle erlösender Kraft. „Ihr wißt - schreibt der hl. Petrus -, daß ihr aus eurer sinnlosen, von den Vätern ererbten Lebensweise nicht um einen vergänglichen Preis losgekauft wurdet, nicht um Silber oder Gold, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, des Lammes ohne Fehl und Makel“ (1 Petr 1,18-19; vgl. 1 Kor 6,20). Dieses außergewöhnliche Geheimnis der göttlichen Liebe haben wir im kürzlich zu Ende gegangenen Heiligen Jahr der Erlösung eingehend betrachtet. Über dieses Geheimnis nachgedacht, und es im Innersten ihres Herzens gelebt haben es Millionen von Gläubigen, von denen viele nach Rom geströmt sind, um an den Gräbern der Apostel, die als erste das Martyrium des Meisters geteilt haben, das Bekenntnis ihres Glaubens zu erneuern: eines Glaubens, der seine erste Bezeugung zu Füßen des Kreuzes in den Worten des Hauptmanns und der Männer findet, die Jesus bewachten: „Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!“ (Mt 27,54). Seit jenem entscheidenden Ereignis für die Menschengeschichte haben die Apostel und ihre Nachfolger im Laufe der Jahrhunderte den Tod und die Auferstehung Christi, unseres einzigen Retters, weiterverkündet: „In keinem anderen ist das Heil zu finden. Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ (Apg 4,12). Aber es war in besonderer Weise das Zeugnis eines Leidens bis zur äußersten Grenze, wie es von Christus und von seinen Jüngern dargebracht wurde, das Geist und Herz der Menschen der Umkehr zum Evangelium geöffnet hat: ein Zeugnis größter Liebe; denn „es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Und dieses Zeugnis ist es, das Scharen von Märtyrern und Bekennern im Laufe der Zeit erlitten haben, indem sie mit ihrem Opfer und der Hingabe ihres Lebens das Entstehen und Aufblühen der verschiedenen Kirchen - 1259 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wie jener in Korea, auf die ich eingangs hingewiesen habe - ermöglichten und mit ihrem Blut neues Land urbar gemacht haben, um es in ertragreiche Felder des Evangeliums zu verwandeln; denn „wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht“ (Joh 12,24). Diese Glaubenshelden haben den Grundgedanken wohl verstanden und angewandt, den ich in dem Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens zum Ausdruck gebracht habe, nämlich: wenn Christus die Erlösung der Menschheit durch das Kreuz vollbracht und an Stelle des Menschen und für den Menschen gelitten hat, ist jeder Mensch „zur Teilhabe an jenem Leiden aufgerufen, durch das zugleich jedes menschliche Leiden erlöst worden ist. Indem er die Erlösung durch das Leiden bewirkte, hat Christus gleichzeitig das menschliche Leiden auf die Ebene der Erlösung gehoben. Darum kann auch jeder Mensch durch sein Leiden am erlösenden Leiden Christi teilhaben“ (Salvifici doloris, Nr. 19). Das Leiden, kostbares Werkzeug der Evangelisierung Die missionarischen Konsequenzen des eben Dargelegten sind, wie mir scheint, augenfällig. In dieser Botschaft zum Weltmissionssonntag 1984 möchte ich daher alle Gläubigen herzlich auffordem, den Schmerz in seinen vielfältigen Formen dadurch zu nutzen, daß sie ihn für die Evangelisierung, d. h. für die Erlösung aller, die Christus noch nicht kennen, mit dem Kreuzesopfer verbinden. Es gibt noch Millionen von Brüdern, die nichts vom Evangelium wissen und sich der unermeßlichen Schätze des Erlöserherzens nicht erfreuen. Für sie hat der Schmerz keine ausreichende Erklärung: Er ist erdrückendste und unerklärlichste Sinnlosigkeit, die in tragischem Gegensatz zur Sehnsucht des Menschen nach vollkommenem Glück steht. Allein das Kreuz Christi wirft Licht auf dieses Geheimnis; allein im Kreuz kann der Mensch eine gültige Antwort auf die quälende Frage finden, die die Erfahrung des Schmerzes aufwirft. Die Heiligen haben das zutiefst verstanden und haben es angenommen und manchmal auch brennend gewünscht, Teilhaber am Leiden des Herrn zu sein; sie haben sich die Worte des Apostels zu eigen gemacht: „Für den Leib Christi, die Kirche, ergänze ich in meinen irdischen Leiden das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ (Kol 1,24). Alle Gläubigen, die leiden - und keiner ist ohne Schmerz - lade ich daher ein, ihren Leiden diese apostolische und missionarische Bedeutung zu geben. 1260 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der hl. Franz Xaver, Patron der Missionen, hat in seinem Eifer der Glaubensverkündigung, mit dem Ziel, den Namen Jesu bis an die Grenzen der Erde zu tragen, ohne Zaudern Mühsal jeder Art auf sich genommen: Hunger, Kälte, Schiffbruch, Verfolgung, Krankheit; erst der Tod hat seinen Weg unterbrochen. Die hl. Theresia vom Kinde Jesu, Patronin der Missionen, Gefangene aus Liebe im Karmel von Lisieux, hätte die ganze Welt durchziehen wollen, um an jedem Ort das Kreuz Christi aufzurichten. „Ich möchte - schreibt sie - nicht nur für einige Jahre Missionarin sein, sondern ich wäre es gern seit der Erschaffung der Welt gewesen und möchte es bis zum Jüngsten Tag bleiben“ (Geschichte einer Seele, Handschrift B, f. 3 r). Und sie hat die Universalität und die Apostolizität ihrer Wünsche in dem von Gott erbetenen Leiden und der kostbaren Hingabe ihrer Selbst an die erbarmende Liebe als freiwilliges Opfer konkretisiert. Ein Leiden, das seinen Höhepunkt und zugleich den höchsten Grad apostolischer Fruchtbarkeit im Martyrium des Geistes, in der Beklemmung der Verdunkelung des Glaubens erreicht, im Leiden, das sie heroisch aufopferte, um für alle Brüder, die noch in Dunkelheit getaucht sind, das Licht des Glaubens zu erlangen. Die Kirche, die auf diese beiden leuchtenden Vorbilder hinweist, lädt uns nicht nur zum Nachdenken, sondern auch zur Nachahmung ein. Wir können also in dreifacher Richtung aktiv an der Ausbreitung des Reiches Christi und dem Aufbau seines mystischen Leibes mitwirken: - indem wir lernen, unserem eigenen Leiden seine authentische Bestimmung zu geben, die in der dynamischen Teilhabe der Kirche am Erlösungswerk Christi wurzelt; - indem wir unsere geistig und physisch leidenden Brüder einladen, diese apostolische Dimension des Schmerzes zu begreifen und infolgedessen ihren Prüfungen, ihren Qualen missionarischen Wert zu geben; - indem wir uns in unerschöpflicher Liebe den Schmerz zu eigen machen, der Tag für Tag einen großen Teil der Menschheit trifft, die von Krankheiten, Hunger, Verfolgungen heimgesucht, der unveräußerlichen Grundrechte, wie der Freiheit, beraubt werden; eine leidende Menschheit, in der man das Antlitz des „Schmerzensmannes“ Christus erkennen soll und deren Schmerz wir so gut wie möglich zu lindern versuchen müssen. 1261 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Wertschätzung des Leidens: ein Programm für die Päpstlichen Missionswerke Dieses weitreichende und umfassende Programm verlangt von allen Gläubigen eine hochherzige Bereitschaft. Ich möchte es allen Christen Vorschlägen, und erneut daran erinnern, daß jeder Getaufte - wenn auch in verschiedenem Maße und auf verschiedene Weise - Missionar ist und sein muß (vgl. Ad gentes, Nr. 36; Codex des kanonischen Rechts, can. 781). Ich vertraue es in besonderer Weise den Päpstlichen Missionswerken an, die das bevorzugte Instrument der missionarischen Dynamik der .Kirche sind und die nicht nur am Weltmissionstag, sondern das ganze Jahr hindurch den Missionsgeist fördern müssen, der nicht etwa ein nebensächliches, sondern ein wesentliches Element der Natur des mystischen Leibes ist. Das Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung, das Apostel-Petrus-Werk für die Seminare und die Priester- und Ordensberufe in den Missionsgebieten, das Päpstliche Missionswerk der Kinder, der Missionsbund der Priester, Ordensleute und Säkularinstitute sind seit Jahren erprobte Werkzeuge für die Förderung der Mission auf den verschiedenen Gebieten. Ich weiß wohl, daß diese wohlverdienten Werke außer der Sammlung der finanziellen Mittel, die Gläubige in ihrer Hochherzigkeit spenden - Mittel, die für die Realisierung von Kirchen, Seminaren, Schulen, Heimen und Krankenhäusern unentbehrlich sind -, intensiv den missionarischen Geist fördern. Auch die fruchtbare Nutzung des Leidens für die Mission, die ich dem ganzen Volk Gottes für den Weltmissionstag 1984 zur besonderen Betrachtung unterbreiten wollte, gehört zu den vornehmsten Aufgaben ihres Apostolats und hat bereitwillige Zustimmung unter Kranken, Alten, Verlassenen, Randgruppen und auch Häftlingen gefunden. Aber es gilt, noch mehr zu tun. Es gibt in der Tat viel menschliches Leiden, das noch nicht seinen tiefen Sinn und seine apostolische Wirksamkeit gefunden hat, durch die unendlich viel Gutes für den Fortschritt der Evangelisierung, für die Ausbreitung des mystischen Leibes Christi entstehen kann. Das ist vielleicht die höchste Form missionarischer Mitarbeit, denn sie erreicht ihre höchste Wirksamkeit gerade in der Vereinigung der Leiden der Menschen mit dem Opfer Christi auf Golgota, das ohne Unterlaß auf den Altären erneuert wird. Liebe Brüder und Schwestern, die ihr an Seele und Leib leidet, wißt, daß die Kirche sich auf euch verläßt, daß der Papst auf euch zählt, daß der 1262 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Name Jesu bis an die Grenzen der Erde verkündet werde. Noch einmal möchte ich in Erinnerung bringen, was ich in dem Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens gesagt habe: „Das Evangelium vom Leiden wird ununterbrochen geschrieben und spricht ständig mit den Worten dieses seltsamen Paradoxes: Die Quellen göttlicher Macht entspringen gerade inmitten menschlicher Schwachheit. Wer an den Leiden Christi teilhat, bewahrt in seinen Leiden einen ganz besonderen Teil des unendlichen Schatzes der Erlösung der Welt und kann ihn mit den anderen teilen. Je mehr der Mensch von der Sünde bedroht ist, je drückender die Strukturen der Sünde sind, welche die heutige Welt in sich trägt, um so größer ist die Ausdruckskraft, die das menschliche Leiden besitzt, und um so dringender fühlt die Kirche die Notwendigkeit, sich um des Heiles der Welt willen an die menschlichen Leiden zu wenden“ (Salvifici doloris, Nr. 27). Maria, die Königin der Märtyrer und Königin der Apostel, wecke in allen den Wunsch, teilzuhaben am Leiden Christi, des Erlösers der Welt. Ich freue mich, an diesem Pfingstsonntag, der von der gesamten Kirche in missionarischem Geist gelebt werden soll, allen meinen besonderen Apostolischen Segen zu erteilen, die direkt oder indirekt ihre Energien und ihre Schmerzen opfern, um der Menschheit das Licht des Evangeliums mitzuteilen. Aus dem Vatikan, am Pfingstfest, dem 10. Juni 1984, im sechsten Jahr meines Pontifikats. Im Alltag die Treue zu Christus bewahren Ansprache an Jubilarpriester aus der Diözese Regensburg am 11. Juni Liebe Brüder im Priesteramt! In der Freude des Pfingstfestes begrüße ich euch sehr herzlich zu dieser kurzen Begegnung im Vatikan. Ist es doch der göttliche Geist, der uns in der gemeinsamen Gnade des Priestertums in besonderer Weise untereinander verbindet. Ich beglückwünsche euch und danke mit euch zusammen 1263 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Ewigen Hohenpriester, daß er euch vor 25 Jahren zu seinem priester-lichen Dienst im Volke Gottes geweiht hat. Es ist eine große Gnade und zugleich eine große Aufgabe, von Christus berufen zu sein, seine Heilssendung unter den Menschen fortzusetzen, ihnen seine Frohe Botschaft zu verkünden und die Gnade der Erlösung zu vermitteln. Wie ihr aus eurer eigenen priesterlichen Erfahrung wißt, bedeutet das gleichzeitig, in einer besonderen Weise Jesu Los und Lebensschicksal zu teilen. Er hat uns selber gesagt: „Ein Jünger steht nicht über seinem Meister. . . Der Jünger muß sich damit begnügen, wenn es ihm geht wie seinem Meister“ {Mt 10,24-25; vgl. Joh 15,20). Und wenn die Welt den Herrn nicht geliebt, sondern ihn zurückgewiesen und verstoßen hat, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn uns mitunter ähnliches widerfährt. Die Schwierigkeiten, denen wir als Priester in unserem Zeugnis für Christus auch heute begegnen, dürfen uns nicht verwirren, sondern sollen uns vielmehr noch enger an unseren Herrn und Meister binden. Sucht verstärkt den vertrauten Umgang mit ihm im Gebet! Auf keinen Fall dürfen wir - vielleicht sogar unter dem Vorwand, dadurch die Menschen leichter für Christus zu gewinnen - ihm in seinem Anspruch und seiner Lehre, wie er sie uns in der Kirche übermittelt hat, durch Abstriche untreu werden. Von einem Jünger verlangt man vor allem, daß er treu befunden wird. Der Erfolg unserer Arbeit hängt nicht so sehr von uns, sondern von seiner Gegenwart in unserem priesterlichen Handeln ab. Benutzt deshalb, hebe Brüder, die Gelegenheit eures Weihejubiläums und dieser Rompilgerfahrt dazu, das von euch am Weihealtar Christus gegebene Jawort noch überzeugter und entschlossener zu wiederholen und ihm zu erneuern. Wer Christus im schweren Arbeitsalltag die Treue hält, der wird zugleich auch seiner trostvollen Nähe und inneren Vertrautheit mit ihm in zunehmendem Maße innewerden. Es ist in der Tat eine große Aufgabe, aber auch ein großes beglückendes Geschenk, Priester Jesu Christi sein zu dürfen. Der Herr sei auch künftig immer mit euch und mit eurem priesterlichen Wirken. Das erbitte ich euch von Herzen mit meinem besonderen Apostolischen Segen. 1264 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sakrament des ewigen Lebens Predigt beim Fronleichnamsgottesdienst vor der Basilika St. Johannes im Lateran am 21. Juni 1. „Heilige Kirche, preise deinen Herrn!“ (vgl. Ps 147,12). 1 Diese Aufforderung in der heutigen Liturgie ist wie ein fernes Echo der Einladung, die der Psalmist an Jerusalem gerichtet hat. „Jerusalem, preise den Herrn, lobsinge, Zion, deinem Gott! Denn er hat die Riegel deiner Tore festgemacht, die Kinder in deiner Mitte gesegnet“ (Ps 147,12-13). Die Kirche ist in Jerusalem geboren, und im Innersten ihres Herzens trägt sie diese Aufforderung, den lebendigen Gott zu preisen. Am heutigen Tag möchte sie dieser Einladung in besonderer Weise entsprechen. Dieser Tag - der Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag - ist das Fronleichnamsfest: das Fest des heiligen Leibes und Blutes Christi. 2. Die Kirche ist aus dem Jerusalem des Alten Bundes hervorgegangen als durch die Eucharistie in Einheit gegliederter Leib. „Ein Brot ist es. Darum sind wir viele ein Leib; denn wir alle haben teil an dem einen Brot“ (i Kor 10,17). „Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10,16). „Ist der Kelch des Segens, über den wir den Segen sprechen, nicht Teilhabe am Blut Christ?“ (1 Kor 10,16). Dieses Brot und diesen Kelch, durch die wir am Leib und Blut Jesu Christi teilhaben, wollen wir heute in besonderer Weise ehren, in einem öffentlichen, feierüchen Akt anbeten. Alles, was wir tun: Dieses heilige Opfer, das wir jetzt feiern, und die eucharistische Prozession, die sich danach durch einige Straßen Roms (vom Lateran nach Santa Maria Maggiore auf dem Esquilin) bewegen wird; das alles hat nur den einen Zweck: dieses Brot und diesen Kelch zu preisen, durch die die Kirche am Leib und am Blut Jesu Christi teilhat. „Jerusalem, lobsinge deinem Gott!“ 3. Jesus Christus sagt: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir, und ich bleibe in ihm. Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich ißt, durch mich leben“ (Joh 6,56-57). 1265 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das ist das Leben der Kirche. Es entfaltet sich in der eucharistischen Verborgenheit. Das zeigt das Licht an, das Tag und Nacht vor dem Tabernakel brennt. Dieses Leben entfaltet sich auch in der Verborgenheit der menschlichen Seelen, im innersten Tabernakel des Menschen. Die Kirche feiert unaufhörlich die Eucharistie, wobei sie dieses Geheimnis, das Christus auf seinen Leib und sein Blut gegründet hat, mit der größten Verehrung umgibt; dieses Geheimnis, welches das innerste Leben der menschlichen Seelen ist. Sie tut das mit der ganzen heiligen Ehrfurcht, die dieses Sakrament verdient. Doch gibt es einen Tag, an dem die Kirche zur ganzen Welt von diesem ihrem großen Geheimnis sprechen will, es in den Straßen und auf den Plätzen verkündigen, mit lauter Stimme ihren Gott preisen und loben will. Diesen wunderbaren Gott, der Leib und Blut geworden ist: Speise und Trank der menschlichen Seelen. „... Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Es ist also notwendig, daß die Welt das weiß. Es ist notwendig, daß die Welt an diesem Festtag die eucharistische Botschaft empfängt: die Botschaft vom Leib und Blut Christi. 4. Wir wollen darum dieses „Brot, durch das wir - viele - einen einzigen Leib bilden“, mit einem feierlichen Zug umgeben. Wir wollen gehen und verkünden, singen und bekennen: Das ist der vom Vater gesandte Christus - die Eucharistie. Das ist der Christus, der durch den Vater lebt. Das sind wir, in Christus: wir, die wir seinen Leib essen und sein Blut trinken, wir, die durch ihn leben: durch Christus in der Eucharistie. Durch Christus, den ewigen Sohn Gottes. „Wer sein Fleisch ißt und sein Blut trinkt, hat das ewige Leben... Er: Christus wird ihn am Jüngsten Tag auferwecken“ (vgl. Joh 6,54). Dieser Welt, die vergeht, dieser Stadt, die gleichfalls vergeht, auch wenn sie „Ewige Stadt“ genannt wird, wollen wir das ewige Leben verkündigen, das durch Christus in Gott ist: das ewige Leben, dessen Anfang und evangelisches Zeichen die Auferstehung Christi ist; das ewige Leben, das wir als Eucharistie empfangen: das Sakrament des ewigen Lebens. Jerusalem! Heilige Kirche! Lobsinge deinem Gott! Amen. Hier sind heute unter uns Seine Heiligkeit Ignatius Zakka I. Iwas, Patriarch der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien, und Seine 1266 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seligkeit der Katholikos von Indien, Basilios Paulus II. Ihr Besuch bei der Kirche von Rom wird zur Vertiefung und Stärkung der bereits bestehenden Bande der Gemeinschaft beitragen und uns auf dem Weg zur vollständigen Einheit voranschreiten lassen. In inständigem gemeinsamen Gebet bitten wir den Herrn, es möge bald der Tag heraufziehen, an dem wir seine Eucharistie gemeinsam feiern können. „Kraft der brüderlichen Liebe“ Ansprache an den syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Mar Ignatius Zakka I. Iwas, am 21. Juni Eure Heiligkeit! Die Liebe Gottes, die „ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist“ (Röm 5,5), ermöglicht es, uns bei Ihrem Besuch der Kirche von Rom als Brüder zu begegnen, und schenkt mir die große Freude, Sie zu empfangen. In dieser Liebe des Herrn heiße ich Sie aus ganzem Herzen willkommen. Als Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil sind Sie mit meinem Vorgänger Johannes XXIII. zusammengetroffen. Sie begleiteten Mar Ignatius Jacoub III., als er nach Rom kam, um Paul VI. zu besuchen, und ich vergesse auch nicht unsere eigene erste Begegnung. Aber Ihr jetziger Aufenthalt hier hat eine neue, besondere Bedeutung. Zunächst heiße ich in Ihrer Person das Oberhaupt der sehr alten Syrischen Kirche willkommen, die ihre Wurzeln in der apostolischen Gemeinde von Antiochien hat. Da nach dem Vorbild des Guten Hirten der Bischof eng mit seiner Herde verbunden ist, grüße ich, wenn ich Sie begrüße, alle Ihre Gläubigen. Ihnen, Seiner Heiligkeit dem Katholikos, den ehrwürdigen Vertretern Ihrer Kirche, die Sie begleiten, Ihrem Klerus und Ihrem ganzen Volk entbiete ich einen herzlichen und brüderlichen Gruß, voll Achtung für Ihre Kirche, deren Geschichte, obwohl von Leid geprägt, so ruhmvoll ist wegen ihrer ehrwürdigen Tradition in Theologie, Liturgie, Spiritualität und Disziplin und wegen des mutigen Zeugnisses, das sie in unseren Tagen für das Kreuz und die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus ablegt. Da ist noch ein anderer Grund, der unsere Freude vermehrt und diesem 1267 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Augenblick besondere Bedeutung verleiht. Ihr Besuch gehört in die von Ihrem verehrten Vorgänger, Patriarch Mar Jacoub III., begonnene Reihe, deren Ziel es war, die Verbindung zwischen unseren Kirchen, die bis zur Trennung und zum gegenseitigen Nichtkennen gerissen war, wieder anzuknüpfen. Ich treffe nun in Rom mit Ihnen als Patriarchen der syrischorthodoxen Kirche zusammen. Sie wollen beitragen zur schnelleren Herstellung der vollen Gemeinschaft zwischen uns. Sie wissen, wie sehr sich dieser Wunsch mit meinem eigenen trifft und mit der feierlichen Verpflichtung, die die katholische Kirche auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil übernahm, nämlich sich voll und aktiv an der ökumenischen Bewegung zu beteiligen. Um diesem Wunsch, den uns der Heilige Geist eingegeben hat, praktischen Ausdruck zu verleihen, können wir bei dieser Gelegenheit eine gemeinsame Erklärung über unseren gemeinsamen Glauben an Christus, den Sohn Gottes, abgeben, der durch den Heiligen Geist Mensch geworden ist, indem er das leibliche Leben von der Jungfrau Maria nahm. Auf diese Weise markieren wir einen tatsächlichen Fortschritt auf dem Weg zur Einheit und hoffen, daß Jesus Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, den wir als unseren gemeinsamen Herrn bekannt haben, uns die Gnade zuteil werden läßt, die Divergenzen zu überwinden, die noch bestehen und die die volle kirchenrechtliche und eucharistische Gemeinschaft zwischen uns verhindern. Wir preisen Gott für das, was wir bereits an Brüderlichkeit wiedergewonnen haben, und für die gemeinsam erzielten Fortschritte. Da unser Herr Jesus Christus für die Einheit der Seinen betete, „damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21), und sich selbst hingab, auf daß alle Menschen miteinander und mit dem Vater versöhnt werden, müssen wir stets seine gefügigen Werkzeuge sein für die Wiederherstellung der sichtbaren Einheit zwischen den Christen und den Frieden unter den Völkern. „Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit ist Sache der ganzen Kirche, sowohl der Gläubigen wie auch der Hirten, und geht einen jeden an, je nach seiner Fähigkeit, sowohl in seinem täglichen christlichen Leben wie auch bei theologischen und historischen Untersuchungen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 5). Die Gläubigen unserer Kirchen sollten sich noch öfter treffen, sich gegenseitig besser kennenlernen und miteinander besser Zeugnis ablegen vom Evangelium Christi. Die vollen Möglichkeiten des gemeinsamen Zeugnisses in Gebet, Solidarität, gegenseitiger Hilfe und im Dienst an den Notleidenden sind noch nicht hinreichend ausgeschöpft. Hier kann der Klerus unserer Kirchen einen entscheidenden Einfluß 1268 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN haben. An zahlreichen Orten gibt es bereits eine pastorale Zusammenarbeit als Antwort auf die Bedürfnisse der Gläubigen. Dies sollte überall mit Mut, Vertrauen und Achtung weiterentwickelt werden. Was die theologischen und historischen Forschungen betrifft, so haben diese bereits bemerkenswerte Ergebnisse erbracht, insbesondere im Rahmen der von der Stiftung „Pro Oriente“ veranstalteten Tagungen und Begegnungen zwischen Vertretern der katholischen Kirche und der altorientalischen Kirchen. Wir sollen sie so fortsetzen, daß sie einen gesunden Fortschritt zur Ehre Gottes bezeichnen. Wenn ich so von der dringenden Notwendigkeit spreche, miteinander unsere gemeinsame Berufung zur Einheit zu bekräftigen, dann nicht deshalb, weil unsere Kirchen nur mit ihren eigenen Problemen beschäftigt wären. Christus ist das Licht der Völker, und wir müssen diesem Licht beweisen, daß Christen immer bestrebt sind, seinen Willen zu tun. Die Welt braucht die Botschaft des Friedens und die Wirklichkeit des Heils, das uns von Christus gebracht wurde. Manche Gläubige unserer Kirchen leben in Ländern, die von Krieg und Gewalt verwüstet werden. Sie sind berufen, unter schwierigsten Umständen die Seligpreisungen des Evangeliums zu leben und Urheber der Versöhnung zu sein. Meine Gedanken und meine Gebete gehen in diesem Augenblick zu ihnen. Möge Gott die Regierungen der streitenden Nationen bewegen, damit der Haß gebannt und beständige Eintracht zwischen den Völkern hergestellt werde. Trotz der Kraft der brüderlichen Liebe, die uns verbindet, fühlen wir uns oft schwach und hilflos vor so viel Not und Leid; doch wir verlieren nicht den Mut. Wir richten unseren Blick auf den „Urheber und Vollender unseres Glaubens“, und wir wissen, daß uns eine große Wolke von Zeugen umgibt (vgl. Hebr 12,1-2), die unsere Väter im Glauben sind, die Heiligen und Märtyrer, die für uns Fürbitte leisten. Sie haben für den Glauben, für die Einheit der Kirche und die Liebe unter den Christen gebetet und gekämpft. Nun da sie in Christus leben, helfen sie uns und ziehen uns nach sich. Eure Heiligkeit, ich danke Ihnen ganz aufrichtig für Ihren Besuch. Ich weiß, daß Ihr Aufenthalt in dieser Stadt auch eine Wallfahrt zu der Stätte des Martyriums der Heüigen Apostel Petrus und Paulus ist, deren Andenken der Kirche von Antiochien so teuer ist wie der Kirche von Rom. Auf ihre Fürsprache segne Gott uns, unseren Klerus und alle Gläubigen unserer Kirchen. 1269 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Eine der schlimmsten Geißeln“ Ansprache an die Teilnehmer der internationalen Tagung über den Alkoholismus am 22. Juni Liebe Freunde! 1. Ich freue mich sehr, Sie heute vormittag am Ende Ihrer internationalen Tagung über die wissenschaftlichen, sozialen und moralischen Aspekte des Alkoholismus empfangen zu können. Das tiefe Interesse und die Sachkenntnis, die Sie in die Diskussion über den Alkoholismus einbrin-gen, machen Ihnen persönlich Ehre und wecken in all jenen Hoffnung, die die Entwicklung auf diesem Gebiet verfolgen. Immer weitere Verbreitung findet die Überzeugung, daß der Alkoholismus eine der schlimmsten Geißeln der modernen Gesellschaft darstellt. An sich ist dieses Verständnis äußerst heilsam, es bedarf aber dringend größerer Zusammenarbeit, um mit dem Problem fertigzuwerden. Fachliche Kompetenz in Medizin, Psychologie, Soziologie und Religion sind erforderlich, um denjenigen, die unter diesem Unglück leiden, wirksame Hilfe zu leisten. Es ist daher klar, daß es für die Behandlung wie für die Vorbeugung wesentlich auf die Zusammenarbeit von seiten verschiedener Fachleute ankommt. <60> <60> Ob wir das Problem des Alkoholismus unter dem Gesichtspunkt seiner gesamten Ursachen prüfen oder des physischen Zustandes, den der Alkoholismus hervorruft, oder der moralischen Verantwortung, die ihm vorausgeht oder ihn begleitet, oder seiner Auswirkungen auf die Familien der Betroffenen - unter jedem dieser Gesichtspunkte erkennen wir, daß das Problem zutiefst die menschliche Person berührt. Das Leben der einzelnen, der Familien, der Gemeinschaften und der Gesellschaft als ganzer ist betroffen, und es zieht unsägliches Leid nach sich. Körperlicher Verfall, der manchmal sogar zum Tod führen kann, seelische Verwirrung und geistige Probleme sind konkrete Folgen des Alkoholismus. Manche Aspekte dieser Erscheinungen sind auch dem Drogenmißbrauch gemeinsam, der verheerende Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Auf beide Bereiche lassen sich tatsächlich die Worte Pauls VI. anwenden: „Auf dem Spiel steht die Frage der menschlichen Würde. Es handelt sich um ein Problem vielfältiger menschlicher Dimensionen, in denen der Mensch als Person zutiefst betroffen ist: im Gebrauch des Verstandes und Willens, in der Erfüllung seiner wahren Rolle als menschliches Wesen und 1270 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schließlich in der Erreichung seiner hohen geistlichen Bestimmung“ (Ansprache an das Komitee für Drogenmißbrauch und -kontrolle des Kongresses der Vereinigten Staaten, 20. November 1976). 3. Aus diesem Grund biete ich Ihnen heute das ganze Ausmaß meiner Ermutigung an, wenn Sie diesem Problem gegenüberstehen. Ihre Beiträge stellen einen großartigen Dienst an der Menschheit dar. Das ist der Fall wegen der fachlichen Kompetenz jedes einzelnen von Ihnen, die, wenn sie Zusammenkommen, Ihren in Not befindlichen Nächsten, Männern und Frauen, zu wirksamer Hilfe gereichen können. Ihre gemeinsamen Bemühungen sind aber auch in der Lage, eine Kettenreaktion in der ganzen Welt auszulösen: eine tiefergehende Empfänglichkeit für das Problem und eine größere menschliche Solidarität angesichts der Anonymität und Gleichgültigkeit der Gesellschaft, die dann wieder zu Vereinsamung, Entmutigung und Glücklosigkeit beiträgt - alles fruchtbare Voraussetzungen für die Begünstigung des Alkoholmißbrauchs. Durch Ihre und die Initiativen anderer interessierter Personen werden viele Opfer des Alkoholismus neue Hoffnung erfahren, Ehen werden gerettet und Familien ausgesöhnt und wieder zusammengeführt. Vorbeugungsmaßnahmen durch die Erziehung und Rehabilitierung sind Ziele, die größten persönlichen Einsatz verdienen. 4. Wenn sie sich mit dem Übel des Alkoholismus konfrontiert sieht, erkennt eine breite Schicht der Gesellschaft mit Recht das Bedürfnis, sich in Form des Gebets an Gott um Hilfe zu wenden. Der Schöpfer der Menschheit ist in der Tat der vorsehende und persönliche Gott, der das Leben seiner Kinder leitet und ihnen zu Hilfe kommt. Zudem erkennt die katholische Kirche ihrerseits die erfahrene, in dieser menschlichen Situation benötigte göttliche Hilfe als die Gnade Jesu Christi, die heilbringende Macht seines Wortes und seiner Sakramente. Für alle Mitglieder der Menschheitsfamilie besteht, unabhängig davon, zu welcher Religion sie sich bekennen, die erhabene Herausforderung, der Menschheit dabei zu helfen, dem ernsten und weitverbreiteten Problem des Alkoholismus mit Mut, Zuversicht und Hoffnung zu begegnen. Gott segne Sie und Ihre Familien und unterstütze Sie bei Ihrer edlen Arbeit! 1271 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Leidenschaft für die Theologie“ Ansprache bei der Verleihung des internationalen Preises „Paul VI.“ an Prof. Hans Urs von Balthasar am 23. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich sehr, euch im Namen des Herrn empfangen und begrüßen zu können. „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, dem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ (2 Thess 1,2). Diese Worte des hl. Paulus wiederhole ich freudigen Herzens allen, die an dieser bedeutsamen Begegnung teilnehmen, die die religiöse Kultur durch die Verleihung eines Preises an den ehren will, der durch sein Werk einen bedeutenden und anerkannten Beitrag zu dieser Kultur geleistet hat. Wir treffen uns hier am Vorabend des Festes des hl. Johannes des Täufers im Gedenken an meinen unvergeßlichen Vorgänger Paul VI., den ich vom Beginn meines Dienstes als Hirt der Weltkirche an gern meinen „wahren Vater“ genannt habe (Redemptor hominis, Nr. 4), um öffentlich deutlich zu machen, wie sehr ich mich seinem Gedächtnis verbunden fühle. Unsere Gedanken gehen in diesem Moment zu ihm und den Jahren seines Pontifikates zurück mit unveränderten Gefühlen der Bewunderung und des Dankes für alles, was er als Steuermann des mystischen Schiffleins Petri getan hat. 2. Ein Wort des Dankes für die Initiative und meines aufrichtigen Beifalls muß ich an erster Stelle dem Institut „Paul VI.“ widmen, das die Diözese Brescia ins Leben gerufen hat, um mit dieser glücklichen Entscheidung den würdigsten ihrer Söhne in einzigartiger Weise zu ehren. Als ich am 26. September 1982 die Freude hatte, die Heimat von Giovanni Battista Montini besuchen zu können, sprach ich den Wunsch aus, das Institut möge immer „ein Werkzeug der Wahrheit und der Liebe zur Kirche“ sein. Ich möchte heute diesen Wunsch wiederholen und danke Bischof Bruno Foresti von Brescia für seine im Namen aller ausgesprochenen herzlichen Worte. Der Dienst an der geoffenbarten Wahrheit Der Entschluß, einen internationalen Preis „Paul VI.“ periodisch „einer Person oder einer Institution zu verleihen, deren Werk in bedeutsamer Weise zur Entwicklung der religiösen Forschung und Erkenntnis beigetra- 1272 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen hat“ (Stiftungsordnung, Artikel 1), fügt sich glücklich in andere von diesem Institut schon realisierte Initiativen ein. Er verbindet in eindrucksvoller und bleibender Form den Namen Pauls VI. mit einer der verpflichtendsten Aufgaben des Menschen - nämlich der religiösen Erkenntnis, die sein ganzes Leben hindurch im Mittelpunkt seiner Interessen und seiner Hirtensorge gestanden hat. Ich wünsche von Herzen, daß: auch dieser Preis immer ein Mittel im Dienst der Wahrheit und der Kirche bleiben möge. Prof. Hans Urs von Balthasar meinen herzüchen Glückwunsch! Die Wertschätzung, die ihm mit dieser Preisverleihung bewiesen wird, möge ihm Trost für die Mühe der Arbeit sein und ihm helfen, die Forschung, bei der er schon so bedeutsame Resultate erreicht hat, weiterzuführen. Die Leidenschaft für die Theologie, die seine Beschäftigung mit den Werken der Väter, der Theologen und der Mystiker bestimmt hat, erhält heute eine bedeutsame Anerkennung. Er hat seine umfassenden Kenntnisse in den Dienst eines „intellectus fidei“ gestellt, der in der Lage war, dem Menschen von heute den Glanz der Wahrheit zu zeigen, die von Jesus Christus verkündet wurde. Die heutige Feierstunde will ihm das zur Kenntnis bringen und ihm dafür danken. Ein weiteres Wort des Beifalls muß ich dem Institut aussprechen für die Entscheidung, den Preis zum ersten Mal im Umfeld der theologischen Wissenschaft zu verleihen. Wenn es eine Wissenschaft gibt, die „zur Entwicklung der religiösen Forschung und Erkenntnis“ beiträgt (Stiftungsordnung, ebd.), dann ist das von ihrem Wesen her die Theologie. Deshalb war diese Entscheidung glücklich, und sie verdient, von einigen Gedanken begleitet zu sein, die sich von der besonderen Gestalt des „Dienstes“ der Theologie bestimmen lassen. 3. Zunächst: Die Theologie ist Dienst an der Wahrheit. Sie hat teü an dem Ziel, an dem sich die ganze wissenschaftliche Forschung orientiert. Dieses Ziel ist die Erkenntnis der Wahrheit. Um dieses Ziel zu erreichen, muß der Theologe wie jeder andere Wissenschaftler die Wahrheit als das kostbarste Gut des Verstandes betrachten. Er muß sie in Geduld, Strenge und langer, selbstloser Hingabe suchen. Er muß ihr gegenüber ehrlich sein. Vor allem, er muß sie lieben. Wenn er sie liebt, sucht er sie mit Sehnsucht und findet sie mit Freude. Die „Freude an der Wahrheit“, von der der hl. Augustinus spricht und die Paul VI. viele Male als letztes Ziel unseres Denkens bezeichnet hat, ist für ihn der Lohn seiner Mühe. Die Wahrheit lieben heißt nicht, sich ihrer bedienen, sondern ihr dienen; 1273 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sie um ihrer selbst willen suchen, aber nicht zum eigenen Nutzen und weil sie paßt. Je mehr sich der Wissenschaftler und folglich der Theologe von solchen Grundsätzen leiten läßt, desto mehr ist er von der Überzeugung getragen, daß auch der kleinste Bruchteil der Wahrheit immer ein Reflex, besser gesagt, ein Teil der einzigen absoluten Wahrheit ist, die Gott ist. „Es gibt nämlich eine absolute Wahrheit“, schreibt der hl. Thomas in seinem Kommentar zum Johannesevangelium, „die ihrem Wesen nach Wahrheit ist, d. h. das Göttliche selbst, durch dessen Wahrheit alles Wahre wahr ist“ (Ev. Joh, I, I. 33). Die Liebe zur Wahrheit schließt zumindest die Liebe zu Gott ein, und die Liebe zu Gott gebiert immer die Liebe zur Wahrheit. 4. Die Theologie ist deshalb Dienst an der geoffenbarten Wahrheit. Das behindert und stört keineswegs die Wissenschaftlichkeit der Forschung; aber es orientiert sie in einzigartiger Weise und gibt ihr eine Bedeutung, die die anderen Wissenschaften nicht haben. Die vom Theologen studierte Wahrheit ist nicht die Frucht einer Eroberung, sondern das Geschenk, das Gott den Menschen in seinem unerforschlichen und wunderbaren Liebes-plan gemacht hat, als er sich den Menschen selbst offenbarte, hauptsächlich durch die heilige Menschheit Jesu Christi, der der Mittler und die Fülle der ganzen Offenbarung ist: „Wir verkündigen Weisheit unter den Vollkommenen, aber nicht Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt, die einst entmachtet werden. Vielmehr verkündigen wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes, die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung“ (1 Kor 2,6-7). Die Wahrheit, der die Theologie dient, ist also nicht einfach ein nach logischen Regeln konstruiertes Begriffssystem. Sie läßt sich auch nicht auf eine Reihe empirisch nachweisbarer Tatsachen reduzieren. An erster Stelle ist es Gott selbst, der sie in Jesus Christus durch den Heiligen Geist den Menschen bekanntmacht. Der Dienst, den die Theologie der Offenbarungswahrheit leisten muß, ist ihre ständige Forschung. Ihr Ziel ist, soweit als möglich, all ihre Aspekte, Harmonie, Einheit, Schönheit zu entdecken und zur Sprache zu bringen. Die Forschung endet nie, denn die Wahrheit Gottes ist unendlich, und der menschliche Verstand kann sich ihr nur in aufeinanderfolgenden Schritten nähern. Dieser Dienst wird hauptsächlich durch den Respekt, den Gehorsam und die Treue erfüllt, die der Theologe für die Offenbarungswahrheit hegen muß. Kein Ergebnis, aber auch keine Hypothese dürfen jemals den „Worten Gottes“ widersprechen, die der vorgetragen hat, den „Gott 1274 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gesandt hat“ (vgl. Joh 3,34; Dei verbum, Nr. 4). Kein Mittel, auf das der Theologe für die Forschung zurückgreift, und keine Revision der wissenschaftstheoretischen Struktur der Theologie sind annehmbar, wenn sie nicht voll die göttliche Wahrheit respektieren. Keine Interpretation darf jemals die Übernatürlichkeit und den transzendenten Ursprung der Offenbarungswahrheit vergessen. Der Dienst an der Offenbarungswahrheit verlangt aber immer einen starken Sinn für das Geheimnis, der die echte theologische Forschung begleitet. Er verhindert, daß die geoffenbarte Wahrheit auf rationalistische Begriffe reduziert oder zur Ideologie verfälscht wird. Im Gegenteil, er hält das Wissen um die unendliche Distanz zwischen Gott und uns lebendig und damit um die unendliche und erbarmungsvolle Nachsicht, die Gott mit uns hatte, als in der Fülle der Zeit (vgl. Gal 4,4) das Wort Fleisch wurde und unter uns gewohnt hat (vgl. Joh 1,14). Aus diesem Grund kann der Theologe nur über die Wundertaten Gottes staunen und sich von seinem eigenen Forschungseifer gedrängt fühlen, die Knie im Dialog des Gebetes zu beugen und sein Glaubensleben zu intensivieren. Wie Prof. Urs von Balthasar richtig geschrieben hat, erschließt sich „nur in der Offenheit der Kontemplation und des horchenden Gebetes, was Christus, unser Ursprung, besagt und will“ (Cordula oder der Ernstfall, S. 102). Hier wurzelt jene „Untrennbarkeit von Theologie und Spiritualität“, auf die er vorhin kurz hingewiesen hat. Mit dem lebendigen Glauben der Kirche verbunden 5. Die Theologie ist weiter ein Dienst an der Kirche. Als „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3,15) hütet die Kirche „das bei ihr hinterlegte Wort Gottes, aus dem die Grundsätze der religiösen und sittlichen Ordnung gewonnen werden“ (Gaudium etspes, Nr. 33). Unablässig vom Heiligen Geist zur Erkenntnis der ganzen Wahrheit geführt (vgl. Joh 16,13), wurde der Kirche von Christus das Amt übertragen, „Mutter und Lehrerin“ zu sein. Die Theologie steht im Dienst des Sendungsauftrages der Kirche. Sie kann also nicht als freie Ausübung irgendeines Berufs verstanden werden. Sie ist in Wirklichkeit eine qualifizierte Mitarbeit am prophetischen Amt, für das die Kirche nach dem Willen Christi verantwortlich ist. Der Theologenberuf ist eine Berufung der Kirche. Das verlangt von der Theologie eine dreifache fundamentale Aufmerksamkeit. Eine auf die Vergangenheit: d. h. die von ihrem Wesen bestimmte Beziehung zur Überlieferung oder das Verständnis der Offen- 1275 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN barungswahrheit, das unter Einwirkung des Heiligen Geistes in der Geschichte der „glaubenden und betenden“ Kirche gewachsen ist (Dei verbum, Nr. 8). Eine zweite auf die Gegenwart: d. h. die wesentliche Verbindung, die die Theologie mit dem lebendigen Glauben der Kirche von heute haben muß, um ihn zu stützen und ihm zu helfen, aber zunächst, um ihn zum Ausgangs- und Zielpunkt ständiger Begegnung zu machen. Eine dritte Aufmerksamkeit richtet sich auf den Menschen in seiner konkreten Erfahrung. Damit die geoffenbarte Wahrheit ihm in der Vollständigkeit ihrer umwerfenden Neuheit, aber auch in wirksamer Weise verkündet wird, muß die Theologie offen für einen konstruktiven, wenn auch kritischen Dialog mit der zeitgenössischen Kultur bleiben. 6. Schließlich: Die Theologie ist ein Dienst am Lehramt. In der Kirche ist das Amt, die Offenbarungswahrheit zu hüten, sie authentisch zu interpretieren, sie alle zu lehren, durch den Willen Christi dem römischen Papst und den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm und unter seiner Führung anvertraut. So hat das Zweite Vatikanische Konzil gelehrt und damit in wunderbarer Weise den lebendigen Kreislauf herausgestellt, der die Heilige Schrift, die Überlieferung und das Lehramt verbindet. Die Theologie leistet denen einen Dienst, die im Namen und in der Autorität Jesu Christi „authentische Lehrer“ und „Glaubensboten“ sind (Lumen gentium, Nr. 25). Wenn auch nicht in der gleichen Ordnung, ergänzen sich der Dienst des Lehramtes und der Dienst der Theologen, und das Lehramt braucht Theologen. Ein korrektes Verhältnis von Lehramt und Theologie ist ein entscheidender Faktor für das Leben der Kirche und für das Zeugnis, das alle, die an Christus glauben, in der Welt zu geben berufen sind. Denn dank einem solchen korrekten Verhältnis ist es möglich, Abirrungen und Unsicherheiten zu vermeiden, die das Gewissen der Gläubigen schwer verwirren, die in dem verunsichert werden, was ihnen am kostbarsten ist: die Wahrheit, für die man auch zu sterben bereit sein muß. Die Theologie hilft dem Lehramt, wenn sie ihm folgt, wenn sie es begleitet, aber auch wenn sie ihm in der Erforschung neuer Horizonte und neuer Wege vorauseilt. Und vor allem in diesem letzten Fall muß der Theologe, der sich neuen Fragen und nicht vorhergesehenen Gefahren stellt, bemüht sein, in seinem Herzen die kindliche Verehrung des Jüngers eng mit dem Wunsch nach immer besserer Erkenntnis und immer tieferem Eindringen in das Verständnis des von der lebendigen Überlieferung der Kirche vermittelten Offenbarungsgeheimnisses zu verbinden. 1276 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das wird möglich, wenn die Theologie ihren Dienst als einen großen Akt der Liebe zu Gott, zur Kirche, zu dem in der Kirche, der die Verpflichtung hat, Lehrer zu sein, und der Liebe zum Menschen versteht. Damit diese Liebe wachse, leistet auch der internationale Preis „Paul VI.“, der heute zum ersten Mal und an einen Theologen verhehen wird, einen bedeutsamen Beitrag. 7. Liebe Brüder und Schwestern, zum Schluß unserer Begegnung möchte ich, sozusagen um die geisthche Nähe meines unvergeßlichen Vorgängers, in dessen Namen der Preis verhehen wird, zu dokumentieren, ein Wort in Erinnerung rufen, das in den Werken des heute Geehrten steht. Als Paul VI. auf die Dringhchkeit einer wachsenden Treue zum Wort Gottes, das alle richtet, ohne von jemand gerichtet zu werden, für die Kirche der neuen Zeit hinwies, erinnerte er an die ernsten prophetischen Sätze von Urs von Balthasar: „Die Mängel der Christen, auch jener, die die Aufgabe haben zu predigen, werden nie ein Grund für die Kirche sein, den absoluten Charakter des Wortes abzuschwächen. Die Schneide des Schwertes wird nie stumpf werden. Die Kirche wird nie von der Heiligkeit, von Keuschheit, Armut und Gehorsam anders sprechen können als Christus“ (Apostolisches Schreiben Quinque iam anni, 1970). In dieser Gewißheit und in dieser Perspektive drücke ich allen Theologen, die in der Forschung am Dienst des Wortes Gottes engagiert sind, meine Ermutigung, meine Hochachtung, meine Hoffnung aus. Denn die mit Scharfsinn und methodischer Strenge durchgeführte theologische Forschung scheint heute mehr als je eine unschätzbare Hilfe zu sein, damit in der Kirche und in der heutigen Welt die Stimme des Evangeliums ganz und lebendig hörbar wird. Das wünsche ich von Herzen und spreche nochmals Prof. Urs von Balthasar meine Anerkennung und meine Glückwünsche aus, der sein ganzes Leben der theologischen Forschung als liebender Betrachtung Gottes und Dienst an der Kirche gewidmet hat. In diesem Sinn rufe ich auf euch alle den Segen des Herrn herab. 1277 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Auf dem Fundament Petri Ansprache im Geheimen Konsistorium am 25. Juni Ehrwürdige Brüder! Mit großer Freude sehe ich euch in dieser Aula versammelt und begrüße euch. Zugleich herzlichen Dank dafür, daß ihr euch eingefunden habt. Obwohl ihr euer eigenes, gewiß schweres Amt wahmehmen müßt, helft ihr dem Papst bei der Abwicklung der höchsten Geschäfte der Kirche mit Rat und Tat und der hohen Sachkenntnis, die ihr alle erreicht habt. Denn nichts ist so geringfügig in der Kirche, daß es nicht den einmütigen Rat mehrerer erfordern würde. Möge die Feier des Hochfestes vom Leib und Blut Christi, dem Sakrament der Einheit, und das bald zu feiernde Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, unserer Väter, die mit ihrem Blut die römische Kirche gegründet haben, die als ihr Erbe durch die Jahrhunderte hin dauern möge, eure Einmütigkeit und eure Zuversicht mehren. Ehrwürdige Brüder, das vom hl. Petrus gesteuerte Schiff der Kirche wird immer vom Wind geschüttelt, weil das Böse immer unter den Menschen Wurzeln schlägt; und immer sind darum Rat und Arbeit vonnöten. Und an eurem sorgsamen Eifer zweifle ich nicht, denn ihr seid meine „Brüder, Abgesandte der Gemeinden und ein Abglanz Christi“ (2 Kor 8,23). Heute sind nun drei Angelegenheiten von mir und euch zu behandeln. Zunächst der Verzicht des Camerlengo des Hl. Kardinalskollegiums. Zweitens die Besetzung von Bischofsstühlen. Drittens die Heiligsprechung des seligen Michael aus dem Orden der Christlichen Schulbrüder, der eine Leuchte und Zierde Ekuadors und seines Ordens war, über dessen Leben und Wirken kurz etwas gesagt werden soll. Ehe wir zu diesen Geschäften übergehen, ernenne ich, weil nach dem Tod des Kardinals Antonio Samore seligen Angedenkens das suburbikarische Bistum Sabina und Mandela derzeit verwaist ist, Seine Eminenz Kardinal Agnelo Rossi, Präsident der Güterverwaltung des Apostolischen Stuhls, zum suburbikarischen Bischof von Sabina und Mandela. Beten wird darum, daß Christus seiner Kirche, die er auf das Fundament Petri bauen wollte, beistehe; daß uns seine Mutter Maria, der leuchtende Himmelsstern und die Königin der Apostel, beistehe; daß der hl. Johannes der Täufer, der Vorläufer des Herrn, dessen Fest wir gestern gefeiert haben, beistehe; daß der selige Michael Fe.bres Cordero, der, von der Liebe zur christlichen Weisheit ergriffen, in ihr ein fast verborgenes Leben führte, uns beistehe. 1278 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum Schutz der Unterdrückten Ansprache an den Großmeister des Souveränen Malteserordens und die Mitglieder des Souveränen Rates bei der Audienz am 26. Juni Ehrwürdige Hoheit! Sehr geehrte Herren! 1. Ich freue mich, Sie alle als Mitglieder des Souveränen Rates des Souveränen Malteserordens bei dieser Begegnung so kurz nach dem Fest des hl. Johannes des Täufers herzlich willkommen zu heißen; und ich danke dem Großmeister sehr für die vornehmen Worte, die er auch im Namen aller zehntausend gegenwärtig in der Welt tätigen Ordensritter an mich gerichtet hat. Dem diesjährigen Besuch kommt eine besondere Bedeutung zu, weil er kurz nach dem Generalkapitel stattfindet, auf dem die neue Leitung gewählt wurde, die den Orden in den kommenden Jahren führen soll, und in dessen Verlauf über die Arbeiten zur Revision der Verfassung und Rechtsordnung des Ordens berichtet wurde, durch die eure Konstitutionen den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils und des neuen Codex des kanonischen Rechts angepaßt werden sollen. Ich hoffe, daß aus dieser Verpflichtung, die die Kirche allen Instituten des geweihten Lebens und den Gemeinschaften apostolischen Lebens auferlegt hat, neuer Elan und neue Kraft für euer vielhundertjähriges Wirken und eine evangelische Vertiefung des inneren Lebens erwachsen. <61> <61> Euer verdienstvoller Orden ist in einer Geschichtsperiode entstanden, deren gesellschaftliches und politisches Profil von einem Zeitalter des Schwertes und deren kirchliches Profil von einer außerordentlichen Fruchtbarkeit der Institutionen gekennzeichnet war. So gesehen, scheint uns jene ferne Zeit näher und euer Daseinsanspruch aktueller zu sein. Die ewige und ununterbrochene Lebenskraft der Kirche prägt in jedem Zeitalter ihre eigenen großen Heiligen- und Heldengestalten aus, sowie auch ihre eigenen Bewegungen für eine qualifizierte Antwort auf die stets dringenden und immer neuen Bedürfnisse des Menschen. Die einige und gleichbleibende Gnade des Geistes offenbart sich durch die Vielfalt der Charismen. Damals, z. Z. eures Ursprungs, vollzog sich die Erneuerung des Ordenslebens durch die Entstehung und Entwicklung großer beschaulicher Orden und zugleich durch jene eigentümliche Form religiöser Orden, die sich „Ritterorden“ nannten. 1279 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Orden entstand mit der klaren Absicht, sich in den Dienst und die Verteidigung des Glaubens zu stellen, und zugleich dem Schutz der Unterdrückten und der Hilfe für die Kranken und Armen. Der ursprüngliche Impuls für diese Zielsetzungen hat im Laufe der Zeit nicht abgenommen. Er wird von den Konzilsdokumenten und vom neuen Text des kanonischen Rechtes angespornt, die es nicht unterlassen, die Dringlichkeit der Erneuerung und Anpassung an die veränderten Zeitverhältnisse (vgl. Gaudium et spes, Nr. 7; Perfectae caritatis, Nr. 2) und zugleich die Notwendigkeit zu betonen, den Geist und die Zielsetzung der Ordensgründer zu interpretieren und zu beachten (vgl. Perfectae caritatis, Nr. 2). Das sind lichtvolle und lebensträchtige Anweisungen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Harmonie und die richtige Ausgewogenheit zwischen zwei Forderungen zu finden: zeitgemäß zu sein, ohne den Geist des Ursprungs zu verraten. So wie die Kirche als ganze, ist jede Institution in ihr dazu berufen, immer neu und immer sich selbst treu zu sein. Euer vom Wehen des Geistes beseeltes Suchen wird euch mit aller Klarheit die neuen Wege und Weisen eures Aggiornamento im Rahmen eures Gründungscharismas finden lassen, das zum Schatz der Kirche gehört. 3. Die Verpflichtung zur Verteidigung des Glaubens und der Armen erfüllt ihr durch die Entfaltung der karitativen Tätigkeiten, in denen ihr euch voll hochherziger Begeisterung und beseelt von einem eindeutig christlichen Geist aufopfert. Ihr seid als Krankenpflegeorden entstanden, und diese ursprüngliche Bezeichnung hat nichts von ihrer Aktualität eingebüßt. Euer Weg durch die Jahrhunderte beweist, daß es immer eine Wirklichkeit gegeben hat und auch heute gibt, deren Dringlichkeit und Notwendigkeit auch die heutigen Menschen spüren und der gegenüber ihre Bewunderung zu bekunden sie nicht versäumen. Jenes erste Krankenpflege- und Fürsorgezentrum hat sich von Jerusalem aus, wo es in unmittelbarer Nähe des Ortes des Grabes und der Auferstehung des Herrn entstanden ist, vervielfältigt und nach und nach über die fünf Kontinente mit christlichen Aktivitäten jeder Art verbreitet: Krankenhäuser im eigentlichen Sinn, Leprastationen, Ambulanzen, Ambulatorien, Blutbanken, medizinische Fachzentren, Fachschulen, Rettungsdienste, Kindergärten, Altenheime, Sammel- und Verteilungszentren von Medikamenten, Stipendien und Patronate. Die evangelische Nächstenliebe, die uns im leidenden und bedürftigen Bruder Christus sehen läßt, kennt keine Grenzen. Und sie hat euch dazu gedrängt, der Bevölkerung in der sogenannten Dritten Welt Hilfe zu 1280 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN . bringen, in Vietnam, in Ostasien, in Lateinamerika, in den Gebieten Afrikas, die unter der Dürre leiden, auch in weniger fernen Gegenden, die von Naturkatastrophen heimgesucht wurden, sowie im gequälten Libanon. Die vielfältigen Aktivitäten zugunsten des Kranken, Schwachen und Wehrlosen drängen dazu, im Rahmen der alten Formen der:Armut tätig zu werden und denjenigen Hilfe zu bringen, denen Nahrung, Kleidung, Wohnung, Arbeit und Heimat fehlt, oder aber im Bereich der neuen, von der modernen Konsumgesellschaft geschaffenen Formen der Armut. Ich freue mich über diese karitative Tätigkeit, die ein Glaubenszeugnis ist, weil sie im Namen der universalen Vaterschaft Gottes ausgeübt wird, und die Anwendung des Evangeliums ist, das will, daß alle Menschen Brüder sind; sie ist Aufbau des Reiches, Selbsthingabe aus Liebe zu dem, der sich für uns hingegeben hat. 4. Ich möchte euch auffordern, euch innerlich an Gott, an seinem dreifältigen Leben zu bereichern, entsprechend den verschiedenen Bildungen, die die drei Klassen des Ordens unterscheiden, um eure persönliche religiöse Formung durch sakramentales Leben, Gebet, Hören des Gotteswortes, Meditation, Verfügbarkeit gegenüber der Führung der Bischöfe, Einfachheit, Echtheit, durch Strenge, möchte ich sagen, in den inneren und äußeren gesellschaftlichen Beziehungen, durch Demut, die euch das Sein höher schätzen läßt als das Haben. Diesen Wunsch vertraue ich dem Schutz Unserer Lieben Frau von Phil-hermos, des hl. Johannes des Täufers, eures Gründers, der Heiligen und Seligen eures Ordens an. Schließlich möchte ich euch versichern, daß ihr in meinem Herzen einen Platz habt; in den kürzlich erfolgten Ernennungen des Kardinalspatrons und meines Repräsentanten beim Orden sowie des Prälaten: sollt ihr die Sorge des Apostolischen Stuhls erkennen, der euch über die diplomatische Verbindung, die er zu eurem Souveränen Orden unterhält, hinaus auf eurem Weg zur Vollkommenheit auch mit pastoraler Präsenz nahe sein will. Mit diesen Gefühlen erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen, in den ich alle Mitglieder des Ordens von Jerusalem mit einem besonderen Gedenken für die Ordenskapläne einschließe, i 1281 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Eine Schule christlicher Bildung Ansprache an die Kardinäle und Mitarbeiter der Römischen Kurie beim Wortgottesdienst in St. Peter am 28. Juni „Simon, Sohn des Johannes, hebst du mich? . . . Weide meine Lämmer, weide meine Schafe! . . . Folge mir nach!“ (Joh 21,15 ff., 19). Ehrwürdige Kardinäle, Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt, Brüder und Schwestern in der Römischen Kurie! 1. Die Worte des Evangeliums, die wir in diesem Augenblick des Gebets in Vorbereitung auf das Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus, die euch alle, liebe Mitarbeiter meines täglichen Dienstes, um mich versammelt sehen, gehört haben, berühren uns in der Tiefe unseres Herzens. Hier finden sie einen unvergleichlichen Widerhall, der uns wie ein Schauer durch alle Adern läuft: Wir befinden uns über dem Grab Petri, nicht weit von dem Ort, wo sich jener Tod ereignet hat, mit dem er Gott verherrlicht hat (vgl. Joh 21,19). Hier spricht mit seiner ganzen Beredsamkeit das äußerste Zeugnis der Liebe des Petrus zu Christus Jesus. Hier findet die Kontinuität der Urkirche mit jener, die nun an der Schwelle des dritten Jahrtausends steht, ihre Verknüpfung, ihre Garantie der Treue und Authentizität, die Gewißheit, immer auf demselben Felsen zu ruhen, der von Christus gewollt und das Fundament seiner Kirche ist. Darum mein Wunsch, daß diese bedeutsame Begegnung - eine Begegnung gegenseitiger Liebe, des Nachdenkens und der Ermutigung - auch dieses Jahr in der vatikanische Basilika stattfinden solle: im vergangenen Jahr anläßlich der gemeinsamen Eucharistiefeier zum Jubiläumsjahr der Erlösung; heute im Rahmen einer Andacht zur Vorbereitung auf das liturgische Fest, das wir im Einklang mit der Weltkirche begehen wollen, aber das wir doch in besonderer Weise als unser Fest empfinden. Danke, daß ihr gekommen seid. Danke Ihnen, Herr Dekan des Kardinalskollegiums, für die stets vornehmen Worte, mit denen Sie den Gefühlen der Mitbrüder, der Kardinäle, und aller Anwesenden Ausdruck gegeben haben. <62> <62> Die - am Vortag des Festes der heiligen Petrus und Paulus nunmehr schon zur Tradition gewordene - Begegnung zwischen dem Papst und 1282 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seinen engsten Mitarbeitern im Bereich der Römischen Kurie, des Vikariats von Rom, der verschiedenen Verwaltungsstellen des Hl. Stuhls und des Govematorats für die Vatikanstadt hat für mich eine besondere Bedeutung, der ich großes Gewicht beimesse: denn es ist mir dadurch möglich, euch meine Dankbarkeit auszusprechen und euch in der Erfüllung einer Aufgabe zu stärken, die ihrer Natur nach einzigartig ist, wenn man ihre unmittelbare Nähe zum Stuhl Petri und den Beitrag berücksichtigt, den sie zu dem mir durch höchsten Auftrag zuerkannten Petrusamt leistet. Tatsächlich ist die zentrale Organisation der Kirche durch alle ihre verschiedenen Organismen ein unentbehrliches Instrument für den Papst beim Weiterführen der ungeheuren Last dieses Amtes. Und da dieses Amt in der dem Petrus und seinen Nachfolgern anvertrauten unaufhebbaren Verpflichtung des „Confirma fratres“ - „stärke deine Brüder!“ (Lk 22,32), das gesamte Leben der Kirche umfaßt, erstreckt sich eure Tätigkeit in der Römischen Kurie und in den verschiedenen zentralen Verwaltungsstellen des Apostolischen Stuhls auf eine Dimension, die so weit ist wie die Kirche selbst. Ihr helft mir tatsächlich bei meiner Hirtenaufgabe, die dem Wohl der Seelen und der Verbundenheit der Ortskirchen in der Liebe gilt. Darum wollte ich euch heute hier an meiner Seite, am Grab des Petrus, haben. Ich begrüße euch, jeden einzelnen von euch; und es liegt mir daran, die einzelnen Dikasterien, in denen ihr arbeitet, namentlich zu nennen, weil sich auf diese Weise vor meinen Augen das ganze Panorama des kirchlichen Lebens entfaltet, dem der Stuhl Petri seine Sorge widmet. Ihr seid meine Arme: alle zusammen und jeder einzeln. Ich begrüße also besonders herzlich die Verantwortlichen, die Offizialen und alle Mitarbeiter der verschiedenen Glieder dieses lebendigen Körpers, der die Römische Kurie ist: die Bischofssynode; das Staatssekretariat und der Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche; die Kongregationen für die Glaubenslehre, die Bischöfe, die Orientalischen Kirchen, die Sakramente, den Gottesdienst, den Klerus, die Ordensleute und Säkularinstitute, die Evangelisierung der Völker, die Heilig- und Seligsprechungsprozesse, das katholische Bildungswesen; die Apostolische Pönitentiarie, die Apostolische Signatur, die Rota Romana; die Sekretariate für die Einheit der Christen, die Nichtchristen, die Nichtglaubenden; der Laienrat; die Kommissionen „Justitia et Pax“, für die authentische Interpretation des Codex des kanonischen Rechts, für die Revision des Codex des Orientalischen Kirchenrechts, für die Instrumente der sozialen Kommunikation, für Lateinamerika, für die Seelsorge an den 1283 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschen unterwegs; der Rat „Cor Unum“, der Rat für die Familie, der Kulturrat; die Internationale Theologenkommission, die Bibelkommission, die Kommission für sakrale Archäologie; das Komitee für Geschichtswissenschaften; die Kommission für die Kirchenarchive in Italien; die Zentralkommission für die Sakralkunst in Italien; die Kardinalskommission für die Heiligtümer von Pompei, Loreto und Bari; die Apostolische Kammer, die Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls; die Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls; die Präfektur des Päpstlichen Hauses; die Eleemosynerie des Papstes; das Personalamt; die Dombauhütte von St. Peter; die Apostolische Vatikanische Bibliothek; das Vatikanische Geheimarchiv. Ich begrüße das Vikariat von Rom für den direkten Pastoraldienst in meiner Diözese und die Päpstliche Kommission und das Governatorat für den Staat der Vatikanstadt; und außerhalb Roms, aber durch ihre einzigartige und besondere Gestalt eng mit diesem Stuhl Petri verbunden, denke ich an die Nuntiaturen und Apostolischen Delegationen in der ganzen weiten Welt, die mich bei den Ortskirchen und den Behörden der verschiedenen Staaten durch eine einzigartige Form des Dienstes und der Verbundenheit zwischen dem Stuhl Petri und den verschiedenen Völkern der Welt vertreten. Ich habe sie alle aufgezählt, nicht bloß als Höflichkeitspflicht, sondern weil sich schon allein beim Nennen der verschiedenen Teile dieses komplexen organischen Gefüges, die ich heute mit mir im Gebet versammelt sehe, ein beredtes Bild von all den Aktivitäten und Bemühungen der Kirche, von der Gesamtheit ihres Lebens bietet, auf die die Sorge des Petrusamtes ausgerichtet ist. 3. Das Evangelium, das wir gemeinsam mit innerer Bewegung gehört haben, ruft uns die Hauptzüge dieses Amtes in Erinnerung. Auf sie weisen die Worte Jesu von Nazaret, Wort des Vaters, hin: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (Joh 21,15 ff.): Dreimal ertönt diese Frage, die das Herz des Petrus immer stärker aufwühlt. „Weide meine Lämmer, weide meine Schafe“: und dreimal ertönt dieser universale Auftrag der Hirtensorge für die ganze Kirche, der dem Petrus nach seinem dreifachen Liebesbekenntnis anvertraut wurde. „Folge mir nach!“ - so lautet das Schlußwort: eine Aufforderung, sich bei keiner anderen Erwägung aufzuhalten als bei jener des göttlichen Willens, der sogar den Märtyrertod verlangen kann. Wenn ich euch zur Betrachtung darüber einlade, dann deshalb, weil in diesen Worten auch eure Tätigkeit ihren richtigen Platz in 1284 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ihrer zutiefst und wesentlich ontologischen und theologischen Bedeutung und ihrer eschatologischen Perspektive findet. a) „Liebst du mich?“ - „Du weißt, daß ich dich liebe.“ Das Petrusamt ist im wesentlichen ein Amt der Liebe, ein Dienst der Liebe, als Antwort auf die ewige und erbarmende Liebe Gottes, der sich wie in einer direkten Vertikale im menschgewordenen Sohn den Menschen offenbart hat, der sich durch das Geschenk des Heiligen Geistes in ihre Herzen ergossen hat (vgl. Röm 5,5), der aus allen Völkern der Erde seine Kirche versammelt hat und sie auf den Felsen, der Petrus ist, gründete. Diesem Plan der Liebe zu dienen, ist ein Werk der Liebe, eine Liebespflicht: „. . . Sit amoris officium, pascere dominicum gregem!“ „Es sei eine Liebespflicht, die Herde des Herrn zu weiden“ (Augustinus, In Ioann. Ev. 123,5; PL 35,1967). b) „Weide meine Lämmer.“ Das Petrusamt ist Hirtensorge für die ganze Kirche; der Auftrag Christi: „Weide!“ verbindet sich mit dem „Stärke deine Brüder“ am Letzten Abendmahl (Lk 22,32) und mit noch weiter zurückliegenden Worten, die Christus bei Cäsarea Philippi zu Petrus gesprochen hatte, zu einem: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen . . . Ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben“ {Mt 16,18 f.). Es ist ein Dienst. - Dienst am Menschen: weil die Vertikale, die vom Herzen Gottvaters durch Christus bis zur Einsetzung des Petrus für seine Kirche läuft, einzig auf den Menschen gerichtet ist: auf das von der Erlösung bewirkte Heil des Menschen, auf den Menschen in seiner Ganzheit, der als einzelne Person lebt und wirkt, aber in das soziale Gefüge der Familie, der Arbeit, des Berufs, der weltlichen Gesellschaft eingegliedert ist; auf die freie Entfaltung des Menschen, der seine ewige Bestimmung im Zusammenleben der Völker finden soll, das vom Frieden gewährleistet wird, der „geordneten Eintracht zwischen den Menschen“ (Augustinus, De civitate Dei, 19,13,1; PL 41,640; vgl. Thomas v. Aquin, Summa contra gentiles, III, 128,3003). - Dienst an der Einheit der Kirche, weil das Petrusamt die Stabilität und den Zusammenhalt der ganzen Kirche und das enge Band garantiert, das zum Wohl des Gottesvolkes mit den einzelnen Bischöfen besteht. Wie das Zweiten Vatikanische Konzil hervorgehoben hat, „hat Christus, damit der Episkopat selbst einer und ungeteilt sei, den hl. Petrus an die Spitze der übrigen Apostel gestellt und in ihm ein immerwährendes und sichtbares Prinzip und Fundament der Glaubenseinheit und der Gemeinschaft eingesetzt“ {Lumen gentium, Nr. 18). „Unus pro omnibus, quia unitas est in 1285 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN omnibus“ - „Einer, Petrus, an Stelle aller, weil die Einheit in allen besteht“, lautet der treffende Kommentar des hl. Augustinus (In Ioann. Ev., 118,4; PL 35,1949). - Dienst am Glauben, wie der hl. Petrus Chrysologus betont: „Der selige Petrus, der auf seinem Stuhl weiterlebt und regiert, gewährt allen Suchenden die Wahrheit des Glaubens“ (Ad Eutichem, inter epistulas S. Leonis Magni, 25,2; PI 54,743 f.). Mein Vorgänger Johannes XXIII., der sich der Notwendigkeit dieses Dienstes zutiefst bewußt war, sprach den Wunsch aus nach „einem Wiederaufleben des starken und glühenden Glaubens; einer vollen Kenntnis der ganzen christlichen Lehre vom ersten bis zum letzten Artikel des Credo, einer immer tätigeren Treue zu Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes“ (Generalaudienz am 6. August 1960; Discorsi-Messaggi-Colloqui, II, S. 733); und Paul VI. verkündete vor der ganzen Kirche zum Abschluß des Jahres des Glaubens das „Glaubensbekenntnis des Volkes Gottes“ (30. Juni 1968; Insegnamenti, S. 292-310). c) Folge mir nach! Wenn schon das Leben aller Christen Nachfolge Jesu Christi ist, so ist das vor allem Vorrecht, Pflicht und Programm des Petrusamtes. Petrus ist Christus wahrhaftig nachgefolgt. Seine persönliche Geschichte war auf außerordentliche Weise von einer doppelten Berufung geprägt, und das ist ein weiterer Zug, der ihn von den anderen Aposteln unterscheidet: Tatsächlich beruft ihn Jesus sowohl zu Beginn seines eigenen messianischen Wirkens, wie das Lukasevangelium berichtet: „Von jetzt an wirst du Menschen fangen“ (Lk 5,10), als auch am Ende seines öffentlichen Auftretens in einer einzigartigen Berufung, die wir in den Worten des vierten Evangeliums soeben gemeinsam gehört haben. Und in beiden Fällen folgt Petrus Jesus, indem er sich ihm voll anvertraut, sich auf das Unbekannte einläßt, immer geführt von dieser zweifachen Berufung schließlich nach Rom gelangt, dessen erster Bischof er wurde und wo er auf diesem vatikanischen Hügel das äußerste Blutzeugnis ablegte. Aus christlicher Sicht in einer großen Synthese 4. Ehrwürdige Brüder, liebe Söhne und Töchter! Als ich zu euch vom Petrusamt sprach, habe ich unter anderem betont, daß es Dienst am Glauben ist. In dieser Sicht, die unsere gemeinsame Arbeit kennzeichnet, möchte ich euch mein Herz über ein Thema aus-schütten, das mir besonders am Herzen liegt: die Frage der katholischen Erziehung der Jugend. Es stimmt, daß sie ausdrücklich das Dikasterium 1286 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN angeht, das sich mit dem katholischen Bildungswesen beschäftigt, doch sie berührt uns alle, Bischöfe und Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen ganz nahe, wenn wir den gegenwärtigen Augenblick mit den Herausforderungen, die er stellt, mit Verstand erleben wollen; sie berührt euch Laien unmittelbar, euch Väter und Mütter, deren Hauptproblem ja eben das der unverkürzten christlichen Erziehung ist, die ihr euren Kindern geben wollt. In diesem Licht des Glaubens betrachtet, ist also das Problem keinem von uns fremd, die wir für das Leben der Kirche in der Welt, im Einklang mit und im Dienst an den einzelnen Ortskirchen arbeiten. Gerade die Bischöfe verschiedener Länder werden zuerst von den Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der christlichen Erziehung der Jugend herausgefordert, die in den letzten Jahren eine schwierige Periode durchmacht. Die Bischöfe arbeiten, setzen Kräfte und Mittel in dieser Frage ein, die verschiedene Aspekte umfaßt, und erwarten ein Wort zu den Prinzipien, die sie zum Wohl der kirchlichen und zivilen Gemeinschaft leiten. Die katholische Erziehung der Jugend stellt die katholische Kirche vor eine mehrfache Verantwortlichkeit, die sich zunächst auf die Katechese der Glaubensverkündigung erstreckt, die auch den Religionsunterricht in der Schule - auch an den öffentlichen Schulen - einschließt, und schließlich bis zur katholischen Schule als Ort christlicher Erziehung und ganzheitlicher Bildung des Kindes und Jugendlichen unter dem Zeichen des Glaubens und in einer Vorstellung vom Menschen und der Welt, die sich an diesem Glauben inspiriert und ihm nicht widerspricht. Das alles unter Respektierung der Grundrechte der Eltern als den Erstverantwortlichen für die Erziehung der Kinder und in Übereinstimmung mit der besonderen Sendung der Kirche. Es wird daher nicht unangebracht sein, uns mit den Prinzipien zu befassen, die das Bewußtsein für dieses Problem in der heutigen Welt wachhalten müssen angesichts der vielfachen Schwierigkeiten, die dort und da auftreten und vor denen man unmöglich die Augen verschließen und schweigen darf. Familien haben ein Recht auf den Religionsunterricht 5. Die Katechese ist eine weite, allumfassende Wirklichkeit in bezug auf die der Kirche von Christus anvertraute Sendung: „Geht zu allen Völkern . . . und lehrt sie“ (Mt 28,19-20). Der Sohn Gottes hat die Apostel gesandt zu lehren; die Kirche ist diesem Auftrag, der vom Lehramt des 1287 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Papstes und der Bischöfe ausgeübt wird, immer treu geblieben, mit einem Einsatz, der nicht selten auch das Blutzeugnis gefordert hat. Die Kirche lehrt, um der Welt das Wort des Heils zu vermitteln: und in dieser Sendung im engeren Sinn des Wortes finden sowohl die Verkündigung der Frohbotschaft, also die Evangelisierung - deren Inhalt, Methoden und Hauptakteure mein Vorgänger Paul VI. in dem großen Dokument Evangelii nuntiandi aus dem Jahr 1975 Umrissen hat - als auch die Katechese in allen ihren Formen - wovon die Bischofssynode und mein Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae gesprochen haben -, insbesondere bei der Vorbereitung auf die Sakramente, ihren Wesensbereich. Die Kirche hat daher die Pflicht und das angeborene Recht, den Menschen, allen Menschen die offenbarte Wahrheit zu verkündigen, wie auch vom neuen Codex des kanonischen Rechts (can. 747,1) ausdrücklich bekräftigt wurde, der das ganze Buch III den Problemen im Zusammenhang mit dem der Kirche von Christus anvertrauten „Verkündigungsdienst“ (munus docendi) widmet. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Sendung ausführlich dargestellt und erläutert, vor allem in der dogmatischen Konstitution über die Kirche, im Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe und in der Erklärung über die Religionsfreiheit. „Unter den hauptsächlichen Ämtern der Bischöfe hat die Verkündigung des Evangeliums einen hervorragenden Platz. Denn die Bischöfe sind Glaubensboten, die Christus neue Jünger zuführen; sie sind authentische, das heißt mit der Autorität Christi ausgerüstete Lehrer. Sie verkündigen dem ihnen anvertrauten Volk die Botschaft zum Glauben und zur Anwendung auf das sittliche Leben und erklären sie im Licht des Heiligen Geistes“ (Lumen gentium, Nr. 25; vgl. Christus Dominus, Nr. 12; Presby-terorum ordinis, Nr. 4). Die Kirche darf daher kein Hindernis finden bei der Ausübung dieser vorrangigen Pflicht, die mehr als alles vom ursprünglichen Streben des Menschen nach Wahrheitssuche gefordert wird; es gehört somit in den allgemeinen Bereich der Respektierung der Religionsfreiheit. 6. Das Problem der katholischen Erziehung schließt außerdem, wie ich gesagt habe, den Religionsunterricht im allgemeinen Bereich sowohl der katholischen wie der staatlichen Schule ein. Auf diesen Unterricht haben die Familien der Gläubigen ein Recht, die die Gewähr haben müssen, daß die staatliche Schule - eben weil sie allen offensteht - nicht nur den Glauben ihrer Kinder nicht gefährdet, sondern durch geeigneten Religionsunterricht ihre ganzheitliche Bildung vervollkommnet. Dieser Grundsatz ist in die Vorstellung von der Religionsfreiheit und vom 1288 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN demokratischen Staat einzuordnen, der sich als solcher, das heißt in der Einhaltung seiner tiefsten und wahren Natur, in den Dienst der Staatsbürger, aller Staatsbürger stellt bei Achtung ihrer Rechte und ihrer religiösen Überzeugungen. In der Sicht dieses Zusammentreffens religiöser, philosophischer und politischer Prinzipien ist dieser Unterricht ein Recht: ein Recht der gläubigen Familien, ein Recht der Jungen und Mädchen, die ihren Glauben leben und bekennen wollen; und das in jedem Schultyp, auch in jenen Schulen, die die Ansprüche der katholischen Erziehung, also der Kirche, nicht teilen. Denn eine Schule, die diesen Namen tatsächlich verdienen will, muß im Einvernehmen und in Zusammenarbeit mit den beteiligten Konfessionen den Forderungen der Bürger Raum geben und ihre Verfügbarkeit anbieten. 7. In das weite Thema der Evangelisierung und der Sendung, die der Kirche mit der katholischen Erziehung der Jugend anvertraut wurde, gehört sodann die Frage der katholischen Schule, die ja gerade von ihr ihre tiefste Motivierung ableitet, da es die Evangelisierung ist, die jede Bemühung zur Verteidigung und Stärkung der Einrichtung und der Funktion dieses Schultyps bekräftigt. Dieses Problem liegt mir besonders am Herzen, weil es die Kirche zutiefst berührt, die nicht versäumt hat, bei verschiedenen Gelegenheiten ihre klaren Weisungen dazu zu geben. Ich erinnere an die programmatische Enzyklika Divini illius magistri meines Vorgängers seligen Angedenkens Pius XI. und an die verschiedenen Interventionen der Päpste Pius XII., Johannes XXIII., Paul VI.; das II. Vatikanische Konzil hat dem Thema seine Aufmerksamkeit vor allem in der Erklärung Gravissimum educatio-nis im allgemeinen Rahmen der christlichen Erziehung gewidmet; die Kongregation für das katholische Bildungswesen hat 1977 ein eigenes Dokument über „Die katholische Schule“ herausgebracht; den verschiedenen Gelegenheiten entsprechend hat es weder in den von mir veröffentlichten Dokumenten - im besonderen in den Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae (Nr. 69) und Familiaris consortio (Nr. 36-40) - noch auf meinen Pastoraireisen gefehlt; und bekanntlich hat sich mit dem Problem die Vollversammlung der Bischofssynode 1980 beschäftigt. Denn die katholische Schule fügt sich voll in die „Heüssendung“ der Kirche ein, wie das bereits erwähnte Dokument der Kongregation für das katholische Bildungswesen (Nr. 5-9) unterstrichen hat. So gesehen umfaßt der „Verkündigungsdienst“ - das „munus docendi“ - der Kirche seiner Natur nach auch die verschiedenen Formen und Stufen des Unter- 1289 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN richts, der der Jugend erteilt wird. Die katholische Schule hat nicht die Absicht, auf wissenschaftlichem oder technischem Gebiet eine eigene Lehre vorzulegen; noch will sie irgendeinen Druck ausüben: doch sie legt den Schülern die Wahrheiten, die den Menschen, seine Natur, seine Geschichte berühren, im Lichte des Glaubens vor. Das Evangelium ist die Seele der katholischen Schule, die Richtschnur ihres Lebens und ihrer Lehre. Die katholische Schule will in der Tat jede Garantie bieten - und diesen Grundsatz gilt es, gewissen heutigen Einstellungen gegenüber nachdrücklich zu unterstreichen -, eine Schule christlicher Bildung wie optimaler Erziehung in den verschiedenen Fächern zu sein. Sie präsentiert die Lebens- und Weltvorstellung, die großen Probleme, die den menschlichen Geist im Laufe der Jahrhunderte beschäftigt haben, aus christlicher Sicht in einer großen Synthese, in der sämtliche Daten der christlichen Geschichte und Anthropologie zusammengestellt sind. Die katholische Schule vertritt somit einen primären Kulturaspekt, der für die volle Bildung der jungen Gläubigen unentbehrlich ist. Ja, eben dieser Aspekt einer universalen Kultursynthese macht sie auch für den überzeugend, der den katholischen Glauben nicht teilt. Wie sollte man hier nicht das Ansehen erwähnen, das die katholischen Schulen auch in vorwiegend nichtchristlichen Ländern genießen, wo oft die Mehrheit der Jugendlichen einer anderen Konfession oder Religion angehören? Das alles muß zu ernsthaftem Nachdenken über die Funktion solcher Einrichtungen führen, die nicht behindert oder eingeschränkt werden darf, weil diese Schulen eben zur ernsten und gewissenhaften Formung des Nachwuchses der einzelnen Länder beitragen. Die Auffassung ist im jüngsten Dokument der Italienischen Bischofskonferenz, „Die katholische Schule heute in Italien“, mit Recht unterstrichen worden, wo gleich zu Beginn bekräftigt wird: „Die Kirche ist beauftragt, die Frohbotschaft, die die volle Würde und Freiheit des Menschen zur Erfüllung bringt, zu verkündigen und ihr Leben zu verleihen. Darum ist sie stets aufmerksam um jene Erfahrungen und Einrichtungen bemüht, in denen - wie das in der Schule der Fall ist - die Menschheit von morgen Gestalt annimmt und sich das abzeichnet, was einmal die künftige Welt sein wird“ (25. August 1983, Nr. 1). Die Kirche hat also das Recht auf eigene Schulen. Aber sie hat auch die Verpflichtung dazu. Diese entspringt sowohl vor allem aus ihrem fundamentalen „Verkündigungsdienst“ (munus docendi) als auch aus der Überzeugung von dem großen Nutzen, den die katholische Schule der Förderung des Menschen und dem Fortschritt der Völker bringt. 1290 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In diesem Zusammenhang hat das Zweite Vatikanum klar und deutlich gesagt: „Weil die katholische Schule dem Volk Gottes in der Erfüllung seines Auftrages so förderlich und dem Gespräch zwischen Kirche und menschlicher Gemeinschaft zu deren beiderseitigem Vorteil nützlich sein kann, behält sie auch in unserer heutigen Welt eine entscheidende Bedeutung. Deshalb verkündet die Heilige Synode von neuem das in zahlreichen Äußerungen des kirchlichen Lehramtes bereits niedergelegte Recht der Kirche, Schulen jeder Art und jeder Rangstufe frei zu gründen und zu leiten. Dabei erinnert sie daran, daß die Ausübung solchen Rechts auch der Gewissensfreiheit, dem Schutz des elterlichen Rechts und dem kulturellen Fortschritt selbst höchst zuträglich ist“ (Gravissimum educationis, Nr. 8). 8. Die Kirche beschäftigt sich gründlich mit dem Problem der katholischen Erziehung der Jugend und verlangt in besonderer Weise Freiheit und Gleichheit für die katholischen Schulen, weil sie von der Überzeugung geleitet wird, daß sie ein Recht der christlichen Familien sind, wie viele Aussagen des Lehramtes des Stuhls Petri wiederholt unterstrichen haben. Wenn die Kirche so sehr auf diesem Recht besteht, dann deshalb, weil sie gerade die Familien im Auge hat, denen die Pflicht der christlichen Erziehung der Kinder grundlegend und ontologisch obliegt. Die Eltern sind die ersten Erzieher ihrer Kinder, ja, im Dienst der Glaubensvermittlung sind sie „die ersten Katecheten ihrer Kinder“, wie ich im Wiener Stephansdom gesagt habe (12. September 1983; O.R.dt., 23. 9. 83, S. 6). Die ihrer Natur nach von Gott gewollte Familie ist die erste und natürliche Erziehungsgemeinschaft für den Menschen, der in die Welt eintritt. Sie muß daher ohne jede Diskriminierung von irgendeiner staatlichen Gewalt die Freiheit genießen können, für ihre Kinder den Schultyp zu wählen, der mit ihren Überzeugungen übereinstimmt; noch darf sie durch allzu drückende wirtschaftliche Belastungen behindert werden, weil alle Bürger auch und vor allem auf diesem Gebiet wirklich gleich sind. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in der Erklärung über die Religons-freiheit ausdrücklich gesagt: „Einer jeden Familie, die ja eine Gesellschaft eigenen und ursprünglichen Rechtes ist, steht das Recht zu, ihr häusliches religiöses Leben unter der Leitung der Eltern in Freiheit zu ordnen. Die Eltern haben das Recht, die Art der religiösen Erziehung ihrer Kinder gemäß ihrer eigenen religiösen Überzeugung zu bestimmen. Daher muß von seiten der staatlichen Gewalt das Recht der Eltern anerkannt werden, in wahrer Freiheit Schulen und andere Erziehungseinrichtungen zu wählen, und aufgrund dieser Wahlfreiheit dürfen ihnen weder direkt noch 1291 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN indirekt irgendwelche ungerechten Lasten auferlegt werden“ (Dignitatis humanae, Nr. 5). In der Ausübung des Rechts, für die eigenen Kinder den Schultyp zu wählen, der den eigenen religiösen Überzeugungen entspricht, darf die Familie in keiner Weise behindert, sondern muß vom Staat gefördert werden, der nicht nur die Pflicht hat, die Rechte der christlichen Eltern, die in jeder Hinsicht seine Bürger sind, nicht zu verletzen, sondern auch zum Wohle der Familie beizutragen (vgl. Gaudium et spes, Nr. 52). Die Kirche wird niemals müde werden, diese Prinzipien zu unterstützen, die von kristallklarer Folgerichtigkeit und Klarheit sind, die aber, wenn sie angefeindet werden oder unbeachtet bleiben, das zivile und soziale Zusammenleben schwächen können, das auf die Achtung der Grundfreiheiten der Mitglieder gegründet ist, die die Gesellschaft bilden und deren wichtigster Kern die Familie ist. Wichtige Rolle für die Zukunft der Gemeinschaft 9. Ich empfinde es daher am Vortag des Festes der heiligen Petrus und Paulus, der Lehrer und Säulen des Glaubens, als meine Pflicht, von hier aus an die ganze Kirche die Aufforderung zu richten, jegliche Anstrengung zu unternehmen, um die Strukturen der katholischen Schule leistungsfähig zu erhalten; im besonderen mögen sich die Bischöfe, die Priester und vor allem jene hochverdienten männlichen und weiblichen Ordenskongregationen verantwortlich fühlen, die, wie es von ihren heiligen Gründern und Gründerinnen entsprechend ihrem eigenen Erziehungscharisma gewollt war, diesen großen, unvergleichlichen Dienst an der Kirche mit größtem Einsatz wie ihren Augapfel schützen müssen. Und darüber hinaus wende ich mich an die Lehrer, an die in der katholischen Schule tätigen Laien, die Eltern, die lieben Schüler und Schülerinnen, damit sie die Zugehörigkeit zu diesen Schulen als eine große Ehre empfinden. Alle Glieder der Kirche müssen sich verpflichtet fühlen, das hohe Ansehen dieser Schulen, auch wenn es Opfer kostet, zu erhalten, überzeugt von der wichtigen Rolle, die sie für die Zukunft der verschiedenen kirchlichen und zivilen Gemeinschaften spielen. Mit diesen Wünschen wende ich mich besonders an alle meine Brüder im Bischofsamt, die sich in verschiedenen Nationen Europas und der Welt in besonders schwierigen Situationen befinden, denen sie mit Ruhe und Festigkeit begegnen müssen: ihnen sage ich, daß ich persönlich an ihren Sorgen, an ihren Bemühungen, an ihrem aktiven Wirken auf diesem Gebiet ebenso lebhaft teilnehme wie an dem der Priester, der Ordens- 1292 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN männer und Ordensfrauen, die ihnen helfen. Vor allem teile ich die Sorgen der Hauptbetroffenen dieses heiklen und ernsten Problems: nämlich der katholischen Familien und der geliebten Jugend — die heute zutiefst aufgeschlossen ist für die Fragen und die Verpflichtungen des Glaubens —, die diese Schulen besucht und die es versteht, einen unvergleichlichen Nutzen für die eigene Zukunft daraus zu ziehen. Ich bin allen nahe und wünsche ihnen im Herrn alles Gute. 10. Wenn ich mich beim Thema von der katholischen Erziehung der Jugend unter besonderer Berücksichtigung der katholischen Schulen aufgehalten habe, habe ich mich dazu auch verleiten lassen, weil ich weiß, daß ihr, meine Mitarbeiter, meinen pastoralen Sorgen für die ganze Kirche voll entsprechen wollt. Ihr hebt die Kirche, und: das ist der Beweggrund, der auch bei der Erfüllung eurer täglichen Arbeit beseelt. Meine Sorgen sind sicher auch eure Sorgen. In diesem Geist bitte ich euch, mir weiterhin durch die lebhafte Teilnahme an den Problemen der heutigen Kirche zu helfen und mich durch euer Gebet und vor allem durch eure Liebe zu unterstützen. Ich bin gewiß, daß ihr in eurem Einsatz gemeinsam mit mir wiederholen wollt: „Caritas Christi urget nos!“ (Die Liebe zu Christus drängt uns.) Es ist die Liebe, die euch bei eurem täglichen Tun leitet. Eine Liebe, die um so kostbarer und fruchtbarer ist, je mehr sich bei den meisten von euch die Arbeit in der Stille, in der Verborgenheit, in der Treue abspielt, die die körperlichen Kräfte und das Leben selbst dem Verschleiß aussetzt, da ihr euch der besonderen Eigenschaft eures Dienstes bewußt seid, durch die ihr „zur Teilhabe an derselben Sendung aufgerufen seid, die der Papst zugunsten der Kirche entfaltet“, wie ich vor einem Jahr zu euch sagte {Ansprache an die Kardinale und alle Mitarbeiter der Römischen Kurie am 28. Juni; in: O.R.dt. Nr. 28/1982, S. 1). Und wieviel habe ich euch zu danken! Ich habe auf diesen Tag gewartet, um meinen Dank für die besondere Teilhabe zu wiederholen, die ihr mir in ganz besonderer Weise bei der Ausübung des Petrusamtes bietet; so wollt ihr der Gabe Gottes, der euch dazu berufen hat, in der Reinheit des von euch bekannten Glaubens und der Unversehrtheit eures Lebens als Priester, Ordensleute oder Laien entsprechen, das ihr in der Teilhabe an dem dreifachen priesterlichen, prophetischen und königlichen Amt Christi lebt, und in dem untadeligen Bewußtsein, daß eure Arbeit das Volk Gottes aufbaut, daß sie in den unsichtbaren und fruchtbaren Austausch der Gemeinschaft der Heiligen einbezogen ist und daß sie ihrerseits von 1293 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der geistlichen wie materiellen Hilfe unterstützt wird, die die Ortskirchen alter Gewohnheit gemäß der Kirche von Rom leisten. Um euch meinen tiefbewegten Dank zum Ausdruck zu bringen, mache ich mir die Worte des Apostels Paulus zu eigen, die heute morgen hier erklungen sind: „Ich danke meinem Gott jedesmal, wenn ich an euch denke; immer, wenn ich für euch alle bete, tue ich es mit Freude und danke Gott dafür, daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt vom ersten Tag an ... Es ist nur recht, daß ich so über euch alle denke, weil ich euch ins Herz geschlossen habe. Denn ihr alle habt Anteil an der Gnade, die mir . . . gewährt ist. Gott ist mein Zeuge, wie ich mich nach euch allen sehne mit der herzlichen Liebe, die Christus Jesus zu euch hat. Und ich bete darum, daß eure Liebe immer noch reicher an Einsicht und Verständnis wird“ (Phil 1,3 ff., 7 ff.). Ja, ehrwürdige Kardinäle, Mitbrüder im Bischofs- und im Priesteramt, geweihte Personen, alle Schwestern und Brüder: Ich danke meinem Gott und habe euch alle ins Herz geschlossen. Die heiligen Petrus und Paulus mögen uns unser Ausharren im gemeinsamen Einsatz erhalten, sie, die sich der Sache des Evangeliums ganz, bis zum Tod hingegeben haben. Die seligste Muttergottes, die „getreue Jungfrau“, sei unter uns, wie sie schon im Abendmahlssaal und in den ersten Anfängen der Kirche zugegen war, um uns mit ihrer mütterlichen Liebe in unserem Bemühen um Treue zu ihrem Sohn zu ermutigen, indem sie uns immer besser begreifen läßt, daß wir gerade deshalb einen besonderen Platz in ihrem unbefleckten Herzen haben. Ihr vertraue ich aufs neue und immer euch, eure Arbeit, eure geliebten Familien an, besonders wenn es in ihnen Kummer, Sorgen, Leid gibt. Und im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit, der allein „die Herrlichkeit, die Ehre und die Macht“ (Offb 4,11) und die letzte Absicht unseres Dienstes gilt, erteile ich allen meinen besonderen Apostolischen Segen. 1294 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Auf Wiedersehen in Belgien“ Ansprache an eine Delegation der Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens am 28. Juni Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die lange Treue und die hochherzige Unterstützung, die Ihre Vereinigung katholischer Journalisten Belgiens meinen verehrten Vorgängern bekundet und weiterhin dem jetzigen Nachfolger Petri gegenüber bewiesen hat, ist mir eine Quelle wertvollen Trostes. Wenn der Papst seiner besonderen Sendung der Sorge um alle Kirchen, die mit dem Römischen Stuhl verbunden sind, nachkommen soll, weiß er, daß er auch auf die Hilfe und Mitwirkung des christlichen Volkes zählen kann. Was sie betrifft, so veranschaulichen Sie die kirchliche Solidarität, die der Apostel Paulus den Christen von Korinth so warm empfohlen hat (vgl. 2 Kor 8). Herzliche Anerkennung und Dank sei Ihnen ausgesprochen für den Betrag, den Sie mir freundlicherweise hier in Rom überreicht haben. Ihr Vorgehen ist in hohem Maße symbolisch und stellt ein schönes Beispiel für die Verantwortlichen der von den Diözesen oder Pfarreien veranstalteten Pilgerfahrten dar, die sich bemühen, die Söhne und Töchter der Kirche zu den Gräbern der Apostel Petrus und Paulus zu führen, um sie in ihrem Glauben, ihrer Liebe und ihrer Hoffnung zu stärken.; Ich wäre Ihnen dankbar, Herr Präsident, wenn Sie auf eine Weise, die Sie für angebracht halten, allen jenen meine Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, die konkret an der Schaffung dieser „Etrennes pontificales“ beteiligt waren: den zahlreichen Lesern Ihrer katholischen Zeitungen und allen Freunden Ihrer Vereinigung. Muß ich für diese aufmerksamen Wohltäter noch hinzufügen, daß die billigen Klischeevorstellungen über die Reichtümer des Vatikans objektiv überholt sind und daß die Zeit kommt, wo in bezug auf die materiellen Mittel eine noch wirksamere Verknüpfung zwischen den römischen Diensten der Weltkirche und den Ortskirchen vorgenommen werden könnte? Seien Sie auf jeden Fall versichert, daß alle Geschenke, ob beträchtlich oder bescheidener, demjenigen, der unter allen Kirchen den Vorsitz in der Liebe hat, ermöglichen, die gute Funktion der zentralen Dienste der Kirche sicherzustellen und im Namen Christi den vom Elendi heimgesuchten Völkern und Ländern zu helfen. In ihrem Namen bringe ich Ihnen Gefühle tiefster Dankbarkeit zum Ausdruck. Gott selbst segne Sie reich- 1295 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lieh und gewähre Ihnen die Gnade, Ihren Brüdern die evangelische Leidenschaft des Teilens zu vermitteln! Der Papst hatte in Französisch begonnen und sagte in flämischer Sprache: Gerne richte ich auch in flämischer Sprache ein Wort herzlichen Dankes an alle Mitglieder des Bundes katholischer Journalisten und des katholischen Presseverbandes in Belgien sowie an alle Mitarbeiter und Leser der katholischen Zeitungen für die hochherzigen Beiträge zu der Sammlung von Neujahrsgeschenken, die Ausdruck aufrichtiger Treue und Liebe zur Kirche und zum Stellvertreter Christi sind. Von Herzen rufe ich die Gnade und den Segen Gottes auf Sie herab und sage Ihnen für diesmal mit besonderer Freude: Auf Wiedersehen nächstes Jahr in Belgien! Identitätskrise des Arztberufs Ansprache beim Besuch der Medizinischen Fakultät der Katholischen Herz-Jesu-Universität am 28. Juni Liebe Brüder und Schwestern! 1. Beim Betreten des Auditoriums der Medizinischen Fakultät der Katholischen Universität habe ich ein Gefühl freudiger Dankbarkeit empfunden; mir kommen die Worte wieder in den Sinn, die mein Vorgänger Benedikt XV. zu Pater Gemelli und Msgr. Olgiati sagte, als sie sich anschickten, ihm den Plan für die Gründung des ersten Mailänder Sitzes der Katholischen Universität vorzulegen: „Ihr vollbringt eine großartige Sache, die des Namens katholisch würdig ist.“ Diese Universität ist wirklich großartig und der Kirche würdig! Von diesem Ort, wo die feierlichsten und erhabensten Augenblicke des akademischen Lebens erlebt und die Kongresse abgehalten werden, zu denen sich Wissenschaftler aus Italien und aus dem Ausland einfinden, erhebt sich der Dank des Papstes und der Kirche zum Herrn, ein Dank, der sich ausweitet im Gedenken an die vielen großen und vorbildlichen Seelen, die uns in das Reich des himmlischen Vaters vorausgegangen sind: Pater Agostino Gemelli, Armida Barelli, Francesco Vito, Gian Carlo 1296 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brasca, Persönlichkeiten, die dieser Stätte ihre Ideen gegeben, für sie ihre Kräfte eingesetzt, ihr Leben hingegeben und inständige Gebete zu Gott gesandt haben. Mein Dank und mein Gruß gehen an den Herrn Rektor, dem ich auch für die freundlichen an mich gerichteten Worte danke, an den Dekan, die Professoren und die hier anwesenden Studenten sowie an die in Italien und in der Welt verstreuten hier promovierten Doktoren; aber meine Gedanken gelten auch all den lautlos und fleißig Dienenden, den einfachen Seelen der AngesteUten und Arbeiter; den Priestern; die ihren Dienst der Gnade und den Auftrag, das Gewissen der Jugend zu formen, erfüllen. Allen spreche ich mein Gefühl herzlicher, dankbarer Anerkennung aus. 2. Pater Gemelli, dessen wir heute anläßlich seines 25. Todestages gedenken, sagte, als er den italienischen Katholiken den Grund für die Gründung dieser Medizinischen Fakultät erläuterte, es gehe ihm darum, dem künftigen Arzt nicht nur eine Denkrichtung zu geben, d. h. aus ihm einen Arzt zu machen, sondern vielmehr aus ihm einen christlichen Arzt zu machen. Und er fügte hinzu, daß man Ärzte brauche, die zur Beachtung der Gebote des Evangeliums erzogen wurden und deshalb im Kranken einen Bruder sehen, dem geholfen werden soll. Pater Gemelli hatte die vorrangige und kennzeichnende Zielsetzung dieser Fakultät, die erzieherische, richtig erkannt. Der Arztberuf leidet heute an einer Identitätskrise: Es besteht die ernste Gefahr, daß dieser Beruf, der als Verpflichtung zum Dienst am leidenden Menschen entstanden und gewachsen ist, von Ideologien auf Abwege gebracht und zum Schaden des menschlichen Lebens mißbraucht wird. Dort, wo der Arztberuf auf gef ordert wird, das empfangene Leben zu beseitigen; dort, wo er zur Auslöschung des Sterbenden mißbraucht wird; dort, wo er sich dazu verleiten läßt, gegen den Plan des Schöpfers in das Leben der Familie einzugreifen, oder sich von der Versuchung zur Manipulation des menschlichen Lebens mitreißen läßt oder wenn er seine authentische Orientierung auf den weniger glücklichen und den kranken Menschen aus dem Blick verliert, überall dort verliert er sein Ethos, wird selber krank, verliert und verdunkelt seine eigene Würde und sittliche Autonomie. 3. Man brauchte damals und braucht heute noch notwendiger eine Schule, wo sämtliche Mitglieder in harmonischer Weise an der Errichtung des erzieherischen Zieles mitwirken, das darin besteht, im Arztberuf die 1297 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ethische Dimension und die christliche Sicht des Menschen zu erhalten und zu bereichern. Forschung, Lehre, Zeugnis und erzieherisches Milieu, alles kann in einer Hochschulinstitution glücklich Zusammenwirken, um eine Tradition und eine Schule zu fördern, die den eifrigen jungen Menschen einen Reichtum und eine Fülle an Erziehung zu bieten vermögen, die sie anderswo nicht finden können. Gläubige Studenten und Dozenten, die sich ihres Glaubens und ihrer erzieherischen Verantwortung bewußt sind, können in jeder anderen ähnlichen weltlichen Einrichtung auch angetroffen werden, aber es sind eben diese Personen, die die christliche Erfahrung und das christliche Zeugnis in der Diaspora der säkularisierten Welt leben, die von einer von der Vorsehung bestimmten Institution wie dieser eine Richtlinie, einen Gedanken und einen Bezugspunkt erwarten. Der Erlöser ist Mittelpunkt der Geschichte Nach zurückgelegten zwanzig Jahren und nachdem sich die Strukturen von Forschung, Lehre und Pflege weiterentwickelt haben, stellt sich eine noch größere Verpflichtung, die moralische und christliche Identität der von Pater Gemelli gewünschten Fakultät zu verteidigen und immer besser zu fördern. Eure Fakultät hatte von Anfang an den Vorteil fester Grundkurse in Theologie und Ethik, die nach und nach ausgebaut und mit interdisziplinärer Forschung in bezug auf die immer neuen und ernsten Forderungen aus der Welt der Wissenschaft und Gesellschaft harmonisiert wurden. Es ist darum äußerst wichtig, daß die ethische Dimension und das christliche Zeugnis das ganze Lehrklima und den ganzen Universitätsbereich so durchdringen, daß diese Gemeinschaft, die Pater Gemelli auf die geplante Studentenzahl beschränken wollte, zu einem Erziehungsumfeld wird, das mit dem kirchlichen Geist und mit jener Haltung des Dienens im Einklang steht, die der Gründer euch als sein geistliches Testament und Verwirklichung dessen übertragen hat, was er den „Traum“ seines Lebens nannte; das heißt, daß sie zu einem Umfeld echten christlichen Glaubens wird! Ich möchte hier an die Worte erinnern, die mein Vorgänger Paul VI. an die Professoren und Studenten der ganzen Katholischen Herz-Jesu-Uni-versität anläßlich ihrer Pilgerfahrt vom 5. April 1964 richtete: „Der Glaube ist Seligkeit! Keine betörende Illusion, keine mythische Fiktion, kein falscher Trost; sondern echtes Glück. Das Glück der Wahrheit, . . . das Glück der Fülle, das Glück des göttlichen Lebens, das einer wunderbaren menschlichen Teilhabe ermöglicht wird. Nicht Abtötung des Den- 1298 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kens, nicht Behinderung der wissenschaftlichen Forschung, nicht unnütze Last für die Geschwindigkeit des modernen, geistigen Stils; sondern Licht, Stimme, Entdeckung, die die Seele weit macht und das Leben und die Welt verständlich; Glück des höchsten Wissens; noch einmal sage ich, Glück der Erkenntnis, der Erkenntnis der Wahrheit“ (Insegnamenti di Paolo VI, II, 1964, S. 23 lf.). 4. Liebe Dozenten und Direktoren! Euch vor allem vertraut die Kirche diese verpflichtende und erhebende Erziehungsaufgabe an, und sie tut das mit Sorge, Loyalität und Vertrauen: Die jungen Studenten, künftigen Ärzte, und die bereits Promovierten blicken auf euch als Meister und Lehrer des wissenschaftlichen Wissens, Experten der ärztlichen Kunst und des Arztberufes, aber auch und vor allem als Meister des sittlichen Lebens und Einsatzes. Dieses Zeugnis und dieses erzieherische Engagement erfordern ständigen brüderlichen Kontakt mit den Mitarbeitern und den Studenten, verlangen, Zeit und Kräfte zu widmen, den Verzicht vielleicht sogar auf berechtigte persönliche Interessen; aber ihr werdet belohnt durch die Freude, eine Generation von Ärzten heranwachsen zu sehen, die der heutigen Zeit und den Bedürfnissen der Menschheit, die auf ihren Dienst wartet, entsprechen. Wenn ich an die Zahl eurer Promovierten denke - es sind bereits 2412, die in Italien und im Ausland, auch in Missionsländern tätig sind -, an die Zahl und die Qualifikation der Dozenten und das Verwaltungspersonal, die jeden Tag diese Gemeinschaft bilden, damit sie Gutes wirkt, denke ich daran, was für ein Geschenk doch Pater Gemelli und meine Vorgänger Italien, Rom und der Kirche gemacht haben; ich denke daran, wieviel Erleichterung und Hilfe der kirchlichen Gemeinschaft und der weltlichen Gesellschaft durch die Ausbildung von Ärzten, Krankenpflegern und diplomierten Sanitätern zuteil werden können! Unter den anderen Einrichtungen möchte ich auch das Studien- und Forschungszentrum über Probleme der menschlichen Fruchtbarkeit und die der Ausbildung von Familienberatem gewidmete Beratungsstelle erwähnen: Von allen Schulen der Grund- und Fachausbildung und von diesen Zentren kann für die Gesellschaft und für die Kirche ein ungeheurer Impuls zum Guten und zum Zeugnis ausgehen, was der wahre Ruhm dieser von der Vorsehung bestimmten Einrichtung ist und immer mehr sein wird. Liebe Studentenjugend! Ich bin gekommen, um euch den Trost und die Ermutigung der Kirche zu bringen; vor allem bin ich gekommen, um mit euch den Glauben an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Got- 1299 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tes, den Erlöser des Menschen und Mittelpunkt der Geschichte, zu verkündigen. Vernachlässigt nicht das Licht des Glaubens! Stellt es an den ersten Platz in eurem Herzen! Denkt jeden Tag darüber nach und stillt euren Durst an der reinsten Quelle der Lehre der Kirche, die zusammen mit der Eucharistie, die täglich zu verschiedenen Zeiten in eurer Kirche hier gefeiert wird, das Antriebszentrum und das starke Herz eurer Gemeinschaft sein soll, einer Gemeinschaft, die aus der Liebe zu Christus, aus der die Gründer schöpften, entstanden und offen ist für die Liebe zu den Menschen, vor allem zu den leidenden und bedürftigen Brüdern. 5. Die Zukunft dieser Fakultät, für deren Bestand und Ausweitung die Verantwortlichen auf so große materielle Schwierigkeiten stoßen, wird von einem dreifachen harmonischen Einklang abhängen: vom Einklang eures Lebens und eurer Erziehungsabsichten mit der Lehre Christi und der Kirche; vom Einklang eurer Fakultät mit dem Leben und den Problemen der Kirche von Rom und Italien; vom Einklang innerhalb des Universitätslebens zwischen den Personen und Mitgliedern dieser Gemeinschaft. Eine Harmonie, die wesentlich auf Wahrheit, loyaler und aufrichtiger Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe beruht. Gewiß sind die wissenschaftliche Aufgabe und die Verantwortung für ihre Erfüllung enorm, endlos und wohl auch quälend; die Fakultät muß den Verpflichtungen zu Forschung, Lehre, Aggiornamento, Kultur, medizinischem Beistand nachkommen; das alles braucht jedoch eine Seele und eine klare Orientierung: Der richtungweisende Stern der täglichen Arbeit ist nur im Wort Gottes und in der Lehre der Kirche zu finden. Und damit dieser Kontakt mit dem Wort Christi und der Kirche zu einem ständigen und andauernden Kontakt wird, ist es notwendig, das Band mit der kirchlichen Gemeinschaft zu stärken und zu beleben: mit der Kirche von Rom, die euch Gastfreundschaft gewährt und die euer Denken und euren Beitrag braucht; mit der Kirche in Italien, die zweifellos auch weiterhin diese Universität und diese Fakultät, die ihr bereits so große Dienste leistet, immer tatkräftiger unterstützen wird; mit der Weltkirche, die reich an Menschlichkeit ist und erfüllt von den Problemen aller Menschen. Mit Maria, dem „Sitz der Weisheit“ Es gehört zur Natur der Forschung und Lehre im Hochschulbereich, daß sie Harmonie und vielfältige Zusammenarbeit fordert, aber noch mehr ist es der Anspruch, ein Erziehungsumfeld zu einem Ausdruck hoher moralischer Spannung zu machen, der echte und brüderliche Zusammenarbeit 1300 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verlangt. Diese Harmonie soll die jungen Menschen Freude darüber empfinden lassen, daß sie sich in einer Familie und in einer kirchlichen Gemeinschaft befinden, die - mit Hilfe der Dozenten, der Verantwortlichen und der Priester - die Bildungsarbeit der Pfarreien und der Diözesen, aus denen sie hierher entsandt wurden, fortführen und intensivieren soll. Diese Harmonie wird die Erreichung der Ziele der Institution und die Erfüllung der vielfältigen Verantwortlichkeiten im Dienst ermöglichen; diese vom kirchlichen Leben bereicherte Harmonie wird das Zeugnis liefern, das man heute in immer höherem Maße von allen Äußerungen und Werken der katholischen Welt erwartet. Aus solchen Gefühlen heraus wiederhole ich das inständige Gebet, das mein ehrwürdiger Vorgänger Johannes XXIII. am Tag des Beginns des ersten akademischen Jahres gesprochen hat, als er diese Gemeinschaft Maria, dem Sitz der Weisheit, anvertraute; seine Worte sind nun in die Marmorwand eurer Hauptkirche eingemeißelt: „Beatissima virgo Maria, sedes sapientiae, salus infirmorum, caelestis patrona, praesentissima opifera, in hoc domicilium, quod tuum est, miseri-cordes oculos converte, hoc matemo tuere praesidio!“ - „O seligste Jungfrau Maria, Sitz der Weisheit, Heil der Kranken, himmlische Patronin, mächtige Helferin, richte deine barmherzige Augen auf dieses Haus, das dir gehört, und gewähre ihm deinen mütterlichen Schutz!“ Mein Segen begleite euch immer! Wesenskern der Persönlichkeit Predigt bei der Messe zum 25. Todestag von Pater Agostino Gemelli in der Gemelli-Poliklinik am Herz-Jesu-Fest, 28. Juni 1. „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Es ist Christus, der diese Worte spricht. Mit den Augen des Glaubens sehen wir ihn in seiner konkreten Menschlichkeit, dank welcher er uns in allem außer der Sünde ähnlich geworden ist. Ähnlich in allem und daher auch darin, daß er ein Herz hat, das in seiner Brust schlägt und in seinen Adern den Lebensstrom des Blutkreislaufes in Gang hält. Auf dieses Herz 1301 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN spielt er an, wenn er zu uns, die wir hier um den Altar versammelt sind, sagt: „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig.“ Heute, am liturgischen Fest des Heiligsten Herzens Jesu, sind wir in diesem Komplex, der Universität und Krankenhaus umfaßt und dem Herzen Jesu geweiht ist, eingeladen, über das Geheimnis jenes göttlichen Herzens nachzudenken, in dem die grenzenlose Liebe Gottes zu den Menschen, zu jedem Menschen, für jeden von uns schlägt. Jene Liebe, von der schon Mose vor seinen Landsleuten Zeugnis gab, als er ihnen in Erinnerung rief: „Nicht weil ihr zahlreicher als die anderen Völker wärt, hat euch der Herr ins Herz geschlossen und ausgewählt; ihr seid das kleinste unter allen Völkern. Sondern weil der Herr euch liebt“ (Dtn 7,7-8). Jene Liebe, in der der Apostel Johannes die Synthese jeder Rede über Gott sieht, so daß er sagen kann: „Wer nicht liebt, hat Gott nicht erkannt; denn Gott ist die Liebe“ (1 Joh 4,8). Wie sollte man nicht mit dem Psalmisten ausrufen: „Der Herr ist gütig und reich an Liebe“? (Antwortpsalm). Die heutige Liturgie legt uns die geeigneten Worte in den Mund, damit wir angesichts einer so unvorhersehbaren, wunderbaren Hochherzigkeit unsere Dankbarkeit bekunden können: „Lobe den Herrn, meine Seele, und alles in mir seinen heiligen Namen! . . . Der dir all deine Schuld vergibt und all deine Gebrechen heilt; der dein Leben vor dem Untergang rettet und dich mit Huld und Erbarmen krönt . . .“ (Ps 103,1-3). <63> <63> Wir wollen nachdenken über die Wunder der Liebe Gottes, während wir das Geheimnis des Herzens Christi betrachten. Die reiche anthropologische Resonanz, die das Wort „Herz“ in der Sprache der Bibel weckt, ist bekannt. Mit ihm werden nicht nur die dem Gefühlsbereich eigenen Empfindungen wachgerufen, sondern auch alle die Erinnerungen, Gedanken, Überlegungen, Pläne, die die innerste Welt des Menschen ausmachen. In der biblischen Kultur und auch in einer Reihe anderer Kulturen ist das Herz der Wesenskern der Persönlichkeit, wo der Mensch vor Gott steht als Ganzheit von Leib und Geist, als denkendes, wollendes und liebendes Ich, als Mittelpunkt, in dem sich die Erinnerung an die Vergangenheit der Planung der Zukunft öffnet. Sicher interessieren sich für das menschliche Herz der Anatom, der Physiologe, der Kardiologe, der Chirurg und andere, und ihrem wissenschaftlichen Beitrag - das möchte ich gerade an einem Ort wie diesem voll Anerkennung aussprechen - kommt große Bedeutung zu für die gelöste und harmonische Entfaltung des Menschen während seines Erdendaseins. Aber die Bedeutung, der gemäß wir uns jetzt im folgenden auf das Herz 1302 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beziehen, geht über diese Teilbetrachtungen hinaus, um zum Innersten des Bewußtseins der Person zu gelangen, in dem die konkrete Persönlichkeit des Menschen, der Kern, zusammengefaßt oder sozusagen verdichtet ist, in dem der einzelne vor den anderen, vor der Welt, vor Gott über sich entscheidet. Allein vom Menschen kann man im eigentlichen Sinn sagen, er habe ein Herz; vom reinen Geist kann man das offensichtlich nicht sagen und auch nicht vom Tier. Die Rückkehr zum Herzen aus der Zerstreutheit der vielfältigen äußerlichen Erfahrungen ist eine nur dem Menschen vorbehaltene Möglichkeit. 3. Aus dem Glauben wissen wir, daß in einem bestimmten Augenblick der Geschichte das „Wort (Gottes) Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat“ (Joh 1,14). In jenem Augenblick hat Gott;mit einem Menschenherzen zu lieben begonnen. Ein wirkliches Herz, fähig, stark, sanft, leidenschaftlich zu schlagen. Das Herz Jesu hat wahrhaftig Gefühle der Freude empfunden angesichts der Schönheit der Natur, der Anmut der Kinder, beim Anblick eines reinen Jünglings; Gefühle der Freundschaft für die Apostel, Lazarus, die Jünger; Gefühle des Mitleids für die Kranken, die Armen, die vielen Menschen, die von Trauer, Einsamkeit, Schuld heimgesucht wurden; Gefühle der Entrüstung über die Händler im Tempel, die Heuchler, der Schänder der Unschuld; Gefühle der Angst angesichts des Leidens und des Mysteriums des Todes. Es gibt kein wahrhaft menschliches Gefühl, das das Herz Jesu nicht empfunden hätte. Pessimistische Bibelworte über das menschliche Herz Heute halten wir in verehrendem Gebet vor jenem Herzen inne, in dem das ewige Wort unmittelbar unser Elend erfahren und erlebt hat, weil „er nicht daran festhielt, wie Gott zu sein, sondern sich entäußerte und wie ein Sklave wurde und den Menschen gleich“ {Phil 2,6-7). Von der grenzenlosen Macht Gottes hat das Herz Christi nur die waffenlose Macht der verzeihenden Liebe bewahrt. Und in der radikalen Einsamkeit des Kreuzes hat es sich von der Lanze des Hauptmanns durchbohren lassen, damit sich aus der geöffneten Wunde der unerschöpfliche Strom des Erbarmens auf die Schändlichkeiten der Welt ergieße, der reinigt, läutert und erneuert. Im Herzen Christi begegnen einander also göttliche Fülle und menschliche Armut, die Macht der Gnade und die Hinfälligkeit der Natur, der Anruf Gottes und die Antwort des Menschen. In ihm findet die Mensch- 1303 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heitsgeschichte ihren endgültigen Hafen, weil „der Vater das Gericht ganz dem Sohn übertragen hat“ (vgl. Joh 5,22). Jedes Menschenherz muß sich darum, ob es will oder nicht, dem Herzen Christi zuwenden. 4. Dieses unser Herz! Die Bibel spart nicht mit pessimistischen Worten über das menschliche Herz, in dem sich nicht selten Doppelzüngigkeit verbirgt, wie im Fall derer, die „ihren Nächsten freundlich grüßen, doch Böses hegen in ihrem Herzen“ (Ps 28,3); oder es schleicht sich die Untreue gegenüber dem Bund ein, wie der Psalmist von dem jüdischen Volk beklagt: „Ihr Herz hielt nicht fest zu ihm, sie hielten seinem Bund nicht die Treue“ (Ps 78,37). Wer erinnert sich nicht an die bittere Feststellung: „Dieses Volk ehrt mich bloß mit den Lippen, sein Herz aber hält es fern von mir“ (Jes 29,13)? Der Mensch darf in der Tat nicht vergessen, daß es ihm zwar möglich ist, seinesgleichen zu betrügen, ihm das aber bei Gott nicht gelingt, denn „der Mensch sieht nur das Gesicht, der Herr aber sieht das Herz“ (1 Sam 16,7). Angesichts der enttäuschenden Wirklichkeit eines „störrischen, trotzigen Herzens“ (Jer 5,23) bleibt nur eine Hoffnung: die Hoffnung auf eine Initiative Gottes, die das menschliche Herz erneuert und es noch stärker dazu befähigt, Gott und die Brüder mit aufrichtiger Hochherzigkeit zu lieben. Das hat der Herr durch den Mund des Propheten Ezechiel verheißen: „Von all euren Unreinheiten und all euren Götzen reinige ich euch. Ich schenke euch ein neues Herz und gebe euch einen neuen Geist. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch“ (Ez 36,25 f.). <64> <64> In Christus ist diese Verheißung Wirklichkeit geworden. In der Begegnung mit ihm wird dem Menschen die Möglichkeit geboten, wieder ein neues Herz zu erhalten, nicht mehr ein Herz „von Stein“, sondern „von Fleisch“. Um dahin zu gelangen, muß er jedoch vor allem „von neuem geboren werden aus Wasser und Geist“, wie einst bei Nacht einem „Pharisäer namens Nikodemus“ gesagt wurde (vgl. Joh 3,1 ff.); und dann muß er bei Jesus in die Schule gehen, um von ihm zu lernen, wie man wirklich liebt. Genau das hat Jesus selbst gefordert. Denn er sagte: „Lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig.“ Durch sein Wort und sein Beispiel hat uns Christus die Güte und die Demut als unerläßliche Gaben, um wirklich zu leben, gelehrt; er hat uns gelehrt, daß der Menschensohn „nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,45). Die wahre Liebe bedient sich nicht des anderen, 1304 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sondern dient ihm, indem sie sich für ihn verausgabt, auch bis hin zur völligen Selbstaufopferung und Hingabe der eigenen Dinge. 6. Aber gerade in dieser Selbstentäußerung aus Liebe liegt das Geheimnis der wahren Weisheit, die etwas von dem Geheimnis Gottes erahnen und die höhere Weisheit der Gesetze zu begreifen vermag, die seinem dreimal heiligen Willen entspringen. Jesus betont das nicht ohne ein Aufwallen innerer Freude: „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast. Ja, Vater, so hat es dir gefallen“ (Mt 11,25 f.). Wir vernehmen diese Worte in einer Umgebung, die ihrer Institution nach für das medizinische Hochschulstudium bestimmt ist, unter Menschen, die die wissenschaftliche Forschung zum Sinn ihres Lebens gemacht haben. Diese Worte hören die vielen hier versammelten jungen Leute, die das Hochschulstudium aufgenommen haben, getrieben von dem Wunsch, sich die Errungenschaften einer Disziplin zu eigen zu machen, die in unserem Jahrhundert so große und so außergewöhnliche Fortschritte gemacht hat. Ist denn in den Worten Christi ein Anklang von Mißtrauen: gegenüber dem Engagement gegeben, mit dem der Mensch nach immer gründlicherer Kenntnis von sich und der Welt strebt? Das sicher nicht, da Christus als Wort Gottes die personifizierte Weisheit, d. h. die Weisheit selbst, ist und ihn der Evangelist als einen Menschen darstellt, der bestrebt ist, „an Weisheit und Alter zuzunehmen, und der Gefallen fand bei Gott und den Menschen“ (vgl. Lk 2,52). Die Kirche hat nie daran gezweifelt und deshalb im Laufe ihrer zweitausendjährigen Geschichte stets allerorts nicht nur kirchliche, sondern auch weltliche Studienzentren ins Leben gerufen in der Überzeugung, daß jeder Fortschritt in der Erkenntnis der Wahrheit objektiv eine Huldigung an Gott, die bestehende Wahrheit, ist, „durch welche Wahrheit - um es mit dem hl. Thomas zu sagen - alle wahren Dinge wahr sind“ {In Ev. Io., lect. I, n. 33). Sind wir im übrigen nicht heute abend hier zusammengekommen, um am 25. Todestag des Gründers eines der angesehensten dieser Studienzentren zu gedenken? Als Pater Agostino Gemelli mit der Katholischen Herz-Jesu-Universität begann, sah er sie als „Werk, das bestimmt: ist für den Fortschritt des übernatürlichen Lebens der Menschen sowohl durch die Erziehung der Jugend als durch die Forschung und die Verteidigung der Wahrheit“ (Testament, Ostern 1954). Und dasselbe Ideal drängte ihn am Ende seines Lebens, sich für die Verwirklichung dieser Medizinischen Fakultät mit angeschlossener Poliklinik einzusetzen, die er als Krönung des Traums ansah, der viele Jahre 1305 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zuvor im Herzen des Arztes und Priesters entstanden war, der von dem Wunsch beseelt war, in den Krankensälen „eine Atmosphäre zu schaffen, in der der Kranke eine Verbundenheit zwischen sich und denen, die ihn pflegen, wahrnimmt“. Die wahre Wissenschaft ist also nicht diejenige, die dem Menschen die Erkenntnis Gottes und seines Geheimnisses verwehrt. Die Wissenschaft, die sich als Dienerin und nicht als Herrin der Wahrheit fühlt, die niemals das Gefühl für das Geheimnis verliert, weil sie weiß, daß es jenseits des begrenzten Horizonts, zu dem sie mit ihren Mitteln zu gelangen vermag, unermeßliche, grenzenlose Ausblicke gibt, die sich in jenem Abgrund von Licht verlieren, der da Gott heißt, diese Wissenschaft verwehrt die Offenbarung der Geheimnisse Gottes nicht nur nicht, sondern bereitet darauf vor. Zu dieser Wissenschaft sind alle berufen, die wie ihr, verehrte Professoren und hebe Studenten, ihr Engagement in Studium und Forschung zu einer Glaubensentscheidung gemacht haben. Einer Katholischen Universität anzugehören, die nach dem Heiligsten Herzen Jesu benannt ist, ist eine Tatsache, die euch ehrt und zugleich in hohem Maße verpflichtet. Wer, wenn nicht ihr, wird sich in die Schule jenes göttlichen Herzens begeben, das mit seinen Schlägen die Geschichte der Welt und die persönliche Geschichte eines jeden von uns begleitet? In jenem Herzen „sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen“ (Kol 2,3). Was für eine Aussicht für jeden, der die Suche nach der Wahrheit zum Sinn seines Lebens gemacht hat! 7. Doch an das göttliche Herz Jesu könnt auch ihr euch um Hilfe wenden, liebe Kranke, die ihr gegen die Krankheit ankämpft, die euch betroffen hat, und viel moralische Kraft nötig habt, um nicht der Versuchung zu Niedergeschlagenheit und Mißtrauen nachzugeben. Hat er nicht gesagt: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ {Mt 11,28)? Diese Worte, die von so großer Menschenfreundlichkeit durchdrungen sind, wiederholt -er auch heute für euch, liebe Kranke, die ihr in dieser Poliklinik aufmerksame Hilfe und geeignete Behandlung findet; er wiederholt sie für alle, die sich im Dienst an euch als Pflegerinnen und Pfleger mit eifriger Hingabe auf opfern; er wiederholt sie für eure Angehörigen, die mit euch die Angst und Sorge wegen der Krankheit und die Hoffnung auf eine rasche Genesung teilen; er wiederholt sie für uns alle: „Kommt alle zu mir!“ Wenn wir uns „plagen und schwere Lasten zu tragen haben“, wollen wir 1306 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die mit so liebevollem Nachdruck ausgesprochene Einladung annehmen: gehen wir zu ihm, lernen wir von ihm, vertrauen wir uns ihm an! Wir werden die Wahrheit der Verheißung erfahren; wir werden jene „Seelenruhe“ finden, nach der sich unser müdes Herz sehnt. Amen. Willkommen im Namen des Herrn Ansprache bei der Audienz für den orthodoxen Erzbischof von Australien, Stylianos, und die Delegation des Ökumenischen Patriarchats am 28. Juni Eure Eminenz! 1. Ihnen persönlich und Ihrer Begleitung sage ich ein herzliches Willkommen! Indem ich Sie mit brüderlicher Liebe und großer Freude empfange, möchte ich natürlich denen Ehre erweisen, die Sie entsandt haben: Seiner Heiligkeit Patriarch Dimitrios I. und dem Heiligen Synod der Kirche von Konstantinopel. Aber besonders glücklich bin ich, Sie persönlich zu empfangen, da ich von Ihrer Arbeit als Bischof der griechisch-orthodoxen Kirche in Australien weiß und auch, daß Sie mit Kardinal Willebrands den Vorsitz der Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche teilen. Daß Sie anläßlich des Festes Peter und Paul zu uns kommen, ist ein Grund zu großer Freude: Ich bin tief überzeugt, daß die persönliche Bekanntschaft zwischen den Oberhirten unserer Kirchen ein entscheidender Faktor für den Fortschritt unserer gemeinsamen Suche nach voller Einheit ist. Noch entscheidender ist das gemeinsame Gebet dieser Hirten für das Volk Gottes. Willkommen also im Namen des Herrn! Möge er: stets Ihre Schritte segnen und Ihre Arbeit fördern. <65> <65> Wieder ist das Fest der heiligen Petrus und Paulus ein Anlaß, einander zu treffen und miteinander ihr Gedächtnis zu feiern, so wie jedes Jahr im Ökumenischen Patriarchat ein gemeinsamer Gottesdienst zum Gedenken an den hl. Andreas, den Bruder des Petrus, stattfindet. Heute kommen uns die Worte des Evangeliums in den Sinn: „Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, genannt Petrus, und seinen Bruder Andreas; sie warfen gerade ihr Netz in den See, denn sie 1307 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN waren Fischer“ (Mt 4-, 18). Diese beiden Brüder leben von Anfang an in täglicher Gemeinschaft, verrichten dieselbe Arbeit, arbeiten miteinander für denselben Familienverband, haben denselben Arbeitsplatz: den See, der bald ruhig, bald stürmisch ist (vgl. Mt 8,24), bald keinen Fisch liefert, dann wieder einen überreichen Fang (vgl. Lk 5,4-7); sie erleben dieselben Schmerzen und dieselben Freuden. Auf diese gemeinsame Herkunft folgt eine gemeinsame Berufung: „Folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischem machen“ (Mt 4,19). Auf diese gemeinsame Berufung geben sie ein und dieselbe Antwort: „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm“ (Mt 4,20). Die Wahrheit Christi in apostolischer Sukzession Sie folgten ihm ihr ganzes Leben lang bis zum Ende, zum Märtyrertod. Sie hörten sorgfältig auf die Lehre des Herrn und verwirklichten sie. Sie vernahmen den Auftrag des auf erstandenen Herrn und führten ihn aus: „Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern . . . und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,19-20). Ihre Verkündigung hat uns, die Christen im Westen und im Osten, erreicht und verbindet uns in gemeinsamer Berufung zu einer einzigen Sendung: alle Völker zu einer Familie zu machen, in der Annahme der Lehre, die Jesus Christus seinen Jüngern anvertraut hat. Aufgrund der ununterbrochenen apostolischen Sukzession ist die Wahrheit Christi auf uns gekommen. Die Feier zu Ehren der Apostel erinnert uns in unserer Zeit wieder an diese Berufung. Die heutige Menschheit gleicht einem stürmischen Meer; hin- und hergerissen von den Strömungen: von Unrast, Angst und Furcht vor ihrer unbekannten Zukunft. Sie spürt aber auch freundliche, sanfte Brisen, die Hoffnung und Vertrauen wecken, die den Glauben verlangen, daß der Herr bei uns ist „alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,10); und die auch ein harmonisches Zeugnis des Glaubens, der gegenseitigen Liebe und des gemeinsamen Handelns verlangen. 3. Aus diesem Grund richtet sich, dem Willen des Herrn gehorchend, unsere gemeinsame Aufmerksamkeit vor allem auf das Gebet, den theologischen Dialog und das vertiefte Studium. Die Einheit, die die Gemeinschaft der Gläubigen braucht, sollte ungetrübt sein; sie sollte vollständig und vollkommen sein. Auch wenn wir noch all die Fragen zu klären haben, die einer vollen Gemeinschaft im Glauben im Wege stehen. Die 1308 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemischte Kommission für den theologischen Dialog scheint daher die richtige Entscheidung getroffen zu haben, als sie als Ausgangspunkt das Studium des sakramentalen Charakters der Kirche und ihrer Sakramente bestimmte. Die gemeinsam geteilte Auffassung über den sakramentalen Charakter der Kirche wird den ganzen Dialog positiv unterstützen. Sicher wird die Suche nach Einheit keinesfalls eine Suche nach Einförmigkeit bedeuten. Das Leben der Kirche ist vielseitig. Es setzte sich im Laufe der Jahrhunderte das Ziel, so vollständig wie möglich den verschiedenen kulturellen und geistlichen Bedürfnissen zu entsprechen, wobei es dem Erbe der verschiedenen Völker volle Wertschätzung zuteil werden ließ. Diese Vielfalt hat auch das liturgische Leben durchdrungen. Wenn derartige Vielfalt und Verschiedenheit denselben Glauben zum Ausdruck bringt, bedeutet sie nicht nur kein Hindernis für die Einheit, sondern stellt eine wertvolle ergänzende Offenbarung des unerschöpflichen christlichen Geheimnisses dar. Das alles bereichert den Dialog, weil es alles hervorhebt, was mit der Einheit vereinbar ist und damit um so besser jede Lehrschwierigkeit aufgreifen und lösen läßt. Ein derartiges Ziel verlangt die Beteiligung aller und jedes einzelnen, besonders im Gebet, das inständig sein muß und nicht abgebrochen werden darf. Wir haben oft zum Gebet aller Katholiken für diesen Dialog aufgerufen. Ich bin sicher, daß derselbe Aufruf an die orthodoxen Gläubigen erfolgte. 4. Eine tiefe und wirklich fruchtbare Weiterführung des theologischen Dialogs wird der Unterstützung durch jenen umfassenderen Dialog bedürfen, den wir den Dialog der Liebe nennen. Brüderliche Beziehungen zwischen unseren Kirchen werden intensiviert, und so sollte es auch Begegnungen zwischen unseren Gläubigen sowie praktische Zusammenarbeit und unter bestimmten Umständen gegenseitige uneigennützige, aufgeschlossene Seelsorge geben. Die gegenseitige Liebe, der offene Dialog, um die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen, und immer engere Kontakte werden Katholiken und Orthodoxe zu voller Gemeinschaft des Glaubens innerhalb einer Vielfalt liturgischer, disziplinärer, spiritueller und theologischer Überlieferung führen. Die hl. Apostel, die Brüder Petrus und Andreas, helfen uns durch ihre Fürbitte. Sie haben uns ein entscheidendes Vorbild gegeben: „Sofort ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.“ Auf das Wort Gottes zu hören, ist der entscheidende Faktor auf unserem gemeinsamen Weg zur vollen Einheit. 1309 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses gemeinsame Gebet am Fest der heiligen Petrus und Paulus und diese brüderliche Begegnung sind Zeichen unseres gemeinsamen Willens, dem Herrn jetzt und in Zukunft zu folgen. „Ihm gebührt die Herrlichkeit, jetzt und bis zum Tag der Ewigkeit. Amen“ (2 Petr 3,18). „Aus ihrem Zeugnis wächst die Kirche“ Predigt bei der feierlichen Messe in St. Peter am Fest Peter und Paul, 29. Juni Vor Beginn der Messe sagte der Papst: Brüder und Schwestern! Wir sind hier in dieser Basilika versammelt, um die Liturgie des Festes der heiligen Petrus und Paulus, der Apostelfürsten und Säulen der Kirche von Rom, zu feiern und im strahlenden Licht dieser unerschrockenen Zeugen Christi unseren Glauben zu prüfen und zu stärken. Wie schon seit einigen Jahren ist auch diesmal eine Delegation des ökumenischen Patriarchen anwesend. In diesem Jahr wird sie vom Erzbischof von Australien, Seiner Eminenz Stylianos, Kopräsident der gemischten Kommission für den theologischen Dialog zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche, angeführt. Ich danke Patriarch Dimitrios I. von Herzen für die Entsendung der Delegation; ebenso danke ich deren Mitgliedern, die sich hier eingefunden haben, um sich unserem Gebet anzuschließen: Wir wollen gemeinsam den Herrn um die volle Versöhnung zwischen unseren Schwesterkirchen durch ein wirksames christliches Zeugnis von Christus und durch eine entschiedenere Verkündigung seines Evangeliums der Liebe und des Friedens bitten. Nach dem Evangelium hielt der Papst folgende Predigt: 1. „Du bist Petrus, der Fels“ (vgl. Mt 16,18). Diese Worte spricht Jesus in der Nähe der Stadt Cäsarea Philippi. Er sagt sie zu Simon Petrus, doch sein inneres Auge, der Blick seiner Seele ist dabei auf den Vater gerichtet. 1310 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unmittelbar vorher hatte Simon Petrus auf die Frage: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ geantwortet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (vgl. Mt 16,15-16). Jesus weiß, daß diese Antwort des Petrus nicht direkt von ihm, dem Fischer aus Galiläa und Apostel, stammt, sondern: vom Vater! „. . . Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,17). Die Worte des Simon Petrus sind ein Glaubensbekenntnis: Sie sind Offenbarung, deren Quelle der Vater selbst ist. Jesus Christus heftet den Blick auf den Vater. Er erkennt in der Antwort des Petrus den Glauben, der aus der Offenbarung geboren und nunmehr zur Reife gelangt ist und sagt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). 2. So also wird die Kirche auf den Felsen des Glaubens gegründet, der seinen Ursprung in Gott selbst hat: im Vater. In den menschlichen Worten - wie unmittelbar vorher in den Worten des Petrus - ist dieser Glaube Ausdruck der Wahrheit, die von Gott stammt. Gegner dieser Wahrheit sind die „Mächte der Unterwelt“. Diese versuchen von Anfang an, in der Geschichte des Menschen die Wahrheit zu zerstören, die von Gott stammt und ihren Quellgrund im Vater hat. Die Kirche, für die das Bekenntnis des Petrus „der Fels“ geworden ist, wird den „Mächten der Unterwelt“ entgegengestellt. Sie werden versuchen, das zu überwältigen, was seine Quelle in Gott hat, aber es wird ihnen nicht gelingen. „Sie werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). Der Name Petrus in der Antwort Christi ist mit der Verheißung verbunden, daß die Kirche in dieser Wahrheit, die von Gott stammt,: verbleiben wird. Dieses Bleiben in der Wahrheit wird seine endgültige Grundlage aus Kreuz und Auferstehung Christi beziehen. In ihm wird der Kirche auch der Heilige Geist geschenkt: der Tröster; der Geist der Wahrheit. 3. Am heutigen Tag verehrt die Kirche den Apostel Petrus, indem sie den Blick auf ihn richtet, so wie Christus auf den ewigen Vater, der die Quelle der Wahrheit und der Liebe ist. Gleichzeitig betrachtet die Kirche am Tag des Martyriums des Apostels seine menschliche Lebensgeschichte. Sie denkt zunächst an die Zeit, als Petrus nach der Rückkehr Christi zum Vater der Kirche in Jerusalem Vorstand. 1311 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dort war er von Herodes eingekerkert worden, der beabsichtigte, „ihn nach dem Paschafest dem Volk vorführen zu lassen“ (Apg 12,4). Er hatte gerade erst Jakobus, den Bruder des Johannes, zum Tod verurteilt und gedachte dasselbe mit Simon Petrus zu tun. Die Mächte der Unterwelt versuchen, jene Wahrheit zu überwältigen, durch die die Kirche in Gott bleibt: Sie bleibt im Vater durch den Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes. Die Mächte der Unterwelt versuchen, den Menschen zu vernichten, mit dem Christus das Charisma dieser Wahrheit verbunden und den er Petrus, den „Fels“, genannt hat. Dieser Mensch verfügt über keine menschliche Kraft, um sich zu verteidigen. „Mit zwei Ketten gefesselt“ (Apg 12,16) erwartet er im Gefängnis von Jerusalem das Todesurteil. 4. Gott ist der Herr über Leben und Tod des Simon Petrus. „Die Gemeinde betete inständig für ihn zu Gott“ (Apg 12,5). Die Kirche braucht Petrus. Nicht nur die Kirche von Jerusalem braucht ihn, sondern auch die von Antiochien und Rom. Die Liturgie des heutigen Festes ist erfüllt von freudiger Dankbarkeit darüber, daß Gott den Petrus der Macht des Herodes entrissen hat. Das bringt der Apostel selber zum Ausdruck, als er auf wunderbare Weise aus dem Gefängnis entführt und der Kirche von Jerusalem zurückgegeben wird. Das bringt der Antwortpsalm zum Ausdruck, in dem mit dem fernen Echo von Generationen die Worte Petri widerhallen: „. . . Der Herr . . . hat mich allen meinen Ängsten entrissen“ (Ps 34,5). Und die Kirche scheint voll Freude über diese Befreiung zu rufen: „Ich suchte den Herrn, und er hat mich erhört“ (Ps 34,5). Das ist Petrus: der Mensch, der die tiefe Erfahrung seiner eigenen Schwäche erlebt hat. Der Apostel, der über seine dreimalige Verleugnung bitterlich weinte. Das ist Petrus: In derselben Nacht, da er aus der Macht des Herodes befreit wurde, erkannte er, daß er sich völlig in der Macht Gottes befand. Und er vertraute sich dieser Macht vorbehaltlos an. <66> <66> Heute ehren wir das Gedächtnis seines Märtyrertodes in Rom. In diesem Tod als Märtyrer zur Zeit des Nero während der ersten Christenverfolgung wurde Petrus endgültig mit Paulus aus Tarsus vereint. Wir wissen, daß Christus Paulus in die Gruppe der Apostel aufgenommen hat, als er sich ihm auf dem Weg nach Damaskus offenbarte. Zuerst war er 1312 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - als Pharisäer mit dem Namen Saulus - ein Verfolger der Jünger und Apostel Christi gewesen. Dann wurde auch er ein Apostel. : Ja, er wurde zu „einem auserwählten Werkzeug“. Christus selbst sagte von ihm: „. . . Er soll meinen Namen vor Völker und Könige und die Söhne Israels tragen. Ich werde ihm auch zeigen, wieviel er für meinen Namen leiden muß“ (Apg 9,15-16). Dem Petrus war Paulus zum ersten Mal in Palästina, dann in Antiochien, schließlich in Rom begegnet. Während der Verfolgung zur Zeit des Nero hielten sie sich gleichzeitig hier auf. Auch Paulus hat auf seinem Weg als Apostel erfahren, wie sehr auch er in Gottes Händen war. Mehrmals wurde er „dem Rachen des Löwen entrissen“ (vgl. 2 Tim 4,17). Mit Petrus verband ihn das Charisma der göttlichen Wahrheit durch den Dienst an der Wahrheit, die in Jesus Christus vom Vater stammt. Er schreibt an Timotheus: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten“ (2 Tim 4,7). Und er fährt fort: „Aber der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündigung vollendet wird und alle: Heiden sie hören“ (2 Tim 4,17). Am Ende seines Lebens schreibt er: „Der Herr wird mich allem Bösen entreißen, er wird mich retten und in sein himmlisches Reich führen“ (2 Tim 4,18). Die Kirche wächst hier in Rom 6. Heute gehen beide Apostel, Simon Petrus und Paulus aus: Tarsus, im Heilscharisma des Evangeliums vereint - der Wahrheit, die vom Vater stammt -, dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn entgegen. Die Stunde ihres Märtyrertodes, die Stunde des endgültigen Zeugnisses hat sie hier in Rom vereint. Aus diesem Tod, aus diesem Zeugnis erwächst die Kirche. „Die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen“ {Mt 16,18). Die Kirche wächst hier in Rom - und sie wird an immer neuen Orten der Erde entstehen, inmitten verschiedener Völker und verschiedener Nationen. Sie wird in sich das Erbe der Apostel Petrus und Paulus tragen, dank der „die Mächte der Unterwelt“ diese Wahrheit nicht überwältigt haben: die vom Vater stammt. „Nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel“ {Mt 16,17). In dieser Wahrheit ist das Band zwischen der irdischen Pilgerschaft des Menschen und dem Himmelreich gefestigt worden: „die Schlüssel des 1313 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Himmelreiches“; „was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein {Mt 16,19). Ein sehr enges Band. Ein organisches Band. „Die Mächte der Unterwelt“ konnten, indem sie mit den Schwertern der Verfolger zuschlugen, Simon Petrus und Paulus aus Tarsus dem Tod ausliefern - aber es ist ihnen nicht gelungen, das Band mit dem Himmelreich zu zerstören, das die Apostel in der Kirche kraft der von Gott geoffenbarten Wahrheit gefestigt hatten. 7. „Verherrlicht mit mir den Herrn, laßt uns gemeinsam seinen Namen rühmen. Ich suchte den Herrn, und er hat mich erhört, er hat mich all meinen Ängsten entrissen“ (Ps 34,4-5). Der Psalmist singt diese Worte in der heutigen Liturgie. Diese Worte wiederholt Simon Petrus, sie wiederholt Paulus aus Tarsus. Diese Worte singt die ganze Kirche: die auf dem Fels der Wahrheit, die von Gott stammt, erbaut ist; sie fürchtet sich nicht! Sie ist ihrer Angst entrissen. Die Wahrheit macht sie frei für die Freiheit. Die Wahrheit macht sie frei für die Ewigkeit. Das ist die apostolische Botschaft des Simon Petrus und des Paulus aus Tarsus an dem Tag, an dem sie endgültig von jeder Angst befreit wurden. Und der feierliche Ritus der Überreichung der heiligen Pallien, der jetzt folgt, fügt sich gut in diese geistliche Atmosphäre ein und ist nicht nur Ausdruck der besonderen Gemeinschaft, die die Metropoliten mit dem Nachfolger Petri verbindet, sondern auch und vor allem der größeren Verpflichtung zur Liebe zu Christus und den Seelen: einer Liebe, die jede Furcht in die Flucht schlägt und imstande ist, sich ganz für die eigene Herde hinzugeben. Amen. 1314 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein Recht auf Heimat Botschaft an die Veranstalter und Teilnehmer der II. Internationalen Konferenz für Flüchtlingshilfe in Afrika vom 5. Juli Ich richte meinen geziemenden und vertrauensvollen Gruß an Sie. Es gereicht Ihnen als Menschen, Regierungen und Verantwortlichen der Organisationen zur Ehre, daß sie diese wichtige Tagung seit langem vorbereitet haben und in der festen Absicht dorthin kommen, die Aufnahme- und Lebensbedingungen von Millionen unserer Brüder und Schwestern immer mehr zu verbessern und damit die Hoffnung auf eine menschlichere Zukunft für alle Flüchtlinge oder Vertriebene auf dem afrikanischen Kontinent. Wie ich erst vor kurzem in Thailand in meiner Ansprache an; die Flüchtlinge des Lagers von Phanat Nikhom und in meiner Rede an die Mitglieder der Regierung und des Diplomatischen Korps sagte, steht die Würde der menschlichen Person, ein Geschenk Gottes, auf dem Spiel. Möge dieser Gedanke Ihre Arbeiten leiten und Ihre Entscheidungen inspirieren! Die so beträchtliche Zahl von Flüchtlingen darf nicht dazu führen, daß ihre Probleme wie die von Menschenmassen behandelt werden, die nur beherbergt, ernährt und vor Epidemien geschützt werden müssen, während man auf ihren Abzug in andere Orte wartet. Es gibt Brüder und Schwestern sowie Länder, die beschlossen haben, Flüchtlinge aufzunehmen, deren Leiden sie erleichtern und denen sie Hoffnung geben wollen. Doch die schweren finanziellen Belastungen, die damit verbunden sind, können von diesen Aufnahmeländern allein nicht getragen werden; darum wird an die internationale Gemeinschaft appelliert, großzügige Hilfe zu gewähren. Wenn Sie die Ihnen vorliegenden Projekte studieren, können Sie sich, über das Flüchtlingsproblem in seiner Gesamtheit hinaus, Vorstellungen von dem Drama machen, das jeder einzelne von ihnen erlebt, über die Verzweiflung jeder Familie. Die Ursachen, die zu diesen Situationen führen, werden gewiß objektiv untersucht werden müssen, denn es ist notwendig, sie so bald wie möglich zu beseitigen: Sie verletzen die Erwachsenen und die Jugendlichen schwer und manchmal tödlich in ihrer menschlichen Würde, wenn sie sie zur Entwurzelung aus Kultur und Familie verurteilen, in physisches Elend und Untätigkeit treiben, der Ausübung ihrer sozialen Rechte berauben. Unsere eigene menschliche 1315 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Würde als Wesen, die Gott als Brüder geschaffen hat, wäre ernsthaft gefährdet, wenn wir dieser Not keine Beachtung schenkten. Ihre Teilnahme an dieser Konferenz, deren Bestreben es ist, Projekte in Erwägung zu ziehen, die nicht das bloße Überleben der Flüchtlinge betreffen, sondern vielmehr die menschliche Förderung und soziale Eingliederung zum Ziel haben, ist bereits für Millionen von Flüchtlingen, die sich fragend an Sie wenden, eine erste Antwort der Hoffnung: Sie beweisen Ihnen damit, daß sie angenommen, geachtet, geliebt werden, daß sie sich mit Ihrer Hilfe selbst auf ihre Zukunft vorbereiten werden, auf daß sie eines Tages ihren Platz in ihrer eigenen Heimat wieder einnehmen können - was ein immer geltendes Recht bleibt -, und zwar mit den zusätzlichen Sachkenntnissen, die sie sich in der Zeit des Exils aneignen können. Wenn Menschen guten Willens mit denen solidarisch sein wollen, die leiden, wenn sie ihre Bemühungen, damit sie wirksamer sind, miteinander absprechen und vereinen, dann wird unser Menschsein brüderlicher; indem wir auf Worte wie die der Bergpredigt und der Seligpreisungen hören, bereiten wir, Männer und Frauen jeder Religion, eine Welt vor, in der man besser leben kann. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, das UNO-Hochkommissa-riat für das Flüchtlingswesen, die Organisation für afrikanische Einheit, alle teilnehmenden Regierungen und die nicht staatlichen hier vertretenen Organisationen seien zu ihrer Initiative beglückwünscht und für die Hochherzigkeit ihres Engagements gelobt! Aus dem Vatikan, am 5. Juli 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. 1316 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschichtsunterricht muß korrekt sein Ansprache an die Leitungsgruppe des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates (ICCJ) am 6. Juli Liebe Freunde! Herr Präsident und Mitglieder des Exekutivkomitees des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates! 1. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, für die freundlichen Grußworte, mit denen Sie mir soeben die Ziele, Aufgaben und Sorgen des Internationalen Christlich-Jüdischen Rates vor Augen gestellt haben. Und ich danke auch Ihnen, den Mitgliedern des Exekutivkomitees, für die Freundlichkeit, daß Sie anläßlich Ihres Internationalen Kolloquiums, das nächste Woche in Vallombrosa stattfinden soll, den Papst besuchen wollten. Seien Sie willkommen in diesem Haus, wo die Aktivitäten jener, die den Dialog zwischen Christen und Juden fördern und persönlich darin engagiert sind, aufmerksam verfolgt und wärmstens ermutigt werden. Denn nur durch eine solche Begegnung der Seelen und Herzen, in der uns unsere Glaubensgemeinschaften und vielleicht auch andere Glaubensgemeinschaften - wie Sie es mit dem Islam versuchen - gegenseitig zugänglich werden, können beide, Juden und Christen, aus ihrem „reichen gemeinsamen geistlichen Erbe“ (vgl. Nostra aetate, Nr. 4) Nutzen ziehen und es für ihr eigenes und das Wohl der Welt fruchtbar machen. <67> <67> Ja, ein „reiches gemeinsames geistliches Erbe“, das zuerst allen Christen und allen Juden zur Kenntnis gebracht werden sollte und das nicht nur das eine oder andere isolierte Element umfaßt, sondern eine solide, fruchtbare, reiche, gemeinsame religiöse Erbschaft: den Monotheismus; den Glauben an einen Gott, der sich als liebender Vater der Menschheit annimmt, Abraham und die Propheten erwählt und Jesus in die Welt gesandt hat; ein gemeinsames Grundmodell für den Gottesdienst und ein gemeinsames Bewußtsein von unserer auf Glauben gegründeten Verpflichtung gegenüber allen Männern und Frauen in Not, die unsere „Nächsten“ sind (vgl. Lev 19,18 a; Mk 12,31 und Parallelsteilen). Darum sind Sie so sehr an religiöser Erziehung auf beiden Seiten interessiert, damit die Bilder und Vorstellungen, die jeder von uns vom anderen entwirft, wirklich frei sind von Klischees und Vorurteilen, so daß sie die Identität des anderen respektieren und tatsächlich die Leute auf die schon erwähnten Begegnungen der Herzen und Seelen vorbereiten. Auch der 1317 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unverfälschte Geschichtsunterricht gehört zu Ihren Anliegen, Das ist nur allzu verständlich angesichts der traurigen und verworrenen gemeinsamen Geschichte von Juden und Christen - einer Geschichte, die nicht immer korrekt gelehrt oder vermittelt wird. 3. Außerdem besteht die Gefahr einer stets gegebenen und manchmal wieder neuauflebenden Tendenz, Völker und Menschengruppen zu diskriminieren, wobei einige emporgehoben, andere verachtet werden. Eine Tendenz, die gelegentlich nicht vor der Gewaltanwendung zurückschreckt. Solche Tatbestände auszumachen und anzuprangern und gemeinsam Front gegen sie zu machen, ist eine edle Tat und ein Beweis für unsere gegenseitige brüderliche Verpflichtung. Man muß aber durch Erziehung, besonders durch die Erziehung zum Dialog, solchem Übel an die Wurzel gehen. Das würde freilich nicht genügen, wenn es nicht mit einem tiefen Wandel in unserem Herzen, mit einer echten geistlichen Umkehr verbunden wäre. Das bedeutet auch, daß wir immer wieder die gemeinsamen religiösen Werte beteuern und auf eine persönliche religiöse Verpflichtung in der Liebe Gottes, unseres Vaters und in der Liebe aller Männer und Frauen hinarbeiten (vgl. Dtn 6,5; Lev 19,18; Mk 12,28-34). Die Goldene Regel haben, das wissen wir gut, Juden und Christen gemeinsam. In diesem Zusammenhang muß Ihre bedeutsame Arbeit mit der Jugend gesehen werden. Indem Sie junge Christen und Juden zusammenbringen und ihnen ermöglichen, miteinander zu leben, zu sprechen, zu singen und zu beten, leisten Sie einen großen Beitrag zur Schaffung einer neuen Generation von Männern und Frauen, die sich füreinander und für alle interessieren und sorgen, die darauf vorbereitet werden, anderen, die der Hilfe bedürfen, unabhängig von ihrem Religionsbekenntnis, ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Hautfarbe zu dienen. Gemeinsame Studien unserer religiösen Quellen Der Weltfriede wird auf diese bescheidene, scheinbar unbedeutende und begrenzte, am Ende aber doch sehr wirksame Weise gebaut. Und wir alle sind überall, zwischen und innerhalb von Nationen, besonders im Nahen Osten, um den Frieden besorgt. 4. Das gemeinsame Studium unserer religiösen Quellen ist ebenfalls ein Punkt auf Ihrem Aktionsprogramm. Ich ermutige Sie, die wichtige Empfehlung, die das Zweite Vatikanische Konzil in der Erklärung Nostra aetate, Nr. 4 über „biblische und theologische Studien“ gegeben hat, die 1318 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Quelle des „gegenseitigen Verständnisses und der Achtung“ sind, gut anzuwenden. Solche gemeinsam unternommenen Studien, diel sich grundlegend von den früheren „Disputationen“ unterscheiden, haben in der Tat die wahre Kenntnis jeder Religion und auch die freudige Entdeckung des „gemeinsamen Erbes“ zum Ziel, von dem ich anfangs sprach,; wobei stets die Würde des anderen sorgfältig beachtet wird. Der Herr segne alle Ihre Bemühungen und vergelte sie Ihnen mit der Seligkeit, die Jesus ganz der Tradition des Alten Testaments entsprechend, denen verheißen hat, die Frieden stiften (vgl. Mt 5,9;; Ps 37,37). Für eine „neue Begeisterung“ Ansprache an das Generalkapitel der Kongregation der marianischen Regularkleriker am 6. Juli Liebe Brüder! Die Gelegenheit, euch persönlich zu begrüßen, auf die ich vor drei Jahren leider verzichten mußte, nehme ich heute um so lieber wahr, indem ich euch hier persönlich empfange, als Mitglieder und Teilnehmer des Generalkapitels der Kongregation der marianischen Regularkleriker von der Unbefleckten Empfängnis. Sehr gefreut habe ich mich über die zahlreichen Zeichen des Wohlwollens und der Treue gegenüber dem Stellvertreter Christi sowie über die Beweise der Verbundenheit mit dem Stuhl Petri und der Universalkirche, die im letzten Schreiben des Generalobern so reich zum Ausdruck gebracht, durch euren jetzigen Beifall und eure Ergebenheit deutlich bestätigt werden und damals vor drei Jahren durch eure Gebete für meine Genesung und Gesundheit gleichfalls in hervorragender Weise bewiesen wurden. Der Führung der Mutter Kirche folgend, habt ihr euch bereits eifrige Mühe gegeben um die Erneuerung und Wiederherstellung der vorrangigen Gesetze eures Lebens und die Vervollkommnung und Approbierung ihrer endgültigen Textfassung. Weil ich schon lange und sehr gut um euren Eifer um das eigene Apostolat und den Dienst der Kirche weiß, zweifle ich nicht daran, daß euer Fleiß bereits die erwünschten Früchte der Arbeit erbracht hat. 1319 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Noch zu tun bleibt freilich, daß diese Schriftstücke sich in wirksamer Weise in lebendiges Handeln, in echte Werke der Frömmigkeit sowie des missionarischen Eifers verwandeln überall, wo ihr auf Erden eure Häuser habt. Jeder weiß natürlich um die bitteren Schwierigkeiten, die eure Kongregation im Laufe der letzten 300 Jahre ertragen hat, nachdem P. Stanislaus Papczynski auf den Rat der Vorsehung hin sie in meiner Heimat errichtet hatte. Und so wie eure Ordensfamilie bisher die Unbilden zu überwinden vermochte und mehrmals unter größten Gefahren wieder aufleben konnte, so wünsche ich wirklich, ja inständig, daß aus der vertieften Erkenntnis und Erneuerung der Gesetze und Zielsetzungen eures Instituts eine neue Begeisterung unter euch aufblühe. Ich möchte heute diese Leidenschaft in euch entzünden; ich möchte eure Seelen in der Erneuerungsarbeit bestärken; ich möchte euch durch mein Wort und meine brüderliche Ermahnung helfen, damit ihr weiter die Berufe fördert, damit ihr euch treu erweist gegenüber den Vorsätzen eurer gesetzgebenden Väter, damit ihr Kräfte sammelt für die Verwirklichung einer neuen Blüte eurer Ordensfamilie in den kommenden Jahren, wie groß auch immer der barmherzige Gott selber sie euch gewähren wolle. Nehmt daher meine Worte und Wünsche gut auf; und empfangt den Apostolischen Segen, der euch künftig als Beweis meines großen Wohlwollens für eure Ordensfamilie und als Unterpfand himmlischer Gnaden begleiten soll. Gegen alle Rassentrennung Ansprache an die Mitglieder des UNO-Sonderausschusses gegen die Apartheid am 7. Juli Herr Vorsitzender! Liebe Freunde! 1. Ich habe sehr gern Ihrem Ersuchen um eine Audienz stattgegeben, denn ich sah darin ein Zeichen Ihrer Wertschätzung dessen, was die katholische Kirche zur Verteidigung der Würde der menschlichen Person und insbesondere zur Bekämpfung jeder Form der Rassendiskriminierung unternimmt. Ihr Ausschuß ist nicht fremd hier, und er ist mit der oft bekräftigten Lehre 1320 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Kirche und der Einstellung des Hl. Stuhles zu Rassendiskriminierung und -trennung vertraut. Vor zehn Jahren, am 22. Mai 1974, empfing mein Vorgänger Paul VI. Ihr Komitee und wies auf die Grundlagen der christlichen Verpflichtung zur Förderung der Menschenwürde hin. Die heutige Begegnung gibt mir Gelegenheit, erneut die leitenden Grundsätze dieser Verpflichtung hervorzuheben. Die Erschaffung des Menschen durch Gott „als sein Abbild“ {Gen 1,27) verleiht jedem Menschen eine hervorragende Würde; sie fordert ebenso die fundamentale Gleichheit aller menschlichen Geschöpfe. Für die Kirche bedeutet diese Gleichheit, die im Sein des Menschen verwurzelt ist, durch die Menschwerdung des Gottessohnes, dessen Opfer alle Menschen erlöste, eine ganz besondere Brüderlichkeit. In der von Jesus Christus gewirkten Erlösung sieht die Kirche eine weitere Grundlage der Rechte und Pflichten des Menschen. Daher ist jede Form der Diskriminierung aus rassischen Gründen absolut unannehmbar, ob sie gelegentlich oder systematisch erfolgt, ob sie sich auf einzelne oder ganze Gruppen richtet. Der hl. Apostel Paulus sagt ganz klar: „Hier gibt es nicht mehr Griechen oder Juden, Beschnittene oder Unbeschnittene, Fremde, Skythen, Sklaven oder Freie, sondern Christus ist alles und in allen“ (Ko/3,11). 2. Leider mußte ich anläßlich des Internationalen Tages für die Beseitigung der Rassendiskriminierung feststellen: „ . . . Die Geißel rassischer Diskriminierung in all ihren Formen verunstaltet noch immer unser Zeitalter. Sie verneint die fundamentale Gleichheit aller Menschen, die in den verschiedenen Erklärungen der Vereinten Nationen : verkündet wurde, aber vor allem in Gott wurzelt“ (21. Mai 1984). Ich möchte auch daran erinnern, daß Papst Paul VI. in seiner letzten Ansprache an das beim Hl. Stuhl akkreditierte Diplomatische Korps über den Rassenkonflikt in Afrika sprach und den Versuch erwähnte, „juridische und politische Sicherheiten zu schaffen gegen Verletzungen der Prinzipien des allgemeinen Wahlrechts und der Selbstbestimmung der Völker“ (14. Januar 1978, in: Wort und Weisung, 1978/1. S. 106). Der Hl. Stuhl verfolgt sehr aufmerksam die Entwicklung der Lage im südlichen Afrika und hat wiederholt sein Anliegen erkennen lassen, daß die Rechte der dort lebenden Einzelpersonen und Völker respektiert werden. 3. In diesem Zusammenhang möchte ich zwei besondere Aspekte des Problems erwähnen, das in jenem Teil der Welt besteht. Es geht um zwei 1321 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aspekte, die komplexe, ernste und schwierige Fragen aufwerfen, aber für die Zukunft des Gebietes und das Wohlergehen der dort lebenden Menschen ausschlaggebend sind. Ich spreche vom Problem der Unabhängigkeit Namibias, auf das ich in meiner Ansprache an das Diplomatische Korps am 14. Januar dieses Jahres hinweis, und dem Problem der Umsiedlung einer großen Anzahl von Menschen in Südafrika. Der Grund, aus dem ich diese beiden Probleme heute erwähne, ist nicht etwa, daß der Hl. Stuhl Vorschläge politischer Natur zu unterbreiten hätte. Der Hl. Stuhl ist sich der zahlreichen politischen Verflechtungen durchaus bewußt, die mit diesen Problemen in Zusammenhang stehen, sein Interesse jedoch liegt auf anderer Ebene: nämlich der des Menschen. Und auf dieser Ebene verursachen diese Tatbestände tiefe Beunruhigung, denn die Last der Leiden für einzelne und ganze Gemeinschaften ist sehr schwer. Die katholische Kirche nimmt, getreu ihrer Sendung in der Welt, an diesen Leiden Anteil und kann zu ihnen nicht schweigen, denn täte sie das, würde sie ihrem Zeugnis der Liebe und des Dienstes am Menschen nicht gerecht werden. Die Frohbotschaft, die sie von ihrem göttlichen Gründer empfangen hat, verpflichtet die Kirche, die Botschaft vom Heil und der Würde des Menschen zu verkünden, Ungerechtigkeiten und Angriffe auf die Menschenwürde aber zu verurteilen. Was Namibia betrifft, hofft der Hl. Stuhl, daß die schon seit geraumer Zeit laufenden Verhandlungen ohne allzu große Verzögerungen zu klaren Entscheidungen führen, mit denen dieser Nation eindeutig das Recht auf Souveränität und Unabhängigkeit zuerkannt wird. Das wird ein bedeutender Beitrag zur Schaffung des Friedens in diesem Gebiet und ein gültiges Zeichen der Versöhnung zwischen den verschiedenen Völkern sein, die dort leben. Es wird gleichermaßen eine beispielhafte Anwendung der Grundsätze des internationalen Rechts sein und unweigerlich positiven Einfluß auf andere Konflikte im afrikanischen Kontinent und auch anderswo ausüben. Die jüngsten Vereinbarungen, die die Beziehungen zwischen verschiedenen Ländern im südlichen Afrika gekennzeichnet haben, scheinen ein weiterer Schritt in diese Richtung zu sein. Inzwischen ist es von größter Wichtigkeit, daß das Verhalten der zivilen und militärischen Behörden im Gebiet von Namibia von der Achtung und Respektierung der Rechte der Bewohner bestimmt wird, auch in Konfliktsituationen, die bestehen können. Bezüglich des zweiten Problems, das ich genannt habe, nämlich der Umsiedlung zahlloser südafrikanischer Staatsbürger in ihnen von der 1322 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Regierang zugewiesene Wohngebiete, hat die katholische, Ortskirche bereits ihren Protest angemeldet, weil dieses Vorgehen eine schwere Verletzung der Rechte der menschlichen Person darstellt und zugleich das Familienleben und das Sozialgefüge zutiefst schädigt. Von der katholischen Bischofskonferenz Südafrikas und dem Südafrikanischen Kirchenrat wurde eine gemeinsame ökumenische Initiative unternommen, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und internationaler Organisationen auf diese Tatbestände zu lenken, die eine Folge des Apartheidsystems sind. Der Hl. Stuhl seinerseits drückt seine Besorgnis über Maßnahmen aus, die der Würde einzelner und ganzer Gemeinschaften widersprechen. Er hofft ernsthaft, daß diese Politik geändert wird und einer Bevölkerung, die bereits schwer heimgesucht und deren Recht, ohne Diskriminierung behandelt zu werden, systematisch mißachtet wurde, weitere schmerzliche und tragische Erfahrungen erspart bleiben. Er wünscht ebenso die Änderung dieser Politik, um weitere katastrophale Folgen zu vermeiden - zum Wohl aller, die in diesem Gebiet leben, und um des Weltfriedens willen. 4. Meine lieben Freunde, Ihre heikle Arbeit erfordert Festigkeit in der Verteidigung von Prinzipien und Umsicht bei der Wahl der geeigneten Mittel für die Erreichung Ihres Zieles. Ich versichere Ihnen, daß die Kirche, die zwar die Ebene ihrer eigenen Verantwortung und Zuständigkeit im Auge behält, auf Ihrer Seite steht, wenn Sie diesen schwierigen Weg gehen, und daß sie bereit ist, alle Bemühungen zu unterstützen, der Versuchung zur Gewalt zu widerstehen und mitzuhelfen, das Problem der Rassentrennung im Geist der Dialogs und der brüderlichen Liebe zu lösen, der die Rechte der beteiligten Parteien achtet. Möge Gott, der Allmächtige, in allen Beteiligten guten Willen wecken und den Verantwortlichen zu weisen Entscheidungen verhelfen, so daß in jenem Gebiet Gerechtigkeit und Frieden die Oberhand gewinnen können. Auf dem Spiel steht die Würde der menschlichen Person und das Wohlergehen der ganzen Menschheit. 1323 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „ . . . auch wenn die Welt zweifelt“ Ansprache an das Generalkapitel der Steyler Missionsschwestern vom 7. Juli Liebe Missionsschwestem, Dienerinnen des Heiligen Geistes! Mit großer Freude empfange ich euch in dieser euch vorbehaltenen Audienz und richte meinen Gruß an euch, die ihr am IX. Generalkapitel der Kongregation teilgenommen habt und nun hier versammelt seid. Durch euch grüße ich zugleich alle 4000 Mitschwestern, die ihre Missionsaufgabe in 26 Ländern der fünf Kontinente wahrnehmen. Seit zwei Monaten seid ihr intensiv an der Arbeit und betet, um eure Konstitutionen in endgültiger Form zu verabschieden und die neuen Verantwortlichen zu wählen. Ich möchte euch mein lebhaftes Interesse an euren Bemühungen ausdrük-ken, neue Strukturen zu schaffen, auch wenn dabei die Weisungen des Gründungscharismas erhalten bleiben sollen, und euren geistlichen Eifer zu vertiefen, der zumal in der heutigen Welt so notwendig ist. Von Herzen wünsche ich eurer Kongregation die Fülle der Früchte des Heiligen Geistes (vgl. Gal 5,22-23), damit ihr überall ein ständiges Lob für Gott seid, ein Beispiel für eure Mitmenschen und Werkzeuge des Heiles und der Heiligung. Mein besonderer Wunsch ist es, daß eure Kongragation, die seit vielen Jahren unermüdlich für die Verkündigung des Evangeliums und die Verbreitung des Reiches Gottes in den Seelen arbeitet, mit beständigem Eifer die übernommene Aufgabe erfüllt, offen für die Bedürfnisse der Welt von heute und ohne Furcht vor Hindernissen und Schwierigkeiten. Voll Liebe sollt ihr jeden Mitmenschen in Not aufnehmen und ohne Unterlaß das Licht und die Freude des Heiligen Geistes herabrufen, immer dessen eingedenk, was das Zweite Vatikanische Konzil lehrt: „Die Kirche betet und arbeitet, daß die Fülle der ganzen Welt in das Volk Gottes eingehe, in den Leib des Herrn und den Tempel des Heiligen Geistes, und daß in Christus, dem Haupte aller, jegliche Ehre und Herrlichkeit dem Schöpfer und Vater des Alls gegeben werde“ (Lumen gentium, Nr. 17b). Euer Missionseinsatz gewinnt ferner besondere Gestalt und Prägung durch das Charisma, das eurer Schwesternkongregation als Dienerinnen des Heiligen Geistes eigen ist. Dies ist ein Ehrentitel, legt euch aber zugleich große Verantwortung auf! Ihr steht im Dienst des Geheimnisses 1324 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der göttlichen Liebe. Aufgrund der konkreten Wirklichkeit eures besonderen Charismas steht ihr an erster Stelle im Dienst der Wahrheit, weil der Heilige Geist Wahrheit ist. Denken wir an die Worte Jesu: „Wenn aber der Beistand kommt, den ich euch vom Vater aus senden werde, den Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht, dann wird er Zeugnis von mir ablegen. Und auch ihr sollt Zeugnis ablegen“ (Joh 15,26-27). Wiederholt spricht Jesus eindrucksvoll von diesem Geist der Wahrheit (vgl. Joh 14,16 f.; 16,13 f.). Seine Worte besitzen einzigartige und grundlegende Bedeutung, weil sie uns versichern, daß er die Heilswahrheit, die vom Vater kommt, sowie ihre Fortdauer geoffenbart und zugleich die notwendige Entfaltung durch das Wirken des Heiligen Geistes garantiert hat, indem er sie der Kirche anvertraute, die auf Petrus und die Apostel gegründet ist. Euer erstes Anliegen soll also darin bestehen, dem Geist der Wahrheit zu dienen, indem ihr eng verbunden bleibt mit dem authentischen und ständigen Lehramt der Kirche, die die erhellende und heilbringende Botschaft Christi durch die Zeiten weiterträgt. Während meiner Apostolischen Reise in die Schweiz habe ich kürzlich ausgeführt: „Selbst wenn die Welt um uns herum zweifelt an der Gegenwart eines Gottes, der sie liebt, an der Fähigkeit Christi, sie zu erneuern, an der Kraft des Heiligen Geistes, der sein Werk der Heiligung vollzieht, selbst wenn die Welt keine Sehnsucht spürt, ein solches Heil: zu empfangen, und anscheinend alles nur von ihren technischen Möglichkeiten erwartet oder ihren Horizont auf ein materialistisches Leben einschränkt, bewahrt die Kirche dennoch die Überzeugung, daß es keinen anderen Namen gibt, durch den die Menschen gerettet werden können, als den Namen Jesu (vgl. Apg 4,12): Er ist der Weg, die Wahrheit, das Leben“ (Ansprache an den Schweizer Klerus in Einsiedeln am 15. Juni 1984). Der hl. Augustinus lehrte bereits: „Den Heiligen Geist besitzt jeder in dem Maß, wie er die Kirche Gottes liebt“ (In Io. tract. 32,8). Wißt euch an zweiter Stelle im Dienst des Tröstergeistes. Gewiß ist es notwendig, „zu leiden mit den Leidenden“ (vgl. Röm 12,15), das Böse und die soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen, den weltlichen Fortschritt zu fördern; doch darf man dabei nie vergessen, die Gaben des Heiligen Geistes zu sehen und zu leben, die durch die heiligmachendei Gnade und die Gnaden der Sakramente in uns sind. Die echten, tiefen, wahren und bleibenden Tröstungen sind jene, die vom Heiligen Geist kommen und uns die Gegenwart Gottes in uns verkosten lassen, die uns die eschatologi-sche Dimenison der Existenz und der ganzen menschlichen. Geschichte enthüllen, so daß wir den zwar geheimnisvollen, aber Heil schenkenden Plan der Vorsehung bejahen, den Kampf gegen die Sünde weiterführen 1325 BOTSCHAFTEN UND ANSPRÄCHEN und die Forderungen der Askese erfüllen, die uns die eucharistische Intimität mit Christus und die Freude des Gebetes verkosten lassen. Der Heilige Geist tröstet uns mit der göttlichen Weisheit: Wißt euch daher in eurem missionarischen Wirken in ihren Dienst gestellt. Schließlich: Wir wissen, daß der Heilige Geist die Liebe ist, die vom Vater und vom Sohne ausgeht: Die wechselseitige Liebe des Vaters und des Sohnes ist in sich subsistierende Person in der einen göttlichen Natur und damit das erste und letzte Motiv für die ganze Schöpfung und die Erlösung der Menschheit. Wir stehen daher alle im Dienst der göttlichen Liebe. Für euch aber, die ihr „Dienerinnen der Liebe“ seid, weil ihr euch dem Heiligen Geist geweiht habt, eröffnet sich hier ein unermeßliches Wirkungsfeld und Apostolat, das seine herrlichsten Züge in den „Früchten des Geistes“ findet, die bekanntlich vom hl. Paulus aufgezählt werden: „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22). Wandelt also dem Geist gemäß, auch wenn der Weg zuweilen mühevoll und schwierig ist, weil, wie der Apostel hinzufügt, „alle, die zu Christus Jesus gehören, das Fleisch und damit ihre Leidenschaften und Begierden gekreuzigt haben“ (ebd., 5,24). Die seligste Jungfrau Maria, die gänzlich vom Heiligen Geist geheiligt war, möge euch immer die Freude des „süßen Gastes der Seele“ erfahren lassen; sie mache euch immer gelehrig für seine Eingebungen; sie erhalte in euch die Begeisterung darüber lebendig, daß ihr Dienerinnen der unermeßlichen und erbarmenden Liebe sein dürft! Begleiten soll euch zum Schluß auch mein Apostolischer Segen, den ich von Herzen euch und der ganzen Kongregation erteile. Es gibt zu Recht Teilkirchen mit eigener Überlieferung Ansprache beim Besuch des Armenischen Kollegs in Rom am 7. Juli Liebe Brüder! 1. Die Anwesenheit so vieler Autoritäten, eines so qualifizierten Publikums, die herrliche Vorführung mehrstimmiger Gesänge, die freundlichen Worte Seiner Seligkeit des Patriarchen und die Begrüßung des verehrten 1326 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bruders Kardinal Wladyslaw Rubin - das alles läßt erkennen, daß die heutige Begegnung in das historische Buch der bedeutendsten Erinnerungen eurer und unserer armenischen Kirche eingetragen werden muß. Ihr werdet verstehen, mit welcher Freude ich die Einladung angenommen habe, an diesem geheiligten Ort an zwei Zeremonien von einzigartiger Bedeutung teilzunehmen: die Verleihung des heiligen Palliums an Seine Seligkeit Jean Pierre XVIII. Kasparian und der feierliche Abschluß der Festlichkeiten zum Jahrestag des 100jährigen Bestehens des Päpstlichen Armenischen Kollegs in Rom. Beide freudigen Ereignisse treffen sich, bei genauerer Überlegung, in einem einzigen Zielpunkt: die heilige Kirche Gottes, die nach dem Willen Christi, ihres Herrn, katholisch und apostolisch ist, breitet sich als eine und ungeteilt im Osten wie im Westen aus. Zu diesem Zweck entstanden die nationalen und orientalischen Kollegien in Rom, sowie auch zur Bestätigung des göttlichen Auftrags bis in unsere Tage der Brauch der Verleihung des Palliums gepflegt wird. 2. Die Verleihung des heiligen Palliums ist Zeichen der Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri, dem sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit des Glaubens an Christus, wie vom Zweiten Vatikanischen Konzil erklärt wurde: „Darum gibt es auch in der kirchlichen Gemeinschaft zu Recht Teilkirchen, die sich eigener Überlieferungen erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhls Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht (vgl. Ignatius von Antiochien, Ad. Rom., Vorrede), die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüber wacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen“ (Lumen gentium, Nr. 13). Mit lebhafter Freude habe ich Ihnen, ehrwürdiger Bruder, die liturgischen Insignien verliehen, die der Bischof von Rom seit den ersten Jahrhunderten zum Zeichen des Dienstes für die Glaubenseinheit den: Patriarchen und anderen Bischöfen berühmter Bischofsstühle zu überreichen pflegt; Eurer Seligkeit, die Sie es nach Ihrer Wahl zum Patriarchen der ehrwürdigen armenisch-katholischen Kirche am 5. August 1982 als dringend erachteten, sogleich Ihren Sitz in Beirut einzunehmen, das noch immer vom Blutbad eines sinnlosen Krieges verwüstet war. Bei den Römern war es Brauch, Personen, die durch ihre Kultur hervorragten, mit dem Pallium auszuzeichnen, und diese Gepflogenheit ging dann auf die Gläubigen der römischen Kirche über als Symbol und Zeugnis der Weisheit und Wahrheit, gleichsam als Teilhabe an der göttlichen Weisheit selbst. 1327 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Hüter der göttlichen Weisheit Und wem würde eine so bedeutungsreiche Auszeichnung besser gebühren als denjenigen, die von Rechts wegen die Hüter der göttlichen Weisheit sind, das heißt den Leitern der Kirche, die Säule und Fundament der Wahrheit ist (vgl. 1 Tim 3,15). Aus der Wolle von Lämmern hergestellt, spricht diese heilige Insignie sogleich eine Beziehung zu der anziehenden Gestalt des Guten Hirten aus, der, während er das verlorene Schaf väterlich auf seinen Schultern trägt, sich selbst und sein Leben zum Zeichen der für alle heilbringenden Gemeinschaft hingibt, gleichsam als Rekapitulation seiner ausgiebigen Erlösung am Kreuz. Mit dieser schlichten und so eindrucksvollen Zeremonie scheint der Appell des göttlichen Meisters, mit allen Kräften darauf hinzuwirken, „ut omnes unum sint - damit alle eins sind“ (Joh 17,11), konkrete Wirklichkeit zu werden, wie auch auf dem Konzil betont wird: „Insofern dieses Kollegium aus vielen zusammengesetzt ist, stellt es die Vielfalt und Universalität des Gottesvolkes, insofern es unter einem Haupt versammelt ist, die Einheit der Herde Christi dar“ (Lumen gentium, Nr. 22). In einer schwierigen Zeit wie der unsrigen, wo wir voll Sorge auf allen Ebenen der Wissenschaft und des menschlichen Zusammenlebens andauernde Versuche gefährlicher Spaltungen miterleben, hat die Kirche aufgrund göttlicher Fügung den Auftrag, die Menschen in der universalen Gemeinschaft der echten Liebe zum Vater zu vereinen. Diese Einheit des Glaubens und der Liebe muß uns dazu führen, an jene Hochachtung und Liebe zu denken, die wir für die Schwesterkirchen im Glauben an Christus bewahren, mit besonderer Bezugnahme auf die armenischen Kirchen der Katholikate von Edschmiadzin und Kilikien und der Patriarchate von Jerusalem und Konstantinopel. An die ehrwürdigen Oberhäupter der genannten hervorragenden Kirchen, unsere Mitbrüder, richte ich meinen herzlichen Gruß: „Der Friede des Herrn Jesus sei mit euch allen!“ Eure Seligkeit war dazu berufen, sich mit heiklen und komplexen Problemen der ruhmreichen armenisch-katholischen Kirche auseinanderzusetzen; mögen Sie in Ihrem Hirtenamt den Geist der Zusammenarbeit und des Dialogs mit der Hierarchie, dem Klerus und den Gläubigen entwik-keln können durch die unerschütterliche Treue zur offenbarten Wahrheit, die Ihre Kirche stets ausgezeichnet hat. Bei der Feier der Eucharistie wird Sie dieses Pallium an unser stetes Gebet zu Gott für den Frieden und das Wohl der schwer erschütterten 1328 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völker des Nahen Ostens und der Welt erinnern, damit sie endlich bessere Tage kennenlernen. 3. Zu dieser Festversammlung haben wir uns aber noch aus einem anderen Grund eingefunden: das hundertjährige Gründungsjahr dieses Päpstlichen Armenischen Kollegs. Eine Initiative von Papst Gregor XIII. Es ist ein historisches Ereignis, das der armenisch-katholischen Kirche, aber auch den anderen orientalischen Kirchen und der lateinischen Kirche Freude bereitet. Der Wunsch, daß dieses unerläßliche kirchliche Ausbildungsinstitut für die armenischen Kleriker im Schatten des Apostolischen Stuhls errichtet werden sollte, weist auf die zuversichtliche Gewißheit all derer hin, die in bewundernswerter Weise die Einrichtungen, Riten, kirchlichen Überlieferungen und die Disziplin aller orientalischen Kirchen mit jenen der Kirche von Rom verschmelzen sahen, dem unerschütterlichen Felsengrund, deren Bischof nach göttlichem Willen dem hl. Petrus im Primat über die Universalkirche nachfolgt. Wenn auch die heutige Gedenkfeier an die hochherzige Geste Leos XIII. erinnert - weshalb das Kolleg auch „Leoninum“ genannt! wird -, so stimmt es doch, daß die Initiative drei Jahrhunderte weiter zurückreicht bis zum Pontifikat Gregors XIII., der, nachdem er sich von den vorteilhaften Ergebnissen bei den Alumnen des von ihm 1577 errichteten Griechischen Kollegs überzeugt hatte, mit der Bulle Romana Ecclesia vom 13. Oktober 1584 die Gründung eines weiteren Kollegs für die zum Priesteramt berufenen jungen Armenier anordnete und so alles verwirklichte, was das Konzil von Trient für die echte Reform der Kirche auf jedem Gebiet und in jeder Richtung festgelegt hatte. Die prophetische Tat jenes großen Papstes konnte nicht rechtzeitig in die Wirklichkeit umgesetzt werden: ihn ereilte der Tod. Die armenischen Kleriker, die die theologischen Schulen in Rom besuchten, fanden in der Folge hochherzige Aufnahme im Collegium Urbani-anum. Doch die armenischen Bischöfe, die unter besonderen Umständen angesichts der armenisch-katholischen Gemeinschaft im türkischen Reich 1867 in Rom zusämmenkamen, trugen Pius IX. erneut die dringende Bitte vor, in der Stadt ein eigenes Kolleg zu errichten, das ihren Klerikern eine spezifische und verläßliche armenische Ausbildung in Studium und Liturgie sicherstellen sollte. Leo XIII. aber, der von Beginn seines leuchtenden Pontifikats an die 1329 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ganze Sorge und Achtung des Hl. Stuhls gegenüber den Kirchen des Ostens zum Ausdruck gebracht hat, fiel es zu, dieses Päpstliche Armenische Kolleg mit dem Breve Benigna hominum parens vom 1. März 1883 (AAS 15,337-40) konkret zu verwirklichen; in diesem Breve kann man u. a. lesen, daß „es an keinem anderen Ort so angebracht ist, geeignete Priester auszubilden, wie in Rom, dem Zentrum der Christenheit, in der Nähe der Gräber der beiden großen Apostel, unter der väterlichen Sorge des Papstes, der durch sein Amt als Stellvertreter Christi gemeinsamer Vater der Völker und Hüter und Deuter des katholischen Glaubens ist“ (ebd.). Zur Vollendung des Werkes trugen hauptsächlich die Freigebigkeit des Papstes, die heroische Opferbereitschaft von Kardinal Antonius Hassun und die erfahrene Geschicklichkeit des Patriarchen Stefan Azarian bei. Zweck dieses erhabenen Kollegs war es also, in der Seele der künftigen Hirten der armenischen Kirche den Geist jener Einheit des Glaubens einzupflanzen und zu stärken, die stets von allen Angehörigen dieser Nation so sehr angestrebt und erwünscht wurde und die immer das Ziel jedes orientalischen Kollegs war, das in Rom errichtet wurde, nämlich einen untadeligen Klerus auszubilden, der auf die nicht leichte pastorale und ökumenische Arbeit der katholischen Ostkirchen vorbereitet ist. Unter den Studenten des Kollegs in diesen 100 Jahren muß man wohl besonders die 15 Priester und Studienkollegen erwähnen, von denen neun wegen ihres Glaubens den Märtyrertod erlitten und sechs ihr Leben opferten, nachdem sie wegen ihrer Treue zu Christus verurteilt worden waren, purpurne Blumen, die allein die hohen Verdienste ins Auge springen lassen, die sich das Institut seit seinem Bestehen erworben hat. Während ich euch, Autoritäten, Hierarchie, Obere, Alumnen, Klerus und Gläubige der armenischen Kirche, die unmittelbar an diesem Fest teilnehmen, begrüße, möchte ich mich darum auch an euch wenden, hier anwesende Studienkollegen der anderen orientalischen Institute in Rom, damit ihr - miteinander die tröstliche Wirklichkeit der kirchlichen Gemeinschaft bei der Verschiedenheit eurer Riten erlebend - aktiv an dem apostolischen Dienst teilnehmt, der Christi Wunsch nach Einheit verwirklichen soll, das heißt, das Volk Gottes in der Freiheit des Geistes und in der Vielfalt seiner himmlischen Gaben, je nach Geist, Natur und Eigenheit der einzelnen Völker. 1330 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Liebe Söhne! Indem ich mir die Worte des großen Augustinus von Hippo zu eigen mache, „richte ich mein Wort an euch, Auserwählte in Christus, immer neuer Nachwuchs der Kirche, Gnade des Vaters, Fruchtbarkeit der Mutter, frommer Keim, junger Sproß, Blüte unserer Ehre und Frucht unserer Mühe, meine Freude und meine Krone, an euch alle, die ihr hier am Herzen festhaltet“ Reden 1,4; PL 46,838). Da ihr an „ein und demselben Priestertum und Amt Christi“ (Presbyte-rorum ordinis, Nr. 7) teilhaben sollt, müßt ihr euch schon vor der Priesterweihe in eurem ganzen geistlichen Leben und eurer geistigen Ausbildung nach ihm gestalten lassen. Wenn ihr in den theologischen Tugenden - Glaube, Hoffnung und Liebe - verwurzelt und gegründet seid, öffnet euer Herz den Gaben des Heiligen Geistes und trachtet, euch jene Gebetshaltung anzueignen, die aus dem Reichtum eurer Liturgie und dem aufmerksamen Hören des Wortes Gottes stammt, um schließlich das harmonische Zusammenspiel all der Tugenden zu besitzen, die für einen würdigen Diener Christi, des Herrn, unerläßlich sind. Durch diese treue Ausübung der verschiedenen Tugenden wird eure Lebensführung den anderen beweisen, daß ihr nur deshalb im Dienst dieser Welt steht, um sie zu Gott zu führen: „Denn jeder Priester wird aus den Menschen ausgewählt und für die Menschen eingesetzt zum Dienst vor Gott“ (vgl. Hebr 5,1). Lernt mit breitem und offenem Herzen, den Wandel der menschlichen Gesellschaft wahrzunehmen, die Zeichen der Zeit zu deuten, mit Gottes Gnade euer inneres Leben mit der Pastoraltätigkeit, die euch anvertraut wird, zu vereinen. Sehr wichtig ist dann auch eure geistige Ausbildung durch die philosophischen und theologischen Studien sowie die Kenntnis der anderen Wissenschaften und Disziplinen, die zu Pastoralgebieten gehören, die euch naheliegen. Ihr seid dazu berufen, eine besondere pastorale Verfügbarkeit im Weingarten des Herrn zu erwerben: euer eigenes Hirtenamt im Kontext und Kontakt mit den Brüdern der orthodoxen Kirchen zu leben. Übt euch von Anfang an darin, diese ökumenischen Haltungen mit hochherzigem Geist, zuverlässigem Glauben und grenzenloser Liebe zu Christus, zur Kirche, zu den Brüdern zu entfalten. Vorkämpfer in einer neuen ökumenischen Dynamik Liebe junge Freunde, die Sendung, die die Kirche euch in der heutigen Zeit überträgt, ist wahrhaftig groß: „der theologisch-ökumenische Dia- 1331 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN log“. Diese Aufgabe, zu der ihr berufen seid und für die ihr einen Großteil eures Priesteramtes werdet aufwenden müssen, verlangt eine bewiesene Loyalität gegenüber dem Lehramt der Kirche und dem Stuhl Petri, dem Hüter der Offenbarung, dem sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit des Glaubens in der Gemeinschaft der Liebe. Diesen Einsatz erwartet die Kirche des Zweiten Vatikanischen Konzils von euch noch mehr als von irgendeinem anderen Gläubigen. Als Vorkämpfer mitten in der neuen ökumenischen Dynamik „könnt auch ihr junge Menschen, die ihr euch auf den priesterlichen Dienst. . . vorbereitet, euren Altersgenossen die Einladung zur Nachfolge Christi überbringen. Wer begriffen hat, daß die Einladung Christi den größten Reichtum für das eigene Leben bedeutet, der muß sich gedrängt fühlen, seine Entdeckung weiterzugeben. So führte ja auch der Apostel Andreas seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus (vgl. Joh 1,41). Liebe Seminaristen, strahlt jene Ideale aus, die euch selbst bewegen, und weckt auch in euren Altersgenossen die Berufung“ (Botschaft zum 21. Weltgebetstag für die geistlichen Berufe, 13. Mai 1984; in: O. R. dt. vom 11. 5. 84, S. 4). Die gastfreundliche Aufnahme, die euch in der Ewigen Stadt geboten wird, begünstigt eure besondere Vorbereitung, die über die volle Reifung eures Werdens schließlich zum Empfang des Priestertums Christi führt. Auf dem nicht einfachen Weg dieser eurer christlichen und priesterlichen, apostolischen und kulturellen Ausbildung leuchtet strahlend wie ein Morgenstern die unbefleckte Gottesmutter, Königin der Armenier, und der hl. Gregor, der Leuchtende, Schutzpatron ganz Armeniens und euer himmlischer Führer, dessen liturgisches Fest wir heute in der armenischen Kirche gefeiert haben. Mögen eure heiligen Schutzpatrone vom Herrn der Ernte erflehen, daß die Zahl der jungen Seminaristen immer zahlreicher und qualifizierter werde. Und während ich allen für die Bezeugung eurer Treue und für die Freude, die ihr mir bereitet habt, danke, erteile ich euch Alumnen des Päpstlichen Armenischen Kollegs, und den jungen Männern aller anderen römischen Kollegien, Eurer Seligkeit, die Sie mit den ehrwürdigen Mitbrüdern im Bischofsamt die armenisch-katholische Hierarchie bilden, allen hier vertretenen orientalischen Schwesterkirchen, den Obern und Offizialen des Dikasteriums, das im Dienst der genannten Kirchen steht, von Herzen meinen Segen. Der Papst hatte in italienischer Sprache begonnen und fuhr in englisch fort: Ich bin sehr glücklich, heute hier im Armenischen Kolleg zu sein. Die 1332 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beiden besonderen Ereignisse, deren wir gedenken, sind schon an sich Anlaß zur Freude. Aber ich bin auch tief erfreut darüber, daß ich die armenischen Gläubigen begrüßen kann, die sich aus verschiedenen Teilen der Welt hier eingefunden haben. Ihr seid gekommen, um euren ruhmreichen armenischen Traditionen Ehre zu erweisen und die > katholische Einheit eurer Kirche zu feiern. Ich bitte euch, euren Ortskirchen meine Grüße und meinen Segen zu überbringen und eure Familien und alle eure Glaubensgenossen meiner Liebe in Jesus Christus zu versichern. Auf französisch sagte der Papst: Herzlich begrüße ich alle Armenier französischer Sprache, die bei dieser Begegnung um ihren ehrwürdigen Patriarchen versammelt sind. Der doppelte Anlaß zur Feier dieses Tages gibt euch Gelegenheit, eure Treue zu euren armenischen Traditionen und eure Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri zu bekunden. Ich bitte den Herrn, euch dort, wo ihr lebt, den Glauben bewahren und entfalten zu helfen, den ihr von euren Vorfahren empfangen habt, und ich segne euch und eure Familien von Herzen. Auf spanisch sagte der Papst: Herzlich begrüße ich alle Personen spanischer Sprache, die bei einem Ereignis von so großer Bedeutung für dieses Päpstliche Armenische Kolleg in Rom hier anwesend sind. Möge das für alle ein Anlaß zu erneuerter Liebe und Treue zur Kirche sein, die durch die verschiedenen Riten und Zeiten jedem Volk die Heilsbotschaft des Gottessohnes anbietet. „Kirche an der Seite des Lebens“ Botschaft an den 88. Deutschen Katholikentag vom 8. Juli Verehrte Mitbrüder, liebe Brüder und Schwestern! Zum Abschluß des 88. Deutschen Katholikentages in München grüße ich voll Freude Dich, mein geliebter Bruder, Erzbischof Friedrich Wetter, als den Oberhirten der gastgebenden Diözese. Zusammen mit Dir gilt mein 1333 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN herzliches „Grüß Gott“ allen Mitbrüdern im Bischofsamt und euch allen, die ihr von nah und fern zu diesen Tagen des Gebetes und der Begegnung, des Bekenntnisses und der Feier in der gastlichen Stadt München zusammengekommen seid. Mein aufrichtiger Segenswunsch und meine Verbundenheit gelten besonders auch all denen, die durch Krankheit oder durch Grenzen verhindert sind zu kommen und doch auf ihre Weise den Katholikentag mittragen. 1. „Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt“, dieses Wort des Glaubenszeugen Pater Alfred Delp, das über eurem Katholikentag steht, ist Ermutigung und Herausforderung zugleich. Es ist Ermutigung. „Laßt euch nicht täuschen“, habe ich der Jugend vor drei Jahren in dieser Stadt zugerufen. Ihr braucht Mut zum Leben, Perspektiven und Maßstäbe, Vorbilder wie Pater Delp und zugleich Gesprächspartner, die euch Freundschaft und Weggemeinschaft anbieten. Vor allem aber sollt ihr wissen, daß nur er uns rufen kann. Ja, euer menschliches Leben hat seinen Sinn, weil ein jeder von euch ganz persönlich bei seinem Namen gerufen ist. Stellt euch immer neu dem Anspruch des Evangeliums und den Anforderungen der Nachfolge. Sie sind eine echte Alternative zu heutigen Verhal-tensmustem, zum Rückzug in Egoismus und Resignation, zur Flucht vor dem Wagnis des Lebens. Je tiefer wir als Christen davon überzeugt sind, daß Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, um so mehr können wir uns auf das Gespräch zwischen den Generationen und einen gemeinsamen Weg mit der jungen Generation einlassen. Hier möchte ich mich ganz besonders an die unter euch wenden, die schon im vorgerückten Alter sind: Ihr seid dabei, die Ernte eures Lebens einzufahren, und werdet mit dem eigentlichen Leben in Christus immer mehr konfrontiert. Ich habe selbst in den Tagen der Krankheit etwas von dem Abgrund gespürt, der einsame und leidende Menschen vom Leben dieser Welt trennt. „Laßt immer bewußter Gott zum Partner eures Lebens werden“, so habe ich zu euch damals im Münchner Liebfrauendom gesagt. Das Wissen um Gottes Nähe läßt uns auch in den Tagen des Alters ja sagen zu unseren Grenzen und läßt uns zugleich die Kostbarkeit dieses letzten Lebensabschnittes erfahren. Gerade dann, wenn es schwerfallen mag, diesem Leben hier noch zu trauen, geht der tiefere Sinn dieses Lebens auf. Die Kirche steht auf der Seite des Lebens. Laßt nicht nach in eurem anfänglichen Elan. Seht zu, daß ihr zu einem Sprachrohr für die vielen werdet, die nicht sprechen können oder dürfen, für die, deren Freiheit 1334 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verletzt, deren elementare Menschenrechte unterdrückt, deren Leben bedroht oder zerstört wird. Scheut nicht zurück vor der unbequemen Aufgabe, Anwalt des Lebens -auch des ungeborenen - zu sein. Bezeugt zugleich in Wort und Tat die Frohe Botschaft vom ganzen, vom ewigen Leben und von den höheren Werten des Menschen: der Würde seiner Person und ihren unveräußerlichen Grundrechten. Euer Eintreten für das Leben wird um so überzeugender sein, je mehr ihr bei der Lösung konkreter Zukunftsfragen eures Landes auch im sozialen Bereich und durch politisches Engagement Wegweiser und Bahnbrecher seid: Ich erinnere an die gezielte Förderung der Familie angesichts ihrer ständig wachsenden Belastungen; ich erinnere an das bedrängende Problem der Arbeitslosigkeit, vor allem vieler Jugendlicher; ich erinnere an die konkrete Solidarität nicht nur mit den Fernsten - euer Beitrag für die Länder und Kirchen der Dritten Welt ist beispielhaft -, sondern auch für eure Nächsten, etwa für eure ausländischen Mitbürger. Ihr wolltet mit eurer Initiative ja bewußt die ganze Breite des Lebensschutzes heute miteinbeziehen. Besonders herzlich grüße ich auch die anwesenden Mitchristen aus den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und wiederhole mein Vermächtnis, der Einheit zu dienen, das ich euch zum Abschluß meiner Pastoraireise in Deutschland vor meinem Abflug in München-Riem hinterlassen habe: „Wir müssen diesen Weg mit Ausdauer gehen - weitergehen - und nicht Stillstehen.“ Liebe Brüder und Schwestern! Dem Leben trauen, weil Gott es mit uns lebt: Ruft dieses Wort hinein in eine Welt, die sich selbst absolut setzt und dann vor der eigenen Einsamkeit zurückschreckt! Sagt es euch gegenseitig und laßt es einander spüren: Es ist gut, daß es Dich gibt. Sagt es den Verzweifelten, die das Leben wegwerfen möchten: Gott hat ja zu diesem Leben gesagt und es in Christus bis in den Tod selbst durchgekostet! Sagt es den Einsamen: Der Mensch ist nicht mehr allein, Gott ist mit uns! Als Kirche für das Leben feiert in froher Gemeinschaft ein Fest von der Fülle des Lebens, das uns Jesus Christus gebracht hat! Schaut auf zu Maria, der Patronin dieses bayerischen Landes, die der Welt: den Urheber des Lebens geschenkt hat! Ich begleite euch mit meinem Gebet und Opfer, damit unsere Gemeinschaft und Freude vollkommen: sei. So segne ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. 1335 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,,Selige Hoffnung“ der Erlösung Ansprache an die Pönitentiare und Beichtväter von Rom am 9. Juli Liebe Brüder im Priesteramt! 1. Ich freue mich, euch unter der Führung von Msgr. Luigi Dadaglio, Pro-Großpönitentiar, hier versammelt zu sehen. Diese Begegnung mit euch ist mir wirklich sehr willkommen, denn ihr habt während des Jubiläumsjahres als Pönitentiare oder als zusätzliche Beichtväter in den Patriarchalbasiliken und den anderen Kirchen Roms den Dienst der Versöhnung geleistet. Sie gibt mir die günstige Gelegenheit, euch und allen hochherzigen Priestern, die sich dem Beichtdienst widmen, einige Dinge zu sagen, die mir auf dem Herzen liegen. Zunächst möchte ich euch danken für die sehr wertvolle Arbeit, die ihr Monat für Monat in der stillen, geduldigen und steten Erfüllung einer Aufgabe vollbracht habt, die ja im Mittelpunkt des Heiligen Jahres stand, weil durch sie - und durch euch - für unzählige Pilger der Zugang zu den Quellen des göttlichen Erbarmens erfolgte. Dieser Aufgabe galt zunächst und vor allem die Planung und Organisation des Jubiläumsjahres, dessen wichtigste Diener darum gewissermaßen ihr gewesen seid. Aber es freut mich, in euch die vielen anderen ehrwürdigen und lieben Priester vertreten und geistig präsent zu sehen, die in den verschiedenen Diözesen jedes Kontinents während des Heiligen Jahres denselben Dienst versehen haben, womit sie zweifellos dem inneren Drang des Geistes nachkamen, der sie anhielt, auf die neuartigen, intensiveren, mitunter unerwarteten Fragen der Gläubigen Antwort zu geben, die diese sakramentale Praxis wieder aufnehmen wollten. Und meine Gedanken gehen noch weiter und würden gern die dichten Scharen unserer Mitbrüder erreichen, die von Generation zu Generation in den Beichtstühlen in Rom und in allen Ortskirchen der Welt sich ablösten, um Personen jeden Alters und jeder Herkunft anzuhören, die derselbe Geist zum Sakrament der Läuterung und der Vergebung hinzog. Sie bilden eine großartige Schar von Vermittlern von Gnade, Weisung, Rat, Verständnis, Trost und Ermutigung zum Guten, eine Gruppe, der man außer der Bekehrung und Heiligung der einzelnen die Entstehung, Bewahrung und Weitergabe jenes christlichen Brauches verdankt, der in vielen Nationen das reichste und bedeutendste Erbe der am Evangelium inspirierten Kultur und Zivilisation darstellt. Mit dieser „heiligen Gemeinschaft“ von Priestern und Seelenhirten aller 1336 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeiten fühlen wir uns heute verbunden und ihr zugehörig, verbunden nicht nur durch das Band kirchlicher Brüderlichkeit, sondern auch in der Fortdauer eines Dienstes, der es so vielen demütigen, guten und weisen Priestern ermöglicht, Urheber der Erneuerung der Gewissen, der Verjüngung der christlichen Gemeinde zu sein und in die menschlichen Gesellschaften und Institutionen selbst, die stets des belebenden Wehens des Geistes bedürfen, ein „Mehr an Seele“ einzubringen. In der kirchlichen Gemeinschaft, die uns zu allen Zeiten und an jedem Ort wie „ein Herz und eine Seele“ (Apg4,32) vereint, mache ich mich heute zum Sprecher der Kirche, wenn ich allen Anerkennung und Beifall ausspreche; ich mache mich zu eurem Sprecher, wenn ich dem Herrn für all die Gaben des Erbarmens und der Vergebung danke, die Gott auch durch so viele seiner demütigen Diener unzähligen Menschen immer und besonders in dem kürzlich beendeten Jubiläumsjahr gewährt hat. 2. Wir alle sind Zeugen dessen gewesen, was Gott im Jubiläumsjahr der Erlösung gewirkt hat; wir alle, und ihr vielleicht mehr als andere, können mit dem Psalmisten sagen, daß der Herr wahrhaft „wunderbare Taten vollbracht hat“ (Ps 98,1). Diese „wunderbaren Taten“ haben besonders in den letzten Monaten des Jubiläumsjahres auch gewisse äußere Akzente erfahren, als sei es das Bedürfnis nach dynamischer Ausweitung des in der Seele der Gläubigen angehäuften übernatürlichen Lebens. Besonders die Jugend hat, so könnte man sagen, das, was die ganze Kirche am Herzen hatte, explodieren lassen. Aber ihr wißt, daß die großartigsten Dinge jene waren, die für viele, viele Seelen auf der Ebene des Gewissens geschehen sind, wo menschliche Reue und göttliche Vergebung sie durch die Gnade des Sakraments zum neuen Leben geführt haben. Dieser Wandel, diese Umkehr der Seele unter dem Wirken der rechtfertigenden Gnade ist, „was die Größe der Taten, die Gott in der Welt vollbringt, betrifft, die größte Tat“, wie der hl. Thomas von Aquin ausführt (Summa Theol. I-II, q. 113, a.9), womit er dem hh Augustinus beipflichtet, der schrieb: „Daß aus einem Sünder ein Gerechter wird, ist größer als die Erschaffung von Himmel und Erde. Denn Himmel und Erde werden vergehen; das Heil und die Rechtfertigung derer, die dazu bestimmt sind, aber werden bleiben“ {In Ioan. tr. 72: PL 35, 1823). Ja, der hl. Thomas zeigt, wie recht der hl. Augustinus hatte, wenn er hinzufügte: „Beurteile, wer kann, ob es größer ist, gerechte Engel zu erschaffen als sündige gerecht zu machen. Wenn beide Taten von der gleichen Macht vollbracht werden, so ist bei dieser sicher das Erbarmen größer“ (ebd.). 1337 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wunder des göttlichen Erbarmens In der Beichte erfüllt und erneuert sich also ständig wie bei der Taufe das, was wir als das Wunder des göttlichen Erbarmens bezeichnen können. Wir dürfen nicht zulassen, daß diese Frucht des Heiligen Jahres verlorengeht. Wenn das Jubiläumsjahr die Bedeutung, ja die Lebensotwendigkeit des Bußsakraments für die Menschen und für die Kirche bekräftigt hat; wenn wir feststellen konnten, daß sehr viele Gläubige offen und gehorsam dem Ruf der Kirche zu diesem Sakrament folgen, weil es ein inneres Bedürfnis von ihnen und in vielen Fällen ein tatsächliches Verlangen berührt, das freilich oft nicht zum Ausdruck gebracht oder vielleicht von den täglichen Sorgen und Zerstreuungen erstickt wird; wenn der gute Sämann gesiegt hat und ihr öfter als einmal eine so große Ernte einbrin-gen konntet: Dann muß man sich wohl auch weiterhin im Dienst der Versöhnung engagieren - mit neuer pastoraler Hochherzigkeit, mit neuem Opfergeist und neuer Einsicht in die Funktion dieses Dienstes im Heilsplan als Verbindungsmittel und Kommunikationsweg zwischen dem Herzen des gekreuzigten Jesus Christus und den einzelnen Menschen, die alle die Erlösung nötig haben (vgl. Röm 3,23). 3. Bei dieser Begegnung mit euch liebe und ehrwürdige römische Pöni-tentiare und Beichtväter, möchte ich diesen grundlegenden Punkt jedes Pastoralprogramms, das der Institution und dem Geist Christi und der Tradition der Kirche entsprechen soll, hervorheben. Als Nachfolger des Petrus fühlt sich der Papst verpflichtet, zunächst und unmittelbarer für die Diözese Rom Vorsorge zu treffen, wo die Tradition der Kirche auch hinsichtlich dieses Punktes ihren Leitfaden hat. Aber ich bin sicher, daß die Bischöfe der ganzen Welt, die gleichfalls an der apostolischen Sukzession teilhaben, weiterhin auf jede nur mögliche Art dafür sorgen werden, daß der wertvolle Beichtdienst den Platz einnimmt, der ihm in der Achtung, im Einsatz, im Zeitaufwand und in der persönlichen Askese aller Priester bei der Seelsorge zukommt. Besonders möchte ich empfehlen, daß für alle Pfarr- und Ordenskirchen die Präsenz geeigneter Priester für die Spendung des Bußsakraments sichergestellt wird, und zwar an zugänglichen Stellen und mit einem möglichst günstigen Zeitplan, wobei den disziplinären und pastoralen Vorschriften des Kirchenrechts und der Sondergesetzgebungen Rechnung zu tragen ist. Insbesondere die Domkirchen und Heiligtümer übernehmen immer mehr die Funktion von „Stätten des Erbarmens“, wo es immer leicht möglich ist, die Gnade der Vergebung zu finden. Nicht zu vergessen den alten Brauch der außerordentlichen Verkündigung in Form von 1338 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Missionen, Exerzitien, Einkehrtagen usw., außer den Predigten, die gewöhnlich in den Kirchen gehalten werden; auch bei diesen Gelegenheiten ist die Anwesenheit zusätzlicher Beichtväter sicherzustellen. 4. Der Buß- und Beichtdienst verlangt von uns Priestern nicht nur hochherzige Opfer an Zeit und Mühe, sondern einen glühenden und aufrichtigen Eifer für die Rettung der Seelen, der in die Übung der kleinen und großen Tugenden eines guten Hirten umgesetzt wird: zum Beispiel Geduld, Pünktlichkeit, Zurückhaltung, Feinheit in Geste und Wort, Gesprächsbereitschaft, Weite des Geistes und Herzens und alle anderen Eigenschaften und Tugenden, die für die gute Erfüllung dieser äußerst delikaten Aufgabe notwendig sind. Nur dieser geistliche Reichtum befreit von der Gefahr, in jenen Mangel an Rücksicht, Güte, Achtung vor dem Gewissen, Freundlichkeit und Hingabe zu verfallen, der mitunter diejenigen verstimmen kann, die sich in der Hoffnung und mit dem Vertrauen an das Sakrament wenden, hier eine konkrete Offenbarung dessen zu finden, den sie „voll Erbarmen“ wissen (Eph 2,4). Wir müssen vor allem darin seine Abbilder, sein Widerschein sein! Arm in allem, kann und soll unser Reichtum das Erbarmen sein! Es wird auch und vor allem auf diesem Gebiet die Gerechtigkeit, die wir gleichfalls üben müssen, vervollständigen; es wird deren Härte lindern und deren Vorschriften müdern. In diesem Zusammenhang wird es angebracht sein, immer wieder darüber nachzudenken, daß wir weder Herren des Sakraments noch der Gewissen sind: Wir sind vielmehr - und müssen uns bemühen, das immer mehr zu sein - demütige „Diener der Diener Gottes“, „Diener Christi und Verwalter von Geheimnissen Gottes“, wie der hl. Paulus sagt. „Von Verwaltern aber - fährt der Apostel fort - verlangt man, daß sie sich treu erweisen“ (1 Kor 4,1-2). Treu gegenüber Christus, dem ewigen Priester, treu gegenüber der Kirche, treu gegenüber dem Sakrament, treu gegenüber den Seelen, die kommen und uns um die Spende des göttlichen Erbarmens bitten! <68> <68> Zu diesem Zweck wird es stets nützlich und notwendig sein, über eine in Gebet und Erfahrung gereifte Pastoralpädagogik zu verfügen. Sie setzt bestimmte Gaben an Intuition, Freundlichkeit, Güte voraus, wird aber gefestigt und vervollkommnet durch die kluge Ausübung des Dienstes und durch die Gnadengaben, die vom Heiligen Geist demjenigen gewährt werden, der sich zu seinem gefügigem Werkzeug macht: vor allem die Gabe des Rates, die besonders für die Hirten und Seelenführer bestimmt 1339 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ist, die, wenn sie treu sind, schließlich den Ehrennamen erlangen können, der dem hl. Antonius von Florenz zugebilligt wurde: „vir consiliorum“. Auch in unserer Zeit haben wir großartige Gestalten von Beichtvätern vor Augen, wie den hl. Leopold Mandic, den ich zu meiner Freude heiligsprechen konnte. In ihm wollte die Kirche auch die vielen anderen, bekannten und unbekannten Priester ehren, die sich wohl in jeder Diözese, in jeder Ordensfamilie finden und Bezugspersonen für die Gläubigen und die Priester selbst sind. Wie oft, liebe Mitbrüder, wurde uns das Geschenk zuteil, einem dieser ehrwürdigen Gottesmänner zu begegnen und von ihnen die Weisung zu erhalten, deren wir bedurften und die wir als von oben kommend empfanden! Also: Der Beichtvater braucht ein Licht, das von oben kommt und daher eine Glaubenspädagogik, die alle in jenem Licht sieht und zu sehen hilft, das heißt alles in bezug auf Gott, den obersten Gesetzgeber, Freund, Vater des unendlichen Erbarmens. Eine Pädagogik des Glaubens, die die Tugenden und Sünden in jenem Licht betrachtet und behandelt und vor allem den Bußfertigen dadurch näherkommt, daß sie ihnen - auch im Fall, daß ein heikler und klarer Verweis ausgesprochen werden muß - den Sinn für die ewige Liebe Gottes einflößen, die im Herzen des Priesters wieder zum Leben erwacht. Auf niemanden paßt so wie auf die Beichtväter die Mahnung des hl. Paulus an die Kolosser, die ich, wenn ihr erlaubt, an euch und an alle richte, die diesen heilbringenden Dienst in der ganzen Kirche ausüben; ich tue es als eine Erinnerung an diese glückliche Begegnung und das ganze Heilige Jahr: „Ihr seid von Gott gebebt, seid seine auserwählten Heiligen. Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! . . . Wie der Herr euch vergeben hat, so vergebt auch ihr! Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht. In eurem Herzen herrsche der Friede Christi!“ (Kol 3,12-15). Glaube, Liebe, Erbarmen, Frieden sind die unerläßlichen geistlichen Grundlagen einer Pastoral des Bußsakraments, die es erlaubt, sich den vielen Problemen und Sonderfällen zu stellen, vor allem aber das zu verwirklichen, was der heilige Dienst nach den Intentionen der Kirche sein soll und wie er, Gott sei Dank, im Heiligen Jahr gewesen ist und weiterhin immer stärker und immer besser sein soll: eine Ausweitung der erlösenden Gnade, die vom Herzen des gekreuzigten Christus aus alle erreicht, die auf allen Wegen der Welt die „selige Hoffnung“ der Erlösung erwarten und suchen. Mit diesem Wunsch, erfüllt von Hoffnung, segne ich euch von Herzen. 1340 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Liturgie ist der Mittelpunkt Ansprache an den Ordenskongreß der Augustiner Chorherren in Rom am 10. Juli Liebe Augustiner Chorherren! Es ist mir eine Freude, euch hier im Vatikan begrüßen zu können, vor allem euren Abtprimas, dem ich für seine herzlichen Worte danke, die Generaläbte der Kongregationen, einschließlich des Generälobern der Kongregation von der Unbefleckten Empfängnis, und die übrigen Äbte. Wegen eines besonderen Anlasses habt ihr euch aus verschiedenen Ländern der Welt hier in Rom zusammengefunden: Es sind nämlich 25 Jahre verflossen, seitdem in dieser Stadt, und zwar in der Lateranbasilika, an der euer Orden geraume Zeit den Dienst versah, eure Konföderation feierlich proklamiert wurde. Ziel eurer Konföderation ist: „Die verschiedenen Zweige des Ordens sollen durch ein Band der Liebe miteinander verbunden werden, dem Gesamtorden größere Kraft vermitteln und sich gegenseitig Hilfe leisten, besonders was die Spiritualität, die Ausbildung der Ordensjugend und kulturelle Anliegen betrifft“ (Johannes XXIII., Apostol. Breve vom 4. Mai 1959). Ich kenne seit langer Zeit euren Orden näher durch die ihm zugehörige Lateranensische Kongregation, die in Krakau den Hauptsitz der polnischen Provinz hat und an verschiedenen Orten meines Vaterlandes im Weinberg Gottes tätig ist. Eure gottgeweihte Familie ist ein sehr alter, rein priesterlicher Orden, der das in brüderlicher Gemeinschaft zu führende Ordensleben mit dem liturgischen und seelsorglichen Dienst verbindet. In dieser Hinsicht ist der hl. Augustinus euer Vorbild, der „in seinem Bischofshaus ein Kloster von Klerikern haben wollte“ (vgl. Sermo 355). Viel wird über die Identität der Ordensfamilien gesprochen, zumal heute, da Menschen und Dinge einem raschen Wandel unterworfen sind, neue psychologische Einstellungen, besonders unter den Jugendlichen, sich geltend machen und der rein äußeren Tätigkeit wohl zu viel Gewicht beigemessen wird. So müßt auch ihr eure wahre Identität genau überprüfen. Da „es der Kirche von Nutzen ist, daß die Institute ihre Eigenart und ihre besondere Aufgaben haben“ (Perfectae caritatis, Nr. 2), müßt ihr euch bemühen, den Platz, den euch die Vorsehung in der Kirche zugewiesen hat, mit aller Sorgfalt auszufüllen, für die neuen Bedürfnisse - soweit 1341 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erforderlich - offen zu sein und von den gesunden Überlieferungen nicht abzuweichen. Ein Anlaß zum Innehalten Als Chorherren seid ihr zum feierhchen liturgischen Dienst in den Kirchen bestimmt, der hauptsächlich aus dem Stundengebet und der Eucharistiefeier besteht, die im Chor zu vollziehen sind. Da „die Liturgie der Höhepunkt ist, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 10), müßt ihr mit neuem Eifer danach trachten, eure spezifische Aufgabe würdevoll und fruchtbar zu erfüllen. Diesbezüglich ist euch, die ihr als Priester in der Seelsorge tätig seid, auch eine besondere Aufgabe gestellt, nämlich, die Gläubigen „zu der vollen, bewußten und tätigen Teilnahme an den liturgischen Feiern zu führen“ (vgl. ebd., Nr. 14), namentlich am Stundengebet, das sie wenigstens teilweise mit euch verrichten sollten. Das liturgische Tun muß aber mit persönlicher Frömmigkeit verbunden sein; der Herr sagt ja, wir sollen in unsere Kammer gehen und den Vater im Verborgenen anbeten (vgl. Mt 6,6), ebenso mahnt uns der hl. Paulus, ohne Unterlaß zu beten (vgl. Thess 5,17). Im großen Lärm dieser Welt, bei der hektischen Unrast der Menschen, bei all dem, was unseren Geist vom „einen Notwendigen“ (vgl. Lk 10,42) ablenkt, muß man sich ernsthaft bemühen, die Vereinigung mit Gott, so gut wie möglich, zu bewahren. Die Worte des hl. Augustinus sind da am Platz: „Zur gegebenen Zeit soll es eine Abwechslung im Klang der Stimme geben, aber immer soll sie im Innern ertönen. Wenn du in der Kirche zu frommem Gesang mit anderen zusammenkommst, dann erklingt deine Stimme zum Gotteslob. Du tatest, was du konntest. Du gehst hinweg: dann soll aber dein Inneres das Lob Gottes verrichten“ (Enarr. in Ps 102,2). Diese geistliche Nahrung aus der persönlichen Frömmigkeit betrifft auch, wie es einleuchtet, den seelsorglichen Dienst. Als Beispiel diene euch Alanus von Solminihac, eine Leuchte eures Ordens, der vor knapp drei Jahren seliggesprochen wurde: Er befruchtete das liturgische Leben und seine überaus angestrengte pastorale Tätigkeit durch anhaltendes persönliches Gebet. Ihr nennt euch Regularkanoniker, seitdem auf der Lateransynode im Jahre 1059 das alte Kanonikerinstitut reformiert wurde und das gemeinsame Leben mit dem Verzicht auf jedes Privateigentum wieder eingeführt wurde. In der Erklärung über das kanonikale Leben, die ihr nach dem 1342 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zweiten Vatikanischen Konzil gemeinsam erstellt habt, heißt es: „Eines der besonderen Merkmale des Ordens ist das gemeinsame Leben ... Es weckt in den Familien der Regularkanoniker die Kräfte, ihren Dienst besser auszuführen und so zur vollkommenen Liebe zu gelangen. Es soll die Persönlichkeit jedes einzelnen vervollkommnen und ihn vor Gefahren schützen.“ Jede Chorherrengemeinschaft soll damit eine „wahre Familie sein, die im Namen des Herrn beisammen ist“ (Perfectae caritatis, Nr. 15): Sie soll eine kraftvolle Herzensgemeinschaft sein, in der die Mitbrüder „ein Herz und eine Seele sind“ (vgl. Augustinusregel, 1), sie soll eine Gebetsgemeinschaft sein, insofern sie „dem Gebet zu den festgesetzten Stunden und Zeiten obliegt“ (ebd., Nr. 3), ebenso eine Arbeitsgemeinschaft, ein Zusammenarbeiten (vgl. ebd., 8), was besonders im seelsorglichen Dienst zu betonen ist, und schließlich eine Gütergemeinschaft, in der den Mitgliedern „alles gemeinsam gehört“ {ebd., 1). Von einer solchen Gemeinschaft „geht eine große apostolische Kraft aus“, wie es in einer Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt, die wohl zu überdenken ist {Perfectae caritatis, Nr. 15). Die Feier des 25jährigen Bestehens eurer Konföderation ist gleichsam ein Anlaß zum Innehalten, um über eure Institution sorgfältig nachzudenken. Dieser Zusammenschluß, der hauptsächlich in der Liebe begründet ist, entspricht den Erfordernissen unserer Zeit in vortrefflicher Weise: Die Kommunikation der Menschen untereinander ist viel leichter geworden, und sie werden zur Zusammenarbeit immer mehr und mehr bereit. Die Konföderation darf nicht irgendeine inhaltslose Bezeichnung sein, sondern muß fortwährend belebt und mit dem Geist wahrer Brüderlichkeit und Zusammenarbeit erfüllt werden. Dann wird sie den Erwartungen der Kirche, die sie approbiert hat, entsprechen. Seid treuergebene Söhne der Kirche! Hört noch einmal den hl. Augustinus, den Vater eurer Regel: „Laßt uns den Herrn, unseren Gott, lieben, laßt uns seine Kirche heben: jenen wie einen Vater, diese wie eine Mutter, jenen wie unseren Herrn, diese wie seine Dienerin; wir sind ja Kinder dieser seiner Dienerin . . . Also, meine Lieben, haltet alle einmütig fest an Gott, dem Vater, und an der Mutter Kirche!“ {Enarr. in Ps 88,14). Ein hervorragendes Bild dieser Kirche ist die seligste Jungfrau Maria, deren unbeflecktem Herzen euer Orden geweiht ist. Ahmt Maria nach, die den Willen Gottes immer vollends erfüllte! Gehorcht ihr, die euch in bezug auf ihren Sohn zuzurufen scheint: „Was er euch sagt, das tut!“ {Joh 2,5). Zum Schluß erteile ich allen, die hier anwesend sind, den Apostolischen 1343 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Segen, um euch zu stärken und zu ermutigen in der Erfüllung eurer erhabenen Berufung. Der Segen gelte auch euren Ordensfamilien, den Chorfrauen und anderen Schwestern, die nach dem Ideal eures Ordens leben, und den Familiären, d. h. den Diözesanpriestern und Laien, die durch ein geistliches Band eurem Orden angeschlossen sind. Beten wir für unsere Heimat Fürbitten bei der Messe mit polnischen Pilgern am 14. Juli Beten wir vor allem für diejenigen, die in diesem Moment in unserer Heimat vor Gericht stehen. Beten wir für die Inhaftierten, vor allem für die politischen Gefangenen. Beten wir um Freilassung der Gefangenen. Beten wir für unsere Heimat, damit sie die wirkliche Heimat aller Polen sein kann und alle in ihr gemäß der tausendjährigen christlichen und menschlichen Tradition leben können; daß die Menschenrechte und die Rechte der Nation sowohl im Land selbst wie in den internationalen Beziehungen geachtet werden; damit die Rechte einer Nation geachtet werden, die soviel für ihre Rechte gekämpft und gelitten und ihre eigene Existenz mit dem Opfer von Millionen ihrer Söhne und Töchter bezahlt hat; damit die Bevölkerung dieses unabhängigen Landes unabhängig sei; damit sie in Frieden und Wahrheit, in Gerechtigkeit und Liebe leben kann. Papstwunsch für Olympiade: „Harmonisch, friedlich, menschlich“ Telegramm an den Erzbischof von Los Angeles, Kardinal Timothy Manning, vom 26. Juli Aus Anlaß der feierlichen Eröffnung der 23. Internationalen Olympischen Spiele, die in Los Angeles stattfinden, bitte ich Sie, allen Organisatoren, Teilnehmern und Zuschauern meine herzlichen Grüße und guten Wünsche zu übermitteln. 1344 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dieses große Ereignis hat nicht nur Bedeutung für die Welt des Sports als Ausdruck freundschaftlichen athletischen Wettkampfes und des Strebens nach menschlicher Leistung, sondern auch für die Zukunft menschlicher Gemeinschaft, die durch den Sport den Wunsch aller nach weltweiter Zusammenarbeit und Verständigung sichtbar zum Ausruck bringt. Ich entbiete meine aufrichtigen Glückwünsche den Männern und Frauen, die ihre Länder vertreten, und hoffe, daß sie bei dieser weltweiten Begegnung ein würdiges Vorbild für friedvolle Harmonie und menschliche Kameradschaft sein werden. Auf sie und auf alle, die mit den Spielen verbunden sind, flehe ich reiche göttliche Gnaden herab. PAPST JOHANNES PAUL II. Ferne, lebendige Gemeinschaften Botschaft an den Erzbischof von Papeete, Michel Coppenrath, anläßlich der 150-Jahr-Feier der Evangelisierung Polynesiens vom 1. August Sr. Exz. Michel Coppenrath, Erzbischof von Papeete I „Singt dem Herrn ein neues Lied, verkündet seinen Ruhm bis ans Ende der Erde! Es jauchze das Meer und alles, was es erfüllt, die Inseln und ihre Bewohner“ (Jes 42,10). 1. Dieses Danklied des Propheten Jesaja, der die Güte des Herrn zu seinem Volk bezeugen will und an seiner Freude zugleich das ganze Universum teilnehmen läßt, können wir uns heute leicht zu eigen machen. Es gewinnt neue Bedeutung und neue Horizonte. 150 Jahre sind verflossen seit der Ankunft der ersten Missionare aus der Kongregation von dem heiligsten Herzen Jesu und Mariä in Mangareva auf den Gambier-Inseln, wo sie am 10. August 1834 die erste heilige Messe feierten. Nach dem erfolglosen Versuch der spanischen Franziskaner 1774 und der hochherzigen Verkündigung des Evangeliums durch die protestantischen Missionare der Missionsgesellschaft von London seit 1797 war dies der Beginn der katholischen Evangelisierung von ganz Polynesien im südlichen Pazifik. Heute aber bekennen sich die Bewohner 1345 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dieser zahlreichen und über eine riesige Meeresfläche um Tahiti herum verstreuten Inseln weiterhin zum Glauben an Christus. Sie bilden lebendige Gemeinschaften, die der Kirche Ehre bereiten, und sie legen ein sehr schönes Zeugnis ab. In der Sicht der Propheten des Alten Bundes konnten die zum Erkennen der Herrlichkeit Gottes aufgerufenen Inseln „fern“ erscheinen (Jes 69, 19; Jer 31, 10). In den Gedanken und im Herzen Gottes waren sie es nicht, denn Gott will seine Kinder aus allen Nationen und sämtlichen Kulturen versammeln und ihnen Heil schenken. Wurde der Kirche die providentielle Gelegenheit geboten und der Same einmal gesät, ließ das Wachstum des Baumes nicht auf sich warten, und es zeigten sich auch vielversprechende Früchte. 2. Deswegen vereinige ich mich gerne mit eurer Freude und der Freude aller, die diese Jahrhundertfeier mit euch in Tahiti und auf den benachbarten Inseln begehen wollen. Ich bekunde meine Freude auch im Namen der römischen Kirche und lade die Gesamtkirche ein, mit uns vereint Dank zu sagen. Unser Lobpreis erhebt sich zu Gott, der diese Bewegung des Glaubens an das Wort seines Sohnes Jesus geweckt, sie erhalten und durch seinen Heiligen Geist gestärkt hat. Wir sprechen unsere Freude vor Maria, Unserer Lieben Frau vom Frieden, „Maria no te Hau“, aus, denn ihr haben sich die Missionare von Anfang an anvertraut. Unsere Anerkennung gilt zugleich jenen Pionieren, die einzig die Verkündigung der Frohen Botschaft vom Erlöser und die Liebe zu den neuentdeckten Völkern im Sinn hatten: die Picpusväter, die Schwestern vom hl. Joseph von Cluny, die christlichen Schulbrüder von Ploermel, denen sich die Missionsschwestem Unserer Lieben Frau von den Engeln anschlossen, die Töchter von der Liebe des Heiligsten Herzens, die Schwestern vom Guten Hirten von Angers, die Klarissen, die Oblatenpatres von der makellosen Jungfrau, die Brüder vom Heiligsten Herzen, endlich die Fidei-Donum-Priester. . . Doch fällt das Verdienst auf die Maohi-Völker und die anderen im Pazifik zurück, die die Botschaft des Evangeliums auf nahmen und selber, zumal durch die „Katekita“, dazu beitrugen, sie weiter ausstrahlen zu lassen. 3. Heute genügt es, diese Gabe Gottes zu entfalten, denn der Same wurde auf euren Inseln durch Priester ausgestreut, die von einer tiefen Spiritualität lebten, waren sie doch Schüler von P. Marie-Joseph Coudrin, der eben die Kongregation der Missionare der Heiligsten Herzen gegründet hatte. Ihre erste Verkündigung kreiste daher um die Person Jesu 1346 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christi und sein Herz, in dem sich die Liebe Gottes, des Vaters1, offenbart; um das eucharistische Opfer, das sein Opfer am Kreuz gegenwärtig setzt. Die Eucharistie baut die Kirche auf, und das Zweite Vatikanische Konzil hat mit Nachdruck betont, daß die Liturgie der Höhepunkt ist, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt (SC 10). Es war ferner natürlich die Liebe, die die Gemeinschaften um den Priester vereinte und die Getauften aktiv sich beteiligen ließ. Dieser Gemeinschaftssinn ist heute noch für eure Kirche kennzeichnend. Die Überzeugung der Missionare sowie die geographische Zerstreuung haben diese Gemeinschaften das Bedürfnis verspüren lassen, um ihren Bischof vereint zu bleiben, verbunden mit dem Papst als Garanten der katholischen Einheit. Wenn sie in solcher Gemeinschaft leben, sichert der Heilige Geist selber ihre Dymanik und Freude. Und das treue Gebet zu Unserer Lieben Frau, das mehrere marianische Bewegungen in so glücklicher Weise auf Tahiti pflegen, macht immer noch mehr verfügbar für den Heiligen Geist. Ja, eure Kirche hat die Grundlagen für alles empfangen, was zum Wachstum in Christus notwendig ist und zum Verbleiben in lebendiger Verbindung mit ihm, um an seinem Geheimnis Anteil zu gewinnen. In der Kraft Christi könnt ihr auch die Zukunft eurer christlichen Gemeinschaften aufbauen (vgl. Ansprache an die Bischöfe des Pazifik bei ihrem Ad-limina-Besuch). 4. In diesem Geist sollt ihr ferner beherzt und voll Hoffnung den neuen Abschnitt der Evangelisierung ins Auge fassen, den der Herr euch aufträgt. Eure Synoden, eure „apostolische Bestandsaufnahmen“, die Wege zu gegenseitiger Abstimmung und Beteiligung, die ihr für euch selber festlegt, spannen euch bereits in ein volles Programm ein: Der Papst kann. euch dazu nur ermutigen und den Heiligen Geist bitten, er möge euren Weitblick, euren Mut und eure Ausdauer stärken. Eine vertiefte Katechese, die Pflege der verschiedenen Formen des Gebets und der Liturgie, der Wille zu kluger Fortsetzung der kulturellen Anpassung, die Einpflanzung der Sitten des Evangeliums in die Maohi-Kultur und in die chinesischen und europäischen Kulturformen, die sich damit vermischt haben, das Bemühen, den schwierigen menschlichen und sozialen Problemen, die ein rascher Wandel mit sich bringt, mit einem christlichen Gewissen zu begegnen, das Erkennen der Herausforderung des modernen! Materialismus, die Beteiligung an der Entwicklung und am Erziehungswerk für eine so junge Bevölkerung, ein offener und vertiefter Dialog mit den Christen der anderen Bekenntnisse, dazu die vielfältigen Initiativen zur Vorberei- 1347 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tung und Hilfeleistung für christliche Familien, die Förderung einheimischer Berufe zum Priestertum, zum ständigen Diakonat, zum Ordensleben und zu verantwortlicher Laienschaft. Alle diese Aktionen, von denen man keine einzige vernachlässigen darf, werden dazu beitragen, eurer Ortskirche Lebenskraft und Schwung zu geben, nicht nur zum Vermeiden offensichtlicher Gefahren, sondern, um selber missionarisch zu werden. Die Laien, Ordensleute und Diakone müssen wünschen und anregen, daß Berufungen zum Priestertum aufblühen, die ihre eigenen Charismen weiter pflegen und die Übernähme von Verantwortung in der Ortskirche sicherstellen. Zweifellos führt euch die Bescheidenheit der Mittel, über die ihr verfügt, zum Betonen des Wesentlichen, zu beherzter und gemeinsamer Arbeit, vor allem aber zum Blick auf den Herrn, der durch seinen Geist unerwartete Erneuerung weckt. Gott wird sie auch unter euch wirken, wenn ihr weiter auf ihn vertraut. 5. Eure zerstreuten Wohnstätten und die weiten Entfernungen bleiben ein Hindernis, das euch gemäß dem Sinn für umfassende Gemeinschaft, wie er bei euch recht lebendig ist, einlädt, in Solidarität mit den anderen Kirchen und vor allem mit denen des Pazifik zu leben, die in der CEPAC vertreten sind. Durch die Geschichte haben sich zwischen euch und den weiter entfernten Kirchen solide und fruchtbare Bande gebildet. Heute freuen sich alle mit euch, beten für euch und wissen sich solidarisch mit eurem Bemühen. Der Hl. Stuhl hat sich seinerseits durch die Kongregation für die Glaubensverbreitung, wie sie damals hieß, sehr eingehend für die ersten Missionspläne für Ozeanien interessiert, 1825 die Mission der Sandwich-Inseln (Hawai) dem neu entstehenden Institut des P. Coudrin angeboten und ihm seit 1833 das Apostolische Vikariat Ozeanien anvertraut. Der Hl. Stuhl wird euer Bemühen weiter unterstützen, sich für eure Schwierigkeiten und Hoffnungen interessieren und eurer Ortskirche ihren Anteil am Evangelisierungsauftrag für die ganze Kirche zuweisen. Im Gedenken an die ersten Worte des Apostels Petrus am Pfingstfest für „die in der Ferne“ (Apg 2,39) sowie an den missionarischen Eifer des Apostels Paulus für alle Kirchen versichere ich euch meiner engen Verbundenheit mit euch bei den Jubiläumsfeierlichkeiten in meinem Gebet und in meinem Herzen. Ihr habt mich liebenswürdigerweise eingeladen. Zwar konnte ich nicht persönlich kommen, aber ich habe den lieben Kardinal Bernardin Gantin, den Präfekten der Kongregation für die Bischöfe, zu meinem Sondergesandten bestimmt, der zugleich wohlver- 1348 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN traut ist mit dem Problem der Evangelisierung. Er wird euch meine herzlichen Glückwünsche überbringen. Schon jetzt aber sende ich als Zeugnis für meine hebende Sorge von Rom aus Ihnen persönlich, meinen Brüdern, den Bischöfen des Pazifik, den Priestern, Diakonen und Ordens-männem und Ordensfrauen, den Katecheten, den Familienvätern und -müttern und allen Gläubigen Polynesiens sowie den übrigen' die an den Feiern teilnehmen, von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 1. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. Grußwort an die Fußpilger der „Associazione Volontari Italiani del Sangue e Donatori Organi“ gehalten am 2. August 1984 im Innenhof des Päpstlichen Palastes in Castel Gandolfo Liebe Brüder und Schwestern! Ich bin froh, allen Blut- und Organspendern einen besonderen Gruß zu entbieten, die an dem Fußmarsch teilnehmen, der von den Verantwortlichen der „Freiwilligen Nationalen Vereinigung der Blut- und Organspender“ organisiert worden ist. Ich beglückwünsche Euch zu dieser Initiative, die ein Zeichen Eurer Vitaütät und Eures sportlichen Geistes ist, die Euch veranlaßt haben, diesen Fußmarsch zu unternehmen. Vor allem aber schätze ich das Ziel, das Euch zusammengeführt und in Bewegung gebracht hat, nämlich einen so noblen und verdienstvollen Akt, sein eigenes Blut und sein eigenes Organ den bedürftigen Brüdern zu schenken, anzuregen und hierzu zu ermutigen. Dieser Gestus ist um so lobenswerter, da Euch nicht der Wunsch bewegt, Interessen oder irdische Ziele zu erfüllen, sondern ein hochherziges Anliegen des Herzens, die menschliche und christliche Solidarität: die Liebe zum Nächsten, die das inspirierende Motiv des Evangeliums ist und die ja im neuen Gebot umschrieben:wurde (vgl. Joh 13,34). Wenn Ihr Blut oder ein Organ Eures Körpers spendet, sollt Ihr immer 1349 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN diese humane und religiöse Perspektive vor Augen haben. Eure Haltung gegenüber den notleidenden Brüdern sei wie ein dem Herrn erfülltes Opfer, der sich mit jenen identifiziert hat, die wegen Krankheit, Verkehrs- oder Arbeitsunfällen leiden; es sei ein dem leidenden Herrn zuliebe gegebenes Geschenk, der in seinem Leiden sich selbst dahingege-ben und sein Blut zur Erlösung der Menschen vergossen hat. Wenn Ihr Eure humanitäre Haltung, die schon in sich edel ist, auch übernatürlich versteht, steigert und überhöht sie sich zu einem glänzenden Zeugnis christlichen Glaubens; dann wird Euer Verdienst mit Sicherheit nicht verlorengehen. Daher begleite Euch alle meine Ermutigung, nicht müde zu werden, Gutes zu tun, sondern es mit Elan, Heiterkeit und Hochherzigkeit ins Werk zu setzen. Bekräftigung sei Euch mein Apostolischer Segen, den ich jetzt Euch und allen Mitgliedern Eurer Vereinigungen als Unterpfand meines Wohlwollens erteile. Nach Gottes Bild und Gleichnis Botschaft an die Vollversammlung der Bischöfe der Südafrikanischen Region in Harare vom 2. August An meine heben Brüder, die Bischöfe der Südafrikanischen Region! 1. Es ist mir eine große Freude, mich an die erste Generalversammlung des interregionalen Treffens der Bischöfe der Region Südafrika, die in Harare stattfindet, wenden zu können. Es freut mich zu sehen, daß euer Treffen eine konkrete Verwirklichung und ein wertvolles Ergebnis dessen ist, was ausdrücklicher Wunsch des Zweiten Vatikanischen Konzils war, nämlich, daß „die Beziehungen zwischen den Bischofskonferenzen verschiedener Länder gepflegt werden, um die höheren Ziele zu fördern und zu ziehen“ (Christus Dominus, Nr. 38). Da ich nicht, wie ich gern gewollt hätte, persönlich anwesend sein kann, um die Freuden und Probleme eures Hirtendienstes zu teilen, so grüße ich euch mit den Worten des Apostels Paulus: „Vor allem: Lebt als Gemeinde so, wie es dem Evangelium Christi entspricht. Ob ich komme und euch sehe oder ich fern bin, ich möchte hören, daß ihr in dem einen Geist feststeht, einmütig für den Glauben an das Evangelium 1350 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kämpft und euch in keinem Fall von euren Gegnern einschüchtern laßt“ (Phil 1, 27-28). „Einmütig für den Glauben an das Evangelium kämpfen.“ Das ist die innere Bereitschaft eures Herzens, die euch beseelt, wenn ihr euch hier versammelt, um die wirklichen Beziehungen eurer Ortskirchen untereinander zu prüfen ebenso wie den Kontext der konkreten Herausforderungen, mit denen ihr konfrontiert werdet. Damit gebt ihr der kollegialen Natur eures Bischofsamtes Ausdruck. Möge der Herr eure brüderliche Liebe, eure Offenheit zueinander und eure Gemeinschaft im Glauben und im christlichen Leben reichlich segnen! 2. Das Thema, das ihr für eure Diskussionen gewählt habt, zeigt deutlich die Tragweite eurer Verantwortung als Nachfolger der Apostel. In diesen Tagen des Gebets und des Dialogs werden eure Gedanken sich mit „der prophetischen Sendung der Kirche und ihrer sozialen Lehre in der Südafrikanischen Region“ beschäftigen. Die Länder dieses geographischen Gebietes stellen eine komplexe und sehr unterschiedliche soziale, kulturelle und politische Realität dar. Die Kirche jedoch spricht jede einzelne dieser besonderen Situationen in ihrer Verschiedenheit an, denn sie spricht mit den Worten ihres Herrn und Erlösers Jesus Christus, der „das Licht aller Nationen ist“. Das Werk der Evangelisation, dessen erste Träger die Bischöfe sind, setzt - wie schon mein Vorgänger Paul VI. schrieb - „den ständigen Austausch zwischen der Bibel und dem konkreten menschlichen Leben“ voraus. Während die „frohe Botschaft“ von Christi Auferstehung eine Botschaft universaler Gültigkeit ist - dieselbe für alle Zeiten und Orte beinhaltet ihre Verkündigung doch eine ganz bestimmte Botschaft, die den verschiedenen konkreten Situationen ständig neu angepaßt wird (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 29). Diese besondere Botschaft betrifft die Rechte und Pflichten eines jeden Menschen; sie betrifft das Familienleben, das Leben in der Gesellschaft, das internationale Leben, Frieden, Gerechtigkeit und Entwicklung. Mit einem Wort gesagt, sie betrifft den Menschen, den Menschen in der komplexen Realität seiner konkreten Existenz. 3. Als Hirten der Herde Christi teilt ihr die Sorge Christi, des Guten Hirten aller Männer und Frauen. Wenn ihr euch den vielfältigen und oft schweren Situationen eures Volkes zuwendet, so möchte ich euch für eure Erwägungen einen Gedanken mitgeben, den ich in der Enzyklika Redemptor hominis ausgedrückt habe: „Es geht hier um den Menschen in 1351 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN seiner vollen Wahrheit, in all seinen Dimensionen. Es geht nicht um einen ,abstrakten1 Menschen, sondern um den realen, den ,konkreten1 und geschichtlichen“ Menschen. Jeder ,einzelne“ Mensch ist gemeint; denn jeder ist vom Geheimnis der Erlösung betroffen, und jedem ist Christus für immer durch dieses Geheimnis verbunden“ (Nr. 13). Daraus können wir also schließen, daß jeder Mann und jede Frau in ihrer einzigartigen und nicht wiederholbaren menschlichen Wirklichkeit Gegenstand der Sorge der Kirche sind. Jedes menschliche Leben hat einen unantastbaren Wert, der davon herrührt, daß jeder Mensch nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist - Bild und Gleichnis, die immer bleiben, zu jeder Zeit und unter allen Umständen. Durch eure Bischofsweihe und euren Dienst wird die Kirche unter eurem Volk gegenwärtig. Durch euch und eure Mitarbeiter, vor allem durch die Priester und Ordensleute nimmt die Kirche teil an den konkreten historischen Umständen eurer Völker und Länder, indem sie das Wort der Wahrheit verkündet, das frei macht und die umwandelnde Gnade der Sakramente des Glaubens spendet. Auf besondere Weise wünscht die Kirche den Leidenden und Unterdrückten nahe zu sein. Sie möchte die Schwachen und Armen trösten; sie möchte die zunehmende Zahl der Flüchtlinge und der Heimatlosen in eurer Region verteidigen und unterstützten; sie möchte Hand in Hand mit den Fremdarbeitern gehen, die durch Armut und Unterentwicklung gezwungen sind, fern ihrer Heimat und Familie Arbeit zu suchen. Die Solidarität der Kirche mit den Armen, mit den Opfern von ungerechten Gesetzten oder ungerechten sozialen und wirtschaftlichen Strukturen bedarf keiner Worte. Aber die Formen, in denen diese Solidarität sich zeigt, können nicht durch Analysen bestimmt werden, die sich auf Klassenunterschied und Klassenkampf stützen. Die Aufgabe der Kirche ist es, alle Männer und Frauen zur Bekehrung und zur Versöhnung aufzurufen, ohne einander opponierende Gruppen, ohne „gegen“ irgend jemanden zu sein. Jede Form des priesterlichen Dienstes und aller Dienste der Kirche soll ein Ausdruck der Liebe sein, die im Herzen Christi ist. 4. Eure Versammlung wird viele schwierige und oft wichtige Probleme lösen müssen, für die es keine einfache Lösung gibt. So ist es denn wichtig, daß eure Worte und Taten die Sicherheit und die Hoffnung widerspiegeln, die aus dem erlösenden Mysterium des Kreuzes und der Auferstehung Christi strömen. Auf diese Weise werden eure Entscheidungen wahrlich prophetisch sein, d. h. offen für die Anregungen des Heiligen Geistes und in voller Übereinstimmung mit der Heilsbotschaft der Heiligen Schrift. 1352 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die echte prophetische Kraft unserer Rolle als Lehrer der kirchlichen Gemeinschaft kommt nicht von ideologisch und soziopolitisch vorgefaßten Meinungen, sondern von der Verkündigung des Wortes Gottes in Vertrauen und Freiheit. Wahrlich, wie der hl. Paulus schreibt, ist „das Wort vom Kreuz . . . Gottes Kraft“ (1 Kor 1,18). 5. Ohne direkt in die Argumentation eurer Diskussionen einzugreifen, bin ich froh über diese Gelegenheit, erneut meine Überzeugung betonen zu können, daß „der Mensch der Weg der Kirche ist, der Weg ihres täglichen Lebens und Erlebens, ihrer Aufgaben und Mühen“ (Redemptor hominis, Nr. 14). Ich bete, daß eure Herzen erfüllt sein mögen von evangelischer Liebe zum ganzen Gottesvolk, und ich ermutige euch, euch nur von dem Wunsch leiten zu lassen, die wahre Würde des Menschen zu verteidigen und zu unterstützen. Es ist meine feste Hoffnung, daß die erste Generalversammlung des interregionalen Treffens der Bischöfe Südafrikas den tiefen Sinn für die kirchliche Gemeinschaft zwischen allen Ortskirchen des Gebietes festige und daß euer Austausch von. Freuden und Sorgen eurer pastoralen Mission euch stärke in der Liebe zu Christus und in dem Wunsch, seinen Brüdern und Schwestern nach euren besten Kräften zu dienen. In der Gemeinschaft mit dem Vater, der uns in der Kraft des Heiligen Geistes berufen hat, vor der Welt Zeugen seines Sohnes zu sein, erteile ich frohen Herzens meinen Apostolischen Segen als Zeichen meiner geistigen Verbundenheit. Möge Gott mit euch sein und mit den Kirchen, denen ihr vorsteht und denen ihr dient. Aus dem Vatikan, 2. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes Mitteilungen Botschaft an den Erzbischof von Bangalore, Packiam Arokiaswamy, anläßlich der Generalversammlung des katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat vom 6. August Meinem ehrwürdigen und heben Bruder Packiam Arokiaswamy, Erzbischof von Bangalore Durch Sie möchte ich allen herzliche Grüße senden, die an der Generalversammlung des katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat teilnehmen und ihnen meine geistliche Verbundenheit aussprechen. Ich bin glücklich über die mir gemachte Mitteilung, daß die Versammlung für ihr Thema Anregung im Wort des Mose gefunden hat: „Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde“ (Num 11,29), und daß dieses Wort über ihren vorgesehenen Arbeiten stehen soll. Fast 20 Jahre sind es her, seit der Verband unter der Schirmherrschaft des Sekretariats für die Einheit der Christen auf Initiative seines damaligen Präsidenten, Kardinal Augustin Bea, gegründet wurde. Heute mag es für den Verband hilfreich sein, sich erneut die Ziele vorzuführen, die er sich damals gesteckt hat. Der Verband will sich dafür einsetzen, Katholiken in der ganzen Welt leichteren Zugang zum Wort Gottes (vgl. Dei verbum, Nr. 22) zu verschaffen, damit seine Heilsbotschaft ihr tägliches Leben anregen kann. Tatsächlich sollte alles Wirken und Zeugnisgeben in der Kirche vom lebendigen Wort herkommen, wie es gelesen und gedeutet wird in der Glaubensgemeinschaft unter der Leitung, die der Heilige Geist ihr durch das Lehramt anbietet. Das Wirken des Verbandes trägt keinen privaten Charakter. Es ist vielmehr ein Werk der Kirche. Mitglieder des Verbandes sind nämlich „Bibelorganisationen, die in der ganzen Welt mit den Bischöfen in gegenseitiger Verantwortung Zusammenarbeiten, damit das Wort Gottes allen zugänglich wird“ (Statuten, Art. III.). Dazu gehört, daß ihr Wirken in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppen in der Kirche und zumal mit den Bischofskonferenzen stehen muß. Das „prophetische Amt“ des Volkes Gottes (vgl. Lumen gentium, Nr. 12) muß bewußt als echter Dienst am Wort ausgeübt werden (vgl. Dei verbum, Nr. 10). Die Gläubigen sind aufgerufen, sich in den Dienst der Offenbarung Gottes zu stellen, statt das Wort ihren eigenen Gedanken dienstbar zu machen, wie 1354 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schön diese auch sein mögen. Man darf nicht vergessen, daß das Wort „der Kirche anvertraut“ ist (Dei verbum, Nr. 10), und das Lehramt der Kirche für die echte Auslegung der Botschaft die Verantwortung trägt. Der Verband bemüht sich, eine Gesamtsicht zu fördern, die auf enge Arbeitsbeziehungen zwischen den Ortskirchen hinzielt. Daher sollen jene Gemeinschaften, die das Glück hatten, das Wort Gottes schon vor langer Zeit zu empfangen, zur Hilfe für jene ermutigt werden, die! diese Gabe Gottes erst in jüngerer Zeit erhalten haben und sie ihrerseits wieder mit anderen austauschen wollen. Der universale Charakter des Verbandes führt von selbst - innerhalb bestimmter, klar bezeichneter Grenzen - zu verschiedenen Wegen, die biblische Spiritualität zu entfalten. Gottes Mitteilung an die Menschheit ist reich an Gehalt, und seine unerschöpfliche Botschaft kann unterschiedliche Formen der Antwort wecken. Freilich muß immer dafür Sorge getragen werden, daß das offenbarte Wort nicht in den Dienst einer bestimmten Ideologie gestellt wird. Der Verband wirkt mit zahlreichen Christen zusammen, die zum Teil in weltweiten und sehr aktiven Gesellschaften zusammengeschlossen sind und das Wort bekanntmachen möchten. Durch geeignete Übersetzungen soll es möglichst vielen Menschen zugänglich werden. Zu ihnen gehören die Vereinigten Bibelgesellschaften. Ich ermutige die Generalversammlung, ihre Zusammenarbeit mit diesen verschiedenen Gruppen weiterzuführen. Durch Beteiligung an Übersetzung, Veröffentlichung und Verbreitung des Wortes arbeiten alle an der Behebung der Not jener Menschen mit, die nach dem Wort Gottes hungern und dürsten (vgl. Am 8,11). Dies gilt ebenfalls für die Heranbildung von Kräften, die eines Tages ihr Leben der Lehre und Predigt der Heiligen Schrift widmen möchten. Indem ich auf die Überlegungen der Generalversammlung die Inspiration des Heiligen Geistes herabflehe, bete ich, daß die Bemühungen des katholischen Weltverbandes für das Bibelapostolat den Leib Christi mit immer tieferer Wertschätzung und Liebe zum menschgewordenen Wort bereichern mögen. Um es mit den Worten des hl. Paulus zu sagen: „Gnade und unvergängliches Leben sei mit allen, die Jesus Christus, unseren Herrn, heben!“ (Eph 6, 24). In diesem Sinn erteile ich den Mitgliedern der Versammlung von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 6. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. 1355 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Der Codex — ein Dokument des Konzils Botschaft an den 5. Internationalen Kongreß der „Consociatio Intematio-nalis Studio Iuris Canonici Promovendo“ in Ottawa vom 10. August Meinem ehrwürdigen Bruder Joseph Aurele Plourde, Erzbischof von Ottawa Da ich über den kommenden Kongreß der Internationalen Vereinigung zur Förderung des Kirchenrechtstudiums, der in Ottawa stattfindet, umterrichtet worden bin, möchte ich Sie schriftlich bitten, alle Teilnehmer meines großen pastoralen Interesses zu versichern und ihnen meine Verbundenheit im Gebet zu versprechen. Es freut mich zu hören, daß das für den Kongreß gewählte Thema der neue Codex des kanonischen Rechts ist. Gewiß ist es sehr angemessen, kurz nach Veröffentlichung des neuen C.I.C. der Kirche besondere Bemühungen zu unternehmen, um ein volleres Verständnis seines Inhaltes und seiner Bedeutung zu fördern. Ich zweifle nicht daran, daß ihr alle dies bereits auf der Ebene eurer Ortskirchen und Gemeinschaften tut, wobei jeder von euch einen einzigartigen und wichtigen Beitrag leistet. Daher wird der jetzige Kongreß euch gewiß bei diesem Bemühen unterstützen, weil er euch hilft, eure Kenntis vom Inhalt des neuen Codex zu erweitern und eure Wertschätzung für ihn als ein Werkzeug im Dienst der ganzen Kirche, jedes einzelnen und jeder örtlichen Gemeinschaft zu vertiefen. Die Kirche ist Gottes Bauwerk, und Christus ist dessen Eckstein; von diesem Fundament her empfängt sie Festigkeit und Zusammenhalt (vgl. Lumen gentium, Nr. 6). Man kann daher in der Tat sagen, daß Berechtigung und Bedeutung der verschiedenen Elemente in Leben und Struktur der Kirche im Verhältnis dieser Elemente zum Willen Christi, dem Gründer und Haupt des Leibes, liegen. In diesem Sinn müssen wir den neuen Codex, der wesentliche Grundsätze verkündet und notwendige Normen für die rechte Ordnung der kirchlichen Gesellschaft festlegt, als kostbare Hilfe, als Gabe Christi an seine Kirche ansehen: eine Gabe, die die gesamte Gemeinschaft der Kirche froh und dankbar annehmen muß. In diesem Sinn erfordern die Gesetze der kanonischen Disziplin eine Antwort, die von der Glaubensüberzeugung genährt und von der Liebe angetrieben wird. Der revidierte Codex des kanonischen Rechtes enthält ferner die Weisungen und den echten Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils, das eine 1356 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN solche hochherzige Antwort von der ganzen Gemeinschaft der Kirche hervorrief und auch von anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften gut auf genommen wurde. Ich bete und hoffe - und wünsche im Sinn der besonderen Natur des universalen pastoralen Dienstes des Stellvertreters Christi daß der überarbeitete Codex das Leben des Volkes Gottes immer voller prägt und so zu jener ständigen Reform beiträgt, die die Kirche nötig hat und zu der sie das Konzil so dringend aufrief (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 6). Bei dieser Gelegenheit möchte ich wiederholen, was ich in der Apostolischen Konstitution Sacrae disciplinae leges über die Rolle des Codex sagte: „Tatsächlich ist der Codex Iuris Canonici für die Kirche unbedingt notwendig. Weil auch sie nach Art eines sozialen und sichtbaren Gefüges gestaltet ist, bedarf sie der Richtlinien, damit ihre hierarchische und organische Struktur sichtbar wird und die Ausübung der ihr von Gott anvertrauten Dienste, insbesondere der geistlichen Gewalt und der Verwaltung der Sakramente, ordnungsgemäß geregelt wird, damit die wechselseitigen Beziehungen unter den Gläubigen in einer auf der Liebe beruhenden Gerechtigkeit gestaltet werden, wobei die Rechte der einzelnen sichergestellt und umschrieben werden, damit schließlich die gemeinsamen Vorhaben, die zur Vervollkommnung des christlichen Lebens unternommen werden, durch die kanonischen Gesetze unterstützt, gestärkt und gefördert werden.“ Wenn der Codex für die Kirche notwendig ist, wie wichtig sind dann Kanonisten, die mit der neuen Gesetzgebung gründlich vertraut sind und helfen können, ihn genau und in Übereinstimmung mit den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils auszulegen, und die ihn ausgewogen und voll Liebe anwenden können! Hier liegt die große Chance und Verantwortung jener Fachleute, die im Jahre 1984 der Kirche einen lebenswichtigen Dienst dadurch leisten, daß sie das Kirchenrecht studieren und es in angemessener Weise auf das Leben und die Sendung der Kirche beziehen. Ein richtiges Verständnis der Rolle, die die Kanonisten in der Gemeinschaft der Kirche spielen, kann sich nur aus einer entsprechenden Betrachtung dessen ergeben, was das Gesetz selbst und der Codex, der es enthält, wollen. Nach der eben zitierten Apostolischen Konstitution zielt der Codex „darauf ab, der kirchlichen Gesellschaft eine Ordnung zu geben, die der Liebe, der Gnade und den Charismen den Vorrang einräumt und gleichzeitig deren geordneten Fortschritt im Leben der kirchlichen Gesellschaft wie der einzelnen Menschen, die ihr angehören, erleichtert“. In diesem Sinn ist der Codex ein „unerläßliches Werkzeug“ für das Leben und die Vitalität der Kirche. 1357 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Arbeit für die richtige Durchführung des Codex ist ein Werk für den Aufbau der Kirche selbst, für das Heil der Welt. Sie spielt eine außerordentlich konstruktive Rolle bei der Fortführung der Heilssendung Christi. Kanonisten müssen sich deshalb auch ihrer schweren Verantwortung bei der Aufgabe bewußt sein, das Leben der Kirche auf allen Ebenen im Geist des Evangeliums zu ordnen, Unsicherheiten zu überwinden und Willkür bei der Befolgung einer rechtlichen Ordnung auszuschließen, die im Hinblick auf Leben und Sendung der Kirche sanktioniert und heilbringend ist. Ich möchte daher meine Bewunderung für den unschätzbaren Beitrag aussprechen, den die Kanonisten zur pastoralen und apostolischen Sendung der Kirche leisten. Wie ich bei anderen Gelegenheiten feststellte, haben wir im neuen Codex das letzte größere Dokument vor uns, das vom Konzil gefordert wurde. Mit seiner Veröffentlichung ist ein neuer Abschnitt bei der Aufgabe erreicht, jene innere Erneuerung zu fördern, die das Konzil gewünscht hat und für die wir weiter arbeiten und beten. Mögen alle Kanonisten in der lebenswichtigen Arbeit ausharren, die vor ihnen hegt, und hochherzige Diener sein, stets willig der Führung des Heiligen Geistes folgen und als zuverlässige Verwalter ihre Talente und Gaben voll in den Dienst des Willens des göttlichen Vaters stellen. Mit diesen Gedanken im Herzen bete ich, der Geist der Wahrheit und Liebe möge die in Ottawa zum Kongreß Versammelten stärken. Auf sie alle rufe ich Gnade und Frieden in unserem Herrn Jesus Christus herab und erteile ihnen von Herzen meinen Apostolischen Segen. Aus dem Vatikan, 10. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. 1358 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria: Sicherer Halt in dieser Epoche der großen Lüge Predigt in Castel Gandolfo zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel am 15. August 1. „Eine Frau, mit der Sonne bekleidet“ (Offb 12,1). Heute schaut die Kirche in die Zukunft. Maria, die in den Himmel Aufgenommene, die Frau, mit der Sonne bekleidet, ist ein Zeichen dieser Zukunft. In ihrer Aufnahme in den Himmel wird die endgültige Bestimmung des Menschen offenbar, der als Abbild Gottes, ihm ähnlich erschaffen ist: die endgültige Bestimmung des Menschen, der von Christus, dem Gekreuzigten, erlöst ist. In seiner Auferstehung von den Toten und in seiner Auffahrt in den Himmel hat die „Berufung zur Herrlichkeit“ des ganzen Volkes Gottes ihren Anfang genommen. Maria ist die Erste der Erlösten. Sie ist auch die Erste der zur Herrlichkeit Berufenen. Gerade dies feiert die Kirche am heutigen Tag; Maria, die Frau, an Seele und Leib umfangen vom Geheimnis des lebendigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. <69> <69> Wenn die Kirche in die Zukunft schaut, denkt sie über diese Zukunft nach im Licht Mariens, der in den Himmel Aufgenommenen, und geht dabei aus von ihrer eigenen Vergangenheit. Die Frau, mit der Sonne bekleidet, aus der Offenbarung des Johannes ist zu gleicher Zeit die Frau, die nach der Sünde des Menschen in das Zentrum des Kampfes gegen den Geist der Finsternis gestellt wurde. Das Buch Genesis spricht davon. Erinnern wir uns an das Wort, das Gott-Jahwe zum Versucher sprach: „Feindschaft setze ich zwischen dich und die Frau“ (Gen 3,15). Dies wird aufs neue bestätigt in der Offenbarung des Johannes: „Der Drache stand vor der Frau, die gebären sollte; er wollte ihr Kind verschlingen, sobald es geboren war“ (Offb 12,4). Hier stehen wir im Mittelpunkt der Kämpfe, die schon seit dem Anfang der Geschichte des Menschen auf der Erde ausgefochten werden (vgl. Gaudium et spes, Nr. 13). Die Schlange aus dem Buch Genesis, der Drache aus der Apokalypse: Es ist der gleiche Geist der Finsternis, der Fürst der Lüge, der sich Gott und allem, was göttlich ist, widersetzt, und der zur Verneinung in Person geworden ist. Die Geschichte des Menschen, die Geschichte der Welt verläuft unter dem Druck dieser ursprüngüchen Verneinung Gottes, die vom Satan weitergeführt wird, die Absage an den Schöpfer von seiten des Geschöp- 1359 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN fes. Von Anfang an und vom Augenblick der Versuchung der Stammeltern an ist er bestrebt, durch alle Geschlechter der Söhne und Töchter dieser Erde hindurch sein „Ich will nicht dienen“ in die Seele des Menschen einzuimpfen. 3. Wer ist diese „Frau“? Es ist die, die mit ihrem ganzen Menschsein spricht: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn“ (Lk 1,38). Und sie spricht so, weil ihr ganzes Menschsein, unmittelbar von der Empfängnis an, von der Gnade dessen geformt wurde, den der Prophet als den Knecht Jahwes vorausverkündete, jener, der bei seinem Eintritt in die Welt sagte: „Ja, ich komme . . ., um deinen Willen, Gott, zu tun“ (Hebr 10,7). Er ist der ewige Sohn des Vaters. Genau im Mittelpunkt der Kämpfe zwischen dem Geist der Verneinung Gottes und dem Dienst des Heils ist der Sohn Gottes der Sohn Mariens geworden. „Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird“ (Offb 12,5, nach den Worten des messianischen Psalms). 4. So also erfüllt sich die Verheißung Gottes aus dem Besuch Genesis: Mitten in der Geschichte des Menschen steht der Sohn der Frau, der Diener des Heils für den Menschen und für die Welt ist. Der Kampf, das Ringen wird ausgetragen zwischen dem ewigen Plan Gottes, der alles, Menschen und Welt, zum Heil führen will, und dem Wollen Satans, der alles, Menschen und Welt, dazu zu bringen sucht, daß sie sich Gott widersetzen. Wir sind in diesen Kampf hineingestellt, den unaufhörlichen Kampf, der sich durch die vielgestaltigen Verflechtungen der Geschichte des Menschen auf der Erde hinzieht. In der Mentalität unserer Zeit macht sich die Versuchung, Gott und alles, was göttlich ist, abzulehnen, in einer besonders akuten Form bemerkbar. Der Geist der Lüge versucht, die Menschen unserer Zeit glauben zu machen, sie seien „wie Gott“, jenseits dessen, was gut und böse ist („Gut und Böse erkennend“, Gen 3,5); er will sie glauben machen, es gäbe keine Sünde, während doch die Realität der Sünde und des Bösen den Menschen mehr als je zuvor nachstellt. Ja, die Existenz der Sünde erweist sich durch Bedrohungen von nie gekanntem Ausmaß! Vor diesem Hintergrund schaut die Kirche auf die „Frau“ als auf ein großes Zeichen, denn sie hat dem Geist der Lüge niemals nachgegeben. Sie, gerade sie, die immer die Magd des Herrn war, in Nazaret, in Bethlehem, unter dem Kreuz und bei der Aufnahme in den Himmel, sie 1360 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hat die mütterliche Macht, den Menschen im Geist der Wahrheit durch diese Epoche der großen Lüge zu führen, in der er lebt. Der Geist der Wahrheit in der Geschichte der Menschheit ist die Frucht des Kreuzes und der Auferstehung Christi. 5. Die Kirche blickt also auf die „Frau“ Maria. In ihr sieht sie ihr großes Urbild. Sie selbst möchte Jungfrau sein, die ganz an ihren Erlöser hingegeben ist. Sie möchte auch Mutter sein, die im Eingeborenen Sohn Kinder gebiert: in ihm, dem sie die Geburt als „Menschensohn“ geschenkt hat. Dem mütterlichen Dienst Mariens verdanken wir es, daß in die vom Programm der Verneinung bedrohten Menschheitsgeschichte entscheidend die Kraft der Erlösung hineingetragen wurde. Der Sohn Mariens, „zu Gott und zu seinem Thron entrückt“ (Offb 12,5), hat ein für allemal das erneuert, was Gott von Ewigkeit her mit der Schöpfung geplant hat: das Heil des Menschen und der Welt. Die Erste der Erlösten ist die Mutter des Erlösten. Heute schärft die Kirche den Blick des Glaubens, um dorthin zu schauen, „wo Gott ihr einen Zufluchtsort geschaffen hat“ (Offb 12,6). 6. In der Aufnahme Mariens in den Himmel wird der göttliche Plan des Heils für den Menschen und die Welt neu bestätigt. Er bestätigt sich im Himmel, wie die Offenbarung des Johannes bezeugt: „Jetzt ist er da, der rettende Sieg, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die Vollmacht seines Gesalbten“ (Offb 12,10). In der Aufnahme Mariens in den Himmel betrachtet die Kirche noch einmal das ganze Geheimnis Christi, vom Anfang der Geschichte an bis zu ihrem Ende. In den Dimensionen dieses Geheimnisses blickt sie auf ihren Anfang und auf die Gegenwart. In ihr öffnet sich auch die Zukunft: die endgültige Dimension der Geschichte des Menschen und der Welt wie auch die endgültige Gestalt des Lebens der Kirche. Im Aufleuchten des Kommenden sinnt die Kirche nach über das Vergangene und das Gegenwärtige. Siehe, „der Tempel Gottes im Himmel wurde geöffnet, und in seinem Tempel wurde die Lade seines Bundes sichtbar ... Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel“ (Offb 11,19; 12,1). Was bedeutet dieses Zeichen? Was bedeutet das: „eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt“ (Offb 12,1)? Es bedeutet genau die Zukunft der Welt und des Menschen im lebendigen Gott, im Vater, im Sohn und im Heiligen Geist. Es bedeutet „das Reich unseres Gottes und 1361 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Macht seines Gesalbten“. Es bedeutet das Heil, den Sieg des Heils in Gott über die Verneinung Gottes! Im Geheimnis ihrer Aufnahme in den Himmel ist Maria das Zeichen für diese Zukunft! Der „heilige Sinn“ der Familie Brief an den Präsidenten des Ständigen Komitees für die Eucharistischen Weltkongresse, Kardinal Opilio Rossi, vom 15. August Der Eucharistische Weltkongreß, der im August 1985 in Nairobi in Kenia abgehalten werden soll, stellt ein Ereignis von großer Bedeutung für die Kirche dar: sowohl wegen der großartigen Kundgebungen eucharistischer Frömmigkeit, die mit ihm einhergehen werden, als auch wegen des geistlichen Gewinns, den die Gläubigen, die aus den verschiedenen Teilen der Welt und vor allem aus den Ländern des mir so teuren Afrika dort Zusammenkommen werden, hoffentlich daraus ziehen werden. Das Thema des Kongresses: „Eucharistie und christliche Familie“, ist nicht nur für die gastgebende Nation und den Kontinent sehr bedeutsam, sondern für sämtliche Glieder der Kirche in jedem Land der Welt. Es kommt daher darauf an, daß sich jeder durch Gebet und Betrachtung auf das wichtige Ereignis vorbereitet und so Herz und Sinn für die Annahme jener Gnadengaben empfänglich macht, die der Heilige Geist, den wir alle darum anflehen, bei dieser Gelegenheit in reichem Maße ausgießen wird. Ich möchte mit dieser meiner Botschaft zu einer solchen Vorbereitung beitragen, indem ich einige Gedanken anbiete, mit denen sich die einzelnen und die Gemeinden in nützlicher Weise werden befassen können. 1. Die Eucharistie, das Paschamahl Was uns bei der Betrachtung des eucharistischen Geheimnisses sogleich auffällt, ist, daß es seit den Anfängen der Kirche in einer Gemeinschaftsdimension gelebt und erlebt wird, wie die realen Gegebenheiten enthüllen, die von Ausdrücken wie Haus, Familie, Mahl wachgerufen werden. Es kommt einem sogleich jenes „Haus“ in Erinnerung, in dem die Jünger einen „großen Raum im Obergeschoß, der mit Polstern ausgestattet war, vorbereiteten“, damit der göttliche Meister dort mit ihnen zusammen das Paschamahl essen konnte (vgl. Lk 22,7-22). Und man denkt auch an die 1362 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnisse, die uns das Buch der Apostelgeschichte über die Urgemeinde bewahrt hat, deren Mitglieder „Tag für Tag einmütig im Tempel verharrten, in ihren Häusern das Brot brachen und miteinander Mahl hielten in Freude und Einfalt des Herzens“ (Apg 2,46). Insbesondere „am ersten Wochentag versammelten sie sich, um das Brot zu brechen“, nachdem sie das Wort des Apostels gehört hatten (vgl. Apg 20,7-11), und wiederholten auf diese Weise die Handlung des Herrn beim Paschamahl in Erfüllung des von ihm ausgesprochenen Gebotes (vgl. Lk 22,19). Das alles vollzieht sich in einem Klima, das man als familiär, ja geradezu häuslich bezeichnen könnte, weil diejenigen, die an dem Mysterium teilnehmen, wissen, daß sie durch ihren Glauben an Christus zu „Hausgenossen Gottes“ geworden sind, wie uns der hl. Paulus in Erinnerung bringt (Eph 2,11). Die Feier der Eucharistie offenbart sich so von Anfang an als das Sakrament der brüderlichen Liebe, in dem Jesus Christus wirklich und wesenhaft gegenwärtig ist als Leib, Blut, Seele und Gottheit, um sich mit dem, der an ihn glaubt und ihn würdig empfängt, aufs innigste zu vereinigen. Es ist eine Gegenwart, die von weither kommt und die weit reicht: vom Schoß des ewigen Vaters bis zum Endziel, von der Menschwerdung bis zur eschatologischen Vollendung, auf die die' Geschichte zugeht. Daran erinnert uns denn auch der hl. Paulus: „Denn sooft ihr von diesem Brot eßt und auch dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt (1 Kor 11,26). In der Eucharistie dürfen also wir Erdenpilger in der Erwartung, daß der Glaube erleuchtet und die Hoffnung nährt, im voraus etwas von der Freude kosten, die dem endzeitlichen Hochzeitsmahl eigen sein wird. Auf dieses himmlische Hochzeitsmahl spielt Christus selbst beim Letzten Abendmahl an (vgl. Lk 22,15-16); es ist daher recht, daß der Christ dieses Mahl im Auge hat, wenn er sich von der göttlichen Speise nährt, die seinen Hunger stillt und in ihm die Sehnsucht nach einer immer volleren Gemeinschaft mit seinem Herrn neu belebt bis zur Einsicht, „um wieviel besser es wäre, aufzubrechen und bei Christus zu sein“ (vgL Phil 1,23). Die eucharistische Begegnung kündigt so die seligmachende Erfahrung der endgültigen Begegnung im Hause des Vaters im voraus an und nimmt sie vorweg. <70> <70> Die Eucharistie - Sakrament der Familie Die wesentlich gemeinschaftsbezogene Dimension der Eucharistie findet ihre bevorzugte Äußerung im Kreis der Familie. Wenn in den Anfangszei- 1363 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ten des Christentums und auch in den ersten Jahrhunderten die Eucharistie notgedrungen häufig in Privathäusern gefeiert wurde, so hat auch in der Folge die damals wohl leichtere und spontanere Verbindung zwischen dem eucharistischen Geheimnis und jenem Heiligtum der Liebe nicht nachgelassen, die nach dem Plan des Schöpfers und Erlösers die Familie sein soll. Auch wenn mit der Entwicklung der Kirche in den folgenden Jahrhunderten die Feier der Eucharistie mit Recht vorwiegend in Gotteshäusern vorgesehen und vorgeschrieben war, die dem Gottesdienst der ganzen Kirchengemeinde als angemessenstes Abbild des mystischen Leibes Christi und der „Hausgemeinschaft Gottes“ geweiht waren, hat der heilige Sinn nicht nachgelassen, den die Kirche der Familie als Lebenszelle der kirchlichen Gemeinschaft gerade in bezug auf die Eucharistie beimißt. Wir verdanken es dem Zweiten Vatikanischen Konzil, daß es diese „heilige“ Wirklichkeit der Familie in ihrer ganzen evangelischen Frische in klareres Licht gerückt hat. Die Konstitution Lumen gentium hat in der Familie eine Art „Hauskirche“ gesehen (Nr. 11), und das Dekret hat sie „häusliches Heiligtum der Kirche“ genannt (Nr. 11). Die Tatsache, daß heute die Eucharistie im Gotteshaus gefeiert wird, wo sich die größte „Familie“ der christlichen Gemeinde, besonders auf Pfarrebene, versammelt, darf also nicht daran hindern, die tiefe Bindung zu sehen, die zwischen dem Sakrament des Leibes und Blutes des Herrn und jener „Grund- und Lebenszelle der Gesellschaft“ (Apostolicam actuosita-tem, Nr. 11) besteht, die die Familie darstellt. Wenn die Eucharistie in der Tat das Sakrament ist, durch das Christus den Gläubigen das Leben schenkt (vgl. Joh 6,35 f.), so ist es nicht weniger wahr, daß die Familie der von Gott vorbestimmte „Ort“ ist, an dem „die neuen Bürger der menschlichen Gesellschaft geboren werden, die durch die Gnade des Heiligen Geistes in der Taufe zu Söhnen Gottes gemacht werden, um dem Volk Gottes im Fluß der Zeiten Dauer zu verleihen“ (Lumen gentium, Nr. 11). Darüber hinaus macht das eucharistische Opfer „den Liebesbund Christi mit der Kirche gegewärtig. der mit seinem Blut am Kreuz besiegelt wurde“ (Familiaris consortio. Nr. 57); die Ehe der Getauften, in der die christliche Familie ihren Ursprung und ihr Fundament hat, ist ihrerseits ein einzigartiges lebendiges und bedeutsames Symbol dieses Bundes. In der Eucharistiefeier, in der normalerweise die Eheschließung stattfindet, „finden die christlichen Eheleute darum die Quelle, aus der ihr Ehebund Ursprung, innere Formung und dauernde Belebung empfängt“ (Familiaris consortio, Nr. 57). 1364 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Die Eucharistie - Quelle des Apostolats der Familie Aus diesen höheren Gründen des Glaubens und des kirchlichen Lebens hat die christliche Familie eine besondere Berufung, Zeugin des Evangeliums in der Welt von heute zu sein. Aus der Eucharistie wird sie die Kraft schöpfen, die ihr die Erfüllung dieser Aufgabe abverlangt. „Die Teilnahme am ,hingegebenen“ Leib und am ,vergossenen“ Blut wird unerschöpfliche Quelle der missionarischen und apostolischen Dynamik der christlichen Familie“ (Familiaris consortio, Nr. 57), die, solcher Art gestärkt, „mit lauter Stimme die gegenwärtige Wirkkraft des Gottsrei-ches, besonders aber auch die Hoffnung auf das selige Leben verkünden“ kann (Lumen gentium, Nr. 35). Die Familie sieht sich also hineingenommen in die größere Gemeinschaft der Kirche mit ihrer ganz spezifischen Rolle: nämlich, „ein leuchtendes Zeichen der Gegenwart Christi und seiner Liebe auch für die fernstehenden“ zu sein, für die Familien, die noch nicht glauben, und für jene christlichen Familien, deren Leben dem einst empfangenen Glauben nicht mehr entspricht“ (Familiaris consortio, Nr. 54). Das Thema, das zu vertiefen sich der nächste Eucharistische Weltkongreß vornimmt, hat also wahrlich fundamentalen Charakter. Ich wünsche herzlich, daß dieser Kongreß einen wirksamen Augenblick im Leben der Kirche darstelle, damit die christliche Familie daraus jene Erleuchtung und jene Hilfe beziehen kann, deren sie heute besonders bedarf. Während ich alle Völker Afrikas herzlich grüße und mein' besonderes Gedenken der geliebten Nation von Kenia gilt, möchte ich die Arbeiten sowohl des Internationalen Komitees wie der Ortskirche ermutigen und zugleich die gesamte katholische Kirche zum Gebet für das gute Gelingen des Kongresses einladen. Die selige Jungfrau inspiriere und erleuchte die Organisatoren und alle Gläubigen, damit auch dank des bevorstehenden kirchlichen Ereignisses der wesentliche Wert der Eucharistie für das Heil und die Heiligung der Familie und die unerläßliche Rolle der Familie für die Evangelisierung und das Kommen des Gottesreiches, das in der Eucharistie vorweggenommen wird und seinen zentralen Mittelpunkt hat, immer besser erfaßt werde. Ihnen, Herr Kardinal, und allen Verantwortlichen für die Vorbereitung des Kongresses erteile ich von Herzen den Apostolischen Segen. Castel Gandolfo, 15. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. 1365 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Unter den Augen der Gottesmutter Rundfunkbotschaft zum Eucharistischen Kongreß der Kirche Kroatiens in Marija Bistrica vom 22. August, ausgestrahlt am 8. September Unserem ehrwürdigen Bruder Franjo Kardinal Kuharic, Erzbischof von Zagreb und Vorsitzender der Jugoslawischen Bischofskonferenz Mit aufrichtiger Freude vereinige ich mich mit Ihnen und allen Bischöfen, dem Klerus, den Ordensmännern und Ordensfrauen und allen Gläubigen aus Anlaß des dreifachen historischen Jubiläums, das die katholischen Kirche Kroatiens in diesem Jahr im Heiligtum Marija Bistrica feiert: den Abschluß der langjährigen Feierlichkeiten zum Gedenken an die Christianisierung eures Volkes vor 1300 Jahren (641-1941); den Eucharistischen Kongreß der kroatischen Kirche und die 300-Jahr-Feier der Wiederauffindung der wundertätigen Statue der Muttergottes von Marija Bistrica. Mit dieser Botschaft, liebe kroatische Brüder und Schwestern, die ich meinem Sonderdelegaten, dem Herrn Kardinal Franz König, anvertraue, bin ich heute im Geiste bei euch, während ich den lebhaften Wunsch hege, mich in nicht allzu ferner Zukunft selbst in dieses Heiligtum zu begeben, wenn ich der von den Bischöfen eurer Bischofskonferenz an mich ergangenen Einladung und der von den staatlichen Behörden bekundeten freudlichen Bereitschaft Folge leisten und den ersehnten Pastoralbesuch in Jugoslawien durchführen kann. 1. Dreizehnhundert Jahre Christentum im kroatischen Volk! Das ist eine unermeßliche Gnade und Grund zu immerwährender Dankbarkeit an die göttliche Vorsehung, die das kroatische Volk als erstes der slawischen Völker der Finsternis des Heidentums entrissen und es in das Licht des wahren Glaubens geführt hat. Dieses euer großes Jubiläum fiel in das Jahr 1941, mußte aber wegen der Zeitumstände verschoben werden; und so habt ihr es während der letzten neun Jahre gefeiert, wobei die Feiern 1976 im Marienheiligtum Gospa od Otoka in Solin ihren Anfang nahmen. Ihr habt dann diese feierlichen Glaubenskundgebungen 1978 in Biskupija bei Knin fortgesetzt und vor allem mit der Feier des Gedenkjahres des Königs Branimir, dessen ihr 1979 zusammen mit mir hier in Rom am Grabe des hl. Petrus und in eurer Heimat in Nin gedacht habt: Dabei wurde die Erinnerung an das historische Datum wachgerufen, als Fürst Branimir im Jahre 879 das kroatische Volk und die kroatische Kirche mit unlösbaren 1366 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Banden an die Kirche von Rom und den Stuhl Petri band. Gleichfalls im Rahmen dieser neunjährigen Feiern habt ihr 1981 in Bosnien und Herzegowina die erste Hundertjahrfeier zur Wiederherstellung der ordentlichen katholischen Hierarchie in jenen Regionen festlich begangen. Und in diesem Jahr hat die ehrwürdige Diözese Trebinje in der Herzegowina ihr tausendjähriges Bestehen gefeiert. Das waren die bedeutendsten Abschnitte der Feier eurer 1300jährigen religiösen Geschichte, die reich an vielen tragischen und heroischen Ereignissen ist. Das Christentum schlug tiefe Wurzeln Als zu Beginn des 7. Jahrhunderts eure Vorfahren aus der Karpatenregion Weißkroatiens — nicht weit von meinem Geburtsort - in eure heutige „Schöne Heimat“ gelangten, kamen sie mit dem Christentum in Berührung, das in jener Gegend bereits in apostolischer Zeit tief Wurzel geschlagen hatte. Die vom Blut der Märtyrer von Salona, Istrien, Siscia, Sirminum und vielen anderen Orten befruchtete Erde wurde zur Heimat eures Volkes. Durch den Empfang der Taufe und das Bekenntnis zum einen katholischen, apostolischen und römischen Glauben: kamen die Kroaten überdies mit der abendländisch-römischen Kultur in Kontakt und wurden bald zu einem wesentlichen Bestandteil der Gemeinschaft der christlichen Völker Europas, das damals gerade dabei war, sich als geistige und kulturelle Einheit herauszubilden, und seine Wurzeln eben im christlichen Glauben hatte. Welche enorme Bedeutung dieses Ereignis für eure religiöse und kulturelle Geschichte und für die Entwicklung und Bewahrung eurer Identität als Volk hatte, haben die Bischöfe bereits 1939 in dem Hirtenbrief zur Vorbereitung der Jubiläumsfeiern der Evangelisierung dargelegt. Unter Hinweis auf eure ersten Kontakte mit dem Stuhl Petri schrieben sie: „Das war für die Kroaten ein Ereignis von entscheidender Bedeutung, weil sie von dem Zeitpunkt an sehr rasch das Evangelium Christi annah-men, wie es von Rom verkündet und gelehrt wurde. Der; katholische Glaube hat das nationale Leben der Kroaten durchdrungen“ (Katolicki List, Zagreb, 16. 3. 1939). Es ist darum wahrhaft würdig und recht, wenn ihr nach 13 Jahrhunderten Christentum, die für eure Vorfahren auch Jahrhunderte harter Kämpfe und Opfer „für das ehrwürdige Kreuz und die kostbare Freiheit“ gewesen sind (15. 5. 1979), einen Lobes- und Dankeshymnus an den himmlischen Vater, den Spender alles Guten, anstimmt und zugleich das Treuebündnis mit Christus und seiner Kirche erneuert nach dem Vorbild eurer Ahnen, 1367 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN als sie die Taufe empfingen. Ich erinnere euch bei dieser feierlichen Gelegenheit an die Worte, die ich in meinem Schreiben zum Branimir-Jahr an euch gerichtet habe: „Durch euer Ausharren habt ihr eine Art Bündnis mit Christus und seiner Kirche geschlossen: diesem Bündnis müßt ihr treu bleiben, je stärker die Zeiten gegen euch sind. So wie ihr seit jenem glorreichen Jahr 879 gewesen seid, sollt ihr immer bleiben.“ Die Bedeutung dieses Jubiläums haben eure Bischöfe im Hirtenbrief von 1976 auführlich erläutert, wobei sie eure Dankesschuld gegenüber dem kostbaren und jahrhundertealten christlichen Erbe wie auch die sich daraus für eure Zukunft ergebenden Verpflichtungen hervorheben. Während ich im Lichte des Wortes Gottes über eure Geschichte und über euren Sendungsauftrag im Rahmen der katholischen Kirche und dieses Teiles der Menschheit, wo die Vorsehung euch hingestellt hat, nachdenke, will ich gern eure Aufmerksamkeit auf einige wichtigere Punkte pastora-ler Planung lenken. Die Familien eurer Vorfahren zeichneten sich durch die Liebe und die hochherzige Offenheit für das Leben mit ihrem Kinderreichtum aus, obwohl sie in schweren und ärmeren Zeiten lebten als heute, während es in unserer Zeit auch in eurem Volk immer seltener Familien mit vielen Kindern gibt. Laßt nicht zu, daß der Egoismus und die Kultur des Todes bei euch siegen! Die Erde gehört den Lebenden, nicht den Toten oder Ungeborenen, und Gottes Segen steigt auf die Völker und Familien herab, die hochherzig an seinem Plan mitarbeiten. Die göttliche Vorsehung hat euer Volk zwischen Abendland und Orient gestellt und dadurch, im Kontakt mit verschiedenen Völkern und Kulturen, gewissermaßen mit einer Berufung und Sendung der Vermittlung ausgestattet. In der vom Zweiten Vatikanischen Konzil geförderten großen katholischen ökumenischen Bewegung, die zu einem ehrlichen und offenen Dialog mit den christlichen Brüdern anderer Konfessionen, mit den Gläubigen anderer nichtchristlicher Religionen und sogar mit den Nichtglaubenden ermutigt hat, könnt ihr eine besonders wichtige Rolle entfalten: denn ihr lebt in einem mehrkonfessionellen Staat, der Jugoslawien nun einmal ist, neben orthodoxen und reformierten Christen, neben Muslimen und Nichtglaubenden. Als Katholiken seid ihr aufgerufen, im vollen Bewußtsein eurer Glaubensidentität, eurer kulturellen und nationalen Identität, einen Lebensstil der gegenseitigen Achtung und des Verständnisses, der aufrichtigen Freundschaft und Mitarbeit am Gemeinwohl zu bezeugen, indem ihr euch in allem mit wahrhaft evangelischem Geist und nach den Weisungen des Zweiten Vatikanischen Konzils und eurer Bischöfe verhaltet. So werdet ihr wahrhaftig Söhne des Friedens 1368 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und ein Instrument der Versöhnung sein, würdig der im Evangelium verheißenen Seligkeit. Die Kirche wendet der Jugend und ihren Problemen besondere Aufmerksamkeit zu. Ich wende mich bei diesem feierlichen Anlaß in besonderer Weise an euch, junge Menschen, und ich tue das mit großem Vertrauen und Liebe. In der katholischen Kirche und in eurem Volk habt ihr in diesem besonderen Augenblick eurer Geschichte eine erhebende Aufgabe: Seid stolz darauf, zu der einen heiligen, katholischen und apostolischen Kirche und zu einem Volk mit einer so alten und edlen christlichen Geschichte und Tradition zu gehören! Laßt euch nicht von Weltanschauungen irreleiten, die zu jener Auffassung von Christus, dem Herrn der Geschichte und des Universums, im Gegensatz stehen! Auf euch lastet die Verantwortung, an die künftigen Generationen die Fackel des Glaubens weiterzugeben, die ihr unversehrt und leuchtend von euren Vätern erhalten habt. Mit euren Bischöfen wiederhole ich: Ich setze große Hoffnung auf euch für die evangelischen Erneuerung eures Volkes, dessen Zukunft in hohem Maße von euch abhängt. Eine besondere Frucht dieser Feiern soll das verstärkte Bewußtsein vor der universalen Berufung zur Heiligkeit sein. Ihr habt in eurer langen christlichen Geschichte wunderbare Beispiele des Glaubenszeugnisses eurer Landsleute: Märtyrer, Heilige und Herolde des Evangeliums, die großenteils erst wiederentdeckt und zur Nachahmung und Verehrung vorgeschlagen werden müssen. Um nur bei unserem Jahrhundert innezuhalten, da möchte ich vor allem an den hl. Leopold Mandic erinnern, einen heroischen Diener der Versöhnung, den ich zu meiner Ehre und Freude in den Heiligenkatalog der Weltkirche aufnehmen konnte; ich denke auch an eifrige und vorbildliche Hirten und Laien, die mit ihrer Heiligkeit und ihrem apostolischen Einsatz die schönsten! Seiten der katholischen Bewegung in eurem Volk während dieses Jahrhunderts geschrieben haben. Ihr Beispiel und ihr Zeugnis besitzen heute besondere Gültigkeit. Denn das Zweite Vatikanische Konzil hat meisterhaft aufgeführt, welche Rolle nicht nur die Kleriker und die Ordensmänner und Ordensfrauen, sondern auch die Laien in der modernen Gesellschaft und in ihren Teilkirchen auszuführen berufen sind. In einer Gesellschaft, die der Versuchung des Materialismus in seinen verschiedenen Spielarten ausgesetzt ist, muß der katholische Laie erhobenen Hauptes und mit konsequenter Lebenshaltung bezeugen, daß „in keinem anderen das Heil zu finden ist als in Jesus Christus“ (Apg 4,12) und daß wir zu niemandem anderen außer ihm gehen können, der Worte des ewigen Lebens hat (vgl. Joh 6,68). i 1369 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Ihr schließt diese Jubiläumsfeierlichkeiten mit dem Eucharistischen Kongreß ab, auf den ihr euch im Laufe dieser letzten vier Jahre vorbereitet habt. Ihr habt damit die beste Art und Weise für die Krönung dieser Gedenkfeiern gewählt, weil ihr so die Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen auf die wesentliche Wirklichkeit unseres Glaubens lenkt: die heilige Eucharistie! Sie faßt in der Tat alle grundlegenden Aspekte unserer Heilsrettung in sich zusammen; in der Eucharistie aktualisiert sich ständig das Heilswirken Christi zu jeder Zeit und in jeder Generation. Und eben weil das eucharistische Opfer „Quelle und Höhepunkt des ganzen christlichen Lebens“ (Lumen gentium, Nr. 11) ist und weil sie „das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot, entält“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 5), verpflichtet die Kirche jeden Gläubigen zur Teilnahme an der sonntäglichen Eucharistiefeier. Eure Bischöfe haben euch in besonderer Weise diese Anforderung in Nin mit dem bekannten Lebensprogramm in Erinnerung gerufen: „Die katholische kroatische Familie betet jeden Tag und feiert am Sonntag die Eucharistie.“ Die treue Einhaltung des christlichen Sonntags- und Feiertagsgebots zur Teilnahme an der hl. Messe, das tägliche gemeinsame Gebet in der Familie, die Familienkatechese und die häufige überzeugte und mutige Teilnahme beim Katechismusunterricht in der Pfarrei: das in die Praxis umzusetzen ist für jeden von euch und für jede eurer Familien die Verpflichtung und der unverzichtbare Vorsatz zum Abschluß und zur Besiegelung eurer Feierlichkeiten. Immer Gott und seiner Kirche treu Möge der Eucharistische Kongreß ein Ziel und zugleich ein Ausgangspunkt sein. Nährt euch von dieser eucharistischen Speise, die euch stets im Glauben der Väter vereint, immer Gott und seiner Kirche treu, immer tätig beim Aufbau des Gottesreiches auf den Straßen der Welt wandeln lassen wird, während ihr euch als bevorzugt anseht, wenn der Herr es manchmal zuläßt, daß euer Glaube auf eine harte Probe gestellt wird. Nur wer ausharrt, wird würdig sein, am Hochzeitsmahl des Lammes teilzunehmen! (vgl. Offb 19,9). Setzt geistig gestärkt und ermutigt auf dieser eurer gesegneten Erde das große Heilswerk fort, das uns vom Herrn Christus aufgetragen worden ist! 3. Wie ihr eure Jubiläumsfeiern im Marienheiligtum Gospa od Otoka begonnen habt, so schließt ihr sie nun in Marija Bistrica noch immer unter 1370 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den Augen der Muttergottes ab; in eurem nationalen Marienheiligtum, an der wundertätigen Statue der Muttergottes. Diese Holzstatue, die eure Vorfahren angesichts der Gefahr der Entweihung und Zerstörung verbergen mußten, respräsentiert gewissermaßen die ganze Geschichte, die euer Volk während dieser 1300 Jahre erlitten hat. Und wie dieses heilige Standbild im Laufe dieser 300 Jahre seit seiner Wiederauffindung den Glauben von Hunderttausenden eurer Vorfahren gestärkt hat, indem sie ihnen Hoffnung und Mut einflößt, so möge es weiterhin euer christüches Leben bereichern und die geistliche Einheit von euch allen fördern. Wo Maria ist, dort ist auch ihr Sohn. Pilgert darum auch in Zukunft im Geist des Glaubens und der Buße zu den unzähligen kleinen und großen Marienheiligtümern, die überall in eurer Heimat verstreut sind: Marika Bistrica, Otok k. Solina, Trsat, Sinj, Barban, Gerovo, Vepric, Skrpjel, Olovo, Rama, Kondzilo, Siroki, Brijeg, Donje Hrasno, Tekije, Aljmas, Vecin, Molve, Remete und viele andere, die von der seit jeher vorhandenen Frömmigkeit eures Volkes für die Gottesmutter zeugen, die eure Vorfahren „Advocata Croatiae fidelissima“ nannten, also „treueste Fürsprecherin Kroatiens“. In der Treue zur Muttergottes werdet ihr den sichersten Schutz für die Bewahrung und den Fortschritt eures jahrhundertealten Glaubens finden. Meine Gedanken und mein väterlicher Gruß gehen bei dieser Gelegenheit auch zu den zahlreichen katholischen Kroaten, die in den verschiedenen Teilen der Welt verstreut leben. Dieses Jubiläum der Taufe des Volkes, aus dem sie stammen, möge für sie Quelle der Ermutigung sein zu einem authentischen christlichen Leben und zu einem unerschrockenen Glaubenszeugnis in den verschiedenen Nationen, wo sie leben und arbeiten, und ein dauernder Ansporn, sich der Kirche und der Heimat zu erinnern und sie tatkräftig zu heben. Und schließlich übersende ich bei diesem feierlichen Anlaß meinen herzlichen Gruß und Segen auch an alle Katholiken anderer Nationalitäten, die sich mit euch brüderlich zu dieser Feier vereinigt haben. Voll Zuneigung denke ich auch an die orthodoxen christlichen Brüder, an die Gläubigen der islamischen Religion, die in Jugoslawien leben. Denen aber, die sich zu Nichtglaubenden erklären, sich aber aufrichtig zur Achtung der Würde der menschlichen Person bekennen, möchte ich sagen: Brüder, habt keine Angst vor denen, die an Gott glauben und die ihren Glauben bekennen und frei ausüben wollen! Die Kirche strebt nicht nach irdischer Macht oder Privilegien, sondern ihr Ziel ist das ewige Heil der Menschen. Möge diese Feier ein Antrieb zu einer aufrichtigen und dauerhaften Versöhnung zwischen allen glaubenden und nichtglaubenden 1371 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Brüdern sein in voller gegenseitiger Achtung der Rechte und der menschlichen Würde eines jeden von ihnen. So werdet ihr gemeinsam im Gemeinwohl und im harmonischen, konstruktiven Frieden weiterkommen. Liebe Brüder und Schwestern: „Bleibt Gott und dem hl. Petrus bis zum Tode treu!“ Diese Worte, die mein Vorgänger, Papst Johannes VIII., im Jahre 879 an die Priester und das ganze kroatische Volk richtete, mache ich mir heute zu eigen und wiederhole sie für euch, wobei ich euch daran erinnere - wie das bereits eure Bischöfe im Jahr 1939 getan haben -, daß ihr „das Volk des hl. Petrus“ seid und darum dazu berufen, wie der Apostelfürst ein besonderes Zeugnis von Christus zu geben. Hütet in enger und kindlicher Verbundenheit mit den Nachfolgern Petri und mit euren Bischöfen sorgsam dieses euer kostbares und altes christliches Erbe, indem ihr es unverdorben und bereichert an die kommenden Generationen weitergebt. Der Papst hegt zu euch eine große Zuneigung, er hat Vertrauen zu euch, er grüßt euch und segnet euch von Herzen. Aus dem Vatikan, am 22. August, dem Fest der seligsten Jungfrau und Königin Maria, im Jahr des Herrn 1984, dem sechsten Jahr meines Pontifikats. JOANNES PAULUS PP. II Stark in Drangsal, ausdauernd im Gebet Botschaft an die Katholiken in Litauen zum Abschluß der Feierlichkeiten anläßlich des 500. Todestages des hl. Kasimir vom 26. August Anläßlich der feierlichen Zeremonie, die am 26. August, dem Fest der Überführung der Reliquien des hl. Kasimir, im Rahmen der Gedenkfeiern zum 500. Todestag des Patrons von Litauen in Vilnius (Wilna) stattfinden wird, möchte ich den Brüdern im Bischofsamt, den Priestern, die in dieser mir so teuren Nation ihr Amt ausüben, sowie den ihrer Leitung anvertrauten Gläubigen die tiefe geistige Verbundenheit zum Ausdruck bringen, durch die ich mich während dieser besonderen Periode im Leben eurer christlichen Gemeinde aufs engste verbunden gefühlt habe. Es ist leider nicht möglich, daß ich als Pilger des Glaubens und der Liebe 1372 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nach Vilnius komme, um am Grab dieses Heiligen zu beten und den letzten Tag der Feierlichkeiten zusammen mit der katholischen Familie zu verbringen; ja, es wurde mir nicht einmal gestattet, durch meinen Legaten euch meine Grüße überbringen zu lassen. Es drängt mich jedoch, euch zu versichern, daß meine Person und die römische Kirche lebhaft Anteil nehmen an dem Dankgebet, das ihr mit kindlichem Sinn zu Gott emporsendet wegen der geistlichen Güter, mit denen er euch in dieser Zeit der Gnade reich beschenkt hat, einer Zeit, in der ihr euch ein reiferes Verständnis des großen Geschenkes erworben habt, das die Vorsehung der Kirche und eurer Heimat mit dem hl. Kasimir, dessen heiliges Erbe noch immer unter euch und in euren Herzen lebendig ist, übergeben hat. Ich bitte den Herrn, daß die Gaben der geistlichen Erneuerung, die durch die Fürsprache eures heiligen Patrons und das lebendige Gedenken an sein hervorragendes Beispiel im Gebet, in Werken der Nächstenliebe, im Zeugnis für Christus und insbesondere in der Liebe zur seligen Jungfrau Maria von allen empfangen wurden, künftig neue Früchte der Heiligkeit und des vertrauensvollen, mutigen Glaubenszeugnisses erbringen mögen, während sich eure Nation auf die Feier des 600. Jahrestages seiner Taufe vorbereitet. Mit diesen Wünschen vertraue ich das ganze litauische Volk, insbesondere die Jugend, Maria, der Mutter der Barmherzigkeit bei der Pforte der Morgenröte, an, auf daß sie froh in der Hoffnung, stark in Drangsal und Not, ausdauernd im Gebet und besorgt um die Bedürfnisse der Armen weiter die Botschaft Christi verbreite und, in brüderlicher Liebe verbunden, unter der sorgsamen Führung ihrer Bischöfe einen wertvollen Beitrag für die menschliche Gesellschaft leiste, damit alle Menschen die Wahrheit kennenlernen können, die zum Heil führt. Als Unterpfand dessen erteile ich meinen besonderen Apostolischen Segen. 1373 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Politische Verantwortung an sittlichen Maßstäben messen Ansprache an den neuen Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl, Dr. Peter Hermes, bei der Übergabe des Beglaubigungsschreibens am 27. August Sehr geehrter Herr Botschafter! Indem ich heute Ihr Beglaubigungsschreiben entgegennehme, begrüße ich Sie ehrerbietig als neuen außerordentlichen und bevollmächtigten Botschafter der Bundesrepublik Deutschland beim Hl. Stuhl. Diese ehrenvolle Ernennung durch Ihren Herrn Bundespräsidenten führt Sie in neuer Verantwortung zurück an einen Ihnen bereits bekannten Ort, in eine diplomatische Vertretung, deren besonderer Charakter und Aufgabenbereich Ihnen durch eine frühere mehrjährige Tätigkeit schon persönlich vertraut sind. 1. Sie haben in Ihrer Begrüßungsansprache auf die tiefen geschichtlichen Zusammenhänge hingewiesen, aus denen sich das gegenwärtige vertrauensvolle Verhältnis zwischen Ihrem Land und dem Hl. Stuhl herleitet und sich heute in fruchtbarer Zusammenarbeit für gemeinsam erstrebenswerte politische und gesellschaftliche Ziele konkretisiert. Ich danke Ihnen besonders für Ihre anerkennenden Worte, mit denen Sie den Einsatz des Hl. Stuhls gewürdigt haben, durch den dieser sich bemüht, zur Verwirklichung von Gerechtigkeit und Frieden in der internationalen Gemeinschaft der Völker seinen besonderen Beitrag zu leisten. Staat und Kirche, deren engem Zusammenwirken in der Vergangenheit das Abendland sein großes kulturelles Erbe verdankt, haben in der Neuzeit ihr gegenseitiges Verhältnis und ihre rechtliche Zuordnung neu zu bestimmen versucht. Wie ich in meiner Ansprache an den früheren Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Herrn Prof. Karl Carstens, bei seinem Besuch im Vatikan im Oktober 1982 unterstrichen habe, ist in Ihrem Land zwischen den beiden Institutionen auf der Grundlage des Grundgesetzes sowie des geltenden Reichskonkordates und der Länderkonkordate eine besonders glückliche und zeitgemäße Regelung gefunden worden. Gegenseitige Unabhängigkeit und solidarische Partnerschaft in der gemeinsamen Sorge um die großen Anliegen des Menschen und der Gesellschaft bilden die besten Voraussetzungen für eine langfristige wirksame Zusammenarbeit. 1374 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Im aufrichtigen Wunsch nach einer tiefgreifenden geistigen und politischen Erneuerung Europas würdigt und unterstützt der Hl. Stuhl die vielfältigen Bemühungen Ihrer Regierung um den Abbau von Spannungen, um Verständigung und immer engere Zusammenarbeit zwischen den Völkern des ganzen europäischen Kontinents, besonders mit den östlichen Nachbarländern. Es ist zu wünschen, daß die Bundesrepublik Deutschland - auch angesichts der besonderen politischen Umstände des Landes - das hohe Ansehen und den Einfluß, die sie sich durch ihre so erfolgreiche innere wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erworben hat, auch im Bereich der internationalen Politik für die Verwirklichung von Frieden und Gerechtigkeit, für die allgemeine Achtung der Würde und der Grundrechte des Menschen, für die Überwindung von Unterentwicklung und Elend in der Welt verantwortungsbewußt voll zur Geltung bringt. Die umfangreichen Hilfen für Länder der Dritten Welt, die in den letzten Jahrzehnten von Ihrem Land geleistet worden sind und noch weiter großzügig gewährt werden, gereichen den deutschen Bürgern, ihren Regierungen und nicht zuletzt den Kirchen zur besonderen Auszeichnung. Gerade in diesem Bereich erweist sich die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche als besonders wirksam. 3. Die verfassungsrechtlichen und konkordatären Bestimmungen gewähren der Kirche in der Bundesrepublik Deutschland auch nach innen für eine maßgebliche Mitwirkung in der Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens ein hohes Maß an Freiheit. Die vielfältige konstruktive Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen im sozialen und gesellschaftspolitischen Bereich zeigt, wie sehr sich die deutsche Kirche ihrer großen Verantwortung bewußt ist und zum Wohl des Menschen und der Gesamtheit ihren wichtigen Beitrag leistet. In der modernen pluralistischen Gesellschaft ist die Kirche in einer besonderen Weise gefordert in ihrem prophetischen Wächteramt zur Förderung und Verteidigung der grundlegenden geistigen und sittlichen Werte, ohne die das menschliche Zusammenleben nicht menschenwürdig gestaltet werden kann. Nicht alles, was machbar ist, ist dadurch auch schon sittlich erlaubt und ein für den Menschen erstrebenswertes Gut. Gerade in der pluralistischen Gesellschaft gilt es, die Geister zu scheiden. Die Kirche ist kraft ihrer Sendung überall dort zum offenen Widerspruch aufgerufen, wo Grundwerte und Grundrechte des Menschen in das Belieben und dadurch in die willkürliche Verfügbarkeit des einzelnen oder der Gesellschaft abzugleiten drohen. Politische Verantwortung darf sich nicht 1375 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allein an Mehrheitsverhältnissen orientieren, sondern ist letztlich an sittlichen Maßstäben zu messen. Es ist erfreulich festzustellen, daß auch darüber in Ihrem Land zwischen Staat und Kirche ein intensiver freimütiger Dialog geführt wird. So über die Unantastbarkeit des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen, über die öffentliche Moral, über den Schutz der Familie, besonders der Jugend, über Umweltschutz wie über gerechte Lösungen für die vielfältigen sozialen Fragen, z.B. für das drängende Problem der Arbeitslosigkeit und für die Ausländerfrage. 4. Mögen sich die offiziellen freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Hl. Stuhl auch im vertrauensvollen partnerschaftlichen Verhältnis von Staat und Kirche in Ihrem Land selbst als wirksam erweisen und fruchtbar weiterentwickeln zur Förderung von Frieden und Gerechtigkeit nach innen und nach außen, zum Nutzen des Gemeinwohls und des einzelnen Menschen. Daß auch Ihr Wirken in Ihrem neuen verantwortungsvollen Amt, sehr verehrter Herr Botschafter, dazu beitragen möge, wünsche ich Ihnen von Herzen und erbitte Ihnen hierfür Gottes beständigen Beistand. Ihnen und Ihrer werten Familie sowie allen Mitarbeitern in Ihrer Botschaft erteile ich zu Ihrem heutigen Amtsantritt meinen besonderen Apostolischen Segen. Aufrichtig erwidere ich zugleich die von Ihnen überbrachten guten Wünsche des Herrn Bundespräsidenten Dr. Richard von Weizsäcker und erbitte auch ihm für ein erfolgreiches Wirken in seinem neuen hohen Amt stets Gottes Licht und Führung. Aus dem Vatikan, am 27. August 1984 1376 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zur Gotteskindschaft berufen Ansprache an die Teilnehmer des Weltkongresses der Säkularinstitute in Castel Gandolfo am 28. August Liebe Brüder und Schwestern! 1. Ich freue mich fürwahr, anläßlich des Weltkongresses der Säkularinstitute noch einmal mit euch zusammenzutreffen; er steht unter dem Thema: „Ziele und Inhalte der Ausbildung der Mitglieder der Säkularinstitute“. Es ist meine zweite Begegnung mit euch, und in den vier Jahren seit der vorausgegangenen hat es nicht an Gelegenheiten gefehlt, mein Wort an das eine oder andere Institut zu richten. Aber es hat einen besonderen Anlaß gegeben, bei dem ich von euch und für euch gesprochen habe. Im vergangenen Jahr habe ich beim Abschluß der Vollversammlung, in der die Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute die Identität und die Sendung eurer Institute behandelte, den Hirten der Kirche u. a. empfohlen, „unter den Gläubigen ein nicht nur annäherndes und gefälliges, sondern ein genaues und ihre Wesensmerkmale respektierendes Verständnis der Säkularinstitute zu fördern“ {Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute am 6. Mai 1983, in: O. R. dt., 20. 5. 83, S. 4). Ich habe dabei auch einen Punkt berührt, der zu dem von euch in diesen Tagen behandelten Thema Ausbildung gehört, indem ich einerseits die Säkularinstitute aufforderte, die Gemeinschaft mit der Kirche intensiver zu leben, und andererseits die Bischöfe daran erinnerte, daß sie die Verantwortung haben, den Säkularinstituten „den ganzen Lehrreichtum, den sich brauchen, anzubieten“ (ebd.). Es ist mir willkommen, daß ich mich heute direkt an euch, die Verantwortlichen der Säkularinstitute und die Beauftragten für die Ausbildung, wenden kann, um Wichtigkeit und Größe des Einsatzes in der Ausbildung zu bekräftigen. Es ist ein vorrangiger Einsatz, verstanden in bezug auf die persönliche Ausbildung aller Angehörigen des Instituts, die in den ersten Jahren mit besonderer Sorgfalt, aber auch später mit umsichtiger Aufmerksamkeit geschehen soll. <71> <71> Zunächst und vor allem ermahne ich euch, einen Blick auf den göttlichen Meister zu richten, um von hier Licht für diesen Einsatz zu erhalten. Das Evangelium kann auch als Bericht vom Werk Jesu an den Jüngern 1377 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gelesen werden. Jesus verkündet von Anfang an die Frohe Botschaft von der väterlichen Liebe Gottes, aber dann erschließt er schrittweise den tiefen Reichtum dieser Botschaft, er offenbart nach und nach sich selbst und den Vater; er tut es mit unendlicher Geduld und beginnt, wenn nötig, von vorn: „Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt?“ (Joh 14,9). Wir könnten das Evangelium auch lesen, um die Pädagogik Jesu zu entdecken, durch die er den Jüngern die anfängliche Grundausbildung vermittelte. Die „ständige Weiterbildung“ wird - wie man sagt - später kommen, und der Heilige Geist wird sie vollenden. Er wird die Apostel zum Verständnis dessen führen, was Jesus sie gelehrt hatte; er wird ihnen helfen, zur vollen Wahrheit zu gelangen, sie in ihrem Leben auf einem Weg zur Freiheit der Kinder Gottes zu vertiefen (vgl. Joh 14,26; Rom 8,14ff.). Dieser Blick auf Jesus und seine Schule bestätigt eine Erfahrung, die wir alle machen: keiner von uns hat die Vollkommenheit, zu der er berufen ist, erreicht, jeder von uns ist immer in der Ausbildung, ist immer auf dem Weg. Der hl. Paulus schreibt, daß Christus in uns Gestalt annehmen muß (vgl. Gal 4,19), so wie wir in der Lage sind, „die Liebe Christi zu verstehen, die alle Erkenntnis übersteigt“ (Eph 3,19). Aber diese Erkenntnis wird erst eine volle sein, wenn wir uns in der Herrlichkeit des Vaters befinden (vgl. 1 Kor 13,12). Dieses Sich-ständig-auf-dem-Weg-Wissen ist ein Akt der Demut, des Mutes und des Vertrauens, zu dem viele Seiten der Schrift in Entsprechung stehen und über den sie belehren. Zum Beispiel: der Weg Abrahams aus seinem Land zu dem ihm unbekannten Ziel, an das Gott ihn ruft (vgl. Gen 12,1 ff.); die Pilgerschaft des Volkes Israels von Ägypten ins verheißene Land, aus der Sklaverei in die Freiheit (vgl. Buch Exodus)-, das Hinaufsteigen Jesu zu dem Ort und zu dem Augenblick, in dem er, von der Erde erhöht, alles an sich ziehen wird (vgl. Joh 12,32). 3. Ein Akt der Demut, sagte ich, der die eigene Unvollkommenheit erkennen läßt, ein Akt des Mutes, um Mühe, Enttäuschungen, Ernüchterungen, eintönige Wiederholung und Neuheit des Wiederanfangs auf sich zu nehmen, vor allem ein Akt des Vertrauens, denn Gott geht mit uns, mehr noch: Christus ist der Weg (vgl. Joh 14,6), und erster und Haupturheber jeder christlichen Bildung ist er, ja kann kein anderer als er sein, wenn er sich auch menschlicher Gelegenheiten bedient: „Und doch bist du, Herr, unser Vater. Wir sind der Ton, und du bist unser Töpfer, wir alle sind das Werk deiner Hände“ (Jes 64,7). 1378 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Grundüberzeugung muß den Einsatz für die eigene Bildung sowie für den Beitrag, den man möglicherweise zur Ausbildung anderer Menschen zu leisten gerufen ist, leiten. Sich mit der richtigen Haltung auf die Bildungsaufgabe einzulassen, heißt zu wissen, daß es Gott ist, der bildet, und nicht wir. Wir können und müssen zu einer Gelegenheit und einem Werkzeug hierfür werden in fortwährender Achtung vor dem geheimnisvollen Wirken der Gnade. Demzufolge ist der Einsatz für unsere Bildung und die der uns anvertrauten Menschen nach dem Beispiel Jesu immer auf die Suche nach dem Willen des Vaters ausgerichtet: „Es geht mir nicht um meinen Willen, sondern um den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 5,30). Die Bildung besteht letztlich darin, daß man in der Fähigkeit wächst, sich Gottes Plan hinsichtlich eines jeden und hinsichtlich der Geschichte zur Verfügung zu stellen, daß man die Mitarbeit an seinem Plan der Erlösung der Menschen und des Geschaffenen anbietet, daß man schließlich den in jedem Augenblick beschlossenen Heilswert entdeckt und lebt: „Vater unser, dein Wille geschehe“ {Mt 6,9-10). 4. Diese Bezugnahme auf den göttlichen Willen veranlaßt mich, einen Hinweis in Erinnerung zu bringen, den ich euch bereits bei unserer Begegnung im Jahr 1980 gegeben habe: In jedem Augenblick eures Lebens und in all euren täglichen Verrichtungen muß sich „eine totale Verfügbarkeit für den Willen des Vaters, der euch in die Welt gestellt und für die Welt bereitgestellt hat“, verwirklichen. Und das - so sagte ich damals weiter - bedeutet für euch eine besondere Beachtung dreier Aspekte, die in der Wirklichkeit eurer spezifischen Berufung als Mitglieder von Säkularinstituten Zusammentreffen. Der erste Aspekt betrifft die engere Nachfolge Christi auf dem Weg der evangelischen Räte mit einer völligen Hingabe seiner selbst an die Person des Heilands, um dessen Leben und Sendung zu teilen. Diese Hingabe, welche die Kirche als eine besondere Weihe anerkennt, wird auch zum Protest gegen die menschlichen Sicherheiten, wenn sie Frucht des Hochmuts sind; und sie bedeutet ausdrücklicher die „neue Welt“, die von Gott gewollt ist und deren Anfang Jesus gesetzt hat (vgl. Lumen gentium, Nr. 42; Perfectae caritatis, Nr. 11). Der zweite Aspekt betrifft die Zuständigkeit in eurem besonderen Bereich, mag er noch so bescheiden und gewöhnlich sein, mit „jenem vollen Bewußtsein eures Anteils am Aufbau der Gesellschaft“ (Apostoli-cam actuositatem, Nr. 13), das notwendig ist, um den Brüdern „immer großherziger und wirksamer zu dienen“ {Gaudium et spes, Nr. 93). Das 1379 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis wird so glaubwürdiger sein: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35). Der dritte Aspekt bezieht sich auf eine umwandelnde Präsenz in der Welt, das heißt: durch „persönliche Bemühung zur geschichtlichen Erfüllung des göttlichen Planes beitragen“ (Gaudium et spes, Nr. 34), indem man die Ordnung der zeitlichen Dinge mit dem Geist des Evangeliums beseelt und vervollkommnet, vom Innern dieser Wirklichkeit her handelt (vgl. Lumen gentium, Nr. 31; Apostolicam actuositatem, Nr. 7,16,19). Ich wünsche euch, daß ihr als Frucht dieses Kongresses in der Vertiefung fortfahrt, indem ihr vor allem von den Hilfsmitteln Gebrauch macht, um den Akzent der Ausbildung auf die drei genannten Aspekte und auf jeden anderen wesentlichen Aspekt zu legen, wie etwa die Erziehung zum Glauben, zur kirchlichen Gemeinschaft, zur Glaubensverkündigung, und indem ihr das alles zu einer lebendigen Synthese verbindet. So werdet ihr in der Treue zu eurer Berufung und eurer Sendung wachsen, die die Kirche schätzt und euch anvertraut, weil sie anerkennt, daß sie ihren Erwartungen und denen der Menschheit entsprechen. 5. Bevor ich schließe, möchte ich noch einen grundlegenden Punkt hervorheben: nämlich daß die letzte Wirklichkeit, die Fülle in der Liebe besteht. „Wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (7 Joh 4,16). Auch das letzte Ziel jeder christlichen Berufung ist die Liebe; in den Instituten gottgeweihten Lebens wird das Bekenntnis zu den evangelischen Räten zu ihrem vorzüglichen Weg, der zu Gott, dem über alle Maßen geliebten, und den Brüdern führt, die alle zur Gotteskindschaft berufen sind. Im Rahmen des Einsatzes für die Bildung findet die Liebe in der brüderlichen Gemeinschaft Ausdruck, Stütze und Reifung, um Zeugnis und wirksames Tun zu werden. Wegen der Anforderungen der Eingliederung in die Welt, die aus eurer Berufung folgen, verlangt die Kirche von euren Instituten nicht jenes gemeinsame Leben, das hingegen den anderen Ordensinstituten eigen ist. Sie verlangt jedoch eine „in der Liebe verwurzelte und gegründete brüderliche Gemeinschaft“, die alle Mitglieder gleichsam zu „einer einzigen besonderen Familie“ machen soll (C/C, can. 602); sie verlangt, daß die Mitglieder eines selben Säkularinstituts „die Gemeinschaft unter sich wahren, indem sie eifrig die Einheit des Geistes und echte Brüderlichkeit pflegen“ (CIC, can. 716, 2). Wenn die Personen diese geistliche Atmosphäre ausströmen, die die umfassendste Gemeinschaft mit der Kirche voraussetzt, wird der Einsatz 1380 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und das Bemühen um die Bildung in ihrer Ganzheit ihr Ziel nicht verfehlen. 6. Zum Abschluß kehrt unser Blick zu Jesus zurück. Jede christliche Bildung öffnet sich der Fülle des Lebens der Kinder Gottes, so daß das Subjekt unseres Tuns im Grunde Jesus selbst ist: „Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ {Gal2,20). Aber das trifft nur dann zu, wenn jeder von uns sagen kann: „Ich bin mit Christus gekreuzigt worden“, jenem Christus, „der sich für mich hingegeben hat“ (ebd., 2,19). Es ist das hohe Gesetz der Nachfolge Christi: das Kreuz umfangen. Der Bildungsweg kann von diesem nicht absehen. Die jungfräuliche Gottesmutter möge euch auch in dieser Hinsicht Vorbild sein. „Während sie auf Erden ein Leben wie jeder andere; verbrachte, voll von Sorge um die Familie und von Arbeit“ {Apostolicam actuosita-tem, Nr. 4) - so ruft es das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung -, ging sie „den Pilgerweg des Glaubens . . ., und ihre Vereinigung mit dem Sohn in Treue hielt bis zum Kreuz {Lumen gentium, Nr. 58). Unterpfand des göttlichen Schutzes sei der Apostolische Segen, den ich euch und allen Mitgliedern eurer Institute von ganzem Herzen erteile. . . daß sie es gut machen“ Schreiben an Kardinal Franz König, Päpstlicher Legat beim Eucharistischen Kongreß in Kroatien, vom 1. September Meinem ehrwürdigen Bruder Franz Kardinal König Meinem ehrwürdigen Bruder Gruß und Apostolischen Segen! Am 8. und 9. September werden die Gedenkfeiern zum 1300. Jahr seit Beginn des Christentums in Kroatien ihren Abschluß finden. Mit diesem bereits dritten Kongreß gedenkt das kroatische Volk gleichsam durch ein dreifaches Jubiläum des glücklichen Ereignisses, durch das dieses edle Volk zu einem jungen und lebendigen Glied der Kirche wurde, an deren Mühe und Gefahr, Ehre und Herrlichkeit es in Zukunft teilhatte. Hinzu kommt das 300jährige Jubiläum der Wiederauffindung der Statue von 1381 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Marija Bistrica, die bei Ausbruch eines Krieges versteckt worden war, damit sie nicht Schaden leide oder ganz verloren gehe. Begonnen aber haben die Feierlichkeiten, deren Abschluß nun bevorsteht, mit einem Auftakt im Jahr 1976 in der Stadt Solin, Diözese Split, um das Tausendjahrjubiläum der Erbauung einer Kirche in Solin durch Yelena, die Königin der Kroaten, zu feiern; weitere Feierlichkeiten folgten im Jahr 1979 in dem Städtchen Nin zum Gedenken daran, daß vor 1100 Jahren König Branimir in einem Brief an Papst Johannes VIII. gleichsam in einem feierlichen Versprechen bekräftigte, daß er und sein Volk voll und ganz die Treue gegenüber der Römischen Kirche bewahren werden. Als jener heilige Papst ihm dafür dankte, segnete er ihn mit väterlichem Herzen. Seit damals ist jene Gemeinschaft zweifellos vom Apostolischen Stuhl immer als besonders geliebte Tochter angesehen und behandelt worden. Zu beiden Feiern - besonders zur zweiten - strömte das kroatische Volk aus verschiedenen Orten in großer Zahl nach Solin und Nin, so als wäre durch das Wehen der Gnade der Glaube an Gottes hilfreiches Wirken wiedererwacht, und verpflichtete sich außer zum Glauben an Christus auch zur Treue gegenüber dem Stuhl Petri: Das nämlich ist die christliche Treue, die, weit davon entfernt, die Menschen innerlich von ihren Pflichten als Staatsbürger abzubringen, durch die religiöse Beachtung von Zucht und Ordnung dem Fortschritt dient. Und das alles veranlaßt zu der durchaus nicht vergeblichen Hoffnung, daß dieses hochherzige und unerschrockene Volk, das Heilige und Dichter hervorgebracht hat, auch in der heutigen Zeit gleich einem durch starke Regengüsse angestiegenen Fluß vollzählig zur Stelle sein wird, um die Erinnerung an jene früheren, glorreichen Zeiten der Vorfahren wachzurufen. Der Ruhm der Väter fällt nämlich auf die Söhne zurück, und ihre Tugend ist das kostbare Erbe der Enkel. Die Themen, die für diese Tage im Heiligtum Marija Bistrica, das sozusagen eine gemeinsame Heimstatt aller Kroaten darstellt, zum Bedenken und Betrachten vorgeschlagen werden - das wunderbare Geheimnis der Eucharistie und Maria, die liebevolle Mutter Christi -, sind bedeutend und passend für unsere Zeit. Denn in Christus, dem im Altarssakrament verborgenen und zu verehrenden Sohn Gottes, entdeckt nicht nur der treue Jünger das herrliche Licht der Wahrheit, sondern den Urheber dieses Lichtes selbst, in dem wie in einem Angelpunkt aller Dinge die ganze Wahrheit enthalten ist und Einsicht und Verstand der Menschen befriedigt. Und in der Tat scheint Christus in der Eucharistie zu diesen Betroffenen, 1382 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die aus der menschlichen Wüste nach den himmlischen Ufern streben, liebevoll ermahnend zu sagen: „Steh auf und iß! Sonst ist der Weg zu weit für dich“ (1 Kön 19,7), ob du allein gehst oder mit der Kirche. Gestärkt durch diese göttliche Speise, singt der Christ und geht seinen Weg. Und dabei wird Maria nicht fehlen, die Mutter der Kirche, die in Freude und Leid mit den Kindern geht. Mit dieser Vorrede will ich Dich, ehrwürdiger Bruder, nun davon in Kenntnis setzen, daß es mein Wille ist, daß Du diesen Feiern als mein persönlicher Legat vorstehst. Wohlan, ehrwürdiger Bruder, so trage ich Dir denn auf, diese Schar der Söhne und Töchter in meinem Namen zu grüßen. Sie zu ermahnen, daß sie es gut machen; daß sie den christlichen Glauben, in dem allein das ewige Heil für alle liegt, unversehrt bewahren; daß sie rechtschaffen sind und unvergängliche Reichtümer anstreben. Ebenso trage ich Dir auf, den Vertretern der zivilen Behörden in meinem Namen Wohlergehen und Glück zu wünschen. Was aber Dich betrifft, so zweifle ich nicht daran, daß Du mit Deiner Klugheit in allen Dingen, mit Deiner Liebe zu Gott und Deinem Gehorsam gegenüber dem Stuhl Petri die Dir übertragene Aufgabe treu und heiligmäßig ausführen wirst zur Ehre Christi und seiner Mutter und zum Wohl der Gläubigen. Inzwischen aber rufen wir Gott, den allmächtigen Vater an, daß er sowohl Dir wie auch den anderen Anwesenden, vor allem den Kardinälen, Bischöfen, Priestern, Ordensleuten, allen Völkern Jugoslawiens und allen, die der Wahrheit gehorchen, durch seine Gegenwart beistehe! Ihnen allen spenden wir außerdem den Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom, bei Sankt Peter, unter dem Ring des Fischers, am 1. September 1984, dem sechsten Jahr meines Pontifikats. PAPST JOHANNES PAUL II. 1383 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euthanasie ist zu verurteilen Ansprache an die Teilnehmer des 54. kulturellen Fortbildungskurses der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ in Castel Gandolfo am 6. September Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist mir eine besondere Freude, euch alle und jeden einzelnen der Teilnehmer dieses 54. kulturellen Fortbildungskurses der Katholischen Universität „Sacro Cuore“ zu begrüßen. Mein Gruß geht vor allem an die Organisatoren dieses Treffens und an den Rector magnificus der Universität, Adriano Bausola, dem ich für die achtungsvollen Worte danke, mit denen er dieses familiäre Treffen eröffnet hat. Das von euch gewählte Thema des diesjährigen Sommerkurses, „Der Wert des Lebens“, ist von großer Wichtigkeit. Ihr habt Gelegenheit gehabt, seine religösen, ethischen, psychologischen und sozialen Aspekte zu untersuchen, und habt hervorgehoben, daß das Leben in jeder Entwicklungsstufe und unter allen Umständen seinen Wert behält. So hat sich auch gezeigt, wie zum großen Teil vom solidalen Einsatz aller die Möglichkeit für jeden abhängt, seinem Leben einen Sinn zu geben, auch wenn es durch Krankheit erschwert ist oder vom Alter, dem unvermeidlichen Vorspiel zum geheimnisvollen „Hinübergehen“ im Tod. Ihr habt euch u. a. auch mit dem heute sehr aktuellen Problem der Euthanasie auseinandergesetzt und es im Zusammenhang mit den Forderungen betrachtet, die sich aus der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens ergeben. <72> <72> Diese Unantastbarkeit ist die logische Folge der christlichen Lebensauffassung von der Herrschaft Gottes über Leben und Tod und der Zugehörigkeit des Menschen zu Christus im Leben wie im Tod (vgl. Rom 14,8). Das ist eine ausdrückliche Lehre der Bibel, sie wiederholt sich von den ersten Seiten der Genesis an, vom „Du sollst nicht töten“ der Zehn Gebote {Ex 20, 13 u. Dtn 5,17) bis hin zum ersten Brief des Johannes (vgl. 3,11-15). Einmütig bezeugt auch die Tradition der Väter diese Lehre, schon in der ältesten Schrift, der Didache; sie wird weiter bestätigt durch das Strafverfahren, das schon seit seinen Anfängen Mord als eine der schwersten Sünden gebrandmarkt hat, und in unserer Zeit wurde sie wiederholt bekräftigt und weiterentwickelt durch das Päpstliche Lehramt, Konzilsdokumente und Hirtenbriefe. Im Licht dieser Lehren muß der Gläubige ein immer stärkeres Bewußt- 1384 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sein von der Unantastbarkeit jedes unschuldigen menschlichen Lebens entwickeln und unbeugsame Festigkeit zeigen gegenüber dem Druck und den Einflüssen der Umgebung und der dominierenden Kultur. Er muß mit Überzeugung jedem Versuch zur Legalisierung der Euthanasie entgegenwirken und auch den Kampf gegen die Abtreibung fortsetzen. 3. Doch angesichts einer zunehmenden sozialen Anerkennung der Euthanasie scheint das eigentliche Problem, das bewältigt werden muß, ein anderes zu sein. Wie sich schon in bezug auf die Abtreibung gezeigt hat, bleibt eine moralische Verurteilung der Euthanasie ungehört und unverständlich bei denjenigen, die, manchmal unbewußt, ganz und gar von einer Lebensauffassung erfüllt sind, die mit der christlichen Botschaft, ja sogar mit der recht verstandenen Würde des Menschen unverträglich ist. Zum Beweis braucht man sich nur einige der gängigsten negativen Eigenschaften einer Kultur vor Augen zu halten, die von der Transzendenz absieht: - die Gewohnheit, nach eigener Willkür über keimendes menschliches Leben zu verfügen; - die Tendenz, das eigene Leben nur in dem Maß zu schätzen, wie es Wohlstand und Vergnügen bietet; - die Bewertung des materiellen Wohlstandes und Komforts als höchste Güter und die dementsprechende Einschätzung des Leidens als absolutes Übel, das um jeden Preis und mit allen Mitteln zu verhüten ist; - die Auffassung vom Tod als absolutes Ende eines Lebens, das noch Genüsse hätte bieten können, oder als Befreiung von einem Leben, das für sinnlos gehalten wird, weil sein Weiterbestehen mit Schmerzen verbunden gewesen wäre. All das geht meistens Hand in Hand mit der Überzeugung, daß der Mensch von Gott absehen kann, daß er nur vor sich selbst verantwortlich ist und vor den Gesetzen der Gesellschaft, die aus freien Stücken verfügt worden sind. Es ist leicht verständlich, daß gerade da, wo diese Einstellungen im Leben einzelner und sozialer Gruppen Fuß gefaßt haben, es paradoxerweise logisch und „human“ erscheinen kann, dem eigenen oder einem anderen Leben ein „sanftes“ Ende zu setzen, wenn dieses Leben nur noch Leid und schwere Behinderung bieten könnte. Aber in Wirklichkeit ist dieser Gedanke absurd und unmenschlich. 1385 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Die Aufgabe, die sich der christlichen Gemeinschaft in diesem sozio-kulturellen Kontext stellt, ist mehr als eine bloße Verurteilung der Euthanasie oder der einfache Versuch, eine eventuelle Legalisierung zu verhindern. Das Grundproblem ist vor allem, wie man den Menschen unserer Zeit helfen könnte, die Unmenschlichkeit einiger Aspekte der dominierenden Kultur zu erkennen und die von ihr verschleierten, wahren Werte wiederzuentdecken. Daß nun die Euthanasie sich neben der Abtreibung als eine weitere Annäherung an den Tod abzeichnet, muß als dramatischer Aufruf an alle Gläubigen und Menschen guten Willens gesehen werden, mit allen Mitteln und auf allen Ebenen eine von wirklicher Kultur geprägte Entscheidung für den Fortschritt unserer Gesellschaft zu treffen. Besondere Bedeutung gewinnt deshalb die Anwesenheit und das entschlossene Handeln der Katholiken in allen großen nationalen und internationalen Zentren, in denen höchst wichtige Entscheidungen für die Entwicklung der Gesellschaft gefällt werden. Das gleiche gilt für den weiten Bereich der sozialen Kommunikationsmittel, deren Bedeutung im Zusammenhang mit der öffentlichen Meinungsbildung wohl nicht mehr betont werden muß. Aber nicht weniger wichtig und notwendig ist es, in allen das Bewußtsein zu stärken, daß jeder, wenn auch nur durch seinen Lebensstil, dazu beiträgt, entweder die christliche Lebensauffassung zu festigen oder eine andere zu schaffen. Es ist daher dringend notwendig, denjenigen, die von der Kirche durch Wort und Tat angesprochen werden können, Hilfe zu geben, - damit sie sich der Kluft zwischen Glaube und Leben bewußt werden, die als Folge einer unkritischen Übernahme von hedonistischen, konsumi-stischen und ähnlichen Auffassungen entstanden ist, die einem bestimmten Lebensstil unterliegen; - damit sie die echt christliche Hoffnung gegenüber dem Leben, dem Leid und dem Tod entdecken und die wahre Wertordnung des Lebens als Berufung und Sendung, für die jeder vor Gott verantwortlich ist; - damit sie auf diesen Auffassungen die eigene, die familiäre und die berufliche Existenz neu aufbauen und nicht fürchten, mit ihrer christlichen Überzeugung gegen den Strom zu schwimmen. <73> <73> Daraus folgt: Das Problem der Euthanasie ermutigt und fordert mit dramatischer Notwendigkeit einen ernsthaften und beständigen Einsatz für eine wirkliche Erneuerung des wahren christlichen Sinns. Weiteres Zögern und weitere Nachlässigkeit könnten zur Tötung einer unschätzba- 1386 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ren Anzahl von Menschenleben führen, zu einem weiteren schweren und in fortschreitendem Maße unmenschlichen Verfall der ganzen Gesellschaft und menschlichen Gemeinschaft. Schließlich ist noch hinzuzufügen, daß der Hauptträger dieses ganzen Einsatzes nichts anderes als die Familie sein kann. Das wird vor allem von dem Gedanken bestätigt, daß die Familie Hauptträger der evangelisieren-den Mission der Kirche (vgl. Familiaris consortio, Nr. 65) und der Zukunft der Menschheit ist (ebd., Nr. 86). Hinzu kommen spezifische Gründe in bezug auf das Problem der Euthanasie und des Einsatzes, der von seiten der christlichen Gemeinschaft für eine Lösung gefordert ist. Gerade die alten Menschen sind ja dem Risiko ausgesetzt, Opfer der Euthanasie zu werden, vor allem, wenn sie gebrechlich und pflegebedürftig sind. Andererseits hat gerade die Familie die Möglichkeit, sie in Liebe aufzunehmen {Familiaris consortio, Nr. 27). Haltungen, die in bezug auf Leben, Leiden und Tod den oben beschriebenen entgegengesetzt sind, die also nicht der Euthanasie den Boden bereiten, können sich für gewöhnlich nur auf der Grundlage einer entsprechenden Erziehung in der Familie entwickeln. Man kann also zusammenfassend sagen, daß eine wirksame Belebung der christlichen Botschaft vom Wert des Lebens, eines jeden menschlichen Lebens, auch wenn es schwer behindert, vom Alter geschwächt oder vom Leiden ausgehöhlt ist, hauptsächlich über die Familie erreicht werden kann. 6. Ich freue mich sehr, daß die Katholische Universität Sacro Cuore diese Studientage einem Thema gewidmet hat, das so anregend und gleichzeitig so verpflichtend ist, einem Thema, das die Möglichkeit bot, die Antinomien der gegenwärtigen so widersprüchlichen Gesellschaft tiefer zu erforschen, einer Gesellschaft, die sich doch so nach Glaubwürdigkeit sehnt und so offen ist für die Probleme, die die Menschen quälen. Ich bin sicher, daß ihr, wenn ihr eure Sensibilität als Intellektuelle mit dem Willen verbindet, die Dinge im Licht des Evangeliums zu erforschen, die Pflicht erkennt, in dieser Gesellschaft wie das Licht auf dem Leuchter zu sein und wie das Salz, das Geschmack verleiht und vor dem Zersetzen schützt (vgl. Mt 5, 14). Die Themen, die während dieses Kongresses behandelt wurden, beweisen ja ganz deutlich euer Streben in diesem Sinn und eure Hochherzigkeit. Ich vertraue darauf, daß ihr den Punkten, die ich hier - wenn auch nur oberflächlich - angesprochen habe, besondere Beachtung schenkt und daß ihr den Weg finden werdet, euch weiterhin für dieses Thema zu interessieren, um auch euren Beitrag zu einer Klärung leisten zu können. 1387 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ich begleite eure Bemühungen mit meinen Gebeten und erteile euch allen von Herzen meinen Apostolischen Segen. „Die Droge läßt sich nicht durch die Droge besiegen“ Ansprache an die Teilnehmer des 8. Weltkongresses der therapeutischen Gemeinschaften am 7. September Meine Damen und Herren! 1. Diese Begegnung mit Ihnen zum Abschluß des 8. Weltkongresses der therapeutischen Gemeinschaften ist mir sehr willkommen. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und begrüße Sie herzlich, woran Sie - dessen bin ich sicher - sogleich meine Anerkennung für das verdienstvolle Wirken erkennen, das Ihre Institutionen zur Lösung eines höchst komplizierten und dringenden Problems unserer Zeit entfalten. Schon mehrmals habe ich in dieser Sommerresidenz Gruppen von Jugendlichen der therapeutischen Gemeinschaften - Gäste, Mitarbeiter und Organisatoren - empfangen und mit ihnen spontane Gespräche geführt, die ich noch in angenehmer Erinnerung habe. Nun freue ich mich, Sie, sehr geehrte Damen und Herren, zu empfangen, die Sie aufgrund Ihrer Entscheidung für einen vorweigend freiwilligen Beruf Vorkämpfer und Zeugen des engagierten Einsatzes zur Befreiung von dem dramatischen Phänomen des Drogenkonsums sind, der leider akute Formen unerbittlicher Zerstörung in den einzelnen Menschen wie in der Gesellschaft erreicht hat. <74> <74> Dem Weltkongreß, den Sie soeben abgehalten haben, kommt eine beachtliche Bedeutung zu, die sich schon im Hauptthema andeutet: „Die therapeutische Gemeinschaft wandelt sich in einer sich wandelnden Welt.“ Aus dem Programm der Tagungsarbeiten ersehe ich, daß Sie sich vorgenommen haben, zahlreiche Aspekte der umfassenden und komplexen Problematik zu vertiefen, indem Sie sie vom psychologischen bis zum juridischen, medizinischen, erzieherischen und religiösen Aspekt, vom persönlichen bis zum familiären Bereich und zu den geistlichen und moralischen Forderungen durchkämmen und das Augenmerk auf die 1388 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN verschiedenen Kehrseiten der getroffenen Maßnahmen richten, was Sie in die Lage versetzt, das Wirken der therapeutischen Gemeinschaften immer besser zu qualifizieren und lebendig zu gestalten. Das hohe Niveau der beruflichen Ausbildung, die lange gereifte Erfahrung und die unablässige Lebendigkeit des beseelenden Impulses haben sicher vermocht, die wissenschaftliche Basis zu bereichern, in der Ihre verschiedenen Vorgangsweisen verankert sind. Ich wünsche Ihnen von Herzen, daß diese römischen Tage eine entscheidende Etappe in der Geschichte Ihrer Bewegung bedeuten mögen. Besonders wünsche ich Ihnen besten Erfolg für Ihre Arbeit, die Programme entsprechend der Entwicklung des Drogenphänomens und der sich wandelnden Drogenszene, in der sich jenes Phänomen einnistet und verbreitet, anzupassen, damit Sie tatsächlich, wie es Ihr Wunsch ist, nach dem Rhythmus der Zeit vorangehen können, um Ihre hochherzige Sendung entsprechend zu erfüllen. Das Augenmerk auf den Menschen richten . 3. Die therapeutischen Gemeinschaften, die ihr Augenmerk auf den „Wert Mensch“ richten und unermüdlich daran festhalten; haben sich trotz unterschiedlicher äußerer Erscheinungsform als gute Methode erwiesen. Sie brachten in der Tat praktische Erfahrung mit sich, die um so reichere Früchte trägt, je mehr sie mit den stets drohenden und ernsten Schwierigkeiten konfrontiert ist. Um der Droge entgegenzutreten, nützt weder fruchtloses Alarmschlagen noch rasche Vereinfachung. Dienlich hingegen ist das Bemühen, das einzelne Individuum kennenzulernen und seine Innenwelt zu verstehen; es zur Entdeckung oder Wiederentdeckung der eigentlichen Würde des Menschen zu führen; ihm zu helfen, aktiv durch eine zuversichtliche Reaktivierung der Mechanismen des auf feste und edle Ideale gerichteten Willens jenen Reichtum seiner Person wiederzuerwecken und zu entfalten, den die Droge verschüttet hatte. Mit dieser Methode erlangten nicht nur viele Menschen wieder die Fülle ihrer Freiheit, sondern es wurde darüber hinaus kostbare Erfahrung gesammelt. Man konnte sich eine genauere Vorstellung von der wirklichen Identität des Drogenabhängigen, den vielfältigen Ursachen und Auswirkungen seiner Drogenabhängigkeit machen. Man hat die Grundlosigkeit zahlloser Vorurteile nachgewiesen, nicht zuletzt die allgemein verbreitete Gleichsetzung mit dem Verbrecher. Vor allem wurde konkret 1389 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN bewiesen, daß die Befreiung von diesem sklavischen Zwang möglich ist, und es ist bezeichnend, daß das mit Methoden erfolgte, die jedes Zugeständnis im Hinblick auf den Konsum von Drogen als Ersatz, ob legal oder illegal, rigoros ausschließen. Das sind Errungenschaften von großer Bedeutung und unbestreitbarer Gültigkeit, von denen abzusehen nicht klug wäre. 4. Die Geißel der Droge wütet heute auf grausame Weise und in erschütternden, ungeahnten Ausmaßen. Tragische Episoden deuten darauf hin, daß die zerrüttende Epidemie die weitesten Verzweigungen kennt, die von einem schändlichen Markt genährt werden, der die Grenzen der Nationen und Kontinente überschreitet. Angesichts eines so weitverbreiteten Übels Auf diese Weise wächst weiter die Gefahr für die Jugendlichen und die Erwachsenen. Aber die verderblichen Verzweigungen des unterirdischen Flusses und seine Verbindungen mit dem Verbrechen und der Unterwelt sind dermaßen vielfältig, daß sie einen der Hauptfaktoren des allgemeinen Verfalls darstellen. Angesichts eines so weitverbreiteten Übels habe ich das Bedürfnis, meinen tiefen Schmerz und meine vordringliche Sorge zum Ausdruck zu bringen. Schmerz: über die Katastrophe der Opfer, die manchmal nur teilweise schuldig sind, jedenfalls aber ein besseres Los verdienen; über die Verarmung der Menschheitsfamilie durch den Verlust an starken, gesunden Kräften; über die verhängnisvolle Trübung und Vernachlässigung von Idealen, die hingegen den glühendsten Elan und Enthusiasmus verdienen würden. Sorge: um die Jugend, die am verwundbarsten und der traurigen Spirale unvermeidbar am stärksten ausgesetzt ist; um die Familie, die Schule, die Gruppen, die Vereinigungen, die ohne ihr Wissen zur Zielscheibe von Profitmachern geworden sind, denen jedes Gefühl der Würde und Ehre fehlt. Sorge um das Heute und das Morgen unserer Gesellschaft, die, wenn nicht rechtzeitig die notwendigen Heilmittel vertieft eingesetzt werden, sich einer verderblichen Ansteckungsgefahr aussetzt, die lange auf den Generationen lasten wird. 1390 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Unter den gegenwärtigen Umständen ist das, worauf mein Vorgänger Paul VI. vor einigen Jahren hinwies, um so dringlicher geworden: „Es ist unerläßlich - sagte er im Jahr 1972 -, durch eine klare und präzise Information über das Wesen und die tatsächlichen mörderischen Folgen der Droge die öffentliche Meinung gegen jene Mißverständnisse zu mobilisieren, die über ihre angebliche Harmlosigkeit und ihre wohltuenden Einflüsse kursieren“ (Insegnamenti di Paolo VI, X, 1972, S. 1286). Sämtliche Organismen der Gesellschaft sind bei der Ausübung ihrer Verantwortung und in ihrem Kompetenzbereich zu dieser sinnvollen und weitblickenden Mobilisierung, auch mit besonderen Initiativen, verpflichtet. Das sind insbesondere die Massenmedien, wenn sie den Zielsetzungen und Gestaltungsmöglichkeiten ihrer Instrumente folgen. In diesem Zusammenhang möchte ich heraussteilen, welchen breiten Raum diese heikle Materie den katholischen Kommunikationsmitteln bietet. Erwähnen muß ich auch die Rolle, die der katholischen Schule als Ausdruck ihrer unverkennbar erzieherischen Natur obliegt. Es handelt sich darum, eine neue Geisteshaltung zu fördern - wenn nicht überhaupt neu in Gang zu bringen die im wesentlichen positiv ist und sich an den großen Werten des Lebens und des Menschen inspiriert. Das ist ein gewaltiges Ziel, das durch täglichen zähen Einsatz, durch die Klarheit der Gedanken und Vorstellungen und durch die Entschlossenheit der Pläne erreicht werden muß. 6. Was läßt sich über die dunkle Front des Drogenangebotes sagen? Uber die großen Vorratslager und die Tausende von Kanälen, durch die der ruchlose Handel läuft? Über die riesigen Spekulationen und die verwerflichen Verbindungen zum organisierten Verbrechertum? Jeder ernstzunehmende und weiterführende vorbeugende Plan erfordert Eingriffe, die imstande sind, die Quellen dieses Todesstromes auszutrocknen und seinen Lauf zum Stillstand zu bringen. Der Kampf gegen die Droge ist eine schwere Verpflichtung im Rahmen der Ausübung öffentlicher Verantwortung. Es gilt, wie Paul VI. darlegte, sich mit dem Problem an der Wurzel auseinanderzusetzen mit einem umfassenden Engagement im Bereich der Vorbeugung und; Behandlung (vgl. Insegnamenti di Paolo VI, XIV, 1976, S. 963). Auf dem Gebiet der Vereinbarungen zwischen den Nationen und zwischen den übernationalen Organismen wie in der Gesetzgebung und den getroffenen Maßnahmen auf nationaler Ebene sind strenge Verordnungen unbedingt notwendig, die dem ruchlosen Drogenhandel schon am Anfang den Mut nehmen, und gleichzeitig andere Verfügungen, die für 1391 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Wiederherstellung derer bestimmt sind, die sich in diese schmerzliche Versklavung verstrickt haben. Die Unterscheidung zwischen Verbrecher und Opfer muß mit aller Klarheit getroffen werden, um jede grobe Gleichsetzung zu verhindern. Zu diesem Punkt sei es mir gestattet, mit erneutem Nachdruck das zu wiederholen, was ich am 27. Mai d. J. bei der Begegnung mit der therapeutischen Gemeinschaft San Crispino in Viterbo gesagt habe: „Die Droge läßt sich nicht durch die Droge besiegen!“ Die Droge ist ein Übel, und zum Übel paßt kein Nachgeben: Nicht nur, daß die wenn auch nur teilweisen Legalisierungen zumindest fragwürdig sind in bezug auf die Natur des Gesetzes, sie erreichen auch nicht die Wirkungen, die man sich zum Ziel gesetzt hatte. Eine schon allgemeine Erfahrung bestätigt das. Vorbeugung, Unterdrückung, Rehabilitierung: Das sind die Brennpunkte eines Programmes, das, wenn es im Lichte der Würde des Menschen geplant und verwirklicht und durch korrekte Beziehungen zwischen den Völkern unterstützt wird, das Vertrauen und die Hilfe der Kirche weckt. 7. Ich habe vorhin von einer neuen, wesentlich positiven Geisteshaltung gesprochen. Das ist es, was allen Mitgliedern des kirchlichen Gefüges und allen Menschen guten Willens, die wirklich besorgt und für die im besonderen geistlichen Werte empfänglich sind, ein intensives Herzensanliegen sein muß. In der Pflege dieser Werte besteht das Geheimnis, um dem Unkraut der Droge den Boden zu entziehen. Wie ich in einer Predigt vor Mitgliedern des italienischen Solidaritätszentrums sagte, „hat der Mensch ein äußerstes Bedürfnis zu wissen, ob er verdiene, geboren zu werden, zu leben, zu kämpfen, zu leiden und zu sterben, ob es sich lohne, sich für ein Ideal einzusetzen, das höher ist als die materiellen und nebensächlichen Interessen, mit einem Wort, ob es einen ,Grund1 gebe, der seine irdische Existenz rechtfertige“ (Insegna-menti di Giovanni Paolo II, II, 2, 1979, S. 107). Es bedarf des Lichtes der christlichen Offenbarung Den rein menschlichen und irdischen Idealen, wie Liebe, Familie, Gesellschaft, Heimat, Wissenschaft, Kunst usw., gelingt es, auch wenn sie eine grundlegende Bedeutung bei der Formung des Menschen haben, aus verschiedenen zufälligen Gründen nicht immer, dem Dasein eine vollkommene und endgültige Bedeutung zu verleihen. Es bedarf des Lichtes 1392 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Transzendenz und der christlichen Offenbarung. Die Lehre der Kirche, die im unvergänglichen Wort Christi verankert ist, gibt allen, die nach dem Sinn des Lebens fragen, eine erleuchtende und sichere Antwort, die sie lehrt, dieses Leben auf dem Fels der Lehrgewißheit und auf der moralischen Kraft aufzubauen, die ihnen aus dem Gebet und den Sakramenten erwächst. Die frohe Überzeugung von der Unsterblichkeit der Seele, von der künftigen Auferstehung des Leibes und der ewigen Verantwortlichkeit für die eigenen Taten ist auch die sicherste Methode, um dem schrecklichen Übel der Droge zuvorzukommen, seine elenden Opfer zu heilen und sie zu rehabilitieren, sie zu stärken im standhaften Ausharren und in der Festigkeit auf den Wegen des Guten. Nehmen Sie, meine Damen und Herren, diese Überlegungen, die für Sie bei ihrem edlen Bemühen hilfreich sein können, mit meinem väterlichen und ermutigenden Apostolischen Segen an. Dann richtete der Papst noch Grußworte in Französisch, Englisch, Spanisch, Portugiesisch an die Teilnehmer. Auf deutsch sagte er: Auch aus den Ländern deutscher Sprache nehmen Mitglieder der therapeutischen Gemeinschaften an diesem Weltkongreß teil. Auch diesen gilt mein herzlicher Gruß und meine aufrichtige Ermutigung. Setzt euren Weg fort, indem ihr im Drogenabhängigen vor allem einen Mitmenschen seht, dessen noch vorhandenen positiven Lebenswillen es zu wecken gilt. Schenkt ihm weiterhin das Vertrauen, damit er mit eurer Hilfe und um seiner eigenen Menschenwürde willen den angebotenen therapeutischen Weg gehen kann. Bleibt fest in der Ablehnung der Droge als Medizin gegen die Drogen. Euer Programm ist sinnvoller und trägt bereits gute Früchte. Der Segen Gottes begleite euch alle bei eurem mühevollen Wirken! 1393 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mitsorge der Kirche Botschaft an den Generaldirektor der UNESCO zum Welttag der Alphabetisierung am 8. September Herrn Amadou-Mahtar M‘Bow, Generaldirektor der UNESCO Der jedes Jahr begangene Welttag der Alphabetisierung bietet mir den willkommenen Anlaß, Ihnen zu sagen, wie sehr ich den Einsatz Ihrer Organisation im Bereich der Alphabetisierung schätze, die einen wichtigen Faktor der Förderung des Menschen und der Entwicklung der Völker darstellt. Besonders seit der Konferenz von Teheran im Jahr 1965 ist der öffentlichen Meinung vor allem dank der UNESCO der Ernst des Alphabetisierungsproblems bewußt. Die UNESCO spielte eine Rolle ersten Ranges bei der Entwicklung der Studien, der Erfahrungen und des Austausches über die Bedingungen und Methoden der Alphabetisierung. Sie hat damit ermöglicht, daß das, was lediglich ein Wunsch ohne Wirkung hätte sein können, in wirksame Aktion umgesetzt wurde. In dieser Hinsicht kann man gar nicht genug auf der unerläßlichen Weiterführung der Alphabetisierung bestehen, ohne die sie Gefahr läuft, eine kurzlebige Angelegenheit zu bleiben; gemeint ist hauptsächlich die Herstellung von Büchern und die Förderung der Lektüre unter den Neualphabetisierten. Ich schätze ganz besonders die Aktion der UNESCO zugunsten einer Alphabetisierung, die, in Antwort auf die wirtschaftlichen und praktischen Bedürfnisse, grundsätzlich die Förderung und Entfaltung des Menschen auf der Ebene seiner geistigen Berufung im Auge hat. Von ganzem Herzen wünsche ich, daß diese Aktion ihre Dynamik 1985 noch verstärkt, zugunsten des internationalen Jahres der Jugend einerseits und der Weltkonferenz von Nairobi, die das Jahrzehnt der Frau beendet, andererseits. Sind es nicht vor allem diese beiden Gruppen - die Jugendlichen, besonders jene, die niemals oder viel zu kurze Zeit die Schule besucht haben, und die Frauen -, die eine sehr große Zahl der Analphabeten ausmachen? Doch sollten uns diese beiden wesentlichen Sektoren nicht vergessen lassen, daß es viele andere Personen verschiedenen Alters und besonders in ländlichen Gegenden gibt, die in geeigneter Weise gleichfalls zum Gegenstand und Ziel der Alphabetisierungsbemühungen gemacht werden müssen. Seien Sie, Herr Generaldirektor, versichert, daß die Alphabetisierung 1394 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN weiterhin einen sehr wichtigen Platz in der Sorge der Kirche einnimmt. Die vielfältigen und sehr differenzierten Realisierungen dieses humanitären Werkes motivieren auch meine besondere Unterstützung. Auf alle, die sich ganz oder in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit dieser Vorbereitung der menschlichen Kultur bei den am meisten zurückgesetzten und entrechteten Völkern und Einzelpersonen widmen, rufe ich das Licht und die Kraft des allmächtigen Gottes herab. Aus dem Vatikan, am 29. August 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Ansprache an den Kongreß der Benediktiner-Konföderation am 27. September Liebe benediktinische Brüder! I. Mit großer Freude sehe ich euch alle hier vor mir in der Aula versammelt, und ich begrüße euch mit viel Wohlwollen im Herrn. Bei dieser erwünschten Gelegenheit kann ich euch darin bestärken, in eurem bene-diktinischen Lebensprogramm, in der Erneuerung der Grundlagen eures Lebens, in der gründlichen Erwägung der Bedeutung eurer Werke und Institute sorgfältig und entschlossen weiterzufahren. Ich weiß, daß ihr an dem großen Kongreß eurer Konföderation in der Abtei Sant’ Anselmo auf dem Aventin teilnehmt; ich weiß auch, daß ihr mit höchster Übereinstimmung und lebhaftem Beifall den hochwürdigsten Abt Viktor Dam-mertz für weitere vier Jahre im Amt des Abt-Primas bestätigt habt. Ich gratuliere ihm und verspreche ihm, für eine glückliche und erfreuliche Ausübung seines Amtes, die benediktinische Familie nach den Normen der Konföderation zu leiten, zu beten. Heute morgen seid ihr nun hergekommen, um „Petrus sehen“ zu können und vielleicht auch ein brüderliches Wort von ihm zu hören als Erinnerung an euren römischen Kongreß und den Willkommensgruß beim Stellvertreter Christi. 1395 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Euer Zeugnis unter den Menschen II. Ich will euch hier nicht lange mit vielen Worten aufhalten. Aber das Motto und Programm eures Kongresses legt mir einige benediktinische Gedanken nahe: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ (Mk 8,29). Er handelt, wie ersichtlich, vor allem von der vertrauten Erkenntnis Christi, dann aber von seiner Bezeugung unter den Menschen dieser Zeit. Christus fragt auch heute, was die Menschen von ihm halten und was ihr selbst von ihm haltet. Euer Leben ist Nachfolge Christi; ihr folgt Christus nach, weil ihr wißt, wer er ist. Und die Menschen kommen zu euch, damit sie lernen, damit sie erfahren, damit sie schauen, wer Christus ist - am Beispiel eures Lebens, an den Riten eurer heiligen Liturgie, an den Früchten eurer Studien. Eure Klöster sind Orte, wo ihr unter den ersten seid, die Jesus von Nazaret erkennen, wo ihr ihn als ständigen Gast und Begleiter unter euch habt. Deshalb werden eure Klöster auch Orte sein, wo andere Männer und Frauen unserer Zeit die Zeichen der Gegenwart Christi suchen, der Brüderlichkeit Christi, der Liebe Christi, der Heiligkeit Christi. III. Euer Leben mit Christus ist, besser gesagt, sein Leben mit euch. Wenn ihr die Schwierigkeit des Weges fühlt, tröstet euch deshalb sein Wort: „Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht!“ {Mk 6,50). Er ist euer Begleiter und Führer, eure Speise und euer Trank, euer Stock und Stab {Ps 23). Von eurem täglichen Weg mit Christus sagt das Konzilsdekret Perfectae caritatis (Nr. 5): Die Ordensleute sollen, treu ihren Gelübden, alles um Christi willen aufgeben (vgl. Mk 10,21) und ihm nachfolgen (vgl. Mt 19,21): Er muß für sie das „eine Notwendige“ sein (vgl. Lk 10,42). Auf sein Wort hörend (vgl. Lk 10,39), sollen sie um seine Sache besorgt sein (vgl. 1 Kor 7,32). IV. Ihr Benediktiner geht diesen Weg mit Christus in einer „Schule für den Dienst des Herrn“, wie es in der Regel heißt {Prolog 45). Diese Schule ist eine ständige Institution, in der der Heilige Geist lehrt, die „Lehren des Meisters“ zu hören {Prolog 1), der Christus ist. Die „Lesung des göttlichen Wortes“ bietet euch eine Hilfe, die wunderbar geeignet ist, die „Erkenntnis Christi Jesu, des Herrn“ zu gewinnen {Phil 3,8; Dei verbum, Nr. 5). Gleichzeitig ist diese Schule aber auch eine Schule ständigen Gebetes, denn in der Feier des „Opus Dei“ erneuert und erfüllt sich zugleich die Bitte der Jünger: „Herr, lehre uns beten“ {Lk 11,1). Kraft und Freude dieses täglichen Weges mit Christus in euren Klöstern 1396 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewinnt ihr aus der Feier des Stundengebetes und der Eucharistie in der Gemeinschaft. Ihr Vorrang und ihre tägliche Notwendigkeit sollen euch Hinweise geben, das Erbe des hl. Benedikt treu und sicher vor Diskussionen und Experimenten zu bewahren. So wird euer Leben mehr und mehr eine wirkliche Suche nach Gott, dem Vater (vgl. Regel, Kap. 58, 7), die Teilhabe am Pascha des Herrn, das er selbst mit euch feiert. V. Deshalb kommt ihr zu solchen Kongressen zusammen, um darüber nachzudenken, wie ihr auf bessere Weise eure Häuser zu Wohnstätten einer christlichen Gemeinschaft machen könnt, zu Heerlagern des Gebetes - möchte ich sagen - und zu Studienzentren, eurer Regel und euren Konstitutionen entsprechend. Eure Klöster sind „kleine Mönchskirchen“ nach dem berühmten Satz eures Vaters Benedikt: „Die Mönche sollen sich in gegenseitiger Achtung übertreffen. Ihre körperlichen oder charakterlichen Schwächen sollen sie gegenseitig mit größter Geduld ertragen. In gegenseitigem Gehorsam sollen sie sich überbieten. Keiner soll den eigenen Vorteil suchen, sondern eher den des andern. Die brüderliche Liebe sollen sie einander selbstlos entgegenbringen“ (Regel Kap. 72, 4-8). Durch solche Tugenden und Wege eures Lebens wird Christus unter euch gegenwärtig; und wenn ihr diese Tugenden unter euch zu pflegen versteht, zeigt ihr der ganzen Kirche und den Menschen, die Christus suchen, daß ihr wißt, wer Christus ist und was der Name Christ bedeutet. Durch diese Schätze eures Weges und die Reichtümer des geistlichen Lebens erkennt ihr selbst, was Person und Werk Christi ist und seid zugleich in der Lage, den Menschen Antwort auf die Frage zu geben, wer ihr seid, warum ihr Christus nachfolgt, wie auch sie in ihrer eigenen Lebenslage denselben Herrn Jesus heute finden können. VI. Wiederum lehrt der hl. Benedikt, daß der Mönch nichts höher schätzt als Christus {RegelKap. 5, 2), der den Mönch als „seinen Arbeiter sucht“ {Prolog 14), der aus der gemeinsamen Liebe zu Christus den königlichen Weg des Gehorsams und der Demut, des Schweigens und des Dienstes, des Schmerzes und der Freude geht. Das alles aber ist mit Recht als volle Antwort auf die Frage zu würdigen: Wer ist Christus für euch, benedikti-nische Brüder, Klosteräbte, Teilnehmer dieses Kongresses? Euch öffnet sich eine herrliche Zukunftsperspektive; euch öffnet sich auch ein weites Feld benediktinischen Apostolats. Deshalb ist euer Anteil: in euch und unter euch den Herrn Jesus zu erkennen und sein vielfältiges Geheimnis und dann ebenso wirksam die Menschen zu lehren, die zu euch kommen, in euren Häusern, Kirchen, Schulen. Ich beglückwünsche euch sehr zu 1397 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dem Motto, unter das ihr euren Kongreß gestellt habt. Ich beglückwünsche euch zu eurer benediktinischen Tradition und zu der großen Kraft benediktinischen Lebens in der ganzen heutigen Kirche. VII. Ich bete zu Gott um reiche Früchte aus euren Beratungen und Gesprächen in diesen Tagen. Ich würde auch gern die letzten Beschlüsse und Pläne dieses Kongresses einmal einsehen und prüfen. Inzwischen umarme ich mit großer brüderlicher Zuneigung den hochwürdigtsten Abt-Primas und jeden von euch. Ich bin im Geist in den nächsten Tagen bei euch und bete für den besten Ausgang eurer Arbeit zum künftigen Wohl der benediktinischen Familie und des benediktinischen Wirkens. Empfangt auch meinen Segen und Gruß, der mir aus dem Herzen kommt, als Verheißung göttlicher Gunst und Beweis meines Wohlwollens gegenüber euch allen. In dankbarer Erinnerung Wort zu Beginn der Gedächtnismesse für Paul VI. und Johannes Paul I. in St. Peter am 28. September Der sechste Jahrestag des Eintritts der Päpste Paul VI. und Johannes Paul I. in die Ewigkeit ruft uns zu dieser Eucharistiefeier zusammen, in der wir der Verstorbenen mit dankbarer Erinnerung im Gebet gedenken wollen. Es ist eine fromme kirchliche Pflicht, die wir damit erfüllen, und Antwort auf den echten Antrieb des Herzens. Ich kann darum nicht unhin, noch einmal die große Liebe und tiefe Verehrung hervorzuheben, die mich persönlich mit meinen beiden großen Vorgängern und mit dem Erbe ihres Pontifikats verbindet. Das sind auch eure Gedanken und Empfindungen, liebe Brüder und Schwestern, und die Empfindungen der ganzen katholischen Welt, die wir in dieser Stunde hier mit uns um diesen Altar versammelt wissen, auf dem wir jetzt in dankbarer Erinnerung das heilige Opfer feiern. 1398 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Immer reifer werden in Christus Ansprache bei der Audienz für die Mitglieder der Bewegung „Comunione e Liberazione“ anläßlich ihres 30jährigen Bestehens am 29. September Liebe Brüder und Freunde! 1. Ich gebe meiner herzlichen Freude über die Begegnung mit euch Ausdruck, die ihr nach Rom gekommen seid, um das 30jährige Bestehen eurer Bewegung zu feiern und zusammen mit dem Papst über eure Geschichte als Personen nachzudenken, die in der Kirche leben und dazu berufen sind, in intensiver Gemeinschaft mitzuwirken, um die Kirche dem Menschen nahezubringen und in der Welt zu verbreiten. Wenn ich in eure offenen, aus diesem festlichen Anlaß frohen Gesichter blicke, empfinde ich ein tiefes Gefühl der Freude und den Wunsch, euch meine Zuneigung zu bezeigen wegen eurer Hingabe an den Glauben und euch zu helfen, immer reifer zu werden in Christus, indem ihr seine erlösende Liebe zum Menschen teilt. Die Photoausstellung, die ich beim Betreten dieser Aula bewundern konnte, die Worte (Zeugnis, Berichte, Lieder), die ich soeben gehört habe, gaben mir die Möglichkeit, gleichsam von innen diesen Abschnitt eures Lebens zu durchlaufen, der ein Teil des Lebens der italienischen Kirche - aber nicht nur der italienischen - in unserer Zeit ist. Sie gaben mir die Möglichkeit, die erzieherischen Kriterien eurer Lebensform in der Kirche klar zu sehen, die eine lebendige und intensive Arbeit in den verschiedensten sozialen Zusammenhängen einschließen. Für all das bin ich dem Herrn dankbar, der mich wieder einmal sein Geheimnis in euch bewundern ließ, das ihr mit dem demütigen Bewußtsein in euch tragt und immer tragen müßt, gefügige Tonerde in seinen Schöpferhänden zu sein. Setzt diesen Weg mit Eifer fort, damit die Kirche auch durch euch immer stärker zum Umfeld des erlösten Daseins des Menschen wird (vgl. Predigt in Lugano, 12. Juni 1984, in O. R. dt., 22. 6. 84, S. 8), dem faszinierenden Umfeld, wo jeder Mensch die Antwort auf die Frage nach Sinn und Bedeutung seines Lebens findet: Christus, Mittelpunkt des Kosmos und der Geschichte. <75> <75> Jesus, der Christus, er, in dem alles entsteht und besteht, ist also Ursprung und erklärendes Prinzip des Menschen und seiner Geschichte. Voll Demut, aber zugleich mit aller Festigkeit Christus zum Ursprung und 1399 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN geistlichen Beweggrund des Lebens und des Handelns, des Bewußtseins und der Tat zu erklären, heißt ihm anhängen, um in entsprechender Weise seinen Sieg über die Welt deutlich zu machen. Darauf hinzuwirken, daß der Inhalt des Glaubens zur Weisheit und Pädagogik des Lebens wird, ist die tägliche Aufgabe des Glaubenden, die in jeder Situation und in jedem Bereich, in dem er zu leben berufen ist, verwirklicht wird. Und darin besteht der Reichtum eurer Teilhabe am kirchlichen Leben: eine Methode der Erziehung zum Glauben, damit er das Leben des Menschen und der Geschichte beeinflusse; zu den Sakramenten, damit sie eine Begegnung mit dem Herrn und in ihm mit den Brüdern herbeiführen; zum Gebet, damit es Anrufung und Lob Gottes sei; zur Autorität, damit sie Hüterin und Garant der Authentizität des kirchlichen Weges sei. Die so verstandene und gelebte christliche Erfahrung erzeugt eine Präsenz, die in jeder menschlichen Lage die Kirche als Ort bestimmt, wo das Kommen Christi, „für Juden ein empörendes Ärgernis, für Heiden eine Torheit“ (I Kor 1,23-24), als aufscheinende Wahrheit für den Menschen lebendig ist. 3. Wir glauben an Christus, der gestorben und auf erstanden ist, an Christus, der hier und jetzt gegenwärtig ist, der allein den Menschen und die Welt ändern kann und tatsächlich ändert, indem er sie verwandelt. Eure immer stärkere und bedeutendere Gegenwart im Leben der Kirche in Italien und den verschiedenen Nationen, in denen sich eure Erfahrung auszubreiten beginnt, beruht auf dieser Gewißheit, die ihr vertiefen und mitteilen müßt, weil es diese Gewißheit ist, die den Menschen berührt. In diesem Zusammenhang ist es bedeutsam und muß hervorgehoben werden, daß der Geist, um mit dem heutigen Menschen den Dialog weiterzuführen, der von Gott in Christus begonnen und im Laufe der ganzen christlichen Geschichte fortgesetzt wurde, in der Kirche von heute vielfältige kirchliche Bewegungen zum Leben erweckt hat. Sie sind ein Zeichen für die Freiheit der Formen, in denen sich die eine Kirche verwirklicht, und sicher eine Neuheit, die noch darauf wartet, in ihrer ganzen positiven Wirkung für das Reich Gottes, das in unserer heutigen Geschichte am Werk ist, entsprechend verstanden zu werden. Bereits mein verehrter Vorgänger, Papst Paul VI., sagte vor Mitgliedern der Florentiner Gemeinde von „Comunione e Liberazione“ am 28. Dezember 1977: „Wir danken euch auch für die mutigen, treuen, festen Zeugnisse und Beweise, die ihr in dieser turbulenten Zeit geliefert habt, trotz mancher Unverständnisse, seid treu, seid stark und seid froh 1400 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und verbreitet um euch das Zeugnis, daß das christliche Leben schön, stark, heiter und wahrhaftig imstande ist, die Gesellschaft, in der es Fuß faßt, zu verwandeln.“ 4. Christus ist für den Menschen die Gegenwart Gottes, Christus ist das Erbarmen Gottes gegenüber den Sündern. Die Kirche, der mystische Leib Christi und das neue Gottesvolk, bringt der Welt das freundliche Wohlwollen des Herrn, indem sie dem Menschen in jeder Situation, in jedem Umfeld, in jeder Lage begegnet und ihm beisteht. Dadurch trägt die Kirche zur Schaffung jener Kultur der Wahrheit und der Liebe bei, die den Menschen mit sich selbst und mit seinem Schicksal versöhnen kann. Auf diese Weise wird die Kirche zum Zeichen des Heils für den Menschen, von dem sie jede Sehnsucht nach Freiheit aufnimmt und wertet. Die Erfahrung dieses Erbarmens macht uns fähig, den anzunehmen, der anders ist als wir, neue Beziehungen herzustellen, die Kirche; in der ganzen Fülle und Tiefe ihres Geheimnisses als unbegrenzte Leidenschaft zum Dialog mit dem Menschen, wo immer man ihm begegnet, zu erleben. „Geht zu allen Völkern!“ {Mt 28,19) hat Christus zu seinen Jüngern gesagt. Und ich wiederhole für euch: „Geht zu allen Völkern, um ihnen die Wahrheit, die Schönheit und den Frieden zu bringen, dem man in Christus, dem Erlöser, begegnet!“ Diese Aufforderung, die Christus an alle die Seinen gerichtet hat und die ununterbrochen zu erneuern Aufgabe des Petrus ist, hat eure Geschichte schon geprägt. Ihr wart in diesen 30 Jahren für die verschiedensten Situationen offen, indem ihr die Samen der Präsenz eurer Bewegung ausgesät habt. Ich weiß auch, mit welcher Beharrlichkeit eure Präsenz in anderen Ländern wächst. Nehmt die Last dieses kirchlichen Bedürfnisses auf euch: Das ist der Auftrag, den ich euch heute gebe. <76> <76> Ich weiß, daß ihr die unumgängliche Bedeutung einer wahren und vollen Gemeinschaft zwischen den verschiedenen Mitgliedern der kirchlichen Gemeinschaft wohl versteht. Ich bin darum sicher, daß ihr es nicht versäumen werdet, mit neuem Eifer nach geeigneteren Möglichkeiten zu suchen, um eure Tätigkeit in Übereinstimmung und Zusammenarbeit mit den Bischöfen, den Pfarrern und allen anderen kirchlichen Bewegungen zu entfalten. Tragt in die ganze Welt das schlichte und transparente Zeichen des Ereignisses Kirche. Die authentische Glaubensverkündigung schließt die Bedürfnisse des konkreten Menschen ein und antwortet auf sie, weil sie zur Begegnung mit Christus in der christlichen Gemeinde: führt. Der 1401 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN heutige Mensch hat ein besonderes Bedürfnis, Christus klar und offenkundig vor Augen zu haben als tiefes Zeichen seines Geborenwerdens, Lebens und Sterbens, seines Leidens und seiner Freude. Maria, die Mutter Gottes und Mutter der Kirche, geleite euch ständig auf dem Weg des Lebens. Da ich eure Verehrung für die Jungfrau kenne, wünsche ich, daß sie für euch alle der „Morgenstern“ sein möge, der euer hochherziges Engagement um das christliche Zeugnis in der modernen Welt erleuchten und stärken möge. Und nun erteile ich euch von Herzen meinen Apostolischen Segen. „Sie folgten dem Guten Hirten“ Predigt bei der feierlichen Messe und Seligsprechung auf dem Petersplatz am 30. September 1. „Halleluja, Halleluja, meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir“ (2. Zwischengesang: Joh 10,27). Heute wollen wir dem Guten Hirten ein besonderes Halleluja singen. Er hat das Leben hingegeben für seine Schafe. Durch diesen Tod, durch dieses Opfer des Lebens hat sich jene heilbringende Erkenntnis vollzogen, von der das Evangelium heute spricht: „Ich kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich, wie mich der Vater kennt und ich den Vater kenne“ {Joh 10,14-15). Die Stimme des Guten Hirten hallt durch die Zeitalter und Generationen. Inmitten dieser Generationen erreicht sie die einzelnen Menschen. Sie hören die Stimme des Erlösers, der ihnen das Evangelium mitteilt und das Ostergeheimnis vom Kreuz und der Auferstehung verkündet. Sie folgen also dem Meister. Sie folgen Christus. Sie kennen ihn und richten es so ein, daß sie von ihm bis ins Innerste ihres Seins erkannt werden. Zugleich werden sie umfaßt von der Erkenntnis, mit der Christus vom Vater erkannt wird und er selbst den Vater erkennt. Aus der Erkenntnis wird die Liebe geboren. Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist erfüllen die Seelen, die von der heilbringenden Kraft der Erlösung und der Gnade angezogen wurden. Sie folgen dem Guten Hirten auf den Wegen des irdischen Lebens, getreu ihrer Berufung. Der Herr sammelt sie unter den Völkern und führt sie aus 1402 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Ländern zusammen (vgl. Ez 34,13). Er sorgt dafür, daß sie von den Grenzen der irdischen Heimat in das Haus des Vaters, in die Heimat der ewigen Gemeinschaft der Heiügen, eingehen. 2. Heute wollen wir dem Guten Hirten ein besonderes Halleluja singen. Die Kirche will es singen, weil sie sich darüber freut, daß zwei Italiener, ein Belgier und eine Spanierin durch die Seligsprechung zur Ehre der Altäre erhoben werden. Aber vor allem sind es die neuen Seligen, die dieses besondere Halleluja singen. Sie sind es, die unser Gebet anführen, wenn wir singen: „Der Herr ist mein Hirte ... Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen“ (.Ps 23,1-3). Ja. Er ist mein Hirte: „Er leitet mich auf rechten Pfaden“ (ebd., Vers 3). Er ist mein Hirte: „ Nichts wird mir fehlen“ (ebd., Vers 1). Er ist mein Hirte: Ich fürchte kein Unheil (vgl. ebd., Vers 4). „Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang, und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit“ (ebd., Vers 6). Ja, der Stuhl des hl. Petrus in Rom und mit ihm zusammen die einzelnen Kirchen und Gemeinden preisen in der Seligsprechung ihre Söhne und Töchter das Werk des Guten Hirten. 3. Sie preisen und verehren Christus, den Guten Hirten, in dem Zeugnis, das der selige Don Federico Albert als Diener Gottes geboten hat, der sich ganz dem Wohl der ihm anvertrauten Seelen und den Bedürfnissen der Armen widmete. Da die Berufung zum Priestertum erst im Erwachsenenalter in ihm herangereift war, hatte er nicht die Möglichkeit, das Priesterseminar zu besuchen. Er bereitete sich jedoch in einer Art und Weise auf den Priesterberuf vor, die heute als gültiges Vorbild für die Priester hingestellt werden muß. Sie bewundern in ihm das vertiefte geistliche Leben, das von der ständigen Gemeinschaft mit Christus genährt wurde, und den selbstlosen Eifer, sich eine solide kulturelle Bildung anzueignen, die es ihm erlauben würde, sich als sicherer Führer unter das Gottesvolk zu begeben. Sein Glaubensgeist, sein bedingungsloser Gehorsam gegenüber dem Papst und dem Bischof, seine priesterliche Liebe machten ihn zu einem ausgleichenden Element unter den Mitgliedern des Presbyteriums und zu einem eifrigen Hirten, dessen Augenmerk im besonderen der Jugend und den Armen galt. Wenn wir auf den neuen Sehgen schauen, werden wir mit einzigartiger Klarheit gewahr, daß es möglich ist, auf die konkreten 1403 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bedürfnisse des Menschen zu antworten, weil es treue Diener Christi und der Kirche gibt. 4. Auch im seligen Don Clemente Marchisio erstrahlt das Bild Christi, des Guten Hirten: Darum besorgt, „den Gläubigen immer ein Vorbild in seinen Worten, in seinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben zu sein“ (i Tim 4,12), bemühte er sich, in der Gnade, mit der jeder Priester in Christus beschenkt wird, Fortschritte zu machen, und wurde so mit jedem Tag zu einem wirksameren und lebendigeren Werkzeug Jesu, des Ewigen Priesters. Als Mann des Gebets, wie es jeder Priester sein sollte, war er sich bewußt, daß er Gott, den Herrn des Universums und seines Lebens, anrufen müsse, aber er war sich auch bewußt, daß die wahre Anbetung, die der unermeßlichen Heiligkeit Gottes würdig ist, vor allem durch das Sakrament des Leibes und Blutes Christi vollzogen wird. Er war darum stets eifrig auf die andächtige Feier des eucharistischen Geheimnisses, auf die häufige Anbetung und auf die würdevolle liturgische Feier bedacht. Er war in der Tat davon überzeugt, daß sich die Kirche vor allem in der Eucharistie aufbaut, an der die Glieder der christlichen Gemeinschaft teilnehmen und sich dadurch in mystischer Weise mit Christus identifizieren und untereinander eins werden. <77> <77> Im seligen Isidor De Loor können wir vor allem das Antlitz des leidenden Christus schauen, in dem sich die unendliche Liebe Gottes offenbart. Der neue Selige verstand es, den erhabensten und absoluten Wert des Willens Gottes zu erfassen, und war eifrig bemüht, ihn in seinem Leben mit Liebe und Vertrauen nach dem Vorbild Jesu Christi zu erfüllen, der sich immer, auch wenn es darum ging, das Kreuz auf sich zu nehmen, anschickte, das zu tun, was dem Vater wohlgefällig war. Die bedingungslose Fügsamkeit und Bereitschaft, mit der der selige De Loor in allem dem Willen des Herrn entsprach, um dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus zu folgen, war so groß, daß er „Bruder vom Willen Gottes“ genannt wurde. Als er von einer der meistverbreiteten Krankheiten unseres Jahrhunderts, dem Krebs, befallen wurde, bereitete sich Bruder Isidor mit derselben Fügsamkeit, mit der er gelebt hatte, auf den Tod vor, wobei er diese dramatische Prüfung als Gelegenheit nahm, sich im Vollsinn dem Erlöser anzugleichen, was den Gegenstand seiner ständigen und ausgedehnten Meditationen bildete. Der neue Selige lädt jeden von uns zu den Füßen des Kreuzes des aus Liebe gestorbenen Christus ein, indem er uns auffordert, unsere Mühen 1404 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und Leiden mit den Leiden Christi zu vereinen, um so den heilbringenden und aufbauenden Sinn der Arbeit, des Schmerzes und der Anstrengungen zu finden und gültige Antworten auf die Fragen des Daseins zu erhalten (vgl. Salvifici doloris, Nr. 31). Der neue Selige Isidor De Loor ist für unsere Zeit, die ganz berauscht ist von einer manchmal recht zweifelhaften Unabhängigkeit, gewiß ein faszinierendes und providentielles Vorbild für die wachsende Übereinstimmung mit dem Willen des himmlischen Vaters in der Nachfolge Jesu Christi. Schon zu seinen Lebzeiten nannten die Zeugen des Lebens Bruder Isidors von St. Josef ihn „Bruder des Willens Gottes“. Möge der Selige uns allen helfen, fortzuschreiten im Begreifen und in der täglichen Erfüllung des Plans des Herrn in unserem Leben. Es gibt keinen anderen Weg des wahren Glücks! 6. Einen weiteren Abglanz der unendlichen Vollkommenheit Christi haben wir in der seligen Rafaela Ybarra, die sich bemühte, im Christus zu wachsen, um in Liebe aufgebaut zu werden (vgl. Eph 4,15 f.). Bewunderung verdient ihre bedingungslose Hingabe an Gott und an die Mitmenschen in den verschiedenen Situationen ihres Lebens: als junges Mädchen, als Ehefrau und als Gründerin eines Ordensinstituts. Aus dem Kreuz und dem Gebet schöpfte sie die Kräfte für ihre Selbstaufopferung auf den Altären christlicher Nächstenliebe. Wie vielen Menschen kam ihre Fähigkeit zur Hingabe an Christus zugute! Wie viele nannten sie angesichts ihrer liebevollen Freundlichkeit gegenüber dem Bedürftigen einfach „Mutter“! Sie verstand es, aus ihrer gehobenen sozialen Stellung die Gesellschaft ihrer Zeit mit menschlichem und christlichem Einfühlungsvermögen zu betrachten. Daraus erwuchsen verschiedene Initativen sozialen und apostolischen Charakters, die ihr Wirken in Krankenhäusern, in einem Mütterheim, im Frauengefängnis und für arbeitslose oder sittlich gefährdete junge Mädchen ausmachten. Eben zum Schutz und zur menschlichen und christlichen Förderung junger Mädchen gründete sie das Institut der heiligen Schutzengel. Ein hervorragendes Beispiel für unsere heutige Gesellschaft und für alle, die für Gott leben wollen, indem sie mithelfen, schon hier das Reich Christi aufzubauen! Den Christen des baskischen Volkes möchte ich in ihrer eigenen Sprache sagen: „Jarraitu egizuez Beata barriaren ikasbideak“ - Folgt dem Beispiel der neuen Seligen! 1405 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Soweit also die Chrakterisierung der neuen Seligen. In jedem von ihnen „gibt es den Zuspruch aus Liebe“ {Phil2,1). In jedem von ihnen „gibt es eine Gemeinschaft des Geistes“ {ebd.). In jedem von ihnen gibt es eine neue Erfüllung der Freude der Kirche. Denn sie sind nicht nur dem Guten Hirten gefolgt, indem sie sich von ihm führen ließen; der „Zuspruch der aus der Liebe kommt“, tut sich in der Liebe kund. Darum hat jeder von ihnen zusammen mit Christus das Leben für die Schafe gegeben und versucht, durch Wort, Werke, Beispiel und Dienst die anderen zum Heil zu „führen“. Jeder hat seinen Blick auf Christus gerichtet, der „wie ein Sklave wurde und den Menschen gleich“ und „sich erniedrigte und gehorsam war bis zum Tod“ (Phil 2,7-8). Wie tief hat der „bis zum Tod gehorsame“ Christus eure Seelen durchdrungen, liebe Brüder, die wir euch heute zu Seligen der Kirche erklären! Wie sehr ist er zum Leben eurer Seelen geworden! Dieser Christus, den Gott „erhöht hat“ und dem er „den Namen verliehen hat, der größer ist als alle Namen“ (Phil 2,9). Durch den Dienst der Kirche gibt Gott heute einem jeden von euch einen neuen Namen im „erhöhten“ Jesus Christus. Heute erhaltet ihr neuen Anteil an der „Erhöhung“, die Christus seitens des Vaters zuteil wurde. Nehmt sie an! Nehmt diesen Namen von der Kirche an! In jedem von euch gibt es „den Zuspruch aus Liebe“. In jedem von euch „gibt es eine Gemeinschaft des Geistes“. In jedem von euch gibt es auch „Mahnung in Christus“ {Phil 2,1) für uns, für das ganze Volk Gottes, für die Menschheit! Halleluja! Wir danken dir, ewiger Hirte, daß du in diesen unseren Brüdern die Freude der Kirche vollkommen gemacht hast (vgl. Phil 2,2). Womit Gott Böhmen segnete Ansprache beim Besuch des Päpstlichen Kollegs Nepomucenum in Rom am 30. September 1. Ihr habt mich zur 100-Jahr-Feier des Böhmischen Kollegs in Rom, aus dem das heutige Päpstliche Kolleg Nepomucenum hervorgegangen ist, eingeladen. Ich habe eure Einladung mit Freude angenommen, weil das Jubiläum an die Bande erinnert, die die tschechische Nation mit dem 1406 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Stuhl des hl. Petrus verbinden. Diese Bindung besteht bereits seit der Zeit der hll. Kyrill und Method, deren Standbilder sich in der Halle dieses Gebäudes erheben. Sie haben ihre ersten Schüler nach Rom geführt, um sie in dieser Stadt zu Diakonen und Priestern weihen zu lassen. Wie viele Priester sind seit jenen Tagen über die Straßen gezogen, die Böhmen und Mähren mit der Ewigen Stadt verbinden, wie viele fromme Gläubige sind besonders während der Heiligen Jahre hierhergekommen, um an den Gräbern der Apostel um die Vergebung ihrer Sünden und Kraft und Beharren im Guten zu erbitten. Aber auch eure Bischöfe kamen nach Rom, um beim Nachfolger Petri Unterstützung und Hilfe zu suchen, wenn ihre Bemühungen, den Glauben rein und das christliche Ideal unverfälscht zu erhalten, bei ihren Zeitgenossen kein Verständnis fanden. Der erste von ihnen war der hl. Adalbert, der auf dem Rückweg die ersten Benediktiner mit sich nach Prag nahm. Seinen Spuren folgend, gelangten dann Bischof Andreas von Prag und Erzbischof Johannes von Jenstejn als Pilger nach Rom, wo sie auch verstarben. Das gilt auch für den jüngsten Nachfolger des hl. Adalbert, Kardinal Joseph Beran, der hier in diesem Haus vor 15 Jahren in Gott entschlafen ist. 2. Die Böhmen waren in dieser Stadt niemals Fremde. Man muß sich daher nicht verwundern, daß mein Vorgänger Leo XIII. im Rahmen der feierlichen Audienz für die Slawen, die gekommen waren, um ihm für die Enzyklika Grande munus über die hll. Kyrill und Method zu danken, am 5. Juli 1881 den Wunsch ausgesprochen hat, in Rom ein Kolleg für die Söhne der böhmischen Kirchenprovinz zu gründen. Diese von jenem großen Papst vor 100 Jahren verwirklichte Absicht hat sich schon sehr bald als wahrhaft günstig für eure Nation erwiesen. In der Zeit, in der in euren Seminaren die Theologie im Geist der Aufklärung gelehrt wurde und der auf kommende tschechische Nationalismus immer stärker antikirchliche und antipäpstliche Züge annahm, gingen aus dem Böhmischen Kolleg kulturell und geistlich gut ausgebildete, dem Hl. Stuhl ergebene Priester hervor, die das tiefe Gespür für die Universalität der Kirche besaßen, die sie während ihrer Studien in Rom kennengelemt hatten. Unter ihnen konnte man dann auch die Bischöfe für die böhmischen Diözesen auswählen, Bischöfe, die - zum Unterschied von ihren Vorgängern, die oft die tschechische Sprache nicht beherrschten - die Mentalität des Volkes besaßen und seine Nöte und Bedürfnisse verstanden. Es genügt, die Bischöfe von Böhmisch Budweis, Simon Bärta, von Leitmeritz, Anton Alois Weber, und von Königgrätz, Moric Picha, zu nennen, es genügt, an die Erzbischöfe von Prag, Kardinal Karel Kaspar 1407 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und den bereits erwähnten Kardinal Joseph Beran, zu erinnern, der zusammen mit einer ganzen Reihe seiner Studiengefährten am Böhmischen Kolleg durch das Leiden in Gefängnissen und Konzentrationslagern seine Treue zu seiner Nation bewiesen hat. Als wahrhaft prophetisch lassen sich darum die Worte bezeichnen, die Leo XIII. zu den ersten Alumnen des Böhmischen Kollegs gesprochen hat: „Die Eröffnung des Böhmischen Kollegs ist eine große Wohltat, mit der Gott jeden von euch, liebe Studenten, mit Beginn dieses neuen Instituts beschenkt hat, aber auch eine Wohltat, mit der Gott Böhmen segnet, indem er es erneut an den Römischen Stuhl ruft und bindet“ (Casopis Katolickeho ducho-venstva, XXXI, Prag 1890, 205-206). 3. Heute stehen vor mir nicht mehr die Studenten des Böhmischen Kollegs, sondern des Päpstlichen Kollegs Nepomucenum, das 1929 an diesem neuen Sitz für die Priesteramtskandidaten sämtlicher Diözesen der Tschechoslowakei, Böhmens, Mährens, Schlesiens und der Slowakei gegründet wurde. Ich glaube jedoch, daß ich auch vor euch die Worte wiederholen kann, die vor 100 Jahren mein Vorgänger Leo XIII. zu den ersten Studenten jenes neugegründeten Kollegs gesprochen hat: „Es ist nun eure Aufgabe, liebe junge Männer, hier, in der Stadt der Märtyrer und nahe dem Stuhl der Wahrheit, dem Stuhl Petri, soweit als möglich Heiligkeit und Wissen anzuhäufen, um dann eurer Heimat von Nutzen sein zu können. Ihr seid wenige, aber nicht selten hängt von einem einzigen Priester das Heil vieler, ja einer ganzen Diözese ab“ (ebd., 206). 4. Das gilt auch für euch, liebe böhmische Priester, die ihr hier mit Bischof Msgr. Jaroslav Skarvada anwesend seid, um an der Freude dieser Studenten teilzunehmen. Viele von euch haben in diesem Institut ihre Studien absolviert, andere denken mit Heimweh an das — in den meisten Fällen inzwischen aufgehobene - Seminar in der Heimat, das die Wiege ihres Priestertums war. Ich weiß, daß eure Arbeit nicht leicht ist. Ihr lebt fern von eurem Land, über verschiedene Länder und Kontinente verstreut, und dient in der Mehrzahl der Fälle euren ihrer Umgebung entrissenen Landsleuten. Das verlangt von euch große Geduld, Opferbereitschaft, Ausdauer. In dieser Situation habt ihr ein besonders Bedürfnis nach Pflege eines vertieften geistlichen Lebens, um zu einer „demütigen Bereitschaft“ zu gelangen, „die Gaben des Heiligen Geistes anzunehmen und die Früchte der Liebe und des Friedens den anderen weiterzuschenken und ihnen jene Glaubensgewißheit zu vermitteln, die sie den Sinn der menschlichen Existenz tiefer verstehen läßt und sie befähigt, im Leben die 1408 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN moralische Ordnung zur Geltung zu bringen“ (vgl. Schreiben Johannes Pauls II. an die Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1979, Nr. 4). Es gibt Dinge, die sich nur in der Muttersprache sagen lassen; nur in Worten, die man als Kind gelernt hat, gelingt es in manchen Fällen, das Herz des Menschen zum Schweigen zu bringen. Es ist kein Zufall, daß die Evangelisten, die ihre Bücher in Griechisch schreiben, den Tod Jesu am Kreuz darstellen, indem sie sein letztes Gebet in der Sprache wiedergeben, die er von seiner Mutter, der Jungfrau Maria, gelernt hatte: „Eli, Eli, lamä sabactäni!“ („Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“) (Mt 27,46). Ihr habt die Aufgabe, eure Landsleute in eine fremde Kirchengemeinde einzuführen; da es ihnen wahrscheinlich Mühe bereitet, sich an einen anderen Stil des religiösen Lebens zu gewöhnen, hätten sie ohne eure Hilfe wohl Schwierigkeiten bei ihrer Eingliederung in die neue kirchliche Umgebung. Euer Apostolat ist daher wichtig und oft unersetzlich. Schon allein die Tatsache, daß ich einen Bischof für die Betreuung der tschechischen Emigranten ernannt habe, zeigt deutlich, wie sehr ich eure Arbeit schätze und ermutige. 5. Ihr wolltet die Feier eures Jubiläums mit dem Fest des hl. Wenzel, eures ersten Patrons und - wie ihr ihn nennt - Erben der böhmischen Erde verbinden. Eure Vorfahren wandten sich während eines ganzen Jahrtausends an ihn mit dem Gebet, weder sie noch ihre Nachkommen untergehen zu lassen. Der hl. Wenzel hat diese Gebete erhört. Wie viele Gewitterstürme haben sich im Laufe der Geschichte über eurer Heimat entladen. Wie oft war selbst die Existenz eurer Nation bedroht. Aber sie lebt noch und hält auch den christlichen Glauben lebendig, der gerade wegen der Schwierigkeiten mit um so stärkerer Kraft wieder auflebt. Es ist zweifellos traurig, daß die Mehrzahl der Diözesen in eurer Heimat ohne Bischof ist. Es ist traurig, daß es dort keine Klöster mehr gibt und daß die Zahl der Priesterkandidaten bewußt beschränkt wird. Es ist traurig, daß gerade Mähren, das Land, in dem sich das Grab des hl. Method befindet, seine Priesterseminare in Olmütz und Brünn verloren hat, aus denen so viele eifrige Priester hervorgegangen sind. Auch dieses Kolleg hatte und hat kein leichtes Dasein; die Isolierung von der Heimat gereicht ihm nicht gerade zum Nutzen. Aber mit Gottes Hilfe besteht es weiter als ein Symbol, als Erbe des alten Böhmischen Kollegs und der Tradition, die sich in den fünfeinhalb Jahrzehnten des Bestehens des Päpstlichen Kollegs Nepomucenum entwickelt hat. 1409 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Zur Überlieferung des Kyrill und Method, aus der ihr lebt, gehört auch eine glühende Verehrung für Maria. Wie viele Marienheiligtümer schmücken eure Heimat, welche Scharen von Pilgern besuchen sie jedes Jahr. „Maria war den Böhmen teuer, die Böhmen waren Maria teuer.“ Mögen diese Worte, die in der Geschichte ihren Widerhall gefunden haben, stets ihre Lebenskraft bewahren. Möge sie, die Mutter der Kirche, die Mutter eines jeden von euch sein. Möge sie euch helfen, das Erbe eurer Väter, eure kulturelle Identität zu bewahren, damit ihr immer die Nation des hl. Wenzel und der hl. Ludmilla, die Nation der hll. Kyrill und Method bleibt, die als Wurzeln ihrer Kultur das von ihnen überlieferte Evangelium hat. Das ist die Aufgabe, auf die ihr, liebe Alumnen, euch vorbereitet. Eine Aufgabe, für die zu leben und der zu widmen sich lohnt. Eine Aufgabe, die ihr niemals verraten dürft. „Ich habe euch erwählt - sagte Jesus - und dazu bestimmt, daß ihr euch aufmacht und Frucht bringt und daß eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16). Möge diese Frucht der Wahrheit und der christlichen Liebe von euch erhalten und an die künftigen Generationen weitergegeben werden. An die Generationen, für die ihr verantwortlich seid. Der hl. Wenzel lasse weder euch noch eure Nachfahren untergehen. Mit meinem Apostolischen Segen. Was uns mit den Brüdern verbindet Brief an Kardinal Hume, Präsident des Rates der europäischen Bischofskonferenzen, vom 1. Oktober 'Meinem ehrwürdigen Bruder, Kardinal George Basil Hume, Erzbischof von Westminster Der Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) hält zusammen mit der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) vom 4. bis 7. Oktober in Riva del Garda eine dritte Europäische ökumenische Begegnung ab und wird im historischen Dom von Trient einen abschließenden ökumenischen Gebetsgottesdienst veranstalten. Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, Sie und alle, die daran teilnehmen, zu grüßen in der Gnade und dem Frieden von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus (vgl. 1410 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Phil 1, 2) und Dank sagen für den Geist der Liebe und Einheit, der euch zusammenführt. Eure Begegnung ist nicht nur für die Christen in Europa von großer Bedeutung, sondern für die getrennten christlichen Gemeinschaften der ganzen Welt. So viele Trennungen, die unter den Christen bestehen, hatten ihren Ursprung in Europa und kamen im Gefolge der Verkündigung des Evangeliums in andere Teile der Welt. Darum geht die ökumenische Verantwortung Europas über seine kontinentalen Grenzen hinaus und ist ebenso schwer wie dringend. Eure Begegnung steht unter dem Thema: „Miteinander unseren Glauben bekennen: eine Quelle der Hoffnung“. Während ihr beisammen seid, werdet ihr gemeinsam den Kern des von den Aposteln überkommenen Glaubens, wie er im nizänokonstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis formuliert ist, studieren, meditieren und verkünden. Ich möchte euch in Erinnerung rufen, was ich zur 1600-Jahr-Feier des I. Konzils von Konstantinopel schrieb: „Die Lehre des I. Konzils von Konstantinopel ist immer noch der Ausdruck des einen gemeinsamen Glaubens der Kirche und der ganzen Christenheit. Indem wir diesen Glauben bekennen - wie wir es jedesmal im Credo tun - .. . wollen wir hervorheben, was uns -trotz aller Trennungen im Laufe der Jahrhunderte - mit allen unseren Brüdern verbindet“ (A Concilio Constantinopolitano I, Schreiben Johannes Pauls II. an die Bischöfe der kathol. Kirche, 25. 3. 1981, Nr. I, 1). Ebenso bedeutsam für eure Begegnung sind andere Worte aus demselben Schreiben: „Was könnte denn auch eher den Weg zu dieser Einheit beschleunigen als die Erinnerung und damit die Verlebendigung dessen, was durch so viele Jahrhunderte Inhalt des gemeinsam bekannten Glaubens gewesen ist und auch jetzt noch ist, nach den schmerzlichen Trennungen, die im Laufe der Jahrhunderte eingetreten sind?“ (ebdNr. II, 5). Jesus Christus will, daß seine Kirche ein „von der Einheit des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes her geeintes Volk“ ist (Lumen gentium, Nr. 4). Die Gemeinschaft, die er für alle will, die ihm folgen, entspringt aus dem einen Glauben und der einen Taufe (vgl. Eph 4, 4-6), auch wenn die noch immer ernsten Trennungen zwischen Christen sie zunichte machen. Wegen dieser tatsächlichen, aber unvollkommenen Gemeinschaft ist es für Christen möglich und notwendig, miteinander vor der Welt ein gemeinsames Zeugnis abzulegen. Ich bete darum, daß ihr in diesen Tagen, wenn ihr zusammen seid, in ein immer größeres Verständnis jenes Glaubensbekenntnisses hineinwachsen werdet, das ihr zum Abschluß eures Treffens feierlich verkünden wollt. Denn ein gemeinsames Zeugnis wird eher möglich, wenn Christen mitein- 1411 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ander im Bekenntnis des einen apostolischen Glaubens wachsen. Eure Begegnung wird in der Tat fruchtbar gewesen sein, wenn ihr in eure Länder mit der erneuerten Überzeugung zurückkehrt, daß „in dieser Verbundenheit im Auftrag, über den vor allem Christus selbst entscheidet, alle Christen entdecken müssen, was sie bereits vereint, noch bevor sich ihre volle Gemeinschaft verwirklicht“ (Redemptor hominis, Nr. 12). Wenn ihr in Riva am Gardasee seid, habt ihr auch Gelegenheit, euch gegenseitig zu helfen, neue und wirksame Weisen zur Ablegung eines gemeinsamen Zeugnisses zu finden, die eurer eigenen Situation angemessen sind und immer von einem Gefühl für die besondere Verantwortung bestimmt werden, die Europa vor der übrigen Welt hat. Ihr habt die geistliche Verantwortung für Christen in vielen Ländern Europas, die zusammen mit den Jüngern Christi überall dazu berufen sind, sich an der Missionierung der Welt zu beteiligen. Es ist eure Aufgabe, ihnen bei der Erkenntnis zu helfen, daß das gemeinsame Zeugnis Teil ihrer Treue zur Sendung ist, und ihnen zu helfen, die richtigen Wege zu finden, miteinander allen Völkern die Frohbotschaft vom Reich Gottes zu verkünden. Es ist wichtig, daß „wir uns bemühen, all das gemeinsam zu tun, was wir gemeinsam tun können. Wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht (vgl. Joh 3, 21). Die Dringlichkeit dieses gemeinsamen und wirksamen Zeugnisses aller Christen ist groß“ (Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Kehrsatz am 14. Juni 1984, in: O. R. dt. vom 29. 6. 84, S. 5). Möget ihr stark sein für die Aufgabe, die vor euch liegt, durch die Macht Jesu Christi, des Herrn der Kirche, der „der treue Zeuge“ ist {Offb 1, 5). Möge sein Heiliger Geist, der die Wahrheit des Evangeliums gegenwärtig macht (vgl. Joh 14, 26), der Gemeinschaft unter den Gläubigen schafft, der die Kirche erneuert und mit Leben erfüllt, euch neue Kraft verleihen bei der Verkündigung des Gotteswortes von der Hoffnung in der Welt. Möge er euch neuen Willen schenken, für die Einheit der Menschheitsfamilie zu arbeiten. Aus dem Vatikan, am 1. Oktober 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. 1412 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kreuz - Quelle allen Trostes Ansprache an 400 Mitglieder des Ordens der Passionisten am 1. Oktober Liebe Brüder! 1. Ich möchte euch meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, daß ich heute mit euch Zusammentreffen kann, die ihr aus der ganzen Welt anläßlich der Seligsprechung eures Mitbruders Isidor De Loof hierhergekommen seid. Wir alle haben uns gefreut und danken dem Herrn, dem es gefallen hat, uns in diesem Seligen, der für eure Kongregation der erste Laienbruder ist, der zur Ehre der Altäre erhoben wurde, auf ein neues Vorbild der Heiligkeit hinzuweisen. Unsere Begegnung gewinnt eine besondere Bedeutung auch angesichts der sehr wichtigen Tatsache, daß in diesem Jahr die formelle Approbation eurer neuen Konstitutionen erfolgte, die darauf hinweisen wollen, wie die Regel des hl. Paul vom Kreuz in der heutigen historischen Situation und entsprechend den Weisungen des letzten Konzils und des neuen Codex des kanonischen Rechts verwirklicht werden kann. Mein herzlicher Gruß gilt auch all den Mitgliedern eures verdienstvollen und berühmten Ordens, besonders denen, die die Last des Kreuzes an Körper und Geist in höherem Maße erfahren. Ihnen will ich besonders meine ganze Ermutigung und meine und die Dankbarkeit der Kirche aussprechen für den geheimnisvollen, aber tatsächlichen Beitrag, den sie für die Entfaltung und Verbreitung des Gottesreiches und für das Heil der Welt leisten. <78> <78> Gestern haben wir die Gestalt des seligen Isidor gefeiert, aber ich empfinde das Bedürfnis, es wenigstens mit wenigen Worten hier noch einmal zu tun. Das Beispiel, das von dem neuen Seligen herrührt, hat einen so universalen Charakter, daß es sich als höchst nützlich nicht nur für die Laienbrüder eurer und anderer Ordensfamilien herausstellt, sondern auch für alle Glieder des Gottesvolkes, deren wesentliche Werte es gewissermaßen zusammenfaßt: die Liebe zur Familie, die Freundschaft, das soziale Leben und das Gemeinschaftsleben, die Arbeit, die Entspannung, die Achtung vor der Natur, die Verehrung des Herrn. In allen diesen grundlegenden Dimensionen nicht nur des christlichen, sondern auch des menschlichen Lebens vermochte es der selige Isidor, das Licht und die Weisheit des Kreuzes einzubringen, wodurch es ihm gelang, ohne jede Großtuerei, sondern mit großer Schlichtheit, Ausgeglichenheit und Natürlichkeit als wahrer Christ und Ordensmann, alles zu verklären, 1413 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alles zu erhöhen, allem einen erlösenden Wert in Christus und mit Christus zu geben. Und was anderes, wenn nicht dies, sollte und soll im wesentlichen jeder von uns - was immer seine Berufung oder Lebenssituation ist - erfüllen? Die universale christliche Vorbildlichkeit des seligen Isidor läuft im Grunde auf diese grundsätzliche Einsicht hinaus, die gewissermaßen die Gesamtbotschaft der christlichen Weisheit zusammenfaßt: das Kreuz zum „Salz der Erde“ zu machen, das, was diesem Leben wirklich „Geschmack verleiht“ und sein Geschehen auf das endgültige Ziel des Himmels hin ausrichtet. 3. Die Welt bedarf der wahren Weisheit. Oft sucht sie sie dort, wie sie nicht ist, und erkennt sie nicht, wo sie sie tatsächlich findet. Warum das? Eine Ursache dafür mag die sein, die der hl. Paulus im ersten Korintherbrief stillschweigend einschließt: weil die wahre Weisheit, die Weisheit des Kreuzes, bisweilen unter dem äußeren Anschein der „Torheit“ oder „Narrheit“ erscheint. Jedoch - so erklärt der Apostel dann - „das Wort vom Kreuz ist denen, die verlorengehen, Torheit“ (1 Kor 1,18), das heißt denen, die, geblendet vom Hochmut, sich für weise halten, während sie in Gottes Augen in Wirklichkeit nur töricht sind. Die wahre Weisheit - also jene des Kreuzes - geht nur den Demütigen auf und jenen, die nach der Wahrheit suchen, indem sie eitlen Schein zurückweisen. Hierin besteht die mutige und gradlinige Lehre des seligen Isidor. Seine „Weisheit“ war nicht das Ergebnis vertiefter Studien oder begehrter akademischer Titel, aber sie war deshalb nicht weniger entscheidend: Sie war in der Tat ein Geschenk des Heiligen Geistes, auf das er sich mit strenger asketischer Zucht in vollkommener Einhaltung der Regeln und der Disziplin seines Ordens vorzubereiten wußte. Der selige Isidor ist ein Bruder, der den Wert und die Fruchtbarkeit des Kreuzes zutiefst begriff und so das Ideal eures Ordens in hervorragender Weise verwirklichte. Er sah im Kreuz die Quelle allen Trostes, die Inspiration zu den edelsten Einsätzen für Gerechtigkeit, Liebe und Barmherzigkeit: Er vermochte das Geheimnis des Kreuzes als den hauptsächlichen Weg des Heiles und der Heiligkeit zu leben. 4. Liebe Brüder! Zusammen mit euch sehe ich heute in Gedanken alle mehr als dreitausend Passionisten hier anwesend, die über die Welt vertreut sind, um die Botschaft von der grenzenlosen Liebe Gottes, die sich besonders in der Passion, im Leiden und Sterben seines eingeborenen Sohnes offenbart hat, zu verkündigen und zu leben. An euch und an sie 1414 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ergeht mein und der Kirche aufrichtiger Dank für das Gute, das eure Kongregation in diesen zweieinhalb Jahrhunderten ihres Bestehens vollbracht hat; für die Gaben der Gnade und Heiligkeit, die von so vielen ihrer Mitglieder und ganz besonders vom hl. Paul vom Kreuz eurem Vater und Führer, vom hl. Vinzenz Maria Strambi, Bischof und leuchtendes Vorbild für die Hirten des Gottesvolkes, vom seligen Dominikus von der Muttergottes, dem unermüdlichen Vorläufer und Apostel des Ökumenis-mus im vorigen Jahrhundert, und - so können wir heute voll Freude hinzufügen - vom seligen Isidor De Loor bezeugt worden sind. Die Schau dieser Gestalten, die eurem Institut zur Ehre gereichen, kann ich nur mit einem aufrichtigen Wunsch beschließen, den ich einem Brief entnehme, den eurer Stifter im Jahr 1751 an die Mitbrüder richtete: „Möge sich diese bescheidene Kongregation, ein Werk der göttlichen Barmherzigkeit, in der ganzen Welt entfalten, damit es . . . überall heilige Arbeiter gebe, die, wie mit lautem Trompetenschall vom Heiligen Geist beseelt, die in der Sünde dahindämmernden Seelen durch die Predigt über das heilige Leiden des Gottessohnes Jesus Christus wachrütteln, auf daß sie reumütig heilsame Tränen der Buße vergießen und sich durch unablässige fromme Betrachtung dieser heiligen Passion immer mehr an der Liebe Gottes entzünden und gemäß ihrem Stand heiligmäßig leben“ (Brief IV, 229). Ich vertraue diese Wünsche dem mütterlichen Herzen der Schmerzreichen Jungfrau und Königin eurer Kongregation an und empfehle ihr alle und jeden einzelnen der teuren Passionisten. Mein Apostolischer Segen begleite euch jetzt und immerdar. „Der Stille des Weltraums lauschen“ Ansprache an die Teilnehmer einer Weltraum-Studienwoche der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften am 2. Oktober Liebe Freunde! 1. Ich bin der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und ihrem Präsidenten, Prof. Carlos Chagas, sehr dankbar, daß sie diese interessante Studienwoche über das Thema „Der Einfluß der Erforschung des Weltraumes auf die Menschheit“ veranstaltet haben, die zur Zeit im Casino Pius’ IV. abgehalten wird. 1415 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Das Zusammentreffen mit Ihnen, den Mitgliedern der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und Wissenschaftlern aus aller Welt, ist für mich eine Quelle großer Genugtuung. Die heutige Versammlung gibt mir Gelegenheit, meine Bewunderung über die außergewöhnlichen Entwicklungen zum Ausdruck zu bringen, die in der Weltraumtechnologie stattgefunden haben. Zugleich ermöglicht sie mir, die Leitlinien einer sittlichen, sozialen und geistlichen Ordnung darzulegen, die zu der Sendung gehören, die dem Nachfolger Petri von Christus anvertraut wurde. 2. Jahrhunderte sind vergangen, seit das Fernrohr Galileis den Himmel ergründete und der Menschheit eine neue Sicht des Universums vermittelte. In seinem kurzen, aber grundlegenden Werk, das unter dem Titel „Sidereus Nuncius“ 1610 in Venedig veröffentlicht wurde, sprach Galilei von den Entdeckungen, die mit Hilfe seines Fernrohrs gemacht wurden, aber da er sowohl Wissenschaftler wie Glaubender war, fügte er hinzu, daß er diese Entdeckungen „divina prius illuminante gratia (unter vorausgehender Erleuchtung durch die göttliche Gnade) gemacht habe. Andere große Wissenschaftler wie Kepler und Newton erforschten gleichfalls den Himmel mit dem Geist von Glaubenden. Dichter und Philosophen wie Pascal sannen voll Ehrfurcht nach über die geheimnisvolle Stille des fernen Weltraums. 3. Heute ist Ihr Blick auf den Himmel gerichtet, um nicht nur die von Gott geschaffenen Gestirne zu studieren und zu beobachten, wie es die großen von mir soeben erwähnten Gestalten getan haben, sondern um von Weltraumsonden, Weltraumstationen und Satelliten zu sprechen, die vom Menschen hergestellt worden sind. Ich bin auf Ihrer Seite bei Ihrer Arbeit, denn ich betrachte die Anwesenheit des Menschen und seiner Maschinen im Weltraum mit derselben Bewunderung wie Paul VI. zur Zeit des Apollo-13-Unternehmens, als er die Teilnehmer der Studienwoche über „Die Kernschatten der Milchstraßen“ aufforderte, „denjenigen zu huldigen, die durch ihr Studium, ihre Tätigkeit und Autorität der Welt einmal mehr die unbegrenzten Kräfte der Naturwissenschaften und der modernen Technologie vor Augen geführt haben. Zusammen mit uns werden Sie auch einen leidenschaftlichen Dankeshymnus zu Gott erheben, dem Schöpfer des Universums und Vater der Menschheit, der auch auf diese Weise vom Menschen gesucht und gefunden, verehrt und geliebt werden will“. 1416 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Heute, Jahre nach diesen ersten Begebenheiten, können wir sehen, welchen gewaltigen Weg der menschliche Verstand bei der Erforschung des Universums zurückgelegt hat, und wir freuen uns darüber aufgrund unseres Glaubens, denn die Vollkommenheit des Menschen ist der Ruhm Gottes. Die wissenschaftlichen Forschungen über die Natur des Universums haben Fortschritte gemacht und werden durch die Verwendung höchst verfeinerter Systeme, wie sie von dem neuesten Mitglied der Päpstlichen Akademie, Prof. Giuseppe Colombo, vervollkommnet wurden, weitere Fortschritte machen. Instrumente können in den Weltraum geschickt werden unter Vermeidung der Störungen und Behinderungen, die mit der Erdoberfläche und den tieferen Schichten der Atmosphäre verbunden sind. Weltraumsonden, eine neue Herausforderung des Menschen an die Entfernungen im Weltraum und ein Symbol seines stets unermüdlichen Wunsches nach Wissen, kommen immer näher an die Himmelskörper heran, um ihre innersten Geheimnisse zu enthüllen. Weltraumstationen werden ihrerseits Beobachtungszentren sein, die vollkommen neue Experimente und das Studium neuer Techniken ermöglichen. Alle diese neuen Weltrauminstrumente sind dank des großen Fortschritts der fundamentalen wissenschaftlichen Forschung in Mathematik, Physik und Chemie zustande gekommen sowie durch die Entwicklung der Telekommunikationstechniken, die von einem großen Mitglied der Akademie, Guglielmo Marconi, entdeckt wurden. <79> <79> Diese verschiedenen Formen der Präsenz des Menschen im Weltraum führt uns zu einer Frage: Wem gehört der Weltraum? Solange der Weltraum etwas war, das nur vom menschlichen Auge, wenn auch mit Hilfe mächtiger astronomischer Instrumente, beobachtet und studiert wurde, stellte sich diese Frage noch nicht. Aber jetzt, wo der Weltraum vom Menschen und seinen Maschinen besucht wird, ist die Frage unvermeidlich: Wem gehört der Weltraum? Ich zögere nicht mit meiner Antwort, daß der Weltraum der ganzen Menschheit gehört, daß er etwas zum Nutzen aller ist. So wie die Erde zum Nutzen aller bestimmt ist und der Privatbesitz so verteilt werden muß, daß jedem Menschen ein angemessener Anteil an den Gütern der Erde zuteil wird, ebenso muß die Besitzergreifung des Weltraumes durch Satelliten und andere Instrumente in gerechten Abkommen und internationalen Verträgen geregelt werden, die es der ganzen Menschheitsfamilie ermöglichen, sich daran zu freuen und davon Gebrauch zu machen. Wie Erdengüter nicht bloß zum privaten Gebrauch bestimmt sind, sondern auch zum Wohl des Nächsten verwendet werden müssen, so darf auch der Weltraum niemals zum ausschließli- 1417 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN chen Nutzen einer Nation oder sozialen Gruppe dienen. Die Fragen der angemessenen Nutzung des Weltraumes müssen von Juristen studiert und von den Regierungen einer korrekten Lösung zugeführt werden. Die Präsenz des Menschen mit seinen Satelliten und anderen Instrumenten im Weltraum bringt weitere Probleme kultureller, sittlicher und politischer Art mit sich, auf die ich Sie gern aufmerksam machen möchte. 6. Eine der gewichtigsten Aufgaben, die durch den Einsatz von Satelliten durchgeführt werden kann, ist die Beseitigung des Analphabetismus. Mehr als eine Milliarde Menschen sind noch immer Analphabeten. Ferner können Satelliten für eine umfassendere Verbreitung von Kultur in allen Ländern der Welt genutzt werden, nicht nur in denen, wo das Analphabetentum bereits beseitigt wurde, sondern auch dort, wo noch immer viele Menschen weder lesen noch schreiben können; denn Kultur kann auch allein durch den Gebrauch von Bildern verbreitet werden. Ich hoffe, daß der wissenschaftliche und technologische Fortschritt, über den Sie zur Zeit diskutieren, zur Verbreitung einer Kultur beitragen wird, die wirklich die ganzheitliche Entwicklung des Menschen fördert. Aber die Vermittlung von Kultur darf nicht gleichgesetzt werden mit der Aufzwingung der Kulturen technisch fortgeschrittener Länder in Entwicklungsländern. Völker mit alten Kulturen, auch wenn sie manchmal noch teilweise Analphabeten sind, dafür aber mit einer mündlichen und symbolischen Tradition ausgestattet, die ihre eigenen Kulturen weiterzugeben und zu bewahren imstande ist, dürfen nicht einem kulturellen oder ideologischen Kolonialismus zum Opfer fallen, der gerade diese Traditionen zerstören würde. Die reichen Länder dürfen nicht versuchen, durch den Einsatz der ihnen zur Verfügung stehenden technischen Mittel und insbesondere durch die moderne Weltraumtechnologie ärmeren Nationen ihre Kultur aufzudrängen. 7. Satelliten werden eine nützliche Aufgabe vollbringen, wenn sie, statt die Kultur der reichen Länder anderen aufzudrängen, einen Dialog zwischen den Kulturen fördern, d. h. einen Dialog zwischen den Nationen, der für den Frieden der Welt von entscheidender Bedeutung ist. Nationen haben Kulturgrenzen, die tiefer verwurzelt sind als geographische und politische Grenzen: Es muß möglich sein, die letzteren zu überqueren, da jeder Mensch ein Bürger der Welt, ein Mitglied der Menschheitsfamilie ist. Diese Grenzen dürfen jedoch nicht auf gewaltsame Weise geändert werden. In ähnlicher Weise dürfen Kulturgrenzen nicht einen fruchtbaren Dialog zwischen Kulturen behindern, noch dürfen sie durch Formen 1418 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kultureller oder ideologischer Diktatur vergewaltigt werden. Moderne Weltraumtechnologie darf nicht von irgendeiner Form kultureller Weltmachtpolitik zum Schaden der authentischen Kultur der Menschen mit den legitimen Unterschieden, die sie in der Geschichte der einzelnen Völker entwickelt haben, verwendet werden. 8. Moderne Weltraumtechnologie, richtig verstanden, liefert auch nützliche Beobachtungen zur Kultivierung der Erde, die weit über alles hinausgehen, was von einem auf der Erdoberfläche tätigen System geleistet werden kann. Durch den Einsatz von Satelliten ist es möglich, exakte Angaben über die Beschaffenheit von Agrargebieten, des Wasserflusses und der Wetterverhältnisse zu erhalten. Diese Angaben können verwendet werden, um die Landwirtschaft zu verbessern, den Zustand von Wäldern und Forsten zu überprüfen, die Situation einzelner Zonen oder der ganzen Erde zu bewerten und so die Aufstellung von Einzel- oder Globalprogrammen zu ermöglichen, um den konkreten Gegebenheiten gerecht zu werden. Diesem sogenannten „Fernempfinden“ kommt fundamentale Bedeutung zu im Kampf gegen den Hunger, vorausgesetzt, daß die wirtschaftlichen und politischen Großmächte, die im Besitz dieser Mittel zur Beobachtung der Weltsituation sind, den ärmeren Ländern helfen, wirtschaftliche Entwicklungsprogramme aufzustellen und ihnen auch bei der Durchführung dieser Programme praktisch an die Hand gehen. 9. Bei Ihrer Kenntnis und Ihrer Beherrschung moderner Weltraumtechnologie wissen Sie wohl, wie sich entsprechende Programme ausarbeiten ließen, um der Welt zu helfen, das Mißverhältnis landwirtschaftlicher Praktiken, das Vordringen der Wüstengebiete sowie Umweltkatastrophen zu überwinden, die durch den menschlichen Raubbau an der Erde, den Gewässern und in der Atmosphäre hervorgerufen wurden mit der immer alarmierenderen Vernichtung tierischen und pflanzlichen Lebens und mit schweren, ja tödlichen Krankheiten, die das menschliche Leben selbst befallen. Ordnung und Gerechtigkeit müssen wiedererrichtet, die Harmonie zwischen Mensch und Natur muß wiederhergestellt werden. Wir müssen uns um eine Technologie bemühen, die die armen Völker ebenso wie die unterdrückte Natur befreien wird, die Projekte und Übereinkünfte fördern kann. Die Weltraumtechnologie kann einen höchst wirksamen Beitrag dazu leisten. 1419 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 10. Meine Damen und Herren, der wahre Frieden wird in den Herzen derer geboren, die für das Geschenk Gottes offen sind, jenes Gottes, der, als Christus in die Welt kam, den Menschen guten Willens Frieden verhieß. Ich lade Sie ein, in den naturwissenschaftlichen Forschungen und technischen Erfindungen den Gott des Friedens zu suchen, den unsichtbaren Einen, der die Quelle alles Sichtbaren ist. Ich ermahne Sie, ihn zu suchen, indem Sie der Stille des Weltraumes lauschen. Himmel und Erde verkünden, daß sie nur Geschöpfe sind, und sie drängen Sie, sich in den erhabenen Himmel der Transzendenz zu erheben, damit Sie Ihre Herzen und Sinne der Liebe öffnen, die die Sonne und die anderen Sterne bewegt. Auf diese Weise werden Sie zu Urhebern nicht nur immer vollkommenerer Instrumente, sondern auch zu Bauleuten jener Gesellschaft, die die einzige ist, die von Gott und von Männern und Frauen guten Willens gewünscht wird: die Gesellschaft im Zeichen der Wahrheit und der Liebe, die so unabdingbar notwendig ist, um den Frieden zwischen den Nationen zu gewährleisten. Jeder einzeln von Gott geliebt Predigt bei der Messe mit Priestern der Bewegung für charismatische Erneuerung zum Abschluß der Exerzitien in St. Peter am 9. Oktober 1. „Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist“ (Eph 4, 4). Die Worte des Apostels Paulus, die wir soeben gehört haben, kommen mir unwillkürlich auf die Lippen, liebe Brüder in Christus, wenn ich eure Versammlung betrachte, die so viele Bischöfe und Priester aus allen Teilen der Welt umfaßt. Alle und jeden einzelnen begrüße ich herzlich: „Jesus ist der Herr! Halleluja!“ Ihr seid nach Rom gekommen, um an den vom Internationalen Büro der katholischen charismatischen Erneuerung organisierten Exerzitien teilzunehmen. Eure Zusammenkunft im Vatikan und diese eucharistische Kon-zelebration am Grab des Apostelfürsten sind bedeutsame Zeichen für eure tiefe Anhänglichkeit an den Stuhl Petri und die eine heilige, katholische und apostolische Kirche. Möge der Herr euch in eurem Glauben bestärken und die Gnade des Priestertums in euch während eures Aufenthaltes in dieser hohen Stadt Rom, dem Zentrum des Katholizismus, neu beleben. 1420 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Während der Exerzitien habt ihr eingehend über die priesterliche Berufung als besondere Berufung zur Heiligkeit nachgedacht. Das ist ein sehr wichtiges und aktuelles Thema. Denn die heutige Welt braucht Priester, viele Priester, vor allem aber heiligmäßige Priester. Die priesterliche Berufung ist im wesentlichen eine Berufung zur Heiligkeit in der Form, die aus dem Sakrament der Priesterweihe entspringt. Die Heiligkeit ist Vertrautheit mit Gott, sie ist Nachahmung des armen, keuschen und demütigen Christus; sie ist vorbehaltlose Liebe zu den Seelen und Hingabe an ihr wahres Wohl; sie ist Liebe zur Kirche, die heilig ist und uns heilig will, weil das die Sendung ist, die Christus ihr anvertraut hat. Jeder von euch muß heilig sein, um auch den Brüdern zu helfen, ihrer Berufung zur Heiligkeit zu folgen. Wie sollte man im Rahmen dieser Begegnung sich nicht Gedanken über die entscheidende Rolle machen, die der Heilige Geist in der dem Priesteramt eigenen Berufung zur Heiligkeit entfaltet? Rufen wir uns die Worte des Ritus der Priesterweihe in Erinnerung, die für die wesentlichen in der sakramentalen Formel gehalten werden: „Allmächtiger Gott, wir bitten dich: Gib deinen Knechten die priesterliche Würde. Erneuere in ihnen den Geist der Heiligkeit. Gib, o Gott, daß sie festhalten an dem Amt, das sie aus deiner Hand empfingen; ihr Leben sei für alle Ansporn und Richtschnur.“ Durch die Priesterweihe empfangt ihr, meine Lieben, den Geist Christi, der euch ihm ähnlich macht, damit ihr in seinem Namen handeln und in euch seine Empfindungen erleben könnt. Die innige Gemeinschaft mit dem Geist Christi verlangt, während sie die Wirksamkeit der sakramentalen Handlung gewährleistet, die ihr „in der Rolle Christi“ vomehmt, auch in der Glut des Gebetes Audruck zu finden, in der Konseqzenz der Lebensführung, in der pastoralen Liebe eines Dienstes, der unermüdlich auf das Heil der Brüder ausgerichtet ist. Sie verlangt, mit einem Wort, eure persönliche Heiligung. Das alles hat das Zweite Vatikanische Konzil bekräftigt, als es das Thema von einem Angelpunkt aus behandelte, der zugleich christologisch, pneumatologisch und kirchlich ist: „Indem sie also den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit erfüllen, werden sie im Leben des Geistes gefestigt, sofern sie nur auf Christi Geist, der sie belebt und führt, hören. Gerade die täglichen heiligen Handlungen wie ihr gesamter Dienst, den sie in Gemeinschaft mit dem Bischof und ihren priesterlichen Mitbrüdern ausüben, lenken sie auf ein vollkommenes Leben hin“ (Presbyterorum ordinis, Nr. 12). Das also ist es, liebe Mitbrüder im Priesteramt, eure besondere Berufung zur Heiligkeit wird umgesetzt in ein Programm der Bereitschaft gegen- 1421 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über dem Geist, der, wenn ihm entsprochen wird, in euch die fortschreitende Identifizierung mit Christus seinem Vorbild, seiner Lehre, seiner Person bewirkt und euch zu Mitarbeitern am göttlichen Heilsplan erhebt. Muß man angesichts eines so erhabenen Ausblicks nicht das Verlangen spüren, mit dem hl. Paulus für euch zu wiederholen: „Ich, der um des Herrn willen im Gefängnis bin, ermahne euch, ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ {Eph 4,1-3). 3. Das ist eine Mahnung des hl. Paulus, die wir mit besonderer Dringlichkeit auch bei dem Gedanken an die grundlegende Aufgabe aussprechen, die euch beim Aufbau der Kirche, des Leibes Christi und lebendigen Tempels des Geistes, erwartet: Ihr seid aufgerufen, in Verbundenheit mit den Bischöfen und unter ihrer Leitung die Familie Gottes als eine vom Geist der Einheit beseelte Gemeinschaft zusammenzuführen (vgl. Lumen gentium, Nr. 28). Innerhalb der christlichen Gemeinde wie auch innerhalb der verschiedenen Gruppen der Erneuerung im Geist ist der Priester aufgerufen, Hirt und geistlicher Führer der Gläubigen zu sein, Garant der wahren Lehre der Kirche, gemeinsam mit dem Bischof verantwortlich für die authentische Feier der Eucharistie und der Sakramente, Zeuge und Förderer der kirchlichen Gemeinschaft. Er muß daher die Gläubigen zu jenem „Sinn für die Kirche“ erziehen, der sich in Liebe zur Lehre der Kirche umsetzt, in Verehrung für die Bischöfe, in Fügsamkeit und Gehorsam gegenüber ihren Weisungen, in Aufgeschlossenheit des Geistes und Herzens für alle Glieder der Kirche einschließlich der anderen kirchlichen Bewegungen oder Vereinigungen, in missionarischem und ökumenischem Geist. Jedenfalls gilt es, die Gefahr zu vermeiden, die eigene Erfahrung zu radikalisieren, so als wäre sie die einzige oder schönste, und sich in Liebe, die ein Geschenk des Geistes ist, der Zusammenarbeit mit allen Gliedern der Kirche zu öffnen und in ihnen gleichfalls Äußerungen des einen Geistes zu erkennen, der „den einen das Apostolat gab, andere als Propheten einsetzte, andere als Evangelisten, andere als Hirten und Lehrer, um die Heiligen für die Erfüllung ihres Dienstes zu rüsten, für den Aufbau des Leibes Christi“ (Eph 4,11-12). Das ist eine Aufgabe, auf die der Priester nicht verzichten kann, indem er sie anderen überläßt, denn sie entspringt der Natur seines Hirtenamtes selbst und findet tägliche Stütze in der Gnade, die der Geist in ihm als 1422 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vertreter Christi in der christlichen Gemeinde ausgießt. Sicher kann er durch jede echte Gabe, die der Geist im Volk Gottes in großer Fülle verteilt, innerlich bereichert werden. Aber er darf nicht vergessen, daß er dazu berufen ist, eine Rolle der geistlichen Unterscheidung, der geistlichen Führung und Erziehung auszuüben in Erfüllung jenes Dienstes verbindlicher Lehre, sakramentaler Heihgung, kirchlicher Leitung, der ihm insofern eigen ist, als er mit dem dreifachen „Amt“ des Hohenpriesters Christus bekleidet ist. 4. Er ist in der Tat das Vorbild, auf das wir schauen müssen; er, Jesus, den uns der Abschnitt des Evangeliums, den wir gehört haben, vorstellt, wie er „durch alle Städte und Dörfer zog, in ihren Synagogen lehrte, das Evangelium von Reich verkündete und alle Krankheiten und Leiden heilte“ {Mt 9,35). Der Priester muß ständig den göttlichen Meister vor Augen haben, um sich seine tiefen Gefühle zu eigen zu machen und gemeinsam mit ihm „Mitleid“ zu empfinden mit den Menschen, „die müde und erschöpft sind“, die oft über die Straßen des Lebens ziehen „wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (vgl. Mt 9,36). Für ihn muß jeder Mensch wichtig sein. Die Sorge um die Gemeinde enthebt ihn nicht der aufmerksamen Beachtung der einzelnen je nach ihren geistlichen Bedürfnissen und der besonderen Berufung eines jeden. Besonders durch die hochherzige Hingabe an den Dienst der Buße und die geistliche Führung ist der Priester heute mehr denn je auf gerufen, Erzieher im Glauben für jeden seiner Gläubigen zu sein, wobei er jede mögliche „Vermassung“ der Gewissen vermeiden muß. Wenn jeder einzeln von Gott geliebt wird, wenn der im Herzen jedes einzelnen Gläubigen ausgegossene Geist (vgl. Röm 5,5) seine unwiederholbare Persönlichkeit und seine besondere Berufung zur Heiligkeit sicherstellt, dann muß der Priester das Wirken des Geistes unterstützen, damit dank der freien Erwiderung der einzelnen die kirchliche Gemeinschaft bereichert wird auf einem Weg, der, auch wenn er mit der Einheit des Planes Gottes übereinstimmt, doch den persönlichen Einsatz jedes einzelnen fordert. <80> <80> Außerdem muß daran erinnert werden, daß eine erleuchtete Führung der Gläubigen auf dem Weg der Heiligkeit eine harmonische und vollständige Pädagogik des geistlichen Lebens voraussetzt, die von der kontemplativen Betrachtung und dem Gebet bis zum konkreten Einsatz in der praktischen Übung der evangelischen Tugenden führt und besonders zum Einsatz bei der Erfüllung der Forderungen, die der Gerechtigkeit und der Nächstenliebe entspringen. Ist das vielleicht nicht genau die Empfeh- 1423 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lung, die der Apostel Jakobus bereits seinen ersten Christen erteilte? „Meine Brüder, was nützt es, wenn einer sagt, er habe Glauben, aber es fehlen die Werke? Kann etwa der Glaube ihn retten?“ (Jak 2,14), fragte er. Und die endgültige Antwort ist euch bekannt: „Denn wie der Leib ohne den Geist tot ist, so ist auch der Glaube tot ohne Werke“ (Jak2,26). Der Glaube muß im Leben bezeugt werden: nicht nur im Privatleben, sondern auch im gesellschaftlichen Leben. Das heißt, der Christ wird sich bemühen müssen, auch in den verschiedenen sozialen und politischen Strukturen der modernen Welt präsent und aktiv zu sein, um überall die Bedingungen der „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ zu fördern. In der Tat müssen heute die Werke der Barmherzigkeit, die von Jesus in der Rede vom Weltgericht gefordert wurden (vgl. Mt 25,31-46), nicht nur durch Initiativen einzelner vollbracht werden, sondern auch durch geeignete Initiativen auf sozialer und politischer Ebene (vgl. Gaudium et spes, Nr. 26, 30, 31). Wie es in der jüngsten Instruktion der Glaubenskongregation über einige Aspekte der Theologie der Befreiung heißt, ist es „mehr denn je erforderlich, daß die zahlreichen Christen, die in ihrem Glauben erleuchtet und dazu entschlossen sind, ein christliches Leben ohne Abstriche zu führen, sich aus Liebe zu ihren enterbten, unterdrückten und verfolgten Brüdern im Kampf für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde einsetzen“ (Vorwort). 6. Eine kluge geistliche Pädagogik wird sich darüber hinaus vor Augen halten müssen, daß der Weg der christlichen Heiligkeit ein Wachstumsprozeß zur Reife hin ist oder, wie der Apostel Paulus sagt, hin „zum vollkommenen Menschen, der Christus in seiner vollendeten Gestalt darstellt“ (vgl. Eph 4,13). Manche Erfahrungen religiöser Begeisterung, die der Herr mitunter gewährt, sind nur anfängliche und vorübergehende Gnaden, die den Zweck haben, zu einem entscheidenden Bemühen um Umkehr anzuspornen, indem man selbstlos im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe vorangeht. In diesem Zusammenhang wird es sehr hilfreich sein, die Lehre der großen Meister des geistlichen Lebens, vom hl. Augustinus bis zum hl. Bernhard, von Ignatius von Loyola bis zu Theresia von Jesus und Johannes vom Kreuz zu vertiefen: Sie stellen das christliche Leben als einen langen Weg vor, auf dem der Fortschritt vom Geist getragen und geleitet wird, der jeden Christen erprobt und ihr durch dunkle Nächte und lichtvolle Tage zu jenem neuen Leben führt, das die Heiligkeit ist. In ihr spiegeln sich menschliche Reife ebenso wider wie evangelische Treue und apostolische Fruchtbarkeit in demütiger und selbstloser Zustimmung zum 1424 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Willen Gottes, der im normalen Alltag angenommen und in die Tat umgesetzt wird. In dem Maße, in dem der Christ sich transparent macht für das sanfte und machtvolle Wirken des Geistes, erfährt er an sich die fortschreitende Offenbarung jener „Frucht des Geistes“, die da ist „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung“ (Gal 5,22), und sein Leben wird auch ohne äußerliche Besonderheiten für alle, die das Glück haben, ihm zu begegnen, Licht und Wärme ausstrahlen. 7. Liebe Brüder in der Gnade des Priesteramtes! Denkt daran, daß ihr dazu berufen seid, den Trost der Liebe und des Erbarmens Gottes in die Welt, zu allen Menschen und in alle Kreise zu tragen. In der Überzeugung, daß eure Berufung ein unersetzlicher Dienst am Menschen ist, versucht die heutigen Menschen zu verstehen und zu lieben, indem ihr ihnen die Gewißheit vermittelt, daß Gott sie liebt. Die seligste Jungfrau Maria, die Mutter Christi des Hohenpriesters, der ihr während dieser Einkehrtage euer Priesteramt anvertraut habt, stehe euch bei und begleite euch. Möge sie euch wie eine Mutter ihre geliebten Kinder lehren, stets ja zu sagen zum Willen Christi, ihres Sohnes, der euch auserwählt hat, seine Diener zu sein. Möge sie euch dazu inspirieren, oft das Magnifikat zu singen für die Wunder, die Gott in eurem Priesterleben und durch euren pastoralen Dienst vollbringt. Möge die seligste Jungfrau Maria euch dazu überreden, ihr „Stehen“ unter dem Kreuz nachzuahmen, wenn auf eurem beschwerlichen Weg zur vollkommenen Heiligkeit Schwierigkeiten, Unverständnis und Leiden auftreten. So werdet auch ihr mit ihr und wie sie die Freude der Auferstehung Christi erfahren und vor aller Welt bezeugen können, daß Jesus der Herr ist! „Die Religionsfreiheit respektieren“ Predigt bei der Messe zu Ehren der koreanischen Märtyrer in Sankt Peter am Sonntag, 14. Oktober 1. „Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem König, der die Hochzeit seines Sohnes vorbereitete“ {Mt 22,2). Zu dieser besonderen Hochzeit lädt der ewige Vater alle Völker und alle Nationen der Erde ein. 1425 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Vor zweihundert Jahren wurde das koreanische Volk eingeladen. Im vergangenen Mai hatte ich die Freude, in Korea das zweihundertjährige Bestehen der dortigen Christenheit zu feiern. Das koreanische Volk hat auf die Einladung zu dem mystischen Hochzeitsmahl des himmlischen Vaters geantwortet, indem es in seinem Herzen eine außerordentliche Bereitschaft und ein erhebendes Engagement bewies, die heute mit einem herrlichen Blühen der kirchlichen Gemeinde belohnt werden. Nach Korea wurde der Glaube - als einziger Fall in der Geschichte -spontan von den Koreanern selbst gebracht. Denn der Weg der Koreaner zum Glauben begann dank der selbständigen Initiative einiger Laien. Dieser Weg läßt uns begreifen, welche Bedeutung für das ewige Heil das natürliche Streben der menschlichen Vernunft nach der Wahrheit gewinnt. Es war, wie wir wissen, tatsächlich ein redliches Suchen nach der Wahrheit, das jene Laien - eine Gruppe von Gelehrten und „Philosophen“ - anspornte, nicht ohne ernste Risiken Kontakte mit Peking aufzunehmen, wo sie von der Anwesenheit von Männern, darunter einigen Katholiken, gehört hatten, die sie über den neuen Glauben aufklären könnten, den sie durch die neuen Bücher kennengelernt hatten. Diese Laien, Männer und Frauen, die mit Recht als die „Gründer der Kirche“ in Korea angesehen werden, haben 56 Jahre lang, von 1779 bis 1835, ohne die Hilfe von Priestern - außer der sehr kurzen Anwesenheit zweier chinesischer Priester - in ihrer Heimat das Evangelium verbreitet, bis 1836 die französischen Missionare eintrafen, und haben für ihren Glauben an Christus das Leben hingegeben. Und jener Sohn Gottes, der gesagt hatte, als er vor vielen Jahrhunderten auf die Erde kam: „Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört auf meine Stimme“ (Joh 18,37), konnte sie bei ihrer Suche nicht enttäuschen, ja er erleuchtete sie durch sein göttliches Wort weit über das hinaus, was sie sich anfangs erwartet hatten. Er erleuchtete und stärkte sie. Er gab ihnen jenen Geist der Stärke, der sie, ohne daß sie sich dessen bewußt waren, bereits auf dem Weg zum Wort der Wahrheit und zum Vater geleitet hatte. Durch diesen Geist der Stärke blieben sie unerschütterlich in Christus, bereit, jedes Gut, auch das des Lebens, zu verlieren, nur um nicht ihn, Jesus, den Retter, zu verlieren. <81> <81> Die Kirche auf koreanischem Boden hat besonders im Verlauf der ersten hundert Jahre ein außergewöhnliches Zeugnis für den Glauben an Christus erbracht, wie die zahlreichen Scharen von Märtyrern beweisen. 1426 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bekanntlich war es mir gegeben, während der Jubiläumsmesse am 6. Mai in Seoul 103 koreanische Märtyrer heiligzusprechen. Diese Märtyrer Koreas stellen eine kleine, aber besonders bedeutsame Gruppe unter den Tausenden und Abertausenden dar, derer von der Geschichte gedacht wird. Was uns, zumindest in den heroischsten Zeugnissen, die uns überliefert sind, mit tiefer Bewunderung erfüllt, ist die einzigartige Gelassenheit und die geheimnisvolle Freude, zu denen sie auf Grund einer besonderen Gabe Gottes selbst angesichts bevorstehender grausamer Foltern und des Todes fähig waren. Die Seelenstärke der koreanischen Märtyrer ruft uns jene in Erinnerung, von der man in den ersten christlichen Jahrhunderten spricht. Der besondere Glanz des Zeugnisses bei ihnen scheint irgendwie von der östlichen Disziplin der Selbstbeherrschung und dem asketischen Verzicht auf die Güter dieser Welt, einschließlich des physischen Lebens, abzuhängen, wenn sie in ihrem Leben „für den Leib Christi, die Kirche, das, was an den Leiden Christi noch fehlt“ ergänzen (Kol 1,24). 3. Das Evangelium des heutigen Sonntags spricht zu uns von den Dienern, die der König aussendet, um die Gäste zum Hochzeitsmahl seines Sohnes zu laden: „Geht also hinaus auf die Straßen und ladet alle, die ihr trefft, zur Hochzeit ein“ {Mt 22,9). Viele Söhne und Töchter Frankreichs haben einen großen missionarischen Dienst für die junge Kirche Koreas geleistet. Denn Papst Gregor XVI. wandte sich, als er einen Brief von der Laiengemeinschaft erhielt, die ihn um die Entsendung von Priestern bat, im Jahr 1827 an die Gesellschaft der Auslandsmissionen in Paris, die einen Augenblick starker missionarischer Expansion erlebte, und schlug ihr vor, auf die Anfrage zu antworten. Unter den Freiwilligen, die sich meldeten, befand sich der erste Bischof, der vom Hl. Stuhl zum Apostolischen Vikar für Korea bestimmt worden war: Msgr. Barthelemy Bruguiere. Er starb allerdings, ehe er am Ort seiner Bestimmung eintraf. Das Martyrium hingegen erwartete die mutigen Franzosen, die schon im folgenden Jahr, 1836, ihre Tätigkeit in Korea aufnahmen: Pierre Maubant und Jacques Chastan. Und ebenso erlitten den Märtyrertod der zweite Apostolische Vikar, Msgr. Laurent Imbert, der 1837 eintraf, dann Msgr. Simeon Bemeux, Msgr. Antoine Daveluy und andere franzöische Glaubenshelden, deren Namen wir, wie ihr wißt, „in das Buch des Lebens“ {Phil 4, 3; Offb 3, 5; 13, 8; 21, 27) eingeschrieben haben. 1427 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeugnis der koreanischen Märtyrer Beispiel für alle Missionare Diese Märtyrermissionare haben sich mit den Märtyrern Koreas in einem einzigen Glaubenszeugnis verbrüdert, das zeigt, welch hohen Wert die Liebe hat, die keine Schranken oder Grenzen der Nationalität oder Kultur kennt. Wer seine Heimat wirklich liebt, kann den Christen eines anderen Landes nicht als „Fremden“ betrachten. Und ebenso betrachtet jeder wahre Christ die Menschen anderer Länder in gewisser Weise als seine Landsleute. Ebenso wie die französischen Missionare in den Koreanern Brüder erkennen konnten, so konnten die Koreaner in diesen Franzosen Brüder erkennen. Die beste Art und Weise, seine eigene Heimat zu lieben und die der anderen zu achten, liegt mit Recht in der Teilhabe am Geist der „Katholizität“, das heißt der echten Universalität, dieser Liebe zum Menschen, die vom Evangelium gelehrt wird und ein Geschenk Gottes an die ganze Menschheit ist. Darum ist das Evangelium für jede Kulturform offen: Es befruchtet von innen her die geistigen Anlagen und Gaben, die den verschiedenen Kulturen eigen sind (Gaudium et spes, Nr. 53). 4. Wohin sollte uns diese Betrachtung über das heroische Zeugnis der Märtyrer heute führen, damit es keine rein abstrakte Erinnerung an sie bleibt? Auch heute noch sind trotz der weltweiten Bestätigung und Zusicherung des von internationalen Organisationen verkündeten Grundsatzes der Religionsfreiheit so viele unserer Brüder und Schwestern in nicht wenigen Gebieten der Welt wegen ihres Glaubens an Christus Mißhelligkeiten, Verbannung, Angriffen und körperlichen und moralischen Gewaltanwendungen ausgesetzt. In nicht wenigen Nationen werden Christen ebenso wie die Anhänger anderer Religionen als Bürger zweiter Klasse angesehen und behandelt. Sie werden mit Argwohn betrachtet und grundlegender Freiheiten beraubt. Bei dieser feierlichen und wichtigen Messe zu Ehren der 103 koreanischen Märtyrer appelliere ich an die zuständigen Autoritäten und ersuche sie, sicherzustellen, daß die Religionsfreiheit ihrer Untertanen auf allen Ebenen respektiert wird. Ihre Leute können und dürfen nicht ihres Glaubens wegen benachteiligt werden! Christen sind loyale und vorbildliche Staatsbürger und wollen es auch bleiben; sie sind „fest im Glauben“ (vgl. 1 Petr 5,9), bereit und willens, den moralischen und zivilen Fortschritt ihrer Länder mit allen ihren Fähigkeiten zu fördern und dazu beizutragen! 1428 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Eucharistiefeier soll auch ein geschuldeter und dankbarer Lobpreis der ganzen Kirche für das unermüdliche, hochherzige Werk sein, das in der Vergangenheit wie in der Gegenwart von den Missionaren - Priestern, Ordensmännern und Ordensfrauen, Männern und Frauen aus dem Laienstand - durchgeführt wurde und wird, die ihr Heimatland, ihre Familien, Neigungen und menschliche Ideale zurückgelassen haben, um auf den Ruf Christi eine bereitwillige Antwort zu geben und sein Evangelium überall in der Welt zu verbreiten! Die missionarische Dynamik, die zur Wirklichkeit der Kirche gehört, kann im Laufe der Zeiten verschiedene Methoden und Werkzeuge annehmen, um der evangelischen Botschaft, je nach den verschiedenen Umständen, größere Prägnanz und Wirksamkeit zu ermöglichen. Aber diese Dynamik wird immer auf einen intensiven Glauben und eine unermeßliche Liebe gegründet, von ihnen beseelt sein und von den Lehren der Kirche unterstützt und erleuchtet werden. In diesem Sinne ist das Zeugnis der koreanischen Märtyrer im wesentlichen noch heute ein vollgültiges und leuchtendes Beispiel für alle Missionare, denen ich erneut meine und die Dankbarkeit des ganzen Gottesvolkes ausspreche! 5. Der Text der zweiten Lesung der heutigen Messe, der den Briefen des hl. Paulus entnommen ist, veranschaulicht sehr gut die Spiritualität des Apostels, Missionars und Märtyrers. Es gibt da überraschende Ähnlichkeiten zwischen dem, was wir bei vielen der koreanischen Märtyrer sehen, und der Persönlichkeit des großen Völkerapostels: völlige Hingabe an die Sache Christi; unbeugsamer Mut und Opfergeist bei der Verfechtung dieser Sache bis zur letzten Konsequenz; das unbezähmbare und unerschütterliche Verlangen, die innere Freude der eigenen christlichen Erfahrung mit einer möglichst großen Zahl von Seelen zu teilen, ohne je dem Mißverständnis oder der Entmutigung zu unterliegen. „Ich weiß Entbehrungen zu ertragen, ich kann im Überfluß leben . . .“ (Phil 4, 12). Paulus war zu allem bereit, und zugleich machte er sich von allem los. Eine einzige Sache interessierte ihn: bei Christus zu sein und zu bleiben. Alles andere wurde als zweitrangig angesehen und auf jenes absolute Ziel hin orientiert, auf jenen höchsten und unverzichtbaren Wert. Von Jesus selbst empfing er die Kraft zu jener vollkommenen, inneren Freiheit. Aus Gnade hielt Jesus ihn nahe bei sich. Das war auch bei den koreanischen Märtyrern der Fall. 1429 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 6. Heute rufen die Söhne und Töchter Koreas und jene der Kirche in Frankreich gemeinsam: „Möge der Vater unseres Herrn Jesus Christus die Augen unseres Herzens erleuchten, damit wir verstehen, zu welcher Hoffnung wir durch ihn berufen sind“ (vgl. Eph 1, 17-18). Das ist das Licht unseres Lebens: die Hoffnung auf das Heil und das Reich Gottes. Das ist die Wahrheit, die unsere Schritte lenken muß, indem sie uns alle Hindernisse, die sich dieser Sicht in den Weg stellen, überwinden läßt: sich vorzubereiten und zu warten auf die Wiederkunft des Herrn, immer über den Tod hinauszublicken und durch ein heiligmäßiges Leben würdig zu werden für die neue Erde der Lebenden. Der Herr Jesus sei unser Führer. Sprechen auch wir mit den koreanischen und französischen Märtyrern: Der Herr ist mein Hirte! Er stärkt mich, richtet mich auf und leitet mich. Bei ihm leide ich keinen Mangel. Amen! Zeugen für die Einheit der Kirche Ansprache für die Alumnen und Studenten des Päpstlichen Nordamerikanischen Kollegs am 15. Oktober Liebe Brüder in Christus! 1. Ich weiß, daß der Anlaß unserer heutigen Begegnung große Bedeutung für euch alle hat, Alumnen und Studenten des Päpstlichen Nordamerikanischen Kollegs. Es ist der 125. Jahrestag der Gründung eures Kollegs. Gleichzeitig hat das Ereignis, das ihr in Rom feiert, tiefe Bedeutung für die ganze Kirche der Vereinigten Staaten; es ist von tiefer Tragweite für einen langen Zeitraum der Geschichte eures Landes. Heute ist wirklich ein Tag zu Reflexion, Dankbarkeit und neuer Selbsthingabe, um dem Gottesvolk in Amerika zu dienen. <82> <82> In eurem Rückblick werdet ihr sicherlich über die Bedeutung nachden-ken, die das Kolleg für euch und die Kirche hat. Es wird sofort klar, daß der Grund für das Bestehen des Kollegs und seine Zielsetzung für immer mit dem Geheimnis des besonderen Priestertums unseres Herrn Jesus Christus verbunden sind. Das Kolleg wurde zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Geschichte eures Volkes und unter Bedingungen gegründet, die sich sehr von den heutigen unterscheiden, und dennoch bleibt seine Zielsetzung dieselbe: jungen Männern zu helfen, sich auf das Priestertum 1430 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vorzubereiten. Die Spezialisierung in der Casa Santa Maria wie auch das Institut für theologische Weiterbildung sind ebenfalls auf dasselbe Glaubensgeheimnis bezogen, indem sie Priestern helfen, ihr Amt in einem besonderen Dienst für die Kirche von Amerika auszuüben. Die ganze Vorbereitung und Ausbildung, die ihr erhaltet, geschieht innerhalb eines nationalen Kollegs in Rom. Dies schließt für euch vieles ein: Es bedeutet den Vorteil, in einer Gemeinschaft entweder von Priestern oder Seminaristen zu leben und Zugang zu der Gelehrsamkeit zu haben, die an den römischen Universitäten geboten wird. Es bedeutet, Tag für Tag Zeuge der lebendigen Glaubenstradition zu sein, die am Stuhl Petri verkündet wird. Eure Situation gestattet euch, die übernatürliche Wirklichkeit der Gemeinschaft mit der Kirche und dem Bischof von Rom zu leben. Im Erleben dieser Gemeinschaft tretet ihr in eine noch andere Wirklichkeit ein: Ihr erfahrt Gemeinschaft mit all denen, die selbst in Gemeinschaft mit der Kirche von Rom stehen. Wer Student an eurem Kolleg ist, der muß - wenn auch in bescheidenem Ausmaß - bevorzugter Teilhaber an dem außerordentlich lebendigen Austausch zwischen den Ortskirchen in den Vereinigten Staaten und der Weltkirche sein. Jeder von euch bringt eine gelebte Glaubens- und Gnadenerfahrung mit nach Rom. Wenn sich diese mit den gelebten Erfahrungen anderer Menschen derselben oder anderer Kulturen verbindet, dann stellt sie einen wichtigen Beitrag der Bereicherung für die Kirche dar, die die ganze Christenheit als „Mutter aller Kirchen“ verehrt. Außerdem stellt ihr durch sie eure Talente, eure erbeteten Einsichten und eure Hochherzigkeit in den Dienst der Weltkirche. In diesem Akt kirchlicher Gemeinschaft, der seinem Wesen nach für den ganzen Leib Christi offen sein muß, werdet ihr selbst durch den Stuhl Petri bereichert und in der kirchlichen Gemeinschaft mit allen anderen Teilkirchen gestärkt, deren Eigenart durch den Bischof von Rom anerkannt, geschützt und garantiert wird. Eure persönliche Bereicherung wird daraufhin ein Geschenk, das ihr eurem Volk zurückgeben müßt, damit die Menschen mehr und mehr in der Erfahrung der Katholizität fortschreiten. Wenn ihr gemeinsam hier in dieser Stadt über die Wirklichkeit nachdenkt, die ihr in den vergangenen Jahren erlebt habt oder jetzt als Studenten erlebt, dann könnt ihr sehen, daß ihr an einem ausgezeichneten Ort seid, um sowohl als einzelne als auch in Gemeinschaft Zeugen von euren Brüdern und Schwestern in euren Ortskirchen zu sein - Zeugen für das 1431 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN große Geheimnis der Einheit der Kirche, die in berechtigter Vielfalt dargestellt, in der Einheit des Glaubens gelebt und in selbstaufopfernder Liebe vollendet wird. Liebe Brüder, dies sind die Werte, von denen eure Gegenwart heute Zeugnis gibt. Ihr seid gekommen, um euer Festhalten am katholischen Priestertum im Geheimnis der Kirche kundzutun. Ihr seid gekommen, um mit der Kraft eures Seins zu bekennen, daß ihr an die Einheit des Leibes Christi glaubt, wie sie in euren Ortskirchen besteht, und daß diese Ortskirchen, gerade weil sie katholisch sind, euch in der Gemeinschaft der Weltkirche verbinden. Ja, ich glaube, daß ihr gekommen seid, „um Kephas kennenzulernen“ (Gal 1,18); euer Herz ist erfüllt von dieser besonderen, in Rom erworbenen Liebe. Ihr wollt eure Unterstützung für Amt und Person des Papstes zeigen und mit dem II. Vatikanischen Konzil den Glauben der Kirche bekennen, gemäß dem der Papst als Nachfolger Petri „das immerwährende, sichtbare Prinzip und Fundament für die Einheit der Vielheit von Bischöfen und Gläubigen“ (Lumen gentium, Nr. 23) ist. Seid gewiß, liebe Brüder, daß euer Glaubensbekenntnis und Liebeszeugnis großen Wert für das Leben der Kirche und die Wirksamkeit eures Dienstes haben und von mir hochgeschätzt werden. 3. Eure Jahresfeier ist auch ein Tag, Dank zu sagen. Die Erinnerungen an eure Vergangenheit müssen sich in Dankbarkeit ausdrücken: Dankbarkeit gegenüber den „Bahnbrechern“ eures Kollegs, denen, die den Weg wiesen in der Zeit seiner Gründung unter Pius IX. und die Lasten seines Anfangs und Wachstums trugen; allen, die geholfen haben, euch im Geheimnis Christi auszubilden. Mit den Worten des Hebräerbriefes: „Denkt an eure Vorsteher, die euch das Wort Gottes verkündet haben; schaut auf das Ende ihres Lebens, und ahmt ihren Glauben nach!“ {Hebr 13,7). Dank gebührt den Bischöfen der Vereinigten Staaten für die seelsorgliche Einsicht und Hochherzigkeit, die sie dazu angeleitet hat, das Nordamerikanische Kolleg die Jahre hindurch zu erhalten, für ihr wohlwollendes Interesse, ihre Förderung und Unterstützung. Der Hl. Stuhl schließt sich euch, den Alumnen und Studenten, an, wenn ihr der Hierarchie eures Landes euren tiefen Dank aussprecht. In eurem Rückblick werdet ihr euch sicherlich auch an alle lebenden und verstorbenen Mitstudenten erinnern, die, in Freundschaft verbunden, durch ihre brüderliche Liebe und ihr Vorbild als einzelne und Gemeinschaft soviel taten, um euch zu helfen, den evangelischen Idealen des Priestertums Jesu Christi treu zu sein. Auch dies ist eine Schuldigkeit, die 1432 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nur im Gebet ausreichend zurückbezahlt werden kann. Gleichzeitig müßt ihr für die Zukunft eures Kollegs die Stärke bewahren, die in brüderlicher Hilfe und gegenseitiger uneigennütziger, geistlicher Auferbauung besteht: „Seht doch, wie gut und schön ist es, wenn Brüder miteinander in Eintracht wohnen“ (Ps 133,1). Eure Feier ist vor allem eine Gelegenheit, Gott für alles zu danken, was er durch das Nordamerikanische Kolleg als Werkzeug seiner Gnade während der vergangenen 125 Jahre gewirkt hat. Generationen von Priestern sind nach dem Vorbild Christi durch das Wirken des Heiligen Geistes herangebildet worden. Eine große Schar von Aposteln wurde ausgesandt, um das Evangelium in den Vereinigten Staaten zu predigen und in Liebe, Gerechtigkeit und Wahrheit die Gemeinschaft der Gläubigen aufzubauen. Dies ist eine Stunde, um für alle Wohltaten zu danken, die der Kirche in den Vereinigten Staaten durch eure von der göttlichen; Vorsehung bewirkte Einrichtung zuteil wurden. Es ist ein Zeitpunkt, um der Heiligsten Dreifaltigkeit zu danken für Hunderte von Priesterberufen, die durch Eucharistie, Bußsakrament und Wort Gottes genährt und erhalten und im ständigen Kampf des Christen gegen die Sünde von der liebenden Sorge der Unbefleckten Jungfrau Maria geschützt werden. 4. Schließlich ist es im Verlauf eurer Feierlichkeiten durchaus angebracht, daß ihr euch neu dem Dienst des heiligen Priestertums weiht. Hört weiterhin gemeinsam mit Maria, der Mutter Jesu und Mutter aller Priester, auf das rettende Wort Gottes, um es in eurem Leben zu ergreifen, so daß ihr treu und wirksam seine Fülle in der Einheit der Kirche verkünden könnt. Eurem Kolleg zu Ehren und für die Bedürfnisse eures Vaterlandes bietet euer Leben Jesus Christus neu an, dem Sohn Gottes und Hohenpriester des Neuen Testamentes! Sein Priestertum muß das Ideal eurer Jugend, die Mitte eures Lebens und die Freude eures Herzens sein. Liebe Brüder! Wenn ihr nachdenkt, Dank sagt und euch neu dem weiht, was vor euch liegt, denkt immer daran: „Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Ihm gehört unser Leben. Er allein bestimmt die vergangene Geschichte, das gegenwärtige Dasein und das zukünftige Schicksal des Päpstlichen Nordamerikanischen: Kollegs. In seiner Liebe müßt ihr standfest sein, um dem Gottesvolk in Amerika zu dienen: Das Herz eines jeden von euch sei für immer standhaft in seiner Liebe, gemäß dem Leitspruch eures Kollegs: „Firmum est cor meum!“ 1433 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bessere Zukunft für unsere Kinder Botschaft an die Nationalkomitees von UNICEF vom 16. Oktober 1. Es ist das erste Mal in der Geschichte von UNICEF, daß Vertreter aller nationalen Komitees sich versammelt haben, um über ihre Aufgabe und Sendung nachzudenken. Ich bin besonders glücklich, jeden von Ihnen zu grüßen, weil - was auch immer Ihr persönlicher Hintergrund oder Ihr Herkunftsland sein mag - die erste Inspiration, die Sie in diesen Tagen zusammengeführt hat, die aufrichtige Sorge und das Interesse für ein besseres Leben und eine bessere Zukunft für alle Kinder auf unserer Welt ist. Bei dieser edlen Aufgabe werden Sie immer die Unterstützung der katholischen Kirche in jedem Teil der Welt finden. Das kann gar nicht anders sein bei einer Kirche, die ihren Sendungsauftrag von Jesus Christus empfängt, der sich selbst mit den Kleinsten und Geringsten identifiziert, wenn er sagt: „Und wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ {Mt 18,5). Die Nationalkomitees, die Sie hier vertreten, sind Zeichen der Sorge und Angst vieler unserer Mitmenschen - Männer, Frauen und natürlich vieler Kinder - um die unglücklichen Kinder auf dieser Welt. Einer der ursprünglichen Aspekte der Struktur von UNICEF ist ihre Erkenntnis, daß die Aufgabe, erfolgreich für das Wohl der Kinder überall in der Welt tätig zu sein, nicht von einer zentralen internationalen Stelle aus, sozusagen isoliert, wahrgenommen werden kann, sondern den Beitrag und die Teilnahme breiter Kreise der Bürger vieler Länder erfordert. Nur auf diese Weise ist es möglich, den Sinn für die tieferen Dimensionen der bestehenden Probleme zu wecken und jenes echte Netz menschlicher Solidarität entstehen zu lassen, das nötig ist, damit diese Probleme insgesamt eine Lösung finden. <83> <83> UNICEF war ursprünglich als ein Notfonds errichtet worden, aber wenn auch das Wort „Not“ aus dem Titel entfernt worden ist, bleibt die Tatsache bestehen, daß die Lage vieler Kinder in allen Teilen der Welt tragischer ist als je. Denn neben Situationen in manchen Teilen der Welt, wo es Kindern an den physischen Grundvoraussetzungen zum Überleben mangelt, tauchen für die Kinder in anderen Teilen der Welt aufgrund einer moralischen und kulturellen Krise neue Formen des Leidens auf. Das führt dazu, daß Kinder auf jene selbstlose Liebe verzichten müssen, die von ihren Eltern zu empfangen sie ein Recht haben und ohne die sie 1434 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN niemals Glück und Entfaltung für ihre Person finden werden. Ich denke zum Beispiel an das Leid, das durch die Auswirkungen der Zerrüttung so vieler Familien verursacht wird. 3. Unsere Gesellschaft im ausgehenden 20. Jahrhundert fällt ein Urteil über sich selbst, wenn trotz des ganzen technischen und medizinischen Fortschritts und des Fortschritts in den Kommunikationsmitteln noch immer jeden Tag so viele der schwächsten Glieder unserer Gesellschaft leiden und sterben, weil sie der einfachsten, grundlegenden Mittel entbehren, die ihnen tatsächlich verfügbar gemacht werden könnten. Und trotz dieser Tatsache, die dank der modernen Kommunikationsmittel wohl jedem bewußt sein muß, leben und vermitteln noch immer viele Männer und Frauen einen Lebensstil, der auf einem egozentrischen Konsumismus, auf übermäßigem Besitz und selbst auf der Verschwendung der Reserven der Erde beruht. Wenn wir das Problem eingehender betrachten, sehen wir, daß die Situation, in der so viele Kinder der grundlegenden Mittel zum Überleben beraubt werden, in Zusammenhang steht mit einer auf sich selbst bezogenen Lebensanschauung, die Selbsthingabe und Solidarität verhindert. Eine der großen Gewissenskrisen der modernen Gesellschaft ist die Mißachtung des Geheimnisses und der Heiligkeit des Geschenks des Lebens, das allzuleicht in einer Weise manipuliert wird, die das wahre Wesen und die besondere Bestimmung der menschlichen Person nicht respektiert oder es sogar wagt, das Leben in dem Augenblick, in dem es am schutzlosesten ist, auszulöschen. Ich appelliere heute an Sie, die Sie als Vertreter der echten Besorgnisse vieler Menschen auf unserer Welt nach Rom gekommen sind, als ein grundlegendes Element Ihrer Arbeit zum Wohl der Kinder die Aufgabe anzusehen, die Gewissen zur Hochschätzung des Wertes eines jeden Menschenlebens und insbesondere des schutzlosesten Lebens zu erziehen. Sie erkennen wohl, daß - ohne die Dringlichkeit von Programmen zu unterschätzen, die auf die Sicherstellung des Überlebens der Kinder abzielen - Ihre Aufgabe weiter führen muß, nämlich zu dem Ziel, allen Kindern der Welt die Voraussetzungen für eine echte physische, sittliche und geistliche Entwicklung vom Beginn ihres Lebens an zu bieten. In diesem Zusammenhang ist die Rolle der Familie und insbesondere der Mütter von höchster Bedeutung. Sie wissen, daß die spätere menschliche Entwicklung des Kindes mit der Gesundheit der Mutter zusammenhängt, vom Augenblick der Empfängnis an, während der Schwangerschaft und der ersten Lebensjahre des Kindes. Sie wissen um den Wert einer gefe- 1435 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stigten und liebevollen Einbindung in die Familie, in der Vater und Mutter, Geschwister und Verwandte dem Kind helfen, seine oder ihre personale, kulturelle und religiöse Identität zu gewinnen. Es ist unmöglich, sich um das Wohl des Kindes zu bemühen, ohne gleichzeitig in der vordersten Linie derer zu stehen, die für die Familie arbeiten, die den Familien helfen, ihre Kraftreserven für die Formung reifer Menschen zu erkennen, die die Stärke der Gesellschaft von morgen sein werden. Vor einem Jahr legte der Hl. Stuhl der internationalen Gemeinschaft und allen, die sich mit dem Auftrag der Familie in der heutigen Welt beschäftigen, eine Charta der Familienrechte vor, die die Stärkung des Bewußtseins von der unersetzlichen Rolle und Stellung der Familie zum Ziel hatte, der Familie, „die viel mehr ist als eine bloße juristische, soziale und ökonomische Einheit, eine Gemeinschaft der Liebe und der Solidarität bildet, die in einzigartiger Weise geeignet ist, kulturelle, ethische, soziale, geistige und religiöse Werte zu lehren und zu übermitteln, wie sie wesentlich sind für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer eigenen Mitglieder und der ganzen Gesellschaft“ (Präambel E; in O.R. dt., 2. 12. 83, S. 1). Eine Vergewaltigung der Familienrechte, eine Politik, die zur Schwächung der Institution der Familie führt, kann nicht zu wahrem menschlichem und kulturellem Fortschritt führen. <84> <84> Menschliche Probleme sind nur durch ganzheitliche menschliche Lösungen zu beheben. Geringeres vorzuschlagen würde bedeuten, unsere Mitmenschen als Wesen zu behandeln, die eine geringere Würde besitzen als wir selbst. Für Sie, bei Ihrer Arbeit, würde das Ignorieren religiöser Werte, die tatsächlich zum Erbe aller Völker der Welt gehören, die volle Entwicklung des Kindes unmöglich machen und es. zu einer neuen Form der Armut verurteilen. Ihre Aufgabe schließt ein, besonders den Menschen der Entwicklungsvölker die dringend benötigte materielle Hilfe zu bringen. Man darf jedoch niemals übersehen, daß diese Völker trotz ihrer materiellen Armut einen Reichtum an kulturellen Werten besitzen, was menschliche Solidarität, Liebe und Leben und besonders, was das Kind betrifft. Das Wohl der Menschheit verlangt, daß diese Werte nicht nur geachtet, sondern auch gestärkt und anerkannt werden als Wegweiser für die vielen, die den Blick für die tieferen Werte des Lebens selbst verlieren, weil sie nur mehr nach dem materiellen Fortschritt als Ziel an sich trachten. Mit diesen Überlegungen, die aus dem christlichen Verständnis von Leben entspringen, das vor allem ein Geschenk Gottes ist, der Leben und 1436 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe ist, flehe ich Gottes Segen auf Ihre Arbeit und Organisation, auf Sie und Ihre Familien herab. Aus dem Vatikan, am 16. Oktober 1984 PAPST JOHANNES PAUL II. „Ein Mann unbeugsamen Glaubens“ Predigt bei der Gedenkmesse für Kardinal Josyf Slipyj in Sankt Peter am 17. Oktober „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen“ (Mt 11, 28). 1. Wir sind zusammengekommen, hebe Brüder und Schwestern, um das Meßopfer für Kardinal Josyf Slipyj vierzig Tage nach seinem Tod darzubringen, wie es der liturgische Brauch der Ostkirchen ist. Das vom Matthäusevangelium überlieferte Wort Christi faßt sozusagen das lange und mühselige Erdendasein des geliebten Großerzbischofs zusammen. Denn wir wissen, wie sehr er müde und geplagt war: Aber wir wissen auch, daß ihm niemals der Trost Christi fehlte. Während seines langen Daseins als Verurteilter und dann im Exil war ihm die Versicherung des göttlichen Meisters: „Kommt ahe zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt!“, stets Trost und Ansporn. Kardinal Slipyj hat immer und einzig in Christus die Kraft gefunden, ein Mann unbeugsamen Glaubens, ein Bischof festen Mutes, ein Zeuge heroischer Treue, eine herausragende Persönlichkeit der Kirche sein zu können. Heute gedenken wir seiner mit besonderer Liebe und beten für ihn; sein Andenken wird in den Annalen der profanen und religiösen Geschichte unauslöschlich bleiben, und wir werden seine asketische und hieratische, strenge und feierliche Gestalt nie vergessen; vor allem werden wir niemals die Lehre vergessen können, die er uns mit seinem ganzen Leben gegeben hat. 1437 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Geboren am 17. Februar 1892 in Zazdrist in der Erzdiözese Lemberg (Westukraine) und aus einer tiefkatholischen Familie stammend, wurde Kardinal Slipyj im Jahr 1917 zum Priester geweiht. Nachdem er in Innsbruck in Theologie promoviert wurde, kam er nach Rom, um am Angelicum und an der Gregoriana seine Bildung zu vervollständigen. Nach seiner Rückkehr nach Lemberg 1922 war er Professor am dortigen Priesterseminar, gründete und redigierte die dreimal jährlich erscheinende theologische Zeitschrift Bohoslovia, wurde dann Rektor des Seminars und 1928 erster Rektor der Akademie für Theologie und Präsident der dortigen theologiewissenschaftlichen Gesellschaft. Während er sich gleichzeitig der Seelsorgstätigkeit widmete, nahm er an verschiedenen Kongressen der unierten Kirchen teil und schrieb verschiedene Texte zu Theologie, Philosophie, Literatur, Geschichte, Kunst und Kirchenrecht. Am 25. November 1939 wurde er zum Titularbischof von Serra und Koadjutor mit dem Recht der Nachfolge des Metropoliten Szeptyckvj ernannt, von dem er die Bischofsweihe empfing und dem er am 1. November 1944 in der pastoralen Leitung der Erzdiözese folgte, wobei er auch den Titel eines Metropoliten von Halyc und Kamieniec übernahm. Während des Zweiten Weltkrieges mußte er die strenge Überwachung der Besatzungstruppen über sich ergehen lassen, um die ihm anvertraute Herde mit Liebe und Kraft zu verteidigen. Leider sollte 1945 der erste Lebensabschnitt Kardinal Slipyjs, die trotz der schmerzlichen Kriegsereignisse sicher schönste und befriedigendste Zeit, zu Ende gehen und eine Periode der religiösen Verfolgung und der Verurteilung beginnen. Er wurde nämlich am 11. April 1945 zusammen mit vielen anderen Bischöfen verhaftet und zu acht Jahren Gefängnis und Zwangsarbeit verurteilt. Damit begann für ihn der schmerzvolle Weg durch die härtesten Gefangenenlager, zusammen mit gewöhnlichen Häftlingen und anderen Verfolgten. Nach diesen acht Jahren wurde er wieder zur Verbannung nach Sibirien verurteilt, ein Urteil, das 1957 und dann 1962 erneut ausgesprochen wurde. Es erfüllt uns mit Schmerz, dieses langen Kreuzwegs zu gedenken, den ein Unschuldiger, ein Erzbischof und Metropolit, eine Persönlichkeit von großer Bedeutung und Verantwortlichkeit wegen seines christlichen Glaubens ertragen mußte! Aber die Wahrheit kann nicht übersehen werden: Sie bezeugt den unerschrockenen Glauben Kardinal Slipyjs und den endgültigen und sicheren Sieg der Liebe. Wir wissen, daß es ihm während jener Jahre der Haft und der Zwangsarbeit öfter gelang, heimlich die Eucharistie zu feiern, und er so in Christus die Kraft und Freude fand, mit ihm und für ihn zu leiden zur Verteidigung und Erhaltung des Glaubens in seinem Volk. 1438 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1963 kam für Erzbischof Slipyj endlich der unverhoffte Tag der Befreiung. Johannes XXIII. ist es bekanntlich gelungen, seine Entlassung aus der Haft zu erreichen, und am 9. Februar 1963 traf Erzbischof Josyf Slipyj in Rom ein, wo er mit großer Liebe empfangen wurde. Unter Zitation der „Nachfolge Christi“ sagte mein damaliger Vorgänger Johannes XXIII. bei der ersten erschütternden Begegnung zu ihm: „Felix hora quando Iesus vocat de lacrimis ad gaudium spiritus“ (Glücklich die Stunde, in der Jesus uns aus den Tränen zur Freude des Geistes ruft!) (L. II, Cap. VIII). Damit begann der dritte Lebensabschnitt des Lemberger Erzbischofs, fern von seiner Heimat und seiner Diözese, aber immer glühend von Eifer für die Kirche und seine über die Welt zerstreuten Landsleute. Am 23. Dezember desselben Jahres ernannte ihn Papst Paul VI. zum Großerzbischof, ein Titel, mit dem er ihm ähnliche Rechte und Privilegien wie jene der Patriarchen übertrug (vgl. Dekret Orientalium Ecclesiarum, Nr. 10). Außerdem ernannte er ihn zum Mitglied der Kongregation für die Orientalischen Kirchen und nahm ihn im Konsistorium vom 22. Februar 1965 ins Kardinalskollegium auf. Kardinal Slipyj hat sich in diesem letzten Abschnitt seines Erdendaseins seinen leidenschaftlichen Eifer und seine pastorale Dynamik erhalten: Er nahm aktiv am Zweiten Vatikanischen Konzil teil; er besuchte die verschiedenen Gruppen ukrainischer Katholiken, die in Europa, in den Vereinigten Staaten, in Kanada und in Australien verstreut leben; er trug Sorge für die theologische Wissenschaft und gründete das St.-Klemens-Zentrum für höhere Studien, um die glorreiche religiöse und kulturelle Tradition seines Volkes lebendig und wirksam zu erhalten; im März 1980 nahm er an den Arbeiten der Synode der ukrainisch-katholischen Bischöfe teil. Bei diesem Gedächtnisgottesdienst für den betrauerten Kardinal Slipyj mußten wenigstens kurz seine wichtigsten Lebensabschnitte Umrissen werden, auch wenn das dramatische Geschehen seines von beeindruckenden Ereignissen erfüllten irdischen Daseins im Geheimnis Gottes verborgen bleibt. Wie ich in der Kathedrale der hll. Wladimir und Olga in Winnipeg sagte: „In der schweren Zeit der ukrainisch-katholischen Kirche erduldete er große Leiden und Schmerzen, ohne zu wanken; ja, wie ein Held leistete er voll Würde Widerstand“ (Ansprache am 16. September 1984 in Winnipeg, in O.R. dt. vom 5. 10. 84, S. 5). 3. Das Beispiel seines Lebens gibt uns eine Botschaft, die uns, die wir noch auf den Straßen der Welt pilgern, und der ganzen Kirche dienen kann; und das „Wort Gottes“, das uns in den bedeutungsträchtigen 1439 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Lesungen der Liturgie geschenkt wird, zeigt uns seinen Inhalt und seine Anwendung. Das Leiden der Märtyrer, der Verfolgten, der Verbannten, derer, die ein Randdasein führen, macht uns in dramatischer Weise offenkundig, daß der Rahmen der menschlichen Geschichte fast immer verwickelt und holperig ist. Der hl. Paulus sagt, daß sogar die Schöpfung selbst - die der Vergänglichkeit unterworfen ist - bis zum heutigen Tag seufzt, in Geburtswehen liegt und die Hoffnung hegt, aus der Sklaverei der Verderbnis befreit zu werden, um einzutreten in die Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Aber vor allem wir, die wir die Erstlingsgabe des Geistes besitzen, seufzen in unserem Herzen und warten auf unser glorreiches Offenbarwerden als Kinder Gottes (vgl. Röm 8,10-23). Solche Worte lassen uns die Tatsache eines anfänglichen Bruches, einer Verweigerung - der „Ursünde“ - begreifen, die in den beiden ersten Vernunftwesen die menschliche Natur selbst verändert hat, so daß es niemals möglich sein wird, das Unkraut des Bösen und alle Dornen des Schmerzes ganz aus der Welt auszumerzen. Aber in der Hoffnung sind wir gerettet worden! Der Geist selbst trifft für uns ein mit Seufzen, das wir nicht in Worte fassen können (vgl. Röm 8,26-27), und läßt uns begreifen, daß es einen „Heilsplan der Vorsehung“ gibt: Jesus Christus, der Sohn Gottes, der Mensch geworden ist, um uns zu retten, und sich dem Leiden und dem Tod am Kreuz ausgesetzt hat, um unsere Schuld auf sich zu nehmen und so der Menschheit das übernatürliche Leben zurückzugeben. Im Mittelpunkt der menschlichen Geschichte, die „Heilsgeschichte“ ist, erhebt sich das Kreuz von Golgota und ertönen die Worte Christi: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). „Selig seid ihr, wenn sie euch um meinetwillen verfolgen werden!“ (vgl. Mt 5,11). Das sind die wesentlichen Wahrheiten, an die Kardinal Slipyj fest geglaubt hat, weil er davon überzeugt war, daß - wie der hl. Paulus schrieb - „die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8,18); Wahrheiten, die auch seine fundamentale Botschaft enthalten, mit der er uns zu einem kraftvollen Glauben an Christus auffordert: einem erleuchteten, aber unverfälschten und vertrauensvollen Glauben, der das Geheimnis als logische Konsequenz der göttlichen Offenbarung annimmt; einem mutigen und dynamischen, aber auch sanften und frohgemuten Glauben, denn Jesus sagt: „Mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht“ {Mt 11,30); einem Glauben, der imstande ist, zu leiden und zu seufzen, der aber nicht wankt, denn er ist seines Lohnes im Himmel gewiß (vgl. Mt 5,12). 1440 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Liebe Brüder und Schwestern! Während wir das heilige Opfer für Kardinal Josyf Slipyj darbringen, beten wir für ihn zum Herrn, indem wir über seinen heldenmütigen Glauben nachdenken; wir rufen die heilige Jungfrau Maria an für die verfolgten Christen in der heutigen Gesellschaft, für unsere ukrainischen Brüder, die in ihrer Nation oder über die Welt zerstreut leben, für die ganze Menschheit, damit jeder auf seinem eigenen Lebensweg, die freundlichen und ermutigenden Worte Christi, des Erlösers, vernehmen kann: „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen!“ Wichtiger Beitrag zum Wohl der Bürger Ansprache an eine Gruppe Wiener Polizeibeamten bei der Audienz am 20. Oktober Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir eine besondere Freude, Sie zu dieser kurzen Begegnung im Vatikan willkommen zu heißen. Sie ruft in mir liebe Erinnerungen wach an meinen letztjährigen Pastoralbesuch in ihrer österreichischen Heimat. Sie selbst haben das eindrucksvolle Geschehen jener Nähe miterleben dürfen und sogar an seinem geordneten Ablauf maßgeblichen Anteil gehabt. Deshalb benütze ich gern diese Gelegenheit, um Ihnen und allen Polizeibeamten, die während meines Pastoralbesuches in Wien und Mariazell für Ordnung und Sicherheit verantwortlich waren, für Ihre sehr wirksamen und erfolgreichen Dienste noch einmal aufrichtig zu danken. Ihren Aufgaben als Polizeibeamten kommt im stets dichter werdenden Gefüge des menschlichen Zusammenlebens in der modernen Gesellschaft eine große Bedeutung zu. Durch Ihre treuen Pflichterfüllung in den vielfältigen täglichen Obliegenheiten Ihres Berufes leisten Sie einen wichtigen Beitrag zum Wohle aller Bürger, zur Aufrechterhaltung von Ordnung und Eintracht in den Städten und Gemeinden. Ich ermutige Sie, sich auch in Ihrer Berufsarbeit stets als überzeugte Christen zu zeigen und entsprechend Ihrer sittlichen Überzeugung zu handeln. Dazu erbitte ich Ihnen Gottes bleibenden Schutz und Beistand. 1441 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Von Herzen erteile ich Ihnen, Ihren hier anwesenden Angehörigen und allen Ihren Lieben in der Heimat mit besten Wünschen für Glück und Wohlergehen in Ihren Familien meinen besonderen Apostolischen Segen. Eine enge Zusammenarbeit in der Pfarrei Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für den Klerus am 20. Oktober Meine Herren Kardinäle, meine ehrwürdigen Brüder im Bischofsamt, meine Offizialen der Kongregation für den Klerus! 1. Während ich euch herzlich und mit dem Ausdruck besonderer Wertschätzung für die ergebene Grußadresse, die euer Kardinalpräfekt an mich richtete, begrüße, fühle ich das Bedürfnis, meine Dankbarkeit für den so willkommenen und qualifizierten Besuch nach Abschluß der Arbeiten eurer Vollversammlung zu bekunden. Ich möchte euch meine Anerkennung für eure Klugheit und euren Geist des Dienstes gegenüber der Kirche zum Ausdruck bringen, die von euch in so verantwortungsvoller Weise zum Wohl des Hl. Stuhls eingesetzt werden, wobei ich euch versichere, daß ich euch nahe bin und zutiefst an euren Sorgen teilnehme. <85> <85> Das von euch behandelte Thema „Die Seelsorge in den Stadtpfarreien“ ist eines der ernstesten und dringlichsten Probleme, die heute den Seelsorger bedrängen. Mit der Sachkundigkeit, die euch auszeichnet, habt ihr euch mit den organisatorischen Problemen befaßt. Sie verdienen sicher alle Aufmerksamkeit. Denn geeignete, moderne, wirksame Strukturen sind immer auch für die Verfolgung der höheren Zielsetzungen moralischer und geistlicher Art notwendig. Aber ihr habt vor allem - was noch wichtiger ist - die grundlegenden Probleme zum Gegenstand eurer Beratungen gemacht, die notwendigerweise immer präsent sind, auch wenn es um Organisation und Struktur geht. Und gerade da zeigt sich uns die Stadtpfarrei in der ganzen umfassenden Realität und Gewichtigkeit ihrer Probleme. Das Zweite Vatikanische Konzil hat diese Probleme keineswegs über- 1442 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sehen. Ja, es hat ihnen besondere Aufmerksamkeit gewidmet, indem es das Wesen der Pfarrei besser bestimmte, die Aufgaben präzisierte und ihr jene Gestalt gab, die dann vom geltenden Codex des kanonischen Rechts aufgenommen wurde. Wenn wir uns diese Hinweise vor Augen halten, wird es angebracht sein, bei unserer heutigen Begegnung einige Punkte zu unterstreichen, die grundlegend scheinen für die Sicherstellung einer wirklichen Erneuerung der Seelsorge in den Stadtpfarreien. 3. Allem voran muß erneut die Wichtigkeit und Gültigkeit der Pfarrei bestätigt werden. Trotz der tatsächlichen oder vermuteten Krisen, von denen sie heimgesucht worden sein mag, ist sie eine Institution, die als normaler und primärer Ausdruck der Seelsorge erhalten werden muß. Das ist übrigens auch die Schlußfolgerung, zu der man nach sehr genauen Analysen gelangt ist, die vor einigen Jahren von eurem Dikasterium über die Revision dieser kirchenrechtlichen Institution durchgeführt worden sind. Ohne Zweifel handelt es sich nicht um eine Wirklichkeit, die sich in einem den heutigen Bedürfnissen angepaßten Pastoralprogramm selbst genügt: Sie wird durch viele andere Formen vervollkommnet und integriert, aber sie bleibt doch immer ein unerläßlicher Organismus von vorrangiger Bedeutung in den sichtbaren Strukturen der Kirche. Denn die Pfarrei ist die erste kirchliche Gemeinschaft; nach der Familie ist sie die erste Schule des Glaubens, des Gebets und des christlichen Brauchtums; sie ist das erste Feld der kirchlichen Nächstenliebe; das erste Organ pastoralen und sozialen Wirkens; das geeignetste Terrain, um Priester-und Ordensberufe wachsen zu lassen; der erste und wichtigste Sitz der Katechese. Aus allen diesen Gründen habe ich mich im Apostolischen Schreiben Catechesi tradendae, als ich über die Bedeutung der Pfarrei für die Katechese sprach, so ausgedrückt: „Ob man will oder nicht, die Pfarrei bleibt ein Hauptbezugspunkt für die Christen, selbst für die nichtpraktizierenden“ (Nr. 67). 4. Unerläßlich ist es zudem, daß die Stadtpfarrei immer mehr die Gestalt annimmt, die sie im geltenden Codex des kanonischen Rechts bietet, wo im Unterschied zur früheren Gesetzgebung der Akzent nicht mehr auf das Territorium gelegt wird, sondern auf ihren Charakter als einer „Gemeinschaft von Gläubigen“ (CIC, can. 515, 1). Deshalb die Notwendigkeit, daß die Pfarrei ihre besondere Funktion als Gemeinschaft des Glaubens und der Liebe wiederentdeckt, die ihren Seinsgrund und ihr tiefstes Wesen darstellt. Das aber heißt, die Evangelisierung als vorrangige, 1443 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hervorragende und bevorzugte Forderung zur Grundlage der gesamten Pastoralarbeit zu machen. Auf diese Weise wird eine rein horizontale Sicht bloß sozialer Art überwunden und der sakramentale Aspekt der Kirche gestärkt; ein Aspekt, der sich auf ganz besondere Weise in der Pfarrgemeinde äußert, wenn diese sich der Glaubensbildung ihrer Kinder widmet und ihre missionarische und evangelisierende Aufgabe entfaltet. 5. Ein weiterer wichtiger Punkt, den man sich immer vor Augen halten muß, ist die Notwendigkeit einer möglichst engen, organischen, persönlichen Zusammenarbeit sämtlicher Mitglieder der Pfarrei mit ihrem Pfarrer. Insbesondere die Vermehrung und Qualifizierung aller lebendigen Kräfte - Ordensleute und Laien - für jene Dienste, die nicht unausweichlich die Funktion des priesterlichen Dienstamtes erfordern, ist das einzige Mittel für eine entsprechende Seelsorge dort, wo die Zahl der Gläubigen übermäßig groß ist, und um die aktive missionarische Durchdringung des Bereiches der Gleichgültigen und Fernstehenden vorzunehmen. Denn die Laien sind ja nicht nur Empfänger des pastoralen Dienstes, sondern müssen aufgrund ihrer angeborenen Berufung, als Laien und des inneren Bedürfnisses der Kirche zu dessen tatkräftigen Vollziehern werden. 6. So gut organisiert und aktiv die Stadtpfarrei auch sein mag, sie vermag heute nicht allein den vielen und komplexen Anforderungen der Evangelisierung und der christlichen Formung ihrer Mitglieder zu entsprechen. Es gibt Probleme von kulturellem und sozialem Charakter, die die Grenzen der Pfarrei überschreiten. In bestimmten Bereichen der Pastoral ist die Pfarrei - aber nicht das einzige - Evangelisierungswerkzeug. Man denke nur an den Bereich der sozialen Kommunikationsmittel, an die verschiedenen Formen der Fürsorge und der Hilfe, die sich in den einzelnen Stadtvierteln unter den verschiedenen sozialen und homogenen Gruppen, besonders der Jugend, der Arbeiter, der verschiedenen Berufe, der Kranken, der Strafvollzugsanstaltsinsassen, der Flüchtlinge, entfalten. Nur ein vereintes und integriertes pastorales Wirken, wird hier zu positiven Ergebnissen führen können. Die Pfarrei muß daher eine Gemeinschaft sein, die für alle diese Initiativen der religiösen Ausstrahlung und des Apostolats in der Umgebung offen ist, die nicht die Pfarrei als Ausgangspunkt haben oder haben können. So wird man sich für die Zusammenarbeit mit den Nachbarpfarreien und mit den Personalpfarreien offenhalten müssen, was z. B. die Soldatenseelsorge, die Gläubigen eines anderen Ritus, die Flüchtlinge, die Touristen betrifft. All das setzt natürlich auch die Öffnung des Klerus für 1444 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die große Wirklichkeit der Diözese voraus: eine Öffnung, die zweifellos durch die Organe der Teilhabe und Verantwortung, vor allem aber durch die priesterliche Gemeinschaft zustande kommt, die von der Einheit der Priester untereinander und mit ihrem Bischof gebildet wird und die auch die grundlegende Voraussetzung für die Einheit mit dem ganzen Volk Gottes ist. 7. Die Rede über die organische Pastoral der Stadtpfarrei darf schließlich nicht von der Prüfung eines Phänomens absehen, das heute überall immer stärker in Entwicklung begriffen ist: das Phänomen der verschieden benannten kirchlichen Gruppen, zu denen besonders die „Basisgemeinden“ zu zählen sind. Die Gefahren, denen diese neuen Gemeinschaftsformen leicht ausgesetzt sind, sind sehr wohl bekannt, vor allem aber tritt jene Form zutage, sich als einzige Art, Kirche zu sein, zu betrachten: daher die Tendenz, sich im Namen der Einfachheit und Authentizität des im Geist des Evangeliums gelebten Lebens von der institutioneilen Kirche zu lösen. Es wird Aufgabe der Pfarrer und Bischöfe sein, sich zu bemühen, die positiven Werte, die diese Gemeinschaften besitzen, für die Pfarreien zu nutzen und sich ihnen ihrerseits zu öffnen. Aber es muß klar sein, daß diese Basisgemeinden sich nicht auf dieselbe Ebene mit den Pf arrgemein-den als mögliche Alternative stellen können. Sie haben vielmehr die Pflicht zum Dienst in der Pfarrei und in der Ortskirche. Und eben an diesem Dienst, der im Gefüge der Pfarrei und der Diözese zu leisten ist, wird sich die Gültigkeit der jeweiligen Erfahrungen innerhalb dieser Bewegungen oder Vereinigungen erweisen. 8. Mit diesen Überlegungen, liebe Brüder, wollte ich eurem Eifer und eurer Weisheit die Punkte anvertrauen, die zu berühren wir für nützlich gehalten haben, damit durch eure Mitarbeit den Pfarreien in den Großstädten wieder neue Kraft verliehen werden kann. Die Arbeit ist sicher hart und schwierig, und wir könnten uns vom Pessimismus übermannen lassen, wenn sich unser Tun lediglich auf die pastorale Technik und nicht vor allem auf die Kraft des Kreuzes verläßt; oder wenn wir nicht zu unserem auch menschlichen Trost über die Menge positiver Symptome verfügten, die aus derselben modernen Welt herrühren, in der unsere Ängste ihren Ursprung haben. Aber wir sind bei diesem übermenschlichen Werk nicht allein: Christus ist bei uns. Wir müssen ein tiefes Vertrauen in ihn haben, daß wir in ihm, der uns Kraft gibt, alles vermögen (vgl. Phil4, 13). Dieses Vertrauen möchte ich besonders den Pfarrern und Helfern einflößen, die die Seelsorge in 1445 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN den riesigen und dichtbesiedelten Wohnvierteln der großen Metropolen ausüben, wo die Zahl, die Mentalität und die Bedürfnisse der Bewohner sie zu einer unermüdlichen und aufreibenden Arbeit verpflichten. Wir müssen uns diesen lieben Brüdern, überforderten Arbeitern des Evangeliums, gegenüber verpflichtet fühlen. Sie sollen wissen, daß der Papst an sie denkt, sie schätzt, sie liebt und sie darum mit seinem Gebet begleitet. Mit dem Wunsch reicher göttlicher Gnaden für eure Mühen und die gemeinsamen Erwartungen erteile ich euch allen von Herzen den Apostolischen Segen. Vorbild für christliche Erzieher Predigt bei der feierlichen Messe und Heiligsprechung des Ordensmannes Miguel Febres Cordero aus Ekuador in St. Peter am Sonntag, 21. Oktober 1. „Noch ehe ich dich im Mutterleib formte, habe ich dich ausersehen“ (Jes 1,5). Diese Worte des göttlichen Schöpfers an den Propheten Jeremias, über die nachzudenken uns die heutige Liturgie auffordert, besitzen volle Gültigkeit auch für jeden von uns, die wir hier an diesem Weltmissionssonntag zur feierlichen Heiligsprechung eines Sohnes Ekuadors, Bruder Miguel Febres Cordero, versammelt sind. Gott kennt jeden von uns, wie kein anderer es vermag. Er kennt uns selbst besser als die, die uns gezeugt haben. Er kannte uns, noch ehe wir ins Dasein getreten, noch ehe wir im Mutterschoß empfangen wurden. Gott kennt uns besser, als wir uns selbst kennen. Und da uns Gott so zuinnerst und zutiefst kennt, kommt er uns mit seinen Gnaden zuvor, um in uns die Gaben zur Geltung zu bringen, die seine Güte uns gewährt hat und weiter gewährt. Die Gaben Gottes sind sehr verschieden. Es ist unsere Sache, die Gaben zu erkennen, die Gott uns entfalten läßt, damit wir auf die Berufung zur Heiligkeit, die sich an alle und jeden einzelnen wendet, antworten. <86> <86> Nicht selten nimmt die Gnade Gottes die Form eines Anrufes an, ihm unter dem einen oder anderen Aspekt des geweihten Lebens zu dienen. 1446 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Ein solcher Anruf ist an manchen von euch, liebe Brüder und Schwestern, ergangen, und Gott hat euch die Gnade gegeben, ihn zu hören und auf ihn zu antworten. Derselbe Ruf ergeht auch heute noch an viele andere, die vielleicht noch mit der Antwort zögern. Selbst der Prophet versuchte, wie wir in dem soeben gelesenen Abschnitt sehen, ihm auszuweichen, indem er als Grund seine Jugend und seine Unfähigkeit anführte: „Ach, ich kann doch nicht reden, ich bin noch zu jung“ (Jer 1, 6). Ein richtiges Empfinden für seine eigene Armseligkeit und Unfähigkeit zu haben, ist gewiß sehr lobenswert, vorausgesetzt, es ist keine Verkennung der Gabe Gottes und der Allmacht der Gnade. Wenn es Gott ist, der ruft, wird er es dem, der seine Stimme mit gefügigem Herzen hört, nicht an seiner Gnade fehlen lassen. Unserem neuen Heiligen war seit seinen frühesten Jahren die besondere Gnade zuvorgekommen, die ihn nahezu unwiderstehlich anzog und verlockte, das Leben seiner Ordenslehrer, der Christlichen Schulbrüder, zu teilen, die wenige Jahre zuvor in Ekuador eingetroffen waren. Mehr als einer seiner Familienangehörigen war gegen sein Vorhaben. Der junge Francisco erfuhr mehr als eine Ablehnung; dann mußte er jahrelang die äußerst frostige Haltung seines Vaters ertragen, obschon dieser ein aufrichtiger Christ war. Doch der junge Miguel zweifelte auch nicht einen Augenblick an dem göttlichen Ruf. „Ich versichere euch bei der Gegenwart Gottes und ohne irgendeine menschliche Rücksichtnahme - schrieb er -, daß ich glaube, in das Institut der Christlichen Schulbrüder berufen zu sein und daß ich mich in keiner anderen Stellung so sehr auf meinem rechten Platz fühlen werde wie dort. Teilt diese Gefühle meinem Vater mit. Wenn er wirklich mein Glück wünscht, das heißt mein ewiges Glück, soll er mich den Weg gehen lassen, den der gute Gott mir vorgezeichnet hat.“ 3. Der hl. Miguel Febres Cordero, der von Anfang an dem Ruf Gottes treu war, sollte das ohne das geringste Zögern auch während der vierzig Jahre seines Ordens- und apostolischen Lebens bleiben; und wie es dem Propheten verheißen war, „legte Gott ihm seine Worte in den Mund“ (vgl. Jer 1, 9) und öffnete ihm damit den Weg zu den Herzen derer, die an ihn herantraten. Seine Mitbrüder und ehemaligen Schüler - darunter mehrere Priester und einige Bischöfe - haben darin gewetteifert zu bezeugen, wie sehr dieser demütige und liebenswerte Mann sich als fähig erwiesen habe; sie innerlich zu bewegen und zum Guten anzuspomen. 1447 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Er sprach von den wichtigsten Geheimnissen unserer Religion mit der Nachdrücklichkeit eines tief überzeugten Christen. Ältere Menschen erinnerten sich an ihrem Lebensende gerührt an den Unterricht, den Bruder Miguel ihnen Jahrzehnte zuvor erteilt hatte. Er zögerte niemals, den jungen Leuten, die zu ihm kamen, ein Christentum, das verpflichtet und fordert, zu zeigen. Wie es schon der hl. Paulus mit seinen geliebten Korinthern getan hatte, so „verkündete er Jesus als den Gekreuzigten“. Der Gekreuzigte leitete sein ganzes Dasein und all seine Tätigkeiten: in der Schulklasse, an seinem Tisch als Schriftsteller ebenso wie in der Kapelle und in den Räumen der Kommunität hefteten sich seine Blicke immer wieder auf das Bild des göttlichen Gekreuzigten. Die Kinder, die sich während einer geistlichen Einkehr auf die Beichte vorbereiteten, ließ er Christus am Kreuz betrachten, indem er ihnen Christi Wunden zeigte und hervorhob, daß dieser sie zur Sühne für ihre Sünden erlitten hat. Und diese Jugendlichen von tief empfindsamem Herzen wehrten sich nie gegen seine Worte. Verschiedene Zeugen versichern, daß viele Jugendliche bis zu Tränen gerührt waren und die Schule verließen, ohne ein Wort zu sagen, sichtlich betrübt im Gedenken an die Leiden des Erlösers. 4. Der neue hl. Miguel Febres Cordero nahm auf heroische Weise an den Leiden des gekreuzigten Christus teil. Unter den verschiedenen Kreuzen, die er während seines Lebens zu tragen hatte, war nicht das geringste eine Mißbildung der Füße, die ihm beim Gehen beträchtliche Schmerzen verursachte. Doch er gewann aus der Schwäche Kraft; aus dem Schmerz einen Grund zur Freude, indem er „das Wort vom Kreuz“ (2 Kor 1,18), das denen, die den gekreuzigten Christus als Retter und Herrn ablehnen, Ärgernis und Torheit ist, sich in seinem eigenen Leben zu eigen machte. Die freudige Annahme seines Kreuzes war für alle ein Grund der Erhebung und des christlichen Vorbildes. Zuerst in seiner Heimat Ekuador und später in Europa - besonders in Premia de Mar, wo er die letzten Monate seines Lebens verbrachte - weckte seine Fröhlichkeit im Leiden in seiner Kommunität, bei den Schülern und bei allen, die mit ihm zu tun hatten, tiefe Achtung und Bewunderung. Klarer Beweis dafür, daß er sich zutiefst die paulinische Lehre angeeignet hatte: „Das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen“ (2 Kor 1,25). Gleichzeitig nahm er alle mit großer Ungezwungenheit und Herzlichkeit auf. Dem Beispiel Christi folgend, trat Bruder Miguel besonders dadurch hervor, daß er Arme und Bedürftige besuchte, den jungen Menschen Rat 1448 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gab, die Kinder unterrichtete und sich allen widmete. Aus dem Kreuz Christi - dem höchsten Ausdruck der Liebe zum Menschen - zog er die Kraft und die Inspiration, sich vorbehaltlos, selbst auf seine eigenen Kosten, für die anderen zu opfern. 5. Genau am 19. Februar 1888 - vor nunmehr fast einem Jahrhundert - 1 war der neue Heilige in dieser Petersbasilika anwesend, wo er an der Seligsprechung des ehrwürdigen Johannes Baptist de La Salle, des Gründers der Kongregation der Christlichen Schulbrüder, teilnahm. Dieses Ordensinstitut, dem er damals seit zwanzig Jahren als Mitglied angehörte, hatte als Motto seines apostolischen und erzieherischen Wirkens die Worte des Evangeliums, die wir gerade vorhin gehört haben: „Wer ein solches Kind um meinetwillen aufnimmt, der nimmt mich auf“ (.Mk 9,37). Diese Worte waren für Bruder Miguel eine Lebensregel, eine ständige Aufforderung in seiner Berufung als Erzieher. Seine sämtlichen Bemühungen hatten zum Zielpunkt die vollständige Erziehung der jungen Generationen, wobei er sich von der Überzeugung leiten ließ,, daß die auf die religiöse und kulturelle Bildung der Jugend verwendete Zeit von großer Bedeutung für das Leben der Kirche und der Gesellschaft ist. Mit welcher Liebe und Hingabe widmete sich dieser „Apostel der Schule“ den Tausenden von Kindern und Jugendlichen, die während der langen Jahre seines Lebens als Erzieher durch seine Klassen gegangen sind! In der höheren Schule El Cebollar in Quito wie an der Volksschule, wo er zu Beginn seines Apostolats unterrichtete, übernahm er die dankbare Aufgabe, die Kinder - die „neuen lebendigen Tabernakel“, wie er sie nannte — auf die Erstkommunion vorzubereiten. Als treuer Jünger Jesu trat er in seinem Leben für die Lehre des Meisters ein: „Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein“ (Mk 9,35). Darum widmete er im Geist des Dienstes am und der Liebe zum Nächsten lange Jahre der Arbeit und Anstrengung der Veröffentlichung didaktischer Werke, aufgrund welcher Arbeit er -bereits am Ende seines Lebens - nach Europa gerufen wurde und sein geliebtes Land verlassen mußte. 6. Sein Ruf als Mann der Kultur wuchs, bis er schließlich zum Mitglied der Ekuadorianischen Sprachakademie ernannt wurde. Doch weder diese Ehre noch sein anerkannter Ruf als Meister der Sprache vermochten seine Demut und Schlichtheit zu trüben, mit denen er an alle herantrat. Denn er war davon überzeugt, daß „Gott das Törichte in der Welt erwählt hat, um die Weisen zuschanden zu machen“ (1 Kor 1,27). 1449 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Seine Arbeit als Gelehrter stand jedoch immer im Dienst der unmittelbaren pädagogischen Tätigkeit. Und mit wahrhaft evangelischem Geist war er stets darauf bedacht, daß seine Hingabe hauptsächlich dem Unterricht der wirtschaftlich, kulturell und geistig ärmsten Kinder galt, in denen er die Person und das Antlitz Christi erkannte. Wir können darum wohl sagen, daß der beispielhafte Verlauf seines Lebens als Lehrer ein gültiges Vorbild für die christlichen Erzieher heute und zugleich ein Ansporn ist, die große Bedeutung des Apostels und der Ideale der katholischen Erziehung aufzuwerten, die sich zum Ziel setzt, den jungen Generationen eine solide, vom Licht des Evangeliums geprägte Kultur zu bieten. 7. Bruder Miguel - ein auserwählter Mensch, der bei seiner Hingabe an Gott und an die Brüder keine Mühen scheute - hinterließ bei denen, die ihn kannten, eine unvergängliche Erinnerung. Siebenundzwanzig Jahre, nachdem er aus dieser Welt zum Vater hinübergegangen war, wurden seine sterblichen Überreste mit großer Ergriffenheit und Freude in seiner ekuadorianischen Heimat empfangen. Dort blieben die Bewunderung und die Liebe für diesen Sohn der Kirche, der auch ein Ruhm für sein Vaterland war, immer lebendig. Heute, am Weltmissionssonntag, ist seine Verherrlichung Anlaß zu neuem Jubel für die Gesamtkirche. Sie bewundert ebenso wie die Kirche in Ekuador den hl. Miguel Febres Cordero als Apostel der Schule, der zugleich ein vorbildlicher Missionar, ein Evangelist Lateinamerikas war, wie ich vor einigen Tagen bei der Eröffnung der neunjährigen Vorbereitungszeit auf das fünf hundert jährige Jubiläum der Evangelisierung Amerikas ausführte (vgl. Ansprache an den CELAM in Santo Domingo vom 12. Oktober 1984, Nr. 5). Voll Freude entbiete ich daher meinen herzlichen Gruß der offiziellen Delegation aus Ekuador, allen Christlichen Schulbrüdern und ganz besonders den Ekuadorianern, die gekommen sind, um an dieser feierlichen Zeremonie teilzunehmen. Ich bitte den Allmächtigen durch die Fürsprache des hl. Miguel Febres Cordero, daß er die Fülle seiner Gaben über alle geliebten Söhne und Töchter der ekuadorianischen Nation ausgieße, die ich, wie ich hoffe, mit Gottes Hilfe demnächst besuchen werde. Und daß er allen seinen Ordensbrüdern neuen Anstoß, Freude und Begeisterung gewähre, damit sie getreu weiter den Fußspuren folgen, die dieser gute Sohn des hl. Johannes Baptist de La Salle und der Kirche in der Nachfolge Christi so großartig vorgezeichnet hat. Amen. 1450 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Frage nach den Talenten Predigt bei der Messe für die Mitglieder der kirchlichen Hochschulen zu Beginn des neuen Studienjahres in Sankt Peter am 26. Oktober 1. An der Schwelle des neuen Studienjahres begrüße ich ganz herzlich die Leiter der Kongregation für das katholische Bildungswesen und die Vertreter der katholischen Hochschulen in Rom: die Gemeinschaften, die sich aus den Dozenten und Studenten der Päpstlichen Universität Grego-riana, der Lateranuniversität, der Urbaniana, der Universität des hl. Thomas von Aquin, der Salesianer-Universität und der Päpstlichen Hochschulen San Anselmo, Antonianum und der anderen Theologischen Fakultäten und Institute zusammensetzen. Alle heiße ich herzlich willkommen in dieser Basilika, die sich über dem Grab des hl. Petrus erhebt. 2. Wir begegnen einander an dem Altar, der der Ort des Opfers ist. In der Eucharistie wollen wir all das darbringen, was das neue Studienjahr an unseren Hochschulen als ganzes ausmacht. Dieses Ganze bildet einen wichtigen Teil des Lebens der Kirche in Rom, die sich um ihren Bischof versammelt, aber auch des Lebens der Gesamtkirche. In Gedanken sind sämtliche in der Welt verstreute katholische Hochschulen eingeladen, sich dieser heutigen Gemeinschaft des Gebets und Opfers anzuschließen. Mit dem Gedanken an sie alle wollen wir das Veni, Creator Spiritus singen und um Licht und Kraft von oben für unsere Hochschulen bitten. 3. Wir sind zusammengekommen, um - in der Liturgie des Gotteswortes — das Gleichnis von den Talenten zu hören, um wieder einmal darüber nachzudenken. In diesem Gleichnis ist eine tiefe und weitreichende Analogie verborgen. Das Talent, von dem Jesus spricht, ist eine Münze, ein Geldstück, eine Sache. Wörtlich betreffen die Worte des Lehrers aus Nazaret also die Ordnung der Dinge: die Wirtschaftsordnung. Ein Geldstück mit dem Namen „Talent“ ist heute nicht mehr im Umlauf. Der Begriff „Talent“ bezeichnet hingegen ein Merkmal oder eine Eigenschaft des Menschen. Ein Merkmal des Leibes, des Geistes oder des Herzens. Von der Ordnung der Dinge wurde der Begriff auf die Ordnung der Person übertragen. 1451 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Worte des Gleichnisses Christi weisen im übrigen ganz klar auf diese Ordnung hin. Nicht die Ökonomie des Geldes, sondern die Ökonomie des Menschen ist das eigentliche Thema des Gleichnisses. Ja: die Heilsökonomie oder der Heilsplan. 4. Wir müssen also das Ganze, das vor uns hegt und das akademische Jahr ausmacht, in die Grenzen der Ökonomie des Menschen einordnen. Ja, wir müssen dieses Ganze in die Grenzen des Heilsplanes verlegen. Dazu lädt uns die heutige Liturgie ein. Folgen wir also gleich zu Beginn dieser Aufforderung. 5. Die Hochschulen, die Universitäten, die Fakultäten, die Institute sind eine eigene, besondere Welt. Diese Welt ist ihrer Natur nach dazu bestimmt, in ihrem Bereich die Vervielfältigung der Talente zu vollziehen. - sowohl der Talente, die der Berufung der Gelehrten und der Professoren entsprechen, - als auch jener, die der Berufung der Studenten entsprechen. Es handelt sich hier gewissermaßen um zwei verschiedene Ebenen, um zwei verschiedene Methodologien, die dennoch tief miteinander Zusammenhängen und verbunden sind. Es ist daher notwendig, daß sich auf jeder dieser Ebenen und zugleich in der Dimension ihrer gegenseitigen Abhängigkeit die Worte des Gleichnisses erfüllen: „Herr, fünf Talente hast du mir gegeben; sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen“ {Mt 25,20). „Herr, du hast mir zwei Talente gegeben; sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen“ {Mt 25,22). 6. Bleibt noch die Frage nach „dem einen Talent“, das unter der Erde versteckt worden war. Ein Exeget erläutert diese Worte so: „Wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluß haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat“ {Mt 25,29): „Gott vermehrt die Gnade für den, der sie Frucht bringen läßt, und er entzieht sie dem, der sie ungenützt läßt“ (S. Garofalo, La Sacra Bibbia, III. S. 84). 7. Somit stellt sich also die Frage nach den Talenten — also auch nach den Studien - in der Dimension dessen, was man als ein wesentliches „Drama 1452 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN des Menschen“ bezeichnen könnte. Es ist die Frage danach, wie er von dem Gebrauch macht, was ihn in seinem unwiederholbaren Menschsein gegeben worden ist, von dem, was ihm gleichzeitig als Aufgabe übertragen worden ist: als Aufgabe übertragen in den Dimensionen des Lebens, das zugleich eine Berufung ist; als Aufgabe übertragen in den Dimensionen der Geschichte, die schließlich die Heilsgeschichte ist. 8. Vor diesem Hintergrund gewinnen die dem Buch Jesus Sir ach entnommenen Worte der ersten Lesung volle Klarheit: „Wohl dem Menschen, der über die Weisheit nachsinnt, der auf die Einsicht seine Blicke lenkt, der seinen Sinn auf ihre Wege richtet und auf ihre Pfade achtet . . . (Sir 14, 20-21). Der Verfasser des Buches drückt sich in der poetischen Sprache der Metapher aus, wenn er, von der Weisheit redend, dazu auffordert, ihr nachzugehen „wie ein Späher . . . “, „durch ihre Fenster“ zu schauen . . . „an ihren Türen“ zu horchen . . . „sich bei ihrem Haus niederzulassen“ . . . „und in ihren Zweigen“ zu ruhen (Sir 14, 22-24.26). Und denen, die sich in bezug auf die Weisheit so verhalten, verheißt er: „Sie geht ihm entgegen wie eine Mutter, wie eine junge Gattin nimmt sie ihn auf. Sie speist ihn mit dem Brot der Klugheit, und mit dem Wasser der Einsicht tränkt sie ihn. Er stützt sich auf sie und kommt nicht zu Fall, er vertraut auf sie und wird nicht enttäuscht“ (Sir 15, 2-4). 9. „Sieh her, ich habe noch fünf dazugewonnen . . . “ „Sieh her, ich habe noch zwei dazugewonnen . . . “ Die Vermehrung der Talente ist ein Werk der Weisheit. Durch die Zusammenarbeit mit ihr werden wir zu Teilhabern an den Reichtümern, die im Menschen verborgen sind - im ganzen Menschen: Leib, Verstand, Herz. Die Talente des Evangeliums entfalten sich im Lichtglanz der Weisheit, die von Gott ist, die Gott selbst ist und die in Gott „für den Menschen“ ist. Es gilt daher, in der eigenen Seele ständig zu überlegen, was uns „gegeben“ ist und was uns „als Aufgabe übertragen“ ist: das Geschenk und die Berufung. Immer wieder aufs neue muß das erwogen, überlegt werden; besonders wenn ein neuer Abschnitt beginnt; in unserem Fall zu Beginn eines neuen Studienjahres. „Du bist im Kleinen ein treuer Verwalter gewesen, ich will dir eine große Aufgabe übertragen“ (Mt 25,21). 1453 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bist du ein treuer Verwalter gewesen? Hast du beschlossen, treu zu sein? 10. Liebe Brüder und Schwestern! Denken wir über das Wort Gottes der heutigen Liturgie nach. Denken wir nach über das Gleichnis von den Talenten. Entdecken wir in ihm das Geschenk und die Berufung, die das neue akademische Jahr mit sich bringt. Rufen wir aus der Tiefe unserer Seele: Veni, Creator Spiritus! Komm, Schöpfergeist! Die Talente entfalten sich unter den Wehen der göttlichen Weisheit und führen zur Weisheit. Den Sinn für das Sakrale bewahren Ansprache an die Teilnehmer des internationalen Liturgiekongresses der Bischofskonferenzen in der Audienzaula am 27. Oktober Meine Herren Kardinäle! Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! 1. Herzlich begrüße ich euch und bringe euch meine Freude über diese Gedenkfeier zum Ausdruck. Ich danke dem Pro-Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst für die freundlichen Worte, die er an mich richtete, und danke den vier Herren Kardinalen für ihre Darlegungen, die ich mit lebhafter Anerkennung gehört habe. Mit besonders herzlicher Zuneigung ergeht mein Gruß und Dank an die Präsidenten und Sekretäre der nationalen Liturgiekommissionen, die zu einem so bedeutenden Anlaß nach Rom gekommen sind. Denn ihr seid ja hierhergekommen, um an dem Kongreß teilzunehmen, der den 20. Jahrestag der Verkündigung der Konzilskonstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum concilium, zu feiern beabsichtigt. Dieser Jahrestag verdient hervorgehoben zu werden. Handelt es sich doch um ein Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils, das für das Leben des Volkes Gottes eine besondere Bedeutung besaß und besitzt. In ihm ist bereits der Kern jener ekklesiologischen Lehre zu finden, die in der Folge 1454 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von der Konzilsversammlung vorgelegt werden sollte. Die Konstitution Sacrosanctum concilium, die in zeitlicher Folge das erste Konzilsdokument war, nimmt Lumen gentium vorweg und setzt es voraus. Das konnte auch gar nicht anders sein: denn das Geheimnis der Kirche wird ja vor allem in der Liturgie verkündet, ausgekostet und gelebt. In der Liturgie begreift die Kirche sich selbst, nährt sich am Tisch des Wortes und des Brotes des Lebens, schöpft jeden Tag Kraft, um auf dem Weg weiterzugehen, der sie zur Freude und zum Frieden des „verheißenen Landes“ führen soll. Man kann sagen, daß das geistliche Leben der Kirche über die Liturgie führt, in welcher die Gläubigen die ständig fließende Quelle der Gnade und die konkrete und überzeugende Schule jener Tugenden finden, durch die sie vor den Brüdern Gott die Ehre geben können. Deshalb freue ich mich aufrichtig über die gelungene Initiative dieses Kongresses, der im Abstand von 20 Jahren einen Bericht über die Situation geben will durch Sammlung der Zeugnisse der Verantwortlichen der nationalen Liturgiekommissionen, um daraus eine umfassende Bewertung darüber abzuleiten, wie die Kirche ihre Liturgie lebt, wie sie sich durch die Liturgie in den verschiedenen Nationen gegenwärtig setzt. Zwanzig Jahre sind eine ausreichende Zeitspanne für eine sachliche Überlegung über die Neugestaltung der Liturgie, so wie das Konzil sie verstanden und gewünscht hat; über ihre gegenwärtige Verwirklichung und pastorale Auswirkung; über die Ausblicke auf ihre volle Aufwertung als Höhepunkt des Lebens und Wirkens der Kirche. Es war seit langem mein lebhafter Wunsch, diesbezüglich ein auf den laufenden Stand gebrachtes Bild zu erhalten, und ich bin daher sehr froh über die Gelegenheit, die mir eure Tagung bietet, legt sie doch das Zeugnis derer vor, die direkten Kontakt haben mit den örtlichen Situationen im liturgischen Bereich und daher von dem Durchgeführten, den erfahrenen Schwierigkeiten und bestehenden Hoffnungen in den einzelnen Kirchen eine gründliche Kenntnis haben können. Ich danke euch dafür und nehme gern die Gelegenheit wahr, euch zu ermutigen, hochherzig in dem Bemühen um liturgische Belebung der Gemeinden, denen ihr angehört, fortzufahren,wobei ihr in engem Kontakt mit der Kongregation für den Gottesdienst bleibt, die vor einigen Monaten eine Neuordnung erfuhr und nunmehr ein selbständiges Dikasterium bildet, damit sie ihre wichtige Funktion im Dienste des Gottesvolkes besser entfalten kann. <87> <87> Mit Interesse habe ich eure intensive Arbeit in diesen Tagen verfolgt, an denen ihr über die jeweiligen Erfahrungen berichtet und diese Tatsache mit den Anweisungen der Konzilskonstitution konfrontiert habt. 1455 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bereits im ersten Paragraphen dieses Dokuments wird in vier zusammenfassenden Begründungen die „mens“, also die Absicht des Konzils bei der Verabschiedung eines Textes, Umrissen, der dazu bestimmt sein soll, der Kirche einen Hauch neuen Lebens zu verleihen. Die Worte sind euch gut bekannt: „Das Heilige Konzil hat sich zum Ziel gesetzt, das christliche Leben unter den Gläubigen mehr und mehr zu vertiefen, die dem Wechsel unterworfenen Einrichtungen den Notwendigkeiten unseres Zeitalters besser anzupassen, zu fördern, was immer zur Einheit aller, die an Christus glauben, beitragen kann, und zu stärken, was immer helfen kann, alle in den Schoß der Kirche zu rufen. Darum hält es das Konzil auch in besonderer Weise für seine Aufgabe, sich um Erneuerung und Pflege der Liturgie zu sorgen.“1) In dieser Einleitung wird vor allem auf die Vertiefung des christlichen Lebens hingewiesen. Das ist das Ziel, das die Liturgie an erster Stelle anstrebt. Ein anderer Ansatz würde nicht nur die Echtheit der Liturgie, sondern geradezu den Seinsgrund der Kirche, deren „culmen et fons“, Gipfel und Quelle, die Liturgie ist, verraten. Dann kommt die Anpassung an die Erfordernisse unserer Zeit. Die Liturgie ist nicht körperlos; sie ist vielmehr in den Zeichen, in denen sie sich ausdrückt, die Darstellung und wirksame Gegenwärtigsetzung des Geheimnisses Christi, d. h. der ewigen Weisheit Gottes, die „auf der Erde erschien und unter den Menschen verkehrte“ (vgl. Bar 3,38). Deshalb muß sie ihre veränderlichen Bestandteile den Menschen aller Zeiten und aller Orte anpassen (vgl. Sacrosanctum concilium, Nr. 21 und 37).2) An dritter Stelle wird an den tätigen Einsatz für die Einheit aller, die an Christus glauben, erinnert; eine Einheit die gerade in der Liturgie und in ihrem Mittelpunkt, der Eucharistie, in besonderer Weise zum Ausdruck gebracht und erzielt wird. Und schließlich erfolgt der Hinweis auf die Stärkung der Initiativen, die geeignet sind, die missionarische Tätigkeit der Kirche zu fördern: eine Tätigkeit, in die - wie die Gebete des Missale es häufig erwähnen - eine richtig verstandene und volle Teilnahme an der Liturgiefeier einmünden soll. Wie man sieht, kann die Liturgie nicht auf bloß „dekoratives Zeremoniell“ oder auf eine „bloße Summe von'Gesetzen und Vorschriften“ verkürzt werden, eine Auffassung, die bereits von der Enzyklika Mediator Dei abgelehnt wurde.3) Ausgeschlossen wird auch jene in unserer Zeit manchmal anzutreffende Anschauung, die in der Liturgie die sozialen Aspekte wie den Hinweis auf Freundschaft, Freude des Zusammenseins, Gruppe und ähnliches stärker unterstreicht als die Initiative Gottes, der 1456 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die Gläubigen zusammenruft, und sein Wort, dem der Mensch Gehör schenken muß, um sein Gebet und sein Handeln diesem Wort anzupassen. Zu dieser „mens“, dieser Auffassung des Konzils, ist es aber nicht plötzlich und unversehens gekommen, so als hätte sich in den Jahren vorher nichts getan, sondern es hat eine emsige Vorbereitung durch die liturgische Bewegung gegeben, die in Übereinstimmung mit der euchari-stischen Bewegung und der Bibelbewegung die Umwelt zu sensibilisieren und die Grundlagen für jene tragenden Strukturen zu legen vermochte, auf die sich jede liturgische Handlung, die diesen Namen verdient, stützen muß. Liturgiereform in der Kirche gut aufgenommen 3. Zwanzig Jahre nach der Verkündigung von Sacrosanctum concilium darf man sich fragen, wie die Wirklichkeit der von diesem Dokument eingeleiteten Liturgiereform aussieht. Auf diese Frage habt ihr in diesen Tagen eine möglichst objektive und erschöpfende Antwort zu geben versucht. Im Licht der von euch vorgelegten Zeugnisse und auch unter Berücksichtigung verschiedener vorher durchgeführter Untersuchungen kann man ohne weiteres behaupten, daß die Liturgiereform in der gesamten Kirche des lateinischen Ritus sowohl von den Gemeinden wie von den einzelnen Gläubigen im allgemeinen gut aufgenommen worden ist, insbesondere geschätzt wurden die Einführung der Landessprachen und die Vereinfachung der Riten; dadurch konnten die Gläubigen das, was für sie und in ihrem Namen am Altar verkündet wurde und vor sich ging, besser verstehen. Außerdem muß man mit Befriedigung anerkennen, daß dort, wo die Verantwortlichen eine gute Katechese über die grundlegenden und im Gottesdienst immer wiederkehrenden Themen hielten - wie die Heilsgeschichte, das Ostermysterium, den Bund (Gottes mit den Menschen), die verschiedenen Weisen der Gegenwart Christi in der Liturgie, das Priestertum Christi, das Amtspriestertum und das allgemeine Priestertum - die Gläubigen bemerkenswerte Fortschritte im Verständnis der Glaubensinhalte machen konnten und daraus Ansporn für jene christüche Reifung gewannen, die der heutige sozio-kulturelle Zusammenhang mit immer größerer Dringlichkeit fordert. Als ein weiteres Merkmal von großer Bedeutung muß die reiche und verschiedenartige Nahrung des Gotteswortes angesehen werden, das sich auf die Dauer dem Herzen und dem Leben der Zuhörer tief einprägen 1457 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN soll. Ferner darf man nicht die Zunahme der aktiven Teilnahme der Laien an der Liturgie vergessen, auch in Diensten, die früher den Klerikern Vorbehalten waren. Die nachfolgende Herausgabe zahlreicher Dokumente, die den normativen Teil von Sacrosanctum concilium genauer erklären und auch auf die Neuerungen anwenden, und die schrittweise Veröffentlichung der verschiedenen liturgischen Bücher haben nicht nur wirksam dazu beigetragen und tragen weiter dazu bei, das Interesse für die Liturgie neu zu beleben, sondern sie verhelfen auch zum Verständnis und geistlichen Genuß der Schattierungen des liturgischen Ausdrucks. 4. Aber die Pflicht gebietet freilich, daß zusammen mit den positiven Aspekten auch die negativen in Betracht gezogen werden. Es gab und gibt noch immer Widerstände von seiten einzelner oder Gruppen, die von Anfang an die Liturgiereform und die vom Konzil unternommenen Arbeiten insgesamt mit Mißtrauen aufgenommen haben; während es auf der entgegengesetzten Seite nicht an Leuten fehlt, die, mit den erzielten Ergebnissen unzufrieden, willkürliche Liturgien einführen, die Unruhe und Verwirrung unter dem Gottesvolk stiften. Außerdem gibt es gewisse Gruppen, die sich für ermächtigt halten, ihre eigenen Liturgien zu schaffen, denen aber, was Dauer und Art und Weise der Gottesdienste betrifft, jene Ausgewogenheit fehlt, an die sich die Liturgie der Kirche stets gehalten hat und in der Regel noch immer hält. Diese Leute vergessen, daß die Liturgie ihrer Natur nach der ganzen kirchlichen Gemeinschaft eigen ist und daß Hirten und Gläubige in Eintracht handeln müssen, damit sich in einem Bereich von so großer Bedeutung alles im Einklang mit den Weisungen der Kirche vollzieht. <88> <88> Was ich bisher ausgeführt habe, drängt mich natürlich dazu, einige Hinweise zu bekräftigen, damit die Liturgiereform ganz die Ziele erreicht, um deretwegen sie durchgeführt wurde, und damit diese Begegnung eine erschöpfendere Antwort auf die Erwartungen bietet. Die erste Weisung wird mir von Nr. 14 der Konstitution Sacrosanctum concilium eingegeben, wo von der „vollen, bewußten und tätigen Teilnahme“ die Rede ist, auf diehin alle Gläubigen mit „besonderer Sorgfalt“ unterwiesen werden sollten: Es besteht aber keine Hoffnung, dies zu erreichen - fügt der Text hinzu -, wenn nicht zuerst die Seelsorger selbst vom Geist und von der Kraft der Liturgie durchdrungen sind.4) Hier also gilt es zu beginnen: bei der liturgischen Ausbildung des Klerus und besonders der jungen Seminaristen „unter theologischem und histori- 1458 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schem wie auch unter geistlichem, seelsorglichem und rechtlichem Gesichtspunkt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 16).) Diese Ausbildung muß für das Studium und die Reflexion am meisten geeigneten Texte in den liturgischen Büchern und den in sie einführenden Dokumenten ausfindig machen: Apostolische Konstitutionen, Praeno-tanda, Institutiones generales. Natürlich wird sie sich - das ist die zweite Weisung - unter dem Kennzeichen der Treue entwickeln müssen, die in der tiefen Überzeugung gründet, daß die Liturgie von der Kirche festgelegt wird und daß Klerus und Gläubige nicht ihre Eigentümer, sondern Diener sind. Diese Treue sieht auch die Öffnung und Bereitschaft für jene Anpassungen vor, die die Kirche selbst gestattet und zu denen sie ermutigt, wenn sie mit den Grundprinzipien der Liturgie im Einklang stehen und von der Kultur eines Volkes gefordert werden. In diesem Licht wird - und das ist die dritte Weisung - unter bestimmten Bedingungen und entsprechend den Angaben der liturgischen Bücher jene richtig verstandene Kreativität zugebilligt werden können, die in den vorgesehenen Riten und Zeiten die Aufmerksamkeit der Gläubigen weckt und ihre Teilnahme neu belebt mit Meßformularen, die unmittelbar der konkreten Situation der Gottesdienst feiernden Versammlung entsprechen. Man wird jedoch niemals vergessen dürfen, daß die eigentliche Kreativität innerhalb der Kirche und in der Fügsamkeit gegenüber dem „creator spiritus“, dem Schöpfergeist <89>), entsteht, dem sich bei der Liturgiefeier Herz und Geist öffnen sollen. <89> Da ich mich zu meiner Freude an qualifizierte Mitglieder der Ortskirchen und an die Verantwortlichen der nationalen Liturgiekommissionen wenden kann, möchte ich euch als erstes empfehlen, auf jede Weise für die liturgische Ausbildung zu sorgen und sie zu verstärken, den Weisungen der Kirche treu zu sein, jenen Sinn für das Sakrale zu bewahren, der der Feier der Liturgie eigen ist, und vor allem euch mit großer Ausgewogenheit der euch anvertrauten Aufgabe zu widmen und die Rolle Gottes und jene des Menschen, die Hierarchie und die Gläubigen, die Tradition und den Fortschritt, das Gesetz und die Anpassung, den einzelnen und die Gemeinschaft, die Stille und den erhebenden Gesang in Betracht zu ziehen. So wird sich die irdische Liturgie wieder an die himmlische anknüpfen lassen, in der - nach dem hl. Ignatius von Antiochien - sich ein einziger Chor bilden wird, in dem alle die Noten von Gott empfangen und in engster Harmonie aufeinander abstimmen werden, um durch Jesus Chri- 1459 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stus den Vater einstimmig zu preisen; er wird uns hören und an unseren Werken erkennen, daß wir das Lied seines Sohnes sind.) Euch allen und euren Mitarbeitern erteile ich als Unterpfand meiner Liebe und als Vorzeichen reichen himmlischen Trostes von Herzen den Apostolischen Segen. Anmerkungen *) Zweites Vatikanisches Konzil, Konstitution über die heilige Liturgie, Sacrosanctum concilium, Nr. 1; AAS, 56 (1964), S. 97. 2) Ebd., Nr. 21: S. 105-106; Nr. 37: S. 110. 3) Vgl. Pius XII., Enzyklika über die heilige Liturgie, Mediator Dei, 20. 11. 1947, AAS 39 (1947), S. 532. 4) Sacrosanctum concilium, Nr. 14; a. a. O. S. 104. s) Ebd., 104. 6) Vgl. Officium Divinum, ex decreto Sacrosancti Oecumenici Concilii, Vaticani II instaura-tum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum, Liturgia Horum iuxta Ritum Romanum, ed. typ., Vol. II, Dominica Pentecostes, Hymnus ad 1 Vesperas, S. 795. 7) Vgl. Epistula ad Ephesios, IV, 1-2: ed. Funk, I, S. 216. „In den Sprachen aller Völker“ Predigt bei der feierlichen Messe zum Abschluß des internationalen Liturgiekongresses der Bischofskonferenzen in St. Peter am 28. Oktober 1. „Ja, du bist heilig, großer Gott . . . “ Dieses Bekenntnis zur Heiligkeit schöpfen wir aus den Worten des Propheten Jesaja, des Evangelisten des Alten Bundes: „Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heere. Von seiner Herrlichkeit ist die ganze Erde erfüllt“ (Jes 6, 3). Wir bekennen die Heiligkeit Gottes, in der sich sein ganzes Wesen ausdrückt: die Gottheit, die kein Geschöpf erforschen kann und die gleichzeitig alles anzieht durch ihre Heiligkeit. „Ja, du bist heilig, großer Gott, und alle deine Werke verkünden dein Lob!“ Alle Werke verkünden die Herrlichkeit Gottes durch ihr Dasein, durch das, was sie sind, und durch ihr Leben und Wirken. In der Welt der sichtbaren Wesen ist einzig der Mensch berufen, Stimme der Schöpfung zu werden und das Gotteslob zu verkünden. 1460 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Aus dieser Berufung des Menschen in der sichtbaren Welt nimmt die heilige Liturgie der Kirche ihren Anfang. Heute feiern wir die Erinnerung an ein bedeutsames Ereignis vor 20 Jahren, als das Zweite Vatikanische Konzil als erstes seiner Dokumente die Konstitution Sacrosanctum conci-lium verkündete. Es war der Liturgie gewidmet, und wir können nichts Besseres tun, als die denkwürdigen Worte wiederholen, die unser verehrter Vorgänger Paul VI. bei dieser Gelegenheit sprach: „. . . Das erste vom Konzil geprüfte Dokument über die heilige Liturgie, in gewissem Sinn auch das erste in seiner Bedeutung an sich und für das Leben der Kirche, ist zu einem glücklichen Ende gekommen und wurde heute feierlich von mir verkündet. Unser Herz jubelt über dieses Ergebnis. Wir erkennen hier wieder die Stufenleiter der Werte und Pflichten: Gott an erster Stelle; das Gebet, unsere erste Verpflichtung; die Liturgie, die erste Quelle des uns vermittelten göttlichen Lebens, die erste Schule unseres geistlichen Lebens, das erste Geschenk, das wir dem christlichen Volk machen können, das mit uns glaubt und betet, und die erste Einladung an die Welt, in seligem und wirklichem Gebet ihre stumme Zunge zu lösen und die unsagbar befreiende Macht zu spüren, mit uns vom Lob Gottes und den Hoffnungen des Menschen zu singen, durch Christus, unseren Herrn, im Heiligen Geist“ (AAS 56, 1964, S. 34). 3. Zur Erinnerung an dieses Ereignis sind heute mit dem Bischof von Rom um diesen Altar die Verantwortlichen der Kongregation für den Gottesdienst und zahlreiche Repräsentanten der Bischofskonferenzen der ganzen Welt versammelt, denen die konkrete und lebendige Aktualisierung der heiligen Liturgie im Gottesvolk der einzelnen Nationen, Sprachen und Kulturen, in denen sich dieses Volk gegliedert ausdrückt, anvertraut ist. Durch eure Teilnahme, liebe Brüder, gewinnen die Worte ein besonderes Gewicht, mit denen wir - Gott anbetend - ihm danken, weil „er sich bis ans Ende der Zeiten ein Volk versammelt, damit seinem Namen das reine Opfer dargebracht werde vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang“. So beten wir im Dritten Hochgebet. Diese Worte des Hochgebetes, die wir heute in Latein, in der gemeinsamen Sprache der Kirche, sprechen, wiederholen sich an vielen Orten der Erde, in zahllosen verschiedenen Sprachen, in denen die Bewohner der einzelnen Länder ihren Glauben an das christliche Mysterium und die Eucharistie, die Höhepunkt und Quelle dieses Mysteriums ist, bewußt ausdrücken und bekennen. Eben darum hat das Konzil in die Liturgie die Sprachen der einzelnen 1461 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Völker und aller Nationen eingeführt: damit „jedes Geschöpf“ und die ganze Menschheit im Chor die Heiligkeit Gottes lobe und preise, entsprechend dem eigenen Reichtum jedes Geschöpfes. 4. In diesen verschiedenen Sprachen wird die Eucharistie gefeiert. In diesen verschiedenen Sprachen wiederholen die Priester in der eucharisti-schen Versammlung die heiligen Worte, die Christus im Abendmahlssaal sprach, kraft derer sich unter Wirkung des Heiligen Geistes die Wesensverwandlung vollzieht: „Nehmt und esset alle davon: Das ist mein Leib ..." „Nehmt und trinket alle daraus: Das ist der Kelch . .. mein Blut .. .“ Diese Worte kommen in verschiedener Weise auf die Lippen der Priester, aber in jeder Sprache sind sie die gleichen. Und das eucharistische Wunder vollzieht sich'durch ihre Kraft auf die gleiche Weise. Und die Versammlung der Gläubigen grüßt auf die gleiche Weise den, „der kommt im Namen des Herrn . . . sie verkündet auf die gleiche Weise den Tod Christi, preist seine Auferstehung, bis er kommt in Herrlichkeit. 5. Mit den sakramentalen Worten Christi und mit den Riten, die sie begleiten, befinden wir uns mitten im Zentrum der Liturgie und auf ihrem Höhepunkt. „Durch deinen Sohn, unseren Herrn, Jesus Christus, und in der Kraft des Heiligen Geistes erfüllst du die ganze Schöpfung mit Leben und Gnade.“ Der Priester feiert die Eucharistie, indem er im Namen Christi handelt, „in der Rolle Christi“. Christus wirkt in der Kraft des Heiligen Geistes, des Trösters (Beistands). Deshalb ruft der Priester über Brot und Wein, die (nach der Überlieferung des Melchisedech) die ganze Hingabe des um den Altar versammelten Volkes ausdrücken, in Demut den Heiligen Geist an: „ .. . Heilige unsere Gaben durch deinen Geist, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohnes . . . “ <90> <91> <90> So verwirklicht sich die göttliche Heilsökonomie und die der Heiligung im sakramentalen Opfer des Leibes und Blutes Christi, „der sich selbst kraft ewigen Geistes Gott als makelloses Opfer dargebracht hat“ (Hebr 9,14). Die ganze östhche und westliche Tradition, alle orthodoxen Kirchen eingeschlossen, ist bezeichnenderweise darin einig, diese Anrufung des Geistes zu betonen, wenn auch mit unterschiedlicher Deutlichkeit 1462 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder Einordnung in die einheitliche und übereinstimmende Grundthematik des eucharistischen Hochgebetes. 7. So erreicht also Schritt für Schritt in der Kraft des Heiligen Geistes die göttliche Heilsökonomie ihre Erfüllung. „. . . Wir feiern das Gedächtnis deines Sohnes. Wir verkünden sein heilbringendes Leiden, seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt.“ Die Kirche fühlt sich, in besonderer Weise bei der Eucharistiefeier, als Volk Gottes, das in der Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes versammelt ist, wie sich der hl. Cyprian ausdrückt und wie es die Gebetssprache des Meßbuches passend bestätigt (Gabengebet in der Messe für die Universalkirche). Sie fühlt sich als mit Gott versöhntes Volk: „Schau gütig auf die Gabe deiner Kirche. Denn sie stellt dir das Lamm vor Augen, das geopfert wurde und uns . . . mit dir versöhnt hat.“ Dieses Volk wünscht, immer mehr „ein Leib und ein Geist zu werden in Christus“. Und der Heilige Geist, der der Geist Christi selbst ist, macht aus ihm eine Gabe, die Gott wohlgefällt, „damit wir das verheißene Erbe erlangen mit seinen Auserwählten, mit der seligen Jungfrau und Gottesmutter Maria . . . und mit allen Heiligen“. <92> <92> Nach den Fürbitten für die Lebenden und Verstorbenen schließt dieses Volk, das - so könnte man sagen - in der Eucharistie in noch größerem Maß Kirche „wird“, das Hochgebet ab, indem es sich mit den Worten des Priesters im abschließenden Lobpreis verbindet: „Durch ihn und mit ihm und in ihm ist dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Herrlichkeit und Ehre jetzt und in Ewigkeit!“ Es spricht dann im Chor, voll Glauben und Liebe, sein „Amen“ der Teilhabe und Zustimmung. Die Eucharistie „erreicht“ so die unerforschlichen Höhen des dreifältigen Mysteriums, zu dessen Verherrlichung die Liturgie ihren höchsten Hymnus singt, und die Eucharistie ist der lebendigste und wirksamste Ausdruck des „Lobopfers“, an dem teilzuhaben in der sakramentalen Wirklichkeit der heiligen Kommunion dann das ganze heüige Volk auf gef ordert wird. Liebe Brüder im Bischofs- und Priesteramt! Liebe Brüder und Schwestern in Jesus Christus, die ihr überall auf der Erde, entsprechend eurer Weihe und eurem Grad, an der Eucharistie teilhabt: Mögen in euch immer und ständig die Früchte der heiligen Liturgie leben und reifen! Sie ist der wesentliche Reichtum der Kirche. 1463 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der Liturgie ist Christus in besonderer Weise Immanuel, „Gott mit uns“, der mit uns betet, durch uns handelt und durch unsere Vermittlung fortfährt, in der ganzen Welt zu wirken. Öffnen wir unser Herz diesem göttlichen Wirken, wirken wir mit gemäß der Gnade, die uns angeboten ist. „Das Sakrament des Leibes und des Blutes Christi schenke uns ewiges Leben.“ Gebote, die allen gemeinsam sind Ansprache an die Mitglieder der Versammlung der westeuropäischen Union am 30. Oktober Meine Damen und Herren! Anläßlich der kurzen außerordentlichen Sitzung Ihrer Versammlung, die Sie in Rom abhalten, haben Sie diese Begegnung mit dem Papst gewünscht. Ich weiß dieses vertrauensvolle Verlangen zu schätzen, das es mir ermöglicht, die Parlamentarier, die den sieben Ländern der Westeuropäischen Union angehören, zu begrüßen und ihnen meine Wertschätzung und meine Ermutigung für ihre wichtige Aufgabe auszusprechen, die auf die Stärkung der Bande und die Festigung des Friedens in diesem Teil Europas abzielt. 1. Diese Union, die die Organisation des Vertrages von Brüssel fortsetzt, nahm am 23. Oktober 1954 Gestalt an. Ich kann Ihren Wunsch und Ihre Befriedigung verstehen, heute das 30jährige Jubiläum ihres Bestehens zu begehen. Ihre Länder haben in dieser Zeit, Gott sei Dank, keine Kriege geführt, und dieser Friede entspricht einem Ihrer Zwecke. Aber an Spannungen hat es in der uns umgebenden Welt und in Europa selbst nicht gefehlt, und Sie können um Ihrer selbst und um der anderen willen diesen Spannungen gegenüber nicht gleichgültig bleiben, denn sie beeinflussen die öffentliche Meinung Ihrer Länder und erschüttern den wahren Frieden. Die Wechselfälle im Zusammenhang mit den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Problemen haben Ihre Landsleute von innen her berührt, und Ihre Union nahm sich von Anfang an vor, an der Bewältigung der Auswirkungen dieser Probleme mitzuarbeiten 1464 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Sicher arbeiten auch andere gut aufgebaute europäische und interkontinentale Institutionen - denen Ihre Länder im übrigen angehören, die aber auch andere Partner einschließen - daran, entsprechende Lösungen auf den Gebieten der Sicherheit, der sozialen Rechte und des kulturellen Austausches bereitzustellen. Die Erfahrung lehrt jedoch - vielleicht noch mehr für Länder wie die Ihren, die von ihrer Geschichte und ihrem reichen Erbe stark geprägt sind -, daß die Einheit, soll sie wirksam sein und gleichzeitig die legitimen Rechte aller respektieren, nur schwer Fortschritte macht; die Reifung geht in diesem Bereich nur langsam voran; die Verwirklichung der Zusammenarbeit stößt auf viele Hindernisse, und man muß in der Tat klug Vorgehen. Darum kann die Solidarität, die das Innerste einer kleinen Gruppe tief durchdrungen hat, eine direktere Teilnahme der Betroffenen fördern und in dem Maße nützlich und günstig sein, in dem diese Gruppe für die Probleme der anderen offenbleibt und sich um die sich allmählich ausweitende Solidarität und die tatsächlichen Bedingungen für die Stärkung der Gerechtigkeit, der Freiheit und des Friedens in der Welt bemüht. In diesem Sinn spreche ich den Wunsch aus, daß Sie gemeinsam das verwirklichen, was tatsächlich dem Gemeinwohl Ihrer Länder entspricht und woraus Europa und die Weltgemeinschaft Nutzen ziehen könnten. 3. Ich habe diesen Dienst am Menschen - an den Menschen ohne Ausnahme - betont, weil ich überzeugt bin, daß Sie verstehen, warum der Hl. Stuhl nicht in die technischen, militärischen und politischen Erörterungen eingreifen kann, die den Gegenstand Ihrer Tagung bilden. In anderer Hinsicht jedoch hängen die Förderung einer Gemeinschaftsstruktur und, wenn ich so sagen darf, ihre Verteidigung auch von moralischen und geistigen Werten ab, und auf diesem Gebiet fühlt sich die Kirche zuständig. Wir haben eine bestimmte Vorstellung von der Zivilisation, die ihre Verwirklichung in verschiedenen Kulturen innerhalb des großen Europa finden kann, aber ihre Kraft aus Geboten schöpft, die allen gemeinsam sind: die Achtung der Freiheit und der Grundrechte des Menschen, seines Lebens, seines Gewissens und seiner geistlichen Bedürfnisse, der Berufung der Familie, einer wahrhaft demokratischen Beteiligung an den Angelegenheiten des öffentlichen Lebens und der Nation und - untrennbar davon - das Bemühen um Gerechtigkeit für alle und um das Gemeinwohl aller; die Sorge um das Los der Armen, die Ablehnung der Gewalt, der Kampf gegen die persönlichen und gesellschaftlichen Egoismen, der rechte Gebrauch der Freiheit, die Erziehung zum tiefen Lebens- 1465 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sinn, kurz, der Dienst an der menschlichen Würde, die Gott selbst garantiert. 4. Diese Werte hat das Christentum trotz der Grenzen und Fehlschläge, die den Schwächen der Menschen zuzuschreiben sind, die Völker Europas schätzen gelehrt; es hat das solide Fundament für sie gelegt, hat Generationen in diesem Sinn herangebildet. Das Christentum will und kann noch heute diesen Dienst erweisen. Die Zivilisation, welcher die europäischen Länder mit Recht verbunden sind, wird stark werden und sich von innen her zu verteidigen wissen, wenn sie ihre Seele bewahrt und ihre Kräfte und Fähigkeiten dazu benützt, die Überzeugungen zu festigen und den von mir vorhin angeführten Geboten entsprechend zu erziehen. Es ist das ein Dienst, an dem die Kirche und die Christen mit allen ihren Kräften teilnehmen, der aber ebenso alle Menschen guten Willens betrifft, alle, die die Einheit Europas fördern und ihren Beitrag zum Fortschritt der friedlichen internationalen Beziehungen und zur Entwicklung jener Länder annehmen, die auf das Vorbild und die Hilfe Europas zählen. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch. Ich bitte Gott, Sie zu inspirieren und Ihnen bei der geduldigen Arbeit zu helfen, die Sie zur Festigung der Bande unter Ihren Ländern leisten. Ich rufe seinen Segen auf Ihre Arbeiten, auf Sie persönlich, auf Ihre Familien und Ihre Heimatländer herab. „Die Gewissen erschüttert“ Zum Mord an Jerzy Popieluszko Vor Allerheiligen und Allerseelen wandern meine Gedanken zusammen mit den eurigen, hebe Pilger aus Polen, und mit denen all unserer lieben Landsleute zu den verschiedenen Friedhöfen, in denen unsere lieben Toten ruhen. Viele dieser Friedhöfe sind in Polen, andere außerhalb Polens. Wir wollen alle, die dort ruhen, im Glauben, in der Hoffnung und im Gebet zu dem umarmen, der der „Vater der Zukunft“ ist, zu dem, durch den alle leben (vgl. Lk 20,38). In unser Gebet wollen wir besonders den Priester einschließen, dessen Tod die öffentliche Meinung und das Gewissen der Menschen in Polen 1466 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und der ganzen Welt erschüttert hat. Auch wenn er vor den Augen der Menschen gelitten hat, bleibt unsere Hoffnung auf Unsterblichkeit (vgl. Weish 3,4). Erweisen wir ihm den letzten Gruß mit christlicher Würde und Gefühlen des Friedens. Ich möchte bei diesem Tod die Worte bei meiner letzten Pilgerreise nach Polen in Warschau in Erinnerung bringen. „Denn der Christ ist in Jesus Christus zum Sieg berufen. Ein solcher Sieg ist ebensowenig von Mühsal, ja sogar Leid zu trennen wie die Auferstehung Christi vom Kreuz. ,Doch schon heute hat gesiegt - selbst wenn er getreten auf der Erde läge -, wer hebt und verzeiht1, sagte Kardinal Wyszynski, ,wer wie Christus sein Herz, ja sogar das Leben für die Brüder hingibt1“ (Predigt in Warschau am 17. 8. 1983). Erweisen wir dem Priester Jerzy Popieluszko den letzten Gruß mit christlicher Würde und Gefühlen des Friedens. Die große moralische Bedeutung dieses Todes sollte in keiner Weise beeinträchtigt oder verdunkelt werden. Den Haß beseitigen! Telegramm zum Tod von Indira Gandhi an den indischen Präsidenten Giani Zail Singh am 31. Oktober Tief betrübt durch die Nachricht von dem schrecklichen terroristischen Akt, der Premierministerin Indira Gandhi das Leben gekostet hat, will ich Ihnen und dem indischen Volk mein aufrichtiges Beileid und meine Solidarität in der Trauer dieser tragischen Stunde ausdrücken. Ich bitte Gott, den Allmächtigen, er möge der Menschheit überall Weisheit und Mut geben, die Gefühle der Spaltung und des Hasses zu beseitigen, die zu Verbrechen und Gewalt führen, so daß durch seine Hilfe die Menschheitsfamilie auf dem schweren, aber unerläßlichen Weg des Friedens in Hoffnung fortschreite. Ich bete für alle Menschen Indiens, daß im ganzen Land unter den Bürgern Friede und Versöhnung herrschen möge. PAPST JOHANNES PAUL II. 1467 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinsame Glaubensschätze Ansprache an den Patriarchen der assyrisch-orthodoxen Kirche, Mar Denkha IV., bei der Audienz am 8. November Eure Heiligkeit! Die alle Jünger Christi verbindende Liebe hat Sie gedrängt, die Kirche Roms und ihren Oberhirten zu besuchen. Ich habe nicht vergessen, daß Sie auch bei der Eröffnungsmesse meines Dienstamtes als Bischof von Rom zugegen gewesen sind. Ich danke Ihnen für den heutigen erneuten Ausdruck dieser Verbundenheit und heiße Sie herzlich willkommen. Nach langen Jahrhunderten der Trennung nähern sich nun unsere Kirchen wieder einander, denn „der Herr der Geschichte, der seinen Gnadenplan mit uns Sündern in Weisheit und Langmut verfolgt, hat in jüngster Zeit begonnen, über die gespaltene Christenheit ernste Reue und Sehnsucht nach Einheit reichlicher auszugießen“ (Unitatis redintegratio, Nr. 1). Auf ihn, den einzigen Herrn aller, setzen wir unsere Hoffnung, eines Tages die volle Gemeinschaft zwischen uns herzustellen. Ihre Kirche, die im alten Mesopotamien gegründet wurde, hatte ihren Ursprung in der biblischen Offenbarung und zählt zu den ältesten Ortskirchen. Die Glaubensschätze, die wir gemeinsam haben, sind so umfassend, daß das, was uns eint und verbindet, bereits stärker und größer ist als das, was uns noch immer trennt. Aber es ist notwendig, die Mißverständnisse zu klären und schließlich die Meinungsverschiedenheiten zu beheben, die noch immer zwischen uns bestehen mögen. Wenn wir das tun, können wir zur vollen Gemeinschaft gelangen und so wirken, daß wir durch inständiges Gebet und brüderlichen Dialog dem Trachten Christi zu entsprechen vermögen, der betete, „alle sollen eins sein . . . , damit die Welt glaubt“ (.Joh 17,21). Ich weiß, daß vielerorts der Klerus und die Gläubigen unserer Kirchen in freundlicher Eintracht leben und unter oft schwierigen Bedingungen gemeinsam Zeugnis ablegen vom Evangelium Christi. Und mit den Katholiken des Patriarchats der Chaldäer gemeinsam haben Sie eine ehrenvolle Missionsgeschichte, das Zeugnis und die Lehre zahlreicher Heiliger, das mutige Beispiel vieler Märtyrer und ein reiches theologisches, liturgisches und spirituelles Erbe. Mein Wunsch ist es, daß ein Erbe wie dieses für alle eine ständige Aufforderung sein möge, dafür zu beten und zu arbeiten, daß die sichtbare Einheit des Leibes Christi wiederhergestellt werde. Um zu diesem großen Ziel beizutragen, sind die Hirten und die Gläubigen zu einer ständigen Umkehr des Herzens aufgerufen, so daß 1468 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN jede Kirche die Kraft ihrer Liebe und den Reichtum ihres eigenen Erbes beitrage zum Aufbau der einen Kirche Gottes. Eure Heiligkeit kommt aus einer Gegend, in der ein schrecklicher Krieg die Menschen seit vielen Jahren in Leid und Trauer stürzt. Diese Tragödie ist meine unaufhörliche Sorge, und ich versichere Ihnen, daß der Apostolische Stuhl alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzt, um zu einer raschen Wiederherstellung des Friedens beizutragen. Mit Ihnen bitte ich den Herrn, er möge unter den Gläubigen unserer Kirchen und unter allen Menschen guten Willens Friedensstifter wecken, damit die Menschheit überall in der Welt in Frieden und Würde leben kann. Ich bete auch zu den Aposteln Petrus und Paulus, die zu verehren Sie nach Rom gekommen sind, daß durch ihre Fürsprache der Herr Sie und alle Menschen, die er Ihrer pastoralen Sorge anvertraut hat, mit seinem reichen Segen überschütten möge. Weltweit die „Geißel des Hungers“ Ansprache an die Mitglieder des Exekutivkomitees der Caritas Internationalis am 12. November Herr Kardinal! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Es ist gewiß eine Freude für den Papst, aber auch für die Kirche, das „Sakrament der Liebe Gottes“ für die Menschheit, eine große Zahl von Delegierten der Caritas Internationalis brüderlich vereint zu sehen in der Absicht, den evangelischen Dienst an den Bedürftigsten, den „Geringsten“ noch zu verstärken. Seid alle willkommen! Ich beglückwünsche euch und alle, die ihr vertretet, zu der geleisteten guten Arbeit, die ein Garant dafür ist, daß der Sinn für Teüen über egoistisches Besitzen-Wollen oder die Angst, Mangel leiden zu müssen, die Oberhand gewinnt. Ihr werdet es wohl angebracht finden, daß ich besonders Kardinal Alexandre do Nasci-mento, euren Präsidenten, hochgeschätzter Prediger bei den diesjährigen Exerzitien im Vatikan, begrüße sowie euren ebenso eifrigen wie kompetenten Generalsekretär Gerhard Meier. 1469 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. Im vergangenen Jahr hatte ich anläßlich der 12. Vollversammlung eure Animation der Ortsgemeinden hervorgehoben und angespornt, die dahin zielen soll, daß die Ärmsten nach und nach Bauleute ihres eigenen Aufstiegs werden. Ihr seid davon überzeugt - und es ist unbedingt notwendig, daß wir alle davon überzeugen -, daß eine der Nächstenliebe verpflichtete Gemeinschaft, ob auf Pfarr-, Diözesan- oder nationaler Ebene, die Augen offenhalten und ihren Brüdern und Schwestern in Not die Augen öffnen muß für ihre Rechte auf ein menschenwürdiges Leben im persönlichen, kulturellen, familiären, wirtschaftlichen und zivilen Bereich, aber ebenso für ihre Rechte auf geistliche Entwicklung und Entfaltung und auf die Mittel, sie zu pflegen. Das Wort des Herrn muß im Geist und im Herzen jedes Mannes und jeder Frau, die sich in der Caritas Intemationalis engagieren, seine Frische und Dringlichkeit bewahren: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot“ (Mt 4,4). Diese Überzeugung wird uns befähigen, die Männer und Frauen, die an die Tür der Caritas klopfen, noch stärker dazu zu bewegen, daß sie die Talente ihres Verstandes, ihres Herzens, ihrer körperlichen Kraft nutzen, von denen sie manchmal glauben, daß sie in dem großen materiellen Elend verdorrt seien und die moralische Not sie gleichsam hemme. Mit einem Wort, eure Arbeit ist ebenso geistlicher wie materieller Art. Sie muß den ganzen Menschen fördern. 3. Diese Überlegungen veranlassen mich, euch zu ermutigen, euer Werk in umsichtiger und verstärkter Verbundenheit mit der Pastoral des Diö-zesanbischofs und seinem Rat, mit der Pastoral eurer jeweiligen Bischofskonferenzen und auch in guter Übereinstimmung mit der zuständigen römischen Stelle „Cor Unum“ zu vollbringen. Die Tätigkeit der Caritas Intemationalis und der gesamten karitativen Grundorganisation soll - was die Breite der Sicht, die konkrete Wirksamkeit und die Auswirkung des evangelischen Zeugnisses betrifft - allmählich von den Mitgliedern oder zumindest den rechtmäßig gewählten Vertretern aller apostolischen Kräfte einer Diözese, einer Region, eines Landes durchdacht und in die Tat umgesetzt werden: von den Laien und vom Klerus, von Ordensgemeinschaften und christlichen Vereinigungen der Erwachsenen und reifen Jugendlichen. Gemeinsam sollen sie ihren Brüdern und Schwestern helfen, denen es am Notwendigsten fehlt, die nicht oder nur schlecht über ihre Rechte auf ein würdiges Leben informiert sind und nur wenig Vertrauen in ihre Möglichkeiten als einzelne und als Gruppe haben, zu den Gütern und Werten zu gelangen, die die menschliche Person und die Gesellschaft aufbauen: Achtung, Gesundheit, Unterricht, eigenes Heim, 1470 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Arbeit, bürgerliche Rechte, Religionsfreiheit usw. werden ihnen helfen, sage ich, an diesen Errungenschaften mitzuwirken. 4. Natürlich muß man immer daran arbeiten, den eigenen Geist und das eigene Herz und das der anderen zu dieser zunehmenden und konkreten Solidarität mit den Bedürftigen zu bekehren, damit die zu einem unerläßlichen „Haben“ und zugleich zu einem „Sein“ gelangen. Die Quelle dieser Bekehrung liegt im ständigen Umgang mit dem Gott der Liebe. Ist es möglich, ohne ihn sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens aufzubauen? Der Herr, dessen innige Liebe und Barmherzigkeit in unübersehbarer Weise in Jesus Christus offenbar geworden sind, ist es, der uns diese bevorzugte Liebe für die „Geringsten“ einzuflößen vermag. Das ist besonders offenkundig, wenn man sich aufmerksam mit dem Leben der Helden der Nächstenliebe beschäftigt. Denkt an den hl. Vinzenz von Paul! Die Armen müssen erfahren, daß es Gott ist, der sie durch uns liebt! 5. Als ich mit euch vor nunmehr eineinhalb Jahren zusammentraf, war ich sehr froh gewesen zu hören, daß ihr die Bemühungen der Caritas Intemationalis auf drei wichtige Einsatzbereiche konzentriert habt: die Geißel des Hungers in der Welt, die natürlichen Ursachen, aber ebenso blinden und egoistischen wirtschaftlichen Optionen zugeschrieben werden muß; die oft dramatische Situation von Millionen von Flüchtlingen, die gezwungen sind, ihr Land wegen plötzlicher Katastrophen und - was vielleicht noch schlimmer ist - wegen der Gewalttätigkeit bewaffneter Gruppen oder unerträglicher Wirtschaftssysteme zu verlassen; schließlich die massive Urbanisierung infolge der Abwanderung vom Land mit allen sich daraus ergebenden Folgen. Noch einmal ermutige ich euch herzlich zu eurem Einsatz. <93> <93> Bei alledem könnt ihr nicht allein handeln. Eure Arbeit erfordert eine konzentrierte Aktion mit anderen Organisationen. Mit ihnen zusammen ist es euer besonderer Sendungsauftrag, in der entsprechenden Weise die Liebe Christi erklingen zu lassen, mit Geduld und Überzeugung die fortschrittlichen Lösungen der Gerechtigkeit und Brüderlichkeit glaubwürdig zu machen, die stets konstruktiver sind als der Versuch zur Gewalt. Meßt gleichfalls eure Möglichkeiten, nicht nur an der Basis zu wirken, sondern die Stimme und die Bedürfnisse der Armen auf der höchsten Ebene internationaler Gremien, wie z. B. der Vereinten Nationen, zu Gehör zu bringen. 1471 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 7. Wir leben, liebe Brüder und Schwestern, in einer Zeit, in der von vielen Verantwortlichen leider dem strategischen Gleichgewicht der Vorrang gegeben wird statt den Wegen der Gerechtigkeit und der Entwicklung. In diesen höchsten Kreisen, zu denen manche von euch Zugang haben, arbeitet ihr auch für die Bekehrung des Geistes und der Herzen. Wir alle hoffen dank der Hoffnung, die ein Geschenk des Herrn ist, wir alle hoffen, daß trotz übelster Zustände und neuer Entmutigungen in menschlicher Sicht die Liebe durch beharrliches Wiederbeginnen über die Egoismen der einzelnen und der Nationen siegen wird. Ohne etwas zu verbergen oder etwas von ihrer kirchlichen Identität zu verlieren, die sie als nichtstaatliche Organisation kennzeichnet, genießt die Caritas Interna-tionalis in internationalen Kreisen hohes Ansehen. Das sage ich nicht, damit wir daraus eitlen Ruhm ableiten, sondern damit wir alle dazu anspornen, unsere Talente und vor allem unser Herz gemeinsam in einer Arbeit einzusetzen, die mit Sicherheit zum Aufbau der Gesellschaft im Zeichen der Liebe beiträgt, die allein des nach dem Bild Gottes geschaffenen Menschen und aller nachfolgenden menschlichen Generationen würdig ist. Erlaubt mir, noch einige Worte hinzuzufügen, die mir besonders am Herzen liegen. Ich weiß, daß die Caritas Internationalis bemüht ist, der Bevölkerung Äthiopiens Hilfe zu bringen, die Opfer einer Hungerkatastrophe ist, die von der Dürre und auch von den aus Unsicherheit erfolgten Abwanderungen und Umsiedlungen verursacht wurde. Mit dem Gedanken an die wohlbekannten Worte des Apostels Paulus: „Wer leidet unter seiner Schwachheit, ohne daß ich mit ihm leide?“ (2 Kor 11, 29) darf ich sagen: Welches Volk macht eine Prüfung durch, ohne daß ich selbst davon betroffen wäre? Alle, die wir hier anwesend sind, leiden darunter, die Äthiopier in einer trostlosen Lage zu wissen. Darum ermutige ich eindringlich die Caritas Internationalis, alles ihr Mögliche zu tun, um der Bevölkerung Äthiopiens in Not Hilfe zu bringen. Und ich richte meinen Appell an alle Völker guten Willens, den Menschen in dieser dramatischen Situation zu Hilfe zu kommen. Mit diesen Empfindungen ist es mir eine große Freude, euch und alle, die ihr vertretet, zu segnen im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 1472 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Ihr seid das Herz, das mitfühlt“ Ansprache an die Teilnehmer der 13. Vollversammlung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ am 17. November Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Das ist die 13. Vollversammlung, die der Päpstliche Rat „Cor Unum“ abhält. Ich freue mich immer, bei dieser Gelegenheit die Verantwortlichen und alle Teilnehmer und mit ihnen diejenigen zu empfangen, die Tag für Tag hier die reichbemessene Arbeit des Generalsekretariats leisten. Grund dafür ist die Bedeutung des Werkes, das euch anvertraut ist und das in der von euch herausgegebenen Broschüre gut dargestellt wird: „Die moderne Diakonie der Nächstenliebe im Zentrum der Kirche.“ Aber diese Audienz hebt auch die besonderen Dienste hervor, die der Rat „Cor Unum“ im Namen des Papstes übernimmt und die eine besondere Verbundenheit mit ihm begründen: ist „Cor Unum“doch das institutionelle Organ seiner Nächstenliebe. Mit Freude begrüße ich den neuen Präsidenten, den lieben Kardinal Roger Etchegaray, der seine Metropole Marseille verlassen hat, um sich dieser universalen Sendung der Nächstenliebe zu widmen. Und ich begrüße um ihn sämtliche Mitarbeiter von „Cor Unum“, von denen viele zum ersten Mal an seiner Versammlung dieses Rates teilnehmen. Liebe Freunde, zusätzlich zu den schweren Verpflichtungen, die ihr außerdem wahrnehmt, wurdet ihr zu diesem Dienst an der Gesamtkirche berufen, und wir zählen sehr auf eure Mitarbeit. Eure Teilnahme an dieser Tagung ist für euch nicht nur eine Information, sondern ein engagierter Einsatz. <94> <94> Ihr kennt die Ziele, die sich mit der Gründung von „Cor Unum“ verbanden. Wie der Rat es bis jetzt zu tun bestrebt war, werdet ihr euch bemühen, die Kräfte und Initiativen der verschiedenen katholischen Einrichtungen, die bereits mit großer Einsatzfreude in den Bereichen der Nächstenliebe, der menschlichen Förderung, des Gesundheitswesens arbeiten, in Einklang zu bringen, und zwar nicht um eine Zentralisierung oder Vereinheitlichung zu fördern, sondern eine notwendige Verständigung, ein konzentriertes Vorgehen und eine bessere Verteilung der Geldmittel und Aktionsmöglichkeiten vor allem angesichts unvorhergesehener Katastrophen, Naturkatastrophen großen Ausmaßes oder der tragischen 1473 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Folgen menschlicher Konflikte. Ihr werdet euch in erster Linie den Bischöfen, den Ortskirchen zur Verfügung stellen, damit sie aus diesen Mitteln Nutzen ziehen können. Ihr werdet eine Zusammenarbeit mit den getrennten Brüdern versuchen, die ähnliche Werke unternehmen, sowie mit den Verantwortlichen für das Gemeinwohl, den Organisationen öffentlichen und internationalen Charakters. Ihr werdet eine Instanz der Begegnung, des Dialogs und auch der vertieften theologischen Reflexion über die Nächstenliebe und ihre Verwurzelung in der christlichen Botschaft sein, um zu ihrer Erneuerung und Entfaltung in der ganzen Kirche beizutragen. 3. Eure Vollversammlung läßt euch eine Bilanz ziehen über die im letzten Jahr geleistete Arbeit und weitere Projekte ins Auge fassen. Ich brauche hier nicht auf Einzelheiten einzugehen. Aber ich kann nicht umhin, mit euch an die großen, dringenden Notstände zu denken, die sich in der Kirche und in der Welt abzeichnen und bei denen wir weiterhin entsprechend unseren Möglichkeiten aktiven Einsatz leisten und unsere Zeitgenossen dafür sensibilisieren müssen. Die äußerste Not in weiten Gebieten Afrikas infolge der Dürre und des katastrophalen Hungers, den sie nach sich zieht, muß unseren Einfallsreichtum und unsere Kräfte mobilisieren. Mit euren Brüdern und Schwestern von der Caritas Internationalis habe ich vor einigen Tagen einen eindringlichen Appell für unsere Brüder in Äthiopien ergehen lassen, wo Tausende von Menschen, Erwachsene und Kinder, sich in ständiger Todesgefahr befinden. Und ich kann nicht die zahlreichen anderen Länder dieses Kontinents vergessen, die sehr schwierige Situationen derselben Art zu bewältigen haben. Unsere Stiftung für die Sahelzone trägt zur Vorbereitung einer besseren Zukunft bei, aber es gilt, bereits mit dem Drama der Gegenwart fertigzuwerden. Aus verschiedenen Gründen infolge von Kriegen, Konflikten, Guerillakämpfen leben viele andere Menschen ebenfalls in sehr bedenklicher Situation, die noch verschärft wird durch das Femsein von ihrem Land oder ihrer Familie: Die Flüchtlinge in Asien, Afrika oder Lateinamerika; und ich danke euch für alles, was ihr für sie getan habt und tun werdet. 4. Die Bedürfnisse sind vielfältig. Unser Einsatz könnte als unproportioniert erscheinen. Aber er trägt tatsächlich, wirksam und pünktlich zur Linderung bei; er ist beispielgebend; er spornt dazu an, die Zukunft in die Hand zu nehmen; er löst eine Welle der Nächstenliebe aus. Und bei voller Wahrung seiner Eigenart verbindet er sich mit dem, was von den interna- 1474 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tionalen Instanzen unternommen wird, mit denen nützliche Beziehungen in bezug auf Information und Zusammenarbeit zu unterhalten euch am Herzen liegt: Dazu gehören die Sonderorganisation der Vereinten Nationen, das Hochkommissariat für das Flüchtlingswesen, die UNO-Organisa-tion für die Hilfe in Katastrophenfällen (UNDRO), die Weltgesundheitsorganisation, die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und andere. Über die Dienste der Information, der Koordinierung und des Einsatzes hinaus versucht ihr schließlich in der Kirche, insbesondere in euren Arbeitsgruppen, Überlegungen über die solidarische gesamtmenschliche Förderung, über die Gesundheit und anderes anzuregen. Es ist wichtig, daß der Pastoral der Kirche auf ihren verschiedenen Ebenen eine solche Reflexion zu Nutzen kommt; das ist eine Sicht, die sie bei ihren Bemühungen um Evangelisierung niemals vergessen darf. 5. Und auch ihr dürft niemals aus den Augen verlieren, daß die Nächstenliebe die Seele der Sendung des Päpstlichen Rates „Cor Unum“ ist. Ihr müßt nachdrücklich und tatkräftig das Zeugnis geben, das normalerweise alle Christen kennzeichnen sollte: die Liebe zum Nächsten. Ihr seid gewissermaßen das Auge, das die vielfältigen Armutsformen wahmimmt und unterscheidet. Ihr seid das Herz, das mitfühlt und für den andern in Not das tun will, was man sich für sich selbst wünschen würde. Ihr seid die Hand, die sich brüderlich ausstreckt und wirksam Hilfe leistet. Das ist die Berufung der Christen. Und es ist ein gutes Zeichen, heute in manchen Ortskirchen und bei manchen Verantwortlichen im zivilen Bereich verstärkte Senisibilität für die neue Armut feststellen zu können, für die wirklich Armen in einer Gesellschaft, die doch zu einer hohen Stufe der Organisation und Entwicklung gelangt zu sein schien und die geglaubt hatte, es ließe sich alles auf der Ebene der Gerechtigkeit regeln. Doch der Grund unserer Nächstenhebe ist die unveräußerliche Würde, die wir jedem Menschen zuerkennen, der nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen, von Gott geliebt, von Gott gerettet und von ihm als sein Kind angenommen ist und der mit Christus selbst identifiziert wird. Wir dürfen uns nicht damit abfinden, diesen Bruder, der in den Augen Gottes einen so hohen Wert besitzt, im Elend, in der Verlassenheit, in der Vereinsamung zu lassen. Unsere Liebe geht über das gefühlsmäßige Mitleid hinaus, das sicher ein natürlicher Zugang zur Nächstenhebe ist. Sie geht über die horizontalen Solidaritätsformen hinaus. Sie stützt sich auf diese Transzendenz, die wir in jedem unserer Brüder anerkennen. Unsere Brüderhchkeit hat ihre Quelle in Gott. Das ist das erhabene und machtvolle Zeugnis, das ihr in der Kirche ablegen müßt wie ein Licht, das 1475 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN man nicht unter den Scheffel stellen sollte, wie eine Fackel, die vor den Augen der Menschen brennen soll. Und zugleich bewahren wir in aller Demut das Bewußtsein, nur Diener zu sein. Liebe Brüder und Schwestern, ich versichere euch meines ganzen Vertrauens. Ich bitte den Heiligen Geist, den Geist der Liebe, er möge sein Licht und seine Kraft geben, und segne euch von ganzem Herzen. „ Und die Welt wartet“ Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung des Päpstlichen Rates für die Laien am 19. November Liebe Brüder und Schwestern in Christus! 1. Diese Begegnung mit euch, vor allem mit denen, die erst vor kurzem Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Laien geworden sind und zum ersten Mal an einer Jahresversammlung teilnehmen, ist für mich eine große Freude! Ich begrüße euch alle ganz herzlich. Und besonders wende ich mich an Kardinal Eduardo Pironio, der diesem Rat seit einigen Monaten vorsteht, und an alle Mitglieder, die generell für die Organisation des Laienrates tätig sind. Meine Anerkennung gilt allen und jedem einzelnen. Ich schätze eure Mitarbeit sehr und kann die Mühen ermessen, die ihr auf euch nehmt, um der Kirche zu dienen. Meine Dankbarkeit will gegenüber den neuen Mitgliedern herzliche Ermutigung sein für ihre hochherzige Bereitschaft, zur Lebendigkeit der römischen Institution für das Laienapostolat beizutragen. Jeder von euch hat seine persönliche Erfahrung, die er in seinem engagierten Einsatz in apostolischen Bewegungen, nationalen Laienräten und vielen anderen Formen der Mitarbeit am missionarischen Leben der Kirche gelebt hat und reifen ließ. Jeder ist seinen besonderen Glaubensweg gegangen, hat Gott im Lauf seines Lebens gefunden. Die Kirche läßt sich nicht ohne die Mitwirkung aller Glieder des Leibes Christi aufbauen. So wie jedes Glied den Leib braucht, ebenso braucht der Leib alle seine Glieder. Daran erinnert der Apostel Paulus die Christen von Korinth: „Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus. Durch den einen Geist 1476 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib auf genommen . . . “ (1 Kor 12,12-13). Ihr seid einbezogen in das Leben und in die Sendung eines Organismus der Römischen Kurie, der auf Wunsch der Väter des Zweiten Vatikanischen Konzils von meinem Vorgänger Paul VI. geschaffen wurde. Er hat an Erfahrung und an Reife gewonnen. Er hat deutliche Zeichen treuen Dienstes, der Bedeutung seiner Aufgaben für das Leben der Kirche und das Dienstamt des Papstes erkennen lassen. Die Verpflichtungen, die ihm anvertraut werden, stellen hohe Anforderungen. Ihr sollt zunehmend davon überzeugt sein, daß ich auf eure Mitarbeit zähle, aber ebenso, daß ihr eurerseits mit meiner Aufmerksamkeit und meiner Unterstützung für die Arbeit der kommenden Jahre rechnen könnt. 2. Ihr seid auf gerufen, in einem besonders günstigen Augenblick am Leben des Päpstlichen Rates für die Laien teilzunehmen. Vor zwanzig Jahren ging das Zweite Vatikanische Konzil zu Ende. Und der von diesem großen Ereignis befruchtete Weg der Kirche wird schon bald bei dem für die Bischofssynode über das Thema „Die Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt“ vorgesehenen Termin anlangen. Diese beiden Ereignisse sind eng miteinander verbunden. Ihr wißt sehr wohl, mit welcher theologischen Tiefe, mit wieviel kirchlicher Weisheit, mit welchem Geist der Erneuerung das Zweite Vatikanische Konzil die verstärkte und bewußte Teilhabe der Laien an den apostolischen und missionarischen Aktivitäten der Kirche gewünscht und angeregt hat. Im Konzilsplan, der sich um zwei Hauptachsen entwickelt - Lumen gentium und Gaudium et spes - und der in der Folge dank der Bischofssynoden bereichert und von den positiven Erfahrungen der geistlichen Erneuerung bestätigt wurde, findet sich die fruchtbare Grundlage für einen Neuaufschwung christlichen Lebens im Laienstand. Ich habe mir immer gewünscht, daß mein Pontifikat die volle und legitime Verwirklichung des Konzils zum fundamentalen Ziel haben möge. Und die nächste Bischofssynode heißt uns, auf diesem Weg weiterzugehen, was die Sendung der Laien in der Kirche und in der Welt betrifft. 3. Die Summe eurer Erfahrungen, Probleme und Herausforderungen muß im Licht des Evangeliums und des Lehramtes der Kirche betrachtet und wahrgenommen werden. In den der Synode vorausgehenden Beratungen muß zu einer ausgedehnten Beteiligung der Laien und ihrer Bewegungen und Vereinigungen ermutigt werden. Heutzutage sind die Laien im Gottesdienst, in der katechetischen Arbeit und in den verschiedenen Strukturen der Ortskirchen aktiv präsent. Sie erfüllen verschiedene 1477 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rollen in dem nicht dem Weiheamt vorbehaltenen Dienst; sie fördern und unterstützen Priester- und Ordensberufe, wobei sie ihre Inspiration aus dem Evangelium und der Soziallehre der Kirche ziehen; sie arbeiten im Einsatz für die Gerechtigkeit und die Verteidigung von Würde und Freiheit. Sie legen in der Familie, unter den Armen, in den Schulen, in der Arbeitswelt - von Alltagsangelegenheiten bis zum internationalen Leben - Zeugnis ab von ihrer christlichen Überzeugung. Zusätzlich zu den herkömmlichen Vereinsformen entstehen verschiedene kirchliche Bewegungen, die Reife erlangen und so die Lebenskräfte der Kirche bereichern. So viele Erfahrungen, so viele Probleme, so viele Hoffnungen! Heute will ich euch nur einen Gedanken hinterlassen, einen Gedanken, den ich für grundlegend auf diesem Gebiet halte. Die dynamische Verkündigung des Evangeliums begann mit dem Kommen des Heiligen Geistes in Form von Sturm und Feuer. Die Botschaft vom Tod und der Auferstehung Christi ist kein statischer Tatbestand. Sie verlangt Bewegung. Sie versucht, andere anzueifern. Sie verlangt, weit und breit bekanntgemacht zu werden. Und die Welt wartet. Denn der Materialismus vermag das menschliche Herz nicht zu befriedigen. Wie erhöhen wir die Quantität und Qualität der christlichen Laien, die sich zunehmend ihrer eigenen Würde, ihrer Verantwortlichkeiten, ihrer spezifischen Aufgaben bewußt werden und dazu beitragen, die großen Einsichten und Impulse des Zweiten Vatikanischen Konzils nicht nur für eine elitäre Minderheit, sondern für das ganze Volk Gottes zur Wirklichkeit zu machen? Das ist eure Aufgabe und die Herausforderung, die euch erwartet. Die Heranbildung der Laien erfordert katechetische Arbeit überall in der Kirche. Sie erfordert die Verbannung jeglicher Trennung zwischen Glauben und Leben in der Erfahrung der Getauften. Intellektuelle Analyse allein, so notwendig sie ist, genügt nicht. Wir müssen eine Umwelt schaffen, die die Umkehr fördert, die offen ist für die Verjüngung des Impulses, das Gotteswort zu empfangen, und seine Gebote und seine umwandelnde Kraft begrüßt. 4. In dieser Perspektive sehen wir, daß sich eine große Aufgabe für eine ständig wachsende Zahl von Laien abzeichnet, die sich ihrer grundlegenden und besonderen Berufung bewußt sind: Baumeister einer Welt zu sein, die der Würde jedes einzelnen und aller Menschen besser entspricht. Die Welt braucht die Anwesenheit und den besonderen Beitrag der Christen in vielen Bereichen: dort, wo der wissenschaftliche und technische Fortschritt mit dem Ethos in Einklang gebracht werden muß; wo die 1478 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Kämpfe gegen Krieg und Hunger ausgefochten werden; wo der menschliche Wert der Arbeit in der Solidarität der Arbeiter selbst offenkundig wird; wo eine Kultur verteidigt und gefördert wird, die für das Leben und nicht für den Tod eintritt; wo sich einzelne und Völker der Knechtschaft der verschiedenen Formen des Materialismus bewußt werden und sich den Lügen der Ideologien widersetzen, auf die sich der Materialismus gründet; wo echte Brüderlichkeit und Gemeinschaft aufgebaut wird. Mit einem Wort, die Welt braucht den Beitrag von Christen, wo immer die verheißungsvollen Zeichen einer neuen Gesellschaft im Zeichen der Wahrheit und der Liebe sichtbar sind. Wie ihr diese Wege zusammen mit Christus geht, ist es vor allem die Jugend, die dazu aufgefordert werden sollte. Sie ist, wie ich schon oft gesagt habe, die Hoffnung der Kirche, die Welt von morgen. Und diese meine Überzeugung ist heute noch stärker: nach dem außergewöhnlichen Ereignis, dem Jubiläumsjahr für die Jugend, das von eurem Rat unter hochherziger Mitarbeit verschiedener Jugendbewegungen und -gruppen in Rom veranstaltet wurde. Ich persönlich habe dieses Ereignis mit Freude und Begeisterung erlebt. Ich spürte den Hauch jenes Pfingstgei-stes, der die Herzen zu verwandeln vermag. Ich nahm seine Früchte wahr, wenn ich die Gesicher dieser jungen Menschen sah. Es wäre falsch, nicht die pastorale Gelgenheit zu ergreifen, die solche Zusammenkünfte bieten. Darum ermutige ich euch einmal mehr, das Projekt voranzutreiben, das mir so sehr am Herzen liegt, nämlich das vom Päpstlichen Rat für den nächsten Palmsonntag und den voraufgehenden Samstag im Rahmen des Internationalen Jahres der Jugend geplante internationale Jugendtreffen. Es ist meine lebhafte Hoffnung, daß, während das Treffen in Rom stattfindet, ähnliche Feiern in allen Ortskirchen, auch mit Hilfe der internationalen Jugendorganisationen, abgehalten werden. Ich bin mir bewußt, daß ich viel von euch verlange, aber ich weiß, daß ihr eure Verantwortlichkeiten als Mitglieder des Päpstlichen Rates für die Laien dem Herrn anvertrauen werdet in dem Wissen, daß er allein eurer Arbeit und euren Bemühungen Fruchtbarkeit verleihen kann. Bleibt darum verbunden in eurem Gebet und in eurer Arbeit. Ich zähle auf euren Dienst und auf eure Treue. Und ich zähle auf eure Gebete für mein Vorhaben für die ganze Welt. Möge euch die Jungfrau Maria begleiten. Möge sie, der erste Jünger, für jeden von euch ein Vorbild und Beispiel sein, das euch lehrt, alles zu tun, was der Herr Jesus verlangt. Um der Ehre des Namens Jesu willen mühen wir uns ab und kämpfen. Sein Geheimnis versuchen wir, der Welt mitzuteilen. „Die Gnade Jesu Christi, unseres Herrn, sei mit euch allen!“ (2 Thess 3,18). 1479 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die hl. Cäcilia - „ein Gotteswunder“ Predigt bei der Messe in der römischen Basilika Santa Cecilia am Cäcilienfest, 22. November „Ich traue dich mir an auf ewig, ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen“ (Hos 2, 21). 1. Mit diesen Worten stellt der Prophet Hosea die Liebe dar, die Gott für Israel, das Volk der Verheißung, empfindet; die heutige Liturgie wendet diese Worte mit Recht auf die hl. Cäcilia an, um in zusammenfassenden Worten auf ihr Leben als Jungfrau und Märtyrerin Christi hinzuweisen. Ich freue mich, daß ich die heilige Messe in dieser berühmten Basilika feiern kann, die der in der ganzen Kirche verehrten, bedeutenden, römischen Märtyrerin geweiht ist, und ich nehme gern die Gelegenheit wahr, um vom Altar einen besonders herzlichen Gruß an alle Bewohner von Trastevere zu richten, dieses Stadtviertels, das von alters her durch sein unverfälschtes Römertum, die vielen kostbaren, geschichtlichen und literarischen Denkwürdigkeiten und vor allem wegen der verschiedenen religiösen und Dienstleistungsstätten, die ihm einen typischen und anziehenden Charakter verleihen, bekannt ist. Ich möchte meiner Anerkennung Ausdruck geben für die verschiedenen Gebets- und Bildungsinitiativen, die hier entfaltet werden. Wir befinden uns an einem Ort, der reich ist an heiligen Erinnerungen und dichter Spiritualität. Denn wir wissen, daß sich über dem Haus der Märtyrerin seit dem 3. Jahrhundert eine Kultstätte befand, die dann von Papst Paschalis I. im Jahr 821 erneuert wurde, um den Körper der hl. Cäcilia, den man in den Katakomben aufgefunden hatte, zu bewahren. Seit den frühesten Zeiten ist also diese Kirche ein Ort der Verehrung, des Gebets und der Wallfahrten gewesen. Denn der Name der Märtyrerin Cäcilia ist berühmt und wird seit der Zeit der Verfolgung verehrt, er wurde in den römischen Kanon der Messe aufgenommen, und er wird in zahlreichen Dokumenten und Sammelwerken erwähnt, die die Geschichte, Kunst, Architektur, Liturgie und Legende betreffen, darunter die poetische und ergreifende Erzählung von Jacopo da Varagine in der Legenda Aurea. Cäcilia ist also eine ganz und gar römische und gleichzeitig auch universale Heilige, und wir, in diesem 20. Jahrhundert, wollen fortfahren, sie zu verehren und zu ihr zu beten, während wir ihre Botschaft des Glaubens und der Liebe hören und sie den kommenden Generationen weitergeben. 1480 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 2. In den stürmischen Zeiten der Verfolgung war Cacilia, die sich ganz Christus geweiht hatte, so sehr Zeugin des Glaubens, daß sie - wie die ursprüngliche Passio berichtet - auch den jungen Heiden Valerianus und dessen Bruder Maximus bekehrte. „Zeugnis heißt auf griechisch ,marty-rion‘ - schrieb der hl. Augustinus -, ein Wort, das wir gewöhnlich statt des entsprechenden lateinischen Begriffes gebrauchen. Deshalb nennen wir diejenigen, die Demütigungen und Folterqualen auf sich genommen haben, um Zeugnis zu geben von Christus, und die bis zum Tod gekämpft haben, um die Wahrheit zu verteidigen, ,Märtyrer1 (Enarr. in Ps. 118, Sermo 9,2).“ Eine solche Märtyrerin war in der Tat die hl. Cäcilia, die mutig und ruhig den Tod auf sich nahm, weil sie zutiefst von der Wahrheit, an die sie glaubte, überzeugt war, und so am Erlösungswerk des ersten Märtyrers, Jesus, teilnahm. Der hl. Augustinus fuhr in seinem Kommentar wie folgt fort: „Die Fürsten setzen sich hin und beschließen, sich von den Märtyrern Christi zu befreien; die Märtyrer beschließen durch ihr Leiden, die bereits verlorenen Feinde zu erlösen. Die einen vergelten das Gute mit dem Bösen; die anderen vergelten das Böse mit dem Guten“ (ebd., Sermo 9,3). Jesus starb am Kreuz für die Wahrheit, aber auch, um die Menschheit vor dem Bösen zu retten: Er machte sich zum Sühneopfer: „Nicht darin besteht die Liebe, daß wir Gott geliebt haben, sondern daß er uns geliebt und seinen Sohn als Sühne für unsere Sünden gesandt hat“ (2 Joh 4,10). Märtyrer sein bedeutet, bereit zu sein, mit Christus und für Christus zu sterben, um die Authentizität seines Erlösungstodes zu bezeugen und an seinem Heilswerk teilzunehmen. Der Märtyrer nimmt mutig die Prüfung an, die in geheimnisvoller Weise über ihn hereinbricht, und überläßt sich voll Vertrauen der Liebe Gottes zum Wohl der Brüder. „Die Märtyrer“ -sagte Kardinal Newman - „sind keine zufälligen, wahllos herausgegriffenen Opfer; sondern sie sind auserwählt als Gott sehr willkommenes Opfer; als ein kostbares Geschenk, als die erlesene Blüte der Kirche. Personen, die sehr wohl wußten, was sie von ihrem Glaubensbekenntnis zu erwarten hatten, denen das Abschwören des Glaubens nahe lag, die aber ausgehalten und aus Liebe zu Christus gekämpft und nicht nachgelassen haben . . . Das Martyrium ist in der Sicht des Glaubens eine Bekundung der besonderen Macht Gottes, ein Wunder, das so groß ist wie die sichtbar gewirkten“ (Oxforder Predigten, 1843). Auch Cäcilia war ein Gotteswunder, vom Herrn auserwählt, um die Brüder im Glauben zu bestärken. 3. Cäcilia war - wie das Gleichnis des heutigen Evangeliums berichtet -eine jener klugen Jungfrauen, die den himmlischen Bräutigam mit bren- 1481 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN. nender Lampe erwarteten und einen Vorrat an Öl mitnahmen: die Lampe des Glaubens, die sie jeden Tag nährte, wenn sie die Heilige Schrift las und die Diener Gottes hörte. Die Passio berichtet, daß sie das Evangelium in ihrem Herzen hütete und daß sie, zu Tode getroffen, auf der rechten Seite lag, die Knie gebeugt, die Arme nach vorn gestreckt, das Haupt gesenkt, drei Finger der rechten und einen Finger der linken Hand ausgestreckt, um ihren Glauben an die Einheit und Dreieinigkeit Gottes anzuzeigen. So ist sie auch in der schönen Statue Madernas dargestellt, die in dieser Basilika aufbewahrt wird. Das ist die grundlegende Lehre, die uns die hl. Cäcilia hinterläßt: Wir müssen die Lampe des Glaubens angezündet halten; wir müssen mit wacher Aufmerksamkeit das himmlische Mahl erwarten, weil uns die Zeit nicht gehört und für jeden von uns von einem Augenblick zum andern der Ruf des Evangeliums erschallen kann: „Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen!“ Es ist eine Lampe, die uns die Kraft gibt, auch die schmerzlichen und widrigen Wechselfälle des Lebens anzunehmen in der Aussicht auf die ewige Seligkeit bei Gott, die uns am Ende des Daseins erwartet. Das Zeugnis der Wahrheit stößt mitunter auf Widerstände, ruft Widerspruch hervor, kann Haß und Verfolgung auslösen. Der göttliche Meister hatte das bereits vorausgesagt: „Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen“ (Joh 15,20). „Selig seid ihr, wenn ihr um meinetwillen beschimpft und verfolgt werdet. . . “ (Mt5,11). Der Glaube sagt uns, daß Christus die Welt besiegt hat: Er ist immer bei uns, jeden Tag, bis an das Ende der Zeiten. Uber dem Grab der römischen Märtyrerin Cäcilia und vieler anderer Zeugen Christi denken wir darum voller Liebe und Bewunderung an die vielen unserer Brüder, die heute für unseren Glauben leiden. Wir gedenken ihrer! Wir beten für sie! Wir danken ihnen, weil ihr Beispiel dazu beiträgt, auch unsere Flamme brennend zu halten. Es handelt sich um eine Flamme, die unaufhörlich durch das Gebet und die Meditation genährt werden muß, da allein aus den tiefen persönlichen Überzeugungen und aus der übernatürlichen Hilfe der Gnade das Licht der Wahrheit in uns seine Kraft bezieht. Um den Schwierigkeiten und Feindseligkeiten der Welt zu begegnen wie Cäcilia, ist es notwendig, daß die Lampe des Glaubens voll angezündet ist und das Licht richtig leuchtet, so daß es alles, auch das Leben zu geben vermag! 4. Es ist bekannt, daß im Mittelalter eine merkwürdige Auslegung der Passio die hl. Cäcilia zur Schutzpatronin der Gesang- und Musikkünstler machte. „Als die Instrumente spielten“ - schreibt das Dokument -, sang 1482 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Cäcilia in ihrem Herzen nur dem Herrn die Worte: „Mein Herz und mein Leib sei unbefleckt, damit ich nicht entstellt werde!“ Vom 15. Jahrhundert an ließ sich die Ikonographie stark davon inspirieren, die hl. Cäcilia mit einem Musikinstrument darzustellen. Raffael aber verband mit seinem schöpferischen Genie auf einem berühmten, 1516 entstandenen Bild in wunderbarer Weise den antiken Märtyrerbericht (Passio) mit der späteren Auslegung und stellte Cäcilia mit den zu ihren Füßen abgelegten irdischen Musikinstrumenten und ganz dem Lauschen der himmlischen Harmonie hingegeben dar. Mit dem lebhaften Wunsch, daß durch die Fürsprache der hl. Cäcilia auch die Instrumentalmusik und der Chorgesang fortfahren, Gott zu loben, indem sie die Herzen erheben und Gefühle der Brüderlichkeit und Frömmigkeit inspirieren, bitten wir die römische Märtyrerin um die Gnade, stets die göttliche Harmonie der von Christus offenbarten Wahrheit wahrzunehmen und zu kosten. Amen. Beten ist ein Geschenk, eine Freude Ansprache bei der eucharistischen Anbetungsstunde in Sankt Peter am 24. November „Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden“ (vgl. Lk 24,29) 1. Diese Anrufung steigt spontan aus dem Herzen auf vor dem im Sakrament der Eucharistie gegenwärtigen Christus, während wir uns am Ende eines Tages, den ihr dem großen und wunderbaren Thema Gebet gewidmet hattet, hier vor ihm eingefunden haben. Mit frohem und dankbarem Herzen wollte ich mich euch in dieser eucharistischen Anbetungsstunde anschließen, um zu beten und erneut von der Gnade Christi und dem Licht des Heiligen Geistes erleuchtet zu werden, die auf dem Gebet, dem Atem des christlichen Lebens, ruhen, der täglichen Tröstung auf dem irdischen Pilgerweg, dem lebenspendenden Geschenk der durch Jesus vermittelten Teilhabe am Gnadenleben der Dreifaltigkeit. <95> <95> Ich habe am Anfang meines Pontifikats gesagt: Das Gebet ist für mich die erste Pflicht und so etwas wie die erste Verkündigung, wie es auch die 1483 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN erste Bedingung meines Dienstes an der Kirche und der Welt ist (vgl. Ansprache beim Besuch der Wallfahrtskirche „La Mentorelia“, 29. Oktober 1978, in: Wort und Weisung, 1978, S. 97). Es gilt, erneut zu betonen, daß jeder Mensch, der sich dem Priesteramt oder Ordensleben geweiht hat, sowie jeder Gläubige immer das Gebet als das wesentliche und unersetzliche Werk der eigenen Berufung wird ansehen müssen, als das „opus divinum“, das - gleichsam als Höhepunkt seines ganzen Lebens und Arbeitens - vor jeder anderen Verpflichtung kommt. Wir wissen nur zu gut, daß die Treue zum Gebet oder seine Vernachlässigung der Beweis für die Lebenskraft oder den Verfall des Ordenslebens, des Apostolats und der christlichen Glaubwürdigkeit ist (vgl. Ansprache an die Ordensfrauen in Washington am 7. Oktober 1979, in: O.R. dt., 26. 10. 79, S. 11). Wer die Freude am Beten kennt, weiß auch, daß es in diesem Erlebnis etwas Unsagbares gibt, und die einzige Möglichkeit, den inneren Reichtum des Gebets zu erfassen, ist die Erfahrung: Was das Gebet ist, erfährt man beim Beten. Mit Worten kann man versuchen, irgend etwas zu stammeln: beten heißt eingehen in das Geheimnis der Gemeinschaft mit Gott, der sich der Seele in der Fülle seiner unendlichen Liebe offenbart; beten bedeutet sich einschmiegen in das Herz Jesu, um seine Gefühle zu begreifen; beten bedeutet auch, daß wir in gewisser Weise auf Erden im Geheimnis die verklärende Betrachtung Gottes vorwegnehmen, der sich jenseits der Zeit, in der Ewigkeit, sichtbar machen wird. Das Gebet ist also seinem Wesen nach ein unendliches Thema, und ebenso unendlich ist es in unserer Erfahrung, da sich die Gabe des Gebets in dem, der betet, entsprechend der mannigfaltigen, unwiederholbaren und unvorhersehbaren Fülle der göttlichen Gnade, die uns im Gebet zuteil wird, vermehrt. 3. Es ist der Geist Gottes, der uns im Gebet zur Erkenntnis unserer tiefsten inneren Wahrheit führt und uns unsere Zugehörigkeit zum Leib Christi, der Kirche, enthüllt. Und die Kirche weiß, daß eine ihrer grundlegenden Aufgaben darin besteht, der Welt ihre Gebetserfahrung mitzuteilen: dem einfachen Menschen ebenso wie dem gebildeten, dem meditativen ebenso wie dem, der voll von Aktivität ist. Die Kirche lebt im Gebet ihre Berufung, sich zur Führerin jedes Menschen zu machen, der gegenüber dem Geheimnis Gottes gewahr wird, daß er Erleuchtung und Rückhalt braucht, weil er sich als armselig und gering erfährt, aber auch ehrlich fasziniert ist von dem Verlangen, Gott zu begegnen, um mit ihm zu sprechen. 1484 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Jesus ist unser Gebet. Das muß der erste Gedanke des Glaubens sein, wenn wir beten wollen. Durch seine Menschwerdung hat das Wort Gottes unser Menschsein angenommen, um es zu Gottvater hinzuführen als neues Geschöpf, das imstande ist, mit Gott zu sprechen, sich in ihn zu versenken, mit Gott durch die Gnade eine übernatürliche Lebensgemeinschaft zu leben. Die Einheit mit dem Vater, die Jesus in seinem Gebet offenbart, ist für uns ein Zeichen. Jesus läßt uns an seinem Gebet teilnehmen, er ist das grundlegende Vorbild und die Quelle der Gabe des Gebets, in das er als Haupt seine ganze Kirche einbezieht. Jesus führt in uns die Gabe seines Gebets weiter, indem er uns gleichsam leihweise um unseren Geist, um unser Herz und um unsere Lippen bittet, damit im Zeitalter der Menschen auf Erden das Gebet weitergehe, das er als Mensch begonnen hat und das er mit seiner Menschheit im Himmel in alle Ewigkeit weiterführt (vgl. Pius XII., Enzyklika Mediator Dei, AAS 39, 1947, S. 573). 5. Wir wissen freilich, daß unter den Erdenbedingungen, in denen wir uns befinden, immer Mühe aufgewandt, ein Hindernis überwunden werden muß, um wirklich zu beten. Da stellt sich spontan die Frage nach den Bedingungen für das Gebet. Diesbezüglich bieten die Klassiker der Spiritualität manche nützlichen Ratschläge, die unserer konkreten menschlichen Situation Rechnung tragen. Vor allem verlangt das Gebet von uns die Erfahrung der Gegenwart Gottes. So nannten die Meister des Geistes jenen tiefen Glaubensakt, der uns bewußt macht, daß Gott bei uns ist, wenn wir beten, daß er uns inspiriert und uns hört, daß er unsere Worte ernst nimmt. Ohne diesen vorausgehenden Glaubensakt könnte unser Gebet allzuleicht von seinem vorrangigen Zweck abgebracht werden, nämlich ein Augenblick echten Dialogs mit dem Herrn zu sein. Außerdem müssen wir, um zu beten, in uns eine tiefe, innere Ruhe schaffen. Das Gebet ist wahrhaftig, wenn wir im Gebet nicht uns selbst suchen, sondern allein den Herrn. Wir müssen uns in den Willen Gottes einfühlen mit freiem Herzen, das zu völliger Hingabe an Gott bereit ist. Dann werden wir gewahr, daß jedes unserer Gebete seiner Natur nach dem Gebet zustrebt, das Jesus uns gelehrt hat und das zu seinem einzigen Gebet in Getsemani geworden ist: „Nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen“ (vgl. Mt 6,10; Lk 22,42). Schließlich müssen wir bedenken, daß wir im Gebet, mit Jesus, Botschafter der Welt beim Vater sind. Die ganze Menschheit muß in unserem 1485 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gebet zu Wort kommen: Es geht um eine Menschheit, die Erlösung, Vergebung, Läuterung nötig hat. Zudem muß in unser Gebet auch das eingehen, was uns belastet, dessen wir uns schämen, was uns durch seine Natur von Gott trennt, was aber zur Hinfälligkeit und Armseligkeit unserer Person gehört (vgl. Audienzansprache am 14. März 1979, in: Wort und Weisung, 1979, S. 32-33). Nach dem wunderbaren Fischzug betete Petrus und sagte zum Herrn: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder“ (Lk 5,8). Dieses Gebet, das aus der demütigen Erfahrung der Sünde entsteht und sich solidarisch fühlt mit der moralischen Armseligkeit der ganzen Menschheit, rührt Gottes mitleidiges Herz und läßt im Bewußtsein des Beters wieder die Haltung des verlorenen Sohnes lebendig werden, die das Herz des Vaters zu rühren vermochte. 6. Liebe Brüder und Schwestern, vor dem Sakrament der tatsächlichen Gegenwart Christi versammelt, neigen wir das Haupt, während wir uns unserer Kleinheit bewußt, aber zugleich stolz auf die unermeßliche Würde sind, die uns diese Gegenwart verleiht: „Den welche große Nation hätte Götter, die ihr so nah sind, wie Jahwe, unser Gott, uns nah ist, wo immer wir ihn anrufen?“ (Dtn 4,7). Wir können uns um ihn scharen, wir können vertrauensvoll mit ihm sprechen, vor allem aber können wir ihn hören, wenn wir ruhig und mit wachem Herzen vor ihn treten, bereit, das geheimnisvolle Flüstern seines Wortes zu vernehmen. Beten ist kein Gebet, es ist ein Geschenk; es ist kein Zwang, es ist eine Möglichkeit; es ist keine Last, es ist eine Freude. Damit wir aber in den Genuß dieser Freude gelangen, müssen wir im eigenen Geist die richtigen Voraussetzungen schaffen. Deshalb kommt uns auch heute abend die Bitte der Apostel auf die Lippen: „Herr, lehre uns beten!“ (Lk 11,1). Ja, Herr Jesus, lehre uns dieses einzigartige Wissen, das einzige, was notwendig ist (vgl. Lk 10,42), das einzige Wissen, das für alle von Bedeutung ist, das einzige Wissen, das die Grenzen der Zeit überschreiten wird, damit wir dir in das Haus deines Vaters folgen, wenn auch wir „ihm ähnlich sein werden . .. ; denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1 Joh 3,2). Herr, lehre uns dieses göttliche Wissen; das ist uns genug! 1486 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gott, der alles in allem ist Predigt bei der Seligsprechung dreier Diener Gottes in der Petersbasilika am 25. November 1. „Jene, die zu Christus gehören“ (2 Kor 15,23). Heute, am Christkönigsfest, stellt uns die Kirche durch diese Seligsprechungsfeier drei große Gestalten vor Augen. Wir haben ihre Namen gehört. Die Bischöfe haben als Hirten der betreffenden Ortskirchen die Zeugnisse über das heroische Leben der drei neuen Sehgen dargelegt. - Jose Manyanet y Vives, Priester, Gründer der Kongregation der Söhne der Heiligen Familie und des Instituts der Missionarinnen der Heiligen Familie von Nazaret. - Daniel Brottier, Priester aus der Kongregation vom Heiligen Geist und des Unbefleckten Herzens Mariens. - Schwester Elisabeth von der Heiligen Dreifaltigkeit aus dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen. Das sind „jene, die zu Christus gehören“. Am letzten Sonntag des Kirchenjahres verehrt die Kirche Christus als „König der Zeiten“, wobei sie voll Freude das Zeugnis ihrer Söhne und Töchter auf greift, in denen das Zeichen der Zugehörigkeit zu Christus besonders offenkundig geworden ist. Das Evangelium des heutigen Festes läßt uns besser begreifen, in welcher Weise jeder Mensch aufgerufen ist, von seiner Zugehörigkeit zu Christus Zeugnis zu geben; in welcher Weise er an seinem Reich teilhaben soll. Vor allem den am Weitende zusammengerufenen Völkern verkündet Christus, der König und Hirte, diesen Richterspruch: „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz, das seit der Erschaffung der Welt für euch bestimmt ist. Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“ (Mt 25,34-36). Die Gerechten fragen: Wann? . . . Wann und wo haben wir das alles getan? Christus, der König und Hirte, antwortet: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ {Mt 25,40). So also wird das Zeichen der Zugehörigkeit zu Christus am Menschen offenbar. So bereitet sich der Mensch auf den Eintritt in das Reich Christi 1487 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN vor. Um „das Reich in Besitz zu nehmen, das seit der Erschaffung der Welt für ihn bestimmt ist“ (Mt 25,34). Das vom Vater bereitete Reich, das in Jesus Christus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, bereitete Reich: in Jesus Christus, dem Hirten der Seelen und König der Zeiten. 2. Die erste Gestalt, die uns die Kirche heute vormittag vor Augen stellt, um sie als Beispiel eines vorbildlichen Arbeiters für das Reich Gottes in Christus anzubieten, ist der selige Jose Manyanet y Vives, ein berühmter Sohn Kataloniens in Spanien. Für die Erhöhung dieses Priesters und Gründers zweier Ordenskongregationen gibt es keinen anderen Grund als seine heroische Hingebung an die Liebe Gottes und die Sache Christi im Dienst am Nächsten. Das ließ ihn alle seine Kräfte trotz der durch Krankheit bedingten Einschränkungen -dafür einsetzen, vor allem „für die Verehrung der Heiligen Familie und das Wohl der Familien und der Kinder“ Sorge zu tragen. Das ist das eigentliche Charisma, das sein ganzes Leben durchdringt, eingetaucht in das Geheimnis einer evangelischen Berufung, die er in den Vorbildern Jesu, Mariens und Josefs und in der Stille von Nazaret kennengernt hat. In einem schwierigen geschichtlichen Augenblick, in dem sich das Eindringen gewisser Ideologien in der Gesellschaft durch ein Abbröckeln der Familie abzeichnet, blickt der neue Selige mit Scharfsinn auf die Vorbilder der Heiligkeit in Nazaret, die uns die Heilige Familie lehrt. Daraus entsteht sein apostolischer Einsatz und sein Bemühen, diese Botschaft in die Welt zu tragen und aus jedem Heim ein Nazaret zu machen. Wie wird er sich dafür einsetzen und jede Familie - das kostbarste Kleinod, wie er sie nennt - einladen, auf Nazaret zu blicken und ein Lebensmodell nach dem Plan Gottes aufzubauen, das zugleich auf die echten menschlichen Werte gegründet ist! Auf der gleichen Linie widmet er sich mit Enthusiasmus der Aufgabe, Kindern und Jugendlichen die Pädagogik des Evangeliums von Nazaret zu bieten, mit großer Liebe und Achtung für die Berufung eines jeden und im Hinblick auf eine harmonische Erziehung. Wieviel vermag der neue Selige unsere heutige Gesellschaft zu lehren! Und nun noch ein Wort für die Landsleute des neuen Sehgen in katalanischer Sprache: Liebe Pilger! Trachtet, dem Lebensbeispiel und der Botschaft eures Landsmannes treu zu sein. Tragt das Vorbild der Heiligen Familie in eure Heime. Macht jedes Heim zu einem Nazaret, entsprechend der apostolischen Inspiration des seligen Josep Manyanet. 3. Unter „jenen, die zu Christus gehören“, erkennen wir sodann Daniel Brottier. Er schloß sich der Kongregation vom Heiligen Geist an, um mit 1488 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN glühendem Eifer auf den Missionsruf zu antworten. Nachdem er nach Afrika aufgebrochen war, widmete er sich außer dem Dienst an der christlichen Gemeinde von Saint-Louis im Senegal ganz besonders der Jugend. Sein apostolischer Eifer hielt ihn dazu an, unaufhörlich neue Initiativen zu ergreifen, damit die Kirche lebendig sei und die Frohbotschaft gehört werde. Selbst nachdem er aus diesem Tätigkeitsbereich abgezogen worden war, hörte er nicht auf, der Kirche im Senegal bei ihrem Aufbau zu helfen. Jünger Christi ist er auch durch die Prüfung des Leidens: Der physische Schmerz verläßt ihn nicht. Und als Freiwilliger betreut und tröstet er an der Front die Verwundeten durch seine tapfere Anwesenheit. Den sterbenden Soldaten bringt er den Beistand Gottes. Nach Kriegsende bemüht er sich, die zwischen diesen Männern in der Entsagung und heroischen Selbsthingabe entstandene Solidarität aufrechtzuerhalten. Als er die Sorge für die Waisenkinder von Auteuil übernimmt, entfaltet er im Dienst an ihnen tatkräftig die rastlose Tätigkeit, die ihn weit über Paris hinaus bekanntmachen sollte. Nichts hemmte seine Nächstenliebe, wenn er sich anschickte, verlassene und vom Leben verwundete Kinder aufzunehmen, zu ernähren und zu kleiden. Unzählige sind es, die er an diesem zutiefst evangelischen Werk teilnehmen läßt. Weil P. Brottier diese Kinder beherbergen und in eine herzliche Atmosphäre versetzen, ihnen helfen will, sich einen Beruf anzueignen und ihre Zukunft aufzubauen, verstärkt er seine Appelle und stellt stets lebendige Bande aktiver Solidarität her. Sein großes Wirken als Priester und Ordensmann ergibt sich, wie ein Zeuge gesagt hat, „aus seiner Gottesliebe“. Zugleich demütig und wahrhaftig, aktiv tätig bis an die Grenzen des Möglichen, ein uneigennütziger Diener, ging Daniel Brottier mit Kühnheit und Schlichtheit voran, denn er arbeitete, „als würde alles von ihm abhängen, während er aber zugleich wußte, daß alles von Gott abhängt“. Er hatte die Kinder von Auteuil der hl. Theresia vom Kinde Jesu anvertraut, die er vertrauensvoll um Hilfe anrief, da er ihrer wirksamen Unterstützung aller jener gewiß war, für die sie ihr eigenes Leben aufgeopfert hatte. Der selige Daniel Brottier hat sein Werk auf Erden durch ein mutiges „fiat“ vollbracht. Heute kennen wir ihn als hilfsbereit gegenüber den Armen, die ihn anrufen, denn er ist zutiefst verbunden mit der Liebe des Erlösers, die seinen ganzen priesterlichen Dienst beseelte. 4. Fast eine Zeitgenossin der hl. Theresia vom Kinde Jesu, macht Elisabeth von der Dreifaltigkeit eine tiefe Erfahrung von Gottes Gegenwart, 1489 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN eine Erfahrung, die sie in einigen Jahren des Lebens im Karmel auf eindrucksvolle Weise zur Reife gelangen läßt. Wir grüßen in ihr eine mit natürlichen Gaben reich ausgestattete Frau; sie war intelligent und sensibel, eine anerkannte Pianistin, geschätzt bei ihren Freunden und Freundinnen, zartfühlend in der Zuneigung zu den Ihren. Und nun, da sie sich in der Stille der Kontemplation entfaltet, strahlt sie das Glück völliger Selbsthingabe aus; vorbehaltlos nimmt sie Gottes Geschenk, die Gnade der Taufe und der Versöhnung an; sie empfängt auf wunderbare Weise die eucharistische Gegenwart Christi. In außergewöhnlichem Maße wird sie sich der Gemeinschaft bewußt, die jedem Geschöpf vom Herrn angeboten wird. Wir wollen heute der Welt diese Klausurnonne vorstellen, die ein Leben führte, das „mit Christus verborgen ist in Gott“ (Kol 3, 3), denn sie ist eine strahlende Zeugin der Freude darüber, in der Liebe verwurzelt und auf sie gegründet zu sein (vgl. Eph 3, 17). Sie preist die Herrlichkeit Gottes, weil sie weiß, daß in ihrem eigenen Inneren die Gegenwart des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes wohnt, in der sie die Wirklichkeit der unendlich lebendigen Liebe erkennt. Elisabeth hat auch das körperliche und moralische Leiden kennengelernt. Vereint mit dem gekreuzigten Christus, hat sie sich völlig hingegeben und so in ihrem irdischen Leben das Leiden des Herrn ergänzt (vgl. Kol 1, 24) in der stetigen Gewißheit, geliebt zu werden und lieben zu können. Im Frieden bringt sie das Geschenk ihres verwundeten Lebens dar. Unserer verunsicherten Menschheit, die Gott nicht mehr finden kann oder ihn entstellt, die auf der Suche nach einem Wort ist, auf das sie ihre Hoffnung gründen kann, vermittelt Elisabeth das Zeugnis eines vollkommenen Offenseins für das Wort Gottes, das sie in einem solchen Maße geistig aufnahm, daß sie wirklich daraus ihre Betrachtung und ihr Gebet nährte, daß sie darin alle Gründe fand, für das Lob seiner Herrlichkeit zu leben und sich ihm zu weihen. Und diese Nonne, die weit entfernt davon war, sich abzuschließen, hat es verstanden, ihren Mitschwestern und ihren Nächsten den Reichtum ihrer mystischen Erfahrung mitzuteilen. Ihre Botschaft breitet sich heute mit prophetischer Kraft aus. Wir rufen sie an: die Schülerin der hl. Theresia vom Kinde Jesu und des hl. Johannes vom Kreuz; die die ganze Familie des Karmel inspiriert und trägt; die vielen Männern und Frauen in ihrem Laien- oder geweihten Leben hilft, die „Wogen der unendlichen Liebe“, die sie „an der Quelle des Lebens“ empfing, zu empfangen und daran teilzuhaben. 1490 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Wenn die Kirche ihren Blick auf diese drei großen Gestalten richtet, möchte sie heute ihren apostolischen Glauben an das Reich Christi bekennen und bekräftigen, daß sie glaubt, daß er in Wahrheit der Herrscher und König ist. Denn „Christus ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20). In der Geschichte der vom Tod überwältigten, besiegten Menschen hat er als Erster den Sieg über den Tod davongetragen. Es ist ein Sieg für ihn - und zugleich ist es ein Sieg für uns. „Denn wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,22). Alle, die durch die Gnade und die Liebe zu ihm gehören, haben in der Gnade und der Liebe das neue Leben: das Leben des Reiches, das der Vater „seit Beginn der Schöpfung“ für sie bestimmt hat. In diesem neuen Leben wird sich der Sieg Christi über alles, was dem Reich Gottes in der sichtbaren und unsichtbaren Schöpfung entgegengesetzt ist, entfalten. „Denn er muß herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter die Füße gelegt hat. Der letzte Feind, der entmachtet wird, ist der Tod“ (1 Kor 15,25-26). <96> <96> Der ewige Vater hat nicht nur seit der Schöpfung der Welt das Reich der Gnade und Liebe, das Reich des neuen und ewigen Lebens bereitet. Zugleich hat der himmlische Vater dieses Reich seinem ewigen Sohn, als er Mensch wurde, „als Aufgabe übertragen“. Alle Angehörigen eines Volkes, einer Generation, einer Rasse, eines Zeitalters und der Kirche auf Erden, die sich bereitgefunden haben, an dieser Heils- und Erlösungsaufgabe teilzunehmen, gehören zu Christus. Sie erhoffen zugleich das endgültige Zeugnis, wenn Christus bei seiner Wiederkunft am Weitende „seine Herrschaft Gott, dem Vater, übergibt“ (.1 Kor 15,24). Die Herrschaft Gottes wird jenseits des Endes der Menschheitsgeschichte ihre Vollendung finden. Das Reich Gottes wird sich dort verwirklichen, von wo es seinen Anfang genommen hat: in der Liebe des Vaters, der bis zum Ende die Liebe des Sohnes entsprach. „Wenn ihm dann alles unterworfen ist, wird auch er, der Sohn, sich dem unterwerfen, der ihm alles unterworfen hat, damit Gott herrscht über alles und in allem“ (2 Kor 15,28). Das ist der endgültige Sinn der Herrschaft Gottes: Gott, der alles in allem ist: 1491 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die diesen Sinn angenommen haben, indem sie ihm ihre Herzen und ihre Werke öffnen, sind selig. „Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz . . {Mt 24,34). Fühlen, daß „uns das Herz brennt“ Botschaft an den Ökumenischen Patriarchen Dimitrios I. vom 26. November An Seine Heiligkeit Dimitrios I., Erzbischof von Konstantinopel, ökumenischer Patriarch „Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus“ {Eph 1,2). Diesen Gruß, den der hl. Paulus von Rom aus an die Christen der blühenden Kirche Kleinasiens richtete, erneuere ich heute für Sie und Ihre Kirche und bitte den Herrn inständig, den darin zum Ausdruck gebrachten Wunsch zu erfüllen. An der Feier des Festes des hl. Andreas, der als erster vom Herrn in seine Nachfolge berufen worden ist, wird die von unserem Bruder Kardinal Johannes Willebrands geleitete Delegation teilnehmen. Möge die Anwesenheit dieser Delegation im ökumenischen Patriarchat einmal mehr unsere Gemeinschaft im apostolischen Glauben und unser gemeinsames Bemühen bei der Suche nach der vollen Einheit zwischen unseren Kirchen offenkundig machen! Vor genau zwanzig Jahren haben die katholischen Bischöfe des Zweiten Vatikanischen Konzils feierlich erklärt, daß die Spaltung ganz offensichtlich dem Willen des Herrn widerspricht und ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums an alle Geschöpfe ist (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 1). Die Konzilsväter verlangten also von der ganzen katholischen Kirche, von den Bischöfen ebenso wie von den Gläubigen, sich entschlossen für die Wiederherstellung der vollen Einheit einzusetzen. Die konstruktive und fruchtbare Erfahrung, die wir seit damals machen konnten, bestärkt uns in unserem Einsatz. Die Schwierigkeiten, auf die wir stießen und die noch nicht völlig überwunden sind, fordern von uns die zusätzliche aufmerksame Bemühung und das Engage- 1492 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ment in Form ausdauernden Gebets, gewissenhaften Studiums, eines offenen Dialogs und verstärkter brüderlicher Kontakte und Beziehungen. Auf diesem Weg ist uns von Gott der theologische Dialog geschenkt worden, um sämtliche noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten klarzustellen. Die bereits erreichten Ergebnisse stellen einen wichtigen Beitrag dar, denn auf die gemeinsame sakramentale Auffassung von der Kirche und ihren Sakramenten gründet sich unsere Gemeinschaft. Es handelt sich also um eine wesentliche Klarstellung, die zu Ende geführt werden muß. Tatsächlich stellen die Sakramente und kraft der apostolischen Sukzession insbesondere die Priesterweihe und die Eucharistie die engsten Bande der Gemeinschaft dar, die zwischen uns besteht und die mit Gottes Hilfe zu ihrer Vollkommenheit geführt werden muß (vgl. Unitatis redintegratio, Nr. 15). Auf diesem langen Weg zur Einheit müssen wir unbedingt fühlen, daß „uns das Herz brennt“ (vgl. Lk 24,32), auch wenn wir nicht immer den Ursprung dieses geheimnisvollen Brennens ausnehmen können. Früher oder später wird er offenbar und verstanden werden. Setzen wir unseren Weg fort, denn der Dialog der Liebe, der uns zur Wahrheit und Einheit treibt, wird immer dringender. Die Liebe läßt uns die Worte der Brüder in ihrer Tiefe begreifen. Ohne diese Liebe liefen sie Gefahr, nur leere Worte zu sein, nicht aber Ausdruck einer wirklichen Eintracht des Geistes und der Herzen. Das Fest der hll. Petrus und Paulus und das Fest des hl. Andreas, die wir gemeinsam in Rom bzw. im ökumenischen Patriarchat begehen, sind günstige Anlässe, um diese Liebe immer wieder lebendig werden zu lassen. Es wäre wirklich sehr schön, wenn bei verschiedenen Anlässen, dem Ort entsprechend, ähnliche Initiativen auf Ortsebene von den Seite an Seite lebenden Orthodoxen und Katholiken ergriffen werden könnten. Ich versichere Eurer Heiligkeit, dem Heiligen Synod, der Ihnen zur Seite steht, und Ihrer ganzen Kirche, daß ich Ihnen allen heute im Gebet und in der Freude dieses Festes verbunden bin. Mit Ihnen bete ich darum, daß Ihnen in reichem Maße die Gnade und der Friede geschenkt werden. In diesem Sinne spreche ich Ihnen, ehrwürdiger Bruder, noch einmal meine aufrichtige und brüderliche Zuneigung in Christus Jesus aus. Aus dem Vatikan, am 26. November 1983 PAPST JOHANNES PAUL II. 1493 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schutz von Gesundheit und Leben Ansprache an die Gesundheitsminister Mittelamerikas und Panamas am 27. November Meine Herren Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist mir eine echte Freude, mit den Verantwortlichen der Gesundheitsministerien Mittelamerikas zusammenzutreffen, die in Begleitung hoher Funktionäre ihrer Regierungen und führender Persönlichkeiten der Weltgesundheitsorganisation und der Organisation der amerikanischen Staaten mehrere europäische Länder besuchen, um den Plan grundlegender Gesundheitsprioritäten für Mittelamerika und Panama vorzulegen. Sie und alle Ihre Begleiter begrüße ich ganz herzlich. Als erfreulich erachte ich die Tatsache, daß die höchsten Regierungsverantwortlichen für das Gesundheitswesen in Belize, Costa Rica, El Salvador, Guatemala, Honduras, Nikaragua und Panama - Länder, die ich im vergangenen Jahr besuchen konnte - diese gemeinsame Anstrengung auf sich nehmen, um auf entsprechende und umfassendere Weise die schweren Probleme im Zusammenhang mit der gesundheitlichen Lage jener geliebten Völker zu bewältigen. Ich möchte Ihnen versichern, daß die Kirche Ihre Sorgen teilt, die dahin gehen, dem Menschen zu dienen, seine Lebensqualität zu heben, die Ursachen für die Sterblichkeit und Anfälligkeit bestimmter Bevölkerungsschichten zu beseitigen oder soweit als möglich zu verringern. Aus diesem Grund will ich nicht unterlassen, die Verantwortlichen in ihrem lobenswerten menschlichen Bemühen zu ermutigen, das Gesundheitsniveau in Mittelamerika und Panama zu verbessern, und zwar als einer der wichtigsten Dienste, die der Würde der Menschen gebühren, wobei sie stets die sittlichen Normen berücksichtigen, die einen so bedeutsamen und empfindlichen Bereich der menschlichen Tätigkeit regeln. Es ist ein Bereich, den die Kirche hochachtet und in dem sie es darum nicht unterlassen kann, die sittlichen Prinzipien zu verkünden, die zur Verteidigung, zum Schutz und zur Förderung des Lebens, zur Qualität des Lebens und zur vollkommenen Achtung der menschlichen Person in ihren geistlichen, seelischen und leiblichen Aspekten auffordern (vgl. Gaudium et spes, Nr. 14), denn jedes menschliche Wesen ist nicht nur der höchste Ausdruck des Lebens auf Erden, sondern auch Abbild Gottes. Deshalb 1494 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN arbeitet ja die Kirche gern in so vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens mit. Da ich um die vielen und dringenden Bedürfnisse weiß, die in der Region Mittelamerikas - ebenso wie in vielen anderen Ländern der Welt - anstehen, spreche ich den Wunsch aus, daß die internationale Gemeinschaft für eure Ziele empfänglich sein möge. Und ich bitte Gott, daß die Verbesserung in der gesundheitlichen Lage der Bewohner eurer Länder zugleich Band und Werkzeug für den Frieden, die Solidarität und das Verständnis zwischen den Völkern Mittelamerikas und Panamas sein möge. Während ich Ihnen für diesen Besuch danke und guten Erfolg für den Gesundheitsplan in Mittelamerika und Panama wünsche, rufe ich auf jeden einzelnen von Ihnen, auf Ihre Mitarbeiter und Angehörigen den Segen des Herrn und Schöpfers des Lebens herab. Die Soziallehre der Kirche vertiefen! Ansprache an die Teilnehmer der Vollversammlung der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ am 30. November Herr Kardinal! Liebe Brüder im Bischofsamt! Liebe Brüder und Schwestern! 1. Zur Zeit haben mehrere Institutionen des Hl. Stuhls ihre Vollversammlung abgehalten, und ich freue mich immer, ihre Teilnehmer zu begrüßen, da es sich um qualifizierte Mitarbeiter meiner universalen Sendung handelt. Heute ist mir also die Möglichkeit einer Begegnung mit allen Mitgliedern der Päpstlichen Kommission „Justitia et Pax“ und mit denen gegeben, die Tag für Tag am römischen Sitz der Kommission arbeiten. Die Gründung geht auf das Jahr 1967 zurück, und ich weiß, daß diese Einrichtung regelmäßig ihre Vollversammlung abgehalten hat. Aber in diesem Jahr sehe ich eine große Zahl neuer Mitglieder anwesend, die ich mit meinen herzlichsten Wünschen empfange. Ich begrüße zuerst den neuen Präsidenten, dem ich für seine freundlichen Worte danke. Lieber Kardinal Etchegaray, Ihre Verantwortlichkeiten in Marseille, in Frankreich, in Europa und Ihre Reisen in verschiedene Kontinente haben Sie darauf vorbereitet, menschliche Situationen wahrzunehmen, wo der Friede, die Gerechtigkeit, die Freiheit auf dem Spiel 1495 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN stehen. Mit Ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen werden Sie hier, im Zentrum der Universalkirche, einen neuen Dienst erfüllen, damit die Kirche immer besser und auf ihre Weise Zeugnis von ihrer Sorge um die Förderung des Menschen gibt und einen wirksamen Beitrag dazu leistet. Ich heiße auch alle neuernannten Mitglieder willkommen, die hochherzig meiner Einladung entsprochen haben, sich auf die Dauer von fünf Jahren in den Bereichen Gerechtigkeit und Frieden auf Weltebene in den Dienst der Kirche zu stellen. Es ist ein echtes Engagement, um das ihr gebeten werdet. Ihr kommt aus allen Kontinenten und aus zahlreichen Tätigkeitsbereichen; ihr vertretet verschiedene Erfahrungen, berufliche und andere kirchliche Verantwortlichkeiten. Die Vielfalt eurer Talente und Kompetenzen, eure feste Entschlossenheit, das Los eurer Brüder und Schwestern entsprechend euren christlichen Überzeugungen des Glaubens und der Liebe zu verbessern, werden euch in die Lage versetzen, den Gedankenaustausch und die Vorschläge zu bereichern, die ihr zusammen mit den Verantwortlichen und ständigen Mitarbeitern der Kommission ausarbeiten müßt. Meine Brüder im Bischofsamt werden zu dieser Unternehmung der Weisheit, die Dynamik und die Sicht der Hirten der Ortskirchen beitragen. Wir rechnen mit der qualifizierten Hilfe der Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen, die zur Arbeit der Kommission berufen sind. Und ich möchte euch auch meine Freude darüber aussprechen, daß ich eine ansehnliche Zahl von Laien, Männern und Frauen, sehe. Ist es nicht ihre besondere Aufgabe, die zeitliche Ordnung zu erneuern, in die sie selbst tief und naturgemäß eingegliedert sind? Das heißt, liebe Freunde, daß euer Beitrag als Laien hier wertvoll, ja ich würde sagen, unerläßlich ist. <97> <97> Es ist normal, daß ihr im Laufe dieser Versammlung dem Wesen, den Anforderungen und den Grenzen der euch anvertrauten Sendung eine besondere Überlegung gewidmet habt. Mein Vorgänger Paul VI. hat das Ziel und die Art der Arbeit der Kommission präzisiert, als er durch das Motu proprio Iustitiam etpacem vom 10. Dezember 1976 ihre endgültige Struktur festgelegt hat. Er hat sehr auf dem Studium und der lehrmäßigen Vertiefung der Probleme bezüglich Gerechtigkeit und Frieden bestanden. Dieses Studium muß im Licht des Evangeliums und des Lehramtes der Kirche erfolgen. Es gibt bereits eine Soziallehre der Kirche, die man zusammenstellen, auf die man hinweisen, die man erklären, vertiefen, weiterführen und bekanntmachen muß. Sie reicht sehr weit zurück. Die Kenntnis der 1496 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Texte der Kirchenväter, großer Theologen und der wichtigsten Stellungnahmen zu gesellschaftlichen Fragen im Laufe der Kirchengeschichte wäre hier sehr nützlich. Die Dokumente des Lehramtes bilden offensichtlich die Hauptquellen, vor allem jene, die seit einem Jahrhundert die jeweilige Zeitsituation analysiert und dem sozialen Einsatz der Christen die Richtung gewiesen haben. In sämtlichen Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils findet man eine aktuelle und ausgezeichnete Synthese. Muß man nicht wenigstens die Pastoralkonstitution Gaudium et spes anführen, deren Veröffentlichung vor 25 Jahren wir im kommenden Jahr gedenken werden? Sind diese Texte genügend gelesen, studiert, gründlich und mit allen ihren Auswirkungen verstanden worden? Das ist nicht sicher. Sie müssen durch alle nachfolgenden Texte ergänzt und vervollständigt werden, durch die Enzykliken Populorum progressio, Laborem exercens und die vielen Einzelaussagen der Päpste, der anderen Bischöfe und Vertreter des Hl. Stuhls. Allein diese Vertiefung im Bereich der Lehre erlaubt es, die Verantwortung der Christen in das unermeßliche soziale Feld einzuordnen, die Verantwortung aller Glieder des Gottesvolkes, jeden nach seinem spezifischen Sendungsauftrag. Verletzung der Grundrechte und Krise der Werte 3. Aber das Motu proprio Pauls VI. fordert von euch auch, eure Aufmerksamkeit auf die heutigen sozialen Gegebenheiten zu lenken. Gegenstand und Ziel der Überlegung oder praktischen Durchführung, auf deren richtige Kentnnis und Einschätzung es ankommt, damit die Prinzipien der Soziallehre Einfluß nehmen auf das Leben der Welt und damit zur Lösung der Probleme ein ausgesprochen christlicher Beitrag erbracht werden kann. Man muß also gleichzeitig auf das Lehramt und auf die Vorgänge hören, aus denen neue Probleme entstehen. Und diese Fragen und Probleme sind komplexer Art. Unter den großen Herausforderungen unserer Zeit genügt es, das Elend und den Hunger der Massen in den Entwicklungsländern zu nennen, das Anwachsen der konventionellen und atomaren Rüstung, die internationale Wirtschafts- und Währungskrise, die Brüchigkeit der politischen Strukturen, wo sich Sonder- oder Gruppeninteressen durchsetzen, die Verletzungen der menschlichen Grundrechte, die ungerechte Herrschaft totalitäter Systeme, die Krise der Werte, die die Gesellschaften, die Familien, die einzelnen und besonders die Jugend trifft. Das Besondere eurer Kommission besteht zweifellos nicht in der Samm- 1497 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN lung von technischem Wissen; es besteht darin, dieses Wissen zu übernehmen und im Licht des Evangeliums und der vom Lehramt vorgezeichneten Lehrgrundsätze zu bewerten. Ihr könnt das tun, indem ihr euch die ernste Arbeit einer Reihe von Zentren, Einrichtungen, Tagungen zunutze macht, die mit Hilfe hervorragender Fachleute diese Probleme gründlich studieren. 4. Aber eure Rolle beschränkt sich nicht auf die theoretische Vertiefung der Soziallehre der Kirche. Das Motu proprio lusütiam et pacem ersucht euch - und das ist eine faktische Priorität -, die Soziallehre der Kirche „durch geeignete Mittel weithin bekanntzumachen“ und euch zu bemühen, „ihre praktische Verwirklichung auf allen Ebenen der Gesellschaft zu erreichen“. Denn ihr müßt zur Aufklärung des Gottesvolkes beitragen und „seine volle Einsicht in diese Probleme und das Bewußtsein seiner Rolle und seiner Pflichten wecken“. Infolgedessen fällt es euch zu, das Ergebnis eurer Studien und eurer Überlegungen all den Stellen der Kirche bekanntzumachen, die im Hinblick auf die Tätigkeit und die Einordnung in eine Perspektive der Evangelisierung im Dienst der Glieder und Einrichtungen der Kirche beteiligt sind. Dieser Aspekt ist vielleicht schwierig zu verwirklichen; ihr müßt nach den geeigneten Mitteln suchen. <98> <98> Wir denken natürlich an den qualifizierten Dienst, den ihr in diesem Bereich für den Papst selbst und die verschiedenen Organismen des Hl. Stuhles erfüllen müßt: Es geht darum, euch die gründlichen Überlegungen und gesammelten Informationen zur Verfügung zu stellen, bestimmte Einsatzformen vorzuschlagen, die den Bedürfnissen entsprechen, und dazu beizutragen, diese Organismen empfänglich zu machen für die neuen Aspekte der Probleme der Gerechtigkeit und des Friedens. Aber das Motu proprio führt noch andere bevorzugte Gesprächspartner an: die nationalen oder regionalen Bischofskonferenzen und - durch sie im Einklang mit ihnen - die Organismen dieser Konferenzen zur Förderung von Gerechtigkeit und Frieden; dazu gehören im besonderen die Kommissionen oder Sekretariate für die soziale Tätigkeit. Das, so meine ich, ist einer der geeignetsten Wege, um die kirchliche Soziallehre zu verbreiten und die Christen zur Aktivität anzuspornen. Ihr eurerseits könnt ihnen z. B. in Form geeigneter Publikationen zu diesem oder jenem Thema die Synthesen der Aussagen des Lehramtes und theologischen Erklärungen, die Frucht eurer Arbeiten sind, zur Verfügung stellen; ihr könnt ihnen Ratschläge und Anregungen liefern, die eure Verantwortlich- 1498 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN keit und Information auf der Ebene der Universalkirche als päpstliche Kommission und Dikasterium des Hl. Stuhls euch zu geben erlaubt. Umgekehrt erhaltet ihr von den Konferenzen und ihren Organismen nützliche Informationen und das Ergebnis ihrer eigenen Überlegungen und Erfahrungen. Denn man kann sich über die vielfältigen Bemühungen freuen, die auf dieser Ebene unternommen werden: z.B. Hirtenbriefe der Bischöfe, Initiativen, um die Soziallehre der Kirche bekannt und verständlich zu machen (entsprechende Programme in den Schulen, Seminaren, Universitäten; Vorträge, Symposien, „soziale Wochen“), Einsatz der Laienbewegungen und -Organisationen. Bisweilen müssen diese Einrichtungen der Teilkirchen ihre Sicht und Vorstellung erweitern, die zu sehr von örtlichen Ereignissen, leidenschaftlichen Reaktionen oder dem Druck der öffentlichen Meinung des Umfelds abhängig sind; dabei kann eure Kommission ihnen brüderliche Hilfe leisten. Im übrigen aber sind sie es, die an Ort und Stelle mit der sich ständig ändernden sozialen Wirklichkeit konfrontiert werden und die entsprechenden Antworten finden müssen, was das Zeugnis der ganzen Kirche bereichern kann. 6. Es gibt noch einen letzten Punkt, auf den ich eure Aufmerksamkeit lenken möchte, und das Motu proprio Iustitiam et pacem achtete darauf, ihn zu berücksichtigen. Überall auf der Welt gibt es zahlreiche Rechtsverweigerungen, Verletzungen der Menschenrechte, konkrete Ungerechtigkeiten. Sie werden in ganz besonderer Weise gebeten, diese Situationen im Auge zu behalten, sich zu bemühen, sie kennenzulernen, objektive und konkrete Informationen über diese Fälle zu sammeln und zu prüfen, welche Initiativen in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Stellen des Hl. Stuhls und den betroffenen Bischofskonferenzen ergriffen werden sollen. Denn die Kirche hat bei aller Achtung der Personen und besonders der Verantwortlichen für das Gemeinwohl die Pflicht, die Wahrheit zu sagen, so wie sich die Propheten nicht mit der Ungerechtigkeit abfinden konnten; sie darf niemals selbst als Beteiligte an Situationen erscheinen, die die Grundrechte von Menschen verletzen; sie hat vor allem die Pflicht, die christliche Solidarität mit denen zum Ausdruck zu bringen, die unter der Ungerechtigkeit leiden. Es gilt daher, Möglichkeiten zu finden, um in diesem Sinne Zeugnis zu geben; es geht um die Glaubwürdigkeit der Kirche und ganz einfach um ihre Liebe. Muß man unter den Verletzungen der menschlichen Grundrechte - die alle verurteilenswert sind - nicht an die von Tag zu Tag schlimmeren Beschränkungen denken, die in manchen Ländern die Christen daran 1499 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hindern, ihren Glauben zu äußern, sich zu versammeln, die Bischöfe und Priester zu haben, die sie brauchen? Wir haben einige wesentliche Züge eurer unermeßlichen Aufgabe in Erinnerung gebracht. Ich bitte den Heiligen Geist, daß er euch sein Licht und seine Kraft schenkt. Könnten die einzelnen Christen, könnten die kirchlichen Gemeinschaften dank eures Beitrags immer mehr die Ermutigung, die Erleuchtung und den Antrieb finden, den sie für die Verwirklichung einer gerechteren, friedlichen Welt brauchen! Aus ganzem Herzen segne ich eure Arbeit, euren Dienst für die Kirche und jeden einzelnen von euch. „ Verständnis und Brüderlichkeit“ Ansprache an die Außenminister und Delegationen Argentiniens und Chiles am 30. November In einer feierlichen Zeremonie haben Sie, meine Herren Minister, gestern im Namen Ihrer Regierungen den Friedens- und Freundschaftsvertrag unterzeichnet, der den Südkonflikt endgültig beenden soll, der jahrelang die traditionell guten Beziehungen überschattet hat, die zwischen Ihren beiden Ländern seit Erlangung der Souveränität bestehen. Wenn meine Begegnungen mit Ihnen und mit allen, die während dieser Jahre mit ständiger Unterstützung des Apostolischen Stuhles ihre Klugheit und ihre selbstlose Arbeit eingesetzt haben, um diese Schatten zu beseitigen, mir immer willkommen und Grund zur Hoffnung waren, so will ich Ihnen heute die tiefe Befriedigung bekunden, mit der ich Sie diesmal empfange. In Ihnen allen sind auch Ihre beiden Völker hier anwesend, deren Zukunft in Frieden und Freundschaft der Beweggrund für meine persönliche Beteiligung und den konsequenten Einsatz des Hl. Stuhles bei diesem Vermittlungsprozeß gewesen ist. Ihre Völker, die in dem Augenblick, wo vor mehr als einem Monat die volle Verständigung zwischen den beiden Seiten bekannt wurde, ihre Freude und ihren Beifall zu erkennen gegeben haben, sind sich sehr wohl dessen bewußt, daß mit der Unterzeichnung des Vertrages der Tag noch näherrückt, an dem sie, wenn einmal die in jedem Land verlangten Formalitäten erledigt sind, voll Freude in der Atmosphäre der Eintracht und Zusammenarbeit, Frucht eben dieses Vertrages, leben können. 1500 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Darum wünsche ich und bete zum Herrn, daß die beiden Brudernationen möglichst bald den Tag der Ratifizierung nahen sehen. Die bedeutsame Anwesenheit der Vertreter der beiden Episkopate beim Unterzeichnungsakt ruft wieder die Sorge und das Bemühen der beiden Kirchen in Erinnerung, in den schwierigen Augenblicken des Jahres 1978 friedliche Wege einer Lösung zu finden. In dieser Anwesenheit sehe ich auch ihren entschlossenen Willen, den zu ermutigen ich nicht versäumen kann, in ihrem Bereich des pastoralen Dienstes alles zu begünstigen und zu fördern, was dazu beiträgt, die Beziehungen der Brüderlichkeit, des Verständnisses und der Zusammenarbeit, die Ziel dieser Vermittlung waren und die der Vertrag widerspiegelt, zu einer immer lebendigeren Wirklichkeit werden zu lassen. In dieser Stunde möchte ich noch einmal voll Dankbarkeit an die Arbeit von Kardinal Samore erinnern, dem dieses Friedenswerk so viel verdankt. Ebenso gilt meine dankbare Anerkennung dem Beitrag und der Hingabe der beiden Regierungen und ihrer jeweiligen Delegationen, die es verstanden haben, die kluge Verteidigung der Interessen ihrer Länder und die unerläßliche Bereitschaft, zu einem Abkommen zu gelangen, miteinander in Einklang zu bringen. Mit tiefer Zuneigung verfolge ich das Leben und Geschick Ihrer Völker und bitte Gott, daß er ihnen Wohlergehen in dem ersehnten Frieden gewähre, für den das Handeln aller derer verantwortlich ist, die an der Leitung des Geschickes Ihrer Nation beteiligt sind. Einen herzlichen Gruß allen Medienvertretem, die hier anwesend sind und denen ich für ihr stets an den Tag gelegtes Interesse danke. Ich bitte Sie, sich zu Interpreten meiner Gedanken und Empfindungen bei Ihren Regierungen und all Ihren Landsleuten zu machen. Mit einem besonderen Apostolischen Segen für Ihre beiden Länder. 1501 Apostolisches Schreiben im Anschluß an die Bischofssynode „Reconciliatio et Paenitentia“ an Bischöfe, die Priester und Diakone und an alle Gläubigen über Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche heute 2. Dezember 1984 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Einleitung Ursprung und Bedeutung des Dokumentes 1. Von Versöhnung und Buße zu sprechen, bedeutet eine Einladung an die Männer und Frauen unserer Zeit, in ihrer Sprache jene Worte wiederzuentdecken, mit denen unser Heiland und Meister Jesus Christus seine Verkündigung beginnen wollte: „Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“,1 das heißt, nehmt an die Frohe Botschaft der Liebe, der Gotteskindschaft und so auch der Brüderlichkeit. Warum legt die Kirche dieses Thema und diese Einladung erneut vor? Der brennenden Wunsch, den heutigen Menschen und seine Welt besser kennenzulernen und zu verstehen, seine Rätsel zu lösen und sein Geheimnis zu enthüllen sowie die guten von den schlechten Fermenten, die heute wirksam sind, zu unterscheiden, läßt viele schon seit längerem mit fragenden Augen auf diesen Menschen und auf diese Welt blicken. Dies tun der Historiker und der Soziologe, der Philosoph und der Theologe, der Psychologe und der Humanist, der Dichter, der Mystiker: Vor allem aber tut dies - besorgt und doch auch voller Hoffnung - der Seelsorger. Ein solch fragender Blick ist besonders deutlich auf jeder Seite der wichtigen Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute zu finden, vor allem in der umfangreichen und tiefgehenden Einführung, ebenso in einigen Dokumenten, die aus der Weisheit und Hirtenliebe meiner verehrten Vorgänger hervorgegangen sind, deren herausragende Pontifikate vom geschichtlichen und prophetischen Ereignis jenes Ökumenischen Konzils geprägt sind. Wie die anderen entdeckt auch das Auge des Seelsorgers unter den verschiedenen charakteristischen Zügen der Welt und der Menschheit unserer Tage leider die Existenz zahlreicher tiefer und schmerzlicher Spaltungen. Eine zerrissene Welt 2. Diese Spaltungen zeigen sich in den Beziehungen zwischen Personen und Gruppen, aber auch bei den größten gesellschaftlichen Gebilden: Nationen gegen Nationen, gegeneinanderstehende Blöcke von Ländern, 1504 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN alle in atemlosem Streben nach Vorherrschaft. Es ist nicht schwer, an der Wurzel der Spaltungen Konflikte zu entdecken, die sich in Auseinandersetzungen und Streit verschärfen, anstatt im Dialog eine Lösung zu finden. Auf der Suche nach den Ursachen solcher Spaltung finden aufmerksame Beobachter die verschiedensten Elemente: von wachsender Ungleichheit zwischen den Gruppen, sozialen Klassen und Ländern bis zu noch keineswegs überwundenen ideologischen Gegensätzen; vom Gegensatz ökonomischer Interessen bis zu politischer Frontenbildung; von Stammeskonflikten bis zu gesellschaftlicher und religiöser Diskriminierung. Einige für alle sichtbare Tatsachen bilden gleichsam das traurige Antlitz solcher Spaltungen: Sie sind deren Frucht und zeigen ihre Schwere in unwiderlegbarer konkreter Deutlichkeit. Unter vielen anderen schmerzlichen sozialen Erscheinungen unserer Zeit kann man auf die folgenden hinweisen: - die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte, darunter an erster Stelle das Recht auf Leben und auf eine menschenwürdige Lebensqualität, was um so empörender ist, als sie einhergeht mit einer bisher nie gekannten Rhetorik über diese Rechte; - die Angriffe und Drohungen gegen die Freiheit des einzelnen und der Gemeinschaften, darin eingeschlossen, ja noch weit mehr verletzt und bedroht, die Freiheit, einen eigenen Glauben zu haben, zu bekennen und zu leben; - die verschiedenen Formen von Diskriminierung: rassisch, kulturell, religiös usw.; - Gewalt und Terrorismus; - Gebrauch der Folter und ungerechte wie unerlaubte Formen staatlicher Gewalt; - die Anhäufung von konventionellen oder atomaren Waffen und ein Rüstungswettlauf mit Militärkosten, die dazu dienen könnten, das unverschuldete Elend von Völkern zu lindern, die sozial und wirtschaftlich zurückliegen; - die ungerechte Verteilung der Hilfsquellen dieser Welt und ihrer Kulturgüter, die ihren Gipfel in einer Sozialstruktur erreicht, durch welche der Abstand zwischen den sozialen Bedingungen der Reichen und der Armen immer mehr zunimmt.2 Der überwältigende Druck dieser Spaltungen macht aus der Welt, in der wir leben, eine bis in ihre Fundamente zerrissene Welt.3 Weil die Kirche andererseits, ohne sich mit der Welt gleichzusetzen oder von der Welt zu sein, doch in der Welt lebt und im Dialog mit der Welt steht,4 darf es nicht verwundern, wenn man auch in der kirchlichen 1505 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gemeinschaft selbst Auswirkungen und Zeichen jener Zerissenheit feststellen kann, die die ganze menschliche Gesellschaft verwundet. Außer den Spaltungen zwischen den christlichen Gemeinschaften, die sie seit Jahrhunderten bedrücken, erlebt die Kirche heute in ihrem Inneren Spaltungen zwischen ihren eigenen Mitgliedern, die durch unterschiedliche Auffassungen und Standpunkte im Bereich der Glaubenslehre und Pastoral verursacht werden.5 Auch diese Spaltungen scheinen zuweilen unheilbar zu sein. So beängstigend solche Wunden der Einheit bereits auf den ersten Blick erscheinen mögen, ihre Wurzel kann man erst entdecken, wenn man bis in die Tiefe schaut: Die Wurzel liegt in einer Wunde im Inneren des Menschen. Im Licht des Glaubens nennen wir sie Sünde: beginnend mit der Ursünde, die jeder von Geburt an wie ein von den Eltern empfangenes Erbe in sich trägt, bis hin zur Sünde, die ein jeder begeht, wenn er die eigene Freiheit gegen den Plan Gottes benutzt. Sehnsucht nach Versöhnung 3. Und doch, wenn der gleiche prüfende Blick scharfsichtig genug ist, entdeckt er inmitten der Spaltung ein unverkennbares Verlangen von Menschen guten Willens und von wirklichen Christen, die Brüche zu heilen, die Risse zu schließen und auf allen Ebenen die wesentliche Einheit wiederherzustellen. Dieses Verlangen wird bei vielen zu einer wahren Sehnsucht nach Versöhnung, auch dann, wenn das Wort selbst nicht benutzt wird. Für manche handelt es sich hierbei um eine Utopie, die zum idealen Hebel für eine echte Veränderung der Gesellschaft werden könnte; für andere dagegen muß die Versöhnung durch hartes, intensives Bemühen errungen werden und stellt darum ein Ziel dar, das man durch ernsthaften Einsatz von Denken und Handeln erreichen soll. In jedem Falle ist das Verlangen nach einer aufrichtigen und dauerhaften Versöhnung ohne allen Zweifel ein grundlegendes Motiv unserer Gesellschaft und eine Folge ihres unaufhaltsamen Friedenswillens; und das ist es - auch wenn dies paradox erscheint-um so stärker, je mächtiger die Ursachen der Spaltung sind. Allerdings darf die Aussöhnung nicht weniger tief reichen als die Entzweiung. Die Sehnsucht nach Versöhnung und die Versöhnung selbst werden nur in dem Maße voll wirksam sein, wie sie heilend bis zu jener ursprünglichen Verwundung Vordringen, welche die Wurzel aller anderen ist; und das ist die Sünde. 1506 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Blickrichtung der Synode 4. Darum muß jede Institution oder Organisation, die dem Menschen dienen will und ihn in seinen grundlegenden Belangen retten möchte, ihren aufmerksamen Blick auf die Versöhnung richten, um deren Bedeutung und volle Tragweite tiefer zu erfassen und daraus die notwendigen praktischen Konsequenzen zu ziehen. Auch die Kirche Jesu Christi durfte sich dieser besonderen Aufmerksamkeit nicht verschließen. Mit der Hingabe einer Mutter und der Klugheit einer Lehrerin geht sie mit Eifer und Umsicht daran, aus der Gesellschaft zusammen mit den Zeichen der Spaltung auch jene ebenso deutlichen und aufschlußreichen Zeichen der Suche nach Aussöhnung zu sammeln. Sie ist sich j a bewußt, daß ihr in besonderer Weise die Möglichkeit gegeben und die Sendung aufgetragen ist, den wahren und tiefreligiösen Sinn sowie die wesentlichen Dimensionen der Versöhnung aufzuzeigen und schon so dazu beizutragen, daß die wesentlichen Aspekte der Frage von Einheit und Frieden klarer werden. Meine Vorgänger haben unablässig die Versöhnung gepredigt und die ganze Menschheit sowie jede Gruppe und jeden Bereich der menschlichen Gemeinschaft, die sie zerrissen und gespaltet sahen, zur Versöhnung aufgefordert.6 Aus einem inneren Antrieb, der zugleich - dessen bin ich gewiß - einer höheren Eingebung sowie den Appellen der Menschheit gehorchte, habe ich selbst in zwei verschiedenen, aber beidemal feierlichen und verbindlichen Weisen das Thema der Versöhnung besonders herausgestellt: Zunächst, indem ich die VI. Allgemeine Versammlung der Bischofssynode einberufen habe; und dann, indem ich es zum Mittelpunkt des Jubiläumsjahres gemacht habe, das zur Feier des 1950. Jahrestages der Erlösung ausgerufen worden ist.7 Als ich der Synode ein Thema zuweisen mußte, konnte ich jenem voll und ganz zustimmen, das zahlreiche meiner Brüder im Bischofsamt vorgeschlagen hatten, nämlich das fruchtbare Thema der Versöhnung in enger Verbindung mit der Buße.s Der Ausdruck und der Begriff der Buße selbst sind sehr vielschichtig. Sehen wir sie mit der Metänoia verbunden, wie die Synoptiker sie darstellen, so bezeichnet Buße die innere Umkehr des Herzens unter dem Einfluß des Wortes Gottes und mit dem Blick auf das Reich Gottes.9 Buße bedeutet aber auch, das Leben zu ändern in Übereinstimmung mit der Umkehr des Herzens; in diesem Sinne wird das „Buße tun“ dadurch ergänzt, daß „würdige Früchte der Buße“ hervorgebracht werden:10 Die ganze Existenz wird in die Buße einbezogen, das heißt, sie ist bereit, beständig zum Besseren voranzuschreiten. Buße tun ist allerdings nur 1507 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN dann echt und wirksam, wenn es sich in Akten und Taten der Buße konkretisiert. In diesem Sinne bedeutet Buße im theologischen und geistlichen christlichen Sprachgebrauch Aszese, das heißt die konkrete und tägliche Anstrengung des Menschen, mit Hilfe der Gnade Gottes sein Leben um Christi willen zu verlieren, als einzige Weise, es wirklich zu gewinnen;11 den alten Menschen abzulegen und den neuen Menschen anzuziehen;12 alles in sich zu überwinden, was „fleischlich“ist, damit das „Geistliche“ sich durchsetze;13 beständig von den irdischen Dingen hinaufzustreben zu den himmlischen, wo Christus ist.14 Buße ist also eine Umkehr, die vom Herzen hin zu den Taten geht und daher das gesamte Leben des Christen erfaßt. In allen diesen Bedeutungen ist Buße eng mit Versöhnung verbunden; denn sich mit Gott, mit sich selbst und mit den anderen zu versöhnen, setzt voraus, daß man jenen radikalen Bruch überwindet, den die Sünde darstellt. Dies geschieht nur durch eine innere Wandlung oder Umkehr, die sich durch Bußakte im täglichen Leben auswirkt. Das Ausgangsdokument der Synode (auch „Lineamenta“, „Grundlinien“, genannt), das ausschließlich vorbereitet worden war, um das Thema vorzustellen und davon einige grundlegende Gesichtspunkte besonders hervorzuheben, hat es den kirchlichen Gemeinschaften in aller Welt ermöglicht, fast zwei Jahre lang über diese Aspekte einer alle interessierenden Frage, nämlich der nach Umkehr und Versöhnung, nachzudenken und daraus neue Kraft für ein christliches Leben und Apostolat zu gewinnen. Die Reflexion hat sich dann bei der unmittelbareren Vorbereitung auf die Synodenarbeit weiter vertieft durch den „Arbeitstext“ („Instrumentum laboris“), der den Bischöfen und ihren Mitarbeitern rechtzeitig zugestellt worden ist. Schließlich haben die Väter der Synode, von denjenigen unterstützt, die zur eigentlichen Synodensitzung berufen worden waren, mit tiefem Verantwortungsbewußtsein dieses Thema und die zahlreichen und verschiedenen damit verbundenen Fragen behandelt. Aus Debatte und gemeinsamem Studium, aus eifrigem und gründlichem Forschen ist so ein großer wertvoller Schatz entstanden, der in den „Schlußvorlagen“ („Propositiones“) im wesentlichen zusammengefaßt ist. Die Synode übersieht nicht die Akte der Versöhnung - einige davon werden in ihrer Alltäglichkeit fast gar nicht bemerkt -, die alle in verschiedenem Maße mithelfen, die zahlreichen Spannungen zu lösen, die vielen Konflikte zu überwinden, die kleinen wie die großen Spaltungen zu beheben und die Einheit wiederherzustellen. Aber das hauptsächliche Bemühen der Synode richtet sich darauf, auf dem Grund dieser einzelnen Akte die verborgene gemeinsame Wurzel zu entdecken, eine Urversöh- 1508 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nung, die gleichsam wie eine Quelle für alles andere im Herzen und Gewissen des Menschen wirkt. Die besondere, originale Gabe der Kirche hinsichtlich der Versöhnung, wo immer diese erreicht werden soll, besteht darin, daß sie stets bis zu dieser ursprunghaften Versöhnung vordringt. Kraft ihre/ wesentlichen Sendung sieht sich die Kirche nämlich verpflichtet, bis an die Wurzeln der Urwunde der Sünde vorzudringen, um dort Heilung zu wirken und gleichsam eine Urversöhnung zu schaffen, die dann ein kraftvolles Prinzip jeder weiteren echten Versöhnung sein soll. Das ist es, was die Kirche beabsichtigt und durch die Synode dargelegt hat. Von dieser Versöhnung spricht die Heilige Schrift, wenn sie uns auf fordert, hierfür alle Anstrengungen zu unternehmen;15 aber sie sagt uns auch, daß solche Versöhnung vor allem ein barmherziges Geschenk Gottes an den Menschen ist.16 Die Heilsgeschichte der gesamten Menschheit wie auch jedes einzelnen Menschen zu allen Zeiten ist die wundervolle Geschichte einer Versöhnung, bei der Gott, weil er Vater ist, im Blut und im Kreuz seines menschgewordenen Sohnes die Welt wieder mit sich versöhnt und so eine neue Familie von Versöhnten geschaffen hat. Versöhnung wird notwendig, weil es einen Bruch durch die Sünde gegeben hat, aus dem sich alle weiteren Formen einer Spaltung im Inneren des Menschen und in seiner Umgebung herleiten. Damit die Versöhnung vollständig sei, muß sie also notwendigerweise die Befreiung von der Sünde bis in ihre tiefsten Wurzeln umfassen. So sind Umkehrund Versöhnung durch ein inneres Band eng miteinander verbunden: Es ist unmöglich, diese beiden Wirklichkeiten voneinander zu trennen oder von der einen zu sprechen und die andere zu verschweigen. Die Bischofssynode hat gleichzeitig von der Versöhnung der ganzen Menschheitsfamilie und von der inneren Umkehr jeder einzelnen Person, von ihrer neuen Hinwendung zu Gott, gesprochen; sie wollte damit anerkennen und verkünden, daß es keine Einheit der Menschen ohne eine Änderung im Herzen eines jeden einzelnen geben kann. Die persönliche Umkehr ist der notwendige Weg zur Eintracht unter den Menschend1 Wenn die Kirche die Frohe Botschaft von der Versöhnung verkündigt oder dazu einlädt, sie durch die Sakramente zu verwirklichen, handelt sie wahrhaft prophetisch: Sie klagt die Übel des Menschen in ihrer verschmutzten Quelle an; sie weist hin auf die Wurzel der Spaltungen und gibt Hoffnung, daß die Spannungen und Konflikte überwunden werden können, damit man zu Brüderlichkeit und Eintracht und zum Frieden auf allen Ebenen und in allen Gruppen der menschlichen Gesellschaft gelangt. Sie beginnt, eine von Haß und Gewalt geprägte geschichtliche 1509 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Situation in eine Zivilisation der Liebe zu verwandeln; sie bietet allen das sakramentale Prinzip des Evangeliums für jene Urversöhnung an, aus der jede andere versöhnende Geste oder Handlung, auch im gesellschaftlichen Bereich, hervorgeht. Von dieser Versöhnung als einer Frucht der Umkehr handelt das vorliegende Apostolische Schreiben. Denn wie es schon am Ende der drei vorhergehenden Synodenversammlungen geschehen war, haben die Väter der Synode dem Bischof von Rom, dem obersten Hirt der Kirche und Haupt des Bischofskollegiums, in seiner Eigenschaft als Präsident der Synode auch diesesmal die Ergebnisse ihrer Arbeit übergeben wollen. Als schwere und zugleich dankbare Verpflichtung meines Amtes habe ich die Aufgabe übernommen,. aus dem überaus großen Reichtum der Synode zu schöpfen, um als Frucht der Synode ein Lehr- und Pastoralschreiben zum Thema der Versöhnung und Buße an das Volk Gottes zu richten. In einem ersten Teil möchte ich von der Kirche und dem Vollzug ihrer versöhnenden Sendung, von ihrem Einsatz für die Bekehrung der Herzen, für die erneuerte Einheit zwischen Gott und dem Menschen, zwischen dem Menschen und seinem Bruder, zwischen dem Menschen und der gesamten Schöpfung handeln. Im zweiten Teil werde ich die wurzelhafte Ursache jeder Verwundung und Spaltung unter den Menschen und vor allem in ihrem Verhältnis zu Gott aufzeigen, nämlich die Sünde. Schließlich will ich jene Hilfsmittel angeben, die es der Kirche ermöglichen, die volle Aussöhnung der Menschen mit Gott und folglich auch der Menschen untereinander zu fördern und zu erwirken. Das Dokument, das ich hiermit den Gläubigen der Kirche, aber auch all denjenigen übergebe, die, gläubig oder nicht, mit Interesse und aufrichtigem Herzen auf sie schauen, will die pflichtgemäße Antwort auf die an mich gerichtete Bitte der Synode sein. Aber es ist auch - das möchte ich um der Wahrheit und Gerechtigkeit willen sagen - ein Werk der Synode selbst. Der Inhalt dieser Seiten stammt nämlich von ihr: aus ihrer entfernten oder näheren Vorbereitung, aus dem Arbeitstext, aus den Stellungnahmen in der Synodenaula und bei den Arbeitsgruppen und vor allem aus den 63 Schlußvorlagen. Dies ist die Frucht der gemeinsamen Arbeit der Väter, zu denen auch Vertreter der Ostkirchen gehörten, deren theologisches, spirituelles und liturgisches Erbe so reich und wertvoll auch für das vorliegende Thema ist. Darüber hinaus hat der Rat des Synodensekretariates in zwei wichtigen Sitzungen die Ergebnisse und Grundlinien der soeben abgeschlossenen Synode geprüft, den inneren Zusammenhang der genannten Schlußvorlagen aufgezeigt und die Themen skizziert, die für die Abfassung dieses 1510 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dokumentes am meisten geeignet erschienen. Ich bin all jenen dankbar, die diese Arbeit geleistet haben, während ich im folgenden in Treue zu meiner Sendung all das vermitteln möchte, was mir aus dem für Lehre und Pastoral so reichen Schatz der Synode als ein Geschenk der Vorsehung erscheint für das Leben so vieler Menschen in dieser großartigen und zugleich schwierigen Stunde der Geschichte. Es empfiehlt sich, das zu tun - und es erweist sich als sehr bedeutungsvoll —, während im Herzen vieler die Erinnerung an das Heüige Jahr, das ganz von Buße, Umkehr und Versöhnung geprägt war, noch lebendig ist. Möge dieses Lehrschreiben, das ich den Brüdern im Bischofsamt und ihren Mitarbeitern, den Priestern und Diakonen, den Ordensmännern und Ordensfrauen, allen Gläubigen und allen gewissenhaften Männern und Frauen übergebe, nicht nur eine Hilfe zur Läuterung, Bereicherung und Vertiefung ihres persönlichen Glaubens sein, sondern auch ein Sauerteig, dem es gelingt, im Herzen der Welt Frieden und Brüderlichkeit, Hoffnung und Freude wachsen zu lassen. Werte, die aus dem Evangelium hervorgehen, wenn es angenommen, meditiert und Tag für Tag nach dem Beispiel Marias gelebt wird, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus, durch den Gott alles mit sich versöhnen wollte.18 1511 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Erster Teil Versöhnung und Buße: Auftrag und Einsatz der Kirche I. Ein Gleichnis der Versöhnung 5. Am Beginn dieses Apostolischen Schreibens steht vor meinem geistigen Auge jener außerordentliche Text des hl. Lukas, dessen tiefen religiösen wie menschlichen Inhalt ich schon in einem früheren Dokument zu erläutern versucht habe.19 Ich meine das Gleichnis vom verlorenen Sohn.20 Vom Bruder, der verloren war . . . „Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht“, so erzählt Jesus bei der Darstellung der dramatischen Geschichte dieses jungen Mannes: der leichtsinnige Weggang aus seinem Vaterhaus, die Vergeudung all seines Besitzes in einem ausschweifenden Lebenswandel ohne Sinn, die dunklen Tage der Fremde und des Hungers, aber mehr noch die Tage der verlorenen Würde, der Erniedrigung und Beschämung und schließlich die Sehnsucht nach dem Vaterhaus, der Mut zur Heimkehr, der Empfang durch den Vater. Dieser hatte den Sohn keineswegs vergessen; im Gegenteil, er hatte ihm unverändert Liebe und Achtung bewahrt. So hatte er immer auf ihn gewartet, und so umarmt er ihn jetzt, während er zum großen Fest für denjenigen auf fordert, der tot war und wieder lebt, der verloren war und wiedergefunden wurde. Der Mensch - ein jeder Mensch - ist ein solcher verlorener Sohn: betört von der Versuchung, sich vom Vater zu trennen, um ein unabhängiges Leben zu führen; dieser Versuchung verfallen; enttäuscht von der Leere, die ihn wie ein Blendwerk verzaubert hatte; allein, entehrt, ausgenutzt, als er sich eine Welt ganz für sich allein zu schaffen versucht; auch in der Tiefe seines Elendes noch immer gequält von der Sehnsucht, zur Gemeinschaft mit dem Vater zurückzukehren. Wie der Vater im Gleichnis erspäht Gott den heimkehrenden Sohn, er umarmt ihn bei seiner Ankunft und 1512 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN läßt die Tafel hemchten für das Festmahl ihrer neuen Begegnung, mit dem der Vater und die Brüder die Wiederversöhnung feiern. Was an diesem Gleichnis am meisten beeindruckt, ist die festliche und liebevolle Aufnahme, die der Vater dem heimkehrenden Sohn bereitet: ein Zeichen der Barmherzigkeit Gottes, der immer bereit ist zu verzeihen. Sagen wir es gleich: Die Versöhnung ist in erster Linie ein Geschenk des himmlischen Vaters. . . . zum Bruder, der zu Hause geblieben war 6. Das Gleichnis läßt aber auch den älteren Bruder auf treten, der seinen Platz beim Festmahl verschmäht. Er wirft dem jüngeren Bruder dessen lockeres Treiben vor und dem Vater den Empfang, den dieser dem verlorenen Sohn Vorbehalten habe, während es ihm selbst, immer beherrscht und fleißig und treu zum Vater und zum Hause stehend, niemals erlaubt worden sei - wie er sagt -, mit seinen Freunden ein Fest zu feiern. Ein Zeichen, daß er die Güte des Vaters nicht versteht. Solange dieser Bruder, von sich selbst und seinen Verdiensten allzusehr überzeugt, eifersüchtig und verächtlich, voller Bitterkeit und Zorn, sich nicht bekehrt und mit dem Vater und dem Bruder versöhnt, ist dieses Mahl noch nicht ganz das Fest der Begegnung und des Sichwiederfindens. Der Mensch - ein jeder Mensch - ist auch ein solcher älterer Bruder. Egoismus macht ihn eifersüchtig, läßt sein Herz hart werden, verblendet und verschließt ihn gegenüber den anderen und vor Gott. Die Güte und Barmherzigkeit des Vaters reizen und ärgern ihn; das Glück des heimgekehrten Bruders schmeckt ihm bitter.21 Auch in dieser Hinsicht hat der Mensch es nötig, sich zu bekehren, um sich auszusöhnen. Das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist vor allem die wunderbare Geschichte der großen Liebe Gottes, des Vaters, der dem zu ihm heimgekehrten Sohn das Geschenk einer vollständigen Versöhnung anbietet. Weil es aber in der Gestalt des älteren Bruders ebenso an den Egoismus erinnert,, der die Brüder untereinander entzweit, wird es auch zur Geschichte der Menschheitsfamilie. Es kennzeichnet unsere Lage und gibt den zu gehenden Weg an. Der verlorene Sohn in seiner Sehnsucht nach Umkehr, nach Heimkehr in die Arme des Vaters und nach Vergebung stellt all jene dar, die im Grund ihres Herzens die Sehnsucht nach einer Aussöhnung auf allen Ebenen und ohne Vorbehalte verspüren und mit innerer Sicherheit sehen, daß diese nur dann möglich ist, wenn sie sich von jener ersten, grundlegenden Aussöhnung herleitet, die den Menschen aus 1513 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Gottfeme zur kindhaften Freundschaft mit Gott bringt, um dessen unendliche Barmherzigkeit er weiß. Wenn es jedoch mit dem Blick auf den anderen Sohn gelesen wird, beschreibt das Gleichnis die Lage der Menschheitsfamilie, die von ihren Egoismen zerrissen ist; es beleuchtet die Schwierigkeiten, der Sehnsucht und dem Heimweh nach einer gemeinsamen, versöhnten und geeinten Familie zu entsprechen, und erinnert so an die Notwendigkeit einer tiefen Änderung der Herzen, verbunden mit der Wiederentdeckung der Barmherzigkeit des Vaters und der Überwindung von Unverständnis und Feindseligkeit unter Brüdern. Im Licht dieses unerschöpflichen Gleichnisses von der Barmherzigkeit, die die Sünde tilgt, versteht es die Kirche, in dem sie den darin enthaltenen Anruf aufnimmt, ihre Sendung, auf den Spuren des Herrn für die Bekehrung der Herzen und die Versöhnung der Menschen mit Gott und untereinander zu wirken, zwei Bereiche, die eng miteinander verbunden sind. II. Zu den Quellen der Versöhnung Im Lichte Christi, der Versöhnung bewirkt 7. Wie sich aus dem Gleichnis vom verlorenen Sohn ergibt, ist die Versöhnung ein Geschenk Gottes und ganz seine Initiative. Unser Glaube belehrt uns, daß diese Initiative konkrete Gestalt im Geheimnis Jesu Christi annimmt, der den Menschen erlöst und versöhnt und ihn von der Sünde in all ihren Formen befreit. Paulus faßt gerade in dieser Aufgabe und in diesem Handeln die einzigartige Sendung Jesu von Nazaret, des menschgewordenen Wortes und Sohnes Gottes, zusammen. Auch wir können von diesem zentralen Geheimnis des Heilswerkes ausgehen, dem Schlüsselbegriff der Christologie des Apostels. „Da wir mit Gott versöhnt wurden durch den Tod seines Sohnes, als wir noch (Gottes) Feinde waren“, so schreibt Paulus an die Römer, „werden wir erst recht, nachdem wir versöhnt sind, gerettet werden durch sein Leben. Mehr noch, wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben.“22 Weil also „Gott die Welt in Christus mit sich versöhnt hat“, fühlt sich Paulus dazu gedrängt, die Christen von Korinth aufzurufen: „Laßt euch mit Gott versöhnen!“23 Von einer solchen Sendung durch den Tod am Kreuz spricht mit anderen Worten auch der Evangelist Johannes, wenn er feststellt, daß Christus 1514 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN sterben mußte, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“.24 Paulus wiederum läßt unsere Sicht des Werkes Christi sich ausweiten in kosmische Dimensionen, wenn er schreibt, daß der Vater in ihm alle Geschöpfe mit sich versöhnt hat, jene im Himmel und jene auf Erden.25 In Wahrheit kann man vom Erlöser Jesus Christus sagen, daß „er zur Zeit des Untergangs ein neuer Anfang war“26 und daß er, wie „unser Friede“,27 so auch unsere Versöhnung ist. Zu Recht werden sein Leiden und Sterben, die in der Eucharistiefeier in sakramentaler Weise erneuert werden, von der Liturgie „Opfer unserer Versöhnung“28 genannt: eine Aussöhnung mit Gott, ohne Zweifel, aber auch mit den Brüdern, wenn Jesus selbst lehrt, daß vor dem Opfer die Versöhnung unter den Brüdern erfolgen muß.29 Wenn man also von diesen und anderen bedeutsamen Abschnitten des Neuen Testaments ausgeht, ist es durchaus berechtigt, unsere Überlegungen auf das gesamte Geheimnis Christi und seiner versöhnenden Sendung hinzulenken. Noch einmal muß der Glaube der Kirche an das erlösende Handeln Christi, an das österliche Geheimnis seines Todes und seiner Auferstehung, hervorgehoben werden, das die Ursache der Versöhnung des Menschen in ihrer doppelten Richtung einer Befreiung von der Sünde und einer Gnadengemeinschaft mit Gott ist. Gerade vor dem traurigen Hintergrund der Spaltungen und der Schwierigkeiten einer Aussöhnung unter den Menschen lade ich dazu ein, das Geheimnis des Kreuzes zu betrachten, das größte Drama von allen, bei dem Christus das Drama der Trennung des Menschen von Gott bis auf den Grund wahrnimmt und erleidet, und dies so intensiv, daß er mit den Worten des Propheten auf schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“30 und dabei zugleich unsere Versöhnung erwirkt. Der Blick auf das Geheimnis von Golgota muß uns immer an jene „vertikale“ Dimension der Trennung und Wiederversöhnung im Verhältnis des Menschen zu Gott erinnern, die aus der Sicht des Glaubens die „horizontale“ Dimension immer übersteigt, das heißt die Wirklichkeit von Spaltung und die notwendige Wiederversöhnung unter den Menschen. Wir wissen ja, daß eine solche gegenseitige Aussöhnung nur die Frucht ist und sein kann aus dem erlösenden Handeln Christi, der gestorben und auferstanden ist, um das Reich der Sünde zu besiegen, den Bund mit Gott wiederherzustellen und so die Trennungsmauer niederzureißen,31 die die Sünde zwischen den Menschen auf gerichtet hatte. 1515 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Versöhnung durch die Kirche 8. Aber - so sagte Leo der Große, als er vom Leiden Christi sprach -„alles, was der Sohn Gottes für die Aussöhnung der Welt getan und gelehrt hat, kennen wir nicht nur aus der Geschichte unserer Handlungen, die vergangen sind, sondern wir.sehen es auch an den Wirkungen dessen, was er heute vollbringt“.32 So erfahren wir die Versöhnung, die er in seinem Menschsein vollbracht hat, aus dem Wirken der heiligen Geheimnisse, die von seiner Kirche gefeiert werden, für die sich Christus dahingegeben und die er zum Zeichen und Werkzeug des Heils gemacht hat. Das versichert der hl. Paulus, wenn er schreibt, daß Gott die Apostel Christi an seinem versöhnenden Werk teilnehmen läßt. „Gott“, so sagt er, „hat uns den Dienst der Versöhnung auf getragen . . . und das Wort von der Versöhnung anvertraut.“33 In Hände und Mund der Apostel, seiner Boten, hat der Vater voller Erbarmen den Dienst der Versöhnung gelegt, den sie in einer einzigartigen Weise vollziehen, kraft der Vollmacht, „in der Person Christi“ zu handeln. Aber auch der gesamten Gemeinschaft der Gläubigen, dem ganzen Leib der Kirche ist das „Wort von der Versöhnung“ -anvertraut, das heißt der Auftrag, alles zu tun, um Versöhnung zu bezeugen und in der Welt zu verwirklichen. Man kann sagen, daß auch das II. Vatikanische Konzil, indem es die Kirche definiert hat als „das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“, und indem es als ihre Aufgabe bezeichnet, „die volle Einheit in Christus“ für die Menschen zu erlangen, „die heute durch vielfältige . . . Bande enger miteinander verbunden sind“,34 damit anerkannt hat, daß sich die Kirche vor allem dafür einsetzen muß, die Menschen zu einer vollständigen Versöhnung zu führen. Im engen Zusammenhang mit der Sendung Christi kann man also die an sich reiche und vielschichtige Sendung der Kirche zusammenfassen in der für sie zentralen Aufgabe der Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich selbst, mit den Brüdern, mit der ganzen Schöpfung; und dies fortwährend: denn wie ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe - „die Kirche ist von Natur aus immer versöhnend“.35 Versöhnend ist die Kirche, weil sie die Frohe Botschaft von der Versöhnung verkündet, wie sie es in ihrer Geschichte immer getan hat, angefangen vom Apostelkonzil in Jerusalem36 bis zur letzten Bischofssynode und zum jüngsten Jubiläumsjahr der Erlösung. Das Besondere an dieser Verkündigung liegt darin, daß die Versöhnung für die Kirche eng mit der 1516 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bekehrung des Herzens verbunden ist: Diese ist der notwendige Weg zu einer Verständigung zwischen den Menschen. Versöhnend ist die Kirche auch, weil sie dem Menschen die Wege zeigt und die Mittel anbietet für die obengenannte vierfache Aussöhnung. Diese Wege sind gerade die Bekehrung des Herzens und die Überwindung der Sünde, mag diese in Egoismus oder Ungerechtigkeit, in Anmaßung oder Ausbeutung des Nächsten, im Verfallensein an materielle Güter oder in hemmungsloser Genußsucht bestehen. Die Mittel sind das treue und liebende Hören des Wortes Gottes, das persönliche und das gemeinschaftliche Gebet und vor allem die Sakramente als die wahren Zeichen und Mittel der Versöhnung, aus denen gerade unter dieser Hinsicht jenes Sakrament hervorragt, das wir zu Recht Sakrament der Versöhnung oder auch Bußsakrament zu nennen pflegen. Hierauf werde ich im folgenden noch näher eingehen. Die versöhnte Kirche 9. Mein verehrter Vorgänger Paul VI. hat das Verdienst, klargestellt zu haben, daß die Kirche, um die Frohe Botschaft wirksam verkündigen zu können, bei sich selbst beginnen und sich als Hörerin der Botschaft erweisen muß, das heißt als offen für die volle und ganze Verkündigung der Frohen Botschaft Jesu Christi, um sie aufzunehmen und zu verwirklichen.37 Auch ich habe, als ich in einem eigenen Dokument die Überlegungen der IV. Generalversammlung der Synode zusammenhängend dargelegt habe, von einer Kirche gesprochen, die in dem Maße, wie sie anderen Glaubensunterricht erteilt, auch selbst tiefer in den Glauben hineinwächst.38 Ich zögere nun nicht, diese Zuordnung hier wieder aufzugreifen und sie auf das Thema anzuwenden, das ich behandle: Ich möchte betonen, daß die Kirche, um versöhnend zu wirken, bei sich selbst beginnen muß, eine versöhnte Kirche zu sein. Hinter dieser einfachen und knappen Formulierung steht die Überzeugung, daß die Kirche, um der Welt die Versöhnung noch wirksamer verkünden und anbieten zu können, immer mehr zu einer Gemeinschaft (und sei es auch die „kleine Herde“ der ersten Zeiten) von Jüngern Christi werden muß, einig im Bemühen, sich beständig zum Herrn zu bekehren und als neue Menschen zu leben, im Geist und in der Wirklichkeit der Versöhnung. Vor unseren Zeitgenossen, die so empfindsam für den Beweis eines konkreten Lebenszeugnisses sind, ist die Kirche auf gerufen, ein Beispiel 1517 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN für Versöhnung vor allem in ihrem eigenen Inneren zu geben; darum müssen wir alle darauf hinwirken, die Herzen friedfertig zu stimmen, die Spannungen zu verringern, die Spaltungen zu überwinden, die Wunden zu heilen, die sich Brüder vielleicht gegenseitig zufügen, wenn sich der Gegensatz zwischen verschiedenen Einstellungen im Rahmen erlaubter Meinungsvielfalt zuspitzt, und zu versuchen, einig in dem zu sein, was wesentlich für den Glauben und das christliche Leben ist, nach der altbewährten Regel: In dubiis libertas, in necassariis unitas, in omnibus caritas - im Zweifel Freiheit, im Wesentlichen Einheit, in allem Liebe. Nach demselben Maßstab muß die Kirche auch ihre ökumenische Aufgabe erfüllen. Sie ist sich ja dessen sehr bewußt, daß sie, um vollkommen versöhnt zu sein, unaufhörlich weiter nach der Einheit unter denjenigen suchen muß, die sich rühmen dürfen, Christen zu sein, aber — auch als Kirchen und Gemeinschaften - voneinander und von der römischen Kirche getrennt sind. Die Kirche von Rom sucht eine Einheit, die, um Frucht und Ausdruck einer echten Versöhnung zu sein, weder die trennenden Elemente einfach übergeht noch sich auf Kompromisse gründet, die ebenso leichtfertig wie oberflächlich und hinfällig wären. Die Einheit muß das Ergebnis einer wahren Bekehrung aller, der gegenseitigen Vergebung, des theologischen Dialogs, des brüderlichen Umganges miteinander, des Gebetes, der vollen Offenheit für das Handeln des Heiligen Geistes sein, der auch der Geist der Wiederversöhnung ist. Um sich vollständig versöhnt nennen zu können, fühlt sich die Kirche schließlich auch zu immer größeren Anstrengungen verpflichtet, das Evangelium zu allen Völkern zu bringen und den „Heilsdialog“39 mit jenen weiten Bereichen der Menschheit in der heutigen Welt zu fördern, die den Glauben der Kirche nicht teilen oder die aufgrund der wachsenden Verweltlichung sogar Abstand nehmen von der Kirche und ihr kühl und gleichgültig gegenüberstehen, ja sie manchmal sogar anfeinden und verfolgen. Allen glaubt die Kirche immer wieder mit dem hl. Paulus sagen zu müssen: „Laßt euch mit Gott versöhnen!“40 In jedem Falle aber fördert die Kirche nur eine Versöhnung in der Wahrheit, weil sie sehr wohl weiß, daß weder Versöhnung noch Einheit außerhalb oder gegen die Wahrheit möglich sind. 1518 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN III. Initiative Gottes und Dienst der Kirche 10. Als versöhnte und versöhnende Gemeinschaft kann die Kirche nicht vergessen, daß die Quelle ihrer Gabe und Sendung der Versöhnung die Initiative voller mitfühlender Liebe und Barmherzigkeit jenes Gottes ist, der die Liebe ist41 und aus Liebe die Menschen erschaffen hat:42 Er hat sie erschaffen, damit sie in Freundschaft mit ihm und in Gemeinschaft miteinander leben. Versöhnung geht von Gott aus Gott bleibt seinem ewigen Plan treu, auch wenn der Mensch, vom Bösen getrieben43 und von seinem Stolz verführt, die Freiheit mißbraucht, die ihm dazu gegeben ist, das Gute hochherzig zu lieben und zu suchen, und seinem Herrn und Vater den Gehorsam verweigert; wenn er, anstatt mit Liebe auf die Liebe Gottes zu antworten, sich ihm wie einem Rivalen widersetzt, wobei er sich selbst täuscht und seine Kräfte überschätzt. Die Folge davon ist ein Bruch in den Beziehungen zu demjenigen, der ihn erschaffen hat. Trotz dieser Treulosigkeit des Menschen bleibt Gott treu in seiner Liebe. Gewiß, die Erzählung vom Garten Eden laßt uns über die traurigen Folgen der Zurückweisung des Vaters nachdenken, die zu einer inneren Unordnung im Menschen und zum Bruch in der harmonischen Einheit zwischen Mann und Frau, zwischen Bruder und Bruder führt.44 Auch das Gleichnis des Evangeliums von den zwei Söhnen, die sich, jeder auf seine Weise, vom Vater entfernen und einen Abgrund zwischen sich aufreißen, spricht von dieser Wahrheit. Die Zurückweisung der Vaterliebe Gottes und der Geschenke seines Herzens findet sich immer an der Wurzel von Spaltungen unter den Menschen. Aber wir wissen, daß Gott, „der voll Erbarmen ist“45 wie der Vater im Gleichnis, sein Herz vor keinem seiner Kinder verschließt. Er wartet auf sie und sucht sie; er erreicht sie dort, wo ihre Verweigerung der Gemeinschaft sie zu Gefangenen ihrer Einsamkeit und Trennung macht; er ruft sie, sich wieder um seinen Tisch zu versammeln und sich über das Fest der Vergebung und Versöhnung zu freuen. Diese Initiative Gottes findet ihre konkrete Gestalt und ihren Ausdruck im erlösenden Handeln Christi, das durch den Dienst der Kirche in die Welt ausstrahlt. Das Wort Gottes hat ja nach unserem Glauben Fleisch angenommen und ist gekommen, auf der Erde unter den Menschen zu wohnen; es ist in die 1519 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Geschichte der Welt eingetreten, hat ihre Bedingungen auf sich genommen und sie in seinem Leben zusammengefaßt.46 Christus hat uns offenbart, daß Gott Liebe ist, und hat uns das „neue Gesetz“ der Liebe gegeben;47 dabei hat er uns die Gewißheit vermittelt, daß der Weg der Liebe auf alle Menschen zuführt, so daß die Bemühungen, eine weltweite Brüderlichkeit48 zu erreichen, nicht vergeblich sind. Indem er mit seinem Tod am Kreuz das Böse und die Macht der Sünde besiegt hat, hat er durch seinen von Liebe durchdrungenen Gehorsam allen das Heil gebracht und ist für alle „Versöhnung“ geworden. In ihm hat Gott den Menschen mit sich versöhnt. Die Kirche setzt die Verkündigung dieser Versöhnung, wie Christus sie in den Dörfern Galiläas und ganz Palästinas ausgerufen hat,49 fort und lädt die ganze Menschheit unaufhörlich dazu ein, umzukehren und an diese Frohe Botschaft zu glauben. Die Kirche spricht dabei im Namen Christi; sie übernimmt den Aufruf des Apostels Paulus, auf den wir bereits hingewiesen haben: „Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“50 Wer diesem Aufruf folgt, tritt ein in das Werk der Versöhnung und erfährt an sich die Wahrheit, die in jenem anderen Aufruf des hl. Paulus enthalten ist, nach dem Christus „unser Friede ist. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder ... Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib“.51 Wenn dieser Text auch direkt die Überwindung der religiösen Trennung zwischen Israel, dem erwählten Volk des Alten Bundes, und den anderen Völkern, die alle zur Teilnahme am Neuen Bund berufen sind, betrifft, so enthält er doch auch die Zusage der neuen geistlichen Universalität, die von Gott gewollt und durch das Opfer seines Sohnes, des menschgewordenen Ewigen Wortes, ohne Grenzen oder irgendwelche Ausschlüsse für alle diejenigen bewirkt worden ist, die umkehren und an Christus glauben. Alle sind wir also dazu berufen, die Früchte dieser gottgewollten Versöhnung zu genießen: jeder Mensch und jedes Volk. Die Kirche, das große Sakrament der Versöhnung 11. Die Kirche ist gesandt, diese Versöhnung zu verkünden und ihr Sakrament in der Welt zu sein. Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug der Versöhnung, ist die Kirche in verschiedenen Weisen mit unter- 1520 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN schiedlichem Wert; alle aber wirken darauf hin zu erreichen, was die göttliche Initiative der Barmherzigkeit den Menschen schenken will. Sakrament ist sie schon allein durch ihr Dasein als versöhnte Gemeinschaft, die in der Welt das Werk Christi bezeugt und darstellt. Sakrament ist sie ferner durch ihren Dienst als Hüterin und Interpretin der Heiligen Schrift, der Frohen Botschaft von der Versöhnung; von Generation zu Generation macht sie den Plan der Liebe Gottes bekannt und zeigt jeder die Wege zu einer umfassenden Versöhnung in Christus. Sakrament ist sie schließlich durch die sieben Sakramente, die in je eigener Weise „die Kirche erbauen“.52 Weil sie nämlich das österliche Geheimnis Christi in Erinnerung bringen und in der ihnen eigenen Weise erneuern, sind alle Sakramente eine Lebensquelle für die Kirche und bilden in ihren Händen Werkzeuge für die Umkehr zu Gott und für die Versöhnung unter den Menschen. Andere Wege der Versöhnung 12. Die versöhnende Sendung kommt der ganzen Kirche zu, auch und vor allem jenem Teil, der schon endgültig an der göttlichen Herrlichkeit teilhaben darf, zusammen mit der Jungfrau Maria, mit den Engeln und Heiligen, die den dreimalheiligen Gott schauen und anbeten. Die Kirche im Himmel, die Kirche auf Erden, die Kirche im Fegfeuer, sie wirken in geheimnisvoller Einheit mit Christus zusammen, um die Welt mit Gott zu versöhnen. Der erste Weg dieses Heilswirkens ist das Gebet. Ohne Zweifel unterstützen die heilige Jungfrau Maria, Mutter Christi und der Kirche,53 und die Heiligen, die das Ende ihre irdischen Pilgerschaft erreicht haben und nun in der Herrlichkeit Gottes leben, fürbittend ihre Brüder, die noch Pilger auf dieser Erde sind, in deren Bemühen, sich ständig zu bekehren, den Glauben zu vertiefen, nach jedem Fall sich wieder aufzurichten und so zu handeln, daß Gemeinsamkeit und Frieden in Kirche und Welt wachsen. Im Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen verwirklicht sich die universale Versöhnung in ihrer tiefsten und für das gemeinsame Heil fruchtbarsten Form. Ein zweiter Weg ist die Verkündigung. Als Schülerin des einzigen Meisters Jesus Christus wird die Kirche ihrerseits als Mutter und Lehrerin nicht müde, den Menschen die Versöhnung anzubieten; unbeirrt weist sie auf die Bosheit der Sünde hin, verkündigt sie die Notwendigkeit der Bekehrung, lädt sie die Menschen ein und fordert sie auf, sich versöhnen 1521 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zu lassen. Ja, das ist ihre prophetische Sendung in der Welt von heute und gestern: Es ist dieselbe Sendung ihres Herrn und Meisters Jesus Christus. Wie er, so wird auch die Kirche diese ihre Sendung stets mit dem Gefühl barmherziger Liebe erfüllen und allen die Worte der Vergebung und der Ermutigung zu neuer Hoffnung, die vom Kreuz kommen, überbringen. Weiter gibt es dann den oft so schwierigen und harten Weg der Pastoral, die versucht, jeden Menschen - wer auch immer er sei oder wo auch immer er lebe - auf den zuweilen langen Weg der Rückkehr zum Vater in der Gemeinschaft mit allen Brüdern zu führen. Schließlich gibt es den Weg des Zeugnisses, meist ohne Worte, das aus einer zweifachen Überzeugung der Kirche hervorgeht: aus der Überzeugung, von ihrem Wesen her „unzerstörbar heilig“54 zu sein, zugleich es aber auch nötig zu haben, „sich Tag für Tag zu reinigen, bis daß Christus sie in all ihrer Schönheit, ohne Flecken und Runzeln, vor sich erscheinen läßt“; denn wegen unserer Sünden leuchtet ihr Antlitz vor den Augen derer, die sie betrachten, nicht recht auf.55 Dieses Zeugnis muß also zwei grundlegende Formen annehmen: Zeichen sein für jene umfassende Liebe, die Jesus Christus seinen Jüngern als Erweis ihrer Zugehörigkeit zu seinem Reich als Erbe hinterlassen hat; und immer wieder neue Umkehr und Versöhnung bewirken, innerhalb wie außerhalb der Kirche, und Spannungen überwinden, sich gegenseitig vergeben sowie im Geist der Brüderlichkeit und des Friedens wachsen und diese Haltung in der ganzen Welt verbreiten. Auf diesem Wege kann die Kirche mit Erfolg dafür wirken, daß die von meinem Vorgänger Paul VI. so genannte „Zivilisation der Liebe“ allmählich entsteht. 1522 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zweiter Teil Die Liebe ist größer als die Sünde Das Drama des Menschen 13. Der Apostel Johannes schreibt: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in uns. Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht; er vergibt uns die Sünden.“56 Diese inspirierten Worte, an den Anfängen der Kirche geschrieben, leiten besser als jeder andere menschliche Ausdruck die Betrachtung über die Sünde ein, die eng mit jener über die Versöhnung verbunden ist. Sie berühren das Problem der Sünde in seinem anthropologischen Horizont, als einen festen Bestand der Wahrheit über den Menschen; aber sie stellen es zugleich in den göttlichen Horizont, in welchem die Sünde der Wahrheit der göttlichen Liebe begegnet, die gerecht ist, großherzig und treu und sich besonders im Vergeben und Erlösen offenbart. Deshalb kann derselbe Apostel Johannes kurz nach seinen Worten schreiben: „Wenn das Herz uns auch verurteilt - Gott ist größer als unser Herz.“57 Die eigene Sünde anerkennen, ja — wenn man bei der Betrachtung der eigenen Person noch tiefer vordringt - sich selbst als Sünder bekennen, zur Sünde fähig und zur Sünde neigend, das ist der unerläßliche Anfang einer Rückkehr zu Gott. Das ist auch die beispielhafte Erfahrung des David, der, nachdem „er vor den Augen des Herrn Böses getan hatte“, vom Propheten Nathan getadelt,58 ausruft: „Ich bekenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen. Gegen dich allein habe ich gesündigt; ich habe getan, was dir mißfällt.“59 Ebenso läßt Jesus Mund und Herz des verlorenen Sohnes diese deutlichen Worte sprechen: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt.“60 Versöhnung mit Gott setzt in der Tat voraus und schließt ein, sich klar und eindeutig von der Sünde zu trennen, die man begangen hat. Sie setzt also voraus und umfaßt das Bußetun im vollen Sinn des Wortes: bereuen, die Reue sichtbar machen, das konkrete Verhalten eines Büßers annehmen, der sich auf den Rückweg zum Vater begibt. Das ist ein allgemeines Gesetz, dem jeder in seiner besonderen Situation folgen muß. Das Reden über Sünde und Umkehr darf nicht bei abstrakten Begriffen stehenbleiben. 1523 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN In der konkreten Verfaßtheit des Sünders, in der es keine Umkehr ohne die Erkenntnis der eigenen Sünde geben kann, stellt der kirchliche Dienst der Versöhnung immer wieder eine Hilfe zur Verfügung, die deutlich auf Buße ausgerichtet ist, das heißt den Menschen zur „Selbsterkenntnis“61 bringen will, zur Trennung vom Bösen, zur Erneuerung der Freundschaft mit Gott, zur Wiederherstellung der inneren Ordnung, zu einer neuen Hinwendung zur Kirche. Über den Bereich der Kirche und der Gläubigen hinaus wenden sich die Botschaft zur Umkehr und der Dienst an der Buße an alle Menschen, weil alle der Bekehrung und Versöhnung bedürfen.62 Um diesen Dienst an der Buße in angemessener Weise zu erfüllen, ist es auch notwendig, mit den „erleuchteten Augen“63 des Glaubens die Folgen der Sünde zu erwägen, die ja Anlaß sind für Trennung und Zerrissenheit nicht nur im Innern jedes Menschen, sondern auch in seinen verschiedenen Lebensräumen, in Familie und Umwelt, Beruf und Gesellschaft, wie man oft aus Erfahrung feststellen kann, in Bestätigung der biblischen Erzählung von Babel und seinem Turm.64 Indem sie erbauen wollten, was zugleich Symbol und Ausgangspunkt der Einheit sein sollte, fanden sich diese Menschen am Ende zerstreuter vor als am Anfang, verwirrt in der Sprache, untereinander gespalten, unfähig zu Übereinstimmung und Gemeinsamkeit. Warum ist dieser ehrgeizige Plan gescheitert? Warum mühten sich die Erbauer vergebens? Weil die Menschen zum Zeichen und zur Garantie der ersehnten Einheit nur ein Werk ihrer eigenen Hände gemacht und das Wirken Gottes vergessen hatten. Sie hatten allein auf die horizontale Dimension der Arbeit und des gesellschaftlichen Lebens gesetzt, ohne jene vertikale Dimension zu beachten, durch die sie in Gott, ihrem Schöpfer und Herrn, ihre Verwurzelung gefunden und sich auf ihn als das letzte Ziel ihres Weges ausgerichtet hätten.65 Man kann sagen, daß das Drama des Menschen von heute, in gewissem Maße das Drama des Menschen zu allen Zeiten, geradezu in seiner Ähnlichkeit mit Babel besteht. I. Das Geheimnis der Sünde 14. Wenn wir die biblische Erzählung von der Stadt Babel und ihrem Turm im Licht der neuen Wahrheit des Evangeliums lesen und sie mit jener anderen Geschichte des Falles der Ureltern vergleichen, können wir daraus kostbare Elemente für ein Verständnis des Geheimnisses der Sünde 1524 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gewinnen. Dieser Ausdruck, in dem anklingt, was der hl. Paulus über das Geheimnis der Bosheit66 schreibt, will uns auf das Dunkle und Unbegreifbare aufmerksam machen, das sich in der Sünde verbirgt. Diese ist zweifellos eine Tat des freien Menschen; aber innerhalb dieser menschlichen Realität wirken Faktoren mit, durch welche die Sünde über den Menschen hinausragt in den Grenzbereich, wo Bewußtsein, Wille und Empfinden im Kontakt mit den dunklen Kräften stehen, die nach dem hl. Paulus in der Welt fast bis zu deren Beherrschung wirken.67 Der Ungehorsam gegen Gott Aus der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel ergibt sich ein erstes Element, das uns hilft, die Sünde zu verstehen: Die Menschen haben danach verlangt, eine Stadt zu erbauen, sich in einer Gesellschaft zusammenzuschließen, stark und mächtig zu sein ohne Gott, wenn nicht sogar gegen Gott.6 In dieser Hinsicht stimmen die Erzählung von der ersten Sünde im Garten Eden und die Geschichte von Babel trotz ihrer beachtlichen Unterschiede in Inhalt und Form miteinander überein; in beiden sehen wir, wie Gott ausgeschlossen wird: durch eine direkte Opposition gegen eines seiner Gebote, durch eine Geste der Rivalität ihm gegenüber, durch die verlockende Absicht, sein zu wollen „wie er“.69 In der Geschichte von Babel erscheint der Amschluß Gottes nicht so sehr als bewußter Gegensatz zu ihm, sondern als Vergessenheit und Gleichgültigkeit ihm gegenüber, als ob man sich bei dem geplanten gemeinschaftlichen Handeln des Menschen um Gott nicht zu kümmern brauche. Aber in beiden Fällen wird die Beziehung zu Gott gewaltsam abgebrochen. In der Geschichte vom Garten Eden wird der innerste und dunkelste Kern der Sünde in seiner ganzen Ernsthaftigkeit und Dramatik sichtbar: der Ungehorsam gegen Gott, gegen sein Gesetz, gegen die moralische Norm, die er dem Menschen ins Herz geschrieben und mit seiner Offenbarung bestätigt und vervollkommnet hat. Amschluß Gottes, Bruch mit Gott, Ungehorsam gegen Gott: Das war und ist die Sünde in der ganzen Menschheitsgeschichte, in ihren verschiedenen Formen bis hin zu Verneinung Gottes und seiner Existenz. Das ist die Wirklichkeit, die Atheismus genannt wird. Ungehorsam des Menschen, der mit einem freien Willensakt die Herrschaft Gottes über sein Leben nicht anerkennt, zumindest in jenem Augenblick, wo er das Gesetz Gottes verletzt. 1525 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Trennung zwischen den Brüdern 15. In den oben erwähnten biblischen Erzählungen mündet der Bruch mit Gott dramatisch ein in eine Trennung zwischen den Brüdern. In der Beschreibung der „ersten Sünde“ löst der Bruch mit Jahwe zugleich die Freundschaft auf, die die Menschheitsfamilie verband, so daß uns die folgenden Seiten der Genesis den Mann und die Frau zeigen, wie sie gleichsam gegeneinander den Anklagefinger erheben,70 und dann den Sohn, der in seiner Feindschaft zum Bruder so weit kommt, daß er ihm das Leben nimmt.71 Nach der Erzählung des Geschehens von Babel ist die Folge der Sünde die Zersplitterung der Menschheitsfamilie, die schon mit der ersten Sünde begonnen hatte und nun im gesellschaftlichen Bereich ihren Höhepunkt erreicht. Wer das Geheimnis der Sünde erforschen will, muß diese Verkettung von Ursache und Wirkung beachten. Als Bruch mit Gott ist die Sünde der Akt des Ungehorsams eines Geschöpfes, das wenigstens einschlußweise den zurückweist, dem es seinen Ursprung verdankt und der es am Leben hält; Sünde ist daher ein selbstmörderischer Akt. Weil der Mensch in der Sünde sich weigert, sich Gott zu unterstellen, zerbricht auch sein inneres Gleichgewicht, und in seinem Herzen brechen Widerspruch und Streit auf. Innerlich zerrissen, erzeugt der Mensch fast unvermeidlich einen Riß auch im Geflecht seiner Beziehungen mit den anderen Menschen und mit der geschaffenen Welt. Das ist ein Gesetz und ein objektiver Tatbestand, die sich in vielen Momenten der menschlichen Psychologie und des geistigen Lebens bestätigen wie auch in der Wirklichkeit des gesellschaftlichen Lebens, wo man die Auswirkungen und Zeichen innerer Unordnung leicht beobachten kann. Das Geheimnis der Sünde besteht in dieser doppelten Verwundung, die der Sünder sich selbst und seiner Beziehung zum Nächsten zufügt. Deshalb kann man von personaler und von sozialer Sünde sprechen: Jede Sünde ist in einer Hinsicht personal; in anderer Hinsicht aber ist sie sozial, insofern sie auch soziale Folgen hat. Personale Sünde — soziale Sünde 16. Die Sünde im wahren und eigentlichen Sinne ist immer ein Akt der Person, weil sie ein Akt der Freiheit des einzelnen Menschen ist, nicht eigentlich einer Gruppe oder einer Gemeinschaft. Dieser Mensch kann 1526 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN von mancherlei schwerwiegenden äußeren Faktoren abhängen, von ihnen bedrängt und getrieben sein, wie er auch Neigungen, Belastungen und Gewohnheiten unterworfen sein kann, die mit seiner persönlichen Verfassung gegeben sind. In zahlreichen Fällen können solche äußeren und inneren Faktoren seine Freiheit und damit seine Verantwortung und Schuld mehr oder weniger vermindern. Aber es ist eine Glaubenswahrheit, von Erfahrung und Verstand bestätigt, daß die menschliche Person frei ist. Man darf diese Wahrheit nicht übersehen und die Sünde der einzelnen auf äußere Wirklichkeiten - auf Strukturen und Systeme oder auf die anderen Menschen - abwälzen. Das würde vor allem bedeuten, die Würde und die Freiheit der Person zu zerstören, die sich - wenn auch nur negativ und in entstellter Weise - auch in der Verantwortung für die begangene Sünde zeigen. Darum gibt es im Menschen nichts, was so persönlich und unübertragbar ist wie das Verdienst aus der Tugend oder die Verantwortung für die Schuld. Als Akt der Person hat die Sünde ihre ersten und wichtigsten Auswirkungen im Sünder selbst: in seiner Beziehung zu Gott, der tiefsten Grundlage menschlichen Lebens; dann auch in seinem geistigen Leben, wo durch die Sünde der Wille geschwächt und der Verstand verdunkelt werden. An diesem Punkt müssen wir uns fragen, auf welche Wirklichkeit sich diejenigen bezogen haben, die bei der Vorbereitung der Synode und im Verlauf der synodalen Arbeiten oft die soziale Sünde erwähnten. Dieser Ausdruck und der zugrundeliegende Begriff haben ja verschiedene Bedeutungen. Von sozialer Sünde sprechen heißt vor allem anerkennen, daß die Sünde eines jeden einzelnen kraft einer menschlichen Solidarität, die so geheimnisvoll und verborgen und doch real und konkret ist, sich in irgendeiner Weise auf die anderen auswirkt. Das ist die Kehrseite jener Solidarität, die sich auf religiöser Ebene im tiefen und wunderbaren Geheimnis der Gemeinschaft der Heiligen darstellt, derentwegen jemand hat sagen können, daß „jede Seele, die sich selbst emporhebt, die Welt emporhebt“.72 Diesem Gesetz des Aufstiegs entspricht leider das Gesetz des Abstiegs, so daß man auch von einer Gemeinschaft der Sünde sprechen kann, durch die eine Seele, die sich durch die Sünde erniedrigt, mit sich auch die Kirche erniedrigt und in gewisser Weise die ganze Welt. Mit anderen Worten, es gibt keine Sünde, und sei sie auch noch so intim und geheim und streng persönlich, die ausschließlich den betrifft, der sie begeht. Jede Sünde wirkt sich mehr oder weniger heftig und zum größeren oder kleineren Schaden aus auf die gesamte kirchliche Gemeinschaft und auf die ganze 1527 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN menschliche Familie. Nach dieser ersten Bedeutung kann man jeder Sünde unbestreitbar den Charakter einer sozialen Sünde zuerkennen. Einige Sünden aber stellen schon durch ihren Inhalt selbst einen direkten Angriff auf den Nächsten dar oder, besser gesagt in der Sprache des Evangeliums, auf den Bruder. Sie sind eine Beleidigung Gottes, weil sie den Nächsten beleidigen. Solchen Sünden pflegt man die Bezeichnung sozial zu geben; und so liegt hierin die zweite Bedeutung des Begriffs der sozialen Sünde. Sozial in diesem Sinne ist die Sünde gegen die Nächstenliebe, die im Gesetz Christi noch schwerer wiegt, weil es hierbei ja um das zweite Gebot geht, das dem „ersten gleich ist“.73 Sozial ist ebenso jede Sünde gegen die Gerechtigkeit in den Beziehungen von Person zu Person, von Person zu Gemeinschaft oder auch von Gemeinschaft zu Person. Sozial ist jede Sünde gegen die Rechte der menschlichen Person, angefangen vom Recht auf Leben, dabei nicht ausgenommen das Recht des Kindes im Mutterschoß, oder gegen die leibliche Unversehrtheit der einzelnen; jede Sünde gegen die Freiheit anderer, insbesondere gegen jene höchste Freiheit, an Gott zu glauben und ihn zu verehren; jede Sünde gegen die Würde und Ehre des Nächsten. Sozialist jede Sünde gegen das Gemeinwohl und seine Forderungen im weiten Bereich der Rechte und Pflichten der Bürger. Sozia/kann die Sünde einer Tat oder Unterlassung auf seiten der Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Verwaltung sein, die sich, obwohl sie es könnten, nicht mit Klugheit um die Verbesserung oder Reform der Gesellschaft entsprechend den Erfordernissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit bemühen; wie auch auf seiten der Arbeitnehmer, die nicht ihren Pflichten der Präsenz am Arbeitsplatz und der Zusammenarbeit nachkommen, auf daß die Unternehmen weiter zum Wohl der Arbeitnehmer selbst, ihrer Familien und der ganzen Gesellschaft wirken können. Die dritte Bedeutung von sozialer Sünde meint die Beziehungen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften der Menschen. Diese Beziehungen sind nicht immer in Übereinstimmung mit dem Plan Gottes, der in der Welt Gerechtigkeit, Freiheit und Frieden zwischen den Individuen, den Gruppen und den Völkern will. So ist der Klassenkampf ein soziales Übel, wer immer auch dafür verantwortlich ist oder seine Gesetze diktiert. So ist die Bildung fester Fronten zwischen Blöcken von Nationen und von einer Nation gegen die andere und zwischen Gruppen innerhalb desselben Volkes ebenfalls ein soziales Übel. In beiden Fällen kann man sich fragen, ob jemandem die moralische Verantwortung für solche Übel und somit die entsprechende Sünde zugeschrieben werden kann. Nun ist zuzugeben, daß Wirklichkeiten und Situationen, wie die angegebenen als soziale 1528 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Tatbestände durch ihre weite Verbreitung und ihr Anwachsen bis zu gigantischen Ausmaßen fast immer anonym bleiben, weil ja ihre Ursachen vielschichtig und nicht immer nachweisbar sind. Wenn hierbei von sozialer Sünde gesprochen wird, hat dieser Ausdruck also offensichtlich eine analoge Bedeutung. Auf jeden Fall darf das Sprechen von sozialen Sünden, und sei es nur im analogen Sinne, niemanden dazu verführen, die Verantwortung der einzelnen zu unterschätzen; es will vielmehr die Gewissen aller dazu auf-rufen, daß jeder seine eigene Verantwortung übernehme, um ernsthaft und mutig jene unheilvollen Verhältnisse und unerträglichen Situationen zu ändern. Dies klar und unmißverständlich vorausgeschickt, muß sogleich hinzugefügt werden, daß jene Auffassung von sozialer Sünde nicht berechtigt und annehmbar ist - auch wenn sie heute in bestimmten Bereichen oft vorkommt74 welche in unklarer Weise die soziale Sünde der personalen Sünde entgegenstellt und dadurch mehr oder wenger unbewußt dazu führt, die personale Sünde abzuschwächen und fast zu beseitigen, um nur noch soziale Schuld und Verantwortung zuzulassen. Nach dieser Auffassung, die ihre Herkunft von nichtchristlichen Systemen und Ideologien leicht erkennen läßt - welche vielleicht heute selbst von denen aufgegeben sind, die einst ihre offiziellen Verfechter waren —, wäre praktisch jede Sünde sozial in dem Sinne, daß sie nicht so sehr dem moralischen Gewissen einer Person angelastet werden könnte, sondern nur einer vagen Wirklichkeit und einem namenlosen Kollektiv, welche die konkrete Situation, das System, die Gesellschaft, die Strukturen, die Institution sein können. Wenn die Kirche von Situationen der Sünde spricht oder bestimmte Verhältnisse und gewisse kollektive Verhaltensweisen von mehr oder weniger breiten sozialen Gruppen oder sogar von ganzen Nationen und Blöcken von Staaten als soziale Sünden anklagt, dann weiß sie und betont es auch, daß solche Fälle von sozialer Sünde die Frucht, die Anhäufung und die Zusammenballung vieler personaler Sünden sind. Es handelt sich dabei um sehr persönliche Sünden dessen, der Unrecht erzeugt, begünstigt oder ausnutzt; der, obgleich er etwas tun könnte, um gewisse soziale Übel zu vermeiden, zu beseitigen oder wenigstens zu begrenzen, es aus Trägheit oder Angst, aus komplizenhaftem Schweigen oder geheimer Beteiligung oder aus Gleichgültigkeit doch unterläßt; der Zuflucht sucht in der behaupteten Unmöglichkeit, die Welt zu verändern, und der sich den Mühen und Opfern entziehen will, indem er vorgebliche Gründe 1529 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN höherer Ordnung anführt. Die wirkliche Verantwortung liegt also bei den Personen. Eine Situation — ebenso wie eine Institution, eine Struktur, eine Gesellschaft - ist an sich kein Subjekt moralischer Akte; deshalb kann sie in sich selbst nicht moralisch gut oder schlecht sein. Hinter jeder Situation von Sünde stehen immer sündige Menschen. Dies ist so sehr wahr, daß selbst dann, wenn eine solche Situation in ihren strukturellen und institutioneilen Elementen kraft des Gesetzes oder - wie es leider häufiger vorkommt - durch das Gesetz der Gewalt verändert werden kann, diese Änderung sich in Wirklichkeit als unvollständig und von kurzer Dauer und schließlich als nichtig und unwirksam - wenn nicht sogar als kontraproduktiv -erweist, wenn sich nicht die Personen, die für eine solche Situation direkt oder indirekt verantwortlich sind, selbst bekehren. Todsünde — läßliche Sünde 17. Im Geheimnis der Sünde gibt es eine weitere Dimension, über die der menschliche Geist immer wieder nachgedacht hat: Gemeint ist die Schwere der Sünde. Es handelt sich um eine Frage, die sich notwendig stellt und auf die das christliche Gewissen stets eine Antwort gegeben hat: Weshalb und in welchem Maße ist Sünde als Beleidigung Gottes und in ihrer Rückwirkung auf den Menschen schwerwiegend? Die Kirche hat hierzu eine eigene Lehre, die sie in ihren wesentlichen Elementen bestätigt, wobei sie jedoch weiß, daß es in konkreten Situationen nicht immer leicht ist, klare Abgrenzungen vorzunehmen. Schon das Alte Testament erklärte bei nicht wenigen Sünden - bei jenen, die mit Überlegung begangen wurden,75 bei den verschiedenen Formen von Unzucht,76 von falschem Gottesdienst77 und der Anbetung falscher Götter78 -, daß der Schuldige „aus seinem Volke“ entfernt werden müsse, was auch die Verurteilung zum Tode bedeuten könnte.79 Diesen Sünden wurden andere gegenübergestellt, vor allem jene, die aus Unwissenheit begangen worden waren: Sie wurden durch ein Opfer nachgelassen.80 Schon im Blick auf diese Texte spricht die Kirche seit Jahrhunderten von Todsünde und von läßlicher Sünde. Diese Unterscheidung und die dabei verwandten Begriffe erhalten jedoch im Neuen Testament ein besonderes Licht; denn hier finden sich viele Texte, die mit kräftigen Ausdrücken die Sünden aufzählen und mißbilligen, die in besonderer Weise verurteilens-wert sind,81 und zwar über den von Jesus selbst bestätigten Dekalog 1530 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hinaus.82 Ich will mich hier insbesondere auf zwei wichtige und eindrucksvolle Abschnitte beziehen. In einem Text seines ersten Briefes spricht Johannes von einer Sünde, die zum Tod führt (prös thänaton), im Unterschied zu einer Sünde, die nicht zum Tod führt (mä prös thänaton).83 Offensichtlich ist der Tod hier geistlich gemeint: Es handelt sich um den Verlust des wahren Lebens oder des „ewigen Lebens“, das für Johannes die Erkenntnis des Vaters und des Sohnes ist,84 die Gemeinschaft und innige Einheit mit ihnen. Die Sünde, die zum Tode führt, scheint in diesem Abschnitt die Verleugnung des Sohnes85 oder die Anbetung falscher Gottheiten86 zu sein. Jedenfalls will Johannes mit dieser begrifflichen Unterscheidung anscheinend die unendliche Schwere der Sünde, der Zurückweisung Gottes, hervorheben, die sich vor allem im Abfall von Gott und im Götzendienst zeigt, das heißt in der Zurückweisung des Glaubens an die geoffenbarte Wahrheit und in der Gleichsetzung Gottes mit gewissen geschaffenen Wirklichkeiten, die man dabei zu Idolen oder falschen Göttern macht.87 Der Apostel möchte an jener Stelle aber auch die Zuversicht hervorheben, die der Christ durch seine „Wiedergeburt aus Gott“ und durch „das Kommen des Sohnes“ gewinnt: In ihm ist eine Kraft, die ihn vor dem Fall in die Sünde bewahrt; Gott schützt ihn, „der Böse berührt ihn nicht“. Wenn er aus Schwäche oder Unwissenheit sündigt, trägt er doch in sich die Hoffnung auf Vergebung, auch wegen der Hilfe, die ihm durch das gemeinsame Gebet der Brüder zuteil wird. An einer anderen Stelle des Neuen Testamentes, im Matthäusevangelium,spricht Jesus selbst von einer „Lästerung gegen den Heiligen Geist“, die „nicht vergeben wird“, weil sie in ihren verschiedenen Formen eine hartnäckige Weigerung darstellt, sich zur Liebe des barmherzigen Vaters zu bekehren. Das sind gewiß extreme und radikale Formen: die Zurückweisung Gottes, die Verweigerung seiner Gnade und somit der Widerstand gegenüber der Quelle unseres Heiles selbst,89 wodurch sich der Mensch den Weg zur Vergebung willentlich zu versperren scheint. Es ist zu hoffen, daß nur ganz wenige Menschen bis zu ihrem Ende in dieser Haltung der Rebellion oder geradezu der Herausforderung gegen Gott verharren wollen, der seinerseits — wie uns Johannes ebenfalls lehrt90 — in seiner barmherzigen Liebe größer ist als unser Herz und älle unsere psychologischen und geistigen Widerstände überwinden kann, so daß man - wie Thomas von Aquin schreibt - „am Heil keines Menschen in diesem Leben zu verzweifeln braucht, wenn man die Allmacht und die Barmherzigkeit Gottes betrachtet“.91 1531 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aber angesichts der Frage des Zusammenstoßes eines rebellischen Willens mit dem unendlich gerechten Gott kann man nur heilsame Gefühle von „Furcht und Schrecken empfinden, wie der hl. Paulus empfiehlt,92 während die Mahnung Jesu über die Sünde, die nicht vergeben werden kann, die Existenz von Schuld bestätigt, die für den Sünder den „ewigen Tod“ als Strafe nach sich ziehen kann. Im Licht dieser und weiterer Texte der Heiligen Schrift haben die Kirchenlehrer und Theologen, die geistlichen Meister und Hirten die Sünden in Todsünden und läßliche Sünden unterschieden. Mit anderen spricht der hl. Augustinus von tödlichen oder todbringenden Vergehen, die er den läßlichen, leichten oder täglichen gegenüberstellt.93 Die Bedeutung, die er diesen Worten gibt, wird später in die offizielle Lehre der Kirche einfließen. Nach Augustinus wird es Thomas von Aquin sein, der in möglichst klaren Begriffen die Lehre formuliert hat, die sich dann in der Kirche beständig erhalten hat. Bei der Bestimmung und Unterscheidung von Todsünde und läßlicher Sünde mußten der hl. Thomas und die Theologie der Sünde, die sich auf ihn beruft, den biblischen Bezug und somit auch den Gedanken eines geistlichen Todes einbeziehen. Nach dem Doctor Angelicus muß der Mensch, um geistlich zu leben, in Gemeinschaft mit dem höchsten Lebensprinzip bleiben, das Gott ist, insofern dieser das letzte Ziel all seines Seins und Handelns ist. Die Sünde nun ist ein Vergehen, das der Mensch gegen dieses Lebensprinzip begeht. Wenn „die Seele durch die Sünde eine Unordnung schafft, die bis zum Bruch mit dem letzten Ziel -Gott - geht, an das er durch die Liebe gebunden ist, dann ist dies eine Todsünde; wann immer jedoch die Unordnung unterhalb der Trennung von Gott bleibt, ist es eine läßliche Sünde“.94 Daher entzieht die läßliche Sünde nicht die heiligmachende Gnade, die Freundschaft mit Gott, die Liebe und so auch nicht die ewige Seligkeit, während ein solcher Entzug gerade die Folge der Todsünde ist. Wenn man die Sünde unter dem Aspekt der Strafe sieht, die sie mit sich bringt, so nennt der hl. Thomas zusammen mit anderen Glaubenslehrern diejenige Sünde tödlich, die eine ewige Strafe nach sich zieht, wenn sie nicht zuvor vergeben wird; läßlich nennt er die Sünde, die eine einfache zeitliche Strafe verdient, das heißt eine begrenzte Strafe, die auf Erden oder im Fegfeuer abgebüßt werden kann. Wenn man den Gegenstand der Sünde betrachtet, so verbindet sich der Gedanke des Todes, des radikalen Bruches mit Gott, dem höchsten Gut, der Abkehr vom Weg, der zu Gott führt, oder der Unterbrechung des Weges zu ihm (lauter Weisen, um die Todsünde zu bestimmen) mit dem Gedanken der 1532 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Schwere des objektiven Inhaltes: Deshalb wird in Lehre und Pastoral der Kirche die schwere Sünde praktisch mit der Todsünde gleichgesetzt. Hier berühren wir den Kern der traditionellen Lehre der Kirche, wie er oft im Verlauf der letzten Synode deutlich betont worden ist. Diese hat nämlich nicht nur die vom Tridentinischen Konzil über Existenz und Natur von Todsünde und läßliche Sünde verkündete Lehre95 bekräftigt, sondern hat auch daran erinnern wollen, daß jene Sünde eine Todsünde ist, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird. Man muß hinzufügen — wie es auch auf der Synode geschehen ist —, daß einige Sünden, was ihre Materie betrifft, von innen her schwer und todbringend sind. Das heißt, es gibt Handlungen, die durch sich selbst und in sich, unabhängig von den Umständen, immer schwerwiegend unerlaubt sind wegen ihres objektiven Inhaltes. Wenn solche Handlungen mit hinreichender Bewußtheit und Freiheit begangen werden, stellen sie immer eine schwere Schuld dar.96 Diese Lehre, die auf dem Dekalog und der Predigt des Alten Testamentes gründet, von der Verkündigung der Apostel auf genommen wurde und zur ältesten Lehre der Kirche gehört, die sie bis heute wiederholt, entspricht genau der menschlichen Erfahrung aller Zeiten. Aus Erfahrung weiß der Mensch gut, daß er auf dem Weg des Glaubens und der Gerechtigkeit, der ihn zur Erkenntnis und zur Liebe Gottes in diesem Leben und zur vollkommenen Gemeinschaft mit ihm in der Ewigkeit führt, stehenbleiben oder sich ablenken kann, ohne freilich den Weg zu Gott zu verlassen: In diesem Falle handelt es sich um läßliche Sünde, die jedoch nicht abgeschwächt werden darf, als ob sie ohne weiteres etwas Unwesentliches, eine Sünde von geringem Gewicht sei. Der Mensch weiß allerdings auch durch schmerzliche Erfahrung, daß er mit einem bewußten und freien Akt seines Willens auf dem Weg umkehren und in entgegengsetzter Richtung zum Willen Gottes gehen kann und sich so von ihm entfernt (aversio a Deo — Abkehr von Gott), wobei er die Gemeinschaft mit ihm verweigert, sich von seinem Lebensprinzip, das Gott ist, trennt und so den Tod wählt. Mit der ganzen Tradition der Kirche nennen wir denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewußt und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen und endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio ad creaturam — Hinwendung zum Geschaffenen). Dies kann auf direkte und formale Weise geschehen wie bei den 1533 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Sünden der Götzenverehrung, des Abfalles von Gott und der Gottlosigkeit, oder auf gleichwertige Weise wie in jedem Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes bei schwerwiegender Materie. Der Mensch spürt, daß dieser Ungehorsam Gott gegenüber die Verbindung mit seinem Lebensprinzip abschneidet: Es ist eine Todsünde, das heißt ein Akt, der Gott schwer beleidigt und sich schließlich gegen den Menschen selbst richtet mit einer dunklen und mächtigen Gewalt der Zerstörung. Während der Synodenversammlung wurde von einigen Vätern eine dreifache Unterscheidung der Sünden vorgeschlagen, die in läßliche, schwere und todbringende Sünden einzuteilen wären. Eine solche Dreiteilung könnte deutlich machen, daß es bei den schweren Sünden Unterschiede gibt. Dabei bleibt es jedoch wahr, daß der wesentliche und entscheidende Unterschied zwischen jener Sünde besteht, die die Liebe zerstört, und der Sünde, die das übernatürliche Leben nicht tötet: Zwischen Leben und Tod gibt es keinen mittleren Weg. Gleichfalls muß man vermeiden, die Todsünde zu beschränken auf den Akt einer Grundentscheidung gegen Gott („optio fundamentalis“), wie man heute zu sagen pflegt, unter der man dann eine ausdrückliche und formale Beleidigung Gottes oder des Nächsten versteht. Es handelt sich nämlich auch um Todsünde, wenn sich der Mensch bewußt und frei aus irgendeinem Grunde für etwas entscheidet, was in schwerwiegender Weise der Ordnung widerspricht. Tatsächlich ist ja in einer solchen Entscheidung bereits eine Mißachtung des göttlichen Gebotes enthalten, eine Zurückweisung der Liebe Gottes zur Menschheit und zur ganzen Schöpfung: Der Mensch entfernt sich so von Gott und verliert die Liebe. Die Grundentscheidung kann also durch einzelne Akte völlig umgeworfen werden. Zweifellos kann es unter psychologischem Aspekt viele komplexe und dünkte Situationen geben, die für die subjektive Schuld des Sünders Bedeutung haben. Aus der Betrachtung des psychologischen Bereichs kann man jedoch nicht zur Aufstellung einer theologischen Kategorie übergehen, wie es gerade die „optio fundamentalis“ ist, wenn sie so verstanden wird, daß sie auf der objektiven Ebene die traditionelle Auffassung von Todsünde ändert oder in Zweifel zieht. Wenn auch jeder ehrliche und kluge Versuch, das psychologische und theologische Geheimnis der Sünde zu klären, anerkannt werden muß, so hat die Kirche doch die Pflicht, alle Erforscher dieser Materie einerseits an die Notwendigkeit zu erinnern, dem Wort Gottes treu zu bleiben, das uns auch über die Sünde belehrt, und andererseits auf die Gefahr hinzuweisen, daß man dazu beiträgt, in der heutigen Welt den Sinn für die Sünde noch mehr abzuschwächen. 1534 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verlust des Sündenbewußtseins 18. Durch die Heilige Schrift, wie sie in der Gemeinschaft der Kirche gelesen wird, hat sich das christliche Gewissen die Generationen hindurch ein feines Gespür und eine wache Aufmerksamkeit für die Fermente des Todes erworben, die in der Sünde enthalten sind; ein Gespür und eine Aufmerksamkeit, um solche Fermente auch in den tausenderlei Formen auszumachen, die die Sünde annimmt, in den Tausenden von Gesichtern, mit denen sie sich zeigt. Das ist es, was man Sündenbewußtsein zu nennen pflegt. Dieses Bewußtsein hat seine Wurzel im Gewissen des Menschen und ist gleichsam dessen Barometer. Es ist an das Bewußtsein für Gott gebunden, da es sich von der bewußten Beziehung herleitet, die der Mensch zu Gott, seinem Schöpfer, Herrn und Vater, hat. Wie man also das Bewußtsein für Gott nicht vollständig zum Verschwinden bringen noch das Gewissen auslöschen kann, so kann man auch niemals vollständig das Sündenbewußtsein beseitigen. Und doch geschieht es nicht selten im Lauf der Geschichte über mehr oder weniger lange Zeiten hin und unter dem Einfluß vielfältiger Faktoren, daß sich das moralische Bewußtsein in vielen Menschen stark verdunkelt. „Haben wir eine richtige Vorstellung vom Gewissen?“, so habe ich mich vor zwei Jahren an die Gläubigen gewandt. - „Lebt der moderne Mensch nicht unter der Bedrohung einer Verdunkelung seines Gewissens? Einer Verformung des Gewissens? Einer Trübung oder Betäubung des Gewissens?“97 Allzu viele Anzeichen deuten darauf hin, daß es in unserer Zeit tatsächlich eine solche Verdunkelung gibt, die um so beunruhigender ist, als dieses Gewissen, vom Konzil definiert als „die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen“,98 eng an die Freiheit des Menschen gebunden ist. . . Deshalb ist das Gewissen die erste Grundlage der inneren Würde des Menschen und zugleich seiner Beziehung zu Gott“.99 Deshalb ist es unvermeidlich, daß in dieser Situation auch das Sündenbewußtsein verdunkelt wird, welches eng mit dem moralischen Bewußtsein, mit der Suche nach der Wahrheit, mit dem Willen, die Freiheit verantwortlich zu gebrauchen, verbunden ist. Mit dem Gewissen wird auch das Gottesbewußtsein verdunkelt, und mit dem Verlust dieses entscheidenden inneren Bezugspunktes verliert man dann auch das Sündenbewußtsein. Deshalb konnte mein Vorgänger Pius XII. einmal mit einem emphatischen Wort, das nahezu sprichwörtlich geworden ist, erklären, daß „die Sünde des Jahrhunderts der Verlust des Bewußtseins von Sünde ist“.100 1535 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Warum gibt es dieses Phänomen in unserer heutigen Zeit? Ein Blick auf einige Elemente heutiger Kultur kann uns helfen, das fortschreitende Schwinden und sogar Erlöschen des Sündenbewußtseins zu verstehen, und das gerade wegen der Krise des Gewissens und des Gottesbewußtseins, wie oben betont worden ist. Der „Säkularismus“, der seiner Natur und Definition nach eine Bewegung von Ideen und Haltungen ist, die für einen Humanismus völlig ohne Gott kämpft, der sich ganz konzentriert auf den Kult des Mächens und des Produzierens, der überwältigt ist vom Rausch des Konsums und des Genusses, ohne Sorge ,um die Gefahr, die eigene Seele zu verlieren, muß notwendigerweise das Sündenbewußtsein untergraben. Bestenfalls wird sich dabei das Sündenbewußtsein auf das reduzieren, was den Menschen beleidigt. Aber gerade hier drängt sich die bittere Erfahrung auf, an die ich in meiner ersten Enzyklika erinnert habe, daß nämlich der Mensch eine Welt ohne Gott bauen kann, diese Welt sich aber schließlich gegen den Menschen selbst richten wird.101 Gott ist jedoch tatsächlich der Ursprung und das höchste Ziel des Menschen, und dieser trägt in sich einen göttlichen Keim.102 Deshalb ist es das Geheimnis Gottes, das das Geheimnis des Menschen enthüllt und beleuchtet. Es ist also vergeblich zu hoffen, daß ein Sündenbewußtsein gegenüber den Menschen und den menschlichen Werten Bestand haben könnte, wenn der Sinn für die gegen Gott begangene Beleidigung, das heißt das wahre Sündenbewußtsein, fehlt. Dieses Sündenbewußtsein schwindet in der heutigen Gesellschaft auch aufgrund der Mißverständnisse, zu denen man kommt, wenn man gewisse Ergebnisse der Humanwissenschaften übernimmt. Gestützt auf bestimmte Aussagen der Psychologie, führt die Sorge, von Schuld zu sprechen oder die Freiheit nicht zu beschränken, zum Beispiel dazu, überhaupt keine Vergehen mehr anzuerkennen. Durch eine ungebührliche Ausweitung soziologischer Kriterien kommt man schließlich dazu - wie ich bereits angedeutet habe -, alle Schuld auf die Gesellschaft abzuwälzen, während der einzelne als unschuldig erklärt wird. Indem gewisse Lehren zur menschlichen Kultur die gewiß unleugbaren Bedingungen und Einflüsse von Umwelt und Geschichte, die auf den Menschen einwirken, erweitern, schränken auch sie die Verantwortung des Menschen so stark ein, daß sie ihm nicht mehr die Fähigkeit zuerkennen, wahre menschliche Akte zu setzen und somit auch zu sündigen. Das Sündenbewußtsein schwindet auch leicht infolge einer Ethik, die sich aus einem gewissen Geschichtsrelativismus herleitet. Das geschieht auch durch eine Ethik, die die moralische Norm relativiert und ihren absoluten, 1536 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unbedingten Wert leugnet und folglich bestreitet, daß es Akte geben könne, die in sich unerlaubt sind, unabhängig von den Umständen, unter denen der Handelnde sie setzt. Es handelt sich dabei um einen wahren „Umsturz und Verfall der moralischen Werte“; „das Problem ist dann nicht so sehr die Unkenntnis der christlichen Ethik“, sondern „vielmehr des Sinnes, der Grundlagen und der Kriterien einer moralischen Haltung“.103 Die Wirkung eines solchen Umsturzes der Ethik ist stets eine derartige Schwächung des Sündenbegriffes, daß man bei der Behauptung endet, die Sünde sei wohl vorhanden, aber man wisse nicht, wer sie begehe. Schließlich schwindet das Sündenbewußtsein, wenn es - wie es in der Unterweisung der Jugend, in den Massenmedien, ja selbst in der Erziehung zu Hause geschehen kann - fälschlicherweise mit einem krankhaften Schuldgefühl gleichgesetzt oder mit einer bloßen Übertretung von gesetzlichen Normen und Vorschriften verbunden wird. Der Verlust des Sündenbewußtseins ist also eine Form oder eine Frucht der Verneinung Gottes nicht nur in ihrer atheistischen, sondern auch in ihrer säkularistischen Spielart. Wenn Sünde ein Abbruch der Kindesbeziehung zu Gott ist, um die eigene Existenz aus dem Gehorsam ihm gegenüber herauszunehmen, dann ist Sündigen nicht nur eine Verneinung Gottes: Sündigen ist auch, so zu leben, als ob er nicht existiere; Sündigen ist, ihn aus dem eigenen Alltag zu beseitigen. Ein verstümmeltes oder in manchem Sinne unausgewogenes Gesellschaftsmodell, wie es häufig von den Massenmedien vertreten wird, fördert nicht wenig den fortschreitenden Verlust des Sündenbewußtseins. In einer solchen Situation ist die Verdunkelung oder Schwächung des Sündenbewußtseins das Ergebnis einer Ablehnung jeden Bezuges zur Transzendenz im Namen des Verlangens nach personaler Autonomie; oder auch der Unterwerfung unter ethische Modelle, welche der allgemeine Konsens und das generelle Verhalten auf drängen, auch wenn das Gewissen des einzelnen sie verurteilt; oder auch das Ergebnis der dramatischen sozio-ökonomischen Verhältnisse, die einen so großen Teil der Menschheit unterdrücken und dadurch die Tendenz erzeugen, Irrtum und Schuld nur im Bereich der Gesellschaft zu sehen; schließlich und vor allem auch das Ergebnis der Verdunkelung der Vaterschaft Gottes und seiner Herrschaft über das Leben des Menschen. Selbst im Bereich des kirchlichen Denkens und Lebens begünstigen einige Tendenzen unvermeidlich den Niedergang des Sündenbewußtseins. Einige zum Beispiel neigen dazu, übertriebene Einstellungen der Vergangenheit durch neue Übertreibungen zu ersetzen: Nachdem die Sünde 1537 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN überall gesehen wurde, gelangt man dazu, sie nirgendwo mehr zu sehen; von einer Überbetonung der Furcht vor den ewigen Strafen kommt man zu einer Verkündigung der Liebe Gottes, die jede für Sünde verdiente Strafe ausschließt; von der Strenge im Bemühen, irrige Gewissen zu bessern, gelangt man zu einer scheinbaren Achtung des Gewissens, derentwegen man sogar die Pflicht, die Wahrheit auszusprechen, unterdrückt. Warum sollte man nicht hinzufügen, daß die Verwirrung, die in den Gewissen vieler Gläubigen durch unterschiedliche Meinungen und Lehren in Theologie, Verkündigung, Katechese und geistlicher Führung zu schwerwiegenden und heiklen Fragen der christlichen Moral geschaffen worden ist, auch dazu führt, das echte Sündenbewußtsein zu mindern und nahezu auszulöschen? Es sollen auch nicht einige Mängel in der Praxis des Bußsakramentes verschwiegen werden: so zum Beispiel die Tendenz, die kirchliche Dimension von Sünde und Bekehrung zu verdunkeln, indem man sie zu rein individuellen Angelegenheiten macht, oder umgekehrt die Tendenz, die personale Tragweite von Gut und Böse aufzuheben, indem man ausschließlich ihre gemeinschaftliche Dimension beachtet; solcherart ist auch die nie ganz gebannte Gefahr eines gewohnheitsmäßigen Ritualismus, der dem Bußsakrament seine volle Bedeutung und seine formende Kraft nimmt. Das echte Sündenbewußtsein wieder neu zu formen, das ist die erste Weise, um die schwere geistige Krise, die den Menschen unserer Zeit bedrückt, anzugehen. Das Sündenbewußtsein stellt man aber nur durch eine klare Berufung auf unaufgebbare Prinzipien der Vernunft und des Glaubens wieder her, wie die Morallehre der Kirche sie immer vertreten hat. Es besteht die berechtigte Hoffnung, daß vor allem im christlichen und kirchlichen Bereich ein gesundes Sündenbewußtsein wieder aufbricht. Dem dienen eine gute Katechese, erhellt durch die biblische Theologie des Bundes, ein aufmerksames Hören auf das Lehramt der Kirche, das unaufhörlich den Gewissen Licht bietet, und eine vertrauensvolle Annahme ihres Wortes sowie eine immer sorgfältigere Praxis des Bußsakramentes. 1538 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN II. Geheimnis des Glaubens 19. Um die Sünde zu erkennen, mußten wir unseren Blick auf ihre Natur richten, wie sie uns die Offenbarung der Heilsökonomie hat erkennen lassen: Sie ist Geheimnis des Bösen. In dieser Ökonomie ist die Sünde aber nicht der Haupthandelnde und noch weniger der Sieger. Sie hat einen Gegenspieler in einem anderen Wirkprinzip, das wir - um einen schönen und suggestiven Ausdruck des hl. Paulus zu benutzen - das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens nennen können. Die Sünde des Menschen wäre siegreich und am Ende zerstörerisch, der Heilsplan Gottes würde unvollkommen bleiben und sogar vereitelt werden, wenn dieses Geheimnis des Glaubens nicht seinen Platz in der Dynamik der Geschichte erhalten hätte, um die Sünde des Menschen zu besiegen. Wir finden diesen Ausdruck in einem der Pastoralbriefe des hl. Paulus, im 1. Brief an Timotheus. Er tritt unerwartet auf, wie durch eine plötzliche Eingebung. Der Apostel hat nämlich vorher lange Abschnitte seiner Botschaft seinem Lieblingsjünger gewidmet, um ihm die Bedeutung der Gemeindeordnung (die liturgische und die mit ihr verbundene hierarchische) zu erklären; er hat also von der Aufgabe der Gemeindeleiter, vor allem der Diakone, gesprochen, um schließlich das Verhalten von Timotheus selber in „der Kirche des lebendigen Gottes, die die Säule und das Fundament der Wahrheit ist“, zu behandeln. Da ruft er am Ende des Abschnittes unvermitelt und doch wohlbedacht aus, was allem, das er geschrieben hat, einen besonderen Sinn gibt: „ Wahrhaftig, das Geheimnis unseres Glaubens ist groß . . .“.104 Ohne den wörtlichen Sinn des Textes im geringsten zu verraten, können wir diese großartige theologische Intuition des Apostels zu einer umfassenderen Sicht von der Aufgabe ausweiten, die der von ihm verkündeten Wahrheit in der Heilsökonomie zukommt. „Wahrhaftig“, wiederholen wir mit dem Apostel, „das Geheimnis unsers Glaubens ist groß“, weil es die Sünde besiegt. Was aber ist nach paulinischer Auffassung dieser „Glaube“? Er ist Christus selber 20. Es ist von tiefer Bedeutung, daß Paulus zur Beschreibung dieses „Geheimnisses des Glaubens“, ohne eine grammatikalische Verbindung mit dem vorhergehenden Text herzustellen,105 drei Verse eines Christus- 1539 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN hymnus wörtlich zitiert, der nach der Meinung von Fachleuten in den hellenistisch-christlichen Gemeinden in Gebrauch war. Mit den Worten jenes Hymnus, der reich an theologischem Inhalt und voll edler Schönheit ist, bekannten die Gläubigen des ersten Jahrhunderts ihren Glauben an das Geheimnis Christi: - daß er sich in der Wirklichkeit des menschlichen Fleisches geoffenbart hat und vom Heiligen Geist zum Gerechten bestellt worden ist, der sich für die Ungerechten hingibt; - daß er den Engeln erschienen ist, größer als sie, und den Heiden als Vermittler des Heils verkündet worden ist; - daß er in der Welt als Gesandter des Vaters geglaubt und vom Vater selbst als der Herr in den Himmel auf genommen worden ist.106 Das Geheimnis oder Sakrament des Glaubens ist deshalb das Geheimnis Christi selber. Es ist in einer gedrängten Synthese das Geheimnis der Menschwerdung und der Erlösung, des vollen Ostergeschehens Jesu, des Sohnes Gottes und des Sohnes Marias: Geheimnis seines Leidens und Sterbens, seiner Auferstehung und Verherrlichung. Was der hl. Paulus durch die Zitation dieser Sätze des Hymnus hat unterstreichen wollen, ist dies, daß dieses Geheimnis das verborgene Lebensprinzip ist, das die Kirche zum Hauswesen Gottes, zur Säule und zum Fundament der Wahrheit macht. In der Linie der paulinischen Unterweisung können wir sagen, daß dieses Geheimnis des unendlichen Erbarmens Gottes uns gegenüber imstande ist, bis zu den verborgensten Wurzeln unserer Bosheit vorzudringen, um die Seele zur Bekehrung zu bewegen, um sie zu erlösen und zur Versöhnung zu führen. Indem sich der hl. Johannes ohne Zweifel auf dieses Geheimnis bezog, konnte auch er in der ihm charakteristischen Sprache, die von der des hl. Paulus verschieden ist, schreiben: „Wer von Gott stammt, sündigt nicht, sondern der von Gott Gezeugte bewahrt ihn, und der Böse tastet ihn nicht an“.107 In dieser Aussage des Johannes liegt ein Zeichen von Hoffnung, die auf den göttlichen Verheißungen .gründet: Der Christ hat die Zusicherung und die notwendigen Kräfte erhalten, nicht zu sündigen. Es handelt sich hier also nicht um eine durch eigene Tugend erworbene Sündenlosig-keit oder gar um eine solche, die dem Menschen angeboten wäre, wie die Gnostiker meinten. Sie ist ein Ergebnis des Handelns Gottes. Um nicht zu sündigen, verfügt der Christ über die Kenntnis Gottes, erinnert der hl. Johannes an derselben Stelle. Kurz vorher aber hatte er geschrieben: „Jeder, der von Gott stammt, tut keine Sünde, weil Gottes Same in ihm bleibt.“108 Wenn wir unter diesem „Samen Gottes“, wie einige Kommen- 1540 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN tatoren vorschlagen, Jesus, den Sohn Gottes, verstehen, können wir also sagen, daß der Christ, um nicht zu sündigen - oder sich von der Sünde zu befreien — über die innere Gegenwart von Christus selbst und vom Geheimnis Christi verfügt, das Geheimnis des Glaubens ist. Das Bemühen des Christen 21. Es gibt im Geheimnis des Glaubens aber noch eine andere Seite: Das Erbarmen Gottes dem Christen gegenüber muß eine Antwort in der Frömmigkeit des Christen Gott gegenüber finden. In dieser zweiten Bedeutung besagt die „pietas“ (eusebeia) das Verhalten des Christen, der auf das väterliche Erbarmen Gottes mit kindlicher Frömmigkeit antwortet. Auch in diesem Sinn können wir mit dem hl. Paulus sagen, daß „das Geheimnis unseres Glaubens groß ist“. Auch in diesem Sinn wendet sich die Frömmigkeit als Kraft der Bekehrung und Versöhnung gegen die Bosheit und die Sünde. Auch in diesem Fall sind die wesentlichen Aspekte des Geheimnisses Christ in dem Sinn Gegenstand der Frömmigkeit, daß der Christ das Geheimnis annimmt, es betrachtet und daraus die notwendige Kraft schöpft, um nach dem Evangelium zu leben. Auch hier muß man sagen, daß, „wer von Gott stammt, keine Sünde tut“; diese Aussage aber hat einen imperativen Sinn: Gestärkt vom Geheimnis Christi wie von einer inneren Quelle geistiger Kraft ist der Christ gewarnt zu sündigen, ja er erhält sogar das Gebot, nicht zu sündigen, sondern sich würdig zu verhalten „im Hauswesen Gottes, das heißt in der Kirche des lebendigen Gottes“,109 da er ein „Kind Gottes“ ist. Unterwegs zu einem versöhnten Leben 22. So öffnet das Wort der Schrift, indem es uns das Geheimnis des Glaubens offenbart, den menschlichen Verstand für die Bekehrung und die Versöhnung, verstanden nicht als abstrakte Größen, sondern als konkrete christliche Werte, die es in unserem Alltag zu erwerben gilt. Bedroht vom Verlust des Sündenbewußtseins und zuweilen versucht von einer wenig christlichen Illusion von Sündenlosigkeit haben es auch die Menschen von heute nötig, die Ermahnung des hl. Johannes als an jeden persönlich gerichtet neu zu hören: „Wenn wir sagen, daß wir keine Sünde haben, führen wir uns selbst in die Irre, und die Wahrheit ist nicht in 1541 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN uns“,110 ja sogar „die ganze Welt steht unter der Macht des Bösen“.111 Jeder ist also durch die Stimme der göttlichen Wahrheit eingeladen, realistisch sein Gewissen zu erforschen und zu bekennen, daß er in Schuld geboren ist, wie wir im Psalm Miserere beten.112 Dennoch können sich die Menschen von heute, die von Furcht und Verzweiflung bedrängt sind, durch die göttliche Verheißung auf gerichtet fühlen, die ihnen die Hoffnung auf die volle Versöhnung schenkt. Das Geheimnis des Glaubens von seiten Gottes ist jene Barmherzigkeit, an der der Herr, unser Vater, - ich wiederhole es noch einmal - unendlich reich ist.113 Wie ich in meiner Enzyklika, die dem Thema der göttlichen Barmherzigkeit gewidmet ist,114 gesagt habe, ist dies eine Liebe, die stärker ist als die Sünde, stärker als der Tod. Wenn wir erkennen, daß die Liebe, die Gott zu uns hat, vor unserer Sünde nicht haltmacht, vor unseren Beleidigungen nicht zurückweicht, sondern an Sorge und hochherziger Zuwendung noch wächst; wenn wir uns bewußt werden, daß diese Liebe sogar das Leiden und den Tod des menschgewordenen Wortes bewirkt hat, das bereit war, uns um den Preis seines Blutes zu erlösen, dann rufen wir voller Dankbarkeit aus: „Ja, der Herr ist reich an Erbarmen“ und sagen sogar: „Der Herr ist Barmherzigkeit.“ Das Geheimnis des Glaubens ist der offene Weg von der göttlichen Barmherzigkeit zum versöhnten Leben. 1542 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dritter Teil Die Pastoral der Buße und der Versöhnung Die Förderung von Buße und Versöhnung 23. Es ist die wesentliche Aufgabe der Kirche, den Menschen im Herzen zu Umkehr und Buße zu führen und ihm das Geschenk der Versöhnung anzubieten, wodurch sie das Erlösungswerk ihres göttlichen Stifters fortsetzt. Dies ist eine Sendung, die sich nicht in einigen theoretischen Aussagen und in der Verkündigung eines ethischen Ideals erschöpft, welche von keinen wirksamen Kräften begleitet ist. Sie zielt vielmehr darauf ab, sich für eine konkrete Praxis der Buße und der Versöhnung in bestimmten Amtshandlungen auszudrücken. Diesen amtlichen Dienst, der auf den oben dargelegten Glaubensprinzipien gründet und von ihnen erleuchtet wird, der auf bestimmte Ziele ausgerichtet und durch angemessene Mittel gestützt wird, können wir als eine Pastoral der Buße und der Versöhnung bezeichnen. Ihr Ausgangspunkt ist die Überzeugung der Kirche, daß der Mensch, an den sich jede Form der Pastoral, hauptsächlich aber die Pastoral der Buße und der Versöhnung richtet, der von der Sünde gezeichnete Mensch ist, dessen typisches Bild wir im König David finden. Vom Propheten Nathan zurechtgewiesen, ist er bereit, sich mit den eigenen ruchlosen Vergehen auseinanderzusetzen, und bekennt: „Ich habe gegen den Herrn gesündigt.“115 Er ruft aus: „Ich erkenne meine bösen Taten, meine Sünde steht mir immer vor Augen“;116 aber er bittet auch: „Entsündige mich mit Ysop, dann werde ich rein; wasche mich, dann bin ich weißer als Schnee“,117 und er erhält die Antwort der göttlichen Barmherzigkeit: „Der Herr hat dir deine Sünde vergeben; du wirst nicht sterben.“118 Die Kirche findet also einen Menschen - eine ganze Welt des Menschen — vor, der von der Sünde verwundet und von ihr in seinem innersten Sein getroffen ist, der aber zugleich von einem unbändigen Wunsch nach Befreiung von der Sünde erfüllt ist. Vor allem, wenn er Christ ist, ist er sich auch dessen bewußt, daß das Geheimnis der Barmherzigkeit, Christus, der Herr, schon in ihm und in der Welt mit der Kraft der Erlösung am Werk ist. Die versöhnende Funktion der Kirche muß somit jenen inneren Zusammenhang beachten, der die Verzeihung und die Vergeltung der Sünde jedes Menschen eng mit der grundsätzlichen und vollen Versöhnung der 1543 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Menschheit verbindet, die mit der Erlösung geschehen ist. Dieser Zusammenhang läßt uns verstehen, daß aufgrund der Tatsache, daß die Sünde das aktive Prinzip der Entzweiung ist - Entzweiung zwischen dem Menschen und dem Schöpfer, Entzweiung im Herzen und im Sein des Menschen, Entzweiung zwischen den einzelnen Menschen und Gruppen, Entzweiung zwischen dem Menschen und der von Gott geschaffenen Natur —, nur die Bekehrung von der Sünde imstande ist, dort, wo eine solche Entzweiung eingetreten ist, eine tiefe und dauerhafte Versöhnung zu bewirken. Es ist nicht nötig zu wiederholen, was ich schon über die Bedeutung des „Dienstes der Versöhnung“119 und der entsprechenden Pastoral gesagt habe, die diesen Dienst im Bewußtsein und im Leben der Kirche konkretisiert: Die Kirche würde in einem ihrer wesentlichen Aspekte und in einer unentbehrlichen Funktion versagen, wenn sie nicht klar und entschlossen, gelegen oder ungelegen, die „Botschaft der Versöhnung“120 verkündete und der Welt das Geschenk der Versöhnung nicht anbieten würde. Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, daß sich diese Bedeutung des kirchlichen Dienstes der Versöhnung über die Grenzen der Kirche hinaus auf die ganze Welt erstreckt. Von der Pastoral der Buße und der Versöhnung zu sprechen, bedeutet also, auf die Gesamtheit der Aufgaben hinzuweisen, die der Kirche auf allen Ebenen obliegen, um beides zu fördern. Noch konkreter, von dieser Pastoral zu sprechen, heißt, alle Handlungen in Erinnerung zu rufen, wodurch die Kirche durch alle und jedes einzelne ihrer Glieder - Hirten und Gläubige auf allen Ebenen und in allen Bereichen - und mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln - Wort und Tat, Unterweisung und Gebet - die Menschen, einzeln oder in Gruppen, zu wahrer Buße führt und sie so auf den Weg zur vollen Versöhnung geleitet. Die Bischöfe der Synode haben sich als Vertreter ihrer Mitbrüder im Bischofsamt, der Hirten des ihnen anvertrauten Volkes, mit dieser Pastoral in ihren mehr praktischen und konkreten Elementen befaßt. Mit Freude pflichte ich ihnen bei und teile ihre Sorgen und Hoffnungen. Ich nehme die Frucht ihrer Untersuchungen und Erfahrungen entgegen und ermutige sie in ihren Plänen und Initiativen. Mögen sie in diesem Teil des Apostolischen Schreibens jenen Beitrag wiederfinden, den sie selber für die Synode geleistet haben, einen Beitrag, dessen Nutzen ich durch diese Seiten der ganzen Kirche zugänglich machen möchte. Deshalb möchte ich das Wesen der Pastoral der Buße und der Versöhnung darlegen, indem ich mit der Synode die beiden folgenden Punkte besonders behandle: 1544 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1. Die von der Kirche benutzten Mittel und Wege, um Buße und Versöhnung zu fördern. 2. Das eigentliche Sakrament der Buße und Versöhnung. I. Die Förderung von Buße und Versöhnung: Mittel und Wege 24. Um Buße und Versöhnung zu fördern, hat die Kirche hauptsächlich zwei Mittel zur Verfügung, die ihr von ihrem Stifter selber anvertraut worden sind: die Katechese und die Sakramente. Ihre Anwendung, die von der Kirche immer in vollem Einklang mit den Erfordernissen ihrer Heilssendung und zugleich als den Erfordernissen und geistlichen Bedürfnissen der Menschen aller Zeiten angemessen erachtet worden ist, kann in alten und neuen Formen erfolgen. Unter diesen ist besonders an jene zu erinnern, die wir im Anschluß an meinen Vorgänger Paul VI. die Methode des Dialoges nennen können. Der Dialog 25. Der Dialog ist für die Kirche in gewissem Sinn ein Mittel und vor allem eine Weise, um in der Welt von heute zu wirken. Das II. Vatikanische Konzil hat nämlich verkündet, daß „die Kirche kraft ihrer Sendung, die ganze Welt mit der Botschaft des Evangeliums zu erleuchten und alle Menschen ... in einem Geist zu vereinigen, zum Zeichen jener Brüderlichkeit wird, die einen aufrichtigen Dialog ermöglicht und gedeihen läßt“. Es fügt hinzu, daß sie imstande sein muß, „ein immer fruchtbareres Gespräch zwischen allen in Gang zu bringen, die das eine Volk Gottes bilden“,121 und auch „mit der menschlichen Gesellschaft ... in ein Gespräch zu kommen“.122 Mein Vorgänger Paul VI. hat dem Dialog einen beträchtlichen Teil seiner ersten Enzyklika Ecclesiam suarn gewidmet, wo er ihn bezeichnenderweise als Heilsdialog beschreibt und kennzeichnet.123 Die Kirche bedient sich in der Tat der Methode des Dialoges, um die Menschen — jene, die sich durch Taufe und Glaubensbekenntnis als Glieder der christlichen Gemeinschaft bekennen, und jene, die ihr fernstehen - besser zu Bekehrung und Buße, auf den Weg einer tiefen Erneuerung ihres persönlichen Gewissens und ihres Lebens sowie zum Licht des Geheimnisses der Erlösung und des Heiles zu führen, das von 1545 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Christus gewirkt und dem Dienst seiner Kirche anvertraut worden ist. Der echte Dialog ist somit vor allem auf die Erneuerung eines jeden durch innere Bekehrung gerichtet, wobei er jedoch die Gewissen besonders achtet und mit Geduld und nur schrittweise vorgeht, was bei der Lage der Menschen unserer Zeit unerläßlich ist. Der pastorale Dialog für eine Versöhnung bleibt auch heute in verschiedenen Bereichen und auf unterschiedlichen Ebenen eine grundlegende Aufgabe der Kirche. Sie fördert vor allem einen ökumenischen Dialog, das heißt den Dialog zwischen den Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die sich auf den Glauben an Christus, den Sohn Gottes und einzigen Erlöser, berufen, und einen Dialog mit den anderen Gemeinschaften von Menschen, die Gott suchen und Gemeinschaft mit ihm haben möchten. Die Grundlage dieses Dialoges mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und mit den anderen Religionen muß, als Bedingung für seine Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit, ein aufrichtiges Bemühen um einen ständigen und erneuerten Dialog im Innern der katholischen Kirche selber sein. Die Kirche ist sich dessen bewußt, von Natur aus Sakrament der „universalen Gemeinschaft der Liebe“ zu sein;124 aber sie ist sich auch der Spannungen bewußt, die in ihrem Innern bestehen und die zu Ursachen der Spaltung zu werden drohen. Der ernste und entschlossene Aufruf, den schon mein Vorgänger im Hinblick auf das Heilige Jahr 1975 an alle gerichtet hat,125 gilt auch noch im gegenwärtigen Augenblick. Um die Konflikte zu überwinden und zu verhindern, daß die normalen Spannungen der Einheit der Kirche schaden, müssen wir uns alle unter das Wort Gottes stellen. Indem wir die eigenen subjektiven Ansichten auf geben, haben wir die Wahrheit dort zu suchen, wo sie zu finden ist, das heißt im Wort Gottes und in der authentischen Interpretation, die das Lehramt der Kirche davon gibt. In diesem Licht sind das gegenseitige Aufeinanderhören, die Achtung voreinander und die Vermeidung jedes voreiligen Urteils, die Geduld und die Fähigkeit, die Unterordnung des Glaubens, der eint, unter die Meinungen, Modeerscheinungen und ideologischen Parteinahmen, die entzweien, zu vermeiden, alles Eigenschaften eines Dialoges, der im Innern der Kirche mit Ausdauer, bereitwillig und aufrichtig geübt werden muß. Es ist offenkundig, daß er nicht von solcher Art wäre und nicht ein Faktor der Versöhnung werden könnte, wenn er nicht auf das Lehramt achtet und es annimmt. Indem sich die katholische Kirche auf diese Weise wirksam um die eigene innere Einheit bemüht, kann sie - wie sie es schon immer seit geraumer 1546 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeit tut - an die anderen christlichen Kirchen, mit denen keine volle Einheit besteht, an die anderen Religionen und sogar an jene, die Gott mit aufrichtigem Herzen suchen, den Aufruf zur Versöhnung richten. Im Licht des Konzils und des Lehramtes meiner Vorgänger, deren kostbares Erbe ich übernommen habe und zu bewahren und zu verwirklichen mich bemühe, kann ich feststellen, daß sich die katholische Kirche in allen ihren Bereichen mit Redlichkeit um den ökumenischen Dialog bemüht, und zwar ohne leichtfertigen Optimismus, aber auch ohne Mißtrauen, ohne Zögern und Zaudern. Die Grundregeln, die sie in diesem Dialog zu befolgen sucht, sind einerseits die Überzeugung, daß nur ein geistlicher Ökumenismus - das heißt einer, der im gemeinsamen Gebet und in der gemeinsamen Verfügbarkeit dem einen Herrn gegenüber gründet - es gestattet, aufrichtig und ernsthaft auf die anderen Erfordernisse ökumenischen Handelns zu antworten;126 andererseits die Überzeugung, daß ein gewisser leichtfertiger Irenismus im Bereich der Lehre, vor allem im Dogma, allenfalls zu einer nicht dauerhaften Form oberflächlichen Zusammenlebens führen könnte, nicht aber zu jener tiefen und beständigen Gemeinschaft, die wir uns alle wünschen. Zu dieser Gemeinschaft wird man in der von der göttlichen Vorsehung bestimmten Stunde gelangen; damit dies aber gelingt, weiß die katholische Kirche, daß sie . selber offen und empfänglich sein muß für „die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe . . ., die sich bei den von uns getrennten Brüdern finden“.127 Gleichzeitig aber bilden Klarheit in der Gesprächsführung, Treue und Übereinstimmung mit dem im Lauf der christlichen Tradition vom Lehramt überlieferten und definierten Glauben die unerläßlichen Voraussetzungen für einen ehrlichen und konstruktiven Dialog. Trotz der Gefahr eines gewissen Defätismus und eins unvermeidlich langsamen Vorgehens, das niemals durch Unbesonnenheit behoben werden kann, fährt die katholische Kirche fort, mit allen anderen christlichen Brüdern die Wege zur Einheit und mit den anderen Anhängern der anderen Religionen einen aufrichtigen Dialog zu suchen. Möge dieser Dialog mit den anderen Kirchen und Religionen zur Überwindung jeglicher Form von Feindseligkeit, Mißtrauen, gegenseitigem Verurteilen und erst recht von gegenseitigen Angriffen führen, Vorbedingung für eine Begegnung wenigstens im Glauben an den einen Gott und in der Hoffnung auf ein ewiges Leben für die unsterbliche Seele. Gebe Gott, daß der ökumenische Dialog zu einer aufrichtigen Verständigung über all das führe, was wir mit diesen Kirchen bereits gemeinsam haben können: der Glaube an Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes, 1547 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unseren Erlöser und Herrn, das Hören auf das Wort, das Studium der Offenbarung, das Sakrament der Taufe. In dem Maße, wie die Kirche fähig ist, in ihrem eigenen Innern eine wirksame Eintracht - die Einheit in der Verschiedenheit - zu verwirklichen und sich gegenüber den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften und den anderen Religionen als Zeugin und demütige Dienerin der Versöhnung zu erweisen, wird sie selber nach einem prägnanten Ausdruck des hl. Augustinus „ versöhnte Welt“.12S So wird sie Zeichen der Versöhnung in der Welt und für die Welt sein können. Im Bewußtsein der ungeheuer schwierigen Situation, die durch die Kräfte der Entzweiung und des Krieges geschaffen worden ist und heute eine schwere Bedrohung nicht nur für das Gleichgewicht und die Harmonie zwischen den Nationen, sondern für das Überleben der Menschheit selbst darstellt, fühlt die Kirche sich verpflichtet, ihre spezifische Mitarbeit für die Überwindung der Konflikte und die Wiederherstellung der Eintracht anzubieten und zu empfehlen. Es ist ein komplexer und heikler Dialog der Versöhnung, um den sich die Kirche vor allem durch das Wirken des Heiligen Stuhles und seiner verschiedenen Organismen bemüht. Man kann sagen, daß der Heilige Stuhl alle Kraft dafür verwendet, bei den Regierungen der Nationen und den Verantwortlichen der verschiedenen internationalen Einrichtungen vorstellig zu werden oder durch Gespräche mit ihnen und durch die Förderung des Dialogs zwischen ihnen mit diesen zusammenzuwirken, um inmitten zahlreicher Konflikte eine Aussöhnung herbeizuführen. Sie tut dies nicht sekundärer Zwecke oder geheimer Interessen wegen - denn solche hat sie nicht sondern „aus humanitärer Sorge“,129 indem sie ihre einzigartige institutionelle Struktur und moralische Autorität in den Dienst der Eintracht und des Friedens stellt. Sie tut dies in der Überzeugung, daß wie „im Krieg sich zwei Seiten gegeneinander erheben“, so auch „in der Frage des Friedens es immer und notwendig zwei Seiten sind, die sich dafür einsetzen müssen“, und daß darin „der wahre Sinn des Dialoges für den Frieden liegt“.130 Im Dialog für die Versöhnung setzt sich die Kirche auch durch die Bischöfe ein entsprechend der ihnen eigenen Zuständigkeit und Verantwortung, sei es individuell in der Leitung ihrer jeweiligen Teilkirchen, sei es vereint in ihren Bischofskonferenzen, unter der Mitarbeit der Priester und aller Glieder der christlichen Gemeinschaften. Sie erfüllen ihre Aufgaben dadurch, daß sie jenen unentbehrlichen Dialog fördern und die menschlichen und christlichen Forderungen nach Versöhnung und Frieden erheben. In Gemeinschaft mit ihren Hirten sind die Laien, die als 1548 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „eigentliches Feld ihrer evangelisierenden Tätigkeit die weite und schwierige Welt der Politik, der sozialen Wirklichkeit, der Wirtschaft. . ., des internationalen Lebens“131 haben, aufgerufen, sich unmittelbar um den Dialog oder um die Förderung des Dialogs für den Frieden zu bemühen. Auch durch sie verwirklicht die Kirche ihren Einsatz für Versöhnung. In der Erneuerung der Herzen durch Bekehrung und Buße hegt also die grundlegende Voraussetzung und das sichere Fundament für jede dauerhafte soziale Erneuerung und für den Frieden unter den Völkern. Es bleibt noch zu betonen, daß der Dialog von seiten der Kirche und ihrer Glieder, in welcher Form er auch immer geschieht - und es sind und können sehr verschiedene sein, so daß der Begriff Dialog eine analoge Bedeutung hat -, niemals von einer indifferenten Haltung gegenüber der Wahrheit ausgehen darf, sondern diese vielmehr zur Darstellung bringen soll, und zwar in einer ausgeglichenen Weise, die auch den Verstand und das Gewissen der anderen achtet. Der Dialog zur Versöhnung kann niemals die Verkündigung des Evangeliums ersetzen oder abschwächen, die eindeutig die Bekehrung von der Sünde und die Gemeinschaft mit Christus und der Kirche zum Ziel hat, sondern muß ihrer Weitervermittlung und Verwirklichung durch jene Mittel dienen, die Christus seiner Kirche für die Pastoral der Versöhnung hinterlassen hat: die Katechese und die Buße. Die Katechese 26. Im weiteren Bereich, in dem die Kirche mit dem Mittel des Dialoges ihre Sendung auszuführen sucht, wendet sich die Pastoral der Buße und der Versöhnung an die Glieder der kirchlichen Gemeinschaft vor allem mit einer entsprechenden Katechese über diese zwei verschiedenen und sich ergänzenden Wirklichkeiten, denen die Väter der Synode eine besondere Bedeutung beigemessen haben und die von ihnen in einigen Schlußvorlagen besonders herausgestellt worden sind: eben die Buße und die Versöhnung. Die Katechese ist also das erste Mittel, das eingesetzt werden muß. An der Wurzel dieser sehr zeitgemäßen Empfehlung der Synode liegt eine grundlegende Voraussetzung: Was pastoral ist, steht nicht im Widerspruch zur Lehre, noch kann das pastorale Wirken vom Glaubensinhalt absehen, von dem es vielmehr seine Substanz und wirkliche Kraft erhält. Wenn die Kirche „Säule und Fundament der Wahrheit“132 ist und als Mutter und Lehrmeisterin in die Welt gesandt ist, wie könnte sie dann die 1549 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufgabe unterlassen, die Wahrheit zu lehren, die den Weg zum Leben darstellt? Von den Hirten der Kirche erwartet man zuallererst eine Katechese über die Versöhnung. Dies muß sich unbedingt auf die Lehre der Bibel gründen, besonders auf jene des Neuen Testamtentes über die Notwendigkeit, den Bund mit Gott in Christus, der erlöst und versöhnt, wiederherzustellen, und - im Licht und als Ausweitung dieser neuen Gemeinschaft und Freundschaft - über die Versöhnung mit dem Bruder, selbst wenn dafür die Darbringung des Opfers unterbrochen werden müßte.133 Jesus betont nachdrücklich dieses Thema der brüderlichen Versöhnung: zum Beispiel wenn er einlädt, dem, der uns schlägt, auch die andere Wange hinzuhalten, und dem, der uns das Hemd raubt, auch den Mantel zu überlassen,134 oder wenn er das Gesetz der Vergebung einschärft: eine Vergebung, die jeder in dem Maß empfängt, wie er selber vergibt,135 eine Vergebung, die auch den Feinden anzubieten ist,136 eine Vergebung, die man siebzigmal siebenmal gewähren muß,137 das heißt praktisch ohne jede Einschränkung. Unter diesen Bedingungen, die nur in echt evangelischem Geist verwirklicht werden können, ist wahre Versöhnung unter den einzelnen, zwischen Familien, Gemeinschaften, Völkern und Nationen möglich. Von diesen biblischen Aussagen über die Versöhnung leitet sich natürlich eine theologisch bestimmte Katechese ab, die in ihre Synthese auch die Elemente der Psychologie, der Soziologie und der Humanwissenschaften einbeziehen wird, weil sie dazu dienen können, die Situationen zu klären, die Probleme richtig zu stellen, die Hörer oder die Leser zu überzeugen, konkrete Entscheidungen zu treffen. Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner eine Katechese über die Buße. Auch hierfür muß der Reichtum der biblischen Botschaft die Quelle sein. Diese Botschaft unterstreicht in der Buße vor allem deren Wert für die Bekehrung, ein Begriff, mit dem man das griechische Wort metänoia zu übersetzen sucht,138 das wörtlich besagt, den Geist umzuwenden, um ihn auf Gott hinzuwenden. Dies sind übrigens auch die beiden Grundelemente, die im Gleichnis vom verlorenen und wiedergefundenen Sohn deutlich hervortreten: das „Insichgehen“139 und die Entscheidung, zum Vater zurückzukehren. Es kann ohne diese ursprünglichen Verhaltensweisen der Bekehrung keine Versöhnung geben. Die Katechse muß sie mit Begriffen und Worten erklären, die den verschiedenen kulturellen, sittlichen und sozialen Verhältnissen angepaßt sind. Dies ist ein erster Wert der Buße, der sich in einem zweiten fortsetzt: Buße bedeutet auch Reue. Diese beiden Bezeichnungen von metänoia 1550 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN zeigen sich in der bezeichnenden Weisung, die Jesus gegeben hat: „Wenn dein Bruder . . . sich ändert (und zurückkehrt), vergib ihm. Und wenn er sich siebenmal am Tag gegen dich versündigt und siebenmal wieder zu dir kommt und sagt: Ich will mich ändern!, so sollst du ihm vergeben.“140 Eine gute Katechese wird aufzeigen, wie die Reue ebenso wie die Bekehrung, weit davon entfernt, nur ein oberflächliches Gefühl zu sein, eine wirkliche Umwandlung der Seele darstellt. Ein dritter Wert ist in der Buße enthalten. Es ist die Bewegung, durch die sich die vorhergehenden Haltungen der Bekehrung und Reue nach außen zeigen: das Bußetun. Diese Bedeutung ist im Begriff metänoia gut erkenntlich, wie er vom Vorläufer Jesu im Text der Synoptiker benutzt wird.141 Bußetun will vor allem besagen, das Gleichgewicht und die Harmonie, die durch die Sünde zerstört worden sind, wiederherzustellen und auch um den Preis von Opfern die Richtung zu ändern. Eine möglichst umfassende und angemessene Katechese über die Buße ist in einer Zeit wie der unsrigen unverzichtbar, in der die vorherrschenden Haltungen im gesellschaftlichen Denken und Verhalten in so offenem Gegensatz zu dem soeben erläuterten dreifachen Wert stehen: Dem heutigen Menschen scheint es schwerer zu fallen als je zuvor, seine eigenen Fehler zuzugeben und sich zu entscheiden, seine Schritte zu überprüfen, um den Weg nach erfolgter Änderung der Richtung wieder aufzunehmen. Es widerstrebt ihm sehr zu sagen „ich bereue“ oder „es tut mir leid“; er scheint instinktiv und oft unwiderstehlich alles abzulehnen, was Buße im Sinn eines Opfers ist, das zur Korrektur der Sünde angenommen und getan wird. Hierzu möchte ich betonen, daß die Bußdisziplin der Kirche, auch wenn sie seit einiger Zeit erleichtert worden ist, nicht ohne großen Schaden für das innere Leben der Christen und der kirchlichen Gemeinschaft wie für ihre missionarische Ausstrahlungskraft aufgehoben werden könnte. Nicht selten sind Nichtchristen über das geringe Zeugnis an wahrer Buße von seiten der Jünger Christi überrascht. Selbstverständlich ist christliche Buße nur dann echt, wenn sie von der Liebe und nicht von bloßer Furcht eingegeben ist; wenn sie sich ernsthaft darum bemüht, den „alten Menschen“ zu kreuzigen, damit durch das Wirken Christi der „neue“ geboren werden kann; wenn sie als Vorbild Christi folgt, der, obwohl unschuldig, den Weg der Armut, der Geduld, der Entsagung und, so kann man sagen, der Buße gewählt hat. Von den Hirten der Kirche erwartet man ferner - wie die Synode in Erinnerung gebracht hat - eine Katechese über das Gewissen und seine Formung. Auch das ist ein Thema von großer Aktualität, wenn man 1551 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN beachtet, wie dieses innere Heiligtum, das heißt die Ich-Mitte des Menschen, sein Gewissen, von den Stößen, denen die Kultur unserer Zeit ausgesetzt ist, allzuoft bedrängt, auf die Probe gestellt, verwirrt und verdunkelt wird. Für eine kluge Katechese über das Gewissen kann man wertvolle Hinweise bei den Kirchenvätern, in der Theologie des II. Vatikanischen Konzils, besonders in den zwei Dokumenten über die Kirche in der Welt von heute142 und über die Religionsfreiheit143 finden. Ebenso hat auch Papst Paul VI. oft dazu Stellung genommen, um an die Natur und die Rolle des Gewissens in unserem Leben zu erinnern.144 Ich selber unterlasse, indem ich ihm darin folge, keine Gelegenheit, um diesen überaus wichtigen Teil der Größe und Würde des Menschen deutlich herauszustellen,145 diese „Art von moralischem Sinn, der uns befähigt, zwischen gut und böse zu unterscheiden . . . wie ein inneres Auge, eine Sehkraft des Geistes, die unsere Schritte auf den Weg des Guten zu führen vermag“. Zugleich unterstreiche ich die Notwendigkeit, das eigene Gewissen christlich zu formen, damit es nicht zu „seiner zerstörenden Macht des wahren Menschseins (der Person) werde, sondern vielmehr zum heiligen Ort, wo Gott dieser ihr wahres Gut offenbart“.146 Auch über andere für die Versöhnung nicht weniger wichtige Punkte erwarten die Menschen die Katechese der Hirten der Kirche: - Über das Sündenbewußtsein, das - wie ich schon gesagt habe — in unserer Welt nicht wenig verkümmert ist. - Über die Versuchung und die Versuchungen: Jesus Christus selber, der Sohn Gottes, „der wie wir in allem versucht worden ist, aber nicht gesündigt hat“,147 wollte vom Bösen versucht werden,148 um zu zeigen, daß, wie er, auch seine Jünger der Versuchung ausgesetzt sind und wie sie sich in der Versuchung zu verhalten haben. Für den, der den Vater bittet, nicht über seine Kräfte versucht zu werden149 und der Versuchung nicht zu unterliegen,150 für den, der sich nicht den Gelegenheiten zur Sünde aussetzt, bedeutet die Tatsache der Versuchung nicht, schon gesündigt zu haben, sondern wird für ihn vielmehr zum Anlaß, in Treue und konsequenter Lebensführung durch Demut und Wachsamkeit zu wachsen. - Uber das Fasten, das in alten und neuen Formen als Zeichen der Bekehrung und Reue, der persönlichen Abtötung und zugleich der Einheit mit Christus, dem Gekreuzigten, und der Solidarität mit den Hungernden und Leidenden geübt werden kann. - Über das Almosen, das ein Mittel ist, die Liebe konkret zu leben, indem man das, was man besitzt, mit dem teilt, der unter den Folgen von Armut leidet. 1552 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - Über den inneren Zusammenhang, der die Überwindung aller Spaltungen in der Welt an die volle Gemeinschaft mit Gott und unter den Menschen bindet, was das eschatologische Ziel der Kirche darstellt. - Über die konkreten Umstände, in denen man die Versöhnung verwirklichen soll (in der Familie, in der bürgerlichen Gesellschaft, in den sozialen Strukturen) und besonders über die vier Versöhnungen, die die vier grundlegenden Brüche heilen: Versöhnung des Menschen mit Gott, mit sich selber, mit den Brüdern, mit der ganzen Schöpfung. Auch kann die Kirche nicht ohne schwerwiegende Verstümmelung ihrer wesentlichen Botschaft auf eine beständige Katechese darüber verzichten, was der traditionelle christliche Sprachgebrauch als die vier Letzten Dinge des Menschen bezeichnet: Tod, Gericht, Hölle und Paradies. In einer Kultur, die den Menschen in sein mehr oder weniger gelungenes irdisches Leben einzuschließen sucht, verlangt man von den Hirten der Kirche eine Katechese, die mit der Gewißheit des Glaubens das Jenseits erschließt und erhellt: Jenseits der geheimnisvollen Pforten des Todes zeichnet sich eine Ewigkeit der Freude in der Gemeinschaft mit Gott oder der Strafe in der Ferne von ihm ab. Nur in dieser eschatologischen Sicht kann man das richtige Maß für die Sünde erhalten und sich entschieden zu Buße und Versöhnung angetrieben fühlen. Eifrigen und fähigen Hirten fehlen niemals die Gelegenheiten, um diese umfassende und vielfältige Katechese zu erteilen, wobei sie der Verschiedenheit der Kultur und der religiösen Bildung derer Rechnung tragen, an die sie sich richten. Solche Gelegenheiten bieten oft die biblischen Lesungen und die Riten der hl. Messe und der anderen Sakramente wie auch die Anlässe selbst, zu denen diese gefeiert werden. Zum selben Zweck können auch viele andere Anlässe benutzt werden wie: Predigten, Lesungen, Diskussionen, Begegnungen, religiöse Fortbildungskurse usw., wie es an vielen Orten geschieht. Ich möchte hier besonders die Bedeutung und Wirksamkeit unterstreichen, die für die Katechese die alten Volksmissionen haben. Wenn sie an die besonderen Erfordernisse unserer Zeit angepaßt werden, können sie heute wie gestern ein geeignetes Mittel für die Glaubenserziehung sein, auch was den Bereich der Buße und Versöhnung betrifft. Wegen der großen Bedeutung, die der Versöhnung, die auf der Bekehrung gründet, im vielschichtigen Bereich der menschlichen Beziehungen und des gesellschaftlichen Zusammenlebens auf allen Ebenen, einschließlich der internationalen, zukommt, muß sich die Katechese auch des wertvollen Beitrages der Soziallehre der Kirche bedienen. Die zeitgemäße und klare Lehre meiner Vorgänger, angefangen von Papst Leo XIII., an 1553 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN die sich die wichtigen Aussagen der Pastoralkonstitution Gaudium et spes des II. Vatikanischen Konzils und jene der verschiedenen Episkopate anschließen, mit denen diese auf die verschiedenen Verhältnisse in den jeweiligen Ländern geantwortet haben, bildet ein umfangreiches und solides Lehrgefüge für die vielfältigen Erfordernisse im Leben der menschlichen Gemeinschaft, in den Beziehungen der einzelnen, der Familien und Gruppen in ihren verschiedenen Bereichen und beim Aufbau einer Gesellschaft, die dem Sittengesetz, der Grundlage der Zivilisation, entsprechen will. Dieser sozialen Unterweisung der Kirche liegt natürlich jene Sicht zugrunde, die sich aus dem Wort Gottes über die Rechte und Pflichten der einzelnen, der Familien und der Gemeinschaft herleitet; ferner über den Wert der Freiheit und die Dimensionen der Gerechtigkeit; über den Primat der Liebe; über die Würde der menschlichen Person und die Erfordernisse des Gemeinwohls, auf das Politik und Wirtschaft hingeordnet sein müssen. Auf diesen Grundprinzipien der katholischen Soziallehre, die die universalen Gebote der Vernunft und des Gewissens der Völker bekräftigen und vorlegen, gründet in hohem Maße die Hoffnung auf eine friedliche Lösung der vielen sozialen Konflikte und schließlich auf eine weltweite Aussöhnung. Die Sakramente 27. Das zweite Mittel, das von Gott gestiftet und von der Kirche der Pastoral der Buße und Versöhnung angeboten wird, sind die Sakramente. In der geheimnisvollen Dynamik der Sakramente, die so reich an Symbolen und Inhalten ist, kann man einen Aspekt erkennen, der nicht immer deutlich hervorgehoben wird: Jedes von ihnen ist über die ihm eigene Gnade hinaus auch Zeichen der Buße und Versöhnung. Deshalb ist es möglich, in jedem von ihnen auch diese Dimensionen des Geistes zu leben. Die Taufe ist gewiß ein heiligendes Bad, das, wie der hl. Petrus sagt, „nicht dazu dient, den Körper von Schmutz zu reinigen, sondern eine Bitte an Gott um ein gutes Gewissen ist“.151 Sie ist Tod, Bestattung und Auferstehung mit Christus, der gestorben, begraben worden und auferstanden ist.152 Es ist Geschenk des Heiligen Geistes durch Christus.153 Diese wesentliche und grundlegende Eigenschaft der christlichen Taufe hebt aber das in ihr schon vorhandene Bußelement keineswegs auf, sondern bereichert es. Jesus selbst hat von Johannes die Taufe empfan- 1554 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen, um „die Gerechtigkeit ganz zu erfüllen“.154 Sie ist nämlich ein Akt der Bekehrung und der Eingliederung in die rechte Ordnung der Beziehungen zu Gott, der Versöhnung mit Gott, wobei die Erbsünde getilgt und der Mensch in die große Familie der Versöhnten aufgenommen wird. Gleichermaßen bedeutet und verwirklicht die Firmung, auch als Bekräftigung der Taufe und zusammen mit ihr als Initiationssakrament, indem sie die Fülle des Heiligen Geistes mitteilt und das christliche Leben zum Vollalter führt, eine tiefere Bekehrung des Herzens und eine innigere und wirksamere Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Versöhnten, welche die Kirche Christi ist. Die Definition, die der hl. Augustinus von der Eucharistie als Sakrament des Glaubens, Zeichen der Einheit und Band der Liebe155 gibt, stellt deutlich die Wirkungen der persönlichen Heiligung (pietas) und der gemeinschaftlichen Versöhnung (unitas und caritas) heraus, die sich aus dem Wesen des eucharistischen Geheimnisses selbst als unblutige Erneuerung des Kreuzesopfers und Quelle des Heiles und der Versöhnung für alle herleiten. Es ist jedoch notwendig, daran zu erinnern, daß die Kirche, geleitet vom Glauben an dieses erhabene Sakrament, lehrt, daß kein Christ, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, die Eucharistie empfangen darf, bevor er von Gott Vergebung erlangt hat. So lesen wir in der Instruktion Eucharisticum mysterium, die, von Papst Paul VI. ordnungsgemäß approbiert, die Lehre des Tridentinischen Konzils voll bestätigt: „Die Eucharistie soll den Gläubigen auch vorgestellt werden ,als Gegengift, durch das wir von den täglichen Vergehen befreit und vor den schweren Sünden bewahrt“ werden; auch werde ihnen gezeigt, wie sie in angemessener Weise vom Bußritus der Meßliturgie Gebrauch machen können. Wer kommunizieren will, soll an das Gebot erinnert werden: Jeder soll sich selbst prüfen (2 Kor 11, 28). Die Praxis der Kirche zeigt, daß eine solche Prüfung notwendig ist, damit niemand, der sich einer schweren Sünde bewußt ist, zur heiligen Kommunion hinzutrete, ohne daß er vorher das Bußsakrament empfangen hat, selbst wenn er bereits die vollkommene Reue erweckt hätte. Wenn jemand sich in einer Notlage befindet und keinen Beichtvater erreichen kann, so muß er zuvor ,einen Akt vollkommener Reue erwecken“.“156 Das Weihesakrament ist dazu bestimmt, der Kirche die Hirten zu geben, die als Lehrer und Vorsteher auch dazu berufen sind, Zeugen und Vermittler der Einheit, Erbauer der Familie Gottes, Verteidiger und Beschützer der Gemeinschaft dieser Familie gegen die Einwirkungen von Spaltung und Zersplitterung zu sein. Das Ehesakrament, Erhöhung der menschlichen Liebe unter dem Wirken 1555 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Gnade, ist gewiß Zeichen der Liebe Christi zur Kirche, aber auch des Sieges, den er den Eheleuten über jene Kräfte gewährt, die die Liebe entstellen und zerstören, so daß die Familie, die aus diesem Sakrament entsteht, auch zum Zeichen der versöhnten und versöhnenden Kirche wird für eine in allen ihren Strukturen und Institutionen versöhnte Welt. Die Krankensalbung schließlich ist in der Prüfung durch Krankheit und Alter, besonders in der letzten Stunde des Christen, ein Zeichen der endgültigen Bekehrung zum Herrn sowie der vollen Annahme von Leid und Tod als Buße für die Sünden. Und darin vollzieht sich die tiefste Versöhnung mit dem Vater. Doch gibt es unter den Sakramenten eines, das, wenn auch oft wegen des darin erfolgenden Sündenbekenntnisses Beichte genannt, im eigentlichen Sinn als das Sakrament der Buße angesehen werden kann, wie es dann auch tatsächlich heißt. Es ist das Sakrament der Bekehrung und der Versöhnung. Wegen seiner Bedeutung für die Versöhnung hat sich die letzte Versammlung der Synode mit diesem Sakrament besonders befaßt. II. Das Sakrament der Buße und der Versöhnung 28. Die Synode hat während ihres ganzen Verlaufs und auf allen ihren Ebenen mit größter Aufmerksamkeit jenes sakramentale Zeichen betrachtet, welches auf Buße und Versöhnung hin weist und sie zugleich verwirklicht. Gewiß schöpft dieses Sakrament für sich allein nicht aus, was mit Bekehrung und Versöhnung gemeint ist. In der Tat kennt und schätzt die Kirche von ihren ersten Anfängen her zahlreiche und vielfältige Formen der Buße: einige von liturgischer oder paraliturgischer Art, vom Bußakt der hl. Messe bis zu Sühneandachten und Pilgerfahrten, andere von aszetischer Art wie das Fasten. Doch ist unter all diesen Akten keiner bedeutsamer, von Gott her wirksamer, erhabener und in seiner Vollzugsform so leicht zugänglich wie das Bußsakrament. Schon von ihrer Vorbereitung her, dann in zahlreichen Wortmeldungen während ihres Verlaufs, bei den Arbeiten der Sprachgruppen und in den abschließenden Schlußvorlagen wurde die Synode mit der oft wiederholten und mit verschiedenem Ton und Inhalt vorgebrachten Feststellung konfrontiert: Das Bußsakrament befindet sich in einer Krise. Dieser Tatsache hat sich die Synode gestellt. Sie empfahl eine Vertiefung der Katechese, aber auch eine ebenso eingehende Untersuchung theologischer, geschichtlicher, psychologischer, soziologischer und rechtlicher Art 1556 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN über die Buße im allgemeinen und das Bußsakrament im besonderen. Dadurch beabsichtigte sie, die Gründe der Krise zu klären und zum Wohl der Menschheit Wege zu einer positiven Lösung aufzuzeigen. Zugleich aber hat die Kirche von der Synode eine klare Bestätigung ihres Glaubens hinsichtlich dieses Sakramentes erhalten, durch das jedem Christen und der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen die Gewißheit der Vergebung kraft des erlösenden Blutes Christi zuteil wird. Es ist angebracht, diesen Glauben zu erneuern und zu bekräftigen in einem Augenblick, da er unter den bedrohlichen negativen Einwirkungen der erwähnten Krise schwächer werden, etwas von seiner Vollständigkeit verlieren oder in ein schattenhaftes und stummes Dasein abgleiten könnte. In der Tat, das Bußsakrament ist gefährdet: auf der einen Seite durch eine Verdunkelung des sittlich-religiösen Gewissens, durch eine Schwächung des Sündenbewußtseins, durch eine falsche Vorstellung von Reue, durch mangelndes Streben nach echt christlicher Lebensführung; auf der anderen Seite durch die mitunter verbreitete Meinung, man könne die Vergebung gewöhnlich auch unmittelbar von Gott erlangen, ohne das Sakrament der Versöhnung zu empfangen, und durch die Routine einer sakramentalen Praxis, der es, vielleicht wegen einer irrigen oder abwegigen Auffassung von den Wirkungen des Sakramentes, zuweilen an echter geistlicher Tiefe und Spontaneität mangelt. Darum ist es angebracht, sich die wichtigsten Dimensionen dieses großen Sakramentes ins Gedächtnis zu rufen. „ Welchen ihr die Sünden nachlaßt“ 29. Die erste grundlegende Wirklichkeit erkennen wir aus den heiligen Büchern des Alten und Neuen Testamentes: die Barmherzigkeit Gottes und seine Vergebung. In den Psalmen und in der Verkündigung der Propheten wird Gott wohl am häufigsten als der Barmherzige bezeichnet, ganz im Gegensatz zu dem hartnäckigen Vorurteil, nach welchem der Gott des Alten Testamentes vor allem streng und strafend erscheint. So ruft uns unter den Psalmen ein langes Weisheitslied, das aus der Tradition des Exodus schöpft, das gnädige Handeln Gottes inmitten seines Volkes in Erinnerung. Selbst in seiner menschlichen Darstellungsweise ist dieses Handeln Gottes wohl eine der ausdrucksstärksten alttestamentlichen Aussagen über die göttliche Barmherzigkeit. Es mag hier genügen, die folgenden Verse zu zitieren: „Er aber vergab ihnen voll Erbarmen die Schuld und tilgte sein Volk nicht aus. Oftmals ließ er ab von seinem Zorn 1557 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und unterdrückte seinen Groll. Denn er dachte daran, daß sie nichts sind als Fleisch, nur ein Hauch, der vergeht und nicht wiederkehrt.“157 Als dann in der Fülle der Zeiten der Sohn Gottes kommt als das Lamm, das die Sünde der Welt hinwegnimmt und selber trägt,158 erscheint er als derjenige, der Vollmacht hat, zu richten159 und Sünden zu verzeihen,160 als einer, der kommt, nicht um zu verurteilen, sondern um zu verzeihen und zu heilen.161 Diese Vollmacht, von den Sünden zu lösen, verleiht Christus durch Vermittlung des Heiligen Geistes auch an einfache Menschen, die selbst den Nachstellungen der Sünde ausgesetzt sind, an seine Apostel: „Empfangt den Heiligen Geist! Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert.“162 Das ist eine der erstaunlichsten Neuheiten des Evangeliums! Er teilt diese Vollmacht den Aposteln zugleich mit - wie es die Kirche von ihren frühesten Anfängen her verstanden hat - als übertragbar an ihre Nachfolger, denen von den Aposteln selbst die Sendung und Veranwortung anvertraut wurde, die Verkündigung des Evangeliums und den Dienst am Erlösungswerk Christi fortzusetzen. Hier zeigt sich in ihrer ganzen Größe die Gestalt dessen, der das Bußsakrament verwaltet und nach ältestem Brauch oft Beichtvater genannt wird. Wie bei der Feier der Eucharistie am Altar und bei jedem anderen Sakrament handelt der Priester auch als Verwalter des Bußsakramentes „in der Person Christi“. Christus, der durch den Priester gegenwärtig gesetzt wird und durch ihn das Geheimnis der Sündenvergebung wirkt, erscheint als der Bruder des Menschen,163 als barmherziger, treuer und mitfühlender Hoherpriester,164 als Hirt, der entschlossen ist, das verlorene Schaf zu suchen,165 als Arzt, der heilt und stärkt,166 als einziger Meister, der die Wahrheit lehrt und die Wege Gottes aufzeigt,167 als Richter der Lebenden und der Toten,168 der nach der Wahrheit und nicht nach dem Augenschein richtet.169 Ohne Zweifel ist dieser Dienst des Priesters der schwierigste und delikateste, der am meisten ermüdet und die höchsten Anforderungen stellt; zugleich aber ist er auch eine seiner schönsten und trostreichsten Aufgaben. Eben darum und auch wegen des nachdrücklichen Aufrufs der Synode werde ich nicht müde, meine Brüder, Bischöfe und Priester, zu einer treuen und sorgfältigen Erfüllung dieses Dienstes zu ermahnen.170 Gegenüber dem Gläubigen, der ihm sein Gewissen in einer Mischung von Angst und Vertrauen eröffnet, ist der Beichtvater zu der hohen Aufgabe 1558 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN berufen, diesen zu Buße und menschlicher Versöhnung zu führen. Er muß die Schwächen und das Versagen des Gläubigen erkennen, sein Verlangen nach Besserung und sein Bemühen darum richtig bewerten, das Wirken des heiligmachenden Geistes im Herzen des Beichtenden aufspüren und ihm eine Vergebung zusprechen, die nur Gott zu gewähren vermag; er muß seine Wiederversöhnung mit Gott, dem Vater, „feiern“, wie sie im Gleichnis vom verlorenen Sohn versinnbildet ist, den von seiner Schuld befreiten Sünder wieder in die kirchliche Gemeinschaft der Brüder und Schwestern aufnehmen und ihn väterlich und bestimmt, ermutigend und freundschaftlich ermahnen: „Sündige von jetzt an nicht mehr.“171 Zur wirksamen Erfüllung eines solchen Dienstes muß der Beichtvater unbedingt mit besonderen menschlichen Qualitäten ausgestattet sein: Klugheit, Diskretion, Unterscheidungsgabe, sanfte Festigkeit und Güte. Darüber hinaus bedarf er einer seriösen und gründlichen, nicht nur bruchstückhaften, sondern vollständigen und harmonischen Vorbereitung in den verschiedenen Bereichen der Theologie, in der Pädagogik und der Psychologie, in den Methoden der Gesprächsführung und vor allem in der lebendigen und mitteilungsfähigen Kenntnis des Wortes Gottes. Aber noch dringlicher ist, daß er ein tiefes und echtes geistliches Leben führt. Um andere auf den Weg der christlichen Vollkommenheit zu bringen, muß der Verwalter des Bußsakramentes selbst zuerst diesen Weg gehen und mehr durch Taten als mit wortreichen Reden unter Beweis stellen, daß er wirklich erfahren ist im gelebten Gebet, in der Übung der theologischen und sittlichen Tugenden des Evangeliums, im treuen Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes, in der Liebe zur Kirche und in der Befolgung ihres Lehramtes. Diese Ausstattung mit menschlichen Gaben, christlichen Tugenden und pastoralen Fähigkeiten kann man nicht aus dem Stegreif besitzen oder ohne Anstrengung erwerben. Für den Dienst des Bußsakramentes muß jeder Priester schon vom Seminar an vorbereitet werden durch das Studium der Dogmatik, der Moraltheologie (Fächer, die stets nur eine Theologie bilden), dazu die Humanwissenschaften, die Methoden der Gesprächsführung, vor allem des pastoralen Gesprächs. Ferner muß er in seine ersten Erfahrungen als Beichtvater eingeführt und darin begleitet werden. Durch ständiges Studium soll er sich um seine eigene Vervollkommnung und eine zeitgemäße Weiterbildung bemühen. Welch großen Schatz an Gnade, echtem Leben und geistlicher Ausstrahlungskraft würde die Kirche gewinnen, wenn jeder Priester dafür Sorge trüge, niemals, weder aus Nachlässigkeit noch aus sonstigen Vorwänden, die Begegnung mit den Gläubigen im Beichtstuhl zu versäumen und vor allem niemals 1559 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN unvorbereitet oder ohne die notwendige menschliche Eignung und die geistigen und pastoralen Voraussetzungen in den Beichtstuhl zu gehen! Hier kann ich es nicht unterlassen, in ehrfürchtiger Bewunderung an die außergewöhnlichen Apostel des Beichtstuhls zu erinnern: an den hl. Johannes Nepomuk, den hl. Johannes Maria Vianney, den hl. Josef Cafasso und den hl. Leopold von Castelnuovo, um nur die bekanntesten zu nennen, die die Kirche in das Verzeichnis ihrer Heiligen auf genommen hat. Ich möchte aber auch jene unzählbare Schar heiliger und fast stets unbekannter Beichtväter ehrend erwähnen, denen so viele Seelen ihr Heil verdanken. Sie haben diesen beigestanden bei ihrer Bekehrung, in ihrem Kampf gegen Sünde und Versuchung, in ihrem geistlichen Fortschritt und in ihrer gesamten Heiligung. Ich zögere nicht zu sagen, daß auch die großen Heiligen allgemein aus jenen Beichtstühlen hervorgegangen sind; und mit den Heiligen auch das geistige Erbe der Kirche und die Blüte einer Kultur, die von christlichem Geist durchdrungen ist! Ehre gebührt also dieser stillen Schar unserer Mitbrüder, die Tag für Tag durch den Dienst der sakramentalen Buße für die Sache der Versöhnung gewirkt haben und weiterhin wirken! Das Sakrament der Vergebung 30. Aus der Offenbarung der großen Bedeutung dieses Dienstes und der Vollmacht, Sünden zu vergeben, die von Christus den Aposteln und deren Nachfolgern übertragen worden ist, entwickelte sich in der Kirche das Bewußtsein vom Zeichen der Vergebung, die im Bußsakrament vermittelt wird; das Bewußtsein davon, daß Jesus, der Herr, selbst - als Geschenk seiner Güte und „Menschenliebe“172 für alle - ein eigenes Sakrament für die Vergebung der Sünden, die nach der Taufe begangen wurden, der Kirche anvertraut hat. Die konkrete Feier und Form dieses Sakramentes haben sich langsam entwickelt. Das bezeugen die ältesten Sakramente, die Akten von Konzilien und Bischofssynoden, die patristische Verkündigung und die Unterweisung der Kirchenlehrer. Was jedoch das Wesen des Sakramentes betrifft, so war sich die Kirche stets und ohne Schwanken dessen sicher bewußt, daß die Vergebung nach dem Willen Christi jedem einzelnen in der sakramentalen Lossprechung durch den Spender des Bußsakramentes zuteil wird. Diese Gewißheit wurde nachdrücklich bekräftigt durch das Konzil von Trient173 und das II. Vatikanische Konzil: „Die zum Sakrament der Buße hinzutreten, erhalten für ihre Gott zugefügten Beleidigun- 1560 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gen von seiner Barmherzigkeit Verzeihung und werden zugleich mit der Kirche versöhnt, die sie durch die Sünde verwundet haben und die zu ihrer Bekehrung durch Liebe, Beispiel und Gebet mitwirkt.“174 Als wesentliches Element des Glaubens über den Wert und Sinn der Buße muß erneut festgestellt werden, daß unser Heiland Jesus Christus in seiner Kirche das Bußsakrament gestiftet hat, damit die Gläubigen, die nach der Taufe in Sünde gefallen sind, die Gnade wiedererlangen und sich mit Gott versöhnen.175 Der Glaube der Kirche an dieses Sakrament schließt einige andere grundlegende Wahrheiten ein, die unverzichtbar sind. Der sakramentale Bußritus hat diese Wahrheiten während seiner geschichtlichen Entfaltung und in seinen verschiedenen konkreten Ausdrucksformen stets bewahrt und deutlich herausgestellt. Als das II. Vatikanische Konzil, eine Reform dieses Ritus anordnete, war es von der Absicht geleitet, diese Wahrheiten noch klarer zum Ausdruck zu bringen.176 Das geschah in der neuen Bußordnung,111 in welche die wesentlichen Lehraussagen der Tradition unverkürzt auf genommen worden sind, die das Konzil von Trient zusammengestellt hatte, allerdings so, daß diese Aussagen aus ihrenv besonderen geschichtlichen Zusammenhang (dem ausdrücklichen Bemühen um Klarstellung der Lehre gegenüber den schwerwiegenden Abweichungen von der wahren Glaubensunterweisung der Kirche) herausgelöst und inhaltsgetreu in eine Sprache übersetzt wurden, die unserer Zeit, besser entspricht. Einige grundlegende Glaubensüberzeugungen 31. Die erwähnten Wahrheiten, die von der Synode nachdrücklich und deutlich bekräftigt wurden und in den Schlußvorlagen enthalten sind, können in den folgenden Glaubensüberzeugungen zusammengefaßt werden, um die sich alle anderen katholischen Lehraussagen über das Bußsakrament gruppieren lassen. I. Die erste Überzeugung besteht darin, daß für den Christen das Bußsakrament der ordentliche Weg ist, um Vergebung und Nachlaß seiner schweren Sünden zu erlangen, die nach der Taufe begangen worden sind. Gewiß sind der Erlöser und sein Heilswirken nicht in der Weise an ein sakramentales Zeichen gebunden, daß sie nicht jederzeit und überall in der Heilsgeschichte auch außerhalb der Sakramente und über sie hinaus wirksam werden können. Aber wir wissen aus der Schule des Glaubens, daß derselbe Erlöser es so gewollt und verfügt hat, daß die schlichten und 1561 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN kostbaren Sakramente des Glaubens für gewöhnlich die wirksamen Mittel sind, durch die seine erlösende Kraft vermittelt und wirksam wird. Es wäre deshalb unvernünftig, ja vermessen, willkürlich von den Gnaden-und Heilsmitteln abzusehen, die der Herr bestimmt hat; das heißt in unserem Zusammenhang, Verzeihung erlangen zu wollen ohne das Sakrament, das Christus gerade für die Sündenvergebung eingesetzt hat. Die nach dem Konzil vorgenommene Erneuerung der Liturgie berechtigt zu keinerlei Illusion und Änderung in dieser Richtung. Vielmehr sollte und soll diese nach der Absicht der Kirche jedem einzelnen von uns helfen, einen neuen Anlauf zu nehmen zu einer Erneuerung unserer inneren Haltung: hin zu einem tieferen Verständnis der Natur des Bußsakramentes; zu einer Annahme dieses Sakramentes, die mehr vom Glauben, nicht von Angst, sondern von Vertrauen geprägt ist; zu einem häufigeren Empfang dieses Sakramentes, das wir von der barmherzigen Liebe des Herrn ganz umfangen wissen. II. Die zweite Überzeugung betrifft die Bedeutung des Bußsakramentes für den, der es empfängt. Nach ältester Überlieferung ist es eine Art von Gerichtsverfahren. Aber dieses Verfahren vollzieht sich vor einem Gericht, das mehr von Erbarmen als von strenger Gerechtigkeit bestimmt wird, so daß es mit menschlichen Gerichten nur in analoger Weise vergleichbar ist.178 Der Sünder bekennt nämlich hier seine Sünden und sich selbst als ein der Sünde unterworfenes Geschöpf; er verpflichtet sich, der Sünde zu entsagen und sie zu bekämpfen, nimmt die Strafe an {sakramentale Buße), welche der Beichtvater ihm auferlegt, und empfängt die Lossprechung. Beim tieferen Nachdenken über die Bedeutung dieses Sakramentes erblickt das Bewußtsein der Kirche in ihm außer dem gerade beschriebenen Gerichtscharakter auch ein heilende Funktion. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, daß Christus im Evangelium häufig gleichsam als Arzt erscheint179 und sein erlösendes Wirken von den frühesten christlichen Anfängen an oft als „heilende Medizin“ bezeichnet wird. „Heilen will ich, nicht anklagen“, sagte der hl. Augustinus gerade mit Bezug auf die Bußpastoral;180 und es geschieht dank der Medizin der Beichte, daß die Erfahrung der Sünde nicht zur Verzweiflung führt.181 Der Bußritus deutet auf diesen heilenden Charakter des Sakramentes hin,182 für den der heutige Mensch vielleicht besonders empfänglich ist; sieht er doch in der Sünde nicht nur eine Verirrung, sondern mehr noch menschliche Schwäche und Anfälligkeit. Mag man dieses Sakrament als Gericht der Barmherzigkeit oder als Ort geistlicher Heilung betrachten, beides erfordert eine Kenntnis der inneren 1562 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verfassung des Sünders, um ihn beurteilen und lossprechen, ihn betreuen und heilen zu können. Gerade deshalb ist vom Beichtenden das aufrichtige und vollständige Bekenntnis seiner Sünden erforderlich. Dieses geschieht also nicht nur aus aszetischen Motiven (als Übung von Demut und Selbstverleugnung), sondern gründet im Wesen des Sakramentes selbst. III. Die dritte Überzeugung, auf die ich hinweisen möchte, betrifft jene Wirklichkeiten oder Teilakte, die das sakramentale Zeichen der Sündenvergebung und der Versöhnung ausmachen. Einige davon sind dem Tun des Beichtenden zugeordnet. Sie sind zwar von unterschiedlicher Bedeutung, doch im einzelnen unerläßlich zur Gültigkeit, Vollständigkeit oder Fruchtbarkeit des Zeichens. Eine unerläßliche Voraussetzung ist vor allem, daß das Gewissen des Beichtenden richtig gebildet und klar ist. Niemand gelangt zu wahrer und echter Buße, wenn er nicht einsieht, daß die Sünde der sittlichen Norm widerspricht, die seinem innersten Wesen eingestiftet ist;183 wenn er nicht erkennt, daß er die persönlich zu verantwortende Erfahrung eines solchen Widerspruchs gemacht hat; wenn er nicht nur sagt, „es gibt die Sünde“, sondern „ich habe gesündigt“, und wenn er nicht zugibt, daß die Sünde in seinem Bewußtsein einen Riß bewirkt hat, der sein ganzes Sein durchzieht und ihn von Gott und den Brüdern trennt. Das sakramentale Zeichen, das zu einer solchen Klarheit des Gewissens führt, wird traditionsgemäß Gewissenserforschung genannt. Diese sollte keineswegs eine ängstliche psychologische Selbstbeobachtung sein, sondern eine aufrichtige und ruhige Konfrontation mit dem inneren sittlichen Gesetz, mit den Normen des Evangeliums, wie sie von der Kirche vorgelegt werden, ja mit Jesus Christus selbst, der für uns Meister und Vorbild des Lebens ist, und mit dem himmlischen Vater, der uns zum Heil und zur Vollkommenheit beruft.184 Der für den Beichtenden wesentliche Bußakt aber ist die Reue, die klare und entschiedene Verwerfung der begangenen Sünde zusammen mit dem Vorsatz, sie nicht mehr zu begehen185 aufgrund der Liebe zu Gott, die mit der Reue wiedererwacht. Die so verstandene Reue ist also Anfang und Mitte der Bekehrung, jener Metänoia des Evangeliums, die den Menschen zu Gott zurückführt wie den verlorenen Sohn zu seinem Vater und die im Bußsakrament ihr sichtbares Zeichen hat, welches das einfache Bedauern zu seiner Vollendung führt. „Von dieser inneren Reue hängt die Echtheit der Buße ab.“186 Während ich auf all das verweise, was die Kirche, vom Wort Gottes geleitet, über die Reue lehrt, drängt es mich, hier wenigstens einen 1563 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gesichtspunkt dieser Lehre hervorzuheben, damit er besser erkannt und berücksichtigt werde. Nicht selten betrachtet man die Bekehrung und Reue nur im Hinblick auf die Anforderungen, die sie zweifellos stellen, und auf die Selbstverleugnung, die sie für eine grundlegende Änderung des Lebens auferlegen. Es ist aber gut, daran zu erinnern und hervorzuheben, daß Reue und Bekehrung mehr noch eine Annäherung an die Heiligkeit Gottes sind, eine Rückgewinnung der eigenen inneren Wahrheit, die durch die Sünde entstellt wurde, eine im tiefsten sich vollziehende Befreiung von sich selbst und darum eine Rückgewinnung verlorener Freude, der Freude darüber, erlöst zu sein,187 welche die meisten Menschen von heute nicht mehr recht zu verkosten vermögen. So wird verständlich, daß die Kirche seit den ersten Zeiten, die mit den Aposteln und mit Christus selbst noch in unmittelbarer Verbindung standen, das Bekenntnis der Sünden in das sakramentale Zeichen der Buße einbezogen hat. Dieses erscheint als so wichtig, daß das Bußsakrament seit Jahrhunderten und bis heute gewöhnlich als Beichte bezeichnet wird. Das Bekenntnis der eigenen Sünden ist vor allem deshalb erforderlich, weil der Spender des Sakramentes, insofern er Richter ist, den Sünder kennen sowie die Schwere der Sünden und die Ernsthaftigkeit der Reue beurteilen muß, so wie er in seiner Funktion als Arzt den Zustand des Kranken kennen muß, um ihn behandeln und heilen zu können. Doch hat das persönliche Bekenntnis auch den Sinn eines Zeichens: Es ist Zeichen der Begegnung des Sünders mit der vermittelnden Kirche in der Person des Beichtvaters, Zeichen seiner Selbsterkenntnis als Sünder im Angesicht Gottes und der Kirche sowie Zeichen dafür, daß er vor Gott mit sich selbst ins klare kommt. Das Sündenbekenntnis läßt sich also nicht auf irgendeinen Versuch psychologischer Selbstbefreiung reduzieren, auch wenn es jenem berechtigten und natürlichen, dem menschlichen Herzen innewohnenden Bedürfnis entspricht, sich jemandem zu eröffnen. Es ist vielmehr eine liturgische Handlung, feierlich in ihrer Dramatik, demütig und nüchtern angesichts ihrer großen Bedeutung. Es ist die Geste des verlorenen Sohnes, der zum Vater zurückkehrt und von ihm mit dem Friedenskuß empfangen wird; eine Geste der Redlichkeit und des Mutes; eine Geste, in der man sich über die Sünde hinaus dem verzeihenden Erbarmen anvertraut.188 So versteht man, daß das Bekenntnis der Sünden gewöhnlich individuell und nicht kollektiv geschehen muß; denn die Sünde ist ein zutiefst personales Geschehen. Zugleich aber entreißt das Bekenntnis die Sünde in gewisser Weise dem Geheimnis des Herzens und somit dem Bereich der reinen Individualität und macht ihren sozialen Charakter offenbar, weil in 1564 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Person des Beichtvaters die kirchliche Gemeinschaft, die durch die Sünde verletzt worden ist, den reuigen Sünder durch die Vergebung wieder aufnimmt. Ein anderer, wesentlicher Bestandteil des Bußsakramentes betrifft den Beichtvater, sofern er Richter und Arzt ist, Abbild Gottes, des Vaters, der denjenigen, der zurückkehrt, auf nimmt und ihm verzeiht: die Lossprechung. Die Worte, mit denen sie zugesprochen wird, und die Gesten, die sie im alten wie im neuen Bußritus begleiten, sind von bedeutungsschwerer Einfachheit. Die sakramentale Formel „Ich spreche dich los...“ sowie die Auflegung der Hände und das Zeichen des Kreuzes über deo Beichtenden zeigen an, daß der reuige und bekehrte Sünder in diesem Augenblick der Macht und dem Erbarmen Gottes begegnet. Es ist der Augenblick, da als Antwort auf den Beichtenden die Dreifaltigkeit gegenwärtig wird, um seine Sünde zu löschen und ihm die Unschuld wieder zurückzugeben; ihm wird die heilende Kraft des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Christi zuteil, als „Erbarmen, das stärker als Schuld und Beleidigung“ ist, wie ich es in der Enzyklika Dives in misericordia beschrieben habe. Gott ist immer der erste, der durch die Sünde beleidigt wird - „tibi soli peccavi!“ -, und nur Gott kann verzeihen. Darum ist die Lossprechung, die der Priester als Diener der Vergebung, obgleich selbst Sünder, dem Beichtenden erteilt, das wirksame Zeichen des Eingreifens des Vaters und der „Auferstehung“ vom „geistlichen Tod“, das sich bei jeder Spendung des Bußsakramentes wiederholt. Nur der Glaube kann uns versichern, daß in diesem Augenblick jede Sünde vergeben und ausgelöscht wird durch das geheimnisvolle Eingreifen des Erlösers. Die Genugtuung ist der Schlußakt, der das Zeichen des Bußsakramentes krönt. In einigen Ländern wird das, was der Beichtende nach dem Empfang der Vergebung und der Lossprechung auszuführen hat, auch Buße genannt. Welches ist nun die Bedeutung dieser Genugtuung oder Buße, die es zu verrichten gilt? Gewiß ist sie nicht der Preis, den man für die Lossprechung von der Sünde und die erlangte Vergebung bezahlt; kein menschlicher Preis kann dem entsprechen, was man als Frucht des kostbaren Blutes Christi empfangen hat. Die Werke der Genugtuung - die, obwohl stets einfach und bescheiden, noch besser zum Ausdruck bringen sollten, was sie bezeichnen — wollen einige kostbare Werte anzeigen: Sie sind Zeichen der persönlichen Verpflichtung, die der Christ mit Gott im Sakrament eingegangen ist, nämlich ein neues Leben zu beginnen (darum dürfte sich die Genugtuung nicht nur auf die Verrichtung einiger Gebetsformeln beschränken, sondern sollte in Werken der Gottesverehrung, der Nächstenhebe, der Barmherzigkeit 1565 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder der Wiedergutmachung bestehen). Sie schließen den Gedanken ein, daß der Sünder, dem vergeben wurde, imstande ist, seine eigene körperliche und geistige Abtötung, die er sich selbst auferlegt oder zumindest angenommen hat, mit dem Leiden Jesu zu vereinen, der ihm die Vergebung erlangt hat. Die Werke der Genugtuung erinnern daran, daß im Christen auch nach der Lossprechung eine Zone des Schattens verbleibt als Folge der durch die Sünde verursachten Wunden, der unvollkommenen Liebestreue und der Schwächung der geistliche Fähigkeiten, in denen noch immer ein ansteckender Krankheitsherd der Sünde wirksam bleibt, den es durch stete Abtötung und Buße zu bekämpfen gilt. Darin liegt der Sinn der bescheidenen, aber aufrichtigen Genugtuung.189 IV. Es bleibt noch, kurz auf einige andere wichtige Überzeugungen hinsichtlich des Bußsakramentes hinzuweisen. Es ist vor allem hervorzuheben, daß nichts persönlicher und inniger ist als dieses Sakrament, in welchem der Sünder Gott allein gegenübersteht mit seiner Schuld, seiner Reue und seinem Vertrauen. Niemand kann ihn vertreten in seiner Reue und Bitte um Vergebung. In seiner Schuld ist der Sünder gewissermaßen einsam. Das läßt sich auf dramatische Weise an Kain ersehen mit der Sünde, die „an seiner Tür lauert“, wie es das Buch Genesis so eindrucksvoll sagt, und mit dem besonderen Zeichen, das auf seiner Stirn eingeprägt ist;190 ebenso an David, der vom Propheten Nathan zurechtgewiesen wird,191 oder am verlorenen Sohn, der, als er sich seiner Lage bewußt wird, in die er durch die Trennung von seinem Vater geraten ist, sich entschließt, zu ihm heimzukehren:192 Dies alles geschieht nur zwischen dem Menschen und Gott. Zugleich aber hat dieses Sakrament unleugbar eine soziale Dimension; in ihm steht die ganze Kirche - die streitende, die leidende und die im Himmel verherrlichte - dem Büßenden bei und nimmt ihn wieder in ihre Gemeinschaft auf, und das um so mehr, als die ganze Kirche durch seine Sünde verletzt und verwundet worden ist. Der Priester als Diener des Bußsakramentes bezeugt und versinnbildet diese kirchliche Dimension kraft seines geistlichen Amtes. Beide Aspekte des Sakramentes, die subjektive Seite und die kirchliche Dimension, ergänzen einander. Dies haben die fortschreitende Reform des Bußritus und vor allem der von Paul VI. veröffentlichte Ordo Paenitentiae hervorzuheben und für seine Feier noch deutlicher zu machen versucht. V. Ferner ist zu betonen, daß die kostbarste Frucht der Vergebung, die im. Bußsakrament empfangen wird, in der Versöhnung mit Gott besteht; sie vollzieht sich in der Verborgenheit des Herzens des verlorenen und 1566 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN wieder zurückkehrenden Sohnes, wie es jeder Beichtende ist. Man muß zugleich hinzufügen, daß diese Versöhnung mit Gott gleichsam noch andere Arten von Versöhnung zur Folge hat, die noch andere von der Sünde verursachte Risse heilen: Der Beichtende, dem verziehen wird, wird in seinem innersten Sein mit sich selbst versöhnt, wodurch er seine innere Wahrheit wiedererlangt; er versöhnt sich mit seinen Brüdern, die von ihm in gewisser Weise angegriffen und verletzt worden sind; er versöhnt sich mit der Kirche und der ganzen Schöpfung. Aus dieser inneren Erfahrung entsteht im Beichtenden am Ende des Ritus das Bewußtsein, Gott für das Geschenk seines gütigen Erbarmens danken zu müssen, wozu ihn auch die Kirche einlädt. Jeder Beichtstuhl ist ein privilegierter und gesegneter Ort, von dem her nach der Behebung der Spaltungen neu und makellos ein versöhnter Mensch, eine versöhnte Welt entstehen! VI. Schließlich liegt mir noch eine letzte Betrachtung besonders am Herzen, welche uns Priester alle angeht, die wir die Verwalter des Bußsakramentes sind, aber auch Empfänger seiner Wohltaten sind und sein müssen. Reife und Eifer im geistlichen Leben und pastoralen Einsatz des Priesters wie auch der Laien und Ordensleute, die seine Brüder sind, hängen von seinem häufigen und bewußten Empfang des Bußsakramentes ab.193 Die Feier der Eucharistie und der Dienst der anderen Sakramente, der pastorale Eifer, die Beziehung zu den Gläubigen, die Verbundenheit mit den Mitbrüdern, die Zusammenarbeit mit dem Bischof, das Gebetsleben, ja die ganze priesterliche Existenz würden unweigerlich schweren Schaden nehmen, wenn man es aus Nachlässigkeit oder anderen Gründen unterließe, regelmäßig und mit echtem Glauben und tiefer Frömmigkeit das Bußsakrament zu empfangen. Wenn ein Priester nicht mehr zur Beichte geht oder nicht gut beichtet, so schlägt sich das sehr schnell in seinem priesterlichen Leben und Wirken nieder, und auch die Gemeinde, deren Hirte er ist, wird dessen bald gewahr. Ich füge noch hinzu, daß der Priester, sogar um ein guter und wirksamer Diener des Bußsakramentes zu sein, auch selber aus dieser Quelle der Gnade und Heiligkeit schöpfen muß. Aus unserer persönlichen Erfahrung können wir Priester zu Recht sagen, daß wir unseren Dienst als Beichtväter zum Segen für die Beichtenden um so besser erfüllen, je mehr uns selbst daran gelegen ist, das Bußsakrament häufig und gut vorbereitet zu empfangen. Dieser unser Dienst würde hingegen viel von seiner Wirksamkeit verlieren, wenn wir es irgendwie versäumten, selbst gute Beichtende zu sein. Das gehört zur inneren Logik dieses großen Sakramentes. Wir 1567 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priester Christi sind darum alle eingeladen, mit erneuter Aufmerksamkeit auf unsere persönliche Beichte zu achten. Die persönliche Erfahrung muß heute ihrerseits zum Ansporn werden, den heiligen Dienst des Bußsakramentes, zu dem wir durch unser Priestertum, durch unsere Berufung zu Hirten und Dienern unserer Brüder verpflichtet sind, sorgfältig und treu, mit Geduld und Eifer zu versehen. Darum richte ich auch in diesem Apostolischen Schreiben an alle Priester in der Welt, besonders an meine Mitbrüder im Bischofsamt und an die Pfarrer, die eindringliche Bitte, den häufigen Empfang dieses Sakramentes bei den Gläubigen mit allen Kräften zu fördern, alle möglichen und geeigneten Mitei einzusetzen sowie alle Wege zu versuchen, um unsere Brüder wieder in größerer Zahl zu der „uns gewährten Gnade“ hinzuführen, die uns durch das Bußsakrament zur Versöhnung jedes einzelnen und der ganzen Welt mit Gott in Christus vermittelt wird. Formen der Bußfeier 32. Entsprechend den Weisungen des II. Vatikanischen Konzils legt die heutige Bußordnung, der Ordo Paenitentiae, drei mögliche Formen vor, die es unter jeweiliger Wahrung der wesentlichen Bestandteile gestatten, die Feier des Bußsakramentes an bestimmte pastorale Situationen anzupassen. Die erste Form - Feier der Versöhnung für einzelne - ist die einzige normale und ordentliche Weise der sakramentalen Feier; sie kann und darf nicht außer Gebrauch kommen oder vernachlässigt werden. Die zweite Form - Gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit Bekenntnis und Lossprechung der einzelnen - läßt bei der Vorbereitung den Gemeinschaftsbezug des Bußsakramentes besonders hervortreten, erreicht aber die erste Form im krönenden sakramentalen Akt, in der Beichte und Lossprechung eines jeden einzelnen; darum kann sie, was den Charakter eines normalen Ritus betrifft, der ersten Form gleichgesetzt werden. Die dritte Form hingegen - Gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution — hat den Charakter einer Ausnahme und ist darum nicht der freien Wahl überlassen, sondern wird durch eigens dafür erlassene Bestimmungen geregelt. Die erste Form ermöglicht es, die mehr persönlichen — und wesentlichen — Aspekte auf dem Weg zur Umkehr besser zur Geltung zu bringen. Das Gespräch zwischen Beichtendem und Beichtvater sowie alle benutzten Mittel (Worte aus der Bibel, die Wahl der „Genugtuung“ usw.) sind 1568 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Elemente, welche die sakramentale Feier besser an die konkrete Situation des Beichtenden anpassen. Man entdeckt den Wert dieser Elemente, wenn man die verschiedenen Gründe bedenkt, die einen Christen zum Bußsakrament führen: ein Bedürfnis nach persönlicher Versöhnung und Wiederzulassung zur Freundschaft mit Gott, indem man die durch die Sünde verlorene Gnade wiedererlangt; ein Bedürfnis nach Klärung des eigenen geistlichen Weges und mitunter nach einer besseren Erkenntnis seiner Berufung; oftmals auch ein Bedürfnis und Verlangen, sich aus geistlicher Gleichgültigkeit und einer religiösen Krise zu befreien. Schließlich erlaubt die erste Form der Feier dank ihres persönlichen Charakters, das Bußsakrament mit etwas zu verbinden, das von ihm zwar verschieden, aber doch mit ihm gut zu vereinbaren ist: Ich meine die geistliche Führung. Es ist also offensichtlich, daß in dieser ersten Form die persönliche Entscheidung und das eigene Engagement deutlich unterstrichen und gefördert werden. Die zweite Form der Feier unterstreicht gerade wegen ihres Gemeinschaftscharakters und der besonderen Art ihrer Gestaltung einige andere Aspekte von großer Bedeutung. Das Wort Gottes, das man gemeinsam hört, hat gegenüber der privaten Bibellesung eine besondere Wirkung und verdeutlicht besser den kirchlichen Charakter von Bekehrung und Versöhnung. Diese Form erweist sich als besonders geeignet für die verschiedenen Zeiten des Kirchenjahres und im Zusammenhang mit Ereignissen von besonderer pastoraler Bedeutung. Es genügt hier, darauf hinzuweisen, daß für diese Form der Feier die Anwesenheit einer genügenden Zahl von Beichtvätern zweckmäßig ist. Es ist selbstverständlich, daß die Kriterien für die Entscheidung, in welcher der beiden Formen das Sakrament gespendet werden soll, nicht durch zufällige und subjektive Beweggründe bestimmt werden dürfen, sondern vom Willen, im Gehorsam gegenüber der Bußordnung der Kirche dem wahren geistlichen Wohl der Gläubigen zu dienen. : Es wird auch gut sein, daran zu erinnern, daß es für eine ausgewogene geistliche und pastorale Orientierung notwendig ist, weiterhin sehr darauf zu achten und die Gläubigen dazu zu erziehen, daß sie auch für läßliche Sünden das Bußsakrament empfangen, wie es die überlieferte Lehre und Praxis seit Jahrhunderten bezeugen. Obwohl die Kirche weiß und lehrt, daß läßliche Sünden auch auf andere Weise vergeben werden - man denke an Reueakte, an Werke der Nächstenliebe, an das Gebet, an Bußfeiern usw. -, so weist sie doch stets alle auf den einzigartigen Reichtum des Sakramentes auch hinsichtlich solcher Sünden hin. Der häufige Empfang des Bußsakramentes - zu dem 1569 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN einige Gruppen von Gläubigen sogar verpflichtet sind - stärkt das Bewußtsein, daß auch die kleineren Sünden Gott beleidigen und die Kirche, den Leib Christi, verwunden; zugleich bietet er Gelegenheit und Anlaß, „Christus gleichförmiger zu werden und sorgfältiger dem Anruf des Geistes zu folgen“.194 Vor allem ist hervorzuheben, daß die Gnade, die dieser sakramentalen Feier eigen ist, eine große Heilkraft besitzt und die Wurzeln der Sünde auszureißen hilft. Die sorgfältige Pflege der äußeren Feier mit besonderer Betonung des Wortes Gottes,195 das den Gläubigen und zusammen mit ihnen, soweit es möglich und angemessen ist, verlesen, in Erinnerung gerufen und erklärt wird, kann dazu beitragen, die Praxis dieses Sakramentes lebendiger zu gestalten und zu verhindern, daß sie in Formalismus und reine Gewohnheit abgleitet. Vielmehr soll dem Beichtenden geholfen werden zu entdecken, daß sich an ihm ein Heilsgeschehen vollzieht, das ihm neue Lebenskraft und wahren Frieden des Herzens zu vermitteln vermag. Die Sorge für eine gute Gestaltung wird die einzelnen Kirchen unter anderem dazu veranlassen, feste Zeiten für die Feier des Bußsakramentes festzusetzen und die Gläubigen, besonders die Kinder und Jugendlichen, dazu zu erziehen, daß sie sich in der Regel daran halten - abgesehen von Notsituationen, in denen der Seelsorger jedem gern zur Verfügung stehen soll, der ihn darum bittet. Die Feier des Sakramentes mit Generalabsolution 33. In der neuen Liturgieordnung und nun auch im neuen Kirchenrecht196 werden die Bedingungen genau angegeben, unter denen die „Gemeinschaftliche Feier der Versöhnung mit allgemeinem Bekenntnis und Generalabsolution“ rechtmäßig benutzt werden kann. Die hierzu erlassenen Bestimmungen und Anordnungen, die aus reifen und ausgewogenen ‘Überlegungen erwachsen sind, müssen angenommen und beobachtet werden, wobei man jede Art von willkürlicher Interpretation vermeidet. Es ist nützlich, tiefer über die Beweggründe nachzudenken, welche die Bußfeier in einer der ersten beiden Formen gebieten oder den Gebrauch der dritten Form erlauben. Ein Grund ist vor allem die Treue gegenüber dem Willen des Herrn, der von der Lehre der Kirche überliefert worden ist. Ein weiterer ist der Gehorsam gegenüber den kirchlichen Gesetzen. In einer ihrer Schlußvorlagen hat die Bischofssynode die unveränderte Lehre der Kirche bekräftigt, die auf ältester Überlieferung beruht, sowie das Gesetz, durch das sie die antike Bußpraxis rechtlich festgelegt hat: Das 1570 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN persönliche und vollständige Bekenntnis der Sünden mit individueller Lossprechung ist der einzige ordentliche Weg, auf dem der Gläubige, der sich schwerer Schuld bewußt ist, mit Gott und der Kirche versöhnt wird. Aus dieser Bestätigung der Lehre der Kirche ergibt sich eindeutig, daß jede schwere Sünde stets in persönlicher Beichte unter Angabe ihrer bestimmenden Umstände bekannt werden muß. Ferner gibt es auch einen Grund pastoraler Natur. Wenn es auch wahr ist, daß man unter den von der kirchlichen Disziplin geforderten Bedingungen das Bußsakrament in der dritten Form spenden kann, so darf doch nicht vergessen werden, daß dieses keine normale Form werden darf. Wie die Synode erneut betont hat, kann und darf sie nur in „schweren Notlagen“ angewandt werden mit der Verpflichtung zur persönlichen Beichte der schweren Sünden vor dem Empfang einer weiteren Generalabsolution. Der Bischof, dem allein es zusteht, für den Bereich seiner Diözese zu erwägen, ob die vom Kirchenrecht für den Gebrauch der dritten Form aufgestellten Bedingungen konkret gegeben sind, wird dieses Urteil als schwerwiegende Gewissensentscheidung und in voller Beachtung von Gesetz und Praxis der Kirche abgeben. Dabei wird er ebenso die Kriterien und Richtlinien berücksichtigen, wie sie auf der Grundlage der oben dargelegten theologischen und pastoralen Überlegungen mit den anderen Mitgliedern der Bischofskonferenz vereinbart worden sind. Zugleich wird es stets eine echte pastorale Sorge bleiben, jene Bedingungen zu schaffen und zu gewährleisten, daß auch diese dritte Form die von ihr erhofften geistlichen Früchte erbringen kann. Niemals darf der ausnahmsweise Gebrauch der dritten Form der Bußfeier zu einer Geringachtung oder gar zur Aufgabe der gewöhnlichen Formen führen. Ebensowenig darf diese Form als Alternative zu den beiden anderen angesehen werden: Es ist nämlich nicht der Freiheit der Hirten und Gläubigen überlassen, sich einfach für diejenige der genannten Formen zu entscheiden, die man für die geeignetste hält. Den Seelsorgern obliegt die Pflicht, den Gläubigen die Praxis des vollständigen und persönlichen Bekenntnisses ihrer Sünden zu erleichtern, zu dem diese nicht nur verpflichtet sind, sondern auf das sie ein unverletzliches und unveräußerliches Recht haben, abgesehen davon, daß es auch ein Bedürfnis der Seele ist. Bei der dritten Bußform sind die Gläubigen dazu verpflichtet, alle Bestimmungen zu beachten, die deren Anwendung regeln, einschließlich der Anordnung, vor dem Empfang einer weiteren Generalabsolution so bald wie möglich eine reguläre vollständige und persönliche Beichte der schweren Sünden abzulegen. Auf diese Anordnung und deren verpflichtende 1571 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Beobachtung müssen die Gläubigen durch den Priester vor der Lossprechung hingewiesen und darüber entsprechend unterrichtet werden. Mit diesem nachdrücklichen Hinweis auf die Lehre und das Gesetz der Kirche möchte ich bei allen das lebendige Gespür für die Verantwortung wachrütteln, die uns im Umgang mit den heiligen Dingen leiten muß, die -wie die Sakramente - nicht unser Eigentum sind oder - wie das Gewissen der Menschen - ein Anrecht darauf haben, nicht in Ungewißheit und Verwirrung belassen zu werden. Ich wiederhole: Beides sind heilige Dinge, die Sakramente und das Gewissen der Menschen, und sie fordern von uns, daß wir ihnen in Wahrheit dienen. Das ist der Grund für das Gesetz der Kirche. Einige schwierigere Fälle 34. Ich erachte es als meine Pflicht, hier wenigstens kurz auf einen pastoralen Fall einzugehen, den die Synode, soweit es ihr möglich war, erörtert und auch in den Schlußvorlagen berücksichtigt hat. Ich meine gewisse, heute nicht seltene Situationen, in denen sich Christen befinden, die weiterhin am sakramentalen Leben teilnehmen möchten, aber daran gehindert sind durch ihre persönliche Situation, die in Widerspruch zu ihren vor Gott und der Kirche freiwillig übernommenen Verpflichtungen steht. Diese Situationen erscheinen als besonders schwierig und fast unentwirrbar. Im Verlauf der Synode hat eine Reihe von Wortmeldungen, welche die allgemeine Ansicht der Väter hierzu zum Ausdruck brachte, hervorgehoben, daß es angesichts dieser Fälle zwei Grundsätze gibt, die zusammen gelten, gleich wichtig sind und sich gegenseitig bedingen. Der erste ist der Grundsatz des Mitgefühls und der Barmherzigkeit, nach welchem die Kirche, die in der Geschichte die Gegenwart und das Werk Christi fortsetzt, der nicht den Tod des Sünders, sondern dessen Bekehrung und Leben will,197 darauf bedacht ist, das geknickte Rohr nicht zu brechen oder den glimmenden Docht nicht zu löschen.198 Sie ist vielmehr immer darum bemüht, soweit es ihr möglich ist, dem Sünder den Weg der Rückkehr zu Gott und zur Versöhnung mit ihm zu weisen. Der andere ist der Grundsatz der Wahrheit und Folgerichtigkeit, aufgrund dessen die Kirche es nicht duldet, gut zu nennen, was böse ist, und böse, was gut ist. Die Kirche, welche sich auf diese beiden sich ergänzenden Grundsätze stützt, kann ihre Söhne und Töchter, die sich in jener schmerzlichen Lage befinden, nur dazu einladen, sich auf anderen Wegen 1572 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN der Barmherzigkeit Gottes zu nähern, jedoch nicht auf dem Weg der Sakramente der Buße und der Eucharistie, solange sie die erforderlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt haben. Zu diesem Problem, das auch unser Herz als Hirten schwer bedrückt, habe ich mich verpflichtet gefühlt, im Apostolischen Schreiben Familiaris consorüo ein deutliches Wort zu sagen, was den Fall der wiederverheirateten Geschiedenen betrifft199 oder allgemein jener Christen, die unrechtmäßig Zusammenleben. Zugleich empfinde ich es als meine besondere Pflicht, zusammen mit der Synode die kirchlichen Gemeinschaften und vor allem die Bischöfe aufzufordern, den Priestern, die ihren mit der Weihe übernommenen schweren Verpflichtungen nicht nachkommen und sich deshalb in einer irregulären Lage befinden, jede mögliche Hilfe zu gewähren. Keiner dieser Mitbrüder darf sich von der Kirche verlassen fühlen. Für alle diejenigen, die gegenwärtig die objektiven Bedingungen nicht erfüllen, die vom Bußsakrament gefordert sind, können die Beweise der mütterlichen Güte von seiten der Kirche, die Übung anderer Formen der Frömmigkeit als die der Sakramente, das aufrichtige Bemühen um Verbundenheit mit dem Herrn, die Teilnahme an der heiligen Messe, die häufige Erneuerung von möglichst vollkommenen Akten des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe und der Reue den Weg bereiten zur vollen Versöhnung in einer Stunde, die nur der göttlichen Vorsehung bekannt ist. 1573 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Abschließender Wunsch 35. Zum Abschluß dieses Dokumentes höre ich wie ein Echo in mir die Ermahnung, die der erste Bischof von Rom in einem kritischen Augenblick am Anfang der Kirche an die Gläubigen „in der Zerstreuung,... von Gott von jeher ausersehen“, gerichtet hat. Ich möchte sie für euch alle wiederholen: „Seid alle eines Sinnes, voll Mitgefühl und brüderlicher Liebe, seid barmherzig und demütig!“200 Der Apostel mahnt: „Seid alle eines Sinnes..gleich darauf weist er auf die Sünden gegen die Eintracht und den Frieden hin, die es zu vermeiden gilt: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem noch Kränkung mit Kränkung! Statt dessen segnet; denn ihr seid dazu berufen, Segen zu erlangen.“ Er schließt mit einem Wort der Ermutigung und der Hoffnung: „Wer wird euch Böses zufügen, wenn ihr euch voll Eifer um das Gute bemüht?“201 In einer nicht weniger kritischen Stunde der Geschichte wage ich es, mich mit meinem Schreiben der Ermahnung jenes Apostelfürsten anzuschließen, der als erster diesen römischen Bischofssitz als Zeuge Christi und Hirte der Kirche innehatte und gegenüber der ganzen Welt den „Vorsitz in der Liebe“ führte. Auch ich habe in Gemeinschaft mit den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, und unterstützt durch die kollegiale Beratung, die viele von ihnen im Rahmen der Synode den Themen und Problemen der Versöhnung gewidmet haben, im selben Geist des Fischers von Galiläa euch zurufen wollen, was er unseren Glaubensbrüdern, die uns zeitlich zwar fern, aber unserem Herzen so nahe sind, gesagt hat: „Seid alle eines Sinnes..., vergeltet nicht Böses mit Bösem..., bemüht euch voll Eifer um das Gute.“202 Und er fügt hinzu: „Es ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse.“203 Diese Weisung ist zutiefst geprägt von den Worten, die Petrus von Jesus selbst gehört hat, und von Inhalten, die zur „Frohen Botschaft“ gehören: das neue Gebot gegenseitiger Liebe; Streben und Einsatz für Einheit; die Seligpreisung der Barmherzigkeit und der Geduld in der Verfolgung um der Gerechtigkeit willen; die Vergeltung des Bösen mit Gutem; die Vergebung der Beleidigungen und die Feindesliebe. In diesen Worten und Themen findet sich die ursprüngliche und alles Vorläufige übersteigende Zusammenfassung der christlichen Ethik, oder besser und treffender, der Spiritualität des Neuen Bundes in Jesus Christus. Ich empfehle Gott dem Vater, der reich an Erbarmen ist, dem Sohn Gottes, der Mensch wurde und uns erlöst und versöhnt hat, und dem Heiligen Geist, der Quelle der Einheit und des Friedens, diesen meinen 1574 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Aufruf als Vater und Hirte zu Buße und Versöhnung. Möge die allerheiligste und anbetungswürdige Dreifaltigkeit in der Kirche und in der Welt das kleine Samenkorn aufkeimen lassen, das ich in dieser Stunde dem fruchtbaren Erdreich so vieler Menschenherzen anvertraue. Auf daß daraus an einem nicht allzu fernen Tag reiche Früchte erwachsen, lade ich euch alle ein, euch zusammen mit mir an das Herz Jesu zu wenden, Zeichen und Ausdruck des göttlichen Erbarmens, „Sühne für unsere Sünden“, „unser Friede und unsere Versöhnung“,204 um von dorther den inneren Antrieb zu erhalten, die Sünde zu verabscheuen und zu Gott umzukehren, und um dort die göttliche Güte zu erfahren, die auf menschliche Reue in Liebe antwortet. Ebenso lade ich euch ein, euch gemeinsam mit mir an das Unbefleckte Herz Marias, der Mutter Jesu, zu wenden, in der „die Versöhnung Gottes mit der Menschheit gewirkt worden ist... und sich das Werk der Versöhnung erfüllte, da sie von Gott aus der Kraft des erlösenden Opfers Christi die Fülle der Gnade empfangen hat“.205 Dank ihrer göttlichen Mutterschaft ist sie in Wahrheit zur „Verbündeten Gottes“ im Werk der Versöhnung geworden.206 Der Hand dieser Mutter, deren „Fiat“ den Anfang jener „Fülle der Zeit“ anzeigt, in welcher Christus die Versöhnung des Menschen mit Gott erwirkt hat, und ihrem Unbefleckten Herzen - dem wir wiederholt die ganze Menschheit, die von der Sünde bedrängt und' von Spannungen und Konflikten zerrissen ist, anvertraut haben - empfehle ich heute in besonderer Weise meinen Wunsch: Möge auf ihre Fürsprache hin die ganze Menschheit den Weg der Buße entdecken und beschreiten, der sie allein zur vollen Versöhnung führen kann. Euch allen, die ihr im Geist kirchlicher Gemeinschaft in Gehorsam und Glauben207 die in diesem Dokument enthaltenen Hinweise, Empfehlungen und Weisungen annehmt und euch bemüht, sie in eine lebendige pastorale Praxis zu übertragen, erteile ich von Herzen meinen besonderen Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom, bei St. Peter, am 2. Dezember, dem 1. Adventssonntag 1984, im siebten Jahr meines Pontifikates. 1575 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Anmerkungen 1 Mk 1, 15. 2 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache zur Eröffnung der III. Vollversammlung des lateinamerikanischen Episkopates, III, 1-7: AAS 71 (1979) 198-204. 3 Die Sicht einer „zerrissenen Welt“ ist in den Werken nicht weniger Schriftsteller von heute, Christen und Nichtchristen, enthalten, die von der Lage des Menschen in dieser unserer geplagten Geschichtsepoche zeugen. 4 Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium etspes, 43-44; Dekret über Dienst und Leben der Priester Presbyterorum Ordinis, 12; Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964) 609-659. 5 Über die Spaltungen am Leibe der Kirche schrieb zu ihren Anfängen der Apostel Paulus mit flammenden Worten in jenem berühmten Abschnitt 1 Kor 1, 10-16. An dieselben Korinther wird sich Jahre danach der hl. Klemens von Rom wenden, um die Spaltungen im Schoß jener Gemeinde anzuprangern: vgl. Brief an die Korinther, III-VI; LVII: Patres Apostolici, ed. Funk, I, 103-109; 171-173. Bekanntlich ist seit den ältesten Vätern der aus einem Stück gefertigte Rock Christi, den die Soldaten deshalb nicht zerteilt hatten, ein Bild für die Einheit der Kirche geworden: vgl. Cyprian, De Ecclesiae catholicae unitate, 7: CCL 3/1, 254 f.; Augustinus, In Ioannis Evangelium tractatus, 118, 4: CCL 36, 656 f.; Beda Venerabilis, In Marci Evangelium expositio, IV, 15: CCL 120, 630; In Lucae Evangelium expositio, IV, 23: CCL 120, 403; In S. Ioannis Evangelium expositio, 19: PL 92, 911 f. 6 Die Enzyklika Pacem in terris, das geistliche Testament von Johannes XXIII. (vgl. AAS55 [1963] 257-304), wird oft als ein „soziales Dokument“ und auch als eine „politische Botschaft“ angesehen, und das ist sie auch, wenn man diese Begriffe in ihrer ganzen Breite nimmt. Dieses päpstliche Lehrschreiben ist tatsächlich - so erscheint es mehr als zwanzig Jahre nach seiner Veröffentlichung - nicht nur eine Strategie für das Zusammenleben der Völker und Nationen, sondern vor allem eine eindringliche Erinnerung an die höchsten Werte, ohne die der Friede auf Erden zu einem bloßen Traumbild wird. Einer dieser Werte ist gerade die Versöhnung unter den Menschen, ein Thema, auf das sich Papst Johannes XXIII. sooft bezogen hat. Was Paul VI. betrifft, genügt es, daran zu erinnern, daß er bei seinem Aufruf an die ganze Kirche und an alle Welt, das Heilige Jahr 1975 zu feiern, verfügt hat, daß „Erneuerung und Versöhnung“ die zentrale Idee dieses wichtigen Jubiläumsj ahres sein sollten. Hierbei dürfen auch die Katechesen nicht unerwähnt bleiben, die er diesem Leitthema, auch zur Verdeutlichung des Jubiläumsjahres selbst, gewidmet hat. 7 „Diese besonders dichte Zeit, in der jeder Christ dazu aufgefordert ist, seine Berufung zur Versöhnung mit Gott, dem Vater, im Sohn Jesus Christus tiefer zu verwirklichen“, so habe ich in der Verkündigungsbulle zum außerordentlichen Jubiläumsjahr der Erlösung geschrieben, „erreicht ihr Ziel nur dann voll und ganz, wenn sie in einen neuen Einsatz aller und jedes einzelnen für den Dienst an der Versöhnung nicht nur zwischen allen Jüngern Christi, sondern zwischen allen Menschen... einmündet“: Bulle Aperiteportas redemptori, 3: AAS 75 (1983) 93. 8 Das Thema der Synode lautete genauer: Versöhnung und Buße in der Sendung der Kirche. 9 Vgl. Mt 4, 17; Mk 1, 15. 10 Vgl. Lk 3, 8. 11 Vgl. Mt 16, 24-26; Mk 8, 34-36; Lk 9, 23-25. 12 Vgl. Eph 4, 23 f. 1576 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 13 Vgl. 1 Kor 3, 1-20. 14 Vgl. Kol 3, 1 £. 15 „Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen!“: 2 Kor 5, 20. 16 „Wir rühmen uns Gottes durch Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir jetzt schon die Versöhnung empfangen haben“: Rom 5, 11; vgl. Kol 1, 20. 17 Das II. Vatikanische Konzil hat hervorgehoben: „In Wahrheit hängen die Störungen des Gleichgewichts, an denen die moderne Welt leidet, mit jener tiefer liegenden Störung des Gleichgewichts zusammen, die im Herzen des Menschen ihren Ursprung hat. Denn im Menschen selbst sind viele widersprüchliche Elemente gegeben. Einerseits erfährt er sich nämlich als Geschöpf vielfältig begrenzt, andererseits empfindet er sich in seinem Verlangen unbegrenzt und berufen zu einem Leben höherer Ordnung. Zwischen vielen Möglichkeiten, die ihn anrufen, muß er dauernd unweigerlich eine Wahl treffen und so auf dieses oder jenes verzichten. Als schwacher Mensch und Sünder tut er oft das, was er nicht will, und was er tun wollte, tut er nicht (vgl. Rom 7, 14 ff.). So leidet er an einer inneren Zwiespältigkeit, und daraus entstehen viele und schwere Zerwürfnisse auch in der Gesellschaft“: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 10. 1 18 Vgl. Kol 1, 19 ff. 19 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, IV, 5-6: AAS 72 (1980) 1193-1199. 20 Vgl. Lk 15, 11-32. 21 Das Buch Jona ist im Alten Testament in wunderbarer Weise Vorwegnahme und Bild dieser Seite des Gleichnisses. Die Sünde des Jona ist es, starkes Mißfallen zu empfinden und zornig zu werden, weil Gott gnädig und barmherzig, langmütig und voll Güte ist und sich erweichen läßt; er ist es, dem der Rizinusstrauch leid tut, der über Nacht da war und über Nacht wieder eingegangen ist, und nicht versteht, daß es dem Herrn leid tut um Ninive (vgl. Jon 4). 22 Röm 5, 10f.; vgl. Kol 1, 20-22. 23 2 Kor 5, 18, 20. 24 Joh 11, 52. 25 Vgl. Kol 1, 20. 26 Sir 44, 17. 27 Eph 2, 14. 28 Eucharistisches Hochgebet III. 29 Vgl. Mt 5, 23 f. 30 Mt 27, 46; Mk 15, 34; Ps 22, 2. 31 Vgl. Eph 2, 14-16. 32 Leo der Große, Tractatus 63 {De passione Domini 12), 6: CCL 138/A, 386. 33 2 Kor 5, 18 f. 34 Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1. 35 „Die Kirche ist von Natur aus immer versöhnend, weil sie den anderen das Geschenk weitergibt, das sie selbst empfangen hat, das Geschenk der Vergebung und der Einheit mit Gott“: Johannes Paul II., Ansprache in Liverpool (30. Mai 1982), 3: Insegnamenti, V, 2 (1982) 1992. 36 Vgl. Apg 15, 2-33. 37 Vgl. Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 13, AAS 68 (1976) 12 f. 38 Vgl. Johannes Paul II., Apostolisches Schreiben Catechesi tradendae, 24: AAS 11 (1979) 1297. 39 Vgl. Paul VI., Enzyklika Ecclesiam suam: AAS 56 (1964) 609-659. 1577 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 40 2 Kor 5, 20. 41 Vgl. 1 Joh 4, 8. 42 Vgl. Weish 11, 23-26; Gen 1, 27; ft 8, 4-8. 43 Vgl. Weish 2, 24. 44 Vgl. Gen 3, 12f.; 4, 1-16. 45 Eph-2,4. 46 Vgl. Eph 1, 10. 47 13, 34. 48 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 38. 49 Vgl. Mk 1, 15. 50 2 Kor 5, 20. 51 Eph 2, 14-16. 52 Vgl. Augustinus, De Civitate Dei, XXII, 17: CCL48, 835 f.; Thomas von Aquin, Summa Theologiae, pars III, q. 64, a. 2 ad tertium. 53 Vgl. Paul VI., Ansprache zum Abschluß der 3. Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils (21. November 1964): AAS 56 (1964) 1015-1018. 54 II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 39. 55 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den ökumenismus Unitatis redintegratio, 4. 56 1 Joh 1, 8f. 57 1 Joh 3, 20; vgl. das Zitat dieser Stelle in meiner Ansprache bei der Generalaudienz vom 14. März 1984: InsegnamentiWll, 1 (1984) 683. 58 Vgl. 2 Sam 11-12. 59 ft 51, 5 f. 60 Lk 15, 18. 21. 61 „Conoscimento di se“, wie Katharina von Siena oft schreibt: Lettere, Florenz 1970, I, S. 3 £.; II Dialogo della Divina Provvidenza, Rom 1980, passim. 62 Vgl. Rom 3, 23-26. 63 Vgl. Eph 1, 18. 64 Vgl. Gen 11, 1-9. 65 Vgl. Ps 127, 1. 66 2 Thess 2, 7. 67 Vgl. Rom 7, 7-25; Eph 2, 2; 6, 12. 68 Die Terminologie, die die griechische Übersetzung der Septuaginta und das Neue Testament benutzen, wenn sie von Sünde sprechen, enthält mehrere Bedeutungsgehalte. Das am meisten benutzte Wort ist hamartia mit den Ableitungen aus derselben Wurzel. Diese bezeichnet eine mehr oder weniger schwere Verfehlung gegen eine Norm oder ein Gesetz, gegen eine Person oder sogar gegen eine Gottheit. Die Sünde wird aber auch adikia genannt; gemeint ist hierbei das Unrechttun. Man spricht auch von paräbasis oder Übertretung; von asebeia, Gottlosigkeit, u. a. Alle diese Ausdrucksweisen ergeben zusammen das Bild von der Sünde. 69 Gen 3, 5: „... Ihr werdet wie Gott und erkennt Gut und Böse“; vgl. auch Vers 22. 70 Vgl. Gen 3, 12. 71 Vgl. Gen 4, 2-16. 72 Der Ausdruck stammt von der französischen Schriftstellerin Elisabeth Leseur: Journal et pensees de chaque jour, Ed. I. de Gigord, Paris 1918, S. 31. 73 Vgl. Mt 22, 39; Mk 12, 31; Lk 10, 27 f. 74 Vgl. Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“ Libertatis nuntius (6. August 1984), IV, 14-15: AAS 16 (1984) 885 f. 1578 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 91 Thomas von Aquin, Summa Theologiae, IP-IF1, q. 14, a. 3, ad primum. 75 Vgl. Num 15, 30. 76 Vgl. Lev 18, 26-30. 77 Vgl. Lev 19, 4. 78 Vgl. Lev 20, 1-7. 79 Vgl. Ex 21, 17. 80 Vgl. Lev 4, 2 ff.; 5, 1 .ff.; Num 15, 22-29. 81 Vgl. Mt 5, 28; 6, 23; ; 12, 31 f.; 15, 19; Mk 3, 28-30; Röm 1, 29-31; 13, 13; Jak 4. 82 Vgl. Mt 5, 17; 15, 1- -10; Mk 10, 19; Lk 18, 20. 83 Vgl. 1 Joh 5, 16 f. 84 Vgl. Joh 17, 3. 85 Vgl. 1 Joh 2, 22. 86 Vgl. 1 Joh 5, 21. 87 Vgl. 1 Joh 5, 16-21. 88 Mt 12, 31 f. 89 Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologiae, IIa-IIae, q. 14, aa. 1-3. 90 Vgl. 1 Joh 3, 20. 92 Vgl. Phil 2, 12. 93 Vgl. Augustinus, De Spiritu et littera, XXVIII: CSEL 60, 202f.; Enarrat. inps. 39, 22: CCL 38, 441; Enchiridion ad Laurentium defide et spe et caritate, XIX, 71: CCL 46, 88; In Ioannis Evangelium tractatus, 12, 3, 14: CCL 36, 129. 94 Thomas von Aquin, Summa Theologiae, Ia-IIac, q. 72, a. 5. 95 Vgl. Konzil von Trient, Sessio VI, De iustificatione, Kap. 2 und Kan. 23, 25, 27: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 19733, S. 671, 680 f. (DS 1573, 1575, 1577). 96 Vgl. Konzil von Trient, Sessio VI, De iustificatione, Kap. XV: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. cit., S. 677 (DS 1544). 97 Johannes Paul II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982: Insegnamenti, V, 1 (1982) 861. 98 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 16. 99 Johannes Paul II., Engel-des-Herrn vom 14. März 1982: Insegnamenti, V, 1 (1982) 860. 100 pjus xil., Radiobotschaft an den Nationalen Katechetischen Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika in Boston (26. Oktober 1946): Discorsi e Radiomessaggi, VIII (1946) 288. i°i Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptor hominis, 15: AAS 71 (1979) 286-289. i°2 Vg). ii. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 3; vgl. auch 1 Joh 3, 9. 103 Johannes Paul II., Ansprache an die Bischöfe der Region Ost in Frankreich (1. April 1982), 2: Insegnamenti, V, 1 (1982) 1081. 104 1 Tim 3, 15 f. 105 Der Text bereitet darum der Interpretation eine gewisse Schwierigkeit: Das Relativpronomen, das das wörtliche Zitat eröffnet, stimmt nicht mit dem Neutrum mysterion überein. Einige späte Manuskripte haben den Text verändert, um ihn grammatikalisch zu verbessern; Paulus aber ging es lediglich darum, seinem Text einen anderen, angesehenen zur Seite zu stellen, der für ihn vollkommen klar war. 106 Die Urkirche glaubt an den verherrlichten Gekreuzigten, den die Engel anbeten und der Herr ist. Das erregende Moment dieser Botschaft bleibt aber, daß er sich „im Fleisch offenbart“ hat: Das „große Geheimnis“ besteht darin, daß der ewige Sohn Gottes Mensch geworden ist. 107 1 Joh 5, 18. 1579 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 108 1 Joh 3, 9. 109 Vgl. 1 Tim 3, 15. 110 1 Joh 1, 8. 111 1 Joh 5, 19. 112 Vgl. Ps 51, 7. 113 Vgl. Eph 2, 4. 114 Vgl. Johannes Paul II., Enzyklika Dives in misericordia, 8; 15: AAS 72 (1980) 1203-1207; 1231. 115 2 Sam 12, 13. 116 ft 51, 5. 117 ft 51, 9. 118 2 Sam 12, 13. 119 Vgl. 2 Kor 5, 18. 120 Vgl.2 Kor 5, 19. 121 Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 92. 122 Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche Christus Dominus, 13; vgl. Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis, 8; Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche Ad gentes, 11-12. 123 vgi pau] vi., Enzyklika Ecclesiam suam, III: AAS 56 (1964) 639-659. 124 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 1.9.13. 125 Paul VI., Apostolisches Schreiben Patema cum benevolentia: AAS 67 (1975) 5-23. 126 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über den ökumenismus Unitatis redintegratio, 7-8. 127 Ebenda, 4. 128 Augustinus, Sermo 96, 7: PL 38, 588. 129 Vgl. Johannes Paul II., Ansprache an die Mitglieder des Diplomatischen Korps beim Heiligen Stuhl{ 15. Januar 1983), 4. 6. 11: AAS15 (1983) 376. 378f. 381. 130 Johannes Paul II., Homilie in der Messe zum XVI. Weltfriedenstag (1. Januar 1983), 6: Insegnamenti, VI, 1 (1983) 7. 131 Paul VI., Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi, 70: AAS 68 (1976) 59 f. 132 1 Tim 3, 15. 133 Vgl. Mt 5, 23 f. 134 Vgl. Mt 5, 38-40. 135 Vgl. Mt 6, 12. 136 Vgl. Mt 5, 43 ff. 137 Vgl. M/18, 21 f. 138 Vgl. Mk 1, 4. 14; Mt 3, 2; 4, 17; Lk 3, 8. 139 Vgl. Lk 15, 17. 140 Lk 17, 3f. 141 Vgl. Mt 3, 2; Mk 1, 4; Lk 3, 3. 142 Vgl. Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute Gaudium et spes, 8. 16. 19. 26. 41. 48. 143 Vgl. Erklärung über die Religionsfreiheit Dignitatis humanae, 2. 3. 4. 144 Vgl. unter vielen anderen die Ansprachen zu den Generalaudienzen vom 28. März 1973: Insegnamenti, XI (1973) 294ff.; 8. August 1973: ebenda, 772ff.; 7. November 1973: ebenda, 1054ff.; 13. März 1974: Insegnamenti, XII (1974) 230ff.; 8. März 1974: ebenda, 402ff.; 12. Februar 1975: Insegnamenti, XIII (1975) 154ff.; 9. April 1975: ebenda, 290ff.; 13. Juli 1977: Insegnamenti, KN (1977) 710ff. 1580 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 145 Vgl. Johannes Paul II., Engel-des-Herrn vom 17. März 1982: Insegnamenti, V, 1 (1982) 860 f. 146 yg] Johannes Paul II., Ansprache bei der Generalaudienz vom 17. August 1983, 1-3: Insegnamenti, VI 2 (1983) 256f. 147 HebrA, 15. 148 Vgl. Mt 4, 1-11; Mk 1, 12 f.; Lk 4, 1-13. 149 Vgl. 1 Kor 10, 13. 150 Vgl. Mt 6, 13; Lk 11, 4. 151 1 Petr 3, 21. 152 Vgl. Röm 6, 3f.; Kol 2, 12. 153 Vgl. Mt 3, 11; Lk 3, 16; Joh 1, 33; Apg 1, 5; 11, 16. 154 Vgl. Mt 3, 15. 155 Augustinus, In Joannis Evangelium tractatus, 26, 13: CCL 36, 266. 156 Ritenkongregation, Instruktion über Feier und Verehrung des eucharistischen Geheimnisses Eucharisticum mysterium (25. Mai 1967), 35: AAS 59 (1967) 560f. 157 Ps 78, 38. 158 Vgl. Joh 1, 29; Jes 53, 7. 12. 159 Vgl. Joh 5, 27. 160 Vgl. Mt 9, 2-7; Lk 5, 18-25; 7, 47-49; Mk 2, 3-12. 161 Vgl. Joh. 3, 17. 162 Joh 20, 22; Mt 18,18; vgl. auch, was Petrus betrifft, Mt 16,19. Isaak von Stella betont in einer Predigt die volle Einheit Christi mit seiner Kirche bei der Vergebung der Sünde: „Nichts kann die Kirche vergeben ohne Christus, und Christus will nichts vergeben ohne die Kinder. Vergeben kann die Kirche nur demjenigen, der bereut, das heißt, der von Christus berührt worden ist; Christus will nichts als vergeben ansehen bei dem, der die Kirche verachtet“: Sermo 11 (In dominica IIIpost Epiphaniam, I): PL 194, 1729. 163 Vgl. Mt 12, 49f.; Mk 3, 33 f.; Lk 8, 20f.; Röm 8, 29: „der Erstgeborene von vielen Brüdern“. 164 Vgl. Hebrl, 17; 4, 15. 165 Vgl. Mt 18, 12 f.; Lk 15, 4-6. 166 Vgl. Lk 5, 31 f. 167 Vgl. Mt 22, 16. 168 Vgl. Apg 10, 42. 169 Vgl. Joh 8, 16. 170 Vgl. die Ansprache an die Pönitenziare der Patriarchalbasiliken Roms und an die Beichtväter zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung (9. Juli 1984): L’Osserva-tore Romano, 9.-10. Juli 1984. 171 Joh 8, 11. 172 Vgl. TitZ, 4. 173 Vgl. Konzil von Trient, Sessio XIV De sacramento Paenitentiae, Kap. I und Kanon 1: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, Bologna 1973, 703 f.; 711 (DS 1668-1670; 1701). 174 Dogmatische Konstitution über die Kirche Lumen gentium, 11. 175 Vgl. Konzil von Trient, a.a.O. 176 Vgl. Konstitution über die heilige Liturgie Sacrosanctum concilium, 72. 177 Vgl. Rituale Romanum ex Decreto Sacrosancti Concilii Oecumenici Vaticani II instaura-tum, auctoritate Pauli VI promulgatum. Ordo Paenitentiae, Typis Polyglottis Vaticanis, 1974. 1581 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 178 Das Konzil von Trient gebraucht den zurückhaltenden Ausdruck „eine Art von Gerichtsverfahren“ (Sessio XIV, De sacramento Paenitentia, Kap. 6: Conciliorum Oecu-menicorum Decreta, Bologna 19733, 707 (DS 1685), um so den Unterschied zu weltlichen Gerichtshöfen zu unterstreichen. Auch der neue Bußritus spielt hierauf an: Nr. 6 b und 10 a. 179 Vgl. Lk 5,31 f.: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“, mit der abschließenden Feststellung: „Ich bin gekommen, um die Sünder zur Umkehr zu rufen...“; Lk 9, 2: „Und er sandte sie aus mit dem Auftrag, das Reich Gottes zu verkünden und zu heilen.“ Das Bild Christi als eines Arztes erscheint in einem neuen, beeindruckenden Licht, wenn wir es in einen Zusammenhang bringen mit der Gestalt jenes „Knechtes Yahwe“, von dem das Buch Jesaja prophetisch sagt: „Er hat unsere Krankheiten getragen und unsere Schmerzen auf sich genommen“, und „durch seine Wunden sind wir geheilt“ {Jes 53, 4f.). 180 Augustinus, Sermo 82, 8: PL 38, 511. 181 Vgl. Augustinus, Sermo 352, 3. 8-9: PL 39, 1558 f. 182 Vgl. Ordo Paenitentiae, 6 c. 183 Schon die Heiden - wie Sophokles (Antigone, Verse 450-460) und Aristoteles {Rhetor., Buch I, Kap. 15, 1375 a-b) - erkannten die Existenz von „göttlichen“ moralischen Normen an, die „schon immer“ beständen und dem Herzen des Menschen tief eingeschrieben seien. 184 Zu dieser Rolle des Gewissens vgl. Ansprache zur Generalaudienz vom 14. März 1984: Insegnamenti VII, 1 (1984) 683. 185 Vgl. Konzil von Trient, Sessio XIV, De sacramento Paenitentiae, Kap. IV, De contritione: Conciliorum Oecumenicorum Decreta, ed. cit. 705 (DS 1676-1677). Bekanntlich genügt für den Empfang des Bußsakramentes die attritio, das heißt die unvollkommene Reue, die mehr von Furcht als von Liebe getragen ist; unter dem Wirken des Heiligen Geistes, den der reuige Sünder empfängt, wird dieser aus einem attritus zu einem contritus, da das Bußsakrament dem Beichtenden, der die rechte Einstellung mitbringt, zur Bekehrung aus Liebe verhilft: vgl. Konzil von Trient, a.a.O. 705 (DS 1678). 186 Ordo Paenitentiae, 6 a. 187 Vgl. Ps 51, 14. 188 Von all diesen grundlegenden Aspekten der Buße habe ich bei folgenden Generalaudienzen gesprochen: 19. Mai 1982: Insegnamenti, V, 2 (1982) 1758ff.; 28. Februar 1979: Insegnamenti, II (1979) 475-478; 21. März 1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984) 720-722. Es wird außerdem an die Normen des Kirchenrechtes zum Ort der Spendung des Bußsakramentes und über den Beichtstuhl erinnert (can. 964 § 2 und 3). 189 Ich habe dieses Thema kurz behandelt bei der Generalaudienz vom 7. März 1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984) 631-633. 190 Vgl. Gen 4, 7. 15. 191 Vgl. 2 Sam 12. 192 Vgl. Lk 15, 17-21. 193 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dekret über Leben und Dienst der Priester Presbyterorum Ordinis, 18. 194 Ordo Paenitentiae, 7 b. 195 Vgl. Ordo Paenitentiae, 17. 196 Canones 961-963. 197 Vgl. Ez 18, 23. 198 Vgl. Jes 42, 3; Mt 12, 20. 199 Vgl. Apostolisches Schreiben Familiaris consortio, 84: AAS 74 (1982) 184-186. 1582 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 200 1 Petr 1, lf. und 3, 8. 201 1 Petr 3, 9. 13. 202 1 Petr 3, 8. 9. 13. 203 1 Petr 3,17. 204 Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu; vgl. 1 Joh 2, 2; Eph 2, 14; Röm 3, 25; 5, 11. 205 Johannes Paul II., Ansprache zur Generalaudienz vom 7. Dezember 1983, 2: Insegna-menti, VI, 2 (1983) 1264. 206 Johannes Paul II., Ansprache zur Generalaudienz vom 4. Januar 1984: Insegnamenti, VII, 1 (1984) 16-18. 207 Vgl. Röm 1, 5; 16, 26. Warten auf die „ersehnte Versöhnung“ Schreiben an die Bischöfe Guatemalas vom 2. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt der Kirche in Guatemala! Seit dem 1. November 1980, als ich die Gelegenheit ergriff, einen Brief an euch zu richten und euch meine geistliche Anteilnahme an den Aufgaben und Sorgen eures Dienstes zum Ausdruck zu bringen, hatte ich die große Freude und den Trost, bei mehr als einer Gelegenheit euch persönlich zu begegnen, besonders während des apostolischen Besuches, den ich im März des vergangenen Jahres in Guatemala durchführte, und während eures Aufenthaltes in Rom zum Ad-limina-Besuch am 6. November desselben Jahres. Diese Begegnungen, die in meinem Gebet und Nachdenken über die ernsten Probleme, die ihr mir vorgelegt habt, ihre natürliche Fortführung fanden, haben in meinem Herzen eine tiefe Liebe für euch persönlich und eure christlichen Gemeinden hinterlassen. Das Zeugnis eures Eifers als Bischöfe und eurer Sorge als Glaubenslehrer ist durch die Hirtenbriefe „Gefestigt im Glauben“ und „Den Frieden 1583 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN aufbauen“ zu mir gelangt, die ihr am 22. Mai 1983 und am 10. Juni dieses Jahres an die Katholiken Guatemalas gerichtet habt. Im ersten Dokument habt ihr unter Bezugnahme auf das Heilige Jahr der Erlösung, das gerade gefeiert wurde, versichert, daß „das ganze Bemühen der Mutter Kirche darauf gerichtet ist, die Umkehr ihrer Kinder und folglich die wahre Versöhnung und Einheit mit Gott und mit den Brüdern zu erreichen“. Eben in der Versöhnung als innerer Dimension echter Umkehr des Herzens und als eine tiefe, brüderliche Beziehung zum Nächsten leuchtet das Geheimnis der von Jesus vollbrachten Erlösung durch und tut sich deutlich die Heiligkeit der Kirche an den Gnadenfrüchten kund, die der Heilige Geist in den Gläubigen hervorbringt (Lumen gentium, Nr. 5, 39). Wenn ich mich an euch, Brüder im Bischofsamt, und durch euch an eure Priester, Ordensmänner, Ordensfrauen und alle Gläubigen wende, um euch einmal mehr meine Wertschätzung und meine Liebe zu bekunden, würde ich gern in eurem Land klarer und eindeutiger den Früchten der ersehnten Versöhnung begegnen, das heißt einer christlichen Gemeinschaft, die, vom Glauben inspiriert und von den konkreten Anforderungen der Liebe angespornt, es fertiggebracht hat, eine zivile Gesellschaft ins Leben zu rufen, in der die Brüder in Gerechtigkeit und Frieden Zusammenleben. Doch das ist leider noch immer nicht so. Unter den Fällen von Ungerechtigkeit und Gewalt, die in eurem Land weiterhin Vorkommen, muß ich an das Drama der „desaparecidos“, der verschwundenen Personen, und an die Geißel der Menschenentführungen erinnern. Diese unmenschlichen Vorgänge haben viele Familien in Trauer gestürzt oder lassen sie in banger Angst und Ungewißheit. Die Schwere und Grausamkeit dieser niederträchtigen Verbrechen ist noch größer, wenn sie an unschuldigen Menschen zum Zweck der Einschüchterung oder Vergeltung verübt werden. Ich kann nicht umhin, daran zu erinnern, daß sich unter den Opfern der Gewalt und des Hasses unzählige Verkünder des Kreuzes und seiner Botschaft der Liebe befinden: Priester, Ordensmänner und Ordensfrauen und vor allem Diener des Wortes. Wird es, wenn einmal die jüngste Geschichte eurer Kirchen für die künftigen Generationen geschrieben werden soll, möglich sein, auf ihren Seiten die lange Namensliste der vielen Katecheten bekanntzumachen, die als hochherzige Sämänner des Gotteswortes in Erfüllung ihrer Sendung zu Opfern brudermörderischen Hasses geworden sind? Ich verneige mich voll Ehrfurcht vor dem Opfer dieser demütigen und tapferen Arbeiter im Weinberg des Herrn in euren Städten und vor allem 1584 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN in euren Dörfern, denen es nicht nur gegeben war, an das Evangelium zu glauben und es zu verkünden, sondern schließlich im Dienst am Wort des Lebens sogar ihr Blut zu vergießen. Das Wort Gottes ist - wie der Prophet Jesaja sagt - wie Regen und Schnee, die vom Himmel fallen und nicht dorthin zurückkehren, sondern die Erde tränken, so daß sie keimt und sproßt; so ist es auch mit dem Wort: Es kehrt nicht leer zurück, sondern bewirkt das, wozu es ausgesandt wurde (vgl. Jes 55, 10-11). Darum fordere ich die ihrer Angehörigen beraubten Mütter, Ehefrauen und Kinder auf, voller Hoffnung zum Himmel zu blicken, wo der Herr die aufnimmt, die für sein Reich gearbeitet haben und gestorben sind. Während ich neuerlich meine herzliche Anteilnahme am Leid eurer christlichen Gemeinden, die so vieler tüchtiger Katecheten beraubt wurden, bekunde und euch den Trost ausspreche, der aus der Gewißheit erwächst, daß die Saat ihres blutigen Zeugnisses - wie das der umgekommenen Priester und Ordensleute - nicht vergeblich sein wird, fordere ich euch, liebe Brüder im Bischofsamt, auf, voller Hoffnung eure Arbeit der Ausbildung weiterer Diener des Wortes fortzusetzen, damit in absehbarer Zeit die Kirche in diesem Land wieder mit zahlreichen und gläubigen Boten des Evangeliums des Friedens rechnen kann. Aus dem Innersten meines Herzens richte ich durch euch auch einen Appell an die Verantwortlichen der zivilen Gesellschaft, im Vertrauen darauf, daß sie bereit sein werden, ihn anzunehmen, damit der heilige Charakter jedes Menschenlebens respektiert und alles zu seiner Respektierung getan wird. Im Hinblick auf die Erreichung einer gerechteren und brüderlichen Gesellschaft muß die Aufmerksamkeit derer, die im öffentlichen Leben Verantwortung tragen - besonders aller, die sich als Christen bekennen -, denen gelten, die es am nötigsten haben: den Bedürftigen und von der Gesellschaft Benachteiligten. In diesem Zusammenhang gehört die dringende und unaufschiebbare Notwendigkeit einer gerechteren Güterverteilung, damit die unannehmbaren und bedenklichen Situationen von Ausbeutung und Unterdrückung möglichst bald überwunden werden. Ich vertraue voller Hoffnung darauf, daß eure Gemeinden, endlich frei von dem Gewittersturm, der über Hirten und Gläubige hereingebrochen war, in einer Atmosphäre des Friedens und in einer Umwelt leben können, die sie an ihren kulturellen Wesensmerkmalen festhalten und ihren legitimen religiösen Traditionen folgen läßt. Ein Grund des Trostes und der Befriedigung ist es in diesem Zusammenhang, festzustellen, daß die guatemaltekische Kirche die Bedeutung und den Wert der verschiede- 1585 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN nen eingeborenen Rassen, Sprachen und Kulturen unterstützt und verteidigt hat. Ich kann nicht umhin, ebenso die Bemühungen, die ihr auf dem Gebiet karitativer Hilfe und Fürsorge unternehmt, zu loben. Zeuge dafür sind Tausende von Witwen, Waisen, Verschleppten und außerdem bedürftige Personen, die stets mit Liebe die - auch materielle - Hilfe erhalten, die die Kirche ihnen im Maß ihrer begrenzten Mittel bietet. Liebe Brüder im Bischofsamt: Zum Abschluß meiner Gedanken und Erwartungen möchte ich euch ermahnen, einig zu bleiben. Die Gemeinschaft in der Kirche ist ein höchstes Gut, um dessentwillen ihre Amtsträger ebenso wie die einfachen Gläubigen manchmal auf ihre persönlichen Ideen und Meinungen verzichten müssen, damit die kirchliche Gemeinschaft nicht den Schaden eines in sich gespaltenen Reiches erleide. Endlich danke ich euch für das Zeugnis der Treue, das ihr der Kirche beim Aufbau des Reiches Gottes gegeben habt und weiter gebt. „Möge der christliche Glaube, der Ruhm eurer Nation, die Seele eures Volkes und der Völker Mittelamerikas in eindeutigen praktischen Haltungen zum Ausdruck kommen, vor allem den ärmsten, schwächsten und geringsten eurer Brüder gegenüber“ (Predigt des Papstes bei der Messe auf dem Marsfeld in Guatemala-City am 7. März 1983, in: O.R.dt. vom 18. 3. 83, S. 14). Diese Wünsche und Bitten lege ich in die Hände der seligsten Jungfrau, der Unbefleckten Empfängnis, während ich euch, ehrwürdige Brüder, und allen euren Mitarbeitern und Gläubigen von Herzen meinen Trost und Kraft spendenden Apostolischen Segen erteile. Aus dem Vatikan, am 1. Adventssonntag, 2. Dezember 1984 1586 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zeitverantwortung als Christen Ansprache in der Audienz für Prof. Schambeck (Wien) und eine Autorengruppe der Casaroli-Festschrift am 7. Dezember Verehrte Damen und Herren! Mit Freude begrüße ich Sie zu Ihrem Besuch in der Ewigen Stadt und hier im Vatikan. Ihr Kommen zu dieser Begegnung mit dem Nachfolger Petri ist eine Fortsetzung des Weges, den Sie mit Ihrer Taufe begonnen und durch Ihr persönliches Glaubenszeugnis in Ihrem privaten beruflichen und öffentlichen Leben bekräftigt haben. Unsere Zeit braucht dieses Bekenntnis zu Jesus Christus und seiner Kirche. Wie das II. Vatikanische Konzil in der Konstitution Gaudium et spes erneut unterstrichen hat, ist es die Aufgabe der Kirche und des Christen, den Menschen zu helfen, „ob sie an Gott glauben oder ihn nicht ausdrücklich anerkennen, klarer ihre Berufung unter jeder Hinsicht zu erkennen, die Welt mehr entsprechend der hohen Würde des Menschen zu gestalten, eine weltweite und tiefer begründete Brüderlichkeit zu erstreben und aus dem Antrieb der Liebe in hochherzigem gemeinsamem Bemühen den dringenden Erfordernissen unserer Zeit gerecht zu werden“ (Nr. 91). Mit dem Apostolat Ihres Lebens haben Sie sich zu diesen Zielen unserer Kirche bekannt, und die Autoren dieser Festschrift zu Ehren von Eminenz Kardinal Agostino Casaroli haben literarisch ihrer Zeitverantwortung als Christen Ausruck gegeben. Den Dialog, den der von Ihnen geehrte Jubilar im Dienst der Seelsorge und des Hl. Stuhles so verdienstvoll für Jesus Christus und seine Kriche geführt hat, suchen Sie mit Beiträgen aus Ihrem Arbeitsgebiet in verschiedenen Teilen der Welt in besonderer Weise zu würdigen. Es ist schmerzlich, daß der verdiente Verleger Professor Johannes Broer-mann aus Berlin, der für die Fertigstellung dieses Buches Sorge getragen hat, heute nicht mehr unter Ihnen ist. Möge der Herr ihm alles Gute vergelten, was er hier auf Erden, besonders auch für die Kirche getan hat. Ihnen allen wünsche ich aus dem tiefen Miterleben des Advents und des bevorstehenden Festes der Mutter unseres Herrn hier in der Ewigen Stadt neue Kraft für Ihr Christsein und für Ihr weiteres Leben und Wirken. Das erbitte ich Ihnen mit meinem Apostolischen Segen, in den ich alle Ihre Angehörigen, Freunde und Mitarbeiter zu Hause gern mit einschließe. 1587 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Zuerst Frieden in uns selbst suchen!“ Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Symposiums der Jugend für den Frieden am 7. Dezember 1984 Meine lieben Freunde, meine heben, jungen Leute! 1. Meine ersten Worte an euch bei diesem Internationalen Symposium der Jugend für den Frieden hier im Vatikan sind Worte des Willkommens und des Dankes. Eure Gegenwart hier, ihr jungen Menschen aus vielen verschiedenen Ländern, drückt euren Wunsch aus, euer Leben für den Aufbau einer neuen Zukunft der Brüderlichkeit und Solidarität unter ahen Völkern der Erde einzusetzen. Darum begrüße ich euch ganz herzlich und danke euch, daß ihr gekommen seid - viele von euch von sehr weit her -, um eure Erwartungen und eure Ideen mit mir zu teilen. Ihr seid ein Zeichen der Hoffnung mitten in einer Welt, die von Krieg und allen möglichen Formen der Gewalt bedroht ist. Dieses Symposium, das im Hinblick auf das Internationale Jahr der Jugend stattfindet, wurde zuerst in Japan angeregt und organisiert. Viele Erinnerungen an meinen Besuch 1981 in diesem Land werden in diesem Augenblick in mir wach. Vor allem erinnere ich mich lebhaft an meinen Besuch des Friedensdenkmals in Hiroshima. Dieses Denkmal, ein Symbol der Entschlossenheit, für den Frieden zu arbeiten, ist ein bleibender und eindringlicher Ausdruck der Hoffnung. Damals sagte ich: „Sich auf die Vergangenheit besinnen heißt, sich der Zukunft verpflichten. Sich an Hiroshima erinnern bedeutet, den Atomkrieg verabscheuen. Sich an Hiroshima erinnern heißt, sich dem Frieden verpflichten.“ 2. Meine lieben Freunde, heute wende ich mich anläßlich des kommenden Internationalen Jahres der Jugend an euch und alle jungen Menschen in der Welt, damit diese Worte in eurem Leben Fleisch und Blut werden: sich auf die Vergangneheit besinnen heißt, sich der Zukunft verpflichten. Für jeden von euch muß das bedeuten, daß ihr euch unwiderruflich dafür einsetzt, zu Bauleuten des Friedens und der Brüderlichkeit zu werden. Was immer die Hindernisse sein mögen, wie lange und steil der Weg, der vor euch liegt, auch sein mag, ihr dürft euch durch nichts davon abhalten lassen, über die Schranken von Nation, Rasse und Kultur hinweg zu erreichen, daß ihr mit all euren Brüdern und Schwestern in Einheit voranschreitet, um eine internationale Friedensordnung aufzubauen, die 1588 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN auf den Grundpfeilern von Wahrheit und Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe gründet. Um zu ebendiesem Programm zu ermutigen, habe ich für den Friedenswelttag am 1. Januar 1985 das Thema gewählt: „Frieden und Jugend, zusammen unterwegs.“ In euren Jugendtagen macht es zu eurem Ideal, Bauleute des Friedens, Friedensstifter zu sein, und laßt eure Hoffnungen nicht erlöschen. Ich werde auf dieses Thema im Zusammenhang mit dem Weltfriedenstag eingehender zurückkommen. Doch im Augenblick möchte ich mit euch wenigstens einige der sehr wichtigen Punkte bedenken, die heute morgen in den Darlegungen der Vertreter der Jugend aus verschiedenen Ländern berührt wurden. 3. Es wurde zum Beispiel von mehreren Vertretern gesagt, daß es in der Welt keinen Frieden geben kann, wenn wir nicht zuerst nach dem Frieden in uns selbst suchen. Das sind weise Worte. Wir können nicht geben, was wir nicht haben. Diejenigen, die an Gott glauben, wissen, daß wir selber mit Gott und mit unseren Brüdern und Schwestern versöhnt sein müssen, wenn wir der Welt um uns Versöhnung bringen wollen. Jemand von euch hat einen Heiligen zitiert, der sowohl von Christen wie von Nichtchristen geliebt wird, Franz von Assisi, und schlug vor, sein Gebet zu beten: „Herr, mache aus mir ein Werkzeug deines Friedens. Wo Haß ist, laß mich Liebe säen, wo Kränkung, verzeihen.“ Wenn das unser Gebet ist, wenn das wirklich unser Herz erfüllt, dann werden wir in der Tat Werkzeuge wahren Friedens sein. 4. Ein anderer junger Vertreter berichtete uns darüber, was die jungen Leute in seinem Land beschlossen haben. Er sagte: „Wir haben uns entschlossen, vor jedem Leben als einem Geschenk Gottes an uns Achtung zu haben und alle Menschen als unsere Brüder und Schwestern anzuerkennen, in unserer Arbeit mit Gottes Schöpfungsplan zusammenzuwirken und Friedensstifter in der Welt zu sein, in der wir leben.“ Meine lieben jungen Freunde, wenn es euch gelingt, solch einem Programm treu zu bleiben, wird jeder von euch, wenn sein Leben dem Ende zuneigt, sagen können, daß es nicht vergeblich war. Ihr werdet einen wertvollen Beitrag zur Geschichte der Menschheit geleistet haben. Es ist ein Programm, das die Achtung vor der Schönheit der Schöpfung und der Umwelt, in der wir leben und atmen, einschließt, eine Achtung, die, wie ich weiß, im kulturellen Erbe Japans eine besondere Bedeutung hat. Es ist ein Programm, das einen maßvollen Gebrauch der in der Welt verfügbaren Energiequellen zum Wohl aller fordert, ein Programm, das die 1589 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Achtung der Rechte eines jeden unserer Brüder und Schwestern zur Basis macht, auf der ein dauerhafter Friede aufgebaut werden kann. Gelobt sei Jesus Christus! Einen besonderen Gedanken möchte ich noch Msgr. Hamao und denen widmen, die für die Verwirklichung des Symposiums für den Frieden zusammengearbeitet haben, sowie vor allem den jungen Leuten, die hier anwesend sind. Der Frieden ist eines er wichtigsten angestrebten Ziele des Menschen, deshalb muß die ganze Gesellschaft dazu beitragen, vor allem aber ihr, junge Leute, die ihr berufen seid, eine Gesellschaft in Gerechtigkeit und Frieden zu erbauen. Meine lieben jungen Japaner, habt keine Angst davor, euch ganz und gar für den Frieden einzusetzen! Mit diesem Wunsch segne ich euch von Herzen. Gelobt sei Jesus Christus! 5. Gern möchte ich noch auf die Worte des Repräsentanten zurückkommen, der vom Kreuz gesprochen hat. „Jedesmal, wenn ich das Kreuz sehe“, sagte er, „erkenne ich darin einen Anruf, das eigene Interesse, den eigenen Willen, die Selbstsucht abzutöten; ich sehe darin einen Appell zum Frieden.“ Für diejenigen von uns, die Christen sind, ist es möglich, die Gewißheit der Versöhnung mit Gott und mit den Brüdern zu finden: einzig in der selbstlosen Liebe Christi, der am Kreuz stirbt. Ein Tod, den er freiwillig auf sich genommen hat zum Wohl aller Männer und Frauen. Dieser Tod ist die Quelle unserer Hoffnung und unseres Einsatzes für den Frieden. Aber die Botschaft des Kreuzes geht alle an, Christen und Nichtchristen; sie ist ein Aufruf, die eigenen Interessen beiseitezustellen, über uns selbst hinauszuschauen, Männer und Frauen zu sein, die nicht nur für sich selbst leben, sondern auch für die anderen. Wenn wir aufmerksam die heutige Welt beobachten, merken wir, daß die Jugend mit Sicherheit auf ähnliche Menschen als Modelle und Ideale für ihr Leben blickt, auf Menschen, die ihre Zeit, ihre Energie, ihr Leben „ für die anderen“ hergeben. Das sind Ideale, die auch ihr zu den euren machen müßt, wenn ihr die Hindernisse, auch die scheinbar unüberwindlichen, die euch auf dem Weg zum Frieden begegnen, bezwingen wollt. 1590 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN „Du bist begnadet“ Wort an der Mariensäule auf dem Spanischen Platz am 8. Dezember 1. „Feindschaft stifte ich zwischen dir und der Frau, zwischen deinem Nachwuchs und ihrem Nachwuchs. Er trifft dich am Kopf.. {Gen 3,15). Diese Worte, die vom Schöpfer im Garten Eden gesprochen worden sind, sind in der Liturgie des heutigen Festes gegenwärtig. Sie sind gegenwärtig in der Theologie von der Unbefleckten Empfängnis. Mit ihnen hat Gott die Geschichte des Menschen auf Erden nach dem Sündenfall zusammengefaßt. „Feindschaft“ zwischen dem Versucher - dem Förderer der Sünde - und der Frau. „Feindschaft“: Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Gnade und Sünde. Dieser Kampf erfüllt die irdische Geschichte des Menschen, er nimmt zu im Laufe der Geschichte der Völker, der Nationen, der Systeme und schließlich der ganzen Menschheit. Dieser Kampf erreicht gerade in unserer Zeit ein neues Ausmaß an Spannung. Du, Gottesmutter, stehst mitten in unserer Geschichte. Du stehst inmitten dieser Spannung. Die Unbefleckte Empfängnis hat Dich aus dieser Geschichte nicht ausgeschlossen, sondern Dich noch tiefer in ihr verankert. 2. Heute kommen wir wie jedes Jahr zu Dir, Muttergottes von der Piazza di Spagna, mehr denn je wissend um jenen Kampf und um die Schlacht, die in den Herzen der Menschen zwischen Gnade und Sünde, zwischen Glaube und Gleichgültigkeit oder gar Ablehnung Gottes ausgefochten werden. Wir wissen um diese Kämpfe, die unsere moderne Welt erschüttern. Wir wissen um jene „Feindschaft“, die Dich von Anfang an in Gegensatz zum Versucher gestellt hat, in Gegensatz zu dem, der den Menschen von Anfang an täuscht und der der „Vater der Lüge“, der „Herrscher der Finsternis“ und zugleich der „Herrscher dieser Welt“ ist (Joh 12,31). Du, die Du „der Schlange den Kopf zertrittst“, laß nicht zu, daß wir nachgeben und zurückweichen! Laß nicht zu, daß wir uns vom Bösen besiegen lassen, sondern bewirke, daß wir selbst das Böse durch das Gute besiegen. 1591 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Du, die Du siegreich bist in Deiner Unbefleckten Empfängnis, siegreich durch die Macht Gottes selbst, durch die Macht der Gnade. Siehe, über Dich neigt sich Gott, der ewige Vater. Siehe, über Dich neigt sich der Sohn, eines Wesens mit dem Vater. Dein Sohn, der Gekreuzigte und Auf erstandene. Siehe, Dich umfängt die Macht des Allerhöchsten: der Heilige Geist, der Förderer der Heiligkeit. Das Erbe der Sünde ist Dir fremd. Du bist „begnadet“. In Dir öffnet sich das Reich Gottes selbst. In Dir öffnet sich die neue Zukunft des Menschen, des erlösten, von der Sünde befreiten Menschen. Diese Zukunft durchdringe wie das Licht des Advents die Finsternis, die sich über der Erde ausbreitet, die auf die Herzen und das Bewußtsein der Menschen fällt. O Unbefleckte! „Mutter, die Du uns kennst, bleibe bei Deinen Kindern!“ Amen. Geistlich mit Gott selbst „verwandt“ Predigt bei der Messe in der Basilika Santa Maria Maggiore am 8. Dezember 1. „Sei gegrüßt, du Begnadete . . .“ (Lk 1,28). Als diese Worte des Erzengels erklangen, erreichte der von der Menschheit erwartete Advent seinen Zenit. Und deshalb hat auch die Unbefleckte Empfängnis der seligen Jungfrau Maria jedes Jahr ihren liturgischen Platz in der Adventszeit. Denn der Gruß „Begnadete“ bezeugt das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis. Dieser Gruß - aus dem Munde des Erzengels - bereitet die Offenbarung der Gottesmutterschaft Mariens vor: „Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben . . . Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ {Lk 1,31.35). Maria! „Du hast Gnade bei Gott gefunden“ {Lk 1,30). Du bist „begnadet“. Das Begnadetsein, die Fülle der Gnade, bedeutet die Gottesmutterschaft. Die Fülle der Gnade bedeutet auch die Unbefleckte Empfängnis. 1592 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Unbefleckte Empfängnis hat zum Ziel die Gottesmutterschaft. Das ist die Ordnung der Gnade, das heißt des Heilsplans Gottes. 2. Am heutigen Fest betet die Kirche mit folgenden Worten: „Großer und heiliger Gott, im Hinblick auf den Erlösertod Christi hast du die selige Jungfrau Maria schon im ersten Augenblick ihres Daseins von jeder Sünde bewahrt, um deinem Sohn eine würdige Wohnung zu bereiten. Höre auf ihre Fürsprache: Mache uns frei von Sünden und erhalte uns in deiner Gnade, damit wir mit reinem Herzen zu dir gelangen. Darum bitten wir durch Jesus Christus.“ Dieses liturgische Gebet enthält sämtliche Elemente des Glaubens der Kirche, der in der Überlieferung bewahrt und im Jahr 1854 vom Diener Gottes Papst Pius IX. als Dogma verkündet wurde. Erstens: Die Bewahrung vor der Erbsünde, d. h. die Unbefleckte Empfängnis Mariens sollte „eine würdige Wohnung“ für den Sohn Gottes bei seiner Menschwerdung bereiten. Zweitens: Das Freisein von der Sünde, also die Unbefleckte Empfängnis ist ein Privileg, das die Gottesgebärerin der vom Kreuz Christi bewirkten Erlösung verdankt. So führt uns also das Geheimnis von der Unbefleckten Empfängnis der Jungfrau Maria nach Betlehem und gleichzeitig nach Golgota. In gewissem Sinne führt es uns zunächst nach Golgota und dann nach Betlehem. Maria wurde in besonderer Weise im Augenblick ihrer Empfängnis erlöst in Voraussicht des Opfertodes Christi, des Erlösers, auf Golgota, damit sie - in Nazaret und Betlehem - Mutter des Erlösers werden konnte. <99> <100> <101> <102> <103> <104> <99> In diesen Jahren, in denen wir uns dem Ende des zweiten Jahrtausends nähern, wird für uns die Adventszeit besonders bedeutsam. Wie sich damals das auserwählte Volk und mit ihm die ganze Menschheit auf das Kommen des Retters vorbereitete, so bereitet sich nun die Kirche zusammen mit der Menschheit auf das große Jubiläum der Geburt Christi vor. Heute fragen und forschen viele Marienverehrer mit lebhaftem Interesse, an welchem Tag sie geboren sein mag. Denn zuerst ist ja sie, die die Mutter des Gottessohnes werden sollte, zur Welt gekommen, und dann wurde der Sohn geboren. Die Kirche feiert jedes Jahr die Geburt Mariens als eigenes Fest am <104> September. Doch dieses Fest ist, was den Zeitpunkt betrifft, dem Fest von der Unbefleckten Empfängnis untergeordnet. An erster Stelle steht dieses Geheimnis. Denn in ihm ist der wesentliche Grund des Advents verborgen; sie, der die Eltern eines Tages den Namen 1593 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Miriam (Maria) geben würden, wird im Augenblick ihrer Empfängnis im Mutterschoß ganz von Gott geschaffen: Sie ist die „Begnadete“. Dieser Name begleitet sie vom ersten Augenblick der Empfängnis an. Begnadet voller Gnade. Und als in Lourdes Bernadette die Schöne Frau nach ihrem Namen fragt, hört sie diese sagen: „Ich bin die Unbefleckte Empfängnis“, die Begnadete. 4. Die Kirche sieht also die irdische Geburt Mariens, die durch Joachim und Anna geschah, durch das Geheimnis ihrer Geburt aus Gott. Dieses Geheimnis, die Unbefleckte Empfängnis, überstrahlt mit einem besonderen Licht den Horizont des Advents. Jahr für Jahr bereitet dieses Geheimnis die Kirche auf das Geburtsfest des Herrn vor. Und es ist auch das Licht des Advents, durch das wir uns auf das große Jubiläum vorbereiten: das Jahr 2000 seit der Menschwerdung des Gottessohnes. Und damit das 2000. Jahr seit der Mutterschaft Mariens. Die Mutter des Gottessohnes ist in erhabener Weise aus Gott geboren: aus dem Schoße der Heiligsten Dreifaltigkeit. Sie ist geistlich mit Gott selbst „verwandt“. Wir sprechen sie an als „Tochter des Ewigen Sohnes“. Aber wir sagen manchmal auch: „Filia tui beati filii“, also „Tochter Deines seligen Sohnes“. Denn das ist sie in der Gnadenordnung, im göttlichen Heilsplan. Das alles läßt sich auch durch das Geheimnis der Unbefleckten Empfängnis erklären. <105> <105> Die Unbefleckte Empfängnis ist das erste Zeichen und zugleich die Ankündigung der „neuen Zeit“. Sie ist der Beginn jener Fülle der Zeiten, von der der Apostel spricht. Sie leuchtet nicht nur am Horizont des ersten Advents auf, der sich bereits in der Nacht der Erdengeburt Gottes erfüllt hat, sondern auch am Horizont des endgültigen Advents, der endgültigen Wiederkehr, der die Menschheit ständig näherrückt, wobei sie „weder den Tag noch die Stunde weiß“ (vgl. Mt 25,13). Mit Worten, die wirklich von tiefer Inspiration getragen sind, spricht der hl. Anselm darüber in der Stundenliturgie: „Deus est pater rerum creatarum et Maria mater rerum recreatarum. Deus est pater constitutionis omnium et Maria mater restitutionis omnium.“ „Gott ist Vater der geschaffenen Dinge und Maria die Mutter der neugeschaffenen Dinge. Gott ist Vater der Schöpfung aller Dinge und Maria die Mutter der Neuschöpfung aller Dinge.“ 1594 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Mit der Unbefleckten Empfängnis nahm das Werk der Erneuerung des mit dem Erbe des ersten Adam belasteten Menschen seinen Anfang. Möge das heutige Fest in uns ein brennendes und unbezähmbares Verlangen nach dieser Erneuerung für alle Tage unseres Erdendaseins und zugleich im Blick auf die endgültige Bestimmung entzünden. Die Perspektive der Verwirklichung aller Dinge in Gott - der Erfüllung aller Dinge in Gott: „Gott über alles und in allem“ (1 Kor 15,28). Möge sie, die die „Unbefleckte Empfängnis“ ist, in die Welt gekommen als „Begnadete“, uns stets zu jener Erneuerung in Christus hinführen gemäß den Worten des Evangeliums: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16). Sie sei das Licht unseres Advents. Ave, maris Stella! Die Weihe von Bischof Robu Ansprache bei der Audienz für die Priester und Gläubigen aus Rumänien am 10. Dezember Lieber und ehrwürdiger Bruder! Meine Damen und Herren! 1. Mit großer Freude empfange ich Sie heute vormittag bei dieser Sonderaudienz und drücke meine herzliche Genugtuung darüber aus, daß Sie an der Zeremonie der Bischofsweihe teilgenommen haben, durch die Sie, Msgr. Ioan Robu, Titularbischof von Celle di Proconsolare und Apostolischer Administrator der Metropolitan-Erzdiözese von Bukarest, in das Kollegium der Nachfolger der Apostel aufgenommen worden sind. Mein herzlicher Gruß und meine guten Wünschen gelten darum allen voran Ihnen, geliebter Bruder, der aus den Händen des Kardinalstaatssekretärs die „Fülle des Priestertums“, das „Sakrament der Bischofsweihe“ empfangen, an dem bedeutungsvollen Tag des Festes der Unbefleckten Empfängnis in der Capelia Paolina des Päpstlichen Hauses nahe dem Grab des hl. Petrus: Das alles sind sehr einprägsame Umstände, die für Sie eine erfreuliche Erinnerung und ein Antrieb zu Mut und Vertrauen bleiben sollen. Herzlich begrüße ich sodann die Verwandten von Msgr. Robu, vor allem seinen Vater, der wohl glücklich ist, erleben zu können, daß sein Sohn im 1595 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zentrum der Christenheit zum Bischof geweiht wurde, und der ihm bei diesem einzigartigen feierlichen Ereignis nahesein wollte. Meine ehrerbietige Aufmerksamkeit gilt sodann dem Vertreter der Regierung der Sozialistischen Republik Rumänien, der eigens nach Rom gekommen ist, sowie allen religiösen Autoritäten, die dem Ritus beigewohnt haben, und den Priestern und Gläubigen aus Rumänien, die mit liebevoller Zuneigung und ihrem Gebet an der Zeremonie teilgenommen haben. Es ist ein historisches Datum; denn durch diese Bischofsweihe wird die geliebte rumänische Nation in besonderer Weise in der universalen Struktur der Kirche und im wertvollen Umfeld der Religiosität und Kultur ihres Volkes sichtbar. Die lange Geschichte Rumäniens mit ihren ruhmreichen Eroberungen und kummervollen Geschehnissen und das rumänische Volk mit seinen charakteristischen Merkmalen tiefer menschlicher und christlicher Sensibilität stellen sich uns in diesem Augenblick in einer synthetischen und bewegenden Sicht dar, die uns wieder einmal erfassen läßt, das jedes Volk an dem wunderbaren und großartigen Konzert der Völker teilhat, das bereits vom Propheten Jesaja vorausgesehen wurde und wir erst in der Ewigekeit in seiner geheimnisvollen Harmonie werden begreifen können. Danken wir gemeinsam dem Herrn für die unendlich große geistliche Freude, die uns die Bischofsweihe von Msgr. Robu beschert hat: „Wir aber preisen den Herrn von nun an bis in Ewigkeit“ (Ps 114/18). Selbst inmitten der Widerwärtigkeiten und Leiden der modernen Welt erkennen wir die stets liebevolle und um die einzelnen Menschen und um die Völker besorgte Gegenwart Gottes: „Ich will den Herrn allezeit preisen; immer sei sein Lob in meinem Mund!“ (Ps 34,2). 2. Die Bischofsweihe von Msgr. Robu, der zum Apostolischen Administrator der Metropolitan-Erzdiözese Bukarest ernannt wurde, gewinnt noch beachtlichere Bedeutung durch die Tatsache, daß sie in glaubwürdigerer Weise das dreifache Band unterstreicht, das diese bedeutende Ortskirche vor allem mit dem Apostolischen Stuhl und dem Nachfolger Petri, sodann mit der ganzen Kirche in Rumänien und schließlich mit der rumänischen Nation verbindet, zu der sie gehört und der sie ihren Dienst der Liebe und ihren Beitrag für eine immer größere und bessere Entwicklung und den Fortschritt auf sozialem und kulturellem Gebiet leisten will. Bei der Seligsprechungszeremonie für den Kapuziner Jeremia Stoica aus der Walachei, den ersten Rumänen, der offiziell zur Ehre der Altäre erhoben wurde, habe ich in eurer eigenen Sprache das Wort an euch Rumänen gerichtet und unter Betonung eurer Bitte, dieses brennende 1596 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Licht auf den Leuchter zu setzen, gesagt: „Ihr habt seine Botschaft entdeckt und seid vereint um seine Gestalt, die eure christliche Tradition und eure Hoffnungen zusammenfaßt und zum Ausdruck bringt“ (Homilie am 30. Oktober 1983, in O.R.dt., 18. 11. 83, S. 4). Durch die vor kurzem erfolgte Ernennung des neuen Apostolischen Administrators will der Hl. Stuhl im Namen Christi diese Tradition zum Wohl des Volkes lebendig und wirksam erhalten; er will in der Tat mitwirken, um das Streben und die Sehnsucht des Volkes nach Brüderlichkeit, nach Frieden, nach gerechtem und redlichem Zusammenleben, nach Entfaltung seiner geistlichen und religiösen Bedürfnisse, nach Erweiterung der kulturellen Beziehungen zu den Völkern der menschlichen Gemeinschaft, nach friedlicher und positiver Beteiligung an dem großen Abenteuer der Geschichte in die Tat umzusetzen. Möge das dreifache Band der rumänischen Kirche und der ganzen Nation reiche Früchte im religiösen wie im zivilen Bereich bringen, damit sich alle verbunden und als Brüder fühlen, die sich klug dazu anspornen lassen, sich um das Gemeinwohl zu bemühen und den Blick zu den ewigen Zielen zu erheben, die uns jenseits der Zeit und jenseits der Geschichte erwarten. Auch die Wiederherstellung der vollen Einheit der Christen muß uns besonders am Herzen liegen: für sie beten wir ständig; nach ihr sehnen wir uns brennend, weil wir wissen, daß sie für die Evangelisierung der Welt von großer Bedeutung ist. Wir brauchen Einheit und Gemeinschaft: Das Geheimnis des Kreuzes Christi, das sich über die ganze menschliche Geschichte ausbreitet, sporne jeden rumänischen Bürger dazu an, durch die Fürsprache des seligen Jeremia zum Träger und Zeugen der Einheit und Solidarität zu werden! 3. Während ich Msgr. Robu von Herzen einen fruchtbaren Dienst in der Erzdiözese Bukarest wünsche, rufe ich die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in Erinnerung, nach welcher „die Bischöfe die ihnen zugewiesenen Teilkirchen als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht leiten, die sie indes allein zum Aufbau ihrer Herde in Wahrheit und Heiligkeit gebrauchen, eingedenk, daß der Größere werden soll wie der Geringere und der Vorsteher wie der Diener“ {Lumen gentium, Nr. 27 a). Groß ist ohne Zweifel die Würde und Verantwortung des Bischofs in der Kirche Gottes für das Heil und die Heiligung der Seelen: Wie der Gute Hirt muß er einzig für die ihm anvertraute Herde leben; aber reich und wirksam sind auch die Gnaden des Herrn. Wenn ich mich jetzt mit den Worten des hl. Paulus insbesondere an die 1597 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Priester und Gläubigen wende, ermahne ich Sie, „ein Leben zu führen, das des Rufes würdig ist, der an euch erging. Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe, und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält“ (Eph 4, 1-3). So werden Sie getreu in der Kirche des Herrn arbeiten können, während Sie einander gegenseitig helfen und die Brüder aufrichten. 4. Das Fest der Unbefleckten Empfängnis, das wir mit so großer Frömmigkeit gefeiert haben und das durch diese Bischofsweihe noch eine weitere mystische Bedeutung angenommen hat, sei für euch alle und für die geliebte rumänische Nation Anlaß zu tiefem, kindlichem Vertrauen in die allerseligste Jungfrau Maria, die Gott selbst uns zur Mutter gegeben hat, zur Vertrauten und Weggefährtin auf unserem Erdenweg, als Königin der Völker und Nationen. In der rumänischen Dichtung haben viele Poeten die Geheimnisse Gottes besungen und Hymnen an die in vielen Heiligtümern verehrte Gottesmutter gerichtet. Ich möchte unsere Begegnung hier mit dem Gebet abschließen, mit dem sich der große, Ihnen wohlbekannte Dichter Michele Eminescu an die Muttergottes wandte: „Wir flehen um dein Erbarmen, Stern der Meere. Aus der Sturmflut, die uns heimsucht, erhebe und rette uns! Wende uns deine liebevollen Augen zu, o reinste Mutter und Jungfrau Maria!“ Die Unbefleckte, unsere himmlische Mutter, beschütze einen jeden von Ihnen und die rumänische Kirche mit besonderer Liebe! Sie erleuchte Ihre Sinne, sie leite Ihre Herzen. Und es begleite Sie auch mein vermittelnder Apostolischer Segen, den ich Ihnen jetzt erteile und den ich mit großem Wohlwollen auf alle Gläubigen Ihrer Nation ausdehne. Ich möchte gern noch einen Gruß in Ihrer Sprache hinzufügen: Die allerseligste Jungfrau Maria helfe Ihnen, Gott immer zu loben. Der Segen des Herrn sei mit Ihnen, mit Ihren Lieben und Ihrem Volk. 1598 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Denkmäler sind Quelle der Forschung Ansprache an die Teilnehmer des Kongresses für Christliche Archäologie am 10. Dezember Meine Lieben! 1. Es freut mich, unter Ihnen, den Teilnehmern des vom Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie veranstalteten Internationalen Kongresses zu sein, und ich begrüße Sie alle und jeden einzelnen und wünsche Ihren Arbeiten guten Fortgang und viel Erfolg. Aus verschiedenen Teilen der Welt sind Sie gekommen, um ein doppeltes Jubiläum zu feiern: den 1600. Todestag des hl. Damasus I. und die Gründung des Instituts vor 60 Jahren. Beide Ereignisse gehören zusammen wie Quelle und Fluß. 2. Das Thema Ihres wissenschaftlichen Kongresses, „Damasus papa, cultor martyrum - Papst Damasus, Verehrer der Märtyrer“, konnte nicht glücklicher gewählt werden, auch in seiner lateinischen Formulierung. Mein verehrter Vorgänger Pius XI. gab dem Päpstlichen Institut für Christliche Archäologie, als er es gründete, in der Gestalt des hl. Damasus einen Schutzpatron, der hoch über Ihren Forschungen steht und jetzt nach 16 Jahrhunderten, immer noch, ohne etwas von seiner Leuchtkraft zu verlieren, in der heutigen Kirche fortwirkt. In Ihren dokumentierten Kongreßreferaten haben Sie den hl. Damasus als den Baumeister-Papst gefeiert. Nicht nur, weil er im Verlauf seines achtzehnjährigen Pontifikats große Aktivitäten entfaltet hat, um innerhalb und außerhalb des Mauerrings der Stadt, in den Katakomben und über der Erde Kultgebäude zu errichten, sondern vor allem in der kirchlichen Bedeutung des Worts, nämlich als Baumeister der Kirche. Er setzte sich unablässig dafür ein, die Gräber der bekannten und unbekannten Brüder, die für Christus hochherzig ihr Blut vergossen hatten, in Ehren zu halten, damit nicht der Staub des Vergessens und der Gleichgültigkeit darauf fällt und damit er die Person durch kurze historische Angaben kenntlich machen konnte, die er in Versform zum ewigen Gedächtnis in Marmor meißeln ließ. Ihm und der unermüdlichen Mitarbeit Ihrer Forschungen verdanken wir, daß die Erinnerung an so viele Heldentaten den Rost der Zeit überlebt hat. Um die Märtyrerverehrung und die Frömmigkeit der Gläubigen zu fördern, entfaltete sich die Tätigkeit des Damasus nach einer systematischen Programmlinie. So gewannen die Katakomben ihre Faszination, die bis heute nachwirkt, weil der Besucher den Eindruck hat, in die lebendigen Anfänge des Glaubens einzutauchen. 1599 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Zum gleichen Zweck gab der hl. Damasus der Liturgie kräftige Impulse. Mit ihm kam in der Liturgie der Kirche Roms die lateinische Sprache in Gebrauch und wurde der römische Kanon zusammengestellt, der mit im Lauf der Zeit nahegelegten Anpassungen bis heute das erste eucharistische Hochgebet der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils geblieben ist. Mit Recht darf man sagen, daß das Werk des hl. Damasus heute noch lebendig ist. 3. Die Lebendigkeit des hl. Patrons steht als günstiges Zeichen über Ihrer Arbeit. Die Geschichte des Instituts hat ihren Weg im Ablauf der Zeit genommen, wie der Wechsel seiner Benennungen zeigt. Aus dem ersten Kern, der Römischen Akademie für Altertum und Geschichte, wurde unter Pius VII. - zu Beginn eines Jahrhunderts, das von dem Eifer der großen Ausgrabungen gekennzeichnet war - die spezifischere Päpstliche Römische Akademie für Archäologie, auf die unter Pius XI. die heutige Bezeichnung folgte. Die Kirche hat wiederholt die archäologische Wissenschaft ermutigt, das zu sein, was sie wirklich ist: Studium der Denkmäler. Die Initiative des Hl. Stuhls zur Gründung eines Museums geht auf die erste Hälfte des 18. Jahrhunders zurück. Wenn das heute so hochentwickelte Studium der Archäologie und die Bodenforschung durch methodische, von den Hilfswissenschaften erhellte Grabungen besonders wichtig, manchmal sogar entscheidend für die Kenntnis des Altertums ist, dann gilt das vielleicht noch mehr für die christliche Archäologie. Denn die Denkmäler sind eine Erhellung der Glaubensartikel, eine Quelle allererster Ordnung für das Studium der Institutionen und der christlichen Kultur bis zu den Zeiten, die den apostolischen am nächsten liegen. Bei der Gründung des Päpstlichen Instituts für Christliche Archäologie hatte Pius XI. den Weitblick, die eminent wissenschaftlichen Prinzipien zu zeigen, die es leiten müssen und die auch heute nach 60 Jahren Grundlage seiner Tätigkeit bleiben: nicht nur das zum Studium der Denkmäler und der Einrichtungen des Urchristentums notwendige wissenschaftliche Material zu sammeln durch Förderung geeigneter Studien über die Denkmäler und die Probleme, die nach und nach im Lauf ihrer Erforschung entstehen, sondern auch wirkliche und methodische Wissenschaftler auszubilden. Ich wünsche Ihnen, daß Ihre Tätigkeit in immer wirksamerer Weise ihren großartigen Dienst zur Verbreitung und Vertiefung des Glaubens leisten möge, und erteile Ihnen von Herzen den Apostolischen Segen. 1600 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Was bedeutet Advent? Predigt bei der Messe für die römischen Universitätsstudenten in St. Peter am 13. Dezember 1. „Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt: Fürchte dich nicht“ (/es41,13). Diese Worte spricht in der heutigen Adventsliturgie der Prophet Jesaja zu uns. Er hat sie einige Jahrhunderte vor der Geburt Christi an die Menschen seiner Zeit gerichtet. Heute, in der Petersbasilika am Ausgang des zweiten Jahrtausends n. Chr. versammelt, hören wir diese Worte so, als wären sie für uns gesprochen. Wir versammeln uns hier, um zusammen mit den Professoren und Studenten der römischen Universitäten unseren jährlichen Adventsgottesdienst zu feiern: Denn eine der ersten und wichtigsten Aufgaben der Liturgie ist es, das Wort Gottes zu verwirklichen; das Wort gegenwärtig zu machen -„Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“ {Mt 24,35). Das Wort des lebendigen Gottes besitzt eine unvergängliche Kraft und Ausdehnung. Es ist keine Aufzeichnung, die in die Geschichte eingeht, kein vorübergehender Zeitabschnitt der Literatur. Immer wieder trifft es den Menschen im Mark seiner Existenz. Immer wieder wird es zum Ort der Begegnung: der wichtigsten Begegnung - der Begegnung mit Gott. Mit jenem Gott, der „Alpha und Omega“, „Anfang und Ende“ ist, mit Gott, der „war, ist und kommen wird“. 2. Was bedeutet Advent? Wir alle wissen, daß damit jener Zeitabschnitt von vier aufeinanderfolgenden Sonntagen des Kirchenjahres gemeint ist, der uns auf das Fest der Geburt Christi vorbereiten soll. In diese Zeit fällt auch das Fest der Unbefleckten Empfängnis, das zutiefst mit dem Geheimnis der Menschwerdung des Gottessohnes verbunden ist. Ebenso feiern wir im Advent - genau heute, am 13. Dezember - das Gedenken der hl. Luzia, die durch ihre Jungfräulichkeit und ihr Martyrium seit frühesten Zeiten im Gedächtnis der Kirche gegenwärtig ist. So hat also der Advent in der Zeichenordnung, durch die die Liturgie der Kirche zu uns spricht, seinen eindeutig bestimmten Platz. Aber gerade als liturgisches Zeichen und als Zeitabschnitt enthüllt uns der Advent auf besondere Weise die eigentliche Wirklichkeit Gottes: das Geheimnis Gottes! 1601 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Hier ist Gott, der in seiner Göttlichkeit ewig ist, in der unerf orschli-chen Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und zur gleichen Zeit Gott, der aus der ganzen Fülle seiner Freiheit und seiner Liebe seine Schöpfungs- und zugleich Heilsinitiative unternimmt. In gewisser Weise übersteigt er die Grenzen der Göttlichkeit, die in sich selbst leuchtet, und gibt sich in seiner Allmacht und seiner Liebe hin. Auf diese Weise spricht uns der Advent von Anfang des Geheimnisses der Schöpfung, die gleichzeitig das „Alpha“ einer jeden Geschichte ist. In der Schöpfung der Welt und vor allem des Menschen in der Welt verbirgt sich das erste Kommen Gottes. Es ist das Herabsteigen zur „Nichtigkeit“, vor der der Schöpfer sein „Es werde“ ausgesprochen hat. Diese Ankunft besteht in der inneren Struktur des Geschaffenseins: „Conservatio est continua creatio.“ Mit seiner schöpferischen Macht erhält Gott all das in seiner Existenz, was „aus sich“ nicht existiert: was veränderlich und zufällig ist. Jener geheimnisvolle Advent der Schöpfung ist in gewisser Weise immer in der Liturgie der Kirche präsent. Er ist die ursprüngliche und fundamentale Dimension aller liturgischen Zeichen, zu allen Zeiten und allen Festen. Sie scheint jedoch besonders in der Liturgie durch, die uns auf den „Anfang“ der Schöpfungs- und Heilsinitiative Gottes selbst hinlenkt. Er, der allein ohne Anfang ist, kommt! Er kommt, das heißt, er setzt den Anfang von allem. Er ist in allem mit seiner Freiheit und seiner Liebe gegenwärtig. Mit der unerforschlichen Einheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 4. „Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt: Fürchte dich nicht.“ Der Mensch ragt im Werk der Schöpfung hervor. Er ist gleichsam die Krönung der Welt — der sichtbaren Welt. Von wie langer Dauer ist seine Zeit auf der Erde? Die Wissenschaft sucht unentwegt darauf zu antworten. Existiert er nur auf der Erde? Auch das ist eine Frage, die gestellt wird. Mit dem Menschen erreicht die Ankunft Gottes einen definitiven Abschnitt im Werk der Schöpfung. Nur mit dem Menschen hat der Advent wirklich einen Anfang. Denn der Mensch ist „Abbild Gottes“. Aus einer kosmischen Struktur, die vor ihm erschaffen wurde, erklärt er sich nicht bis ins letzte. Er ist in der Welt und aus der Welt („er formte den Menschen aus Erde vom Ackerboden“, wie es im Buch Genesis heißt) -und gleichzeitig ist er aus Gott! Von Anfang an ist in ihm ein göttliches Element vorhanden. In diesem Element überragt er die ganze sichtbare 1602 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Welt - er überragt sie bis hin zu seinem göttlichen Urbild. Er trägt in sich die Herausforderung der Ewigkeit und die Herausforderung der Heiligkeit. Die Herausforderung ist der Ruf. Diese Herausforderung kommt von Gott, sie folgt aus der Schöpfungsinitiative, und gleichzeitig bildet sie schon das „Material“ für seine Heilsinitiative. Man kann sagen, daß nicht nur der Mensch vom Schöpfer wegen jenes Elements der Göttlichkeit, das er in seinem Innersten trägt, gerufen wird, sondern daß auch Gott vom Menschen „gerufen“ wird, gerade weil er das „Abbild Gottes“ ist. Gott wird „gerufen“: in seiner absoluten Freiheit, in seiner Liebe. 5. Somit also fällt aus der Tiefe des Schöfpungsadventes - gerade hier, über diesen Gipfel, der der Mensch ist - die Ankunft des Heils herab. Dieser Advent birgt in sich den biblischen „Anfang“ des Menschen, wonach Elohim-Jahwe ihn als „Mann und Frau geschaffen hat“ {Gen 1, 27). Es reicht aus, die ersten Kapitel der Genesis aufmerksam zu lesen, um sich davon zu überzeugen. Die Ankunft des Heils ist nicht durch die Sünde unserer Stammeltern unterbrochen. In gewisser Weise öffnet sich gerade mit jener Sünde ihre konkrete Perspektive. Diese Perspektive zieht sich durch die ganze Heüsgeschichte, die Geschichte, die die Geschichte eines jeden Menschen durchläuft, die Geschichte aller Völker, aller Generationen, hin. Die Ankunft des Heils bedeutet gewissermaßen, daß „Gott nicht aufgibt“, trotz des Widerstandes der Schöpfung, zunächst der unsichtbaren Schöpfung und dann der sichtbaren: eben des Menschen. Vor diesem Widerstand, vor dieser „Ablehnung“ des Schöpfers von seiten der Schöpfung, vor der „Ablehnung“ der rettenden Liebe, wie sie zunächst in der Freiheit der Engel geschah und dann in jener der Menschen, gibt Gott nicht auf. Die Liebe gibt nicht auf. Sie gibt nicht auf, denn sie ist sich voll bewußt: die gleiche Tiefe des göttlichen Bewußtseins - das gleiche dreifältige Geheimnis des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes die ewige Liebe ist sich bewußt, daß sich nur in ihm selbst die Heilksraft der Schöpfung birgt. Das Heil kann nur im „Zelt Gottes mit den Menschen“ sein. Es kann nur das „Reich Gottes“ sein. Es kann nur dann sein, wenn „Gott herrscht über alles und in allem“ (7 Kor 15,28). 6. So öffnet sich also die Ankunft des göttlichen Heils vor den Augen unserer Seele durch diesen liturgischen Advent, wenn wir alljährlich die Geburt des Ewigen Wortes im Stall von Betlehem aus der Jungfrau Maria erwarten, die empfangen hat durch den Heiligen Geist. 1603 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Ankunft des Heils: die Ankunft Gottes — und das immerwährende Kommen Gottes. Die Ankunft in den großen Erfahrungen der Geschichte, vor allem im Geheimnis der Herzen und der Gewissen. Der „verborgene Gott“ kommt. Er kommt und sagt zu jedem einzelnen : „Ich bin der Herr, dein Gott, der dich an der Hand nimmt.“ Wie innig, wie innig umfängt Gott von Anfang an den Menschen mit seiner Ankunft des Heils! Von den ersten Seiten der Genesis kommen wir zur Mitte des Evangeliums selbst: Die rechte Hand Gottes hält die Hand des Menschen, um ihn zu führen. In Treue, auch wenn der Mensch oftmals versucht, sich aus seiner Rechten zu lösen, auch wenn er oftmals ausruft, er möchte frei sein, frei „von Gott“, sogar frei „gegen Gott“. Er möchte frei sein in der Freiheit der Unabhängigkeit. In seiner Blindheit sieht er nicht, daß die Freiheit ihre ewige Vorherbestimmung in jedem von uns hat: die Vorherbestimmung der Liebe. Außerhalb dieser Vorherbestimmung wird unsere geschaffene Freiheit „Gegenfreiheit“! Sie wird Ursache des Zwangs für die anderen und für sich selbst. Gerade aus der Erfahrung einer solchen - falsch verstandenen und falsch angewandten - Freiheit schrie Sartre: „Die anderen sind die Hölle.“ Die Hölle dagegen ist ausdrücklich die falsch angewandte Freiheit. Die Freiheit, angewandt gegen die Liebe. Eine so falsch angewandte Freiheit wird Gegenfreiheit. . . Die Hölle ist die Gegenfreiheit. <106> <107> <106> Gott sagt: Ich nehme dich an der Hand, so wie der Vater oder die Mutter die Hand des Kindes ergreifen, nicht um ihm die Freiheit zu nehmen, aber um es die Liebe zu lehren. Dieses göttliche „An-der-Hand-Nehmen“ ist die Heilsinitiative Gottes für jeden von uns, ist die Ankunft des Heils Gottes, durch die er uns die Liebe lehrt. Denn zusammen mit der Liebe kommt das Heil — und das Heil endet nicht, sondern übersteigt die zeitlichen Grenzen unserer Existenz, um über unser Leben für die Ewigkeit zu entscheiden. Gerade das führt Jesus zur Menschheit, seine Geburt erwarten wir in der Nacht zu Betlehem: Jesus - „Gott ist Heil“. Er bringt die Heilsbotschaft durch die Liebe. Er vollbringt diese Botschaft nicht nur mit seiner Lehre, der Frohen Botschaft, sondern er wird sie vollenden bis zum Kreuz und zur Auferstehung. Das österliche Geheimnis bezeugt, daß die Liebe stärker ist als der Tod -und deshalb ist sie heilbringend. Daß die Liebe stärker ist als die Sünde -und deshalb ist sie heilbringend. Das österliche Geheimnis birgt in sich die Nacht der Geburt zu Betlehem. 1604 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Und mit ihr verbindet es sich zu einer Einheit: zum Geheimnis Jesu Christi, in dem sich die Ankunft des göttlichen Gottes endgültig in der irdischen Geschichte der Menschheit vollzieht und unwiderruflich in ihr bleibt. 8. . der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt: Fürchte dich nicht!“ Wie viele Ängste trägt jeder Mensch in sich. Offenkundige Ängste und versteckte Ängste. Wie viele Ängste trägt die große Familie der Menschheit in sich, die Familie der Völker und der Nationen, die diesen Planeten - man weiß nicht, seit wann - bewohnt. Wie viele Ängste trägt der Mensch und die Menschheit unseres Jahrhunderts in sich, der Mensch und die Menschheit des „Atomzeitalters“, der Mensch und die Menschheit der Elektronenepoche und ebenso der Mensch und die Menschheit der Ungeborenen, der im Mutterleib Getöteten, der Kinder, die zu Millionen den Hungertod sterben! Der Mensch: die Menschheit der Nationen und Gesellschaften, in denen „die Freiheit der einen die Knechtschaft der anderen wird“ - der Mensch und die Menschheit der Gesellschaften und Umfelder, in denen Herrschsucht und Gewalt immer brutaler werden! Das Heil bedeutet auch Befreiung von der Angst. Die vollkommene Liebe „vertreibt die Furcht“. Suchen wir die Wege, die von der Angst zur Liebe führen! Suchen wir die Wege des Heils. Suchen wir sie in den immer bedrohlicheren Erfahrungen unserer Zeit! Der Gott der Heilsankunft ist unter uns: Sein Name ist Immanuel! <108> <108> Hören wir, was er sagt: „Fürchte dich nicht!“ Welche Befreiung bedeuten diese Worte! Denn er sagt: „Du aber jubelst über den Herrn, du rühmst dich des Heiligen Israels“ {Jes 41,16). Das ist der Ruhm, den Johannes der Täufer aus dem Mund Christi selbst erhalten hat: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer“ {Mt 11,11). Ja, der Mensch ist zur Größe berufen. Der Mensch ist zur Ehre berufen: Die Ehre des Menschen, die Erhöhung des Menschen in Jesus Christus ist das existentielle Ziel der Ankunft des göttlichen Heils, denn die Ehre 1605 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Gottes ist es, daß der Mensch lebe. Daß er lebe in jener Fülle des Lebens, die in Gott ist. Die aus Gott ist. Mit diesen Worten möchte ich die Sakramente erwähnen: das Sakrament der Buße und das Sakrament der Eucharistie. Empfangt sie. Gerade sie bedeuten und erfüllen die Ankunft von Gottes Heil in jedem von uns. Gott kommt mit seinem Wort zu uns. Er kommt in den Sakramenten. Nehmen wir ihn an. Gottes Heilsankunft hängt auch von der Bereitschaft eines jeden von uns ab, so wie das Geheimnis der Menschwerdung von der Bereitschaft Mariens abhing: „Mir geschehe, wie du gesagt hast“ (Lk 1, 38). 10. Im Evangelium der heutigen Liturgie sagt Jesus zu Johannes dem Täufer: „Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als ihn“ -und fügt dann hinzu: „Seit den Tagen Johannes’ des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan; die Gewalttätigen reißen es an sich“ {Mt 11, 12). Ich wende mich an euch, Christen Roms, Menschen der heutigen Zeit: dem Himmelreich wird Gewalt angetan ... die Gewalttätigen reißen es an sich. Menschen von heute! Ihr sagt und denkt nicht, daß die Abwesenheit Gottes in der Welt unserer Zivilisation und des schwindelerregenden Fortschrittes euch belastet. öffnet die Augen dem Glauben, weckt alle Charismen des Geistes, die in euch seit dem Augenblick der Taufe sind. In der Welt, in der wir leben, bleibt die Ankunft Gottes: die Ankunft der Schöpfung und die Ankunft des Heils. In der Welt, in der wir leben, ist das Reich Gottes verwurzelt, das Himmelreich. Geht ihm entgegen. Das Reich Gottes erwartet die Gewalttätigen, die es an sich reißen . . .! „Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand ergreift und der zu dir sagt: Fürchte dich nicht, ich werde dir helfen . . .“ 1606 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die Stimme ganz Europas gefragt Ansprache in der Audienz für die Teilnehmer einer Rom-Tagung des Bergedorfer Gesprächskreises am 17. Dezember Eminenzen, Exzellenzen! Sehr geehrte Herren! 1. Sie haben Rom, die „Ewige Stadt“, zum Tagungsort Ihres 76. Bergedorfer Gesprächskreises gewählt, den Sie dem Thema Europa gewidmet haben. Zugleich war es Ihr Wunsch, während Ihrer Tagung auch dem Bischof von Rom einen Besuch abzustatten. Ich sehe darin mehr als nur einen Akt der Höflichkeit. Wie diese einzigartige Stadt seit der Anwesenheit und dem Märtyrertod der beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus an den Ufern des Tibers unlöslich mit der Kirche Christi verbunden ist, so können auch die Geschichte und die Geschicke Europas, seine Vergangenheit wie auch seine Aufgaben in Gegenwart und Zukunft nicht ohne das Christentum und seinen wesentlichen Beitrag zur abendländischen Kultur verstanden werden. Darum heiße ich Sie aufrichtig und herzlich zu dieser kurzen Begegnung im Vatikan willkommen. Ich grüße in Ihnen hohe Vertreter vor allem aus der Politik und Wissenschaft verschiedener europäischer Länder, die ihre reiche persönliche Erfahrung und Kenntnis zum Thema Europa in diesen Gesprächskreis einbringen. Zu meiner Freude sehe ich unter Ihnen auch einige hohe und kompetente Repräsentanten der Kirche, die Ihnen das große Interesse bezeugen, mit dem die Kirche und besonders der Heilige Stuhl die Bemühungen um eine Neubesinnung und Neugestaltung Europas aus seinem wertvollen geschichtlichen Erbe angesichts der schicksalhaften Herausforderung unserer Zeit verfolgt. 2. Das Europa unseres Jahrhunderts ist zutiefst gekennzeichnet vom tragischen Geschehen der beiden brudermörderischen Weltkriege und ihren verheerenden Folgen, von ideologischen, politischen, militärischen und wirtschaftlichen Gegensätzen. Die seine Einheit beeinträchtigenden Risse und Spannungen gehen zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd quer durch den Kontinent. Totalitäre Regime mißachten die Freiheit und die Grundrechte des Menschen. Der technische Fortschritt, der als seine kühnste Errungenschaft die Lösung aller Probleme zu verheißen schien, richtet sich immer bedrohlicher gegen den Menschen selbst und gefährdet sein Überleben. Säkularismus und die Auflösung sittlicher 1607 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Bindungen stürzen die Menschen zunehmend in Orientierungslosigkeit, Existenzangst und in die Flucht vor einer verantwortlichen Lebens- und Weltgestaltung. Je offenkundiger und umfassender die Krise des alten Kontinents und seiner Zivilisation zutage tritt, desto mehr Menschen empfinden die darin enthaltene geschichtliche Herausforderung und erkennen ihre Verantwortung für Europa und seine Zukunft. Wir alle wissen um die wachsenden Bemühungen in der Politik und auch zwischen den christlichen Kirchen, die im Laufe der Geschichte entstandenen unheilvollen Risse und Brüche wieder zusammenzufügen. Die Schwere der sich heute stellenden Probleme der Sicherheit, der sozialen Gerechtigkeit, des Friedens, des wirtschaftlichen und kulturellen Austausches verlangt notwendig nach Einheit und gemeinsamen Initiativen. Die Erfahrung belehrt uns aber auch über die großen Schwierigkeiten, denen der im Gang befindliche Einigungsprozeß auf den verschiedenen Ebenen begegnet, und das schon innerhalb und zwischen den Ländern Westeuropas; ganz zu schweigen, wenn wir an das ganze Europa vom Atlantik bis zum Ural denken. Dies darf jedoch niemanden überraschen und noch weniger entmutigen. Soll die neu zu suchende und zu verwirklichende Einheit im europäischen Kontinent und darüber hinaus wirklich lebensfähig und von Dauer sein, muß sie notwendig die legitimen Rechte aller Beteiligten berücksichtigen und sie organisch in sich integrieren. Dieser Reifungsprozeß kann natürlicherweise nur langsam erfolgen. Entscheidend ist, daß man auf dem einmal eingeschlagenen Weg, zu dem es letztlich keine sinnvolle Alternative gibt, nicht stehenbleibt, sondern beharrlich und mit Geduld - wenn auch nur in kleinen Schritten -voranschreitet. Es ist und bleibt ein erstrebenswertes Ziel, daß Europa auch im politischen Bereich mehr und mehr eine gemeinsame Sprache spricht und zu einer einheitlichen Willensbildung in den wichtigen Lebensfragen findet. Mehr denn je ist die Stimme Europas als Ganzes zur Lösung aktueller Weltkrisen gefragt; um so größer ist dann die Enttäuschung, wenn peri-phäre wirtschaftliche Probleme, Mangel an Zusammenarbeit oder nationale Vorbehalte scheinbar unüberwindliche Hindernisse auftürmen. Es ist an der Zeit, daß nationale Egoismen abgebaut werden, die zwar lokale Bedeutung haben mögen, aber zusammenschrumpfen, wenn man sie ehrlich mit den wahren Problemen der Menschheit vergleicht. Auf diese muß Europa baldmöglichst eine gemeinsame, solidarische Antwort geben. 1608 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 3. Es mag der Gegenstand Ihrer Beratungen sein und ist in der Tat die Zuständigkeit der Politiker und Gesellschaftswissenschaftler, dazu die konkreten Wege aufzuzeigen und sie schrittweise zu ebnen. Die Kirche erachtet es als ihre Aufgabe, die Verantwortlichen nachdrücklich darin zu ermutigen, sie zugleich aber darauf hinzuweisen, daß der Einigungsprozeß Europas über die wünschenswerten technischen, militärischen und politischen Vereinbarungen hinaus sein tragendes Fundament und seinen Nährboden in einer ebenso dringlich zu suchenden geistigen und moralischen Erneuerung der abendländischen Kultur haben muß. Hier fühlt sich die Kirche selber in einer besonderen Weise unmittelbar eingefordert. Wie das Christentum in ersten Jahrtausend Europas das griechisch-römische Erbe und die Kultur der Germanen, Kelten und Slaven integriert und einem gemeinsamen europäischen Geist Leben verliehen hat, so kann es auch heute wirksam dazu beitragen, daß die verschiedenen Völker dieses Kontinents aus ihrer großen kulturellen und nationalen Vielfalt eine neue gemeinsame europäische Zivilisation schaffen. Die Förderung einer solchen Erneuerung und Gemeinschaftsbildung hängt zu einem wesentlichen Teil von der Stärkung und Vertiefung der grundlegenden moralischen und geistigen Werte ab, jener Werte, die das Christentum selbst die Völker Europas in der Vergangenheit schätzen und leben glehrt hat: die Würde der menschlichen Person und ihre unveräußerlichen Grundrechte, die Unantastbarkeit des Lebens, Freiheit und Gerechtigkeit, Mitmenschlichkeit und Solidarität besonders mit den Armen und Entrechteten, sittliche Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung und das Gemeinwohl, Einsatz für die unterentwickelten Völker, christliche Weltgestaltung und Pflege des kulturellen und religiösen Erbes. Europa kann sich nur erneuern und wieder zu sich selber finden durch die Erneuerung jener gemeinsamen Werte, denen es seine eigene Geschichte, sein wertvolles Kulturgut und seine Sendung in der Welt verdankt. Dazu kann und will die Kirche ihren nicht zu ersetzenden Beitrag leisten. Sie vermag Europa zu helfen, seine Seele und Identität wiederzufinden sowie seine Berufung in der internationalen Völkergemeinsachaft richtig zu deuten und wahrzunehmen. Ich danke Ihnen für Ihren Besuch und wünsche Ihren Beratungen zum Thema Europa guten Erfolg. Möge diese Ihre eigene Mitarbeit in dem schwierigen, aber lebensnotwendigen Prozeß der Neubesinnung und Neugestaltung Europas befruchten und auch anderen hilfreiche Anregungen vermitteln. Der Herr bestärke Sie in Ihrer Arbeit und begleite Sie stets mit seinem besonderen Schutz und Segen. 1609 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN ,, Vorrangige Option für die Armen“ Weihnachtsansprache an die Kardinale und die Römische Kurie am 21. Dezember Meine Herren Kardinäle, ehrwürdige Brüder und Mitarbeiter! 1. „Der Herr ist nahe“ (Phil 4,5). Die nun schon nahe Wiederkehr des Weihnachtsfestes hat uns wieder zu diesem schönen Brauch gegenseitigen Austausches der Segenswünsche versammelt. Der Herr Kardinaldekan hat treffend und vornehm die gemeinsamen Empfindungen zum Ausdruck gebracht und uns eingestimmt in die hoffnungserfüllte Freude, die dieses Fest auszeichnet, das allen Herzen so teuer ist. In brüderlicher Liebe danke ich ihm, und mit ihm danke ich euch allen für eure Anwesenheit heute. Ich sehe darin die Bestätigung jenes Willens zur Verbundenheit im Dienst an der Kirche, der die tägliche Arbeit in Einmütigkeit adelt und ihr religiöse Bedeutung gibt. „Der Herr ist nahe.“ Mit dankerfülltem Herzen bereiten wir uns darauf vor, in der Heiligen Nacht zusammen mit den Hirten vor der Krippe niederzuknien, bei der in ehrfürchtiger, hingebender Liebe die Jungfrau-Mutter wacht, die der Prophet Jesaja angekündet hat (7,14). Wir wissen, daß in diesem zarten Menschenkind, das noch kein Wort sprechen kann, uns das ewige Wort Gottes begegnet, die unerschaffene Weisheit, die das All regiert. Es ist das Licht Gottes, das „in der Finsternis leuchtet“, wie der Apostel Johannes sagt, der dann unmittelbar mit herbem Realismus hinzufügt: „Aber die Finsternis hat es nicht erfaßt“ (1,5). Licht und Finsternis stehen sich bei der Krippe gegenüber, in der dieses Kind hegt: das Licht der Wahrheit und die Finsternis des Irrtums. Es ist eine Konfrontierung, die keine Neutralität gestattet: Man muß die Wahl treffen, auf welcher Seite man stehen will. Eine Wahl, bei der jeder Mensch seine eigene Zukunft aufs Spiel setzt. Dieses Kind wird, zum Mann herangewachsen, eines Tages sagen: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wirklich meine Jünger. Dann werdet ihr die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,31 f.). Kein Teil der Wahrheit darf verlorengehen 2. Das Wort Gottes, das Fleisch wird, um unter uns zu wohnen (vgl. Joh 1,14), kommt, um uns als unermeßliches Geschenk die Erkenntnis der 1610 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wahrheit zu bringen: die Wahrheit über ihn, die Wahrheit über uns und über unsere transzendente Bestimmung. Nur auf dem Fundament dieser Wahrheit kann der Mensch sich selbst und seine Freiheit aufbauen. Sie ist wirklich ein äußerst kostbares Geschenk, das es zu hüten und zu verteidigen gilt. Wenn auch nur ein Teil der ganzen Wahrheit verlorenginge, die im Herzen dieses „in Windeln gewickelten“ Kindes in der Krippe (Lk 2, 12) pulsiert, so würde das für den Menschen eine mehr oder weniger große Beeinträchtigung seiner vollen Selbstverwirklichung bedeuten. Die Kirche ist sich dessen bewußt, sie weiß, daß sie zur Hüterin und Wächterin dieser Wahrheit bestimmt wurde. Sie fühlt sich daher mit einer besonderen Sendung beauftragt, die sie einem bestimmten Dienst an der Menschheit verpflichtet: in der Abfolge der Generationen, die die Erde bevölkern, muß sie einer jeden den wunderbaren Plan offenbaren, den Gott in seinem eigenen Sohn zum Besten eines jeden Menschen vorgegeben hat, der bereit ist, im Glauben die wunderbare Initiative seiner Liebe anzunehmen. Darum wacht die Kirche, und in ihr besonders der römische Stuhl des Petrus bei der Wiege von Betlehem: Sie wacht, damit die übernatürlichen Werte, die der Schöpfer der Menschheit angeboten hat -die Wahrheit und die Freiheit in der Wahrheit, man kann auch sagen: die Liebe - nicht verdunkelt oder gar entstellt werden. Sie wacht, damit trotz aller Gegenströmungen diese Werte weiter fortleben und im Leben der einzelnen und der Familien, der christlichen und der bürgerlichen Gemeinschaften, ja im Leben der ganzen Menschheitsfamilie zum Tragen kommen. 3. Die Kirche ist sich der Vielfalt dieser Werte bewußt, und gleichzeitig bringt sie sie zur Einheit, wie es eine sehr bemerkenswerte Seite der Dogmatischen Konstitution Lumen gentium, deren Promulgation sich vor genau einem Monat (am 21. November 1984) zum zwanzigsten Mal j ährte, gut beleuchtet hat. In Nr. 13 dieses grundlegenden Konzilsdokumentes wird an die Haltung der Kirche gegenüber den „Anlagen, Fähigkeiten und Sitten der Völker“ erinnert. Die Kirche sieht in ihnen ebenso viele „Geschenke“, die die verschiedenen Kulturen ihr bringen und die sie daher gern annimmt, auch wenn sie sich verpflichtet fühlt, sie zu reinigen, zu kräftigen und zu heben. Vor allem weiß die Kirche aufgrund des Charakters ihrer Universalität, der sie auszeichnet und unterscheidet, daß sie diese Gaben in einer höheren Einheit zur Übereinstimmung bringen muß, damit sie fortschreitend zur Festigung des einen Reiches Christi beitragen. Kraft dieser Katholizität also „bringen die einzelnen Teile ihre eigenen Gaben den übrigen Teilen und der ganzen Kirche hinzu, so daß 1611 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Ganze und die einzelnen Teile zunehmen aus allen, die Gemeinschaft miteinander halten und zur Fülle in Einheit Zusammenwirken“. Mehr noch: Diesem Gedankengang folgend, legt der Text eine grundlegende These der katholischen Ekklesiologie vor. Er stellt nämlich klar: „Darum gibt es auch in der kirchlichen Gemeinschaft zu Recht Teilkirchen, die sich eigener Überlieferungen erfreuen, unbeschadet des Primats des Stuhles Petri, welcher der gesamten Liebesgemeinschaft vorsteht, die rechtmäßigen Verschiedenheiten schützt und zugleich darüberwacht, daß die Besonderheiten der Einheit nicht nur nicht schaden, sondern ihr vielmehr dienen.“ Schwerlich könnte man es klarer und tiefer zum Ausdruck bringen: Die Gesamtkirche wird als eine Gemeinschaft von Kirchen (Teilkirchen) dargestellt und, indirekt, als eine Gemeinschaft von Völkern, Sprachen und Kulturen. Jede von ihnen trägt mit ihren eigenen Gaben zum Ganzen bei, so wie es auch die einzelnen menschlichen Generationen und Epochen tun, die verschiedenen wissenschaftlichen und sozialen Errungenschaften und die nach und nach erreichten Ziele der Zivilisation und Kultur. 4. Heute weist man ausdrücklich auf die speziell christlichen Erfahrungen der einzelnen Teilkirchen hin in dem sozio-kulturellen Zusammenhang, in dem jede von ihnen zu leben berufen ist. Diese besonderen Erfahrungen betreffen - wie betont wird - sowohl das Wort Gottes, das im Licht jener Gegebenheiten gelesen und verstanden werden muß, die dem eigenen existentiellen Weg entstammen; sie betreffen das liturgische Gebet, das die Zeichen, Gesten und Worte, die als Ausdruck der Anbetung und bei den verschiedenen Gottesdienstfeiern verwendet werden, aus der Kultur schöpfen muß und schließlich die kirchliche Gemeinschaft selbst, die ihre Wurzeln in der Eucharistie verankert hat, aber in ihrer konkreten Entfaltung von zeitgeschichtlichen Bedingungen abhängt, die sich aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Land oder einem bestimmten Erdteil ergeben. Diese Perspektiven sind nicht ohne Interesse wegen der Bahnen, die sie der theologischen Forschung im Blick auf das unerschöpfliche Geheimnis der Kirche zu eröffnen scheinen, und noch mehr wegen der Möglichkeiten, die sie den Gläubigen bieten, immer vollständiger die unendlichen Reichtümer des neuen Lebens, das Christus gebracht hat, wahrzunehmen und sich zu eigen zu machen. Aber diese Perspektiven bringen erst Frucht, wenn sie eine unerläßliche Bedingung berücksichtigen: Diese Erfahrungen dürfen nicht isoliert in die Praxis umgesetzt werden, nicht unabhängig 1612 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN oder gar in direktem Widerspruch zu dem, was die Kirchen in den anderen Teilen der Welt erfahren. Um echte kirchliche Erfahrungen zu sein, müssen sie mit innerer Notwendigkeit sich mit denen in Einklang bringen, die andere Christen in anderen kulturellen Zusammenhängen leben zu müssen sich berufen glauben, weil auch sie den Forderungen treu sein wollen, die sich aus dem einen und gleichen Mysterium Christi herleiten. 5. Diese Feststellung rührt an einen zentralen Punkt der katholischen Lehre über die Kirche und ist es wert, neu bekräftigt zu werden. Es widerspricht der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils, Richtungen einzuschlagen, die zur Abkapselung führen oder geradezu zentrifugale Tendenzen zu begünstigen. Die Konstitution Lumen gentium zeigt in dem bereits angeführten Artikel 13 die Möglichkeiten auf, die von Natur aus zu einem gesunden Pluralismus gehören. Sie gibt aber auch mit großer Klarheit dessen Grenzen an: Der wahre Pluralismus wirkt sich niemals trennend aus, sondern ist ein Element, das zum Aufbau der Einheit der universalen Gemeinschaft der Kirche beiträgt. Es gibt in der Tat zwischen den einzelnen Teilkirchen eine ontologische Beziehung auf Gegenseitigkeit: Jede Teilkirche ist, insofern sie eine Verwirklichung der einen Kirche Christi darstellt, auf irgendeine Weise in allen Teilkirchen präsent. „In ihnen und aus ihnen besteht die eine und einzige katholische Kirche“ (Lumen gentium, Nr. 23). Diese seinsmäßige Beziehung muß auf die dynamische Ebene des konkreten Lebens übertragen werden, wenn anders die Christengemeinschaft nicht in Widerspruch zu sich selbst geraten soll: Die kirchlichen Grundentscheidungen der Gläubigen einer Gemeinde müssen in Einklang gebracht werden können mit denen der Gläubigen anderer Gemeinden, um so jeder Gemeinschaft des Geistes und Herzens Raum zu geben, um die Christus den Vater beim Letzten Abendmahl gebeten hat: „Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns eins sein ... So sollen sie vollendet sein in der Einheit“ (Joh 17,21.23). Er ist der „Fels“, auf dem die Kirche erbaut ist 6. Eine besondere Aufgabe des Apostolischen Stuhles beteht gerade darin, dieser universalen Einheit zu dienen. Auch das Charisma des Petrus und seiner Nachfolger hat, so können wir sagen, eben darin seinen spezifischen Dienst. War nicht er es, zu dem Christus vor der dunklen Nacht des Verrates sagte: „Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke 1613 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN deine Brüder“ (Lk 22,32)? Ja, er ist der „Fels“, auf den Christus seine Kirche bauen wollte (vgl. Mt 16,18); und gerade vom Fundament erwartet man Halt und Festigkeit für das Bauwerk. Darum gab Jesus nach seiner Auferstehung dem Petrus in einem mit Pathos geführten Dialog die verpflichtende Weisung: „Weide meine Lämmer. . . Weide meine Schafe!“ (Joh 21,15 ff.). Gewiß, der einzige oberste Hirte ist das fleischgewordene Wort, Christus, der Herr. Darum überträgt der Papst spontan die Worte des hl. Augustinus auf sich: „Wir sind euch Hirten, aber unter jenem Hirten sind wir mit euch Schafe . . . Von dieser Stelle aus sind wir euch Lehrer, aber unter dem einen Lehrmeister sind wir in seiner Schule mit euch Schüler“ (Enarr. in Ps. 126, 3). Das besagt aber nicht, daß in der Kirche nicht jeder einen bestimmten, ihm eigenen Auftrag zu erfüllen hätte, über den er eines Tages Christus selbst Rechenschaft geben muß. Im Lauf der Jahrhunderte haben die Päpste die Verantwortung des Dienstes an der katholischen Einheit, der ihnen anvertraut wurde, lebhaft empfunden, und sie suchten ihm auf vielfache Weise zu entsprechen, auch in der Weise, daß sie erfahrene Mitarbeiter heranzogen, um in der Lage zu sein, den vielfältigen Obliegenheiten des Amtes besser zu begegnen. In der letzten Zeit wollte man, um auf die Vorschläge der Konzilsversammlung einzugehen, die Kurie internationalisieren, damit durch die Anwesenheit von Amtsträgern, die aus allen Teilen der Welt kommen, der Dialog mit den Kirchen in den verschiedenen Kontinenten erleichtert würde. Heute habe ich die Freude, mich mit einer erlesenen Vertretung der Organe der Römischen Kurie zu treffen. Gern nehme ich, liebe Brüder in Christus, die Gelegenheit wahr, euch meine Hochschätzung zum Ausdruck zu bringen und euch für die qualifizierte Mitarbeit zu danken, die ihr mir hochherzig in der täglichen Ausführung der zu meinem Dienst gehörenden Obliegenheiten anbietet. Ihr teilt mit mir jene „Sorge für die Gemeinden“, die den „täglichen Stachel“ des Apostels Paulus bildete (vgl. 2 Kor 11,28). Sie bildet auch für jeden Papst den täglichen Stachel. Den Nachfolgern des Petrus obliegt es ja, dafür zu sorgen, daß jene „Gaben“, von denen der angeführte Konzilstext spricht, zum Zentrum der Kirche hin zusammenströmen, und sie müssen ebenso dafür sorgen, daß eben diese Gaben, bereichert in wechselseitiger Begegnung, wieder in die verschiedenen Glieder des mystischen Leibes Christi hineinfließen und ihnen neue Lebensimpulse und neuen Eifer vermitteln. Zu den ordentlichen Mitteln, dieser apostolischen Aufgabe nachzukommen, gehören die Ad-limina-Besuche: Im Lauf dieses Jahres hatte ich die Freude, die Bischofskonferenzen von Costa 1614 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Rica, der Pazifischen Inseln, von El Salvador, Taiwan, Togo, Lesotho, Peru, Griechenland, Sri Lanka, Venezuela, Argentinien, Chile, Guinea, Ekuador, von den Antillen, von Bolivien und Paraguay zu empfangen. Es gibt auch außerordentliche Mittel. Unter diesen erweisen sich als besonders wirksam die Besuche und Pilgerreisen des Papstes zu den Teilkirchen der verschiedenen Kontinente. Ich bewahre noch lebhaft in meinem Herzen die dankbare Erinnerung an meine apostolische Reise nach Korea, Papua-Neuguinea, den Salomoninseln und Thailand, die ich Anfang Mai machte, um die Sorgen und Hoffnungen der jungen und vielversprechenden Kirchen dieser Länder zu teilen. Bedeutsam war auch die Reise, die mich im Monat Juni in die Schweiz führte und mir erlaubte, die Bande der Verbundenheit des römischen Bischofssitzes mit den edlen Kirchen dieser Nation zu bestätigen. Unvergeßlich bleibt mir, was ich während meiner Reise in Kanada empfand, sowohl beim Kontakt mit Menschen, die ihren Glauben im Herzen einer hochentwickelten Gesellschaft leben, wie auch mit solchen, die die Botschaft des Evangeliums innerhalb alter, einheimischer Kulturen empfangen haben. Ferner war, wenn auch nur kurz, so doch von Bedeutung die Reise, bei der ich mich Mitte Oktober über Spanien nach Santo Domingo begab, dem Land, von dem aus vor fast fünfhundert Jahren die Ausbreitung des Evangeliums in der Neuen Welt begann. Bei dieser Gelegenheit konnte ich auch der Bevölkerung von Puerto Rico begegnen. Mit Freude denke ich auch an die Pastoralbesuche, die ich im Lauf des Jahres in Italien unternehmen konnte, nämlich nach Bari, Bitonto, Viterbo, Fano, Alatri und dann, Anfang Oktober, zu den Kirchen Kalabriens und schließlich noch im November die Pilgerfahrt zu den Gedenkstätten des hl. Karl Borromäus aus Anlaß der Vierhundertjahrfeier seines Todes. Der Heilige Stuhl unterhält ein dichtes Netz von Kontakten mit allen Teilkirchen, in der ständigen Sorge, daß keine der „Gaben von oben“ (vgl. Jak 1, 17) verlorengehe und zugleich der unermeßliche Schatz der Wahrheit Gottes geschützt werde zusammen mit allem, was sie an ewig Gültigem im fruchtbaren Erdreich der christlichen Generationen im Lauf der Jahrhunderte hat keimen lassen. Also: nicht vorgefaßte Meinungen noch beklagenswerte Unwissenheit, sondern ständige Aufmerksamkeit auf das, „was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 2, 7), damit alles, was wirklich von ihm kommt, dem ganzen Gefüge des mystischen Leibes Christi zum Vorteil gereiche. 1615 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Die besondere Verantwortung des ganzen Episkopats 7. In diesem Zusammenhang muß auch die besondere Verantwortung unterstrichen werden, die der ganze Episkopat - „zusammen mit Petrus und unter Petrus“ - hinsichtlich des „depositum fidei“ hat, des Glaubensschatzes, den Christus der Kirche anvertraut hat, damit er unverkürzt bewahrt und die Unterweisung an alle Generationen der Menschen zu allen Zeiten weitergegeben wird. Wie sollten uns dabei nicht die ungewöhnlich eindrucksvollen Worte Jesu in den Sinn kommen, mit denen er im Augenblick seiner Rückkehr zum Vater von den Aposteln Abschied nahm? Sie enthalten eine genaue Weisung: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern . . . und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe“ (Mt 28,18 ff.). Alles! Kein Teil des überkommenen Glaubensgutes darf beiseitegelegt, entstellt oder vernachlässigt werden. Dessen eingedenk, richtet der Apostel Paulus an seinen Schüler Timotheus den kategorischen Imperativ: „Verwahre, was dir anvertraut ist!“ (i Tim 6,20) und schärft ihm ein: „Verkünde das Wort, tritt dafür ein, ob man es hören will oder nicht, weise zurecht, tadle, ermahne, in unermüdlicher und geduldiger Belehrung“ (2 Tim 4,2). Jeder Zeitabschnitt der Geschichte ist in der Tat der Versuchung ausgesetzt, „die gesunde Lehre nicht mehr zu ertragen“ und „sich nach eigenen Wünschen immer neue Lehrer zu suchen, der Wahrheit nicht mehr Gehör zu schenken, sondern sich Fabeleien zuzuwenden“ (vgl. 2 Tim 4,3 f.). Auch unsere Zeit ist dieser Versuchung ausgesetzt. Darum obliegt den Hirten und Führern des Volkes Gottes heute eine ganz bestimmte Pflicht, nämlich: die wahre Lehre des Evangeliums gegen alles zu verteidigen, was sie trübt und entstellt. Sicher, wir müssen imstande sein, das, was unsere Generation an Gutem zum Ausdruck bringt, anzuerkennen und anzunehmen, um es „zu reinigen, zu kräftigen und zu heben“. Das Konzil hat uns daran erinnert (vgl. Lumen gentium, Nr. 13). Wir müssen aber auch mit Mut das zurückweisen, was das Zeichen des Irrtums und der Sünde an sich trägt, was wesentliche Bedrohung für das Leben und die Moral des Menschen in sich schließt und was insgeheim gelenkt oder mit unverblümtem Zwang in der Gesellschaft sich ausbreitet und ein Anschlag auf die Würde der Person und auf die unverzichtbaren Rechte der einzelnen und der Völker ist. Die Kirche hat die Pflicht zu wachen, um die Unversehrtheit des Glaubens und der katholischen Lehre zu verteidigen und vor hinterhältigen 1616 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Verfälschungen zu warnen. Genau das ist ihr aufgetragen, und sie kann nicht darauf verzichten. 8. Der Hl. Stuhl kommt seinerseits dem Auftrag, das Glaubensgut zu fördern und zu schützen, vor allem mit Hilfe der Kongregation für die Glaubenslehre nach. Bekanntlich wurde nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Verfahrensweise, an die das Dikasterium sich bei der Überprüfung von Personen und Schriften hält, die seinem Urteil unterbreitet werden, etwas abgeändert in der Absicht, den betreffenden Personen Bürgschaft zu bieten: Der Schutz der Wahrheit, zu dem die Kirche die heilige und unverzichtbare Verpflichtung hat, wird ja nicht erreicht, wenn die Würde und die Rechte der Personen irgendwie übergangen werden. Wer die Dinge mit vorurteilsloser Objektivität betrachten will, wird, auch im Licht jüngster Ereignisse, anerkennen müssen, daß das genannte Dikasterium sich bei seinen Interventionen stets von strengen Kriterien der Achtung vor den Personen leiten läßt, mit denen es in Beziehung tritt. Es wäre zu wünschen, daß die letzteren eine ebenso achtungsvolle Haltung gegenüber dem Dikasterium einnähmen, wenn sie sich gelegentlich über dessen Handlungsweise privat oder öffentlich äußern. Und ein gleiches Prinzip sollte auch für jedes Glied des Gottesvolkes gelten, da dieses Dikasterium sich keine andere Aufgabe stellt, als das höchste Gut, das der Christ besitzt, nämlich seinen echten und unversehrten Glauben, vor drohendem Schaden zu bewahren. Es ist gewiß sehr wichtig, daß innerhalb der Kirche ein redlicher und offener Dialog zwischen den verschiedenen Gliedern des Volkes Gottes geführt wird. Aber dieser Dialog muß als ein Weg des Suchens nach dem, was wahr und richtig ist, verstanden werden und nicht als Gelegenheit, nachsichtig gegenüber Worten und Haltungen zu sein, die mit dem Geist eines echten Dialogs schwer vereinbar scheinen. Jeder muß sich beständig die Pflicht vor Augen halten, die er hinsichtlich der Wahrheit hat, besonders jener, die Gott geoffenbart hat und deren Hüterin die Kirche ist. <109> <109> Ehe ich schließe, möchte ich noch auf etwas hinweisen, was heute besonders stark empfunden wird, nämlich die „bevorzugte Option für die Armen“. Beim Zweiten Vatikanischen Konzil hat die Kirche feierlich erklärt, sie zu der ihrigen zu machen, als sie sagte: „Wie Christus ... so umgibt auch die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen“ (Lumen gentium, Nr. 8). 1617 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Diese Option, die heute besonders stark von den Episkopaten Lateinamerikas unterstrichen wird, wurde von mir wiederholt bekräftigt, nach dem Beispiel übrigens meines unvergeßlichen Vorgängers Papst Paul VI. Gern nehme ich diese Gelegenheit wahr, um nachdrücklich zu bestätigen, daß der Einsatz für die Armen ein vorherrschendes Motiv meiner Pastoraltä-tigkeit ist, die beständige Sorge, die meinen täglichen Dienst am Gottesvolk begleitet. Ich habe diese Option zu der meinigen gemacht und tue es weiterhin, ich identifiziere mich mit ihr. Und ich fühle, daß es nicht anders sein könnte, da dies ja die ewige Botschaft des Evangeliums ist: So hat es Christus getan, so haben es die Apostel Christi getan, und so hat es die Kirche im Lauf ihrer Geschichte von zwei Jahrtausenden getan. Angesichts der heutigen Formen der Ausbeutung der Armen kann die Kirche nicht schweigen. Sie erinnert auch die Reichen an ihre bestimmten Pflichten. Gestützt auf das Wort Gottes (vgl. Jes 5,8; Jer 5,25-28; Jak 5, 1.3-4), verurteilt sie nicht wenige Ungerechtigkeiten, die leider auch heute zum Schaden der Armen verübt werden. Ja, die Kirche macht die vorrangige Option für die Armen zu der ihren. Eine vorrangige Option, wohlgemerkt, nicht eine ausschließliche oder ausschließende Option, denn die Heilsbotschaft ist für alle bestimmt. Eine Option, die sich im übrigen wesentlich auf das Wort Gottes gründet und nicht auf Kriterien, die von Humanwissenschaften oder gegensätzlichen Ideologien angeboten werden und die die Armen oft nur in abstrakten sozialpolitischen oder wirtschaftlichen Kategorien sehen. Es ist so, wie ich kürzlich in Santo Domingo gesagt habe: „Der Papst, die Kirche und die Hierarchie wollen weiterhin um die Sache der Armen bemüht sein, um ihre Würde, ihre Förderung, ihre Personenrechte, ihr Streben nach unaufschiebbarer sozialer Gerechtigkeit“ (O. R. dt, 2. 11. 84, S. 9). <110> <110> Der Hl. Stuhl, der aufgrund der ihm anvertrauten besonderen Mission aus der Nähe an den Erfahrungen der Kirche in den verschiedenen Teilen der Welt Anteil nimmt, weiß, daß die Formen der Armut, denen der Mensch heute unterworfen ist, vielfältig sind, und er fühlt sich auch diesen anderen Formen der Armut gegenüber moralisch verpflichtet. Neben der Armut, gegen die ich bei den Bischofskonferenzen von Medellin und Puebla die Stimme erhoben habe, und in gewissem Sinn dieser Armut gegenübergestellt, gibt es die Armut, die aus dem Mangel an geistlichen Gütern herrührt, auf die der Mensch von Natur aus ein Recht hat. Ist denn der Mensch nicht arm, der von seinesgleichen in seiner inneren Beziehung zur Wahrheit, in seinem Gewissen, in seinen persönlichsten Überzeugungen, in seinem religiösen Glauben verletzt wird? 1618 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Daran habe ich auch in meinen früheren Äußerungen erinnert, in besonderer Weise in der Enzyklika Redemptor hominis (Nr. 17) und in der Ansprache, die ich 1979 vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen gehalten habe (Nr. 14-20), als ich von den Verletzungen sprach, die heute dem Menschen im Bereich seiner geistlichen Güter zugefügt werden. Es gibt nicht nur die Armut, die den Leib trifft, sondern auch eine andere, gefährlichere, die das Gewissen trifft und das innerste Heiligtum der Würde der Person verletzt. In diesen Zusammenhang der echten Option der Kirche für die Armen gehört auch ein Ereignis, das in diesem Jahr große Resonanz gefunden hat, nämlich die Veröffentlichung der Instruktion über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung“. Das Dokument stellt sich — anders als einige verzerrte Interpretationen es behaupten - nicht nur nicht in Gegensatz zur Option für die Armen, sondern ist vielmehr eine echte Bestätigung dieser Option, zu der es gleichzeitig eine Klarstellung und Vertiefung gibt. Evangelium nicht nur auf sozialpolitische Dimension einengen Indem die Instruktion das innere und wesentliche Band ins Licht stellt, das die Freiheit notwendig mit der Wahrheit verbindet, nimmt sie die Armen in Schutz vor illusorischen und gefährlichen ideologischen Befreiungsvorschlägen, die, von wirklichen und dramatischen Elendssituationen ausgehend, aus ihnen und ihren Leiden nur einen Vorwand für neue, und manchmal noch schwerere Unterdrückungen machen würden. Wenn die Botschaft des Evangeliums auf die lediglich sozialpolitische Dimension eingeengt wird, beraubt man die Armen dessen, was eines ihrer vornehmsten Rechte bildet: des Rechts nämlich, von der Kirche das Geschenk der vollen Wahrheit über den Menschen und über die Gegenwart des lebendigen Gottes in ihrer Geschichte zu empfangen. Die Beschränkung des menschlichen Daseins einzig auf die politische Sphäre bildet nicht nur eine Bedrohung in der Dimension des Habens, sondern auch in der des Seins. Wie die Instruktion es zu Recht bekräftigt, kann allein die vollständige Heilsbotschaft auch die vollständige Befreiung des Menschen gewährleisten (XI, 16). Um dieser Befreiung willen hat sich die Kirche den Armen an die Seite gestellt und stellt sich ihnen weiterhin an die Seite. Sie macht sich zur Anwältin ihrer mißachteten Rechte, sie regt Sozialwerke aller Art an, um ihnen Schutz und Verteidigung zu bieten und verkündet das Wort Gottes, das alle zu Versöhnung und Buße einlädt. Nicht zufällig weist das Apostolische Schreiben, das ich kürzlich im Licht der Beschlüsse herausgegeben 1619 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN habe, zu denen die sechste Vollversammlung der Bischofssynode gekommen ist, wieder auf das grundlegende Thema des Evangeliums, die Bekehrung des Herzens, hin in der Überzeugung, daß die erste Befreiung, die dem Menschen zuteil werden muß, die Befreiung von dem moralischen Übel sein muß, das sich in seinem Herzen einnistet, denn da liegt auch der Grund für die „soziale Sünde“ und für jede unterdrückende Struktur. 11. In diesem Einsatz für die Befreiung des Menschen von den verschiedenen Formen der Armut, die seine volle Verwirklichung zurückdrängen, öffnet sich die Kirche dem Dialog mit allen in einer Haltung der Redlichkeit und des Vertrauens. Sie hat diesen ihren Willen schon durch Papst Johannes XXIII. ausgesprochen, der immer bestrebt war, lieber das zu suchen, „was die Menschen eint, statt dessen, was sie trennt“. Sie hat es erneut mit der Stimme Pauls VI. gesagt, der diesem Thema seine erste Enzyklika Ecclesiam suam widmete. Und schließlich hat sie es mit besonderer Autorität im Zweiten Vatikanischen Konzil bezeugt. Nach dessen Aussagen kann die „Verbundenheit, Achtung und Liebe“ der Kirche gegenüber der ganzen Menschheitsfamilie „nicht beredter bekundet werden“ als dadurch, daß sie „mit ihr in einen Dialog eintritt“, der sich auf die Würde der menschlichen Person und den letzten Sinn des menschlichen Schaffens in der Welt gründet (vgl. Gaudium etspes, Nr. 3 und Nr. 40). Derjenige, der heute aufgrund des unerforschlichen göttlichen Plans auf der Cathedra des Petrus sitzt, bestätigt seinen Willen, den Weg eines achtungsvollen und redlichen Dialogs mit der heutigen Welt und den Instanzen, die sie vertreten, fortzusetzen, denn er vertraut auf die Möglichkeiten des Guten, die der menschlichen Natur angeboren sind, und auf die erneuernde Kraft der Erlösung durch Christus, die in der Geschichte wirksam ist. Es ist wirklich meine tiefe Überzeugung - und ich habe es in der Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 ausgesprochen -, daß „der Dialog ein zentrales und unerläßliches Element im ethischen Denken der Menschen ist, wie auch immer sie geartet sein mögen“ (Nr. 6). Denn dieser Dialog kann noch immer seine Früchte bringen, man darf nur nicht in die Kompetenzen anderer eingreifen, und die Kirche muß ihre Identität und ihre Freiheit bewahren. Sie darf ja „in keiner Weise hinsichtlich ihrer Aufgabe und Zuständigkeit mit der politischen Gemeinschaft verwechselt werden, noch (ist sie) an irgendein politisches System gebunden“, und gerade darum bleibt sie „Zeichen und Schutz der Transzendenz der menschlichen Person“ (Gaudium et spes, Nr. 76). 1620 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 12. Durchdrungen vom Licht und der Wärme, die aus diesen Wahrheiten strömen, setzen wir den Fuß auf die Schwelle der Hütte von Betlehem. Er, der dort in Armut geboren wird, bittet uns, Gedanken und Herz den verschiedenen Formen der Armut zuzuwenden, die heute den Menschen belasten: Er fordert uns auf, ihm entgegenzugehen. „Jesus Christus ... ist unseretwegen arm geworden, damit wir durch seine Armut reich würden“ (vgl. 2 Kor 8, 9). Nur wenn wir Christus in unserem Leben und im Leben unserer Gemeinschaften Raum geben, werden wir das Problem der uns vielfältig bedrük-kenden Armut lösen können: Wir werden wirklich „reich“, das heißt voll und ganz Menschen werden können. Das eigentliche Problem bleibt also dieses: Christus Bürgerrecht geben in den verschiedenen „Welten“, aus denen sich die heutige Welt zusammensetzt. Er und er allein besitzt das Geheimnis, all unsere Armut zu füllen und in unseren Herzen die Freude des wahren Reichtums zu wecken, und das ist schließlich der Reichtum der Liebe. Von dieser Freude lasse er eure Herzen überströmen, ehrwürdige Brüder, und ebenso die Herzen eurer Mitarbeiter. Weihnachten möge euch und ihnen, den Söhnen und Töchtern der Kirche und allen Männern und Frauen auf Erden einen Vorgeschmack des unaussprechlichen Friedens jener neuen Welt schenken, zu der die Geburt des Sohnes Gottes in der Zeit den glücklichen und unwiderruflichen Anfang gesetzt hat. Die heilige Jungfrau, die das fleischgewordene Wort in ihrem Schoß trug, mache uns bereit, es mit lebendigem Glauben und dankbarer Liebe aufzunehmen. Allen frohe Weihnachten! „Erschienen ist die Gnade“ Predigt in der Christmette im Petersdom am 24. Dezember 1. „Apparuit gratia . . .“ - „Erschienen ist die Gnade . . .“ An euch alle, die ihr in dieser Basilika versammelt seid, richtet der Bischof von Rom und Diener der Diener Gottes seinen herzlichen Gruß. Ebenso grüßt er alle, die an so vielen Orten der Erde in dieser Nacht Zusammenkommen. Uns alle eint die Nacht von Betlehem. Jedes Jahr die gleiche Nacht! Über Jahrhunderte und Generationen hindurch erinnern wir uns daran mit der 1621 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN gleichen frohen Hoffnung, wie sie dem „Herzen des Menschen“ auf seinem irdischen Weg eingeschrieben ist. „Erschienen ist die Gnade . . . Erschienen ist die Gnade Gottes . . . Erschienen ist die Gnade Gottes, unseres Erlösers.“ Unseretwegen ist die Nacht heilig. 2. Was ist diese Gnade, die erschienen ist? Wir stellen diese Frage an diese Nacht, an die Nacht von Betlehem. Zunächst einmal gleicht diese Nacht so vielen anderen Nächten, die rund um die Erde in festem Rhythmus aufeinanderfolgen. Aber nur scheinbar ist die Nacht wie so viele andere; denn nur in jenem kleinen Winkel der Welt, in der Nähe von Betlehem, im Süden von Jerusalem, hat sich die Finsternis der Nacht in Licht verwandelt. In diesem Licht vollzog sich das göttliche Geheimnis, das zugleich zittern macht und jubeln läßt: Der Glanz des Herrn umstrahlte die Hirten, die in jener Gegend Nachtwache bei ihrer Herde hielten, so daß sie sich sehr fürchteten. Das Licht wird zur Stimme: „Fürchtet euch nicht. . .: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren . . . große Freude verkündige ich euch also“ {Lk 2,10-11). Erschienen ist die Gnade . . . „Puer natus est nobis - ein Kind ist uns geboren!“ Licht und Stimme geben den Ort und die Bedeutung seiner Geburt an. 3. Es war eine wirkliche Geburt. Eine Geburt im Stalle, wie er den Tieren dient: Denn in keinem Menschenhaus gab es Platz für das Kind. Es ist geboren während der Steuererfassung des Volkes Israel, als Kaiser Augu-stus an der Spitze des römischen Reiches stand und Quirinius Statthalter von Syrien war. Das Kind, das geboren wurde, gehörte zum Stamme Davids; darum kam es eben auch in Betlehem zur Welt, der „Stadt Davids“. Geboren wurde es von der Jungfrau. Ihr Name war Myriam oder Maria. Sie war mit Joseph verlobt, aus der Familie Davids. Beide kamen sie aus Nazaret. Aus der Mitte des großen Lichtes, das sie umstrahlt, hören die Hirten diese Worte: „Ihr werdet ein Kind finden, das, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegt“ {Lk 2,12). Und so war es auch. Erschienen ist die Gnade . . . 1622 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 4. Gnade! Was ist diese Gnade? Der Prophet sagt: „Puer natus est nobis, filius datus est nobis - ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns geschenkt.“ In diesem Kind, von der Jungfrau geboren, ist uns der Sohn geschenkt. Jungfrau ist seine Mutter. Auf Erden hat er keinen Vater. Vor aller Zeit ist er geboren; und fortwährend, jenseits aller Zeit, wird er geboren: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott; gezeugt, nicht geschaffen; eines Wesens mit dem Vater. In dieser Nacht ist er uns geschenkt worden: geschenkt in seiner irdischen Geburt aus der Jungfrau, durch seine Geburt in der Nacht von Betlehem, durch seine Geburt in Armut. So ist er uns geschenkt worden! Gnade - das ist eben Geschenk. Das Geschenk Gottes an die Kreatur, an den Menschen: Was göttlich ist, verschenkt sich an das, was menschlich ist. In dieser Nacht ist solche Gnade offenbar geworden: apparuit - sie ist erschienen. In ihrer endgültigen Dimension hat sie sich gezeigt. Gott schenkt sich selbst im Sohn: im ewigen Sohn, der eines Wesens mit dem Vater ist. Er schenkt sich selbst durch den Heiligen Geist, den die Jungfrau von Nazaret bei der Verkündigung empfangen hat. Erschienen ist die Gnade. Gott verschenkt sich aufgrund seiner unendlichen Liebe: „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16). Gott schenkt sich selbst nicht nur in unsichtbarer Weise, im Innern des menschlichen Herzens. Er verschenkt sich auch in offenkundiger Weise: In der Tat „enthüllt“ er das ewige Geheimnis seiner Liebe in der Finsternis dieser Nacht von Betlehem. 5. Erschienen ist die Gnade unseres Erlösers ... In der Nacht von Betlehem naht sich Gott dem Menschen mit dem Programm eines neuen Lebens: „ . . . uns von der Gottlosigkeit und den irdischen Begierden loszusagen und besonnen, gerecht und fromm in dieser Welt zu leben“, wie der hl. Paulus schreibt (Tit 2,12). Genau das ist auch das Programm unserer erhofften Erlösung: Der Sohn, uns geschenkt in dieser Nacht von Betlehem als Kind, das in einer Krippe liegt, wird sich selbst für uns dahingeben, „um uns von aller Schuld zu erlösen und sich ein reines Volk zu schaffen, das ihm als sein besonderes Eigentum gehört und voll Eifer danach strebt, das Gute zu tun“ (77t2,14) - das neue Volk Gottes. So erweist sich die Herrlichkeit Gottes selbst. 6. Erschienen ist die Gnade . . . Dies alles ist in jener Nacht offenkundig geworden. Zugleich aber verbirgt es die Nacht von Betlehem in ihrer geheimnisvollen Dunkelheit. Nur 1623 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Maria und Josef und mit ihnen einige Hirten gelangten in die Mitte des Lichtes, das jene Nacht durchdrang. 7. So war es damals . . . Fast 2000 Jahre trennen uns nun schon von diesem „Damals“. Aber seht: Immer noch kommen wir, immer wieder versammeln wir uns zur Mitternacht und rufen uns von weither diese eine und einzige Nacht in der Geschichte des Menschen in Erinnerung. Wir gehören zu der Generation, die ihren Schwerpunkt ganz offen von Gott auf die Welt verlegt hat, von der Ewigkeit auf die Zeitlichkeit. „Das Volk, das im Finstern geht“ - „Bewohner eines dunklen Landes“. Einige meinen: Sind wir nicht vielleicht schon jenseits des Christentums angelangt? Einige haben aus der Gottlosigkeit ein Programm des menschlichen Fortschritts gemacht. Aber dieser angebliche „Fortschritt“ hat tatsächlich auch zu einer ständigen atomaren Bedrohung geführt und zu Formen einer Ausbeutung des Menschen und eines Verlustes der Werte, die dem Leben seinen Sinn geben, ohne dabei die Geißel des Hungers zu beseitigen, von der bestimmte Gegenden der Erde so dramatisch betroffen sind. „Das Volk, das im Finstern geht“: Finsternisse einer jeden Epoche. Und doch gibt es jedes Jahr wieder diese Nacht. Die gleiche Nacht von Betlehem an allen Orten der Erde. Und wir kommen hier zusammen. Wir sind hier beim menschgewordenen Wort Gottes, wie Maria und Josef, um mit offenem Herzen die Botschaft der Hoffnung aufzunehmen, die die Weihnacht auch heute der Menschheit bringt. Erschienen ist die Gnade! „Solidarität mit den Armen der heutigen Welt“ Weihnachtsbotschaft vor dem Segen „Urbi et Orbi“ auf dem Petersplatz am 25. Dezember 1. Dich, der Du reich warst, aber für uns arm geworden bist, um uns alle reich zu machen (vgl. 2 Kor 8,9); Dich, Jesus Christus, in der Nacht von Betlehem geboren in einem Stall und in eine Krippe gelegt, weil in der Herberge kein Platz für Dich war (vgl. Lk 2,7). 1624 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Dich, Sohn des lebendigen Gottes, eines Wesens mit dem Vater, nicht geschaffen, sondern gezeugt von Ewigkeit her; Dich, ewiges Wort, Gott von Gott, Licht vom Licht: Dich grüßen heute die Kirche und die Menschheit, die Stadt Rom und der ganze Erdkreis -Urbs et Orbis. Auf Dich hin sind die unruhigen Herzen der Menschen von heute gerichtet, wenn sie das Geheimnis Deiner Geburt betrachten. 2. Du bist arm geworden: arm in der Nacht von Betlehem, arm im Haus von Nazaret, von allem entblößt in der Stunde Deines Todes am Kreuz. Jesus Christus! Du allein hast sagen können: „Selig ihr Armen . . .“ (Lk 6, 20); „selig, die arm sind vor Gott“ (Mt5,3). So hast Du sprechen können, weil nur Du wußtest, wie arm ein Mensch werden muß, um reich werden zu können an jenem Reichtum, den Gott dem menschlichen Herzen schenkt. 3. So betrachten wir in der Nacht von Betlehem eines jeden Jahres mit tiefem Staunen das Geheimnis Deiner Geburt. Wie arm ist dabei Gott geworden! Wie reich ist dabei der Mensch geworden! Gepriesen sei die Armut Gottes, die zur Quelle einer unermeßlichen Bereicherung des Menschen wurde! 4. „Selig, die arm sind vor Gott“: Das sind Worte aus dem innersten Herzen des Evangeliums, seit jener Nacht von Betlehem; Worte, die zum heiligsten Erbe der Kirche gehören. Stets müssen wir die atemberaubende Wahrheit bekennen, die jene Worte zutiefst enthalten. Immer wieder können wir diese Wahrheit neu erfassen, wenn wir das Geheimnis der Nacht von Betlehem betrachten, wenn wir das gesamte Lebenszeugnis dessen vernehmen, der keinen Ort hatte, wo er sein Haupt hätte hinlegen können (vgl. Mt 8,20), wenn wir schließlich auf das Kreuz schauen, an dem er sich von allem entäußerte, um den Menschen vollkommen und endgültig reich zu machen. Diese Wahrheit erfassen wir immer wieder neu, um mit reinem Herzen und großer Zuversicht so gesinnt zu sein wie Jesus Christus (vgl. Phil2,5) und um niemals der vielfältigen Versuchung des Materialismus nachzugeben, der den Kern gerade dieser Wahrheit trifft: „Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.“ 1625 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 5. Diese Wahrheit wollen wir immer wieder neu erfassen: - um aus ihr Kraft zu gewinnen und unsere Demut zugleich vor ihr zu bekennen; - um jeder Umwälzung oder Systemänderung mit dem Evangelium von der Menschenwürde, von der menschlichen Arbeit und von der solidarischen Liebe begegnen zu können; - um aus der Kraft dieser Wahrheit und in aller Demut vor ihr Zeugnis ablegen zu können gegenüber all denen, die in jedem Beruf, in jedem Lebensstand und in jeder Tätigkeit „arm sind vor Gott“ und denen deshalb das Himmelreich gehört, das Reich des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. 6. Gibt es heute nicht überall in der Welt viele „reiche“ Menschen, die in Wirklichkeit furchtbar arm sind? Gibt es nicht Menschen, reich an materiellen Gütern, reich an Macht, reich an Ansehen . . ., die doch arm sind? Arm wegen jener großen Leere ihres Herzens, das sich Gott und dem Nächsten nicht geöffnet hat! Und gibt es nicht arme Menschen, die materiell benachteiligt, verfolgt, unterdrückt, diskriminiert . . . und doch reich sind? Reich an jenem inneren Reichtum, der geradewegs dem Herzen des Gottmenschen entspringt, dem Geheimnis der Geburt Gottes! 7. Die Kirche, unterwegs in einer Welt, in der es soviel Ungleichheit, Unterdrückung und Kampf gibt, in einer Welt, die gespalten ist zwischen West und Ost, zwischen Süd und Nord, diese Kirche steht heute vor Dir, dem Gottessohn, aus Maria, der Jungfrau, geboren und Sohn des Zimmermanns, und möchte aufs neue im Geheimnis der Nacht von Betlehem den Sinn ihrer Sendung in der Welt erkennen. In Dir, der für uns arm geworden ist, möchte die Kirche von neuem die Kraft jener Seligkeit der Armen entdecken, der Armen vor Gott, denen das Himmelreich gehört; und sie möchte ihr treu bleiben! In der Kraft dieser Seligkeit will sie die Menschen, die Gemeinschaften und die Systeme verändern, möchte sie „die neue Erde und den neuen Himmel“ schaffen, in denen Gerechtigkeit und Frieden wohnen. „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Frieden bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). <111> <111> Im vollen Bewußtsein dieser Sendung und in der Kraft der Wahrheit jener Seligkeit, die Du in Deiner Geburt als Sohn Gottes und als Sohn des Menschen verkündet hast, möchten wir in besonderer Weise unsere 1626 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN brüderliche Verbundenheit mit allen Menschen bekennen, und vor allem mit denen, die leiden, weil es ihnen am Nötigsten fehlt, mit der großen Menge der Armen also. Diese Menge folgt - vielleicht ohne es zu wissen - Dir, ja Dir, dem Guten Hirten, dem Sohn Gottes, der für uns arm geworden ist, damit wir durch seine Armut reich würden. Die vergangenen Tage haben uns trostvolle Zeichen für eine erneuerte soziale Sensibilität bei Bürgern und Politikern gegeben. In der Freude über den Beitrag, den zivile Autoritäten, kirchliche Einrichtungen und private Institutionen gegenwärtig für den Kampf gegen den Hunger geben, bezeigen wir erneut unsere Solidarität mit der riesigen Menge von Armen, unsere Solidarität mit ihren Rechten, mit ihren Hoffnungen. Wir bekunden unsere Solidarität mit allen Armen der heutigen Welt, mit ihren Leiden, die uns jeden Tag in dramatischer Weise aktuell und konkret vor Augen geführt werden. - mit den Völkern Äthiopiens, Mosambiks und anderer Regionen Afrikas, die durch die Geißel von Dürre und Hungersnot dahingerafft werden, und mit allen, die auch in anderen Gegenden der Welt an Hunger sterben; - mit den Tausenden von Flüchtlingen, die gezwungen sind, außerhalb ihres Heimatlandes zu leben wie Christus, oft ohne ein Dach über dem Kopf und unter menschenunwürdigen Bedingungen. - mit den Arbeitslosen in ihrem Warten auf eine Beschäftigung, die es ihnen ermöglicht, sich einen gerechten Unterhalt zu verschaffen und einen eigenen Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft zu leisten; - mit den Menschen, die durch Krankheit, Alter oder Unglück den bitteren Kelch der Einsamkeit und Verlassenheit auskosten müssen. Wir bekunden ferner unsere Solidarität: - mit den Witwen und Waisen, welche ihre Männer und Väter beweinen, die ihnen heimtückisch entrissen wurden und nie mehr nach Hause zurückgekehrt sind; - mit allen Opfern der Gewalt. Wir denken vor allem an die italienischen Familien, die sich wegen des furchtbaren Terroranschlags vor zwei Tagen auf den Schnellzug Neapel - Mailand in Trauer befinden, und richten ein Wort des Trostes an die zahlreichen Verletzten; - mit den Angehörigen all jener, die ihren Einsatz in der Verkündigung des Evangeliums und für die Verwirklichung der Soziallehre der Kirche mit dem Leben bezahlt haben; - mit den Opfern von Entführungen, die sich heute noch in den Händen ihrer Entführer befinden; 1627 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN - mit den Familien, die an der moralischen Auflösung leiden, welche die menschenverachtende Konsumgesellschaft ihnen gebracht hat; - mit allen, die darum ringen, dem Sog der Drogen, der Gewalt, der Kriminalität zu entkommen. Wir bekunden schließlich unsere Solidarität mit den Opfern aller anderen Arten von Armut, welche die Ebene der geistigen und sozialen Werte der Person betreffen: - mit allen, denen das Recht auf Bewegungsfreiheit, auf persönliche Sicherheit, auf das Leben selbst vorenthalten wird; - mit allen, die aus nationalen oder rassischen Gründen von der gleichen Würde ausgeschlossen werden, die sie zusammen mit den anderen Männern und Frauen desselben Landes besitzen; - mit allen, die ihre Meinung nicht frei aussprechen, noch ihren religiösen Glauben frei bekennen und ausüben können; - mit allen, die ihre berechtigte ideologische Abweichung von ihrem Regime mit gesellschaftlicher Achtung oder sogar mit dem Gefängnis bezahlen müssen; - mit allen, welche psychologischen Gewaltanwendungen unterworfen sind, die das innerste Heiligtum des Gewissens verletzen, indem sie die Würde der Person in schändlicher Weise mißachten. Vor Dir, dem ewigen Wort Gottes, das in einem elenden Stall geboren werden wollte, um die Menschen mit seiner Göttlichkeit zu beschenken, erneuert die Kirche ihre vorrangige Entscheidung für die Armen. Sie betet darum, daß das Licht aus der Krippe die Finsternis von Irrtum, Haß und Egoismus, die über den Herzen der Menschen liegt, vertreibe und sie dafür gewinne, sich für eine Welt einzusetzen, in der die Werte der Gerechtigkeit und Liebe mehr und mehr von allen Seiten angenommen und verwirklicht werden und so jenem Frieden den Weg bereiten, den die Engel am Himmel von Betlehem zur Freude und Hoffnung aller verkündet haben. 1628 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wichtiger Platz Belgiens in Europa Ansprache an den neuen Botschafter Belgiens beim Hl. Stuhl, Baron Alexandre Paternotte de La Vaillee, am 29. Dezember Herr Botschafter! Groß ist meine Freude, den verdienten Vertreter Seiner Majestät König Baudouin I. willkommen zu heißen, der Ihnen als dem Nachfolger Seiner Exzellenz Baron Rittweger de Moor die Erfüllung dieser vornehmen Mission beim Apostolischen Stuhl anvertraut hat. Sie werden heute empfangen, und Sie werden stets mit gleicher Achtung und gleichem Interesse empfangen werden. Ihre ersten Worte, die ich lebhaft schätze, haben mir die große Freude Ihrer Königlichen Hoheiten im Hinblick auf die Pastoraireise zum Ausdruck gebracht, die ich im kommenden Mai, der Einladung der Bischöfe Ihres Landes folgend, durch Belgien unternehmen werde. Eure Exzellenz mögen die Freundlichkeit haben, dem König und der Königin, deren kindliche Anhänglichkeit mich tief berührt, zu versichern, daß ihre Hoffnungen und Wünsche hinsichtlich dieses Besuches bei den Katholiken und beim ganzen belgischen Volk in meinem Priesterherzen ein starkes Echo gefunden haben. Der Hl. Stuhl blickt stets mit Achtung und Sympathie auf das belgische Volk, bei dem jedes Gemeinwesen mit dem Ausdruck seiner Kultur - ja, man könnte sagen, jede Stadt - reich ist an einer langen Geschichte. Die christlichen Überlieferungen haben seine Bräuche, seine Kunst und seine Seele geprägt. Und wie könnte man übersehen, welchen Platz Belgien in Europa einnimmt, zumal mehrere europäische Institutionen hier ihren Sitz haben? Jeder weiß überdies um den Einfluß, den das belgische Volk weiterhin in verschiedenen Kontinenten - besonders in Afrika - vor allem durch seine Kultur und durch das Wirken seiner zahllosen Missionare ausübt. Das bedeutet, daß Ihr Land seine spezifische Rolle in der Völkergemeinschaft spielt, und auch hier in Rom wird die Anwesenheit der Söhne und Töchter Belgiens hoch geschätzt. Ihre Mission beim Hl. Stuhl, Herr Botschafter, wird - und ich wünsche Ihnen das von Herzen - eine neue Erfahrung sein im Vergleich mit den bedeutenden Aufträgen, die Sie vorher erfüllt haben. Die diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl einerseits und den Staaten oder internationalen Instanzen anderseits, die eine diesbezügliche Absicht äußern, sind nicht als Abkommen politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Art zu betrachen, so nützlich und notwendig sie auch sein können. Diese Beziehungen sind absolut einzigartig. Jeder aufmerksame 1629 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN und objektive Beobachter kann feststellen, daß das bestimmende Prinzip für diese Beziehungen auf die bekannte Antwort zurückgeht, die Christus selbst denen gab, die ihn in Verlegenheit bringen wollten: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“ (vgl. Mt 22,21). In der Tat läßt die Unterscheidung der beiden Bereiche des Geistlichen und des Zeithehen Möglichkeiten und selbst Notwendigkeiten zu Dialog und Zusammenarbeit offen, wenn es um das Wohl der Menschen und Völker geht. Es handelt sich darum, durch einen solchen Dialog ein für Frieden und Gerechtigkeit günstiges Klima zu schaffen. Auf menschlicher Ebene kann es aber auch gegenseitige Untersützung sein, in gemeinsamen, unvorhergesehenen Notfällen Hilfe zu leisten, Sanitätsprogramme zu entwerfen und durchzuführen, Elendssituationen in bestimmten Gegenden wirksam entgegenzutreten, Projekte zur Alphabetisierung und zur Bodenverbesserung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu koordinieren, völkische Minderheiten zu schützen, Werte der Familie und kostbare Güter dieser oder jener Kultur zu retten und vor allem die Entfaltung der Menschen ihrer geistigen Berufung entsprechend zu fördern. Die Kirche hat den ehrlichen Willen, die Autonomie der Regierungen zu respektieren, kann aber dabei - vor allem auf der Ebene der diplomatischen Beziehungen, die der Hl. Stuhl mit einer Anzahl von Staaten angeknüpft hat - nicht stumm bleiben angesichts der ethischen und geistlichen Werte, die ihr, dessen ist sie sicher, als Güter anvertraut wurden und zu deren Ausbreitung sie gesandt ist. Wie Eure Exzellenz selbst betont haben, stimmen diese Güter in der Tat mit den Erfordernissen der Würde jeder menschlichen Person überein, mit eben den Rechten und Freiheiten, die die Grundlage einer gesunden Gesellschaft bilden, und mit der Suche nach wahrem Fortschritt auf den Wegen der Toleranz, der gegenseitigen Unterstützung und damit der Gerechtigkeit und der Brüderlichkeit. Solche diplomatischen Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und der zivilen Gesellschaft, mit ihren sichtbaren oder mehr verborgenen, rasch oder langsam reifenden Früchten, liegen ganz auf der Linie des wichtigen Dokuments Gaudium et spes des Zweiten Vatikanischen Konzils. Sie sind eine besondere Weise der Präsenz der Kirche in der Welt. In Belgien haben die Kirche und der Staat immer diesen Stil der gegenseitigen Beziehungen angewandt. Darum wird der Hl. Stuhl auch immer gern Ihre Bemerkungen und Vorschläge entgegennehmen, sooft Sie es für gut halten, ihm solche zum Wohl Ihrer Nation und, noch umfassender, zum 1630 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN Wohl der Völkergemeinschaft zu unterbreiten. Und der Apostolische Stuhl wird Ihnen immer dankbar sein, wenn Sie auf der Ebene Ihrer Regierung die Überzeugungen und Wünsche Vorbringen, die seiner heiligen Mission in der Kirche als der Begleiterin und Erzieherin des menschlichen Gewissens entsprechen. Ich möchte hier nicht die größten Sorgen aufzählen, erlaube mir aber doch den um jeden Preis zu wahrenden Frieden in Gerechtigkeit zu erwähnen. Jede Nation kann und muß dazu beitragen, vorausgesetzt, daß sie die Imperative annimmt: den Dialog, die Achtung der anderen und das Teilen mit den Völkern in Not. Ich wünsche von Herzen, daß Ihr bereits so verdienstvolles Land auch weiterhin seine Rolle erfülle in dem ständig in Angriff zu nehmenden Aufbau einer Welt der Gerechtigkeit und des Friedens. Und im Hinblick auf Sie selbst, Herr Botschafter, füge ich herzliche Wünsche hinzu für die glückliche und fruchtbare Erfüllung einer Mission, der Sie sich, dessen bin ich gewiß, mit ganzem Herzen widmen werden und die anderseits auch Ihnen die Freude schenken wird, das Antlitz der Kirche noch genauer kennenzulernen. Auf Sie wie auch auf das mir teure belgische Volk - dem zu begegnen ich bald das große Glück haben werde, wenn ich als Bischof von Rom mit dem Auftrag komme, den Glauben zu stärken und über die christliche Einheit zu wachen - rufe ich von ganzem Herzen die Hilfe und den Schutz Gottes herab. Zeit für Gewissenserforschung Predigt beim Jahresschlußgottesdienst in der römischen Kirche II Gesü am 31. Dezember 1. „Am Anfang war das Wort. . . Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist“ (Joh 1,1.3). Heute, am letzten Tag des Jahres, kommen wir hierher in die Kirche II Gesü, um uns noch einmal auf diese wunderbaren Worte aus der Liturgie der Gottesgeburt, auf die Worte aus dem Prolog des Johannesevangeliums zu besinnen. Gerade heute, da das Jahr endet, da sein Zeitabschnitt zum Abschluß kommt, spricht dieses Zeugnis vom „Anfang“ in ganz besonderer Weise zu uns. Und es spricht nicht nur von dem „Anfang“, der zu seinem „Ende“ kommt - wie dieses Jahr vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1631 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 1984 seinen Verlauf genommen hat sondern vom Uranfang, der keinen Beginn und kein Ende kennt. Dieser Anfang ist in Gott. Er selbst - ohne Anfang - ist „Alpha und Omega“, „Anfang und Ende“, von allem. In seine Ewigkeit ist alle erschaffene Zeit eingeprägt, also auch unsere menschliche Zeit und dieses Jahr 1984, das sich neigt und das in der universalen Dimension des irdischen Zeitablaufs ein menschliches Zeitmaß ist. Gott ist Ewigkeit. In dieser Ewigkeit „ist das Wort bei Gott, und das Wort ist Gott“. Es ist der eine Gott in der unergründlichen Gemeinschaft des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. 2. Die Liturgie in der Oktav der Geburt des Herrn erlaubt es uns, unsere menschliche Zeit auf die Ewigkeit Gottes zu beziehen. Sie läßt uns im ewigen Wort all das wiederfinden, was diese Zeit in sich schließt, denn: „Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben . . .“ Beim Hören des Evangeliums tritt unser Denken in die kosmische Dimension ein; „alles“ heißt: das ganze Universum. Unsere menschliche Zeit geht mit der Zeit des Universums vorüber. Die Kosmologen und Physiker machen sich Gedanken über seine Entwicklung und fragen sich: In welche Richtung bewegt sich diese sichtbare Welt, an deren Grenzen - in Zeit und Raum - wir mit Hilfe der modernsten Fernrohre zu gelangen suchen? Und der Evangelist sagt: „Alles ist durch es geworden“; „durch es“ heißt: durch das „Wort“, das mit dem Vater und dem Heiligen Geist eines Wesens ist. Alles also war in ihm, ehe es unsere sichtbare Welt, unser Universum, wurde. 3. Beim Hören des Evangeliums tritt unser Denken zugleich - und vor allem - in die anthropologische Dimension ein. Der Mensch ist das Zentrum des sichtbaren Universums, er ist die Krone der Schöpfung . . . Das ewige Wort spiegelt sich vor allem im Menschen wider. Als ewiges Licht erleuchtet dieses Wort „jeden Menschen, der in die Welt kommt“. Eben dieses Wort, der Sohn, der mit dem Vater eines Wesens ist, „kam in sein Eigentum, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Dieser göttliche „Kairos“ dauert fort. Bestehen bleibt die Zeit des fleischgewordenen Wortes; sie dauert in der Menschheit fort durch die Kirche. Wir sind die Kirche. Wie nun ist durch uns, in der großen Menschheitsfamilie, Christus, das menschgewordene Wort, gegenwärtig? Sehen wir „seine Herrlichkeit, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“? Empfangen wir aus seiner Fülle „Gnade über Gnade“? (nach den Worten des Evangeliums). In der Tat gab uns ja 1632 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN das Wort, der Ewige Sohn, „die Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12). 4. Immer wieder stellt sich die Kirche diese Fragen. Fragen, die besonders in einem Augenblick wie diesem wach werden. Es ist ja heute auch ein Tag, der für eine Gewissenserforschung besonders geeignet ist, ein Tag für besonders grundlegende Fragen, stehen wir doch mit unserer flüchtigen Zeit vor der Ewigkeit Gottes, vor dem Wort, das Fleisch wurde. Die Kirche stellt die gleichen Fragen auch der Menschheit und der Welt, denn die Kirche des menschgewordenen Wortes ist ebenso die Kirche der Geschichte und daher auch die Kirche des Jahres 1984. Auch die Kirche in Rom, die Kirche der Apostel Petrus und Paulus, stellt sich diese Fragen, und sie stellt sie der Gemeinde dieser außergewöhnlichen Stadt. 5. Ein Ereignis von besonderer Bedeutung war im Verlauf des zu Ende gehenden Jahres der Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung am Ostersonntag. Rom hat sich zu diesem außerordentlichen Ereignis den Pilgern aus aller Welt geöffnet, wenn auch zu gleicher Zeit das Jubiläumsjahr in den Diözesen der einzelnen Länder gefeiert wurde. Viele Menschen strömten jeden Tag in die Petersbasilika und in die anderen Basiliken, in denen der Ablaß gewonnen werden konnte. Rom nahm an diesen Kundgebungen des Glaubens und der Frömmigkeit intensiv Anteil. Rom hat vor allem zwei Höhepunkte des Heiligen Jahres erlebt: die Heilig-Jahr-Feier der Familien am Sonntag, 25. März, und das Heilig-Jahr-Treffen der Jugend, das am Palmsonntag endete. Die Heilig-Jahr-Feier der Familien wurde in das diözesane Pastoralprogramm zur Heiligung der Familie eingefügt, das in den Pfarreien fortlaufend mit Katechesen, Jugendbildung und Ehevorbereitung durchgeführt wird. Das internationale Jugendtreffen zum Heiligen Jahr wurde durch die Feier der Jugend Roms bei den Calixtus-Katakomben am Aschermittwoch eingeleitet und dann in den Pfarreien und in den Familien, die den Jugendlichen aus aller Welt Gastfreundschaft gewährten, intensiv fortgesetzt. Mit Ergriffenheit schaute Rom auf die endlosen Scharen junger Menschen, die in diesen Tagen die Stadt bevölkerten und ein einzigartiges Schauspiel des Gebetes, der Freude und der Begeisterung boten. <112> <112> Mit dem Heiligen Jahr der Erlösung ist die Weihe an das Unbefleckte Herz Mariens eng verbunden, die ich in Gemeinschaft mit allen Bischöfen der Welt vollzogen habe. Schon am 13. Mai 1982 hatte ich auf meiner Pilgerfahrt in Fatima diese Weihe vorgenommen und mich dabei auf die 1633 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN durch Pius XII. in den Jahren 1942 und 1952 erfolgten Weiheakte berufen. Der Weiheakt am 25. März dieses Jahres hatte kollegialen Charakter, weil er gleichzeitig von allen Bischöfen der Kirche durchgeführt wurde: in Rom und gleichzeitig auf der ganzen Erde. Dieser Weiheakt sollte die Welt durch die Mutter Christi und unsere Mutter der Quelle des Lebens näherbringen, die auf Golgota entsprungen ist; er sollte die Welt zur Quelle der Erlösung zurückführen und suchte dabei die Hilfe der Gottesmutter, um die Menschen und die Völker dem darzubringen, der unendlich heilig ist (vgl. Predigt in Fatima, Nr. 8). Vor der Statue der Madonna von Fatima, die so große Verehrung genießt und zu diesem Anlaß nach Rom gebracht worden war, wollte ich die Hoffnungen und Ängste der Welt darbringen und die Hilfe Mariens im Kampf gegen das Böse und bei der Vorbereitung auf das dritte Jahrtausend anrufen. Nun muß jeder einzelne sich bemühen, diesen Akt der Hingabe an Maria treu zu leben. 7. Gleichzeitig mit diesen außerordentlichen Ereignissen hat die Kirche Roms ihre tägliche Mission durch die vielschichtige, auf 320 Pfarreien auf gegliederte Arbeit weitergeführt, die sich auf 35 Präfekturen der fünf Sektoren verteilen. In diesem Jahr war es mir möglich, in elf Pfarreien die Pastoralvisitation durchzuführen, und zwar in den Pfarreien San Giovanni Battista al Gollatinio, Santa Rita a Torbellamonica, S. Marco im Agro Laurentino, Sant’Ippolito a Villa Massimo, Santa Maria im Portico in Campitelli, Santa Maria Ausiliatrice al Tuscolano, Gran Madre di Dio, Santa Maria del Popolo, Sant’Anna a Casal Morena, Regina degli Apostoli alla Montagnola und Santa Maria delle Grazie al Trionfale. Ich glaube, jeder dieser Besuche hatte seine besondere Bedeutung und läßt mich das verwirklichen, was der hl. Augustinus sagt: „Für euch bin ich Bischof, und mit euch bin ich Christ“ (Sermo 340,1; PL 38,1483). Ja, als Bischof von Rom konnte ich vielen Gläubigen jeder Herkunft begegnen, konnte ihnen meine Unterweisung und mein Gebet schenken und sie zu den zahlreichen seelsorglichen Tätigkeiten, vor allem auf dem Gebiet der Katechese und der Liturgie, ermutigen. Ich konnte sehen, was ihnen nottut, und konnte Gläubigen, Vereinigungen und Gruppen unmittelbar zuhören. Als Christ konnte ich mit euch, den Glaubenden, den gleichen katholischen Glauben leben. Herzlich danken möchte ich dem Herrn Kardinalvikar, den Weihbischöfen und den Priestern für die Hochherzigkeit, mit der sie sich ihrem Dienst widmen, um das Wachstum des Glaubens zu fördern und die Diözese Rom zu einer lebendigen Kirche zu machen. Ferner danke ich ihnen und 1634 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN allen Gläubigen für die Vorbereitung meiner Sonntagsbesuche und für die liebevolle Aufnahme. Mögen reiche Früchte eines intensiven christlichen Lebens reifen, das ist mein Wunsch. Während des vergangenen Jahres konnte ich auch andere römische Stätten besuchen: einige Kollegien und Klöster, die Gemelli-Klinik, die Basilika Santa Cecilia und kürzlich das Krankenhaus S. Pietro, um die Verbundenheit zwischen den verschiedenen Sektoren der Stadt und ihrem Bischof lebendig zu erhalten. Es ist mir ein Bedürfnis, ein Wort des Dankes für die in der Diözese Rom geleistete Arbeit auch an die Ordensleute zu richten. Meine besondere Wertschätzung spreche ich ihnen für ihren Einsatz im Pastoralprogramm der Diözese, „Erneuerung gemäß dem Evangelium“, aus, wobei sie sich bemühen, in allen Bereichen präsent zu sein, besonders dort, wo es Arme, Flüchtlinge und von der Gesellschaft Benachteiligte gibt. 8. Kürzlich fanden in den Schulen die Wahlen für die Eltern- und Schülerbeiräte statt. Diesbezüglich war für Rom die Einmütigkeit zwischen allen Verbänden, Bewegungen und Organisationen katholischer Prägung kennzeichnend. Dieses einträchtige Bemühen freut mich, und ich möchte die Familien und Institutionen erneut auf ihre Pflicht hinweisen, der Schule besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Die christliche Erziehung der Jugend bietet ja die Gewähr für die Zukunft. Daher auch die Bedeutung des Religionsunterrichtes in der Schule. Die Übereinkunft mit dem italienischen Staat sieht die Möglichkeit katholischen Religionsunterrichts im schulischen Bereich vor; ich vertraue darauf, daß die Familien und die Jugendlichen selbst sich dafür einsetzen, von diesem Recht Gebrauch zu machen und so den christlichen Werten die ihnen gebührende Hochschätzung entgegenzubringen und ihren Glauben konsequent zu leben. Vor dieser konkreten Welt, die den Namen Rom, Ewige Stadt, trägt, erfüllt die Kirche ihren Dienst und gibt für Christus, den Sohn Gottes, Zeugnis. Sie gibt in Christus das Zeugnis für das ewige Leben, zu dem jeder Mensch berufen ist. In dieser Sicht erfüllt die Kirche ihren Dienst, Werte zu verkünden und zu verteidigen, die für den Menschen und für die Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung sind. Heute wollen wir für all das danken. Ich möchte das Je Deum singen; zugleich wollen wir auch für unsere Fehler und Unterlassungen um Vergebung bitten. „Rette, Herr, dein Volk!“ 1635 BOTSCHAFTEN UND ANSPRACHEN 9. All das beziehen wir auf das Wort, das „Fleisch wurde und unter uns wohnte“. In ihm sehen wir den Anfang und das Ende alles Guten, in ihm, durch den sich in den Seelen der Menschen, in den Gemeinden und in der Gesellschaft die Heilsgeschichte vollzieht. In ihm und durch ihn und mit ihm gehen wir Gott entgegen, dem Herrn, „der kommt“ ... Er „richtet den Erdkreis gerecht und die Nationen nach seiner Treue“ (Ps 95/96,13). Ins Herz Jesu Christi schreiben wir dieses zu Ende gehende Jahr ein. „Er mache aus uns ein ewiges Opfer, das dem Vater wohlgefällig ist.“ Der Anfang ruft nach dem Ende und das Ende nach dem Anfang, das ist der Rhythmus unseres Seins mit dem ganzen Kosmos. Das Wort, das bei Gott ist, trägt diesen Rhythmus unseres Seins mit dem ganzen Kosmos. Das Wort, das bei Gott ist, trägt diesen Rhythmus in die ewige Dimension des Erbarmens. Gott ist Ewigkeit. „Gott ist die Liebe“ {Joh 4,8.16); „wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott, und Gott bleibt in ihm“ (I Joh 4,16). 1636 IV. Ad-limina-Besuche AD-LIMINA-BES UCHE Eine echte Formung durch das Wort Gottes Ansprache des Papstes beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Antillen am 27. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. In euch und durch euch grüße ich alle, die in dem weitausgedehnten Gebiet der Karibik, in dem das Bischofsamt auszuüben ihr von Gott berufen seid, die Kirche bilden: „Gnade und Friede von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Retter“ (Tit 1,4). Unsere heutige Zusammenkunft ist ein Ausdruck der großen Wirklichkeit der katholischen Einheit in den Kirchenprovinzen Port-of-Spain, Kingston, Castries und Fort-de-France. Diese katholische Einheit ist ein Merkmal der Universalkirche, und zugleich wird sie in allen Ortskirchen, die ihr vertretet, wahrhaftig gelebt. Eure Anwesenheit hier ist ein schönes Zeugnis für die eine Kirche, die „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9) gebildet wird. Durch diese katholische Einheit gebt ihr ebenso Zeugnis von der Brüderlichkeit der Völker, indem ihr sichtbar macht, daß ihre Geschicke so eng miteinander verbunden sind. Und da ihr den großen Wert brüderlicher Solidarität veranschaulicht, zeigt ihr die Wirksamkeit enger Zusammenarbeit um des Evangeliums Christi willen. 2. Seit dem letzten Ad-limina-Besuch der Bischöfe der Antillen im Mai 1979 hat es in eurem und im Leben eurer Völker vielfältige Veränderungen gegeben. Fünf von euch sind in das Bischofsamt berufen worden und haben die Bischofsweihe empfangen. Vier neue Staaten haben die Unabhängigkeit erlangt: Saint Vincent und die Grenadinen, Belize, Antigua und Barbuda und Saint Kitts-Nevis. Zu den bereits bestehenden diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Trinidad-Tobago, Grenada und Barbados wurden diplomatische Beziehungen zwischen dem Hl. Stuhl und fünf weiteren Nationen aufgenommen: Jamaica, dem Commonwealth der Bahamas, der Dominikanischen Republik, Belize und Saint-Lucia. Außerdem wurde die Kirchenprovinz Fort-de-France in das Gebiet der Bischofskonferenz der Antillen aufgenommen. Ich freute mich, daß ich im vergangenen Jahr Belize einen kurzen Besuch abstatten konnte, so wie ich es zuvor auf den Bahamas getan hatte, und ich hoffe, zu Beginn kommenden Jahres nach Port-of-Spain zu kommen. Ich hoffe auch, mit Gottes Hilfe in der Lage zu sein, später die anderen Einladungen, die an mich ergangen sind, anzunehmen. 1639 AD-L1M1NA -BES UCHE Ich erwähne diese Überlegungen und Ereignisse, um euch noch einmal zu versichern, daß ich alle eure pastoralen Sorgen mit euch teile und euch in eurem eifrigen Dienst an eurem Volk nahe bin. Ich möchte euch in der Tat meine Gefühle brüderlicher Liebe und Unterstützung in Christus zum Ausdruck bringen. Ich möchte, daß ihr und eure Priester wißt, wie dankbar ich euch dafür bin, „daß ihr euch gemeinsam für das Evangelium eingesetzt habt“ {Phil 1,5). Ich danke euch für alle eure Anstrengungen, euer Volk zur Fülle seiner christlichen Berufung in der Heiligkeit des Lebens zu führen. 3. Wir selbst feiern in diesem Augenblick die Einheit der Kirche in unserer tiefen hierarchischen Gemeinschaft. Ich bete darum, daß diese Feier euch in eurer bedeutsamen Sendung stärken möge, die Kirche auf den Antillen „als Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ {Lumen gentium, Nr. 1) vorzustellen. Wenn wir als Bischöfe in Glaube und Liebe das Geheimnis von der Einheit der Kirche leben und gemeinsam über seine Bedeutung nachdenken, empfangen wir die Kraft, es zu verkündigen, zu bewahren und neu zu stärken. Und die Einheit, um die es geht, ist eine Einheit nach dem Vorbild der Einheit der Heiligsten Dreifaltigkeit, eine Einheit, die vom ganzen Volk Gottes gelebt werden muß. 4. Ich bin euch dankbar für alle eure Initiativen, eine erhebende christliche Sicht des Menschen zu verkündigen, der nach Gottes Ebenbild geschaffen und zur vollen Teilhabe an der Einheit der Heiligsten Dreifaltigkeit bestimmt ist. Ich unterstütze euch darin, daß ihr die Menschenwürde geltend macht, die Achtung vor menschlichem Leben und Menschenrechten, die Notwendigkeit der Befreiung von der Sünde und von allem, was die Beziehung des Menschen zu Gott behindert oder verletzt. Es ist in der Tat die Aufgabe des Bischofs, jedem einzelnen die Fülle seiner Würde in Christus vor Augen zu halten, die Würde, ein Kind Gottes zu sein, ein Erbe des Himmels, die Notwendigkeit, gemäß Gottes Plan zu leben und am sakramentalen Leben der Kirche teilzunehmen. In euren eifrigen Bemühungen um die Förderung von Gerechtigkeit und Frieden, wahrer Freiheit und Entwicklung, wie sie den karibischen Raum betreffen, habt ihr alle Unterstützung von seiten des Heiligen Stuhles und eurer bischöflichen Brüder in der ganzen Welt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat die ganze Kirche aufgerufen, die Forderungen von Christi Evangelium der Liebe zu verkünden und zu leben. 1640 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Es ist ermutigend zu sehen, wie der Heilige Geist ständig in den jungen Menschen am Werk ist und wie er die Kirche nicht im Stich läßt. Einigen eurer Ortskirchen hat Gottes Gnade kürzlich eine wachsende Zahl von Priesterberufen gewährt, und dafür müssen wir als Bischöfe zutiefst dankbar sein. Bei den Bischöfen liegt die große Verantwortung, für diese jungen Männer die bestmögliche Ausbildung sicherzustellen. Die Seminarpläne für die kommenden Jahre werden das gesamte Leben und den Fortschritt der Kirche im karibischen Raum beeinflussen. Der Heilige Stuhl ist weltweit mit besonderem Interesse um die Ausbildung der Seminaristen besorgt, eben weil so viel auf dem Spiel steht. Für die Vorbereitung auf das Priesteramt gibt es viele Aspekte, aber keiner ist wichtiger als eine echte Formung am Wort Gottes, wie es von der Kirche verkündet und von ihrem Lehramt ausgelegt wird. 6. In den Bereichen eures pastoralen Einsatzes seid ihr Woche für Woche, Jahr für Jahr in der Lage, Zeugnis zu geben von der Bedeutung, die die Kirche dem ökumenismus beimißt. Die Verpflichtung des Zweiten Vatikanischen Konzils ist unwiderruflich, weil sie dem Willen Gottes und dem Gebet Christi entspricht. In diesem Sinne sind der Wert des Gebetes und die Notwendigkeit der Umkehr und Läuterung wiederholt hervorgehoben worden, und so muß es bleiben. Die Herausforderung des Ökumenismus ist ein Aufruf zur Heiligkeit. Und weil er Treue zum Plan Gottes für seine Kirche erfordert, kann es ohne Wahrheit und Liebe keine Einheit geben. In dem langen Bemühen um vollkommene Einheit bleibt die brüderliche und aufrichtige Zusammenarbeit in der Sache des Evangeliums ein unerläßliches Merkmal wahrer Jüngerschaft. <113> <113> Ich weiß, wie sehr ihr jetzt bei der Evangelisierung eures Volkes auf die katholischen Laien baut und wieviel Hoffnung ihr in sie gesetzt habt. Eure Bestrebungen stimmen voll und ganz mit denen der Gesamtkirche überein und spiegeln sich in ihrem Wunsch wider, die nächste Bischofssynode der Berufung und Sendung der Laien zu widmen. Wenn die Laien weiter vom Wort Gottes geformt und von den Sakramenten genährt werden, werden sie in der Lage sein, in den ihnen eigenen Aufgaben der Evangelisierung der Welt und der Durchdringung der irdischen Ordnung mit dem Geist des Evangeliums immer Wirksameres zu leisten. Damit aber die Laien ihre Berufung in rechter Weise erfüllen können, ist die Rolle des Klerus äußerst wichtig. Und nur eine gut herangebildete Laienschaft kann ihrerseits der Kirche Priester- und Ordensberufe schenken. 1641 AD-LIMINA-BES UCHE 8. Ich möchte euch ein Wort besonderer Ermutigung für all euren apostolischen Einsatz zugunsten der Familie sagen. Bei der Verkündigung von Gottes Plan für die Familie wart ihr gleichfalls bemüht, den Gläubigen zu helfen, das ihnen von Gott gesetzte Ziel zu erreichen. Seid versichert, daß alle eure Anstrengungen zur Aufwertung der menschlichen Liebe und zur Verteidigung menschlichen Lebens ein großer Dienst an der ganzen Menschheit sind. Programme, die helfen sollen, junge Leute auf die Ehe vorzubereiten, verdienen großes Lob; dasselbe gilt von Initiativen, deren Ziel die Förderung der natürlichen Familienplanung ist. Viele Ehepaare werden, wenn sie den rechten Zusammenhang zwischen vereinigenden und Leben zeugenden Aspekten der menschlichen Liebe entdecken, gleichzeitig größeres Glück und Erfüllung in Gottes Plan entdecken. Das Wohl der Familie im karibischen Raum ist wahrhaftig all eures pastoralen Einsatzes wert. 9. Im Zentrum des christlichen Lebens und jeder christlichen Gemeinde steht die Feier der heiligen Liturgie und besonders das eucharistische Opfer. Menschliche und christliche Erfüllung verlangt absolut die Anbetung Gottes, die Gemeinschaft mit ihm und die Erfahrung seiner Liebe. Die Bedeutung der Sonntagsmesse für die Lebenskraft einer Ortskirche kann gar nicht genug unterstrichen werden. In diesem Zusammenhang möchte ich euch in Erinnerung rufen, was ich bei eurem letzten Ad-limina-Besuch sagte: „Ich bitte euch, eure Gläubigen daran zu erinnern, daß es ein wirkliches Privileg darstellt, an der Sonntagsmesse teilzunehmen, mit Christus in seiner Anbetung des Vaters vereint zu sein. Die Sonntagsmesse ist in der Tat von vorrangigem Wert im Leben der Gläubigen, was nicht heißt, daß ihre anderen Tätigkeiten keine Bedeutung und keinen Sinn im christlichen Leben hätten, sondern vielmehr in dem Sinn, daß die Sonntagsmesse alles, was sie die Woche über tun, stützt, veredelt und heiligt.“ <114> <114> Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt, viele Male war mir sehr daran gelegen, die Wertschätzung der Kirche für das Ordensleben zum Ausdruck zu bringen, ihre Liebe zu den Männern und Frauen - Priester und Ordensleute -, die ihr Leben Gott geweiht haben. Ich weiß, was sie für euch und für die Evangelisierung in euren Diözesen bedeuten. Mit euch danke ich ihnen für das, was sie sind, und für das, was sie für das Reich Gottes tun. Und ich bitte sie, weiterhin durch ihre Treue zu den evangelischen Räten, durch ihre großzügige Hingabe an Jesus Christus Zeugnis zu geben von der Liebe Christi. 1642 AD-LIMINA-BESUCHE In besonderer Weise wende ich mich an jene Ordensmänner und Ordensfrauen, die sich den Aufgaben der Erziehung widmen und ermuntere sie, den Jugendlichen weiter dabei behilflich zu sein, daß sie Christus entdek-ken und daraus leben, um die Evangelisierung der künftigen Generationen sicherzustellen. 11. Liebe Brüder, wenn ich mit euch das kirchliche'Leben eurer lokalen Gemeinden betrachte, müssen wir die Probeme und Herausforderungen, die Freuden und Hoffnungen, die sie bringen, ins Auge fassen. Aber zugleich müssen wir uns in einem großen Akt des Glaubens an die Gnade Gottes, an die Macht des Ostergeheimnisses und an die unendlichen Verdienste Jesu Christi zusammenschließen. Er, Jesus Christus, der Gute Hirte, der Sohn Gottes, das ewige Wort, das Fleisch geworden ist, führt seine Kirche, sorgt für ihre Bedürfnisse, unterstützt ihren Glauben und führt sie zum ewigen Leben. Das große Privileg des Bischofsamtes ist es, an der pastoralen Sendung des einen und einzigen „obersten Hirten“ der Kirche (1 Petr 5,4) teilzunehmen. In seinem Namen verkündigen wir das Evangelium vom Heil und bauen die Kirche auf. Wir vertrauen allein auf ihn und seine Macht. Wir wollen diese lebenswichtige Tätigkeit, diesen unseren pastoralen Dienst, in die Hände Mariens, der Mutter unseres Herrn Jesus Christus und der Mutter seiner Kirche, legen. „Laßt junge Leute mitarbeiten“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der argentinischen Bischöfe am 1. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich freue mich, heute eure zahlreiche Gruppe von Bischöfen der Kirche Gottes zu empfangen, die in Argentinien lebt und am Sitz des Petrus mit allen über die Welt verstreuten Gläubigen die Gemeinschaft in der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche findet. Meine Gruß- und Willkommensworte sind Ausdruck dieser starken geistlichen Gemeinschaft zwischen dem Papst und seinen Brüdern, den Bischöfen der Ortskirchen, und durch sie mit allen und mit jedem 1643 AD-LIMINA-BESUCHE einzelnen ihrer Gläubigen. Denn, wie ihr wißt, ist diese Erfahrung des Ad-limina-Besuches eine Erfahrung der Gemeinschaft mit der Kirche, „die den Vorsitz hat in der Liebe“ und dadurch in der Wahrheit und in der Einheit des Leibes Christi. Ich konnte in den vergangenen Tagen mit jedem einzelnen von euch ein persönliches Gespräch führen, Anteil nehmen am Leben eurer Diözesen, mit euch die Hirtenliebe teilen, die die Gnade eures Dienstamtes ist, das sich am Vorbild des Guten Hirten inspiriert. Nun möchte ich euch einige Überlegungen mitteilen, die euer Tun und Handeln als Bischöfe in der solidarischen Sorge um eure Kirchen leiten können. 2. Ihr seid nach einem außergewöhnlichen Ereignis nach Rom gekommen, das euch mit eurem ganzen Volk um die Eucharistie vereint gesehen hat. Der jüngste Nationale Eucharistische Kongreß, der in der ersten Oktoberhälfte in Buenos Aires in Anwesenheit meines persönlichen Vertreters und Sondergesandten abgehalten wurde, ist nicht nur eine Erinnerung und ein Gedenken an jenen Internationalen Eucharistischen Kongreß gewesen, der vor fünfzig Jahren unter dem Vorsitz des späteren Papstes Pius XII. gefeiert wurde; er war vor allem ein Augenblick der Gemeinschaft, der Lebendigkeit und hoffnungsvollen Darstellung eurer aktuellen Erfahrung der Kirche von heute und morgen unter den keineswegs leichten Verhältnissen, in denen eure Nation lebt. Bande der Gemeinschaft und Versöhnung Wir alle hoffen, daß dieses Ereignis das christliche Bewußtsein des gläubigen argentinischen Volkes geweckt hat, indem es die Gläubigen zur Verbindlichkeit eines vorbildlichen Lebens ermutigt, das die Bande der Gemeinschaft und Versöhnung im Glauben und in der Liebe enger knüpft, um auch Triebkraft der sozialen Erneuerung zu sein. Denn die Eucharistie „enthält das Heilsgut der Kirche in seiner ganzen Fülle, Christus selbst, unser Osterlamm und das lebendige Brot. Durch sein Fleisch spendet er den Menschen das Leben“ (vgl. Presbyterorum ordinis, Nr. 5). Wie das Herz allen Teilen des menschlichen Körpers die Lebenskraft zuführt, so wird auf diese Weise das eucharistische Leben - vom Altar des Opfers, der wirklichen Gegenwart und der Gemeinschaft -in alle Glieder des kirchlichen Lebens gelangen und durch die Christen, die das Werk Christi heute in der Welt fortsetzen, seine heilsamen Wirkungen selbst im Gesamtgefüge der Gesellschaft erkennbar werden lassen. 1644 AD-LIMINA -BESUCHE 3. Die Eucharistie muß daher im Mittelpunkt der Seelsorge stehen und ihre übernatürliche Kraft auf sämtliche Daseins- und Lebensbereiche der Christen ausstrahlen: auf die Glaubensverkündigung und die Katechese, auf die vielfältige karitative Tätigkeit, auf die Verpflichtung und den Einsatz zur sozialen Erneuerung, zur Gerechtigkeit gegenüber den anderen, vor allem gegenüber den Bedürftigsten, zur Achtung vor dem Leben und den Rechten jedes Menschen, zum Bemühen um die Familie, die Schule, die rechte politische Ordnung und die Förderung der öffentlichen und privaten Sittlichkeit. Um aber der eucharistischen Handlung ihre ganze Wirksamkeit zu verleihen, gilt es, auf die würdige und unverfälschte Feier des Mysteriums gemäß der Lehre und den Vorschriften der Kirche zu achten, wie ich bei verschiedenen Gelegenheiten in Erinnerung gerufen habe (vgl. Päpstliches Schreiben Dominicae Cenae, Nr. 12). Denn in der Tat, wie sie an der erlösenden Wirkung des Geheimnisses Christi teilhat, entfaltet die Kirche bei der Feier der Eucharistie durch das verkündete Wort, die Gebete, die Riten, die gesamte ekklesiologisch bedeutsame Symbolik der Liturgie eine Glaubens- und Lebenserziehung. Darum wirkt sich eine wie immer geartete Manipulation dieser Elemente auf die Glaubenserziehung negativ aus; umgekehrt wirkt die richtige, aktive und konsequente Teilnahme an der Liturgie nach den von der Kirche gebilligten Nonnen aufbauend für den Glauben und das Leben der Gläubigen. Ich möchte euch daher auffordem, euch stets um die Förderung der unverfälschten Feier der Liturgie zu bemühen, indem ihr euch dafür einsetzt, daß die Weisungen des Hl. Stuhls und die Weisungen, für die eure Bischofskonferenz zuständig ist, befolgt werden. Denkt dabei an die Pflicht der Bischöfe, „Leiter, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens“ in ihren Diözesen zu sein (vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 835, 1; 838, 4). 4. Das Thema Liturgie und Eucharistie veranlaßt mich, eure Freude über das vielversprechende Aufblühen von Berufen zu teilen, das man in eurer Heimat feststellen kann. Danken wir dem Herrn für die Saat und beten wir voll Vertrauen darum, daß er mehr Arbeiter in seine Felder sende. Mit dem Wiederaufleben von Berufen wird natürlich die Aufgabe einer angemessenen Ausbildung immer dringender, die den Bedürfnissen der Kirche in eurem Land in der heutigen Zeit entspricht. Ergebnis eurer Verantwortung als Hirten und Bischöfe sind die „Normen für die Priesterseminare der Republik Argentinien“, die vor kurzem vom Hl. Stuhl 1645 AD-LIMINA-BESUCHE approbiert wurden. Ich trage euch die getreue Einhaltung dieser Normen in den Seminaren auf, damit die künftigen Priester nach soliden lehrmäßigen, pastoralen, spirituellen und menschlichen Kriterien ausgebildet werden. Bei diesem Bemühen werdet ihr vielleicht den Nutzen einer besseren Bewertung und Abwägung zur Prüfung des durchlaufenen kirchlichen Weges wahrnehmen können. Jeden einzelnen von euch bitte ich zugleich, sich persönlich der Seminaristen anzunehmen durch Nähe und Gespräch, durch einen Umgang, der es euch ermöglicht, sie kennenzulernen und mit ihnen zu reden, um ihr Interesse an den Problemen und pastoralen Bedürfnissen der Diözese zu wecken. So wird die Verbundenheit mit dem Bischof geschaffen werden, die Garantie ist für ein fruchtbares Priesterleben und ein wirklich in der Ortskirche verwurzeltes Apostolat. 5. Eine apostolische Priorität, in der ihr euch mit einem zukunftsorientierten Weitblick engagiert, ist die Jugendseelsorge. Das ist eine Option, die bereits in Puebla bekräftigt wurde und der in ganz Lateinamerika eine besondere Bedeutung zukommt. Ich weiß, daß ihr an einem Fünfjahresplan für die Jugendpastoral arbeitet und daß das kommende Jahr aus Anlaß des Internationalen Jahres der Jugend ein entscheidender Meilenstein in dieser an die jungen Christen eurer Heimat gerichteten evangelischen Herausforderung sein wird: nämlich die Gesellschaft im Zeichen der Liebe aufzubauen. Um euch auf diesem Weg zu ermutigen, möchte ich euch das Vertrauen vermitteln, das ich in die jungen Menschen gesetzt habe, die ich „die Hoffnung der Kirche und des Papstes“ genannt habe. Ich möchte euch daran erinnern, daß ich zum Abschluß des Heiligen Jahres der Erlösung symbolisch das Kreuz in ihre Hände legte, wobei ich an ihre Hochherzigkeit appellierte, Zeugen Christi unter den Menschen unserer Zeit zu sein. Bei der Vorbereitung auf die Fünfhundertjahrfeier der Evangelisierung Lateinamerikas, die ich vor kurzem in Santo Domingo eingeleitet habe, müssen die jungen Menschen die bevorzugten Empfänger der evangelischen Botschaft sein, damit sie auch zu eifrigen Vorkämpfern der neuen Evangelisierung in den letzten eineinhalb Jahrzehnten dieses Jahrhunderts werden. „Ihr werdet eine begeisterte Antwort erhalten“ Habt Vertrauen in die Jugend! Sie ist edel und hochherzig. Laßt sie spüren, welche Bedeutung eine aufrichtige Liebe hat, die sie in der 1646 AD-LIMINA-BES UCHE Wahrheit erzieht und zugleich anspruchsvoll ist, wie es Christus selbst war. Ihr werdet eine begeisterte und entschlossene Antwort erhalten. Macht die jungen Leute zu euren Mitarbeitern auf dem Gebiet der Katechese, der Nächstenliebe, der Schule, des sozialen Einsatzes. Sie werden euch nicht enttäuschen, vor allem, wenn ihr imstande seid, ihnen eine unendliche Liebe zum Menschen um Gottes willen und zur Kirche einzugeben, zum lebendigen Christus, der heute an die Jugend appelliert und von ihr Liebe, Zeugnis und hochherzigen Dienst verlangt. 6. Aus dieser Sicht des christlichen Optimismus ermutige ich euch zur Hoffnung, wobei ich mir der äußeren Schwierigkeiten, denen ihr in eurer Umwelt begegnet und die auch eure Kirchengemeinden erfahren, durchaus bewußt bin. Das ist eine gute Gelegenheit für das kirchliche und soziale Zeugnis der Christen, die hochherzig dazu beitragen müssen, die argentinische Gesellschaft, die so reich ist an menschlichen und christlichen Werten, in jeder Hinsicht zu fördern. Ihr seid die ersten Sämänner des Friedens, der Versöhnung, der Gerechtigkeit, der Achtung vor den Rechten jedes einzelnen, des Mutes und der Solidarität. Möge eure von der Gnade des Geistes beseelte pastorale Liebe unermüdlich die Initiativen der Gemeinschaft und Teilhabe fördern! In diesem Zusammenhang ermutige ich euch besonders dazu, das Wirken der katholischen Schule zu fördern und zu schützen, die der argentinischen Gesellschaft von ihrer eigenen Identität her und in einem gerechten Rahmen gesetzlicher Freiheit, der Übereinstimmung mit den in einer wahrhaft demokratischen Gesellschaft geltenden Gesetzen und Rechten so viel gegeben hat und zu geben vermag. Ich könnte diese Begegnung nicht abschließen, ohne die Unterzeichnung des Friedens- und Freundschaftsvertrages zwischen Argentinien und Chile zu erwähnen. Wie ich bereits gestern Gelegenheit hatte, den Delegationen Argentiniens und Chiles zu sagen, rief die bedeutsame Anwesenheit von Vertretern der beiden Episkopate bei dem Unterzeichnungsakt des Friedens- und Freundschaftsvertrages die Sorge der beiden Kirchen wieder in Erinnerung, in den schwierigen Stunden des Jahres 1978 friedliche Wege für eine Lösung zu finden. In dieser Anwesenheit sehe ich auch ihren entschiedenen Wunsch, ich solle nicht ablassen, im Bereich ihres pastoralen Dienstes all das zu ermutigen, gutzuheißen und zu fördern, was dazu beiträgt, die Beziehungen der Brüderlichkeit, des Verständnisses und der Zusammenarbeit, die ja Ziel dieser Vermittlung gewesen sind und die der Vertrag widerspiegelt, zu immer lebendigerer Wirklichkeit werden zu lassen. 1647 AD-LIMINA-BESUCHE Liebe Brüder! Rechnet immer mit meinem Gebet, mit dem sich die unauslöschliche Erinnerung an meinen kurzen Besuch in Argentinien und der Wunsch verbindet, eines Tages euer Land wieder zu besuchen. Überbringt euren Priestern, Seminaristen, Ordensmännern, Ordensfrauen, den Familien, den Kindern und Jugendlichen, den christlichen Laien den Gruß und die Zuneigung des Papstes. Ich bitte die seligste Jungfrau von Lujän, die Schutzpatronin des argentinischen Volkes, daß sie für euch und eure Gläubigen, wie wir sie im Salve Regina anrufen, „unser Leben, unsere Süßigkeit und unsere Hoffnung“ sei. Und in euren Vorsätzen bestärke euch mein Apostolischer Segen, den ich gern auf eure christlichen Gemeinden ausweite. Hirtensorge für die anvertrauten Ortskirchen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Boliviens am 7. Dezember Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich empfinde es als echte Freude, heute mit euch, Bischöfen der Kirche in Bolivien, zusammenzusein, die ihr in die Ewige Stadt gekommen seid, um mit dem Ad-limina-Besuch, an den Gräbern der Apostel eure Verehrung und herzliche Verbundenheit mit dem Nachfolger Petri zu bezeugen und um mir die geliebten bolivianischen Söhne und Töchter gegenwärtig zu machen, die ich hoffe, eines Tages persönlich besuchen zu können. Schon jetzt übersende ich ihnen durch euch mein liebevolles Gedenken und meinen Segen. Ihr kommt aus einem Land, das von einer großen geographischen und ethnischen Vielfalt und infolgedessen von verschiedenen sozio-kulturellen Aspekten gekennzeichnet ist. Ein Land, das unauslöschlich vom Glauben an Christus geprägt ist, der von Anfang an die menschliche Förderung eurer Bevölkerung in nicht geringem Maße beeinflußt hat, und um dessen Bewahrung und Vermehrung als unersetzlicher Kraft für die ganzheitliche Entwicklung des Menschen und die Bildung einer Zivilisation im Zeichen der Liebe in eurer Gesellschaft ihr euch bemüht. Das persönliche Gespräch mit einem jeden von euch ließ mich an der Freude über das von euch Erreichte, an der Sorge über eure Probleme und an den Hoffnungen der eurer Hirtensorge anvertrauten Ortskirchen 1648 AD-LIMINA-BESUCHE teilnehmen. Nun läßt mich unsere heutige kollegiale Begegnung mit tiefer Befriedigung die Christusliebe erkennen, die in eurem Herzen wohnt und die nicht nur euren Geist brüderlicher Einheit und Zuversicht beseelt, sondern die wie den hl. Paulus (vgl. 2 Kor 5,9) auch euch mit einem hohen Gefühl persönlicher Verantwortung und apostolischer Mitverantwortlichkeit zur Erfüllung der Sendung drängt, die der Herr euch anvertraut hat, nämlich Lehrer, Bischöfe und Hirten seiner Herde zu sein (vgl. Christus Dominus, Nr. 12,15,16). 2. In dieser Zeit so rascher und tiefgreifender Veränderungen, die nicht nur eine leidenschaftliche Suche nach der Wahrheit, sondern auch eine nicht geringe Verunsicherung und Orientierungslosigkeit sowohl im praktischen Handeln wie selbst in den Kriterien und Grundsätzen ausgelöst haben, erweist sich die Sendung des Bischofs als Lehrer, Deuter und Verkündiger des Wortes Gottes als um so notwendiger und dringender. Deshalb drängt das Zweite Vatikanische Konzil, das die Verkündigung des Evangeliums als vorrangige Aufgabe der Bischöfe festlegt, diese dazu, den Glauben in seiner Vollständigkeit und Unversehrtheit mutig zu verkündigen, so wie er geglaubt werden muß, und ihn auf das tatsächliche Leben unserer Tage anzuwenden; wobei sie gleichzeitig darüber wachen müssen, die Herde von den sie bedrohenden Irrtümem zu entfernen und für die Darlegung der Lehre im Lichte des Heiligen Geistes in theozentrischer und theologischer Sicht zu sorgen (vgl. Lumen gentium, Nr. 25; Christus Dominus, Nr. 12-14). Bei diesem Sendungsauftrag muß also von dem göttlichen Plan ausgegangen werden, der als Mittel- und Höhepunkt der Schöpfung und der Geschichte Christus, den eingeborenen Sohn Gottes, einsetzt (vgl. Dei verbum, Nr. 4), von dem und durch den alle Dinge geschaffen worden sind; Christus, den Retter der Welt, der den Menschen schließlich von der Sklaverei der Sünde befreit und ihm die Fülle des Lebens und die Freiheit der Kinder Gottes schenkt. Christus, der nicht lediglich ein irdisches Reich, sondern das Himmelreich, das Reich Gottes errichtet. Dieses Reich bringt eine unumgängliche Forderung nach Gerechtigkeit mit sich, die jede Unsitte, Ungerechtigkeit und Unterdrückung des Menschen verwirft und die einzige echte Grundlage für den Frieden ist; es gründet sich auf die Liebe, die nicht nur Haß und Gewalt ausschließt, sondern Quelle der Vergebung, des Erbarmens und der wahren Brüderlichkeit ist. Zugleich ist sie dadurch, daß sie die Herzen verwandelt, auch die einzige Kraft, die imstande ist, die Strukturen wirksam zu verändern, die wahre Würde des Menschen zu begründen und zu fördern und die 1649 AD-LIMINA-BESUCHE Zivilisation im Zeichen der Liebe aufzubauen. Diese Liebe, Mittelpunkt des Christentums, erhebt den Menschen und führt ihn in Christus und durch Christus zur unendlichen Fülle seines Lebens in Gott, sowie sie gleichzeitig die irdische Wirklichkeit selbst erhebt. Darum können wir keinen Humanismus ohne wenigstens einen mitinbegriffenen Bezug auf Gott noch eine materialistische Dialektik annehmen, die die praktische Leugnung Gottes bedeuten würde. Auf diese theologische Basis werdet ihr euren allgemeinen Glaubensdienst als Hirten und Führer des gläubigen Volkes gründen müssen. Von ihr aus werdet ihr manche Zweifel eurer Gläubigen an den Punkten klarstellen müssen, die deren kirchlichen Weg betreffen. In diesem Zusammenhang kann ich nicht unhin, die gefährliche Verunsicherung zu erwähnen, die in manchen Gegenden eures Landes - wenn auch weniger häufig als anderswo - durch gewisse Strömungen der Theologie der Befreiung entstanden ist. Bei dieser Aufgabe der Klärung und Klarstellung werden euch die in der diesbezüglichen Instruktion der Glaubenskongregation enthaltenen Bestimmungen helfen. Und damit in eurem Land das Bemühen und der Einsatz um die bevorzugte Option für die Armen voll und ganz im Verständnis der Kirche geschehen, empfehle ich euch, die Kriterien aufzugreifen, die ich während meines jüngsten Besuches in der Dominikanischen Republik gegeben habe (vgl. Predigt in Santo Domingo, 11. Oktober 1984, Nr. 5, in: O.R., dt., 2. 11. 84, S.9). Was eure Sendung als Führer im Glauben betrifft, will ich euch in der Aufgabe ermutigen und bestärken, die ihr in den letzten Jahren durch verschiedene Pastoralschreiben (Hirtenbriefe), einschließlich der jüngsten „Botschaft an das bolivianische Volk“ vom 20. Oktober dieses Jahres, ausgeübt habt. 3. Wenn ich mich jetzt dem Gebiet der Pastoral zuwende, möchte ich mich, während ich Gott vor allem danke für das verheißungsvolle Wiederaufleben der Berufe in eurem Land, auf ein Thema einlassen, das die erste und wichtigste Sorge des Bischofs sein soll. Ich weiß, daß ihr es als Bischöfe sehr in eurem Herzen tragt und daß ihr diesem Thema mehrere Vollversammlungen eurer Bischofskonferenz gewidmet habt: dem Priester und seiner Ausbildung im Seminar. Ich weiß um das lobenswerte Interesse für die würdige und ehrenvolle Unterstützung eurer Priester. Heute möchte ich euch ermutigen, eure bevorzugte Sorge für ihre spirituelle und pastorale Vervollkommnung fortzusetzen und, wenn möglich, zu vermehren; sowohl in der unerläßli- 1650 AD-LIMINA-BESUCHE chen ständigen Weiterbildung wie in der Ausrichtung ihres Apostolats und vor allem in ihrem praktisch gelebten Priestertum, ihrer völligen Hingabe an Christus und die Kirche. Das wird euch leichter und wirksamer gelingen, wenn ihr ihnen eure Herzen als Bischöfe öffnet und ihnen in häufigem direktem, persönlichem Kontakt ausgiebig eure Aufmerksamkeit schenkt. Wie ihr wohl wißt, schließt diese Lebensaufgabe das größte Interesse für eure Seminaristen mit ein, die ein kostbares Geschenk des Herrn sind, das mit allen Mitteln gefördert und gepflegt werden muß. Ich teile darum eure Sorge für eine solide spirituelle und intellektuelle Vorbereitung der künftigen Priester sowie für die Bedeutung, die ihr der Funktion des Seminars als einem Weg beimeßt, von dem nicht abgegangen werden darf. In Anbetracht dessen, daß der Sendungsauftrag der Erzieher auf diesem Gebiet wirklich Vorrang hat, zögert also nicht, jene Priester für das Seminar zu bestimmen, die mit den dafür erforderlichen Eigenschaften und besonders mit tief priesterlichem und pastoralem Geist ausgestattet sind. Tut das auch dann, wenn ihr euch dadurch wertvoller Stützen bei anderen Aufgaben beraubt. In bezug auf die unumgängliche und umfassende geistige Bildung - die bereits im Seminar selbst oder in anderen kirchlichen Instituten vermittelt werden soll — sei daran erinnert, daß nur dem Authentizität zugebilligt werden kann, was im Rahmen der Kirche, die - unter der Führung des Petrus und der Bischöfe — verstanden, angenommen und geliebt wird, so wie sie Christus gegründet hat; und unter der Voraussetzung, daß der Unterricht seitens der Dozenten zuverlässig mit dem kirchlichen Lehramt übereinstimmt und von der Reflexion über den Glauben und im Glauben begleitet wird. Ebenso wichtig ist darum die Auswahl der Professoren, die nicht nur Fachgelehrte in ihren jeweiligen Disziplinen sein sollen, sondern auch vorbildliche Priester, treue Anhänger der Hierarchie und des Lehramtes der Kirche und die Fähigkeit besitzen müssen, ihre Vorlesungen im Einverständnis mit den Erziehern auf eine ausdrücklich priesterlich-pastorale Linie auszurichten. Die Ernennung guter Professoren gehört deshalb zu euren wichtigsten bischöflichen Verantwortlichkeiten. Trotzdem wird auch nach alldem eure Hirtensorge weitergehen müssen; durch Wachsamkeit über die ungeteilte Lehre und die Ausrichtung der Studien; durch hochherzige moralische, materielle und geistliche Unterstützung für das Seminar und seine Verantwortlichen; dadurch, daß ihr jedem eurer künftigen Priester nahe seid. 1651 AD-LIMINA-BES UCHE 4. Ein weiterer wichtiger Punkt im Leben der Kirche in eurer Nation ist, vor allem infolge der wachsenden Notlage der Seelen und des schmerzlichen Mangels an Seelsorgern, das Ordensleben. Ich kenne und schätze mit euch die selbstlose, hochherzige und wertvolle Hilfe der Ordensmänner und Ordensfrauen zahlreicher Institute in den vielfältigen Bereichen des Apostolats, ganz besonders in einigen Gegenden eures riesigen Landes. Eurem pastoralen Einfühlungsvermögen entgeht nicht die Verantwortung, die es euch als Bischöfen der Kirche Christi auferlegt, echte Lehrmeister und Anleiter zur christlichen Vollkommenheit und damit besonders zum geweihten Leben zu sein; und infolgedessen auch Bewahrer des Ordensberufes in dem jedem Institut eigenen Geist und Charisma sowie Animatoren, Erzieher und Gestalter der Berufungen zu sein (bgl. Christus Dominus, Nr. 33-35; Mutuae relationes, Nr. 28). Eure bischöfliche Verantwortung erstreckt sich in besonderer Weise auf ihren Dienst an der Kirche auf seelsorglichem Gebiet; auf die apostolischen Tätigkeiten, deren Leitung und Koordinierung euch obliegt (vgl. CIC, can. 394 und 680); dafür werden unbedingt die verschiedenen Mittel, die das Dokument Mutuae relationes anrät, eingesetzt und von der persönlichen Kommunikation mit den Ordensoberen Gebrauch gemacht werden müssen. <115> <115> Ehe ich diese willkommene Begegnung beende, möchte ich noch auf zwei zentrale Seelsorgsbereiche zu sprechen kommen: die Familie und die Jugend, die zusammen mit dem hingebungsvollen Einsatz für die Sache der Armen - den ich oben erwähnt habe - die großen Optionen von Puebla bilden. Ihr wißt um die grundlegende Bedeutung der Familie für die profane Gesellschaft und die Kirche, und ihr kennt die ernsten und brennenden Probleme, die sie in unserer Welt und ganz konkret in eurem Land durchmacht. Ich muß mich mit euch beglückwünschen zu eurer Hirtensorge in diesem Apostolatsbereich und auch zu dem guten Dokument über die Familie, das von eurer Bischofskonferenz verabschiedet wurde. Ich möchte euch auf dem eingeschlagenen Weg herzlich Mut zusprechen, damit ihr ihn mit eurem Einsatz und eurer apostolischen Mitverantwortung in die Praxis umsetzen könnt und er tatsächlich zu seiner vollen Wirksamkeit gelangt. Denkt immer daran, daß alles, was ihr für die Stärkung und Heiligung der Familie tut, zur Belebung eurer Ortskirchen und zu einer vielversprechenden Blüte von Priester- und Ordensberufen führen wird. 1652 AD-LIMINA-BESUCHE Lateinamerika ist der Kontinent der Hoffnung der Kirche, vor allem, weil es der Kontinent der Jugend ist. Darum kommt diesem Thema auch in Bolivien besondere Aktualität zu. Ihr kennt die edlen Gefühle, die hohen Ideale, die Bereitwilligkeit und Hochherzigkeit der jungen Menschen. Und ihr seid euch auch der ernsten Gefahren bewußt, die unsere Welt für diese Jugend hervorbringt mit der falschen Verherrlichung entfremdender Ideologien und Extremismen, die sie zu fanatischem Verhalten verleiten können; der Zuflucht zur Droge, die ihr Bewußtsein beeinträchtigt und ihr Leben zerstört; den von Materialismus und Genußsucht bestimmten Strömungen, die ihre moralischen Werte und ihr humanes Empfinden verkümmern lassen; den Pragmatismen jeglicher Art, die einem individualistischen Egoismus das Wort reden, der unweigerlich Eifersucht, Neid und Rivalitäten, Haß und Bruderkämpfe, Ungerechtigkeiten und Unterdrückung zur Folge hat; einem Egoismus, der letzten Endes das kostbarste Geschenk des Menschen, die Liebe, tötet. Angesichts dieser Götzen müssen wir die heutigen Jugendlichen auf den einen und einzigen hinweisen, der ihren Idealen zu entsprechen und ihr edelmütiges Streben und Trachten vollgültig auszufüllen vermag: Christus Jesus. Unternehmen wir daher die größte Anstrengung, um die Jugend zu Christus zu führen, damit sie ihn mit jedem Tag besser kennenlernt, sich für ihn begeistert und aus Liebe zu ihm ihre Verpflichtung zum Dienst an der Welt und an den Menschen erfüllt. Um das zu erreichen, muß man größten Wert auf die Jugendkatechese und einen der heutigen Zeit angepaßten Religionsunterricht in den öffentlichen und privaten Schulen legen; ferner auf das Apostolat in den Schulen und Kollegien der Kirche, das heute nach wie vor notwendig ist; auf die umfassende pastorale Betreuung der Universitätsjugend, die so sehr von fremden und sogar im Gegensatz zur Lehre Christi stehenden Ideologien umworben wird. <116> <116> Liebe Brüder! Mögen diese Überlegungen, eure Liebe zur Kirche und das Licht des Heiligen Geistes - besonders während dieser neunjährigen Vorbereitungszeit, die ich vor kurzem in Santo Domingo eröffnet habe -euch bei eurem pastoralen Bemühen um eine erneuerte Evangelisierung, die in wirksamer Weise zu Christus führen soll, ermutigen und stärken. Auf ihn stütze sich erneut eure Hoffnung, und durch die „Zivilisation im Zeichen der Liebe“ möge es euch gelingen, eine menschlichere und christlichere Welt aufzubauen, wo Gerechtigkeit und Frieden herrschen und in der alle Söhne und Töchter Boliviens das Leben des Geistes und 1653 AD-LIMINA-BESUCHE ihre Würde als Menschen in seiner ganzen Fülle leben können, in einem Klima der Freiheit, der gegenseitigen Achtung und öffentlichen wie privaten Sittlichkeit. Der Fürsprache der allerseligsten Jungfrau Maria, die von den Bolivianern besonders unter der Anrufung Copacabana sehr verehrt wird, vertraue ich diese Intentionen, eure Person und eure Wünsche zusammen mit den Bedürfnissen jedes Mitglieds eurer Diözesen an, während ich euch meinen herzlichen Segen erteile. Die Bedeutung der Volksfrömmigkeit Ansprache beim Ad-limina-Besuch chilenischer Bischöfe am 19. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Wenn ich heute die erste Gruppe von Bischöfen aus Chile zu ihrem Ad-limina-Besuch empfange, denke ich an die Jünger des Herrn, die nach einem arbeitsreichen Tag wieder zu ihm zurückkehrten. Als sie ihm berichteten, was sie getan und gelehrt hatten, empfing der Herr sie freundlich und schenkte ihnen neue Kraft, indem er sie in die Stille der Abgeschiedenheit und des Gebetes einlud (vgl. Lk 9,10). Dieses Bild beleuchtet sehr gut die Begegnung des Nachfolgers Petri mit den bischöflichen Brüdern der Kirche in Chile. In diesem Sinne bietet uns dieser Besuch die Gelegenheit, uns in inniger Nähe zu Jesus Christus, dem obersten Hirten (I Petr 5,4), zu begegnen, und ermutigt uns zu verstärkter kirchlicher Gemeinschaft. Verbundenheit und Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri und unter euch, um euer Hirtenamt zu erleichtern und ihm neue Festigkeit zu verleihen. Dieses positive Erlebnis wird euch immer die Atmosphäre der Brüderlichkeit erfahren lassen, in der so viele Punkte, die sich auf das Leben der eurem pastoralen Eifer anvertrauten Gemeinden beziehen, überprüft werden konnten. Auf diese Weise entsteht eine kirchliche Beziehung von empfänglicher und unmittelbarer Mitverantwortlichkeit, während jeder einzelne Bischof die universalen Dimensionen der Kirche besser wahrzunehmen vermag. 2. Bei dieser Begegnung sind in meinem Herzen vor allem jene Bischöfe - jeder einzelne von ihnen - gegenwärtig, die oft unter dem Druck großer 1654 AD-LIMINA-BES UCHE Schwierigkeiten und der täglichen Arbeitslast des Dienstes am Wort und der Leitung der Gemeinden stehen. Darum möchte ich euch sagen, daß ich euch ebenso verbunden bin wie euren Priestern und Diakonen; daß ich eure apostolischen Mühen sehe und inständig den Herrn bitte, euch bei eurer Arbeit mit der Gnade einer tiefen Liebe zu stärken. Diese macht nicht nur bei unserem Apostolat die Bande der brüderlichen und kirchlichen Gemeinschaft mit dem Volk Gottes enger, sondern auch unseren Geist offen für die Betrachtung des Geheimnisses Christi, des Erlösers. Und je größer und belastender das pastorale Wirken ist, um so größer muß die Versenkung in dieses Geheimnis sein. Das schließt die Entfaltung der Nächstenliebe in den eigenen Beziehungen zu Gott, das aufmerksame Hören seines Wortes, das häufige Nachdenken über sein Erbarmen, die innige Freude über die Reichhaltigkeit seiner Gaben und die zum Gebet gewordene Begeisterung über seine unverdiente Liebe ein. Darüber sprechen heißt, sich ein Problem von ewiger Gültigkeit vor Augen zu stellen: die Heiligkeit. Der heutige Mensch verspürt ein dringendes Bedürfnis nach unserem evangelischen Leben. Die eigene Heiligkeit ist das kostbarste und reichste Geschenk, das wir unseren Gemeinden anbieten können. Sie ist auch der Weg der wahren Erneuerung, die der Kirche zu bringen uns das Konzü aufgetragen hat. Sie ist der Weg der vollen kirchlichen Treue, die Freude an der Hingabe an das Heilswerk Christi und der hochherzigen Verpflichtung zu einer Aufgabe, die eine intensive Hirtenliebe erfordert. 3. Ihr kennt sehr wohl die Anhaltspunkte für diese Treue. Die Tatsache, daß ihr an Gottes Stelle der Herde vorsteht, deren Hirten ihr seid (vgl. Lumen gentium, Nr. 20), verbindet euch innig mit Christus. Ihr werdet von Gott in der Kirche geweiht, um an Christi Statt zu handeln. Euer Hirtenamt ist ganz an Christus gebunden. Ihr seid die Väter, aber auch die Verantwortlichen eurer Diözese, „deren von Gott verliehener Autorität sich alle bereitwillig unterwerfen“ {Christus Dominus, Nr. 16). Diese Eigentümlichkeit des Priestertums Christi läßt sich mit einem Wort ausdrücken: seine pastorale Dimension. Ihr wißt aus eigener Erfahrung, was diese Hirtensorge einschließt. Der Bischof ist, gemeinsam mit dem Nachfolger Petri, in der Tat der sakramentale Zeuge für die geschichtliche Transzendenz Christi und unermüdlicher Vermittler seiner dreifachen Sendung des Heiligens, Lehrens und Leitens. Daher ist er verpflichtet, als der Gute Hirte zu leben. Diese pastorale Dimension eures Amtes - seine erste und wesentliche 1655 AD-LIMINA-BESUCHE Dimension - macht euch zu Menschen der Gemeinschaft, zu Vätern und Brüdern der euch anvertrauten Gemeinschaft der Gläubigen; sie macht euch zu Spezialisten im „sensus Ecclesiae“, im Empfinden mit der Kirche, das heißt der Universal- und Ortskirche, die die Sendung Christi, des Erlösers, unter den Menschen fortsetzt. Von diesem pastoralen Verständnis muß eure Treue zu Gott und die Loyalität gegenüber euren Menschenbrüdern immer geleitet sein. 4. Auf der Linie dieses eures pastoralen Dienstes möchte ich euch gern das Thema der Volksfrömmigkeit anheimstellen. Ich weiß um die Bedeutung und den großen Zulauf zu euren unzähligen Marienheiligtümern, wie z. B. La Tirana, Andacollo, Lo Väsquez, Maipü und die Lourdes-Basilika in Santiago. Diese Heiligtümer und die Volksfrömmigkeit, die damit verbunden ist, haben eine starke, an Perspektiven reiche Bedeutung. Die Bedeutung der Volksfrömmigkeit, die in euren Diözesen sehr hoch ist, beschränkt sich nicht einfach auf ihren anthropologischen oder soziologischen Ausdruck. Im Gegenteil, es handelt sich um Augenblicke einer großen Gnadendichte, wo der Mensch seine tiefsten Wurzeln und die Grundlage, in der sie ruhen, wiederentdeckt. Hier fühlt man sich angespornt zum Gebet, zur Buße und zur brüderlichen Liebe. In der Volksfrömmigkeit ist es nicht selten so, daß es neben Elementen, die vielleicht schon überwunden wurden und nun gereinigt werden müssen, andere gibt, die Ausdruck eines echten christlichen Glaubens sind. Es ist daher notwendig, die Volksfrömmigkeit voll zu würdigen, sie von den unpassenden Verkrustungen der Vergangenheit zu reinigen und ganz aktuell zu machen. Das bedeutet, sie muß evangelisiert, das heißt mit den Heilsinhalten bereichert werden, die Träger des Geheimnisses Christi und des Evangeliums sind (vgl. Ansprache in Zapopan, Mexiko, 30. Januar 1979, Nr. 5). Außerdem bedarf es dringend einer gründlichen Unterscheidung bei der Auswahl der Reichtümer eurer Volkskultur, um zu versuchen, in ihr die Spur des Herrn wahrzunehmen, was dazu ermutigt, sie mit tieferen christlichen Inhalten zu bereichern, die sich für ein echtes Wachstum im Glauben eignen. So werden sich das Volk und die Gemeinden der Gläubigen Gott näher fühlen, während alles gewürdigt wird, was sie an Ursprünglichem oder an Samen des Wortes besitzen. <117> <117> Von größter Bedeutung ist die Verkündigung des Evangeliums und die Weitergabe des Glaubens in der Gesellschaft unserer Zeit. 1656 AD-LIM1NA-BES UCHE Denn der Fortschritt der modernen Zivilisation mit seinen sozialen, von einem deutlichen Säkularisierungsprozeß gekennzeichneten Erscheinungen bestimmt immer mehr die Laien und ihre rein irdische Ausrichtung und schwächt den Einfluß des Evangeliums. Bedauerlicherweise begünstigt diese Situation manchmal in unseren Kirchengemeinden typisch horizontale Denkhaltungen und gewisse weltliche Sitten, die der Klarheit des evangelischen Zeugnisses schädlich sind. Die Veränderungen haben nicht nur das traditionelle pastorale Wirken aufs Spiel gesetzt, sondern sie haben mitunter der Unversehrtheit des Glaubens Schaden zugefügt, weil sie zum Verlust seiner Kraft und Aktualität beitrugen. Deshalb wird die Weitergabe eines tiefen und echten Glaubens, der mit aller Klarheit die Schönheit des Evangeliums ohne irgendwelche Verkürzungen darstellt, mit jedem Tag unerläßlicher. Wie mein Vorgänger Paul VI. in Erinnerung brachte, wird man auf diese Weise die Versuchung vermeiden, „die Sendung der Kirche auf die Dimensionen eines rein diesseitigen Programmes zu beschränken; ihre Ziele auf eine anthropozentrische Betrachtungsweise; das Heil, dessen Bote und Sakrament sie ist, auf einen materiellen Wohlstand; ihre Tätigkeit, unter Vernachlässigung ihrer ganzen geistlichen und religiösen Sorge, auf Initiativen im politischen und sozialen Bereich“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 32, in Wort und Weisung, 1975, S. 559). Anderseits fordert die heutige Situation die Kirche dazu auf, der kateche-tischen Arbeit neues Vertrauen entgegenzubringen; „denn es geht hierbei um eine vorrangige Aufgabe ihrer Sendung“ (Catechesi tradendae, Nr. 15). Der Katechese gebührt also der Vorrang im pastoralen Wirken der Kirche. An sie ergeht unser Appell, „ihre besten Möglichkeiten an Menschen und Energien, ohne Arbeit und Mühen oder auch materielle Kosten zu scheuen, in den Dienst der Katechese zu stellen, um sie besser zu organisieren und qualifiziertes Personal dafür heranzubilden“ (ebd.). Das ist die Aufgabe, liebe Brüder im Bischofsamt, die ihr als eine besondere Sendung innehabt, da ihr die Erstverantwortlichen für die Katechese, die Katecheten im wahrsten Sinne des Wortes seid. Anderseits liegt es auf der Hand, daß diese Katechese die wesentlichen Inhalte der Offenbarung getreu darlegen muß, und zwar mit einer Methode, die in der Lage ist, die christlichen Generationen der Zukunft zu einem kraftvollen Glauben zu erziehen (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 50). 1657 AD-LIMINA-BESUCHE 6. Mit dem Problem der Glaubensvermittlung ist das der Priesterberufe eng verbunden. Ich weiß, daß es in euren Diözesen eine tiefe christliche Tradition gibt und daß viele um den Beistand der Religion bitten. Ich sehe auch voller Hoffnung eine Zunahme an Berufungen. Dennoch habe ich Kenntnis davon, daß in euren Regionen, vor allem in Nordchile, Priestermangel herrscht, daß es nicht genügend Priester gibt, um die erforderliche Seelsorge wahrzunehmen. Während ich mit euch die Sorge und den Kummer ob dieses Mangels an Menschen teile, die sich der Sache des Evangeliums widmen, gilt mein Lob und Segen all jenen Missionaren, die aus verschiedenen Teilen der Welt nach Chile gekommen sind, um dort ihren brüderlichen Dienst zu leisten. Sie sind gewiß eine bedeutende Hilfe und eine Gnade Gottes für eure Kirchengemeinden. Deshalb meine ich, daß es notwendig ist, die Pastoral für Berufe ständig zu verstärken und zu verbessern. Ich weiß, daß ihr euch Sorgen macht um die Jugend und Jugendmissionen fördert, die oft große Beständigkeit zeigen. Worauf es jetzt ankommt, ist die Förderung einer mutigen missionarischen Pastoral durch Verstärkung einer starken apostolischen „Mystik“, begleitet von konkreten Programmen, die die Vermehrung der Berufe zum Ziel haben. Ich brauche euch wohl nicht an die Bedeutung der mit Achtung, aber auch in der Kraft und evangelischen Authentizität Christi erfolgten persönlichen Berufung zu erinnern. Das Wecken neuer Berufe verlangt missionarischen Eifer, Kühnheit, großmütige Initiativen, das Zeugnis des Lebens, und vor allem fordert es von uns, daß wir die Liebe zu Jesus in der Eucharistie und die Verehrung der seligsten Jungfrau, Mutter der Kirche, nachdrücklich unterstützen. Gewisse Schwierigkeiten bedürfen des „Wunders“ des Glaubens und der Glut des Gebets. Ich weiß, daß man in diesem Jahr das 400jährige Bestehen des großes Priesterseminars von Santiago feiert und dabei seiner jahrhundertealten ruhmreichen Geschichte gedenken wird. Ich spreche schon jetzt den Wunsch aus, daß diese Feiern ein tiefes Interesse an kirchlichen Berufen für Santiago und das ganze Land fördern mögen. <118> <118> Die Probleme der Familie stellen eine weitere ernste Frage dar. Mehr als jeder andere Bereich eurer Orientierungen und Programme ist die Familie ein echter Mittelpunkt, von dem aus man voller Hoffnung die Pastoral neu durcharbeiten und planen muß. Von großer Bedeutung ist, daß ihr als eine der Konsequenzen der Synode über die Familie eure Pastoral insgesamt überprüft, um zu versuchen, sie 1658 AD-LIMINA-BESUCHE auf die Familie zu konzentrieren, sei es in ihrer Identität als leuchtendes Zeichen der Liebe Gottes, sei es in ihren verschiedenen kirchlichen Sendungen und Aufgaben. In einer Welt, die erfüllt ist von Ängsten und Sorgen, muß die Familie als ein positiver, hoffnungsvoller Beitrag, als „Bund der Liebe und des Lebens“ (Botschaft der Synodenväter, Nr. 9) Auftrieb erhalten. Auch auf religiöser Ebene muß eine solide Entwicklung der Familie erfolgen, damit diese Ort des Glaubenserlebnisses und Mittelpunkt der Evangelisierung der Gesellschaft ist. Und damit sie diese Sendung mit dem Geist der Offenheit erfülle, dazu fähig, „Menschen in der Liebe zu erziehen und zu bilden und zudem die Liebe in der Beziehung zu den anderen zu üben, so daß die Liebe offen ist für die Gemeinschaft und von einem Gefühl der Gerechtigkeit und Achtung gegenüber den anderen bewegt wird, und damit sich die Familie ihrer Verantwortung gegenüber der ganzen Gesellschaft bewußt sei“ (ebd., Nr. 12). Es ist also unerläßlich, daß die Familie in der vollkommenen Erziehung des Menschen und der Gesellschaft ihre Rolle in angemessener Weise erfüllt. Darum muß für sie eine moralische und ideale Grundlage geschaffen werden, die sich auf die echten christlichen Werte, auf die Offenheit für Gott gründet, weil „der Mensch für sich selbst ein unbegreifliches Wesen bleibt“; weil sein Leben „ohne Sinn ist, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird, wenn er sie nicht erfährt und sich zu eigen macht, wenn er nicht lebendigen Anteil an ihr erhält“ (Familiaris consortio, Nr. 18). Die unter dieser Perspektive gelebte Liebe der Familie wird sich in eine Schule der Liebe verwandeln müssen. Ist nicht der Augenblick gekommen, um eindringlich an die Familienväter zu appellieren, damit sie sich der Zukunft des Menschen dadurch annehmen, daß sie in ihm die Liebe und das Leben bewahren? Auch unsere Erziehungsinstitutionen werden sich um eine echte Erneuerung bemühen müssen, um die Familie in ihren Tätigkeitsbereich einzubeziehen und sie zu einer gründlichen Schule der Liebe und der Vermittlung religiöser und menschlicher Werte zu machen. Auf diese Weise, hebe Brüder, kommt ihr nicht nur eurer Hirtenpflicht nach, sondern erweist ihr gleichzeitig der Gesellschaft eures Landes einen großen Dienst, die in ihrem Wunsch nach Wiederaufbau mit den großen Werten rechnen darf, die aus einer stabilen, gesunden und auf solide sittüche Grundätze gegründeten Familie kommen. <119> <119> Zum Abschluß dieser Begegnung erbitte ich für euch die Kraft und das Licht des Heiligen Geistes, damit er euren eifrigen und selbstlosen Dienst 1659 AD-LIMINA-BESUCHE an der Kirche mit seiner Gnade begleite und damit er euch in eurem ehrlichen Vorsatz unterstütze, allen euren Gemeinden das Evangelium Christi zu verkünden. Ehe ich von euch Abschied nehme, kann ich nicht umhin, euch die tiefe Freude kundzutun, die mir die Tatsache bereitet hat, daß es den geliebten Nationen Chile und Argentinien gelungen ist, den Vertragstext zu fixieren, der, sobald er von beiden Seiten ratifiziert worden ist, den Streit zwischen den beiden Ländern endgültig beenden wird. Die Beteiligung des Hl. Stuhls an dem Vermittlungsvorgang hatte stets das Wohl der beiden Völker und die Eintracht zwischen ihnen zum Ziel. Möge Gott dieses Friedenswerk fruchtbar machen. Während ich diese Vorhaben und euch, eure Priester, Diakone, Ordensmänner, Ordensfrauen, Seminaristen, eure Gläubigen und alle eure Landsleute der heiligen Jungfrau vom Berge Karmel, der Mutter und Königin Chiles, anvertraue, erteile ich euch ganz herzlich meinen Apostolischen Segen. Lehrer der Offenbarungswahrheit Ansprache beim Ad-limina-Besuch der zweiten Gruppe chilenischer Bischöfe am 8. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Während ich euch heute anläßlich eures Besuches „ad limina Aposto-lorum“ empfange, begrüße ich euch brüderlich, liebe Bischöfe der Kirche Gottes in Chile. Ich weiß um euren Eifer und eure kirchliche Hingabe und möchte dafür dem Herrn Dank sagen; zugleich heiße ich euch ganz herzlich zu dieser Begegnung willkommen. In euch möchte ich auch alle Gläubigen eurer Diözesen bzw. Vikariate begrüßen, da ja dieser Besuch Ausdruck einer starken Verbundenheit eurer christlichen Gemeinden mit dem Stuhl Petri ist. In diesem Klima des Austausches von Informationen und Erlebnissen will ich mit der herzlichen Zuneigung antworten, die „aus der Sorge für alle Kirchen“ kommt (vgl. 2 Kor 11,28). Kürzlich hatte ich Gelegenheit, der ersten Gruppe chilenischer Bischöfe einige pastorale Themen vorzulegen, die ich für besonders wichtig und aktuell hielt (vgl. Ad-limina-Besuch chilenischer Bischöfe am 19. Oktober). 1660 AD-LIMINA-BESUCHE Ich möchte, daß ihr diese Worte als auch an euch gerichtet betrachtet, so wie ich hoffe, daß die Worte, die ich heute an euch richte, von euren bischöflichen Brüdern ebenso als gültige Orientierungen für sie betrachtet werden. Im einen wie im anderen Fall richten sich meine Gedanken auch an die Priester, Diakone und Pastoralhelfer - soweit sie sich speziell auf sie beziehen. 2. In dieser Stunde der Gemeinschaft mit der Kirche von Rom, „mit der notwendigerweise jede Kirche in Übereinstimmung stehen muß“ (hl. Irnenäus, Adversus haereses, 3, 3, 2: PG 7,848), möchte ich bei euch einige Überlegungen über den Dienst des Wortes anstellen, der euch durch die Bischofsweihe übertragen wurde (vgl. Lumen gentium, Nr. 21) und der eines der hauptsächlichsten Pflichten der Bischöfe ist (vgl. Lumen gentium, Nr. 25; Christus Dominus, Nr. 12). Gegenüber dem selbstgenügsamen Humanismus, der häufig von Gott absieht; gegenüber jedem, der die Pilgersituation des Menschen auf Erden vergißt; gegenüber Lehren oder persönlichen und sozialen Verhaltensweisen, die mit der Moral des Evangeliums unvereinbar sind, ist es heutzutage notwendig, daß die Gläubigen in ihren Bischöfen vor allem das Licht des Glaubens und der Lehre finden, das in der Fülle und ganzen Reinheit zu empfangen sie das Recht haben (vgl. Lumen gentium, Nr. 37). Ihr seid kraft eures Bischofsamtes echte Zeugen des Evangeliums und Lehrer nicht der menschlichen Wissenschaften - so anerkennenswert diese sein mögen -, sondern der Offenbarungswahrheit, aus der sich euer Lehramt nährt und immer nähren muß. Um den Herausforderungen der heutigen Zeit begegnen zu können, muß die Kirche in jeder Lage als „Säule und Fundament der Wahrheit“ (1 Tim 3,15) sichtbar werden. Der Dienst der Wahrheit, die Christus ist, ist unsere vorrangige Aufgabe. Diese Wahrheit wird geoffenbart. Sie entsteht nicht durch einfache menschliche Erfahrung. Gott selber ist es, der sich in Jesus Christus durch den Heiligen Geist dem Menschen zu erkennen gibt. Darum muß dieser Dienst an der geoffenbarten Wahrheit aus dem Studium und der Kontemplation erwachsen und durch die ständige Erforschung der Wahrheit zunehmen. Unsere Standhaftigkeit ruht auf diesem soliden Fundament, da ja die Kirche trotz all der Schwierigkeiten der sie umgebenden Welt heute nicht anders sprechen kann, als Christus gesprochen hat. Darum werden die Kirche und vor allem ihre Bischöfe sich um die absolute Wahrheit vereint finden müssen, die Gott ist, und sie in ihrer ganzen Unversehrtheit und Reinheit verkünden! 1661 AD-LIMINA-BESUCHE Der Titel I. des III. Buches des neuen Codex des kanonischen Rechts handelt vom „Dienst am Wort Gottes“, und zwar in zwei Kapiteln, die sich mit der „Predigt des Wortes Gottes“ und mit der „katechetischen Unterweisung“ beschäftigen. Ich trage euch mit Nachdruck auf, alles in eurer Macht Stehende zu tun, damit wir durch die Predigt und die Katechese dem Wort Gottes, dem einzigartigen Wort des Vaters, die Anerkennung unserer Worte darbringen können im reinen und aufrichtigen Dienst an seinen Worten, die allein Worte des ewigen Lebens sind (vgl. Joh 6,68). 3. Das Glaubensleben und der Dienst an der geoffenbarten Wahrheit äußern sich vor allem in der Teilnahme am liturgischen und sakramentalen Leben, das zu einem Leben führt, das aus guten Werken besteht. Die Menschen dürsten nach dem lebendigen und wahrhaftigen Gott, nach dem persönlichen und gemeinschaftlichen Kontakt mit ihm. Die österlichen Quellen der Gnade, die das christliche Leben dadurch bereichern und mit Dynamik erfüllen, so daß sie ihm seine ganze Schönheit und Kraft verleihen, sind vor allem die Eucharistie und die Buße. Wie wäre es möglich, ohne die Gnade Christi, die aus diesen Sakramenten fließt, das christliche Leben und die Sendung des Menschen in der Welt zu entfalten? Das Zweite Vatikanische Konzil hat mit kaum überbietbarer Eindringlichkeit die zentrale Rolle der Feier der heiligen Liturgie im Leben der Kirche ausgesprochen: „Die Liturgie ist der Höhepunkt, dem das Tun der Kirche zustrebt, und zugleich die Quelle, aus der all ihre Kraft strömt. . . Aus der Liturgie, besonders aus der Eucharistie, fließt uns wie aus einer Quelle die Gnade zu; in höchstem Maß werden in Christus die Heiligung der Menschen und die Verherrlichung Gottes verwirklicht, auf die alles Tun der Kirche als auf sein Ziel hinstrebt“ (Sacrosanctum concilium, Nr. 10). Diese Betonung schließt andere Handlungen der Kirche nicht aus (vgl. ebd., Nr. 9 und 11), sie weist jedoch mit aller Klarheit auf die innerste Struktur der kirchlichen Arbeit hin. Die gebührende Beachtung dieser Struktur ist die Gewähr für eine richtige pastorale Orientierung, die in der Harmonie und Ausgewogenheit deutlich wird, die Wesensmerkmale des christlichen und katholischen Lebens sein sollen. Das alles macht die entscheidende Bedeutung der angemessenen Feier der Liturgie der Kirche und die Notwendigkeit offenkundig, alles nur mögliche zu tun, damit die Teilnahme der Gläubigen daran aktiv und nicht nur ein äußerer Akt, sondern innere Beteiligung ist. 1662 AD-LIMINA-BESUCHE Andererseits sollen der Dienst am Wort, die Eucharistie und die Buße wieder der dynamische Mittelpunkt des gemeinschaftlichen Lebens der Kirche sein, die eben hier ihre eigentliche Sendung findet, die der Christi, des Guten Hirten, ähnlich ist. Ich fordere euch daher auf, eure Priester daran zu erinnern, daß sie niemals den pastoralen Dienst der Sakramente vernachlässigen dürfen. Die Kirche braucht sie vor allem als Zeugen der Transzendenz Christi und unermüdliche Sendboten seines Heils. Sie braucht sie als lebendiges Beispiel und als Diener, die die Geheimnisse Christi, des Erlösers, verbreiten. Ich weiß, daß ihr, um eure Gläubigen auf einen würdigen Empfang der Sakramente vorzubereiten, ein Direktorium der Sakramentenpastoral veröffentlicht habt, das jetzt versuchsweise in Chile gültig ist und bis zu seiner endgültigen Approbation noch bereichert werden kann. Auf diesem Gebiet wird man das richtige Gleichgewicht zwischen dem Recht der Gläubigen auf den Empfang der Sakramente (vgl. Lumen gentium, Nr. 37: CIC, can. 213 u. 843 § 1) und der Pflicht, sich auf diesen Empfang entsprechend vorzubereiten (can. 843 § 2), wahren müssen. Damit ist eine Pflicht gegeben, die den Bischöfen die Aufgabe des Beistandes und der Unterscheidung zuweist. 4. Die christliche Erziehung der Jugend ist ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt, da sie für die Kirche von großer Bedeutung ist. Diese Herausforderung stellt die Kirche vor die Verantwortung einer ernsthaften Evangelisierung, „die auch den Religionsunterricht in der Schule - auch an den öffentlichen Schulen - einschließt und schließlich bis zur katholischen Schule reicht als Ort christlicher Erziehung und ganzheitlicher Bildung des Kindes und Jugendlichen unter dem Zeichen des Glaubens und in einer Vorstellung vom Menschen und der Welt, die sich an diesem Glauben inspiriert“ (Ansprache an die Kardinäle und Mitarbeiter der Römischen Kurie beim Wortgottesdienst in St. Peter am 28. Juni 1984, Nr. 4, in O.R., dt., vom 13. 7. 84, S. 5). Ich weiß, daß in euren Diözesen verstärkte Bemühungen unternommen werden, um den Religionsunterricht in den Schulen zu organisieren und zu intensivieren, und zwar einschließlich der öffentlichen Schulen, was den neuen Möglichkeiten zu verdanken ist, die in treffender Weise von der jüngsten staatlichen Gesetzgebung sichergestellt werden, die den Religionsunterricht auf sämtliche Schulen, einschließlich der mittleren und höheren Anstalten, ausgedehnt hat. Deshalb möchte ich euch zu dieser typisch kirchlichen Sendung anspor- 1663 AD-LIMINA-BES UCHE nen, weil es dringend notwendig ist, daß wir uns mit Entschlossenheit „in den Stand der Glaubensverkündigung und Katechese“ setzen. Was mit-einschließt, daß die religiöse Erziehung an den Schulen als eine der absolut vorrangigen Aufgaben ihren organischen Platz in der Pastoralpla-nung der Diözesen findet. Es wird nicht unangebracht sein, euch in Erinnerung zu rufen, daß sich „in den Stand der Glaubensverkündigung und Katechese“ setzen beachtliche Anstrengungen erfordert, wie die sorgfältige Auswahl und Vorbereitung der Religionslehrer, das aufmerksame Studium der Bildungsprogramme, die Sorge um die Vermehrung der Zahl der Laienkatecheten, die Schaffung von katechetischen Studienzentren und diözesanen Animationsgruppen, die Handhabung der Herstellung und Verbreitung katechetischen Materials und didaktischer Hilfsmittel, die Prüfung der Studienprogramme und der in den verschiedenen Bereichen angewandten Methoden. Es liegt auf der Hand, daß auf dem weiten Gebiet der Glaubensverkündigung und der Katechese die katholische Schule einen bevorzugten Ort christlicher Erziehung darstellt. Über alle akademische Vervollkommnung hinaus wird in ihr die ganzheitliche Bildung der Person gesucht, die man im Licht einiger humanistischer Grundsätze zu gestalten trachtet, die ihren Grund in Jesus Christus, dem menschgewordenen Sohn Gottes, haben. Um dieses Ziel zu erreichen, ist die katholische Schule als Erziehungsgemeinschaft organisiert und legt ihren Erziehungsplan vor, in dem sie ausdrücklich sagt, welchen Menschentyp sie heranbilden will. Die Erzieher ihrerseits wirken in ihr bei voller Respektierung des Gewissens des Schülers und der Eltern als „Zeugen des Glaubens“ und durch ihre kirchliche Berufung erfahrene Experten im Dialog der Reinigung und Umwandlung der Kulturen. In diesem Sinne muß ich euch zutiefst danken für die Bemühungen, die ihr in Chile unternommen habt, um die katholische Schule zu verbessern und zu stärken. Ihr könnt gewiß sein, daß ihr damit einen wertvollen Dienst für die Kirche und für die richtige Bildung der Gesellschaft leistet. Denn diese ist absolut notwendig für das Mitwirken der Jugendlichen und der christlichen Laien im allgemeinen, denen als eigentliche Aufgabe der Aufbau einer Gesellschaft nach dem Plan Gottes obliegt. Vermittelt deshalb den katholischen Laien Chiles eine solide sittliche Bildung, damit sie in der konkreten irdischen Wirklichkeit die verantwortliche Präsenz der Kirche bei der Förderung der Wahrheit, der Gerechtigkeit und der Rechte der Menschen sichtbar machen können. 1664 AD-LIMINA-BESUCHE 5. Obgleich ich bereits zu der vorangegangenen Gruppe chilenischer Bischöfe über die Förderung der geistlichen Berufe gesprochen habe, möchte ich heute noch ein Wort über ein Thema anfügen, das mir sehr am Herzen liegt: die Priesterseminare und die Ausbildung der Priester. Wenn wir einerseits keine Mühe scheuen dürfen, die Zahl der Priesteramtskandidaten zu erhöhen, gilt es andererseits, darauf zu achten, daß die Seminaristen sich auf spirituellem, dogmatischem, pastoralem, wissenschaftlichem und menschlichem Gebiet in angemessener Weise auf das geweihte Amt vorbereiten. Das erfordert große Sorgfalt und Aufmerksamkeit von euch und den Ausbildern. Gebe Gott, daß mit dieser Unterstützung und mit Hilfe der vom Hl. Stuhl und der Bischofskonferenz herausgegebenen Vorschriften die Seminaristen einen sicheren Weg finden, sich auf das Priesterleben von morgen vorzubereiten. Bevor ich schließe, erlaubt mir noch, daß ich durch euch einen herzlichen Gruß an alle Seminaristen Chiles sende, die sich in den verschiedenen Priesterseminaren befinden, darunter denen von Concepciön und dem San-Jose-Seminar in Mariquita, deren Bischöfe hier anwesend sind. 6. Liebe Brüder im Bischofsamt, wir haben miteinander einige vorrangige Aufgaben der pastoralen Arbeit analysiert. Ich weiß, daß der Weg, der vor euch hegt, nicht leicht ist, doch die Kirche in Chile ist reich an wertvollen, lebendigen Kräften von Priestern, Ordensmännem, Ordensfrauen und glaubensstarken Laien. Mit ihrer eifrigen und selbstlosen Unterstützung, mit der Ermutigung des Papstes, der eure Schwierigkeiten verfolgt und versteht, geht also mit Eifer voran! Christus ist vor allem andern die Quelle der Kraft und Treue der Kirche. Sie wird getragen von der Gnade des Heiligen Geistes, der „Herr ist und das Leben schenkt“. Endlich möchte ich euch gegenüber noch meine Sorge zum Ausdruck bringen angesichts der wachsenden Spannungen und Schwierigkeiten der letzten Tage, die Unbehagen, Leid und Trauer in eurem Land hervorgerufen haben. Ich rechne mit eurem Einsatz und eurer Hingabe als Hirten der ganzen euch anvertrauten Herde, damit sich in den Herzen jedes Bürgers und in der nationalen Gemeinschaft als ganzer immer mehr ein Weg eröffnet, nämlich der hochherzige und wirksame Vorsatz zur Versöhnung, die ein kostbares Geschenk des Herrn, aber auch Frucht des guten Willens und der Anstrengung der Verantwortlichen ist. Das ist der einzige Weg, um eine Atmosphäre der Gelassenheit und des Friedens zu schaffen und zu fördern, die als wohltuende Folge auch eine Verbesserung der allge- 1665 AD-LIMINA-BESUCHE meinen Lage in eurem Land mit sich bringen wird. So wird man durch das Zusammenwirken aller und zum Vorteil aller eine gedeihliche Zukunft sicherstellen können. Mit einem besonderen Blick auf die kirchliche Gemeinde fordere ich diese auf, weiter dafür zu arbeiten, daß sie durch ihre immer stärkere Verbundenheit mit ihren Bischöfen und mit dem römischen Papst die Gemeinschaft der Seelen immer intensiver ausbaut. Bereits in den Anfangszeiten der Kirche empfand es der hl. Paulus als ein dringendes, pastorales Bedürfnis, an die Korinther zu schreiben: „Im übrigen, liebe Brüder, freut euch, kehrt zur Ordnung zurück, laßt euch ermahnen, seid eines Sinnes und lebt in Frieden! Dann wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein“ (2 Kor 13,11). Auf diese Weise wird sich das eindringliche Gebet Christi erfüllen: „Alle sollen eins sein . . ., damit die Welt glaubt“ (Joh 17,21). Setzt also, beseelt von der Tugend der Hoffnung, eure kirchliche Aufgabe ruhig und gelassen fort und bemüht euch darum, daß nach Überwindung der Spaltungen und Entzweiungen alle aufrichtig mitarbeiten können am Aufbau des Gemeinwohls, des sozialen Friedens, der Gerechtigkeit, der Achtung des Lebens und der Rechte jedes einzelnen. Liebe Brüder, ihr dürft meines Vertrauens, meiner Zuneigung und meines inständigen Gebets zum Herrn für euch, für eure Diözesen, für eure Heimat und für die Gläubigen, die Gott euch anvertraut hat, sicher sein; gleichzeitig erteile ich allen meinen herzlichen Segen. Die Hirtensorge schließt keinen Menschen aus Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Costa Rica am 26. Januar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Nur wenige Monate nach meiner apostolischen Reise nach Mittelamerika und meinem unvergeßlichen Aufenthalt in Costa Rica ist es mir eine große Freude, euch heute brüderlich in Rom, in der Stadt von Petrus und Paulus, empfangen zu können, in die ihr zu eurem Ad-limina-Besuch gekommen seid. Wie könnte ich in diesem Augenblick nicht an die so erfreuliche Begeg- 1666 AD-LIMINA-BESUCHE nung mit einer begeisterten Menge von Costaricanern im Stadtpark von La Sabana denken und an die Begegnung mit den kranken Kindern im staatlichen Kinderkrankenhaus? Ebenso unvergeßlich ist mir die Begegnung mit den Ordensleuten in der Kathedrale der Hauptstadt, mit den Tausenden von Jugendlichen, die mich im Nationalstadion begrüßten, sowie mit den Richtern des Interamerikanischen Gerichtshofs für Menschenrechte und den höchsten Autoritäten eurer Nation. Diese und andere Augenblicke haben sich lebendig und unauslöschlich in mein Gedächtnis eingeprägt. Ich bitte euch daher schon jetzt, allen euren Landsleuten meinen herzlichen Gruß zu überbringen, zusammen mit meinem Segen; sagt ihnen, daß der Papst sie nicht vergißt und daß er seine Gebete zu Gott emporsendet, damit der Glaube jeden Schritt ihres irdischen Pilgerweges erleuchte, die Liebe sie mehr und mehr zu Brüdern mache und das auch fühlen lasse und der Friede immer in den Grenzen eures Heimatlandes herrsche. Um den Nachfolger Petri vereint, auf dem Christus seine Kirche erbaut und dem er den Auftrag gegeben hat, seine Freunde zu stärken, erwartet ihr, wie ich weiß, mein Wort zum kirchlichen Leben in euren Diözesen, in denen ihr in brüderlicher Gemeinschaft mit mir euer Hirtenamt im Namen Christi ausübt, wobei ihr euch der wertvollen Mitarbeit eurer Priester, Ordensleute und apostolisch engagierten Laien erfreut. 2. Das erste Thema, über das ich mit euch nachdenken möchte, ist das der Berufungen. In Anteilnahme an der Sorge der Bischöfe Lateinamerikas angesichts des chronischen Mangels an Berufungen habe ich oft darauf bestanden, daß jede kirchliche Gemeinschaft bestrebt sein muß, schon als Zeichen ihrer Lebenskraft und Reife, ihre eigenen Berufungen hervorzubringen. Mit euch, meine geliebten Bischöfe aus Costa Rica, danke ich Gott für die zahlreichen Priester- und Ordensberufe, mit denen die Gebete so zahlreicher auserwählter Seelen belohnt werden und die sicher auch all jenen zu verdanken sind, die sich der Berufungspastoral widmen. Zu meiner großen Freude weiß ich, daß das Zentralseminar von San Jose während der letzten Jahre restlos gefüllt war und daß für das neue Studienjahr über hundert entsprechend ausgewählte Jugendliche ihren Willen zum Ausdruck gebracht haben, ins Priesterseminar einzutreten. Es tut mir jedoch sehr leid, daß wegen absoluten Platzmangels fast die Hälfte von ihnen abgewiesen werden mußte. Im Namen der Kirche bitte ich euch dringend, nach geeigneten Lösungen zu suchen,. damit: diese kostbaren Berufungen nicht verlorengehen. Keine Mühe darf gescheut 1667 AD-LIMINA-BESUCHE werden, damit diese jungen Menschen, sobald sie entsprechend auf das Priestertum vorbereitet sind, in anderen Diözesen des Landes, Mittelamerikas oder des amerikanischen Erdteils dienen können, wo es an Arbeitern für das Evangelium mangelt. Eine ausgeglichene Verteilung des Klerus ist eine echte kirchliche Pflicht, der ihr euch auch innerhalb eurer Grenzen nicht entziehen dürft. Wacht auch eifrig darüber, daß die Priesterausbildung im Zentralseminar wie auch für die verschiedenen Orden im Theologischen Institut Zentralamerikas, das den gesamten Ordensklerus heranbildet, voll und ganz dem Lehramt der Kirche und den vom Hl. Stuhl und eurer Bischofskonferenz erlassenen Normen entspreche. Bemüht euch zu diesem Zweck um die ehrliche Mitarbeit der Ordensgemeinschaften. In diesem Sinn möchte ich meine große Zufriedenheit über die hervorragende Ausbildung ausdrücken, die ihr seit einigen Jahren sowohl hier in Rom als auch anderswo den Priestern zuteil werden laßt, denen die große Verantwortung der Heranbildung der neuen Priesterorganisation auferlegt ist. Ich bitte Gott, er möge euch helfen, mit dieser wertvollen Initiative jederzeit fortzufahren. Durch euch möchte ich meine Ermutigung und meine Dankbarkeit auch den Ausbildungsleitern des Zentralseminars, den Ordensschwestern und allen anderen zukommen lassen, die hochherzig ihr Leben dem guten Funktionieren dieser wichtigen kirchlichen Einrichtung widmen. Möge Gott auch alle jene segnen, die mit lobenswerter Haltung für die Förderung der Berufungen zum Diözesan- und Ordenspriestertum arbeiten, die internationalen Hilfsorganisationen und alle, die die Arbeit der Heranbildung der künftigen Amtsträger der Kirche unterstützen. 3. Meine Aufmerksamkeit gilt auch dem so wichtigen Bereich der Familie. Tatsächlich wollte Gott in seiner weisen Vorsehung die Familie zur ersten „Welt“ des Menschen machen, zur geeignetsten Umgebung für seine Geburt, sein Wachstum und seine volle Entfaltung. Die Familie ist an sich ein so großer Wert, daß der Sohn, das Wort des Vaters, unsere Menschennatur in der Heiligen Familie annehmen wollte. Das letzte Konzil bezeichnete die Familie als „Hauskirche“ (Lumen gentium, Nr. 11), während die Konferenz von Medellin, die Ausführungen über die Familie zusammenfassend, sagt, sie „bildet die Persönlichkeit, erzieht im Glauben und fördert die Entwicklung“ (vgl. Medellin, Dokument über Familie und Bevölkerungskunde). Die Konferenz von Puebla wiederum bekräftigt, daß die Familie „Frucht einer Verbindung von Personen (ist), die durch eine hebevolle Berufung Gottes, des Vaters, zustandekommt“ 1668 AD-LIMINA-BESUCHE (Puebla, 582). Daher sagte ich selbst, daß „Gott in seinem tiefsten Geheimnis nicht einzelner, sondern Familie ist“ (Predigt in Puebla de los Angeles, Nr. 2 vom 28. 1. 1979). Ich weiß, daß das Volk Costa Ricas bisher die sakramentale Ehe und die aus ihr hervorgegangene Familie hoch in Ehren gehalten hat. Ich weiß aber auch um die ernsten Gefahren, die sie in letzter Zeit bedrohen, wie die Zunahme der freien Verbindungen oder der unvollständigen Familien, die steigende Zahl von Ehescheidungen, die systematische Werbung für die Vermeidung von Nachkommenschaft, die zögernden, aber raffinierten Versuche, die Gewissen einzuschläfern, damit sie der Abtreibung oder Gesetzen zustimmen, die auf eine Rechtfertigung der Sterilisation unter Bedingungen abzielen, die für die Kirche und das christliche Gewissen unannehmbar sind. Euch als Hirten steht es zu, allen den unermeßlichen Wert klarzumachen, den die Familie für die Kirche und die Gesellschaft darstellt, und sie mutig gegen alles zu verteidigen - und ich weiß, daß ihr das tut -, was ihre fundamentalen Werte schwächen oder bedrohen könnte. Wacht sorgsam darüber, daß durch die Katechese, den Religionsunterricht, die Ehevorbereitungskurse, die entsprechende Literatur und die mit Hilfe der Massenmedien entfalteten Initiativen die Wertschätzung der christlichen Familie erhalten oder wiederhergestellt wird. Der Aufruf von Puebla erfordert Initiativen Zu diesem wichtigen Ziel muß die Familienseelsorge einen wesentlichen Beitrag leisten, deren Träger eure Priester und die Bewegungen des Familienapostolats sind; ihnen spreche ich gern meine Unterstützung und Dankbarkeit aus und ermutige sie, unverzagt in der Erfüllung ihrer so fruchtbaren Aufgabe fortzufahren. 4. Die Jugend, die den größten Teil der lateinamerikanischen Bevölkerung darstellt und zunehmende Bedeutung im Leben und in der Sendung der Kirche gewinnt, ist ein weiterer Bereich, dem eure apostolische Sorge vorzugsweise gelten muß. Der Aufruf von Puebla zur gegenwärtigen und zukünftigen Evangelisierung Lateinamerikas, dieses Kontinents der Hoffnung, dem ihr angehört, fordert Initiativen für die Evangelisierung der Jugendlichen, vor allem seitens ihrer Altersgenossen, die ihre Lebensbedingungen teilen. Sorgt demnach für ihre solide Ausbildung in den christlichen Bildungsanstalten, in denen sie Zusammenkommen, von der Schule bis zur Universi- 1669 AD-LIMINA-BESUCHE tät. Möge ihnen bei der Erarbeitung und der Durchführung der gesamt-heitlichen Pastoralplanung in jeder Diözese weitgehend Rechnung getragen werden, und mögen die apostolischen Jugendbewegungen über eine ausreichende Zahl gut ausgebildeter geistlicher Assistenten verfügen, die ganz von kirchlichem Geist durchdrungen sind. Der Einsatz für die Gerechtigkeit nimmt angesichts der derzeitigen Lage in Mittelamerika den Charakter dramatischer Dringlichkeit an und wird für seine leidgeprüften Völker zum Zeichen der Glaubwürdigkeit der Kirche. Der Einsatz der christlichen Jugendlichen für ihre Verteidigung und Förderung nach eindeutig evangelischen Kriterien, wie sie in der Soziallehre der Kirche festgehalten sind, ist daher von lebenswichtiger Bedeutung. So werden sie sich gegen die Anziehungskraft jener Ideologien verteidigen können, denen sich, wie bereits in Puebla festgestellt, der Christ nicht zuzuwenden braucht, um „die Befreiung des Menschen zu lieben, zu verteidigen und mitzuverwirklichen“ (Eröffnungsansprache der 3. Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe, III, 2 vom 28. 1. 1979). Seid auch mit der ganzen Kirche um den schweren persönlichen und sozialen Verfall besorgt, den für die Jugend der Verlust der moralischen Werte darstellt, und ruft sie unablässig zu einem rechtschaffenen Leben und zu einer echten moralischen Haltung auf; sie soll Christus, den ewig jungen, zu ihrem höchsten Vorbild machen. Er wird es sein, der ihr Kraft und Begeisterung verleiht, um „die Kulturen zu erneuern, die sonst veraltern“ (Puebla, 1169). 5. Ein weiterer Punkt von nicht geringem Interesse für euren Dienst an der Kirche bezieht sich auf eure Entscheidung für die Armen. Tatsächlich hat sich die Kirche seit ihren Anfängen unter einem zweifachen Aspekt um die Armen gesorgt: unter dem der Liebe und dem der Gerechtigkeit. Aus Liebe zu den Armen weihten die Apostel Diakone (vgl. Apg 6,1-17), damit sie sich eifrig ihrer annehmen konnten. Seither haben Millionen von Söhnen und Töchtern der Kirche, deren Beispiel folgend, ihr Leben der Sorge um die Waisen und Witwen gewidmet, um die Kranken und Alten, die Verlassenen, die Häftlinge, die Flüchtlinge, um alle, die menschlicher und religiöser Entwicklung bedürfen, und alle, die in der Welt das Abbild des leidenden Christus sind. Aus Gerechtigkeitssinn klagte und klagt die Kirche die Ausbeutung und Beleidigung des Menschen - Gottes Abbild - an; durch ihren Aufruf zur Umkehr und Versöhnung bemüht sie sich, soweit es an ihr liegt, um die Schaffung einer gerechteren, brüderlichen und menschlicheren Welt für 1670 AD-LIMINA -BES UCHE alle. Es ist ihr bewußt, daß die Sorge um die Armen einen wesentlichen Aspekt ihres Sendungsauftrages darstellt, weshalb sie diese Verantwortung in keiner Weise umgehen kann, ohne ihre Pflicht zu vernachlässigen. Warum ruft dann die Sorge um die Armen manchmal Spannungen unter den Christen hervor, die sogar die Einheit der kirchlichen Gemeinschaft ernstlich verletzen könnten? Diese bedauernswerte und gefährliche Erscheinung läßt sich durch verschiedene Motivierungen des Handelns zugunsten der Armen erklären. Denn während die einen manchmal aus mehrdeutigen politischen und ideologischen Gründen handeln wollen, lassen sich andere vom B eispiel und der Lehre Jesu leiten und folgen der Soziallehre der Kirche, um den Problemen und Nöten der weniger begünstigten Personen, Gruppen und Sektoren konkrete Lösungen zu bieten. Was euch betrifft, so sollt ihr darauf drängen, daß sich eure Priester, Ordensleute und Laien auf diese evangelische Weise für die Armen einsetzen. So wird unter ihnen die Liebe Christi lebendig und wirksam werden, und die gemeinsame Sorge um die minder Begünstigten, fern davon, die kirchliche Einheit zu schwächen, wird sie im Gegenteil mehr und mehr stärken. Es ist nicht überflüssig, nochmals darauf zu bestehen, daß die Entscheidung zugunsten der Armen den Vorzug haben muß, jedoch nicht ausschließlich ist und keine andere ausschließt, da die Kirche, wohl wissend, daß Gott „will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen“ (1 Tim 2,4), von ihrer Hirtensorge keines ihrer Kinder und keinen Menschen ausschließen kann. <120> <120> Von diesem Standpunkt aus betrachtet, steht euren besten Laien ein weites Arbeitsfeld offen. Ich ermutige euch daher, sie mehr und mehr in die begeisternde Aufgabe der gesamtheitlichen Evangelisierung einzugliedern. Ihnen obliegt es in erster Linie, die zeitlichen Strukturen dem Plan Gottes entsprechend umzubilden, mit dem Geist des Evangeliums die politische Ausrichtung der Gesellschaft zu durchdringen und in die Adern der Welt den lebensvollen Saft des Evangeliums einfließen zu lassen. Eure Priester müssen diese Mitarbeit der Gläubigen wecken, indem sie ihr Gewissen nach bestem Können formen, ihre B emühungen unterstützen und sie mit dem Brot des Lebens - der Eucharistie - nähren. Die neue Lebenskraft, die dieses Brot euren Pfarreien gibt und die von dort aus auf die ganze Diözese ausstrahlt, wird der beste Lohn für eure Mühen sein. Mögen alle apostolischen Bewegungen eurer Diözesen - insbesondere jene, die in einigen von ihnen mit Verkündigung und Katechese beauftragt sind und deren Einsatz ich kenne und segne — jederzeit durch die 1671 AD-LIM1NA-BESVCHE geweihten Amtsträger Ermutigung und Orientierung empfangen. Das wird die beste Art und Weise sein, um dem Herrn für die verschiedenen Charismen zu danken, die er durch seinen Geist und zum Aufbau des Volkes Gottes heute und allezeit seiner Kirche verleiht. 7. Liebe Brüder! Bevor ich schließe, möchte ich mit wahrer Befriedigung die in eurem Volk so tiefverwurzelte Friedensliebe hervorheben, die es dazu bewogen hat, gemäß seiner Verfassung auf das Militär als ständige Einrichtung des Landes zu verzichten. Sehr bezeichnend ist auch der Entschluß Costa Ricas, den schweren Konflikten in Mittelamerika gegenüber neutral zu bleiben. Gebe Gott, daß das schöne Beispiel eurer friedfertigen Nation dazu beitrage, den Frieden, den höchsten Wunsch der lieben mittelamerikanischen Völker und das tiefste Sehnen all jener, die heute als unschuldige Opfer unter den Schrecken des Krieges, des Hasses und der Gewalt leiden, Wirklichkeit werden zu lassen. Der Jungfrau Maria, Königin der Engel und Patronin eures Vaterlandes, vertraue ich dieses Anliegen gemeinsam mit all euren pastoralen Sorgen und Hoffnungen an, während ich euch, den Autoritäten und allen Angehörigen eurer Diözesen aus ganzem Herzen meinen Apostolischen Segen erteile. Soziale Gerechtigkeit - Grundlage des Friedens Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe Ekuadors am 23. Oktober Herr Kardinal! Ehrwürdige Brüder im Bischofsamt! 1. Diese gemeinsame Begegnung mit euch, den Bischöfen der Kirche, die sich in Ekuador auf dem Pilgerweg zum Vater befindet, ist für mich Anlaß zu tiefer Freude. Ihr habt euch selbst zu Pilgern gemacht und seid hierhergekommen, um euren Ad-limina-Besuch durchzuführen. Seid also zu dieser Begegnung in Rom willkommen, das durch seine kirchliche Bedeutung ein Vorbild und eine Quelle der geistlichen Bereicherung für eure Gläubigen darstellt, die in diesen durch das Zeugnis der Apostel Petrus und Paulus geheiligten Staaten das Zentrum der 1672 AD-LIMINA-BESUCHE Einheit derer sehen, die sich zum gleichen Glauben an Christus bekennen, den jene verkündigt haben. Eine Begegnung, die vor allem dazu beiträgt, eure Gefühle der Verbundenheit mit dem Stuhl Petri, dem „immerwährenden, sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit“ (Lumen gentium, Nr. 23), und auch mit den anderen Bischöfen der Welt zu stärken, damit kirchliche Solidarität und Verbundenheit stetig zunehmen. In diesem Geist will ich mit euch einige thematische Fragen analysieren, die seit eurem letzten Ad-limina-Besuch vor fünf Jahren lobenswerte Fortschritte aufweisen, andere, die pastorale Bemühungen verkörpern, die Ermutigung verdienen, und schließlich solche, die Probleme einschließen, also entsprechendes Nachdenken und Initiativen verlangen. 2. Anhand der Berichte über den Zustand eurer Diözesen läßt sich feststellen, daß die Kirche in Ekuador das auf der Konferenz von Puebla behandelte Thema der Evangelisierung sehr ernst genommen hat. Sie hat dem dogmatischen und pastoralen Wert der Volksreligiosität als Grundlage zur Hinführung des Volkes zu einer besseren Glaubenserziehung durch eine intensive Tätigkeit auf dem Gebiet der Glaubensverkündigung und der Katechese besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Eure Diözesen setzen ihre Kräfte gründlich in dieser Aufgabe ein. Und das als konkrete Anwendung der Weisungen der Konferenz von Puebla ausgearbeitete Dokument der Pastoraloptionen ist eine entschlossene und einmütige Verpflichtung zur Arbeit auf dieser Linie. Evangelisierung und Katechese sind eure vorrangige Sorge und die eurer Priester, unter denen es bewundernswerte Beispiele von Hingabe und Eifer gibt; ebenso gibt es eine wachsende Zahl von Ordensgemeinschaften, die in dieser Aufgabe wirksam mit den Pfarrern Zusammenarbeiten; und es gibt eine immer größere Anzahl von Laien, die sich hochherzig zu diesem Apostolat verpflichten: als Katecheten und Animatoren christlicher Gemeinden, die abseits der Pfarrzentren gelegen sind. In allen Diözesen und Missionsbezirken hat es in dieser Richtung beachtliche Fortschritte gegeben, wofür ich euch meine tiefe Freude und Ermutigung ausspreche. 3. Um diese Arbeit in sämtlichen Sozialbereichen und Umfeldern zu verstärken, benötigte die Kirche Ekuadors die heute unerläßliche Hilfe der sozialen Kommunikationsmittel. Unter diesen Medien nimmt der Rundfunk den ersten Platz ein. Darum hat die Ekuadorianische Bischofskonferenz große Mühe darauf 1673 AD-LIMINA-BESUCHE verwendet, mit diesem Werkzeug der Glaubensverkündigung, der Kultur und der sozialen Gewissensbildung auf nationaler Ebene fest rechnen zu können. Gott sei Dank ist der nationale katholische Sender bereits in Betrieb, der wegen der hohen technischen Qualität seiner Arbeitsgruppe als einer der besten des Landes angesehen wird; und manchmal setzt sich die Meinung durch, daß das auch beim Inhalt seiner Programme der Fall sei. Damit hat die Bischofskonferenz zugleich eine gefährliche Lücke ausgefüllt, die wegen der Arbeit anderer Rundfunksender in diesem Bereich aufgetreten war. Ich bin sicher, daß eine so lobenswerte Initiative reiche Früchte für die Kirche und für die Gesellschaft Ekuadors hervorbringen wird. 4. Bis vor kurzem schlossen gewisse politische Strömungen, die in Ekuador das Vordringen der laizistischen Grundsätze der liberalen Revolution des vergangenen Jahrhunderts durchgesetzt haben, die Kirche von manchen Bereichen des sozialen Lebens aus, was ihr zum Beispiel unmöglich machte, die religiöse Betreuung der öffentlich Bediensteten fest zu organisieren. Der Kirche ist es nun gelungen, die vergangene Situation, die nahezu ein Jahrhundert dauerte, zu überwinden. So kam es durch das Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der ekuadorianischen Kirche, das in der Abgeordnetenkammer einstimmig angenommen wurde, zur Errichtung des Militärvikariats. Eine eurer Aufgaben wird es jetzt sein, eine Evangelisierung auch dieses Umfeldes zu erreichen im Geist der Erziehung zum Frieden, zur Liebe und zur Achtung gegenüber den Brüdern sowie zu dem Moral- und Dienstverständnis, das das Evangelium lehrt. <121> <121> Zu den pastoralen Bemühungen, zu denen ich ermutigen möchte, gehört an erster Stelle die Aufmerksamkeit, die ihr den Priestern, dem geweihten Leben und den Berufungen widmet. Ich weiß, daß die Bischofskonferenz nicht mit Kräften gespart hat, um die Situation der Vergangenheit zu überwinden. In den letzten fünf Jahren hat man eine fortschreitende Weckung kirchlicher Berufe erlebt und voll Optimismus eine erneuerte Berufspastoral in Gang gebracht. Man kann jetzt mit Befriedigung feststellen, daß nicht nur die Zahl der Kandidaten zum Priesteramt zugenommen hat, sondern dank des Einsatzes der Bischöfe für die Errichtung ihres eigenen Zentrums für Priesterausbildung auch die Zahl der Priesterseminare. Durch dieses Bemühen der Bischöfe, das jeden Ansporn verdient, werden die Bedingungen erfüllt, die für die Errichtung und das Funktionieren der 1674 AD-LIMINA-BESUCHE Seminare die Ratio institutionis sacerdotalis der Kongregation für das katholische Erziehungswesen und der neue Codex des kanonischen Rechts festsetzen. Es freut mich, in diesem Zusammenhang festzustellen, daß ihr diese Normen sorgfältig in ein eigenes, zur Anwendung in Ekuador bestimmtes Dokument aufgenommen habt. Jetzt wird man über ihre exakte Erfüllung in jedem neuen Seminar, das errichtet wird bzw. errichtet werden soll, wachen müssen. Und natürlich ist es von entscheidender Bedeutung, daß man über gut vorbereitete und in ihrer so wichtigen Aufgabe der geistlichen, pastorälen und menschlichen Formung der Seminaristen brüderlich vereinte Obere verfügt. So wie es auch notwendig ist, daß man über einen nicht nur behelfsmäßigen, sondern angemessen qualifizierten Lehrkörper verfügt, um die wissenschaftliche Ausbildung in entsprechender Weise zu vermitteln, und ausreichenden, was die unerläßliche Zahl der zu errichtenden Lehrstühle betrifft. 6. Ihr wißt gut, wie mühselig und schmerzlich für die ekuadorianische Kirche der Weg war, den sie während dieses ganzen Jahrhunderts durchlaufen mußte, um das Recht der Familien und der Kirche auf die christliche Erziehung auf allen Ebenen, von der Elementarschule bis zur Universität, sicherzustellen. Mich freut besonders, daß man mit solcher Hartnäk-kigkeit darauf bestanden hat, daß das Gesetz über die höhere Erziehung nicht das Recht der Katholischen Universität auf Bewahrung ihrer eigenen Identität gefährdet. An die Heiligsprechung von Miguel Cordero erinnert Doch noch immer bleibt viel zu tun auf diesem Gebiet, das für die Zukunft Ekuadors von so lebenswichtiger Bedeutung ist. Es geht darum, eine Erziehung der Kinder und Jugendlichen zustandezubringen, die auf dem Glauben beruht und in der Lage ist, die integrale Bildung des Menschen auf das von ihr erstrebte Ziel hin zu verwirklichen. Ich glaube, daß das glückliche Ereignis der vor kurzem stattgefundenen Heiligsprechung des Bruders Miguel Febres Cordero - ein wahrhaftiges Vorbild eines Christen und Bürgers - ein Aufruf ist, der die Kirche in Ekuador in ihrer bis jetzt unter ungeheuren Opfern vollbrachten Aufgabe bestärkt und sie einlädt, diese Aufgabe mit erneuertem Eifer fortzuführen. Und das nicht nur zum Wohl der Kirche, sondern der ganzen zivilen Gesellschaft, die aus einer größeren kulturellen und sittlichen Festigkeit ihrer jungen Generationen nur Nutzen ziehen kann. 1675 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Die soziale Frage, die aus dem alarmierenden Gegensatz zwischen dem wachsenden Reichtum einiger weniger und der zunehmenden Armut der Massen in ein und derselben Gesellschaft entsteht, ist in Ekuador wie in den übrigen Ländern Lateinamerikas sehr ernst und konfliktreich geworden. Ich weiß, daß die Ekuadorianische Bischofskonferenz besonders sensibel für die Entwicklung dieses schweren Problems war und ist, wie die in ihrem Dokument über die Pastoralen Optionen gegebenen Direktiven beweisen. Es freut mich, ebenfalls zu bestätigen, daß die ekuadorianische Kirche einen ausgewählten Teil ihres Personals für den Dienst an den Menschengruppen bereitstellt, die von der Not am ärgsten betroffen sind; und daß sie in den Elendsvierteln der Vorstädte, in zahlreichen ländlichen Gegenden an der Küste und in den Bergen sowie in den Missionsgebieten der Urwälder ein brüderliches Zeugnis apostolischer und sozialer Liebe erbringt. Das Phänomen der Überschwemmungen ganzer Ortschaften und wichtiger landwirtschaftlicher Anbaugebiete, wie es sich im Jahr 1983 ereignete, hat die Fähigkeit der Kirche Ekuadors gezeigt, sich in die Hilfe für die Armen zu stürzen. Und den unter dem Motto MUNERA unternommenen Fastenaktionen gelingt es, daß eine echte, auf das Evangelium und das Lehramt der Kirche gegründete soziale Botschaft in das Nationalbewußtsein vorzudringen beginnt. Das alles ist Grund zu tiefer Genugtuung. Das ekuadorianische Problem der sozialen Gerechtigkeit als Grundlage des Friedens erreicht freilich solche Dimensionen, daß für seine Lösung alles unzureichend scheinen mag. Trotzdem soll die Größe des Problems die Kirche nicht entmutigen, sondern sie anspornen, neue Kräfte zu sammeln und neue Formen des pastoralen und sozialen Einsatzes zu schaffen, um auch auf diesem Gebiet ihren besonderen Sendungsauftrag zu erfüllen. Ich möchte ausdrücklich betonen, daß es sich um die Erfüllung der spezifischen Sendung der Kirche handelt: diese ist nicht mit der Sendung des Staates gleichzusetzen, dessen Ziel ja das zeitliche Gemeinwohl ist. Für die Kirche geht es um die Sendung, die ihr erlaubt, in erster Linie Sakrament der Heilsrettung in Christus zu sein, die Frohbotschaft den Armen zu verkünden und für jeden Menschen die vollständige Befreiung, vor allem von der Sünde, zu suchen. Das ist der größte Dienst an dem Bruder, „der ihn bereit macht, sich als Kind Gottes zu verwirklichen, ihn von den Ungerechtigkeiten befreit und in seiner Ganzheit fördert“ (Puebla, Nr. 1145). 1676 AD-LIMINA-BESUCHE 8. Die apostolische Aufgabe der Evangelisierung und Förderung des Menschen, die mit besonderem Einsatz und Eifer als konkrete Verwirklichung der vorrangigen Option für die Armen übernommen wurde, findet in den kirchlichen Basisgemeinden eine Wirkungsstätte, die sich immer mehr auszuweiten scheint. Die Bischöfe Ekuadors ihrerseits haben sich nach der Konferenz von Puebla für diese pastorale Einstellung entschieden und beschlossen, die Bildung dieser Gemeinden in ihren Diözesen und Pfarreien gemäß den Weisungen des Apostolischen Schreibens Evan-gelii nuntiandi (Nr. 58) zu fördern. Dennoch gibt es einen Punkt, der sorgfältige Aufmerksamkeit und Wachsamkeit erfordert. Die Lehr- und Pastoral-Bewegung, auf die sich die Kongregation für die Glaubenslehre in ihrem Dokument über „Einige Aspekte der ,Theologie der Befreiung1 “ bezieht, mißt der Bildung der kirchlichen Basisgemeinden besondere Bedeutung bei; doch sie wirft im Zusammenhang mit ihnen auch besondere Fragen in christologischer, ekklesiologischer und anthropologischer Hinsicht auf. Daraus kann sich für Bischöfe und Gläubige eine heikle Situation ergeben. Denn es gibt sicher kirchliche Basisgemeinden, die sich nach Zielen ausrichten, die eine wirkliche und aufrichtige Gemeinschaft mit der Hierarchie aufrechterhalten wollen; in diesem Fall gibt es keinen Grund zur Sorge. Es gibt jedoch auch Gemeinden, die sich nach Zielen ausrichten, die vielleicht in einem Gesamtrahmen der Inspiration des Glaubens oder des guten Willens erreicht werden sollen, aber ohne die ganze angemessene treue und tatsächliche Gemeinschaft mit der institutioneilen Kirche, die mitunter für eine Gegnerin der Sache der Befreiung der unterdrückten Massen gehalten wird. In diesem Zusammenhang muß mit aller Deutlichkeit daran erinnert werden, daß die Förderung der kirchlichen Basisgemeinden, die auf diese letztgenannte ekklesiologische Linie polarisiert sind oder die einseitig die soziale Dimension der Evangelisierung betonen und eine „Kirche des armen Volkes“ gegenüber der institutioneilen Kirche bilden, die Einheit der Kirche Christi bedroht und sich außerhalb ihrer stellt. Dadurch entsteht eine ernste Gefahr, die um jeden Preis vermieden werden muß. Die Kirche in Ekuador hat Gott sei Dank im allgemeinen bei der Verwirklichung der vorrangigen Option für die Armen an einer Linie des Gleichgewichts festgehalten, indem sie die legitime Vielfalt von Initiativen und verschiedenen Formen pastoralen Wirkens auf diesem Gebiet akzeptierte und zugleich ihre tiefe Einheit bewahrte. Doch gilt es, wachsam zu sein, um sie nicht Kräften der Spaltung auszusetzen. Die Bischofskonferenz muß deshalb die Koordinierung der kirchlichen Basisgemeinden in 1677 AD-LIMINA-BESUCHE ihrer Hand haben, indem sie die Verantwortung für die Initiativen der Evangelisierung und der Förderung des Menschen übernimmt, die in diesen Basisgemeinden zugunsten der Armen durchgeführt werden. 9. Das ekuadorianische Volk hat von seinen Vorfahren ein geistliches Gut von unvergleichlichem Wert geerbt: das Gut seiner katholischen Einheit. Bis vor wenigen Jahrzehnten konnte sich eine gewisse Sicherheit halten, die die Bewahrung dieses unschätzbaren Gutes von der aktuellen proselytenmacherischen Sektenkampagne, die unternommen wurde, um soviel Katholiken wie möglich von der katholischen Kirche zu trennen, nicht wesentlich betroffen würde. Heute hat das Vordringen des Glaubensabfalls leider schon zu dem tiefen Drama der Uneinigkeit in Familien geführt, die keine andere Taufe als die der katholischen Kirche haben, und auch in einigen Eingeborenengemeinden. Angesichts dieser Situation ist der Augenblick einer neuen Kreatitivät pastoraler Initiativen gekommen, um dieser schweren und ernsten Gefahr zu begegnen. Man muß ernsthaft die Grundursachen dieser Erscheinung untersuchen, um zu sehen, ob wir in der Art und Weise, wie wir den Glauben leben, das Apostolat vorstellen, der Brüderlichkeit und Hochherzigkeit gegenüber den Notleidenden Wege erschließen, neue Ziele und Methoden anbieten können, die die Wünsche und Erwartungen der Gläubigen besser befriedigen. <122> <122> Liebe Brüder! Ehe ich diese Begegnung abschließe, möchte ich euch in eurer schwierigen Aufgabe ermutigen. Christus ist mit euch und nimmt euer Bemühen an. Möge er euch stets in eurer Hingabe an die Kirche beseelen. Auf daß ihr so euren Priestern, Ordensfamilien, Mitarbeitern im Apostolat und allen Gläubigen den Geist der Hoffnung und des Optimismus vermitteln könnt. Überbringt allen - besonders den Mitgliedern eurer Eingeborenengemeinden - den Gruß und das Gedenken des Papstes, der bereits voller Hoffnung dem kommenden Besuch in eurem Land entgegensieht, der sich mit euch im Gebet zur Muttergottes von Quinche vereint und der euch und sie von Herzen segnet. 1678 AD-LIMINA-BESUCHE Die Lebenskraft der Katechese Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von El Salvador am 24. Februar Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Während ich euch zum Abschluß eures Ad-Limina-Besuches gemeinsam empfange, heiße ich euch mit ganz besonderer Zuneigung willkommen als die Hirten einer Herde, die seit Jahren so stark und dramatisch dem Leid ausgesetzt ist. Wie sehr würde ich wünschen, daß die Grußworte, die ich dem hl. Paulus entnehme und mit denen ich euch „die Gnade und den Frieden von Gott, dem Vater, und Christus Jesus, unserem Herrn“ (1 Tim 1,2) wünsche, für sie unmittelbare Wirklichkeit werden! Eure Anwesenheit erinnert mich wieder in erfreulicher Weise an meinen Pastoralbesuch in eurer Heimat vor etwas weniger als einem Jahr, an die herzliche Aufnahme durch das Volk von El Salvador und an die Inbrunst, mit der es - trotz der Ausnahmesituation, in der es lebt - an der Eucharistiefeier teilnahm, die ich im „Metro-Centro“ von San Salvador für Versöhnung und Frieden zelebrierte. Ich wollte - wie ich euch bei jener Gelegenheit sagte - den Heilsplan Gottes verkündigen, „bei dem es nicht um die Dialektik der Gegensätze, sondern um die der Liebe geht, die alles neu macht“, und rief alle auf, sich als Baumeister des Friedens und der Versöhnung zu betätigen, einer Versöhnung, „die es zustande bringt, all diejenigen, die heute noch durch politische, soziale, ökonomische und ideologische Barrieren voneiander getrennt sind, zu Brüdern zu machen“ (Predigt bei der Messe in San Salvador am 6. März 1983, Nr. 2, 6, 7; in: O.R., dt., 18.3.83, S. 9). Leider haben die begründeten Anlässe zur Sorge in den letzten Monaten nicht abgenommen. Trotz der unternommenen Anstrengungen gehen Morde, Anschläge, Vertreibungen an tausenden Salvadorianern weiter, die auf der Suche nach einem friedlichen Heim sind, wo sie ungestört arbeiten und ihren Familien eine bessere Zukunft bieten können. Ich verfolge mit unermeßlichem Kummer die schmerzlichen Ereignisse in eurer Heimat und bitte den Herrn, daß er mit der Eintracht zwischen allen Salvadorianern recht bald den Tag herbeiführen möge, an dem die Gewalt und das Blutvergießen aufhört und ein beständiger und dauerhafter Frieden, die Frucht einer unaufschiebbaren Gerechtigkeit, einkehrt, der es erlaubt, die ungeheuren Aufgaben des Wiederaufbaus und der Ent- 1679 AD-LIMINA-BESUCHE Wicklung anzugehen, die euer Volk mit vollem Recht und mit angsterfüllter Stimme verlangt. In einer so dramatischen Situation, die ein würdiges und gutes Volk so viele Leiden und Tränen kostet, tröstet mich das, was ihr selbst mir gesagt habt: nämlich daß das Nachdenken über Frieden und Versöhnung, was wir vergangenes Jahr gemeinsam getan haben, zusammen mit eurem erneuten pastoralen Bemühen, den eure Priester und Mitarbeiter, sowie der Reifungsprozeß, den das Leiden in vielen Menschen auslöst, neue sittliche Kräfte uhd eine tiefere Hinwendung zum Glauben weckt. Das alles führt zu einer langsamen, aber wahrnehmbaren geistlichen Wiedergeburt. Ich freue mich über ein solches Zeugnis und bete zu Gott, daß dieser Prozeß immer reichlicher in allen Bereichen des sozialen Lebens Früchte trage zum Wohl des geliebten salvadorianischen Volkes. Auch freut mich zu erfahren, daß das Friedens- und Versöhnungswerk, das ihr Bischöfe fördert, unterstützt von den anderen in der Seelsorge Tätigen und von kirchlichen Einrichtungen, eine sichere, ja vielleicht die festeste Hoffnung auf dem Weg zur Besserung der Situation ist, die euer Land durchmacht. Ich will euch ermutigen, dieses Werk mit erneuerter Hoffnung fortzusetzen und dabei im Auge zu behalten, daß die besagte Arbeit um so wirksamer sein wird, je größer die Einheit unter euch selber und zwischen den verschiedenen kirchlichen Kräften ist. Ganz besonders bestärke ich euch in dieser Aufgabe während dieses Heiligen Jahres der Erlösung, in dem ihr gleichzeitig einen konstruktiven Dialog mit allen Kräften der Gesellschaft zu führen versucht. 2. Und hier gestattet mir, daß ich eure Aufmerksamkeit auf einige entscheidende Themen lenke, die eure soziale Wirklichkeit und die Bedürfnisse eurer kirchlichen Gemeinden am nächsten berühren. Ich will vor allem auf das Thema Familie Bezug nehmen, das ich mit der Bischofssynode von 1980 und mit dem Apostolischen Schreiben Familia-ris consortio sowie mit anderen Interventionen und Initiativen in den Mittelpunkt meiner pastoralen Sorgen gestellt habe. Die Förderung der Familie, der Schutz ihrer Werte, der Einklang zwischen den Ehegatten und die erfreuliche Gegenwart von Kindern bilden die Grundlage für ein bereicherndes Zusammenleben, das sich seinerseits auf ein geordnetes soziales Verhalten auswirkt und das gesamte Leben der Gemeinschaft positiv beeinflußt (vgl. Gaudium et spes, Nr. 47). Hingegen begünstigt die Unbeständigkeit der Familie mit all ihren moralischen und sozialen Folgeerscheinungen die Zerstreuung, die Spannungen zwischen 1680 AD-LIMINA-BESUCHE den Generationen, die Unzufriedenheit und die Aufsässigkeit, die wiederum gewalttätige und ungerechte Verhaltensweisen hervorbringen. Bei dieser großen Aufgabe der Versöhnung und Befriedung der Nation darf man die fundamentale Zelle der Gesellschaft, die die Familie ist, nicht vergessen (ygl.Gaudium etspes, Nr. 52). Mit der Verkündigung der katholischen Lehre über die Ehe, mit der Familienpastoral, die sich um die gute Vorbereitung der jungen Menschen auf die Ehe bemüht, die die Erziehung der Kinder fördert und zwischen den Familien Brücken zu einer gegenseitigen geistigen und materiellen Hilfe schlägt, errichtet und fördert auch die Kirche die Gesellschaft; besonders in den Ländern, wo die staatlichen Gesetze die wesentlichen Elemente der natürlichen Ordnung, wie sie dem Plan des Schöpfers bezüglich Familie und Ehe entspricht, nicht schützen und anerkennen. Die Kirchengemeinden, die apostolischen Bewegungen, besonders solche familiären Charakters, können die Tätigkeit der Kirche eine umfassende Zusammenarbeit anbieten (vgl. Familiaris consortio, Nr. 40, 45, 75), und zwar in der Weise, daß es die Laien selbst sind, die zu Predigern des Evangeliums und Förderern eines Dienstes an der Familie in weiten Bereichen der Eheseelsorge werden: die menschliche, ethische und religiöse Vorbereitung auf das Sakrament der Ehe; die persönliche Hilfe für Ehepaare, die sich in Schwierigkeiten befinden, damit sie die normalen „Wachstumskrisen“ überwinden können; die Sorge, jene näher an das Leben der Kirche heranzuführen, die in regelwidriger Weise leben und zur kirchenrechtlichen Eheschließung angehalten werden sollen; die Hilfe bei der Kindererziehung; die Adoption von Kindern, die ohne Eltern geblieben sind; die Förderung eines echten und frohen Familiengeistes, der bewirkt, daß die Kirche selbst das wird, was sie in den Augen Gottes ist: die Familie des Herrn. 3. Aus dieser äußerst positiven Sicht wird man indirekt die schweren Probleme etwas lindern können, die aufgrund der Geschehnisse der letzten Zeit heute viele Familien in El Salvador heimsuchen; besonders diejenigen, die jemanden aus ihrer Mitte verloren haben, die gespalten, verschleppt, demoralisiert sind, ohne Dach über dem Kopf, ohne Arbeit oder Zuflucht, manchmal ohne alle Hoffnung auf eine bessere Zukunft. In dem konstruktiven Dialog, den die Ehepaare selbst, unter Leitung der Lehre der Kirche und gestützt auf ihren eigenen positiven Weg, einzuleiten imstande sind, werden diese heiklen Themen, die man nicht beiseiteschieben darf, weil sie die Grundlage eines christlichen moralischen Verhaltens bilden, zur Sprache gebracht werden können: die Erziehung 1681 AD-LIMINA-BESUCHE zur ehelichen Keuschheit, die gefühlsmäßige gegenseitige Ergänzung der Eheleute, die persönliche geistliche Begegnung, das gemeinsame Gebet in der Familie; sie machen die Ehe und Familie zu einem Weg der Heiligkeit, die allen zugänglich ist, die ihre Berufung in der Kirche getreu leben. Von dem positiven Beispiel der christlichen Familien darf man sich einen echten Aufbruch menschlicher und religiöser Erneuerung erhoffen, die das ganze Volk von El Salvador in ihren Bann zu ziehen vermag; besonders die Jugendlichen und die Kinder, die in den schwierigen Verhältnissen der letzten Jahre auf gewachsen sind und die die Hoffnung der Kirche und der salvadorianischen Heimat für eine bessere Zukunft sind. 4. Wenn ich vor allem an die Jugendlichen und Kinder denke, kann ich nicht umhin, ein weiteres wichtiges Thema der Pastoral der Kirche aufzugreifen, das auch die Erwachsenen betrifft: die Katechese. Ich weiß, daß eure Gemeinden über eine zunehmende Zahl von Katecheten verfügen, unter denen viele Jugendliche zu erwähnen sind, die voll Begeisterung ihren Gefährten und Gefährtinnen das Evangelium verkünden. Viele in unserem Land sind Jesus durch die Bibelkatechese und die spirituellen B ewegungen begegnet und wollen ihre Kräfte in den Dienst des Evangeliums stellen. Diese Katecheten sind wertvolle Mitarbeiter, die an die Menschen jeder Klasse und jeden Standes, an Jugendliche und Erwachsene, an Arbeiter und Studenten, heranzukommen imstande sind. Die Aufgabe, Katecheten auszubilden, die sich an die authentische Lehre des Evangeliums halten und sie weiterzugeben wissen, muß ein vorrangiges Ziel in den organischen Planungen einer Pastoral sein, die in die Zukunft blickt und allen die Botschaft von Jesus, dem Erlöser des Menschen, zu bringen versucht (vgl. Catechesi tradendae, Nr. 62 ff.). Diese Aufgabe ist überdies in euren Diözesen so dringend wegen des gefährlichen Einsickerns gewisser Gruppen von zweifelhafter religiöser Inspiration, die dem Schoß der katholischen Kirche viele ihrer Söhne und Töchter zu entreißen versuchen, vor allem, wenn ihr Glaube nicht in festen Wurzeln der Lehre verankert ist. Von dieser Lebenskraft der Katechese erhofft sich der Papst, daß das Leben der Kirche in El Salvador und das Verhalten aller Christen von den evangelischen Gefühlen der Verzeihung, der gegenseitigen Hilfe, der auf bauenden Liebe und der Solidarität geprägt werden, die den Wesenskern des Evangeliums Jesu Christi bilden. 1682 AD-LIMINA -BES UCHE 5. Ich kann diese Überlegungen nicht abschließen, ohne eine Tatsache hervorzuheben, die mich mit Freude erfüllt: die hoffnungsvolle Zunahme von Berufungen zum Priester- und Ordensleben. Jede Gnade des Herrn bringt eine Verantwortung mit sich. In diesem Fall verlangt die Gnade der Berufung, der Ruf Jeu, ihm zu folgen und der Sache des Evageliums zu dienen, von allen jenen, die den hochherzigen Schritt getan haben und sich auf das Priestertum vorbereiten, absolute Treue zu den Forderungen dieser Berufung und Einsatz zur Erlangung der lehrmäßigen, geistlichen und menschlichen Ausbildung, die die Kirche verlangt und das gläubige Volk erhofft. Diese Gnade erfordert jedoch auch eine wachsame Aufmerksamkeit, was die Auswahl der Ausbilder, die Qualität der Professoren des Seminars betrifft; der Blick muß sich auf diese wissenschaftliche, geistliche und pastorale Spezialisierung richten, die erforderlich ist, damit die Ausbildung der künftigen geweihten Diener sich auf der Höhe der aktuellen Bedürfnisse befindet. Jede Bemühung auf diesem Gebiet wird unzureichend bleiben, wenn die kirchliche Zusammenarbeit, die seitens aller Mitglieder der Kirche ange-boten werden kann, nicht in dauerhafte Früchte für die christliche Gemeinschaft umgesetzt wird. <123> <123> Meine lieben Brüder im Bischofsamt, ehe ich schließe, erlaubt mir, daß ich euch etwas auftrage: jedem Mitglied eurer Diözesen den Gruß, das herzliche Gedenken und die Fülle der Zuneigung und Liebe des Papstes zu allen Salvadorianern zu überbringen. Versichert euren Gläubigen, daß ich weder sie noch euer Land vergesse, daß ich mit meiner Sorge und meinem Gebet die Geschehnisse in eurer Nation verfolge und den Herrn, den Retter der Welt, bitte, daß in diesem Heiligen Jahr der Erlösung endlich die Schrecken des Krieges, die Tränen der Familien, die Leiden so vieler Unschuldiger, die Tragödie der Entzweiungen, die Angst der vielen Kinder ein Ende finden und sich in eurem Land Gerechtigkeit und Frieden, Wege der Hoffnung festigen mögen. Das ist auch mein Gebet an die Jungfrau Maria, die Mutter des Erlösers und Königin des Friedens, für jeden einzelnen der Söhne und Töchter eurer Nation. An alle ergeht im Namen des Herrn mein ganz herzlicher Apostolischer Segen. 1683 AD-LIMINA-BESUCHE Andere werden ernten, was ihr gesät habt Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Griechischen Bischofskonferenz am 25. Juni Liebe Brüder im Bischofsamt! Lieber Monsignore, Beauftragter für die Katholiken des armenischen Ritus! Liebe Apostolische Administratoren! 1. Endlich ist unsere Begegnung, die von eurer und von meiner Seite so sehr gewünscht wurde, Wirklichkeit geworden. Danken wir dem Herrn für diese besonders privilegierten Momente kirchlicher Gemeinschaft! Bitten wir den Apostel Paulus, der sich quer durch das antike Griechenland über alle Maßen für das Evangelium verausgabt hat, zu einem möglichst guten Erfolg eures Ad-limina-Besuches beizutragen. Wenn ich euch so versammelt sehe, darf ich nicht versäumen, daran zu erinnern, daß um das Jahr 95, als zweifellos der Apostel Johannes noch lebte und wahrscheinlich in Ephesus wohnte, die Kirche von Rom ruhig und mit Autorität bei der jungen Gemeinde von Korinth intervenierte, um interne Konflikte beizulegen. Und als sie das tat, schien es der Kirche von Rom nicht notwendig, ihr Eingreifen zu rechtfertigen, so sehr vertraute sie auf ihre Anerkennung. Ebenso interessant ist die Feststellung, daß Bischof Dionysius von Korinth um das Jahr 170 an Papst Soter schrieb, daß man bei den liturgischen Zusammenkünften noch immer den berühmten Brief von Papst Clemens lese. Das alles gibt dem bekannten Historiker Pierre Battifol recht, der sagt: „Bereits vor dem Ende des apostolischen Zeitalters stehen wir vor dem Phänomen des römischen Primats“ (L’Eglise naissante et le catholicisme, S. 146). Wir wissen, daß der hl. Ignatius von Antiochien, der hl. Irenäus von Lyon, der hl. Cyprian von Karthago, der hl. Ambrosius von Mailand, der hl. Augustinus von Hippo uns unmißverständliche Texte zu diesem Thema hinterlassen haben. Liebe Brüder, indem ich diese wertvollen Erinnerungen an unsere Kollegialität wachrufe, heiße ich euch willkommen. Jeder von euch ist für eine Orts- und Teilkirche verantwortlich und gleichzeitig mitverantwortlich für die anderen christlichen Gemeinden, wie es schon die Apostel waren, deren Sendung wir - die einen wie die anderen - fortsetzen. Und in dieser einen Kirche Gottes, die sich über alle Kontinente ausbreitet, gibt es eine lebendige Zentrale, einen sichtbaren Bezugspunkt: die Orts- und Teilkir- 1684 AD-LIMINA-BESUCHE che von Rom, die vom Nachfolger des Apostels Petrus, dem „ersten unter den Zwölf“, wie der hl. Matthäus sagt, geleitet wird. Markus und Lukas unterstreichen gleichfalls, daß Kirche dort ist, wo, bei aller Verschiedenheit der Riten, „Petrus ist und jene, die bei ihm sind“. Eure Anwesenheit beim Bischof von Rom bezeugt und bekräftigt die Einheit des Bischofskollegiums. Sämtliche Nachfolger Petri sind im Laufe der Jahrhunderte das lebendige Band zwischen den Bischöfen und - was man mitunter vergißt - zwischen der heutigen Kirche und der Kirche der Apostel. 2. Abgesehen davon und nachdem ich in eure Fünf Jahresberichte sorgfältig Einsicht genommen oder in persönlichen Gesprächen Kontakt mit euch hatte, möchte ich gern der Sendung entsprechen, die mir die Vorsehung übertragen hat, euch in eurem Glauben an Christus, den Erlöser, zu bestärken und in eurem Vertrauen in seinen universalen Heilsplan für die Menschheit, in eurem Vertrauen in den Aufbau der Kirche als dem „Sakrament dieses Heils“ zu festigen. Sicher seid ihr noch mehr als viele Bischöfe berufen, im Glauben Abrahams und in der Hoffnung der Propheten zu leben. Jede eurer Ortskirchen umfaßt eine begrenzte Zahl von Gläubigen, die oft, wie im Apostolischen Vikariat Saloniki, weit verstreut oder, wie in der Diözese Naxos -Tinos - Mykonos - Andros auf mehreren Inseln wohnen. Diese Tatsache darf euch aber nicht entmutigen. Der Glaube und die Hoffnung in euren Herzen ermutigen euch im Gegenteil dazu, diese kleinen Gruppen zu Orten und Augenblicken tieferer und herzlicherer zwischenmenschlicher Beziehungen zu machen. Haben nicht die Gemeinden der Jünger Christi die Aufgabe, den modernen Menschen vom doppelten Übel der Isolierung und Anonymität zu befreien? Jedenfalls verstehe ich eure Fragen und Überlegungen zur Neustrukturierung eurer Diözesen im Hinblick auf einen besseren Pasto-raldienst. Die Verbesserungen oder selbst die wohldurchdachten Neuerungen werden euch indessen niemals dauernde und immer bessere Anstrengungen ersparen, um bei der ganzen Versammlung der Gläubigen eine Vitalität zu wecken, die den Beteiligten zum Segen gereicht und imstande ist, das Evangelium des Herrn als eine echte Frohbotschaft glaubwürdig erscheinen zu lassen. Wir dürfen nicht vergessen, daß die ersten christlichen Gemeinden unter schwierigsten Bedingungen entstanden sind: davon geben alle Paulusbriefe Zeugnis. Ich danke Gott für eure apostolische Arbeit und ich bitte ihn, daß ihr euch weiterhin einzig und allein für die Verkündigung der evangelischen Bot- 1685 AD-LIMINA-BESUCHE schaft einsetzt. Eine unverkürzte, treffende Verkündigung, für die ihr mit Recht die Sprache und die Kommunikationsmittel unserer Zeit zur Hilfe nehmt. Diese Verkündigung „zur Zeit und zur Unzeit“ offenbart die innere, unerschöpfliche Dynamik des Wortes Gottes, läßt aus ihm die geistlich inspirierenden Quellen für den Aufbau oder Wiederaufbau einer gottes- und menschenwürdigen Gesellschaft fließen (vgl. Evangelii nun-tiandi, Nr. 18, 19, 20, in Wort und Weisung, 1975, S. 550-552). Ich konnte feststellen, daß manche bei Kindern und Jugendlichen erzielten Ergebnisse ermutigend sind. Fordert die Verantwortlichen der Pfarreien immer wieder auf, sich untereinander zu beraten, sich, soweit praktisch möglich, bei einer treuen und anziehenden Weitergabe der Glaubenswahrheiten helfen zu lassen. Eure Berichte bringen auch statistische Angaben über die Teilnahme an den Sonntagsgottesdiensten. Ich kann mir die Probleme eurer Priester vorstellen, genügend griechische Laien zu engagieren und auszubilden, die imstande sind, bei der Gestaltung der Liturgie mitzuwirken. Quer durch die Kirche gibt es zahlreiche und überzeugende Beispiele von Pfarrgemeinden, die zwar eine geringe Mitgliederzahl haben, aber dennoch sehr lebendig sind. Ich wünsche inständig, daß die richtig verstandene liturgische Pastoral der Feier der göttlichen Geheimnisse Leben, Jugend und Würde bewahrt, daß sie den Teilnehmern hilft, ihr tägliches Leben durch diese Geheimnisse, insbesondere die Ereignisse von Ostern und Pfingsten, zu sehen und zu erleben und Jugendliche wie Erwachsene anzieht, die sich bei Gottesdienstfeiem abgewandt haben, die ihrem Dasein fremd erscheinen konnten. 3. Das Leben eurer Gläubigen entfaltet sich vor allem in den verschiedenen Berufen, die das soziale und wirtschaftliche Leben des Landes ausmachen, und in der Familiengemeinschaft. Beim Lesen eurer Berichte und im Gespräch mit euch habe ich erfahren, daß ihr es für notwendig haltet, diese Männer und Frauen bei ihren Verantwortlichkeiten besser zu begleiten und zu führen. Der eine oder andere von euch hebt das Eindringen eines praktischen Materialismus hervor, das Sinken oder gar Schwinden des sittlichen Bewußtseins. Mit leider beschränkten, aber vielleicht verbesserungsfähigen Mitteln -das wäre z.B. die zeitweise oder ständige Mitwirkung von Kongregationen oder Diözesen, die für Situationen wie die euren aufgeschlossen sind - könnte eure Bischofskonferenz eine Evangelisierungsarbeit leisten, die den katholischen Familien und den künftigen Familien zugute kommt, indem sie in größerem Umfang Vortragsreisen über die Probleme von 1686 AD-LIMINA-BESUCHE Ehe, Familie, Beruf und andere Fragen durchführt, die die Christen unserer Zeit unbedingt im Lichte Christi und des Lehramts der Kirche sehen und immer wieder neu sehen müssen. Gibt es ein sichereres Mittel, um das Gewissen wieder zu wecken? 4. Es liegt mir auch daran, euch auf dem Gebiet der Jugendseelsorge meine ganze Unterstützung anzubieten. Ich habe nicht vergessen, daß ihr im vergangenen September das erste Jugendfestival veranstaltet habt und daß es in euren Diözesen noch andere Möglichkeiten des Apostolats mit der Jugend gibt. Ihr gerecht zu werden, ist notwendig und manchmal mühsam. Auf jeden Fall muß in all den Formen das Ziel stets sein, schrittweise Charaktere zu formen, die gefestigt und durchdrungen sind von einem erleuchteten Glauben an Jesus Christus. Bei diesen Kontakten können qualifizierte und beliebte Erzieher vor allem auch den Jugendlichen klarmachen, wo die sittlichen Werte zu finden sind, die sie sich aneignen sollen. Außerdem ist es bei diesen Jugendtreffen oder -Veranstaltungen möglich, Jugendliche zu erkennen, die bereit sind, ihr Leben dem Herrn und seinem Heilswerk zu widmen. In Erwartung eines - gegenwärtig sehr geringen - Priesternachwuchses läßt sich vielleicht so etwas wie eine Partnerschaft eurer Kirchen mit anderen Diözesen verwirklichen, die noch ausreichend mit geweihten Priestern versorgt sind. Es ist wichtig, niemals die Hoffnung aufzugeben. <124> <124> Ich will nicht schließen, ohne euch zur Fortsetzung eurer ökumenischen Bemühungen aufzufordern, da ihr ja mitten unter unseren orthodoxen Brüdern lebt. Wenn ihr das schwere Erbe der Vergangenheit tragt, so tragt ihr auch die Hoffnungen der vollen Versöhnung. Bischöfe, Priester, christliche Laien, spornt euch gegenseitig unaufhörlich zu vermehrten freundschaftlichen Begegnungen, zu möglichen wechselseitigen Diensten, zu gemeinsam durchgeführten und sozialen und karitativen Aktionen an! Der zurückgelegte Weg mag bescheiden erscheinen. Es kommt darauf an, beharrlich weiterzumachen, der Zeit, Zeit zu lassen. Andere werden ernten, was ihr gesät habt. Liebe Brüder in Christus, habt herzlichen Dank für euren so vertrauensvollen und tröstlichen Besuch! Er hat mir ermöglicht, eure pastoralen Sorgen besser kennenzulemen und stärker daran teilzunehmen. Erhebt die Herzen! Der Geist des Herrn begleitet euch in den Verantwortlichkeiten, die ihr hochherzig übernommen habt. Durch euch vermag er Wunder zu wirken. Laßt euch von seinem Licht und seiner Dynamik durchströmen! Eure katholischen Gläubigen sollten euch bald wieder von 1687 AD-LIMINA-BESUCHE Frieden, Eifer und Freude erfüllt finden! Bei unseren jeweiligen Mühsa-len ist es wichtig, daß wir „überströmen von Freude“, wie Paulus von Tarsus an seine lieben Korinther schrieb (vgl. 2 Kor 7,4). Während ich ebenso an alle eure Diözesanmitglieder, an eure Priester, an eure Ordensmänner und Ordensfrauen denke, segne ich euch im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Christi Evangelium des Friedens und der Versöhnung Ansprache an die Bischöfe von Lesotho anläßlich ihres Ad-limina-Besuchs am 21. Mai Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit tiefer Zuneigung in Jesus Christus unserem Herrn heiße ich euch anläßlich eures Ad-limina-Besuchs willkommen. In euch, die ihr Hirten der Herde seid, umarme ich die ganze Kirche von Lesotho und bewundere die Lebenskraft eurer kirchlichen Gemeinschaften, die gegründet worden sind durch die Selbstlosigkeit und den Eifer der Missionare. Das Geheimnis der Gegenwart Christi ist eine lebendige Wirklichkeit in eurem Volk. Jesus wiederholt in eurer Mitte: „Ich bin bei euch, alle Tage, bis zum Ende der Welt.“ {Mt 28,20). 2. Wir glauben, daß Christus heute in unserer brüderlichen Versammlung unter uns ist. Zusammen bringen wir dem Herrn seine Kirche in eurem Land dar. Wir bringen sie ihm dar mit ihrer Lebenskraft und ihren Problemen, ihren Hoffnungen und hohen Erwartungen. Auf meiner Seite, als Nachfolger Petri und Diener Christi, bin ich euch nahe in allen euren pastoralen Aufgaben, in der großen Aufgabe, die ihr als Bischöfe habt: das Evangelium Jesu Christi zu verkünden, in seiner ganzen befreienden Kraft und seiner erhebenden Fülle. In Erfüllung dieses Auftrags macht ihr die Person Jesu Christi gegenwärtig, der „umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren“ (Apg 10,38). 3. Mit großem Interesse und Wohlwollen habe ich euer Bemühen verfolgt, Christi Evangelium des Friedens und der Versöhnung unter den örtlichen Umständen zu verkünden und in einer Zeit der Dürre und Hungersnot alles mögliche für euer Volk zu tun. Ich weiß, während ihr das 1688 AD-LIMINA-BES UCHE Heil im Namen Jesu predigt, erlebt ihr in eurem täglichen Dienst auch die von Paul VI. ausgesprochene Wirklichkeit, als er feststellte: „Zwischen Evangelisierung und menschlicher Förderung - Entwicklung und Befreiung - bestehen in der Tat enge Verbindungen: . . . jene ausgesprochene biblische Ordnung, nämlich die der Liebe. Wie könnte man in der Tat das neue Gebot verkünden, ohne in der Gerechtigkeit und im wahren Frieden das echte Wachstum des Menschen zu fördern? (Evangelii nuntiandi, Nr. 31). Aus diesem Grund möchte ich euch in den verschiedenen sozialen und wohltätigen Aktivitäten der Ortskirchen ermutigen: die selbstlosen Initiativen im Interesse der Notleidenden, einschließlich der eifrigen Arbeit der Caritas von Lesotho, die Gesundheitsfürsorgestellen und die vielen Schulprogramme. Ich bete, damit der Herr euch in den vielschichtigen Verantwortungen stärkt. Ich weiß, daß die Bereitstellung pastoraler Hilfen für Emigranten eine eurer wichtigsten Aufgaben ist. Hier handelt es sich um sehr wichtige Fragen, wie die Würde des Arbeiters, die Heiligkeit der Familie und das Wohl der Gesellschaft. 4. Ich bin ebenso bei euch in allen euren Bemühungen, Ortsgemeinden aufzubauen. Die Ausbildung, die eure Seminaristen erhalten, wird einen bedeutenden Einfluß auf die ganze kirchliche Gemeinschaft haben. Ich bin sicher, daß ihr alles mögliche tun werdet, um zu garantieren, daß diese jungen Männer in der Kenntnis und Liebe Christi solide ausgebildet werden. Alle bei der Ausbildung der Gläubigen und Katecheten aufgewendete Mühe ist ebenso ein lebendiger Beitrag für das echte Leben der Kirche von Lesotho. Wenn ihr in eure Diözesen zurückkehrt, möchte ich euch bitten, meine Botschaft allen Gläubigen zu bringen: „Die Gnade des Herrn sei mit Euch“ (1 Kor 16,23). Ich erweise den christlichen Familien Ausdruck meines Beistandes und meiner Hochachtung, die sich bemühen, ihre erhabene Berufung in beharrlicher Treue zu leben. In Anbetracht der Schwierigkeiten und Versuchungen des Lebens dürfen sie nie an der Gnade Christi zweifeln. Ein besonderes Wort der Dankbarkeit, das ich im Namen Christi vortrage, geht an alle, die eng mit euch in der pastoralen Mission Zusammenarbeiten. Ich denke an alle die großartigen Priester, die Ordensmänner und -frauen und die ordinierten Katecheten, die mit vereinten Kräften die Kirche des lebendigen Gottes aufbauen. Jedem einzelnen von diesen und allen Gläubigen Gottes sende ich meinen Apostolischen Segen und rufe über sie den Schutz Marias, Mutter Jesu und Mutter der Kirche, herab. 1689 AD-LIMINA-BES UCHE „Das Evangelium bereicherte die Kultur eures Volkes“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe aus Mikronesien, Polynesien und Melanesien am 13. Februar 1. Liebe Brüder im Bischofsamt! Wir sind heute in Jesus Christus als Bischöfe versammelt, um den wundervollen Werken zu huldigen, die Gott in der Geschichte eures Volkes getan hat. An uns ist es, den gegenwärtigen Moment zu feiern, der uns an die Vergangenheit erinnert und mit großer Hoffnung in die Zukunft schauen läßt, während wir fest daran glauben, daß „er, der das gute Werk bei euch begonnen hat, es auch vollenden wird“ (2 Phil 1,6). Die Kraft, die wir in der Feier unserer sakramentalen Verbundenheit erfahren, ist die des „obersten Hirten“ (2 Petr 5,4), der durch seinen Heiligen Geist euren Gemeinden den Weg gewiesen und euch heute hierhergeführt hat. Ja, die Person Jesu Christi, die Menschwerdung des göttlichen Wortes, die zweite Person der heiligsten Dreifaltigkeit, der Sohn des ewigen Vaters und der Sohn Marias in der Grundlage eurer Geschichte und eurer kirchlichen Wirklichkeit, die überall in Mikronesien, Polynesien und Melanesien ausgebreitet ist. Um eure Geschichte zu verstehen, die Wirksamkeit seines kostbaren Blutes und das Handeln des Heiligen Geistes. Die Wirklichkeit der Ortskirche, die ihr repräsentiert, kann nur erkennbar sein, wenn die Bedeutung der aufopfernden und rettenden Liebe Christi verstanden wird. 2. Wenn wir die Tatsache bedenken, wie sehr sich seit Beginn der Verkündigung der Glaube bei euch ausgebreitet hat, erkennen wir, daß Christi prophetische Worte wahr geworden sind. „Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen, und er wird noch größere vollbringen“ (Joh 14,12). Für die Werke der Vergangenheit, die „größeren Werke“, möchte ich heute öffentlich, im Namen Christi und seiner Kirche, ein gebührendes Wort der Dankbarkeit ausdrücken, für den Eifer, mit dem das Evangelium in eurer Mitte gepredigt, gelehrt und verbreitet wurde. Es ist ein gebührendes Wort der Dankbarkeit an die ersten Missionare, die im Geist des hl. Pierre Chanel lebten und starben, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 Thess 3,1). 1690 AD-LIMINA-BESUCHE Wir werden den Menschen, die ihr Leben für das Evangelium dahingaben und den Ordensgemeinschaften, die sich in den Dienst der Evangelisierung gestellt haben, ewig dankbar sein. Und dieser Dank erweist sich heute allen, die mit euch, den Bischöfen, Zusammenarbeiten und das Werk fortführen, das im Ostergeheimnis Christi begonnen hat. Meine Gedanken wenden sich zu den Nachfolgern der heroischen Pioniere und zu allen Priestern, Diakonen, Brüdern und Schwestern, Katecheten, Gebietsleitern und solchen, die sich in besonderer Weise dem Evangelium verpflichtet fühlen. 3. Die Beiträge der Vergangenheit waren enorm: Die Kirche wurde eingepflanzt, und die Menschlichkeit durch das Zeugnis menschlichen Dienstes gefördert. Das Evangelium wurde empfangen und bereicherte die Kultur eures Volkes, und es fährt fort, seinen Beitrag zu eurer Gesellschaft zu leisten, das Leben und alles, was in ihm kostbar ist, auf eine höhere Stufe und Würde zu führen, wie die menschliche Liebe, die Ehe und die Familie. Diese Inkulturation des Evangeliums, trotz der Schwächen und Beschränkungen, bedeutet, daß Christus in Mikronesien, Polynesien und Melanesien Wirklichkeit geworden ist. Christus ist in allen denen, die in seiner Gnade leben. Er ist lebendig in den Gemeinschaften, die durch das Evangelium gegründet und über den riesigen Ozean verteilt sind. Die Geschichte eures Volkes und seiner Evangelisierung spricht deutlich über den lebendigen Jesus und seinen Auftrag. Alles findet seine Bedeutung in Jesus, der sagt: „Ich muß . . . das Reich Gottes verkünden, denn dazu bin ich gesandt worden“ (Lk 4,43). In der Evangelisierung eures Volkes praktizierte die Kirche ihren ureigensten Auftrag und fand ihre tiefste Identität. Und wegen der Ergebnisse der Evangelisierung fühlen die Orts- und die Weltkirche, daß sie Gott für das, was er getan hat, mit den Worten des hl. Apostels Petrus peisen müssen, „damit wir die großen Taten dessen verkünden, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat“ (1 Petr 2,9). Was im Effekt stattgefunden hat, war die Verkündigung der Erlösung in Jesus Christus und die beginnende Verwirklichung des Reiches Gottes. Dazu gehört eine klare Verkündigung des Namens, der Lehre, des Lebens, der Verheißungen, des Reiches und des „Geheimnisses Christi“ (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 22). Und damit kam die Umwandlung des menschlichen Herzens, zusammen mit der befreienden und reinigenden Begegnung der Kulturen mit dem Evangelium Christi. In jedem Augenblick eurer Geschichte waren offensichtlich so tiefgreifende Verbindun- 1691 AD-LIMINA-BESUCHE gen zwischen Evangelium und menschlichem Fortschritt zu verzeichnen, wie sie von Christus gewollt und in seinem eigenen Dienst beispielhaft gelehrt wurden. Und unter Berücksichtigung des Wechselspiels zwischen Evangelium und konkretem menschlichen Leben bedeutet Evangelisierung auch das, was zu sagen ist über „die Rechte und Pflichten jeder menschlichen Person, über das Familienleben . . . über das Zusammenleben in der Gesellschaft, über das internationale Leben, den Frieden, die Gerechtigkeit und die Entwicklung“ (ebd., 29). Und für alles in eurer Geschichte preisen wir Gott und bekunden heute unsere Freude: „Der Herr ist König. Die Erde frohlocke. Freuen sollen sich die vielen Inseln“ (Ps 97,1). Dieselbe Macht Jesu und seines Heiligen Geistes, die in wunderbarer Gnade in eurer Vergangenheit gewirkt hat, erhält euch heute in allem, was ihr tut, um das Evangelium in das tägliche Leben eures Volkes zu bringen. Eure Bemühungen, eure Fürsorge, trotz aller Hindernisse, und all eure pastoralen Initiativen sind getragen von der Einheit mit Jesus Christus. Er ist es, der beruft, was so wichtig ist für das ganze Leben eurer kirchlichen Gemeinschaften. Er ist es, der eure Hirtensorge für die Gewinnung von Berufungen will und der euch in eurer Sorge für die Seminaristen beisteht, besonders in dem wichtigen regionalen Oberseminar in Suava. Die Gnade Christi trägt euch und alle, die mit euch in diesem wichtigen Apostolat Zusammenarbeiten, wie in den gutgeführten katholischen Schulen, der Sorge für die Verbreitung der Religionslehre und der katecheti-schen Unterweisung, die die gläubigen Gemeinschaften aufbauen, die junge Menschen auf die Zukunft vorbereitet und hilft, daß die Laien immer wirkungsvoller ihre berechtigte Rolle in der Evangelisierung übernehmen. Und Christi besondere Gnade wird euren Mitbrüdern im prie-sterlichen Amt, in ihrem selbstlosen Dienst und in ihrem zölibatären Leben nie fehlen. Eure Bischofskonferenz spiegelt in bemerkenswerter Weise die Einheit der Kirchen Christi wider. In der Mannigfaltigkeit, die ihr repräsentiert, seid ihr zugleich ein Abbild der Kirche „aus allen Stämmen und Sprachen, aus allen Nationen und Völkern“ (Offb 5,9). Als Bischöfe seid ihr berufen, diese katholische Einheit in allen Dimensionen der Wahrheit und Liebe zu fördern. Eure Ortskirchen in ihrer Offenheit gegenüber der Weltkirche und ihrer Gemeinschaft mögen den Herrn Jesus preisen, der starb, „um die versprengten Kinder Gottes wieder zu sammeln“ (Joh 11,52). Gleichzeitig seid ihr und euer Volk berufen, eifrig für die vollkommene Einheit aller Christen im Glauben und in der Nächstenliebe 1692 AD-LIMINA-BESUCHE zu beten, was der Wille Gottes ist und Gegenstand des Gebetes Jesu und was deshalb bei Gott möglich ist. Eure Ortskirchen, die im lebendigen Gott wachsen, kämpfen und hoffen, sind ein Zeichen der Lebendigkeit der universalen Kirche, die in ihnen existiert. Ein Ausdruck dieser Lebendigkeit ist das Geheimnis der Versöhnung, das unter euren Gläubigen sakramental erneuert worden ist. Mit der empfangenen Versöhnung, die durch Christi Blut wirksam geworden ist, sind eure Ortskirchen berufen, die Versöhnung in allen täglichen Situationen des Lebens zu verwirklichen. Versöhnung ist die christliche Antwort auf die Entfremdung, die sich unter Menschen, in Familien oder Gruppen ausbreiten kann. Es ist auch die christliche Antwort auf die breiteren sozialen und politischen Spannungen, die friedliche Verbindungen in der Gesellschaft zerstören. Zusammen mit der Versöhnung geht der Wille zur Zusammenarbeit für das gemeinsame Wohl. Jeder Akt der Versöhnung hat besondere Bedeutung in diesem Jubeljahr der Erlösung. Jeder Akt der Versöhnung huldigt dem Blut Christi. 5. Was die Zukunft eurer Teilkirchen betrifft, dürfen wir voll auf die Macht Jesu Christi vertrauen, der „derselbe ist, gestern und heute und in Ewigkeit“ (Hebr 13,8). Der Schatz der Evangelisierung ist ja nicht allein das große Erbe der Vergangenheit, sondern er engagiert euch für die Zukunft. Die Aussaat des Wortes Gottes hat bereits eine reiche Ernte im Leben der Christen hervorgebracht. Und doch muß die Evangelisierungsarbeit gefestigt, gefördert und entwickelt werden. Die christlichen Gemeinden müssen angeleitet werden, um durch das Gebet, durch die Teilnahme an den Sakramenten und durch gelebte Nächstenliebe zur vollen Reife in Christus zu gelangen. Die Kulturen müssen noch tiefer mit den unerschöpflichen Reichtümem der Offenbarung Gottes, insofern sie die Schöpfung und die Erlösung betreffen, erfüllt werden. Die Kirche hat eine ganz wesentliche Pflicht, für die Bedürfnisse derer zu sorgen, die den Glauben empfangen haben und die seit Generationen mit dem Glauben in Kontakt gewesen sind, die aber eine Unterstützung für diesen Glauben inmitten der Hindernisse für notwendig halten, die ihr christliches Leben trifft, und auch angesichts des Säkularismus, der in der modernen Welt so verbreitet ist. Daher muß sich die Kirche erneut über die Notwendigkeit klar werden, daß es die Evangelisierung fortzusetzen gilt. Die Kirche muß fortfahren, in ihrem organischen Wirken und weiterhin dem Glauben der Gläubigen beistehen und ihn stärken. Dieses Tun ist nichts anderes als eine Katechese, die von der Lebenskraft des Evangeliums erfüllt ist und in einer an 1693 AD-LIMINA-BESUCHE die Menschen in ihren je besonderen Lebenssituationen angepaßten Sprache ausgedrückt ist. Ich bete darum, daß die Zukunft eurer Ortskirchen zutiefst von den katechetischen Initiativen geprägt sein möge, die mit Eifer „das doppelte Ziel verfolgen, den anfänglichen Glauben reifen zu lassen und den wahren Jünger Christi durch eine vertiefte und mehr systematische Kenntnis der Person und Botschaft unseres Herrn Jesus Christus weiterzubilden“ (Catechesi tradendae, Nr. 19). Für eure Kirchengemeinde ist das Ziel des gesamten Katecheseprogramms, das Geheimnis von Christus immer ergreifender mitzuteilen und die Menschen in Kontakt, in Gemeinschaft und in Vertrautheit mit Jesus Christus zu bringen und sie durch ihn, mit ihm und in ihm immer mehr am Leben der Heiligen Dreifaltigkeit teilnehmen zu lassen (vgl. ebd., Nr. 5). Als Bischöfe seid ihr die Katecheten schlechthin, da ihr - in Verbundenheit mit dem Papst - mit der Erstverantwortung für die Katechese in euren Diözesen und in der Kirche überhaupt ausgestattet seid. Ein Teil eures Dienstes und eurer Verantwortung als Hirten besteht darin, die Gläubigen anzuleiten, sich ihrer eigenen Verantwortung bewußtzuwerden bei der Teilhabe an der erhabenen Aufgabe, Christus mitzuteilen und sein Wort im Leben der anderen immer tiefer wirksam werden zu lassen. Diesen wichtigen Gesichtspunkt habe ich in meiner ersten Enzyklika hervorzuheben versucht, als ich sagte: „Wir müssen immer dafür Sorge tragen, daß die verschiedenen Formen der Katechese in ihren vielfältigen Bereichen ... die breite Teilnahme des ganzen Gottesvolkes am prophetischen Amt Christi aufweisen“ (Redemptor hominis, Nr. 19). Besonders genannt und ermutigt zu werden, verdienen die eifrigen Katecheten, die ihr Leben dem katechetischen Sendungsauftrag der Kirche widmen. Ihre Namen sind in das Buch des Lebens eingeschrieben, und der Herr selbst wird sie belohnen. Liebe Brüder in Christus, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft eurer Diözesen sind mit dem Geheimnis Christi verbunden, der in seinem Leib, der Kirche, lebendig und wirksam ist. Daß sein Gegenwärtigsein und sein Leben immer mehr mitgeteilt werden, ist sicher das Ziel eurer ganzen Sorge und all eures Tuns. Aber wie jede Evangelisierung und jede Reifung des Glaubens durch die Katechese direkt mit dem Wirken des Heiligen Geistes verbunden sind, ist er es, an den wir uns in diesem Augenblick eurer Geschichte mit besonderer Verehrung wenden. Es ist wahrhaftig ein besonderer Augenblick für die Kirche auf Tahiti, die in diesem Jahr das 150jährige Jubiläum des Beginns ihrer Evangelisierung feiert. Aber es ist auch für euch alle eine Einladung, euch aufs neue der 1694 AD-LIMINA-BESUCHE Sache des Evangeliums zu widmen. Und diese Hingabe an das Evangelium muß notwendigerweise eine Öffnung für die Liebe und das Gebet zum Heiligen Geist einschließen, der die Quelle jeder Heiligkeit und jedes Lebens in Christus ist. Paul VI. erinnerte uns so treffend daran: „Die Methoden der Evangelisierung sind sicher nützlich, doch können auch die vollkommensten unter ihnen das verborgene Wirken des Heiligen Geistes nicht ersetzen“ (Evangelii nuntiandi, Nr. 75). Ich bitte Maria, die durch das Wirken des Heiligen Geistes das Wort Gottes empfangen hat, um Fürsprache für eure Volksgruppen, damit sie sich diesem Geist öffnen und zur Fülle des christlichen Lebens gelangen. Möge der der Kirche verheißene Heilige Geist weiter für die heutigen und zukünftigen Generationen Zeugnis ablegen von Jesus, und Jesus in eurem lieben Volk Gestalt annehmen lassen! Die Volksfrömmigkeit stark und lebendig erhalten Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Paraguay am 15. November Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Mit echter Befriedigung empfange ich euch heute, Bischöfe von Paraguay, die ihr zu eurem Besuch an den Apostelgräben, ad limina Aposto-lorum, nach Rom gekommen seid. Euer kirchliches Empfinden führt euch hierher, euer Glaube und der eures Volkes, das in den Anfängen der Evangelisierung des amerikanischen Kontinents der Welt das vortreffliche Beispiel der Reduktionen gegeben hat, die den Namen eures Landes berühmt gemacht haben. Auch euer Hirtenbewußtsein führt euch hierher, das Bewußtsein von Bischöfen, die eifrig auf das größere Wohl ihres Volkes bedacht sind und sich in voller Gemeinschaft mit dem Nachfolger Petri für dieses einsetzen, der heute herzlich zu euch sagt: Seid willkommen zu dieser Begegnung. Bevor ich fortfahre, möchte ich euch danken für diesen sorgfältig vorbereiteten Besuch sowie für die Worte eures Vorsitzenden, für die Informationen, die jeder von euch an mich geschickt hat, sowie den Bericht eurer Konferenz, die sich auf fünf Jahre Leben und Arbeit, Freuden und Opfer, Sorgen und Anstrengungen in der Kirche beziehen. 1695 AD-LIMINA-BES UCHE 2. Die Analyse der Informationen, die ihr vorgelegt habt, gibt Grund zur Dankbarkeit gegenüber Gott, dem Spender aller Gnaden. In den vergangenen fünf Jahren hat die Kirche in Paraguay bedeutsame Schritte getan. Und das dank des zähen und hochherzigen Einsatzes von Bischöfen, Priestern, Mitgliedern von Ordensfamilien und Instituten des gottgeweihten Lebens sowie zahlreicher hochverdienter Laien. Es hat zwar Schwierigkeiten gegeben, und es ließen sich Mängel anführen, aber es fehlte auch nicht an Freude und Mut zu geplanter und beständiger Arbeit der Kirche. In diesem Zusammenhang muß ich die Fortschritte erwähnen, die sich auf dem Gebiet der Pastoral der Berufe mit einem ermutigenden Ansteigen der Zahl von Bewerbern für das Priester- und Ordensleben abzeichnen. Ebenso erfreulich ist es, die Entwicklung der Jugend- und der Familienpa-storal zu sehen sowie die Anstrengungen, die unternommen werden, um die bevorzugte Option für die Armen in konkrete Werke der Hilfe und Förderung umzusetzen. In diesem Geist der Danksagung an den Herrn möchte ich mit euch einige Überlegungen anstellen, die aus der Wirklichkeit erwachsen, in die die Kirche in eurem Land eingefügt ist. 3. Bei dieser Gelegenheit will ich vor allem meine ganz lebhafte Wertschätzung und Anerkennung für die Anstrengung zum Ausdruck bringen, die unternommen wurde, um die Einheit innerhalb eurer Bischofskonferenz und ganz allgemein in der Kirche zu erhalten und zu vertiefen. Der Apostolische Stuhl kennt in der Tat den brüderlichen Zusammenhalt, der die Bischöfe der Kirche in Paraguay kennzeichnet. Und ihr habt sehr wohl die Bedeutung dieses Zeugnisses erfaßt, das der erste Beitrag ist, den ihr dem eurer Sorge anvertrauten Volk zu geben habt. Ich ermutige euch darum, laßt euch jeden Tag die Bewahrung und Stärkung der Einheit in der ganzen kirchlichen Gemeinschaft angelegen sein. In unserer Eigenschaft als Nachfolger Christi und zur Gewährleistung der apostolischen Wirksamkeit müssen wir den Worten des Meisters: „Alle sollen eins sein“ (Joh 17,21) große Aufmerksamkeit schenken. Diese kirchliche Einheit kann also nicht erhalten und vertieft werden ohne tiefere und übernatürliche Motivierungen, die den Verzicht, die Verständigung, den Dialog, den Dienstcharakter der Autorität und die verantwortungsbewußte Zusammenarbeit im Gehorsam erleichtern. Andererseits ist die Einheit der um ihre legitimen Bischöfe gescharten Kirche ein wertvoller Beitrag an die bürgerliche Gesellschaft und bewirkt die Zunahme solidarischer Initiativen zugunsten des Gemeinwohles. Es freut mich daher, daß ihr diesem Thema der kirchlichen Einheit und 1696 AD-LIMINA-BESUCHE den Kräften, die sie manchmal zu unterhöhlen drohen, sowie den Grundlagen, auf welchen sie aufruht, vor kurzem ein Dokument eurer Konferenz gewidmet habt (Hirtenbrief vor dem Ad-limina-Besuch, 7. Oktober 1984). 4. Eng verknüpft mit dem vorstehenden Thema ist das des bischöflichen Lehramtes. Ich brauche euch nicht an die reiche schriftliche Überheferung in bezug auf die Verantwortung und die Sendung der Bischöfe der Kirche zu erinnern. Es ist auch nicht nötig, auf die Vielfalt und den Ernst all der schwierigen Fragen hinzuweisen, die heute das Gewissen des gläubigen Menschen bewegen. Die religiöse Tradition eures Volkes mißt, wie ihr wißt, dem Wort des Bischofs und des Priesters besondere Bedeutung bei. Ich möchte daher nur daran erinnern, wie notwendig es ist, daß das Lehramt in enger Gemeinschaft mit dem Stuhl Petri die Forderungen des christlichen Galubens und der christlichen Moral klar und vollständig darlegt: daß es Zweifel und religiöser Unwissenheit überwinden hilft, vom Evangelium her die konkreten Situationen und Probleme der Gläubigen klärt und einem Mangel an moralischer Orientierung entgegenarbeitet. Eine schwierige Aufgabe; aber sie ist ein echter Dienst zum Wohl der Kirche und auch des Heimatlandes. Entsprechend den Richtlinien des Zweiten Vatikanischen Konzils und der Konferenzen von Medellin und Puebla wird dieser Wille zum Dienst euch ein Ansporn sein, den paraguayanischen Menschen aus nächster Nähe in seiner Alltagswirklichkeit, in seinen konkreten Problemen zu begleiten, da ihr euch ja der Sendung bewußt seid, die die Kirche als Mutter und Lehrmeisterin innehat. Euer eigener Plan zu einer organischen Seelsorge weist in die Richtung dieses Vorhabens, nämlich: eure Gläubigen zu begleiten, ihnen Orientierung zu geben und sie zu evangelisieren. <125> <125> Ebenso möchte ich euch herzlich ermutigen bei eurem Bemühen, die Volksfrömmigkeit bei euren Gläubigen lebendig und stark zu erhalten und zu vertiefen. Sie kommt vielfältig zum Ausdruck und hat beredte Formen, auf die ihr in mehr als einem Dokument Bezug genommen und sie als reich, freilich manchmal der Reinigung bedürfend, bezeichnet habt. Das Studium solcher Ausdurcksformen soll es ermöglichen, daß oft verborgene oder vergessene, echte religiöse Werte wieder freigelegt werden. Der pastorale Eifer, der euch auszeichnet, und der kluge Beitrag der Fachleute wird eine Tradition wiederbeleben, die weder etwas von ihrem Inhalt einbüßen noch in Routine verfallen darf. Die Weitergabe und 1697 AD-LIMINA-BESUCHE Entwicklung des Glaubens werden sich durch diese Dynamisierung der Volksfrömmigkeit gestärkt sehen, und das religiöse Empfinden des Volkes wird einen angemessenen Weg finden, sich zu äußern. In diesem Zusammenhang dürfen wir nicht die grundlegende Bedeutung der heiligen Liturgie vergessen. Ihre zweckdienliche Erneuerung hat zweifellos eine stärkere Beteiligung des katholischen Gläubigen am liturgischen Leben begünstigt. Eure und die Arbeit eurer Mitarbeiter wird stets für das gesunde Gleichgewicht, die Beachtung der sie regelnden Vorschriften und für den gebührenden Anstand bei der heiligen Handlung sorgen müssen. Auf diese Weise kann die Liturgie auch in Paraguay das große pädagogische Werkzeug für die Glaubenserziehung der Gläubigen sein. 6. Die vorrangige und eigenste Aufgabe der Kirche ist die Glaubensverkündigung, die Evangelisierung. Darum ist der erste Dienst, den sie großzügig anbieten muß, diese Evangelisierungsarbeit, um alle zum Mittelpunkt des Heilsmysteriums in Christus zu führen. Aber es ist klar, daß die Evangelisierung, um wirksam zu sein, die konkreten Bedürfnisse des Volkes berücksichtigen muß. Aus diesem Grund spricht euer Plan einer organischen Seelsorge davon, „den paraguayanischen Menschen innerhalb seiner Kultur zu evangelisieren“. Zweifellos sind die Herausforderungen der Wirklichkeit ein Anruf an das Gewissen, das in den Glaubensgrundsätzen Inspiration und Anleitung finden soll. Darum wird in Augenblicken, in denen sich die Gesellschaft Paraguays über sich selbst, über ihre gegenwärtige Situation und ihre Zukunftsaussichten befragt, das Wort der Bischöfe die Gläubigen über den Plan Gottes im Hinblick auf die irdischen Wirklichkeiten orientieren müssen. Zu diesem Zweck werden die Bischöfe vom Glauben her die Forderungen der christlichen Berufung der Gläubigen, auch in ihrer Auswirkung auf das soziale Leben, im Licht der moralischen Prinzipien erläutern müssen, die das sittliche Verhalten der Menschen bestimmen sollten. Es besteht kein Zweifel, daß die Bischöfe bei alldem die legitimen Optionen, die sich dem Gewissen des gläubigen Volkes öffnen, zu respektieren haben. Wie es ebenso sicher ist, daß sie den Laien, die die nötige sittliche Reife erwiesen haben, die ihnen zukommende Aufgabe überlassen sollen, nämlich: die Kirche im zeitlichen Bereich gegenwärtig zu machen und von innen her die sozialen, politischen oder wirtschaftlichen Situationen, die im Licht des Evangeliums umgestaltet werden müssen, zu verändern (vgl. Apostolicam actuositatem, Nr. 7, 13, 14, 29). 1698 AD-LIMINA-BESUCHE Es geht darum, einen Weg zu fördern, der die gerechten Bestrebungen der Menschen, die Achtung ihrer Rechte, den Willen aufgreift, in einer Atmosphäre echter Freiheit am verantwortungsvollen Aufbau der Gesellschaft mitzuarbeiten, zu der man gehört und Ziele der Solidarität und des brüderlichen Zusammenlebens zu verfolgen, die jeden Rückgriff auf Gewalt und Ungerechtigkeit ausschließen. Nur so lassen sich annehmbare und echte Lösungen für die sozialen Fragen finden. Es müssen daher zweckdienliche vermittelnde Formen der Beziehung und Zusammenarbeit in den inneren Strukturen des Sozialgefüges geschaffen werden. 7. In diesem Zusammenhang möchte ich jetzt auf die Sorge für die Sozialpastoral zu sprechen kommen. Und ich will das tun, indem ich an das Vorbild unseres Herrn und Meisters erinnere. Es stimmt, daß die Liebe zu allen Menschen keine Ausschließung zuläßt. Doch sie erlaubt einen besonderen Einsatz zugunsten der Bedürftigsten. Muß man da nicht an die einheimische Bevölkerung erinnern, die sich oft in armseligen Lebensbedingungen befindet? Muß man nicht die unzähligen Bewohner der übervölkerten Elendsviertel erwähnen, die ungesund zusammengepfercht und völlig ungewiß im Hinblick auf einen Arbeitsplatz ihr Dasein fristen? Wie könnte man die geduldigen und selbstlosen Landarbeiter vergessen mit ihren Boden- und Wohnungsproblemen, mit ungenügender Bezahlung und den primitiven Erziehungs- und Gesundheitsdiensten? Die Kirche blickt mit bevorzugter Liebe auf diese Gruppen. Darum empfehle ich euch ein besonderes Interesse und die Unterstützung der Arbeit, die in eurem Land zugunsten der Ärmsten geleistet wird. Folgt den Richtlinien der kirchlichen Soziallehre und eröffnet in diesem Land neue Wege und Initiativen großzügiger und dauerhafter Förderung und Hilfe. Auf diese Weise wird der Zusammenhang zwischen dem Glauben und dem praktischen Leben der Christen sowohl im persönlichen und familiären wie im sozialen und gemeinschaftlichen Bereich in seiner ganzen Bedeutung offenkundig werden. Damit leistet ihr zugleich einen gültigen Beitrag zum Wohl der nationalen Gemeinschaft. <126> <126> Bevor ich unsere Begegnung abschließe, möchte ich euch noch kurz drei Empfehlungen hinterlassen, die den Bereich der Familienpastoral, der Jugendseelsorge und der Pastoral der Berufe betreffen. Ich weiß, daß ihr unter einem eindrucksvollen und vielsagenden Motto die Feier des Nationalen Jahres der Familie begonnen habt. Wenn ich oftmals meine Sorge angesichts von Angriffen gegen die Familie zu erkennen 1699 AD-LIMINA-BESUCHE geben mußte, so drücke ich heute meine Befriedigung über die pastorale Initiative aus. Viele und lobenswerte Initiativen wurden unter dem Leitgedanken des Jahres der Familie in Gang gesetzt. Ich meinerseits möchte besonders die Aufmerksamkeit auf die nahezu mittellosen Familien lenken und auf den Einsatz zur Verbreitung der Lehre der Kirche über die Familie. Ich versichere euch zugleich meines Gebetes, daß der Herr reiche pastorale Früchte zugunsten aller paraguayanischen Familien reifen lasse und daß jede einzelne von ihnen wirklich eine ganz christliche und wahrhaft menschliche Gemeinschaft sein möge. Auf dem Gebiet der Jugendpastoral rate ich euch, weiterhin die besten menschlichen und pastoralen Mittel für die Evangelisierung der Jugend und ihrer Umwelt anzuwenden. Laßt nicht davon ab, eine aktive und wirksame Organisation der Jugendseelsorge zu unterstützen, damit ihr mit „mehr Menschen der Kirche mitten in der Welt“ rechnen könnt. Eine solide Ausbildung in der Glaubenslehre, eine angemessene Spiritualität und der Edelmut gesunder Herzen werden bewirken, daß die Jugendlichen die ersten Evangelisatoren ihrer Altersgenossen sind. Schließlich wird die Dynamisierung der Jugendgruppen und Jugendbewegungen im Einklang mit der Familienseelsorge und der Erziehung ein Impuls für eine fruchtbare Pastoral der Berufe sein. Ich will euch versichern, daß der Papst eure Sorge und Bemühungen zugunsten der Priester-und Ordensberufe teilt. Darum möchte ich euch, auch wenn ihr euch mit Recht über die zunehmende Zahl von Bewerbern freut, zu einer erneuten Anstrengung ermutigen. Viel haben bisher für euch die aus verschiedenen Nationen kommenden Missionare getan. Vielleicht ist der Augenblick gekommen, über die missionarische Herausforderung an die Kirche in Paraguay nachzudenken. Und ich bin gewiß, daß der Mut und die Hochherzigkeit eurer Jugend es fertigbringen wird, sich für die Christen anderer Kontinente einzusetzen. <127> <127> Zum Abschluß dieser brüderlichen Begegnung möchte ich euch meine Dankbarkeit für die geleistete Arbeit und für die euch ermutigenden Pläne wiederholen. Ich ermuntere euch wiederum zu erneutem Einsatz der Evangelisierung in Paraguay und will mich dabei der Worte bedienen, mit denen euer Plan für eine organische Seelsorge die allgemeine Zielsetzung formuliert: „Evangelisiert den paraguayanischen Menschen in seiner Kultur, mit bevorzugter Option für die Armen und mit einer geplanten und organischen Aktion zum Aufbau einer kirchlichen Gemeinschaft, die Zeugnis- und missionarischen Charakter besitzt, die die Feier der Heilsgeheimnisse begeht, im Aufbruch der neuen Zeit gegenwärtig ist und zur 1700 AD-LIMINA-BESUCHE Bildung einer gerechteren, brüderlichen und für Gott aufgeschlossenen Gesellschaft anregt und ermutigt.“ Auf diese Pläne und auf euch persönlich, auf die Priester, Ordensfamilien und Seminaristen sowie auf das ganze geliebte Volk von Paraguay rufe ich den Schutz des seligen Roque Gonzalez und seiner Märtyrergefährten herab. Und im Vertrauen auf die Fürsprache Mariens, der Unbefleckten Empfängnis, unserer lieben Frau von Caacupe, erteile ich euch von Herzen den Apostolischen Segen. Für eine „unverkürzte Evangelisierung“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Peru am 4. Oktober Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Ich habe heute die Freude, eine zahlreiche Gruppe von Bischöfen der verschiedenen Teilkirchen Perus zu empfangen, eng verbunden in der brüderlichen Liebe, die euch mit dem Papst vereint und die euch die Gemeinschaft mit der Gesamtkirche lebendiger erfahren läßt. Ich erkenne und grüße in euch jede eurer Diözesen, die „ein Teil des Gottesvolkes ist, der dem Bischof in Zusammenarbeit mit dem Presbyterium zu weiden anvertraut ist; indem sie ihrem Hirten anhängt und von ihm durch das Evangelium und die Eucharistie im Heiligen Geist zusammengeführt wird, bildet sie eine Teilkirche, in der die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche Christi wahrhaft gegenwärtig ist und wirkt“ (C/C, can. 369). Diese Worte aus dem Codex des kanonischen Rechts fassen die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zusammen, sie umreißen eindringlich und klar euer Dienstamt und eure Verantwortlichkeit sowie den grundlegenden Reichtum jeder eurer Diözesen. 2. Im Mittelpunkt eurer Teilkirchen und als wesentliche Aufgabe eures Dienstamtes muß die Evangelisierung im Vollsinn des Wortes stehen, das heißt die Verkündigung, die Feier und die Erfahrung Jesu Christi, des einen und einzigen Retters, denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen“ {Apg 4,12). Die von Begeisterung und Freude erfüllte Verkündigung Jesu Christi ist 1701 AD-LIMINA-BESUCHE eure Hauptaufgabe als Bischöfe. Die ganze Originalität der Kirche wurzelt in dieser Verkündigung. Die ganze Kraft ihrer Botschaft konzentriert sich auf die ständige Identifizierung mit dem lebendigen Evangelium, das der in der Kirche gegenwärtige Jesus Christus ist. Mit dem daraus folgenden Ruf zur Umkehr, das heißt mit der die Herzen und die Strukturen verändernden Kraft, die das lebendige Wort des Evangeliums enthält, das neue Menschen, neue Gemeinden, neue Familien, eine neue Gesellschaft hervorzubringen vermag. Darum ist unser Glaube an Jesus Christus auch Vertrauen in die erneuernde Kraft des Evangeliums, die dadurch, daß sie das Herz des Menschen erleuchtet, die ursprüngliche Revolution der Liebe, der Seligkeiten, der geistlichen Gemeinschaft zwischen den Menschen auslöst, die - wie in der urchristlichen Gemeinde - sogar zur Gütergemeinschaft geworden ist. Mit eurem Glauben, der auf den zentralen Punkten der Evangelisierung, wie der Verkündigung des gekreuzigten und auf erstandenen Jesus Christus, der innigen Liebe zum Geheimnis seiner Menschwerdung und Geburt, verbunden mit der kindlichen Verehrung der Jungfrau Maria, gründet, ist euer Volk bereits dafür sensibilisiert, eine erneuerte und weiterführende Evangelisierung anzunehmen. Eine Evangelisierung, die systematisch, klar und tief sein muß, damit die Gläubigen auch die Bedrängung und Verfolgung von seiten verschiedener Gruppen überwinden können, die ihnen den Schatz ihres katholischen Glaubens entreißen wollen. Authentische Katechese in Worten und heiligen Zeichen 3. Es ist daher notwendig, daß der Verkündigung von Jesus Christus auch die Feier seines Mysteriums in der Liturgie der Kirche entspricht, da sich ja das Leben Christi den Gläubigen durch die Sakramente mitteilt und diese so auf geheimnisvolle und doch wirkliche Weise mit ihm, der gestorben und verherrlicht ist, vereint werden (vgl. Lumen gentium, Nr. 7). Und wie alle Gläubigen das Recht haben, in diese Gemeinschaft mit Jesus durch den Dienst der Kirche einzutreten, muß durch die hochherzige pastorale Liebe der Priester die Teilhabe an der Eucharistie, der regelmäßige Empfang des Bußsakraments, die Krankensalbung zum angebrachten Zeitpunkt belebt und gefördert werden. Denn der nach den Vorschriften der Kirche unter aktiver Beteiligung des Volkes gefeierte Gottesdienst gewährleistet die authentischste Katechese in den Worten und heiligen Zeichen, für die eure Gläubigen so empfänglich sind. Und wie die Liturgie ihrem Wesen nach ein Werk der Kirche ist 1702 AD-LIMINA-BESUCHE und bei der Form, wie sie gefeiert wird, nicht das Monopol irgendeiner Gruppe bestehen darf, wird sie der Spiegel einer lebendigen, mit ihren Bischöfen verbundenen Kirchengemeinde sein müssen, die sich verpflichtet, das, was sie feiert, auch zu leben, indem sie die Gnade des verkündeten Wortes, des gemeinsames Gebetes, der Gemeinschaft mit Christus und mit den Brüdern in der Eucharistie in das Alltagsdasein hineinnimmt. Es besteht kein Zweifel, daß die in eurem Volk so tiefverwurzelte Volksreligiosität mit dem Reichtum der dem Herzen entspringenden Gefühle und mit der Ausdruckskraft ihrer Frömmigkeitsgesten in die richtige Richtung gewiesen werden muß, um sie fähig zu machen, diese Begegnung mit dem Geheimnis Christi, das im Wort, in den Sakramenten, in der Eucharistie wirklich gegenwärtig ist, vorzubereiten und weiterzuführen. 4. Zugleich müssen die Verkündigung und die Feier des Geheimnisses Christi zum Leben, zum Tun werden. Denn wenn es stimmt, daß man nicht wie Christus leben kann, wenn man nicht in ihm lebt, so ist es ebenso gewiß, daß man nicht in ihm leben kann, wenn man nicht lebt, wie er gelebt hat, wie er uns gelehrt hat. Das Evangelium muß also Lebensnorm sein, Gewähr für ein richtiges persönliches und soziales ethisches Verhalten; es muß Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Erbarmen sein, Programm zur Versöhnung in der Gesellschaft, Ansporn zu einer neuen Ordnung, in der die Rechte der Menschen, unserer Brüder, gefördert werden. Die Christen müssen folglich die ersten sein, die ein Beispiel für diese Forderungen des Evangeliums liefern, indem sie sich den Aufgaben der praktischen Solidarität widmen, ohne die auch das gerechte Aufzeigen des Unrechts nicht ausreicht. Bei dieser Aufgabe benötigt ihr die Mitarbeit aller eurer Gläubigen, der Katecheten, der engagierten Laien. Doch seid ihr es, die zusammen mit den Priestern und Ordensleuten eine unerläßliche Orientierungsfunktion innehaben. Ihr und eure Priester kennen ohne Zweifel aus nächster Nähe die Tragödie des konkreten Menschen in euren Dörfern und Städten, der täglich selbst in seinem Überleben bedroht ist, der von Elend, Hunger, Krankheit und Arbeitslosigkeit niedergedrückt wird; dieser unglückliche Mensch, der in unmenschlichen Verhältnissen oftmals mehr überlebt als lebt. Hier herrscht gewiß weder Gerechtigkeit noch das geringste Maß an Würde, wie sie die Grundrechte fordern. Und je härter die Situation ist, um so unzulässiger sind die Handlungsweisen der Systeme, die sich an Prinzipien rein wirtschaftlicher Nützlichkeit zum Vorteil der privilegierten Kreise 1703 AD-LIMINA-BESUCHE inspirieren. Und um so verführerischer können Optionen für einen ideologischen Kompromiß scheinen, die zu Wegen von materialistischem Zuschnitt, zum Klassenkampf, zur Gewalt, zu Machtmaßnahmen Zuflucht nehmen, die die Grundrechte des Menschen in keiner Weise berücksichtigen. Demgegenüber ist es angebracht, einmal mehr daran zu erinnern, daß „die Kirche im Zentrum der Botschaft, deren Hüter und öffentlicher Verkünder sie ist, die Motivierung findet, um einzutreten für die Brüderlichkeit, die Gerechtigkeit, den Frieden und gegen alle Beherrschungssysteme, Versklavungen, Diskriminierungen, Gewalttaten, Anschläge auf die Religionsfreiheit, Angriffe gegen den Menschen und gegen das Leben (vgl. Gaudium etspes, Nr. 26,27,29), (Ansprache an die lateinamerikanischen Bischöfe in Puebla, 28. Januar 1979, III, 2; in: O. R. dt. vom 2. 2. 1979, S. 10). Es ist daher notwendig, daß alle Bischöfe der Kirche in Peru, die Mitglieder des Welt- und des Ordensklerus sowie die anderen Mitarbeiter oder die aktiv in der Evangelisierung Tätigen ernsthaft - und dort, wo es die Lage erfordert, mit noch mehr Einsatz - für die Sache der Gerechtigkeit und der Verteidigung der Armen arbeiten. Dabei sehen wir den Armen jedoch nicht in eingeschränkter, vom Klassendenken bestimmter oder allein auf den materiellen Bereich begrenzter Weise, sondern in seiner ganzen geistlichen und transzendenten Situation mit dem sich daraus ergebenden Verlangen, ihn vor allem von der Sünde, der Quelle aller Unordnung und Auflösung, zu befreien und ihm das Heil in Christus anzubieten. Eine Arbeit, die in eindeutig kirchlichem und evangelischem Geist in Verbundenheit mit den Bischöfen und dem Papst ausgeübt werden muß. Gebt eurerseits den Mitgliedern eurer Diözesen, die in diesem Geist für die Armen arbeiten, die volle Gewißheit, daß die Kirche an ihrer bevorzugten Option für die Armen festhalten will und den Einsatz aller fördert, die sich getreu den Weisungen der Hierarchie hochherzig den Bedürftigsten widmen und diesen Dienst als untrennbaren Teil ihrer eigenen Sendung ansehen. Auf diese Weise wird man den unvermeidlichen Ruf nach Gerechtigkeit und die notwendige vorrangige Solidarität mit den Armen nicht durch glaubensfremde Ideologien belasten müssen, als wären diese es, die das Geheimnis von der tatsächlichen Wirksamkeit besitzen. <128> <128> Dieser dringende Aufruf zur unverkürzten Evangelisierung bezieht sich auch auf die anderen Probleme, die ihr mir selbst in euren Berichten 1704 AD-LIMINA-BESUCHE vorgelegt habt; den Mittelpunkt eurer Sorgen bildet der sittliche Verfall in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens. Ich weiß, daß ihr mit großer pastoraler Sorge auf die Probleme blickt, die die Zelle der Familie und die Erziehung der Jugend beeinträchtigen: die Zunahme der wegen Scheidung, Ehebruch entzweiten Familien, der eheähnlichen Verbindungen ohne das Band der christlichen Eheschließung. (Und häufig kommt das üble Vorbild von den höchsten Schichten der Gesellschaft und übt seinen verderblichen Einfluß auf die unteren Klassen aus.) Ebenso breitet sich die Geißel der Abtreibung, der künstlichen Empfängnisverhütung, der vorehelichen Beziehungen aus; zugleich rük-ken die Pornographie und eine Permissivität der Sitten vor, die jedes Schamgefühl zerstören. Das alles - das braucht man wohl nicht eigens zu betonen - widerspricht dem Evangelium, der menschlichen Würde und selbst den wichtigsten Forderungen der von euren Vorfahren überkommenen Überlieferungen. Dazu kommt das ernste Problem der Drogensucht, die die Gesellschaft verdirbt und das Leben der Jugendlichen zerstört. Sowie das aktuelle bedauernswerte Phänomen der organisierten Gewalttätigkeit, die sich gegen unschuldige Opfer richtet und die manchmal eine alles andere als leidenschaftslose Unterdrückung auslösen kann. Mit diesem Thema habt ihr euch angemessenerweise in eurem Hirtenbrief vom 3. August 1983 beschäftigt. Die Kirche, die die Würde und die transzendente Bestimmung des Menschen kennt, muß ihre Stimme gegen alles erheben, was die Würde der Menschen und Völker herabsetzt. Darum bitte ich euch: Verbindet das Wort der Verkündigung des Evangeliums auch mit der entsprechenden Anklage gegen die Mißbräuche und mit der Förderung geeigneter Initiativen zur Rettung der wahren menschlichen und religiösen Ideale eurer Gläubigen. <129> <129> Bei dieser Aufgabe der Evangelisierung und menschlichen Förderung können und müssen euch die Ordensmänner und Ordensfrauen eine große Hilfe sein. Als Hirten der Kirche obliegt euch auch die Förderung des Ordenslebens und die Aufsicht über sämtliche Aktivitäten der Ordensleute, die unmittelbar die Seelsorge, die Abhaltung des öffentlichen Gottesdienstes und andere Apostolatswerke betreffen (vgl. CIC, can. 678, § 1). Es handelt sich um einen sehr wichtigen Faktor des Lebens der Kirche, da ja die Ordensmänner und Ordensfrauen mit dem Zeugnis ihres Lebens und mit ihrer apostolischen Hingabe zum Aufbau einer jeden Teilkirche 1705 AD-LIMINA-BESUCHE beitragen, wie ich vor nicht langem in meinem Apostolischen Schreiben Redemptionis donum in Erinnerung gebracht habe (vgl. Nr. 14, 15). Ich bitte euch daher, verfolgt als Hirten aufmerksam das Ordensleben, damit es immer stärker und in immer vollkommenerer Übereinstimmung mit den Richtlinien des Lehramtes und mit den Pastoralräten der Bischöfe sich in eurem Volk einwurzelt. Zu diesem Zweck werden entsprechende gegenseitige Beziehungen entwickelt werden müssen, um die Präsenz und Wirksamkeit des Ordenslebens auf diözesaner und nationaler Ebene sicherzustellen. Fragen, bei denen die Gläubigen ein klärendes Wort brauchen 7. Liebe Brüder! In einem Dialog der Liebe wollte ich euch einige Überlegungen zu besonders wichtigen Punkten mitteilen, die ich jetzt eurer und der Verantwortung eurer Teilkirchen anvertraue. Ich weiß gut, daß die Ausübung des Bischofsamtes zahlreiche Anstrengungen und Selbstverleugnung wie auch und vor allem die enge Verbundenheit zwischen euch und mit dem Nachfolger Petri erfordert, da die pastorale Führung in der Lehre in klaren, präzisen, unzweideutigen und feststehenden Richtlinien zum Ausdruck kommen muß, besonders was jene Fragen betrifft, in denen die Gläubigen das klärende Wort brauchen. In diesem Zusammenhang kommt mir wieder das Bild des Bischofs als Gutem Hirten in den Sinn, das uns Paul VI. in Evangelii nuntiandi hinterlassen hat: „Der Prediger des Evangeliums muß also jemand sein, der selbst um den Preis persönlichen Verzichtes und sogar Leidens immer die Wahrheit sucht, die er den anderen übermitteln soll. Er wird die Wahrheit niemals verraten noch verbergen, um den Menschen zu gefallen, ihr Staunen zu erregen oder sie zu schockieren, weder durch Originalität noch von Geltungsdrang getrieben . .. Ihr Hirten des Gottesvolkes, unser pastoraler Dienst drängt uns, die Wahrheit zu hüten, zu verteidigen und zu verkünden, ohne auf etwaige Opfer zu schauen“ (Nr. 78). Deshalb wird die Lehramtsfunktion des Bischofs ihn veranlassen, mitunter im Namen der Wahrheit Stellung zu beziehen, vor allem, wenn diese Wahrheit entstellt oder vernachlässigt wird. Sie wird die Bischöfe gleichzeitig verpflichten, als Lehrer im Glauben demütig, aber mit aller Bestimmtheit auch auf dem Gebiet der Theologie Führer zu sein, die ihrer eigenen Methode folgen muß mit einer unversehrten biblischen Hermeneutik, deren Sprache nicht durch die Sprache der Humanwissenschaften ersetzt werden darf, wie die jüngste Instruktion der Glaubenskongregation in Erinnerung brachte. 1706 AD-LIMINA-BESUCHE In dieser Instruktion sollen die Bischöfe auch eine Aufforderung sehen, die Lehr- und Pastoralsituation der verschiedenen örtlichen Gegebenheiten mit Wirklichkeitssinn und Objektivität festzustellen und zu unterscheiden, damit es dem Klerus, den Ordensmännern und Ordensfrauen und den gläubigen Laien nicht an den zweckmäßigen und notwendigen Richtlinien fehlt. Das gehört zweifellos zum Bild und zur Sendung des Guten Hirten. Voll Vertrauen in euren anerkannten Eifer und in eure Liebe zur Kirche, der ihr so hochherzig das Beste eures Lebens hingebt, ermutige ich euch, eure kirchliche Aufgabe weiterzuführen. Ich weiß sehr wohl um eure Bemühungen um die Berufungen, um die Jugend, um eine solide und systematische Katechese und um die Realisierung vieler anderer apostolischer Werke. Ich erbitte deshalb für euch das Licht und die Gnade des Geistes, der „durch die Kraft des Evangeliums die Kirche verjüngt“ (vgl. Lumen gentium, Nr. 4).Und ich bitte die Mutter Jesu und unsere Mutter, daß sie euch beistehe, euch tröste und ermutige beim Aufbau eurer Kirchengemeinden im Glauben. Euch und jedem Mitglied dieser Gemeinden drücke ich meine tiefe Zuneigung aus und segne euch von Herzen. „Die Perle des Orients“ Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Sri Lanka am 5. Juli Liebe Brüder in unserem Herrn Jesus Christus! 1. Mit tiefem pastoralem Interesse und voll Freude heiße ich heute euch, die Bischöfe von Sri Lanka, willkommen. Ihr habt mir die Treue und Liebe eures Volkes mitgeteilt, und ich erwidere das, indem ich euch und sie meiner Liebe in Jesus Christus versichere. In euch grüße ich alle Einzelpersonen und Gemeinden, die die Kirche in eurem Lande bilden. In dieser bedeutsamen Begegnung zwischen uns ist die ganze religiöse Geschichte eures Volkes von den Anfängen, von der Zeit der ersten Glaubensboten an, zusammengefaßt. Ich denke auch an den großen Beitrag des ehrwürdigen Joseph Vaz, der vor nunmehr 300 Jahren bei euch an Land ging. Ich ehre mit euch das Andenken dieses Apostolats und erwarte mit euch das endgültige Urteil der Kirche hinsichtlich seiner hervorragenden Heiligkeit. Und mit euch 1707 AD-LIMINA-BES UCHE danke ich für alle anderen hochherzigen Missionare, die gelebt haben und gestorben sind, „damit das Wort des Herrn sich ausbreitet und verherrlicht wird“ (2 ThessZ, 1). Mit euch halte ich das Evangelium in Ehren, das sie weitergegeben haben, und die Saat, die sie auf diesen guten Boden, „die Perle des Orients“, ausgestreut haben. In dieser Stunde bringen wir alle Wechselfälle eurer Geschichte Gott dar, die Prüfungen und Drangsale, die Freuden und Leiden, die euer Volk erlebt hat und in eurer von vielen Völkern und vielen Religionen geprägten Gesellschaft noch immer erlebt. Und wir beten, daß diese Darbringung für die Menschen zu einer Erneuerung des Mutes und zu einer Verkündigung der Hoffnungen werden möge. 2. Der Präsident eurer Bischofskonferenz hat auf den „Preis der Nachfolge“ hingewiesen, was es bedeutet, Jesus, dem menschgewordenen Wort Gottes, tatsächlich zu folgen, sein Evangelium anzunehmen, sich zum katholischen Glauben zu bekennen und ein Leben zu leben, das des Himmelreiches würdig ist. Bei dieser Gelegenheit danke ich im Namen der Universalkirche Gott für die Nachfolge, die in Sri Lanka gelebt wurde und wird. Ich danke ihm für die Lebendigkeit der Kirche in eurem Land, für die Gnaden, die eure christlichen Familien geformt, eure Priester und Ordensleute unterstützt und die hochherzige Bereitschaft von Seminaristen, Katecheten und anderen eifrigen Laienarbeitern im Dienst des Evangeliums wachgerufen und motiviert haben. 3. Dieser Ad-limina-Besuch gibt mir Gelegenheit, euch meine Unterstützung für eure eigenen apostolischen Bemühungen und für die Arbeit auszusprechen, die ihr zur Förderung eines dauerhaften auf Gerechtigkeit und Gleichheit für alle gegründeten Friedens leistet. Ich drücke euch meine Solidarität bei euren Bemühungen aus, die Botschaft der Kirche über die Menschenwürde und die Rechte der einzelnen wie die Rechte von Gemeinschaften mit ihrem kulturellen und sprachlichen Erbe zu verkündigen. Ihr habt richtig vom Recht jedes einzelnen auf seine Religion gesprochen, von Subsidiaritätsprinzip, von der Lebensnotwendigkeit eines Arbeitsplatzes und der Rolle der parlamentarischen Demokratie bei der tatsächlichen Sicherung der Rechte aller. Die Universalkirche unterstützt euch in dem Bestreben, die Einheit eures Volkes dadurch zu fördern, daß ihr die Menschen auffordert, Vorurteile, wo immer sie sich finden, zurückzuweisen, Gewaltanwendung verurteilt und den Frieden sowie die Bedingungen, die zum Frieden führen, fördert. Von großer Wichtigkeit ist jede Bemühung, die auf den Abbau ethnischer Spannungen zielt. 1708 AD-LIMINA-BESUCHE Diese und andere Erwägungen gehören zu den Überlegungen eures gemeinsamen Hirtenbriefes vom vergangenen Pfingstfest. Dieses Dokument ist ein Beispiel für das dem Heiligen Geist anvertraute gemeinsame pastorale Wirken, das die Einheit der Bischofskonferenz offenkundig macht - ein Gut, das sehr hoch geschätzt und ständig vervollkommnet werden muß. 4. Euer Beitrag zum Leben der Kirche nimmt jeden Tag konkrete Gestalt an, wenn ihr euren heiligen Sendungsauftrag ausführt und die Glaubenswahrheiten lehrt. Das geschieht sowohl durch euch persönlich und direkt als auch zusammen mit euren Priestern und durch eure Ordensleute, eure Katecheten und die euch in beschränkter Zahl zur Verfügung stehenden Schulen. Die Botschaft, die ihr verkündet, hat nicht nur einen religiösen Inhalt, sondern stellt auch einen Beitrag zum friedlichen Zivilleben dar. Der Friede, die Gerechtigkeit, die Achtung vor dem Menschen, die so sehr zur Verkündigung der Kirche gehören, werden auch Akte des Patriotismus von seiten derer, die sie erfassen, und tragen zum gesamten Wohlergehen der Gesellschaft von Sri Lanka bei. Eure Hirtensorge drängt euch, euch mit all euren Brüdern zu vereinen, wenn ihr gemeinsamen Herausforderungen begegnet, zu denen Probleme von großer Bedeutung gehören wie Drogen und soziale Unordnung. Während ihr Jesus Christus und seine Seligpreisungen allen verkündet, die sich freiwillig entschlossen haben, eure Worte zu hören, übt ihr gleichfalls euren Dienst aus, wenn ihr auf allen Ebenen der Gesellschaft die brüderliche Liebe pflegt, das Ideal des hochherzigen Dienstes an den Notleidenden stärkt und die allgemeine Achtung für die menschliche Person fördert. Die wahre Gestalt eurer Gesellschaft verlangt eurerseits eine besondere Verpflichtung zum Dialog mit den verschiedenen religiösen Gruppen, aus denen sie sich zusammensetzt. Denn damit werdet ihr den pastoralen Einsichten des Zweiten Vatikanischen Konzils gegenüber getreu handeln. Jedem Dialog und jeder Zusammenarbeit liegt das in Nostra aetate zusammengefaßte Prinzip zugrunde: „Alle Völker sind ja eine einzige Gemeinschaft, sie haben denselben Ursprung, da Gott das ganze Menschengeschlecht auf dem gesamten Erdkreis wohnen ließ; auch haben sie Gott als ein und dasselbe letzte Ziel“ (Nr. 1). <130> <130> Und als Bischöfe erreicht euer Dienstamt seinen Höhepunkt in der sakramentalen Verkündigung der Versöhnung gemäß der göttlichen Ordnung des Paschamysteriums durch Darbringung des eucharistischen 1709 AD-LIMINA-BES UCHE Opfers, das die wirksamste Quelle von Einheit und Frieden ist. In dieser von der Eucharistie symbolisierten und bewirkten Einheit findet ihr eure eigene Identität als Bischöfe der Kirche, Hirten des Volkes Gottes und Diener des Evangeliums. Das Paschamysterium wirkt durch die Eucharistie und wird in Worten der Hoffnung an die Welt weitergegeben. 6. Ehrwürdige und liebe Brüder, verkündet weiterhin inmitten aller Probleme und Schwierigkeiten die Hoffnung des Evangeliums, die nach dem Wort des hl. Paulus in „Christus Jesus, unserer Hoffnung“ (1 Tim 1,1), Mensch geworden ist. Liebe Brüder: Als Bischöfe, die untereinander verbunden sind, die mit mir und mit der Universalkirche verbunden sind, dient weiter als Beispiel für die Hoffnung eurer Berufung, indem ihr Zeugnis von ihr ablegt wie der Völkerapostel, der sagte: „Dafür arbeiten und kämpfen wir, denn wir haben unsere Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, den Retter aller Menschen, besonders der Gläubigen“ (1 Tim 4,10). Zusammen mit dieser Botschaft der Hoffnung wollt ihr, darum bitte ich euch, allen Gläubigen eurer Ortskirchen, besonders den Leidenden, meine Grüße überbringen. Mein besonderer Segen ergeht an alle, die mit euch im Dienst des Evangeliums Zusammenarbeiten. Bitte, versichert Kardinal Cooray meines treuen und herzlichen Gedenkens im Herrn. Und auf euch alle rufe ich die Freude und Kraft unseres Herrn Jesus Christus herab, während ich euch und die ganze Kirche in eurem Land dem mütterlichen Schutz derjenigen empfehle, die ihr als Unsere Liebe Frau von Lanka anerkennt und verehrt. Möge sie euch alle in der Hoffnung und in der Liebe unterstützen! Der Missionare dankbar gedenken Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Togo am 29. März Liebe Brüder im Bischofsamt! Diese nach dem persönlichen Gespräch, das ich mit jedem von euch haben konnte, an euch alle gerichteten Worte wollen nicht mehr, als euren Eifer und eure pastorale Klugheit bestätigen. Das gilt auch für die Priester, Ordensmänner und -trauen, die Laien, die in Togo mit euch 1710 AD-LIMINA-BESUCHE Zusammenarbeiten. Dank unserer Gespräche in den Tagen, wo ihr in Rom wart, ist mir euer Land vertrauter geworden. Ihr, wie auch der Präsident der Republik, hattet mich übrigens eingeladen, euch zu besuchen wie eure Nachbarländer. Ich war davon sehr berührt. Wenn ich auf diese freundliche Einladung bisher nicht antworten konnte, so hoffe ich doch, das eines Tages tun zu können. Ich muß mich etappenweise mit diesem weiten Kontinent bekannt machen. Aber seit heute bin ich euch mit meinem Herzen und meinem Gebet verbunden. 1. Das erste Gefühl, das unser Gebet inspirieren muß, ist der Dank für das Evangelisierungswerk, das bei euch in weniger als einem Jahrhundert geschehen ist. Nicht nur, daß ein großer Prozentsatz der Bevölkerung sich zum christlichen Glauben bekennt, die dort entstandene Kirche besitzt eine große Vitalität. Eins der Zeichen dafür ist die wachsende Zahl der Berufungen zum Priester- und Ordensleben. Ja, dafür müssen wir Gott danken. Wir müssen auch der wertvollen Missionare dankbar gedenken, die dort im Anfang den Glauben verbreitet, genährt und gestützt haben, die die Kirche gegründet haben und bemüht waren, die Christen des Landes auf ihre Verantwortung für die Kirche vorzubereiten. Zu diesen gehört Mgr. Joseph Strebler, der in Straßburg gestorben ist. Andere Priester, die anderswo herkamen, leisten noch eine wertvolle und notwendige Mitarbeit. Schließlich möchten wir aber auch den aktiven Beitrag der Togolesen zur Evangelisierung ihres Volkes würdigen. Der Same des Evangeliums ist auf gutes Erdreich gefallen. 2. Jetzt muß man diese Kirche im Zustand des Wachstums betrachten. Es scheint, daß der Süden des Landes eine privilegierte Stellung eingenommen hat und einnimmt, was die Zahl der Taufen, der Priester und der Ordensfrauen betrifft. Heute wird oft gesagt, die Afrikaner müßten mehr und mehr die Missionare der Afrikaner werden. Ich bin sicher, daß ihr euren Diözesanen die Notwendigkeit verständlich machen werdet, dem inneren Togo beizustehen, den Eifer derer zu wecken, die ihren Dienst in einer anderen Diözese anbieten wollen und den Gläubigen zu helfen, Hirten aus einer anderen ethnischen Gruppe zu akzeptieren. Das ist ein Zeichen der Katholizität der Kirche, daß sie sich durch Solidarität beweist, durch Austausch und Annahme, schon seit den apostolischen Zeiten und immer wieder, wie das Beispiel des hl. Irenäus zeigt. In Togo sind viele, die den überlieferten Religionen anhängen, ohne Zweifel bereit, das Evangelium anzunehmen, wenn seine Predigt von 1711 AD-LIMINA-BESUCHE einem klaren Zeugnis evangelischen Lebens begleitet ist. Wir wollen für sie beten und darum, daß die Arbeiter in dieser Ernte immer mehr werden. 3. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, in eurem Land bereiten sich viele auf das Priesteramt vor, in den Knabenseminaren, im Erwachsenenseminar von Dapango, im großen Seminar von Ouidah, in Benin und seit kurzem im großen Seminar von Lome, das nicht nur dieser Erzdiözese, sondern auch drei anderen Diözesen einen wertvollen Dienst leisten kann. Liebe Mitbrüder, tragt alle miteinander Sorge für die Ausbildung, für solide Studien der Seminaristen, für den Fortschritt ihres geistlichen Lebens, für die Weckung ihres Eifers und ihre pastorale Klugheit, für ihre selbstlose Dienstauffassung. Ich bin glücklich zu wissen, daß die einheimische Genossenschaft der „Sceurs de Notre-Dame de l’Eglise“ auch einen guten Aufschwung genommen hat. Ihr habt die Erfahrung gemacht, daß das Zeugnis der Ordensfrauen, das Gebet, das Apostolat, die Weihe an Gott, in der Selbstlosigkeit der Liebe, für die ganze Bevölkerung wichtig sind, vor allem, um den togolesischen Frauen zu helfen, ihre Sendung in der Gesellschaft zu erfüllen. 4. Was das Apostolat der Laien angeht, so haben sich einige blühende Vereinigungen bei euch entwickelt, und ihre gemeinschaftliche Orientierung ist sicher notwendig. An euch liegt es, darüber zu wachen, daß diese Vereinigungen eine gründliche Glaubensschulung ermöglichen, im Gebet, im liturgischen Empfinden und auch in den kirchlichen Diensten, die ihr Wirken bestimmen sollen. Ich denke an zwei besonders wichtige Bereiche. Der erste ist die kateche-tische Schulung der Erwachsenen, aber auch der Kinder und Jugendlichen in katholischen und den Staatsschulen. Hier hegt die Zukunft des Glaubens. Ein anderer Bereich ist die Familienpastoral. Am letzten Sonntag, beim Jubiläum der Familien, hörten wir sehr schöne Zeugnisse über die Art, die christliche Ehe in Afrika zu leben. Mit den anderen Bischofskonferenzen eurer Region, wo sich die gleichen Probleme stellen, und in Einheit mit dem Hl. Stuhl, werdet ihr weiter danach suchen, wie ihr den Christen helfen könnt, sich auf das Sakrament vorzubereiten und darauf, wie man es lebt. <131> <131> Liebe Mitbrüder, ich kann diese Hirtensorgen, die euer tägliches Brot sind, nur leicht berühren. Um sich ihnen besser stellen zu können, helft 1712 AD-LIMINA-BESUCHE euren Diözesanen, gerade in der Fastenzeit des Heiligen Jahres, sich zum Erlöser zu wenden, um die Gnade der Reinigung ihrer Gewissen zu empfangen und eine Erneuerung des Lebens nach dem Evangelium. Helft ihnen, in Brüderlichkeit zu leben! Diese Brüderlichkeit ist besonders bedeutsam und wichtig für eure Priester, ob es sich um Togolesen handelt oder solche, die hochherzig aus anderen Ländern gekommen sind, für Diözesan- und Ordenspriester. Zusammengefaßt: Aus dem kollegialen Geist der Bischöfe, aus ihrer effektiven Solidarität, aus ihrer gemeinsamen Verantwortung wird sich die brüderliche Liebe entwickeln, die als Zeichen der Christen schlechthin leuchten muß. Der Herr schenke uns sein Licht und seine Kraft! Die heilige Jungfrau lenke eure Seelen! Bringt meinen liebenden Gruß all euren christlichen Gemeinden und meinen ermutigenden Zuspruch allen, die an der Evangelisierung arbeiten. Von ganzem Herzen bei euch, segne ich euch. Evangelisierungskräfte vervielfachen Ansprache beim Ad-limina-Besuch der Bischöfe von Venezuela am 30. August Liebe Brüder im Bischofsamt! 1. Zum Abschluß meiner persönlichen Gespräche mit jedem einzelnen von euch spreche ich euch meine Freude und Dankbarkeit für die Anwesenheit bei dieser brüderlichen Begegnung aus, dem Höhepunkt des Ad-limina-Besuches der Bischöfe Venezuelas. Bei dieser Gelegenheit, die mich in Geist und Empfinden mit euch verbindet, gebe ich mir Rechenschaft von der Zuneigung und Brüderlichkeit, die zwischen dem Papst und den Bischöfen einer bestimmten Nation gegeben ist. Hier nimmt ein Geheimnis Gestalt an, das unsere Person übersteigt und uns in eine erhabene Wirklichkeit einführt. Hier wird der Geist Christi voll wirksam, der im Austausch der Gnade zwischen der Kirche von Rom und euren Teilkirchen zugleich verborgen ist und sich offenbart. In, dieser herrlichen Sicht des Glaubens, die uns persönlich erfaßt und 1713 AD-LIMINA-BES UCHE anruft, öffnen sich unsere Herzen der Hoffnung, denn von der Vereinigung in und mit Christus wissen wir, daß sie als unausschöpfliche Heilskraft unser Bemühen trägt. Dieser Ausblick voll Hoffnung und Optimismus ist die erste Haltung, zu der uns die tiefe Wahrheit dieser Begegnung aufruft. Ihr Zentrum ist die Sorge für eure kirchlichen Gemeinden in ihrer Gesamtheit und für jedes ihrer Glieder. 2. Die Kirche in Venezuela steht kurz vor der 500-Jahr-Feier ihrer Evangelisierung. Bekannte geschichtliche Schwierigkeiten haben es verhindert, daß diese Evangelisierung bisher vollständiger gelang. Die derzeitige Lage eures Landes aber, an dem die Wertkrise und die Wirtschaftskrise, die Lateinamerika getroffen haben, nicht vorübergegangen sind, stellt das Problem erneut mit besonderer Dringlichkeit. Hier kommt mir der äußerst lehrreiche Abschnitt der Bibel in den Sinn, wo Petrus dem Gelähmten an der Tempelpforte sagt: „Sieh uns an. .. Silber und Gold besitze ich nicht. Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazaräers, geh umher“ (Apg 3,4-6). Dieses „Sieh uns an“ des Petrus spricht den tiefen Hunger eures katholischen Volkes nach dem Evangelium und nach Gerechtigkeit aus. Es dürstet nach Echtheit, es möchte den Glauben, den die Kirche verkündet, im Leben ausgeprägt sehen und ihn betrachten können, zumal er so tief in der Wirklichkeit eures Landes verankert ist. Es möchte ihn frei und unabhängig aufgreifen, um Zeugnis von der eigenen Solidarität mit den Mitmenschen zu geben und zugleich dem Absoluten Gottes volle Treue wahren. Es ruft nach einer Kirche, die stets im Geist der Kontemplation und Anbetung vorgeht, die allen Eifer für ihre missionarische, karitative und den Menschen fördernde Tätigkeit aufwendet und dabei jene Wege beschreitet, nach denen mein Vorgänger Paul VI. so intensiv suchte und die uns immer noch dringend nahegelegt sind (vgl. Evangelii nuntiandi, Nr. 76). Der heutige Mensch erwartet von der Kirche das Zeichen, das Wort, das wirksame Licht. Es steht außer Zweifel, daß die Kirche der heutigen Gesellschaft viel geben kann. Die verwandelnde Kraft des Wortes Gottes darf nicht gering geschätzt werden (vgl. 1 Sam 3,1). Es führt sicher zu den großen Aufgaben der Evangelisierung in einer Zeit hin, die besonders nach dem Geist hungert, „weil sie hungert nach Gerechtigkeit und Frieden, nach Liebe und Güte, nach Starkmut und Verantwortung, nach Menschenwürde“ (Redemptor hominis, Nr. 18). Diese Aufgaben führen dann den Menschen zu seiner vollen Würde und Solidarität in Christus; sie lassen die Ethik den Vorrang vor der Technik gewinnen und die 1714 AD-LIMINA-BESUCHE Person den Vorrang vor den Dingen (vgl. Laborem exercens, Nr. 12, 13, 21, 22). 3. Wir haben es heute mit dem konkreten Menschen zu tun, wie damals Petrus. Er hofft, vielleicht ohne es in Worte zu fassen, geheilt, ergänzt, evangelisiert zu werden. Er beobachtet uns aufmerksam. Wer ist er? Wie lebt er? Was wünscht er? Mit welchen Problemen hat er es im heutigen Venezuela zu tun? Dieser Mensch ist in seinem Wesen durch den katholischen Glauben geprägt und möchte ihn besser kennenlernen. Er hätte gern eine bessere religiöse Unterweisung, das Geschenk der Sakramente und alles, was seinen geistlichen Hunger sättigen kann. Zugleich ist er Teil eines Volkes, das in letzter Zeit neue Ziele im materiellen Fortschritt erreicht hat, in dem aber dennoch breite Sektoren des Vergessens, der Ungerechtigkeit, der Vernachlässigung und der Armut bestehen. Daher habe ich selbst auf meiner letzten Reise in eurem Kontinent festgestellt: „Eine aufrichtige Analyse der Situation zeigt, daß hier schreiende Ungerechtigkeiten, Ausbeutung der einen durch die anderen, schwerer Mangel an Gleichheit in der Verteilung des Reichtums und der Güter der Kultur zugrunde liegen“ (Ansprache an die 19. ordentliche Versammlung von CELAM in Haiti am 9. März 1983, I, 3). Gerade wenn heute alle diese Entbehrungen und ihre Ursachen Gefühle der Angst, des Mißtrauens und der Frustration in der Gesellschaft verstärken, können die Botschaft Christi und die Person des Erlösers selbst, „was er getan und gelehrt hat“ (Apg 1,1), als Heil und Hoffnung wirksam werden. In einer solchen Situation kann nämlich allein Jesus Christus dem Wesen der Person einen tiefen Sinn geben, eine neue Wertskala zeigen und stark zu einem verwandelnden Wirken zugunsten der Brüder und Schwestern anregen, die nach Glauben und Gerechtigkeit suchen. 4. Die Geschichte der christlichen Evangelisierung in eurem Land hat nicht wenig Schwierigkeiten durchschritten. Es gab zahlreiche Hindernisse, die aber immer durch eigenes Bemühen und mit bescheidenen Mitteln überwunden worden sind. Heute fordert uns diese Geschichte auf, mit Realismus und Hoffnung zugleich der Evangelisierung neue Impulse zu geben. Die Nahe- und Fernstehenden, alt und jung brauchen ein klares, aufrichtiges, tief christliches Wort. Sie brauchen einen vorgelebten Christus, dem wir nachfolgen und den wir predigen. Hier liegt unser einziger Reichtum und unsere Kraft. Die Kirche muß daher unbedingt aus der Haltung der Armut und Freiheit heraus gegenüber den Mächten dieser Welt kraftvoll die Wahrheit von 1715 AD-L1M1NA-BESUCHE Jesus Christus verkünden in der festen Überzeugung von der umgestaltenden Macht der christlichen Botschaft, die in der Kraft des Geistes Gottes fähig ist, die Herzen sittlich zu verwandeln und damit den Weg zu öffnen, der zu einer Erneuerung der Strukturen führt. 5. Diese neue Evangelisierung erfordert eine Reihe koordinierter Bemühungen auf jenen Gebieten, die am dringendsten und am wichtigsten sind. An erster Stelle geht es um die Katechese. Sie muß in organischer und systematischer Form erteüt werden und dem Gläubigen die notwendigen Elemente für ein ganzheitliches christliches Leben bieten. Sie muß den wesentlichen und unerläßlichen Gehalt der Lehre einprägen, ins praktische religiöse Leben einführen und zugleich apostolischen Eifer und soziale Einsatzbereitschaft aufbauen. Nur so gewinnt der Christ die notwendige Sicherheit, am katholischen Glauben festzuhalten, auch in gegensätzlicher Umgebung, wo sich häufig Gruppen mit pseudoreligiösen Lehren breitmachen. Bei dieser Aufgabe ist zu berücksichtigen, daß die Katechese „das doppelte Ziel verfolgt, den anfänglichen Glauben reifen zu lassen und den wahren Jünger Christi durch eine vertiefte und mehr systematische Kenntnis der Person und Botschaft unseres Herrn Jesus Christus weiterzubilden. In der katechetischen Praxis jedoch muß diese ideale Ordnung der Tatsache Rechnung tragen, daß oft die erste Evangelisierung noch nicht stattgefunden hat“ (Catechesi tradendae, Nr. 19). Eine solche Lage ist in der Jugend- und Erwachsenenkatechese keineswegs die Ausnahme. <132> <132> Ein weiterer heute überaus wichtiger Aspekt ist die rechte Gewissensbildung des Christen, also der sittliche Gehalt der Katechese, die „bei ihrem Bemühen um Glaubenserziehung auch solche Realitäten nicht vergessen, sondern sie vielmehr richtig darlegen soll, wie z. B. das Handeln des Menschen für seine integrale Befreiung, die Suche nach einer mehr solidarischen und brüderlichen Gesellschaft, das Ringen um Gerechtigkeit und den Aufbau des Friedens“ (Catechesi tradendae, Nr. 29). Solches Tun muß von einer aufrichtigen Bekehrung des Herzens ausgehen. Es ist z. B. klar, daß die Würdigung und richtige Förderung der Frau nicht gebührend zur Geltung kommt, ohne daß sie selbst und der Mann, der ihre Lage oft mißbraucht, in der Tiefe den Glauben an Christus mit all den Folgen annehmen, die sich für die personalen Beziehungen ergeben und vor allem rechte Wertschätzung und gegenseitige Achtung fordern. 1716 AD-LIMINA-BESUCHE 7. Eines der besten Ziele und eine der wertvollsten Früchte der Katechese muß die Familie, die christliche Familie, ihr Wachsen und ihre Festigung sein. Die Wichtigkeit dieses Punktes bei eurem Bemühen um Evangelisierung kann ich nicht genug hervorheben. Das Ehesakrament, wie es die Kirche versteht und verkündet, ist ein hohes Ideal. Verschiedene Faktoren geschichtlicher, wirtschaftlicher, kultureller und seelischer Art behindern oder fördern es. Sie alle müssen aufmerksam studiert werden, nicht um sie in müder Passivität oder Fatalismus ohne weiteres anzunehmen, sondern vielmehr als Herausforderung zur Bewußtseinsbildung, die dann zu konkret möglichen Entscheidungen und zum überlegten Handeln führt. Daher ermutigte ich euch, die Evangelisierung der Familie ebenso takt- wie achtungsvoll, jedoch zugleich tief überzeugt in Angriff zu nehmen wie die Vorbereitung auf eine christliche Ehe und die rechte Hinführung zu verantwortlicher Elternschaft entsprechend den Weisungen des Lehramtes. Aus diesem Bemühen können sich zahlreiche Vorteile ergeben: für die Eheleute aus Venezuela und ihr christlich gestaltetes Liebesieben; für ihre Kinder; für die menschliche und sittliche Entwicklung der gesamten Gesellschaft; für die Institution Ehe selbst, der die Kirche Heiligung, Erneuerung und neue Kraft im Geist Christi anbietet; endlich - und das ist sehr wichtig - für das Wachsen guter Priester- und Ordensberufe in eurem Land, ein zentrales Problem für das Leben der Kirche in Venezuela. Ich kenne eure Sorgen und Bemühungen zur Weckung solcher Berufe und weiß, daß als Frucht einer ernsthaften Berufswerbung die Zahl der Kandidaten für das Priestertum gewachsen ist; doch genügt das noch nicht für die Bedürfnisse einer ständig wachsenden Bevölkerung. Ihr müßt den Gläubigen weiter die Notwendigkeit des Gebets zum Herrn, Arbeiter in seine Ernte zu senden, einprägen. Aus solchem Gebet erwachsen als Geschenk der Vorsehung die Berufe und die Beharrlichkeit der Priester in ihrem Dienst. Die Laienchristen und jene, die Laiendienste wahrnehmen, sind gewiß eine wertvolle Hilfe, und doch bleibt der Priester als Dienst der Vergebung, der Eucharistie und des Wortes für das Leben der Kirche, wie sie Jesus Christus, unser Herr, gegründet und gewollt hat, unersetzlich. Die Seminarien müssen weiter einen bevorzugten Platz in eurem Herzen einnehmen und Gegenstand eurer pastoralen Sorge sein. Beteiligt werden sollen dabei auch die Gläubigen, zumal die Eltern, die für diesen wertvollsten Teil der Diözesangemeinschaft mitzusorgen haben. Gebt euch daher immer noch größere Mühe, den Seminaristen eine 1717 AD-LIMINA-BESUCHE humanistische, philosophische und theologische Ausbildung zu verschaffen, die den Anforderungen der modernen Kultur sowie den Bedürfnissen eures Volkes entspricht, und wacht ständig darüber, daß die Lehre immer treu den Weisungen des Lehramtes der Kirche entspricht. 8. Liebe Brüder, die Aufgabe, die sich eurem Blick bietet, ist groß und schön, jedoch nicht leicht. Gestattet mir daher, daß ich euch am Ende dieser Überlegungen eine wertvolle Hilfe für eure Arbeit empfehle, die zugleich die Frucht eures Bemühens um Evangelisierung sein wird. Ich denke an die Menschen in der Welt, die übergroße Mehrheit des Volkes Gottes. Ihr Wirken und ihre Eingliederung in die Kirche, ihr weiser und vorausschauender Zusammenschluß in verschiedenen apostolischen Gruppen und Bewegungen wird für die kommenden Jahre entscheidend sein. Das zweite Vatikanische Konzil ermutigt uns, ihr Kirchenbewußtsein, ihre Verfügbarkeit und Fähigkeit zum apostolischen Einsatz zu nutzen - denn bis heute geschah das ja nicht in genügendem Maß - für die Evangelisierung, die Katechese und die Arbeit zugunsten eines Wandels der Gesellschaft auf christliche Werte hin. Daher wird es eine eurer wichtigsten Prioritäten sein müssen, christliche Gemeinschaften und Apostolatsbewegungen unter den Laienchristen vorzubereiten, aufzubauen und anzuregen, die Mitglieder genügend auszubilden und ihnen den Sinn für kirchliche Einheit sowie eine tiefe Spiritualität zu vermitteln. So kann die Kirche ihre Evangelisierungskräfte vervielfachen für zahlreiche Aufgabenbereiche des Lebens, die eine besondere und eigenständige Mitarbeit der Laien erfordern. <133> <133> Liebe Brüder! Ich weiß, daß ihr eine große nationale Aufgabe unternehmt, die das christliche Gewissen eurer Gläubigen wecken und festigen soll. Ich freue mich über diese glückliche Initiative. Wißt, daß ich hinter euch stehe und euer Bemühen ermutige. In meinen Gebeten zum Herrn werde ich mir diese Absicht vor Augen halten. Ich trage sie auch der Mutter von Coromoto, der Patronin eures Landes, vor. Bei diesem Gebet werde ich an jeden einzelnen von euch denken, an die Sorgen eurer Diözesanen und an das geliebte Volk von Venezuela, das meinem Herzen immer nahesteht und das ich, so Gott will, in wenigen Monaten mit pastoraler Freude besuchen werde. Übermittelt allen meine herzliche Empfehlung und meine Grüße, als deren Unterpfand ich euch, den hier Anwesenden, und allen meinen besonderen Apostolischen Segen erteile. 1718 Kongregationen Die Säkularinstitute Informatives Dokument Hl. Kongregation für Orden und Säkularinstitute 6. Januar 1984 KONGREGA TIONEN Inhalt Einführung I. Teil - Geschichtlicher Abriß 1. Vor der „Provida Mater“ (1947) 2. Von der „Provida Mater“ zum 2. Vatikanischen Konzil 3. Die Lehre des 2. Vatikanischen Konzils 4. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil A) Begegnungen der Säkularinstitute untereinander B) Papstansprachen C) Maßnahmen der Kongregation 5. Der neue Codex des Kanonischen Rechtes (1983) II. Teil - Theologische Grundlagen 1. Die Weltlichkeit der Welt 2. Neue Beziehung des Getauften zur Welt 3. Verschiedenartigkeit der Stellung zur Welt im Leben konkret 4. Die Nachfolge Christi in der Praxis der evangelischen Räte 5. Kirchlichkeit der Profeß der evangelischen Räte - Weihe 6. Die Welthaftigkeit der Säkularinstitute III. Teil - Die Rechtsnormen 1. Institute gottgeweihten Lebens 2. Originelle Berufung: Welthaftigkeit 3. Die evangelischen Räte 4. Das Apostolat 5. Das brüderliche Leben 6. Die Formation 7. Pluralität der Institute 8. Andere Normen des Codex Schlußbemerkung Anhang 1722 KONGREGA TIONEN Einführung Seit 1947 haben in der Kirche jene Gemeinschaften gottgeweihten Lebens einen Standort, die aufgrund ihrer Eigenart Säkularinstitute heißen. Die Kirche hat sie anerkannt und gutgeheißen. Sie nehmen nach ihrer eigenen Berufung teil an derer Sendung, die das allumfassende Sakrament des Heiles ist. Paul VI. hat in Anlehnung an die Konzilslehre gesagt: Die Kirche „hat eine echte welthafte Dimension; sie wohnt ihrer Natur und Sendung inne; deren Wurzel ist verborgen im Geheimnis des fleischgewordenen Wortes“ (2. Februar 1972). Innerhalb dieser Kirche, die unter den Völkern beheimatet ist und der Welt sowie in der Welt gegenwärtig ist, erscheinen die Säkularinstitute „wie verheißungsvolle Instrumente, um diesen Geist zu verkörpern und der ganzen Welt zu vermitteln“ (ebd.). In der Radikalität der Nachfolge Christi, im Leben und im Bekenntnis der evanglischen Räte „drückt die gottgeweihte Welthaftigkeit die harmonische Einheit des Aufbaus des Reiches Gottes aus und verwirklicht sie in privilegierter Weise; sie macht die ausdrückliche Ankündigung Jesu in der Evangelisation wahr und die christlichen Anforderungen der ganzheitlichen Förderung der menschlichen Werte.“ (E. Pironio, 23. August 1976). Diese gemeinsame Charakteristik - Einheit von Weihe und Welthaftigkeit - weist den Säkularinstituten in der Kirche mittels der Eigenart jedes einzelnen Institutes ihren Standort zu. Um eine hinreichende Information über sie zu bieten, werden auf den folgenden Blättern einige geschichtliche Daten, eine theologische Überlegung und die wesentlichen Elemente des Rechts vorgelegt. 1723 KONGREGA TIONEN I. Teil Geschichtlicher Abriß Die Säkularinstitute entsprechen einem Kirchenverständnis, welches das 2. Vatikanische Konzil klargestellt hat. Paul VI. sagt dies mit der ihm eigenen Zuständigkeit: „Die Säkularinstitute gehören in jenes Bild, welches das 2. Vatikanische Konzil von der Kirche gezeichnet hat: eine lebendige, sichtbare und zugleich geistliche Wirklichkeit (vgl. LG 8), die in der Geschichte lebt und sich entfaltet (vgl. ebd. 3, 5, 6, 8). In diesem Zusammenhang kann man nicht die tiefe und segenbringende Verbindung zwischen dem Charisma der Säkularinstitute und jenem Charisma übersehen, das eines der wichtigsten und klarsten Leitlinien des Konzils gewesen ist: die Präsenz der Kirche in der Welt. Die Kirche hat in der Tat die verschiedenen Aspekte ihrer Beziehung zur Welt sehr stark betont. Sie hat deutlich bekräftigt, daß sie zur Welt gehört, daß sie dazu bestimmt ist, dieser Welt zu dienen, daß sie deren Seele und Sauerteig sein soll, weil sie berufen ist, die Welt zu heiligen und zu weihen und in ihr die hohen Werte der Gerechtigkeit, der Liebe und des Friedens aufleuchten zu lassen“ (2. Februar 1972). Diese Worte bedeuten nicht nur eine Anerkennung des Programms der Säkularinstitute durch die Autorität, sondern bieten auch den Schlüssel zur Lesung ihrer Geschichte, die hier im folgenden kurz zusammengefaßt wird. 1. Vor der „Provida Mater“ (1947) Es gibt eine Vorgeschichte der Säkularinstitute, sofern in der Vergangenheit Schritte unternommen worden sind, die zu Gründungen, die den heutigen Säkularinstituten ähnlich sind, geführt haben. Eine gewisse Gutheißung solcher Verbände erteilte das Dekret Ecclesia Catholica (11. August 1889), das jedoch für sie nur eine private Weihe zuließ. Zumal im Zeitabschnitt 1920—1940 erweckte die Einwirkung des Geistes weithin in der Welt verschiedene Gruppen von Personen, die das Ideal aufgriffen: sich rückhaltlos Gott zu weihen! Doch in der Welt bleiben, um von ihr aus für die Ankunft des Reiches Christi tätig zu sein! Die kirchliche Behörde zeigte sich aufgeschlossen, als sich dieses Ideal verbreitete. Um das Jahr 1940 brachte man es auch auf Begegnungen von einigen aus diesen Gruppen deutlich zur Sprache. 1724 KONGREGA TIONEN Papst Pius XII. ließ das ganze Problem gründlich untersuchen. Als er die Apostolische Konstitution Provida Mater veröffentlichte, war sie der Abschluß eines ausgiebigen Studiums. 2. Von der „Provida Mater“ zum 2. Vatikanischen Konzil Die Dokumente, die den 1947 als Säkularinstitute bezeichneten Verbänden die Anerkennung gebracht haben, sind die drei folgenden: - Provida Mater, Apostolische Konstitution, die ein „lex particularis = Sondergesetz“ enthält, 2. Februar 1947; - Primo Feliciter, als „Motu proprio“ erschienenes Schreiben, 12. März 1948; - Cum Sanctissimus, Instruktion der Kongregation für Ordensleute, 19. März 1948. Diese Dokumente ergänzen sich gegenseitig, enthalten sowohl lehrhafte Überlegungen wie Rechtsnormen und bieten bereits klare sowie ausreichende Elemente für eine Definition der neuen Institute. Indes enthielten die Dokumente nicht wenige Verschiedenheiten, besonders aufgrund der verschiedenen apostolischen Ausrichtung. Für die einen war diese eine Präsenz in der sozialen Umwelt für ein persönliches Zeugnis und einen persönlichen Einsatz, um die irdischen Gegebenheiten auf Gott auszurichten (Institute der „Durchdringung“). Für die andern bestand das Ziel in einem ausgesprochenen Apostolat, das die Gemeinschaftlichkeit nicht ausschließt, das zudem verbunden ist mit einem ausdrücklichen kirchlichen oder fürsorglichen Einsatz (Institute der „Zusammenarbeit“). Die Unterscheidung war jedoch nicht immer eindeutig, zumal es Institute mit beiden Zielsetzungen gibt. 3. Die Lehre des 2. Vatikanischen Konzils a) Wenige Male sind in den Konzilsdokumenten die Säkularinstitute ausdrücklich genannt; der einzige Text, der sich ausdrücklich mit ihnen befaßt, ist der Artikel 11 des Dekretes Perfectae Caritatis. Dieser Text enthält, kurz gefaßt, die wesentlichen Eigenschaften, festgestellt durch die Autorität des Konzils. Er sagt nämlich folgendes: — Die Säkularinstitute sind keine Orden, Diese negative Definition verpflichtet zur Vermeidung der Verwechslung beider und betont: Die Säkularinstitute sind nicht eine moderne Form des Ordenslebens, sondern eine originelle Berufung und Lebensform. - Sie verlangen die „wahre und vollkommene Profeß der evangeli- 1725 KON GREGA TIONEN sehen Räte = veram et completam evangelicorum consiliorum professionem“. Sie sind also nicht rückführbar auf Vereine oder Bewegungen, die, als Antwort auf die Taufgnade, die evangelischen Räte im Geiste zwar leben, aber nicht in kirchlich anerkannter Form feierlich bekennen. - Durch diese Profeß bezeichnet die Kirche in den Mitgliedern der Säkularinstitute die Weihe, die von Gott kommt. Gott wollen sie sich ganz in vollkommener Liebe weihen. - Eben diese Profeß vollzieht sich in der Welt und im weltlichen Leben. Dieser Wesensbestandteil kennzeichnet zutiefst den Inhalt und bestimmt die Art und Weise der evangelischen Räte. - Darum ist die Welthaftigkeit „die eigentliche und besondere Eigenschaft“ dieser Gemeinschaften. - Schließlich und folgerichtig kann allein die Treue zu dieser Art dazu führen, daß sie das ihnen angemessene Apostolat pflegen, zu dessen Ausübung sie entstanden sind = ad quem exercendum orta sunt“. Mit anderen Worten: Das Apostolat, das sie kennzeichnet aufgrund der Zielsetzung, muß in der Welt und gleichsam aus der Welt heraus = in saeculo ac veluti ex saeculo“ erfolgen: in der Welt, im weltlichen Leben und im Ausgangspunkt aus dem Innern der Welt. (Vgl. Primo Feliciter II: Man stützt sich auf den bürgerlichen Beruf, auf die Tätigkeiten, Formen, Orte, Umstände, die den Lebensbedingungen der Weltleute entsprechen.) Besondere Beachtung im Artikel II von Perfectae Caritatis verdient die Empfehlung einer sorgfältigen Formation „im menschlichen und göttlichen Bereich = in rebus divinis et humanis“; denn diese Berufung verpflichtet tatsächlich in hohem Maß. b) In der Lehre des Konzils haben die Säkularinstitute eine vielfache Bestätigung ihrer Grundeinsicht erhalten und viele besondere programmatische Direktiven. Bestätigtv/urde die allgemeine Berufung zur Heiligkeit, die Würde und Verantwortung der Laien in der Kirche und vor allem die Tatsache, daß „den Laien der Weltcharakter in besonderer Weise eigen ist = laicis indoles saecularis propria et peculiaris est“ (LG 31; der § 2 dieses Artikels scheint nicht nur die Lehre, sondern auch einige Ausdrücke des Motu proprio Primo Feliciter zu übernehmen). Zu den besonderen programmatischen Direktiven gehört die Lehre von Gaudium et spes über die Beziehung der Kirche zur zeitgenössischen Welt sowie über die Aufgabe, in den irdischen Gegebenheiten 1726 KONGREGA TIONEN rücksichtsvoll und aufrichtig präsent und für deren Hinordnung auf Gott wirksam zu sein. c) Kurz zusammengefaßt: Die Säkularinstitute haben vom 2. Vatikanischen Konzil Stützen erhalten, sei es um ihre eigene theologische Wirklichkeit (Weihe und Welthaftigkeit), sei es ihr Vorgehen (Heiligung ihrer Mitglieder und die umformende Präsenz mitten in der Welt) zu vertiefen. Durch die Apostolische Konstitution Regimini Ecclesiae Universae (15. August 1967), in Anwendung der Konzilsbeschlüsse, ändert die Kongregation ihren Titel und heißt nun: „Kongregation für Orden und Säkularinstitute“. Das bedeutet eine weitere Anerkennung der Würde der Säkularinstitute und ihrer deutlichen Unterscheidung von den Ordensleuten. Damit sind in der Kongregation zwei Sektionen entstanden - zuvor befaßte sich mit den Säkularinstituten eine Amtsstelle („ufficio“) - mit zwei Untersekretären, mit getrennten und selbständigen Zuständigkeiten unter der Leitung eines einzigen Präfekten und eines einzigen Sekretärs. 4. Nach dem 2. Vatikanischen Konzil Die Überlegung über die Säkularinstitute hat sich bereichert durch zwei Vorgänge, die in gewissem Sinne ineinandergeflossen sind: Zum ersten handelt es sich um einen existenziellen Typ, nämlich die regelmäßigen Begegnungen der Säkularinstitute untereinander. Der zweite Beitrag ist lehrhafter Art. Wichtig sind vor allem die Ansprachen, welche die Päpste an die Säkularinstitute gerichtet haben. Die Kongregation ihrerseits hat klärend und überlegend eingegriffen. A) Begegnungen der Säkularinstitute untereinander Studientagungen wurden schon zuvor abgehalten, aber 1970 wurde der 1. internationale Kongreß veranstaltet. Fast alle kanonisch errichteten Säkularinstitute nahmen daran teil. Dieser Kongreß berief auch eine Kommission, die ein Statut für die Weltkonferenz (C.M.I.S.) der Säkularinstitute bearbeiten und vorlegen mußte. Dieses Statut wurde von der Kongregation für Orden und Säkularinstitute gutgeheißen. Von ihr wurde die Konferenz durch das dazugehörige Dekret vom 23. Mai 1974 amtlich anerkannt. Nach 1970 versammelten sich die Verantwortlichen der Säkularinstitute 1727 KONGREGA TIONEN in der Hauptversammlung von 1972 und von da ab im Abstand von je vier Jahren 1976 und 1980. Es ist schon die Hauptversammlung für 1984 vorbereitet. Diese Begegnungen haben den Vorteil, Themen zu behandeln, die für die Säkularinstitue wichtig sind. Dazu zählen die evangelischen Räte, das welthafte Gebet, die Evangelisation als Beitrag, „um die Welt von innen her zu verändern“. Die Kongresse haben vor allem auch das Verdienst, die Institute einander näherzubringen, sei es um Erfahrungen auszutauschen, sei es um offen und freimütig sich auseinanderzusetzen. Die Auseinandersetzung kommt aus etlichen Gründen sehr gelegen. - Neben Instituten mit ganz weltlichen apostolischen Zielsetzungen (sie wirken „in saeculo et ex saeculo“) gibt es andere mit Aufgaben innerhalb der Kirche (zum Beispiel Katechese). - Neben Gemeinschaften, die vorsehen, daß der apostolische Einsatz durch das persönliche Zeugnis erfolgt, gibt es andere, die gemeinsam zu vollziehende Aufgaben übernehmen. - Neben der Mehrheit von Laiengemeinschaften, welche die Welthaftig-keit als Merkmal der Laien definieren, gibt es klerikale oder gemischte Gemeinschaften, welche die Welthaftigkeit der Kirche insgesamt hervorheben. - Neben klerikalen Gemeinschaften, denen es unerläßlich ist, daß ihre Welthaftigkeit mit der Präsenz im Presbyterium der Ortskirche und dementsprechend mit der Inkardination im Bistum zusammenfallen, haben andere die Inkardination in der eigenen Gemeinschaft erlangt. Durch die folgenden Begegnungen, die auch auf nationaler Ebene und in Lateinamerika und in Asien auf kontinentaler Ebene stattfanden, ließ das gegenseitige Sich-kennen-Lernen die Institute die Verschiedenheit (den sogenannten Pluralismus) annehmen, jedoch mit der Auflage, die Grenzen eben dieser Verschiedenheit zu klären. Die Begegnungen haben also dazu beigetragen, daß die Gemeinschaften besser sich selber (als Kategorie und auch als einzelne Institute) kennen lernten, einige Unsicherheiten beseitigten und die gemeinsame Bemühung förderten. B) Papstansprachen Schon Pius XII. hatte zu einzelnen Säkularinstituten gesprochen und in Ansprachen das Leben der Vollkommenheit behandelt. Aber als die Säkularinstitute ihre Weltkongresse abhielten, hörten alle jedesmal das 1728 KONGREGA TIONEN Wort des Papstes, Pauls VI. 1970, 1972 und 1976, Johannes Pauls II. 1980. Diesen Ansprachen schließen sich die Reden Pauls VI. zum 25. und 30. Jahresgedächtnis der Provida Mater (2. Februar 1972 und 1977) an. Es sind lehrreiche Ansprachen, welche die Identität der Säkularinstitute besser zu definieren helfen. Aus den vielfältigen Lehraussagen genüge der Hinweis auf die folgenden. a) Es besteht Übereinstimmung zwischen dem Charisma der Säkularinstitute und der konziliaren Leitlinie der Präsenz der Kirche in der Welt. Sie sollen „ganz besondere und beispielhafte Zeugen für die Stellung und den Auftrag der Kirche in der Welt sein“ (Paul VI, 2. Februar 1972). Das erfordert eine starke Ausrichtung hin zur Heiligkeit und eine Präsenz in der Welt, welche die Naturordnung ernst nimmt, um an ihrer Vervollkommung und Heiligung arbeiten zu können. b) Das gottgeweihte Leben und konkret das Leben nach den evangelischen Räten muß ein Zeugnis über das Jenseits sein. Jedoch, sofern sie Angebot und Vorbildlichkeit für alle werden, „erhalten die evangelischen Räte einen neuen Sinn besonderer Aktualität in der heutigen Zeit“ (Paul VI., 2. Februar 1972). Deren Kraft fließt „den menschlichen und zeitlichen Werten“ zu (derselbe, 20. September 1972). c) Daraus folgt, daß die Welthaftigkeit, welche die Einordnung dieser Gemeinschaften in die Welt bedeutet, „nicht nur eine soziologische Bedingung, eine äußere Tatsache darstellt, sondern vielmehr eine Haltung“ (Paul VI., 2. Februar 1972), eine Gewissensentscheidung: „Eure existenzielle und soziologische Lebenslage wird eure theologische Wirklichkeit, um das Heil zu verwirklichen und zu bezeugen“ (derselbe, 20. September 1972). d) Gleichzeitig muß die Weihe in den Säkularinstituten so echt sein, daß das Wort wahr wird: „Im Innersten eurer Herzen wird die Welt Gott geweiht“ (Paul VI., 2. Februar 1972). Sie muß es möglich machen, „die menschlichen Gegebenheiten ausdrücklich nach den Seligpreisungen des Evangeliums auszurichten“ (derselbe, 20. September 1972). Sie „muß das ganze Leben und jede Tätigkeit des Alltags prägen“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Es ist also kein leichter Weg: „Es ist das schwierige Schreiten der Bergsteiger des Geistes“ (Paul VI., 26. September 1970). e) Die Säkularinstitute gehören der Kirche an „unter dem besonderen Titel von gottgeweihten Weltleuten“ (Paul VI., 26. September 1970). „Die Kirche braucht ihr Zeugnis“ (derselbe, 2. Februar 1972) und „erwartet viel“ von ihnen (Johannes Paul II., 28. August 1980). 1729 KONGREGA TIONEN „Immer und vor allem“ sollen sie „die kirchliche Gemeinschaft pflegen, vermehren und lieben“ (Paul VI., 20. September 1972). f) Die Sendung und besondere Berufung der Säkularinstitute lautet: „die Welt von innen her verändern!“ (Johannes Paul II., 28. August 1980), indem sie deren lebendigmachenden Sauerteig werden. C) Maßnahmen der Kongregation In diesem Zeitabschnitt hat sich auch die Kongregation gegenüber der Gesamtheit der Säkularinstitute mit ihren Maßnahmen bemerkbar gemacht. Die Kardinalpräfekten Antoniutti und Pironio haben bei verschiedenen Anlässen an die Institute Reden und Botschaften gerichtet. Die Kongregation hat ihnen Beiträge zum Nachdenken übermittelt. Im besonderen sind es die vier folgenden: a) Überlegungen über die Säkularinstitute (1976) Es handelt sich um einen Studienbeitrag, der von einer von Paul VI. 1970 ernannten Sonderkommission erarbeitet worden ist. Man kann ihn als ein „Arbeitsdokument“ bezeichnen, sofern es viele klärende Elemente bietet, aber nicht beabsichtigt, das letzte Wort zu sagen. Es zerfällt in zwei Teile. Der erste, mehr synthetische Teil, enthält einige grundsätzliche theologische Aussagen, die den Wert der gottgeweihten Welthaftigkeit verstehen lassen. Der zweite und ausführlichere Teil beschreibt die Säkularinstitute aufgrund ihrer Erfahrung und berührt auch juridische Aspekte. b) Die Verheirateten und die Säkularinstitute (1976) Den Säkularinstituten wird eine Überlegung zugestellt, die im engeren Kreis der Kongregation erfolgt ist. Es wird bestätigt, daß der evangelische Rat der Keuschheit in der Ehelosigkeit ein wesentliches Element des gottgeweihten Lebens in einem Säkularinstitut ist. Es wird die Möglichkeit der Mitgliedschaft von Verheirateten als Mitglieder im weiteren Sinne dargestellt und gewünscht, daß derartige Vereinigungen entstehen. c) Die Formation in den Säkularinstituten (1980) Dieses Dokument wurde verfaßt, um im Hinblick auf die schwerwiegende Verpflichtung zur Formation der Mitglieder der Säkularinstitute eine Hilfe anzubieten. Es enthält grundsätzliche Weisungen, rät aber auch zur konkreten aus der Erfahrung erwachsenen Anwendung. d) Die Säkularinstitute und die evangelischen Räte (1981) In diesem Rundschreiben ruft das kirchliche Lehramt die Wesens- 1730 KONGREGA TIONEN grundlage der drei evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams in Erinnerung. Überdies verweist es auf die Notwendigkeit der Bestimmung der in ihnen übernommenen Bindung, auf ihren Inhalt und auf die Art und Weise der Durchführung, damit sie mit der Säkularität in Einklang stehen. 5. Der neue Codex des kanonischen Rechtes (1983) Ein neuer Zeitabschnitt hat mit der Veröffentlichung des neuen Codex des kanonischen Rechtes begonnen. Es enthält auch für die Säkularinstitute eine systematische und zeitgemäße Gesetzgebung. Sie steht im 2. Buch in der Sektion über die Institute des gottgeweihten Lebens. Die hauptsächlichen Elemente der juridischen Vorschriften des Codex werden anschließend beschrieben. Die Beschreibung erfolgt nach dem Hinweis auf die theologischen Fundamente, die nach und nach in der kurzen Geschichte der Säkularinstitute aufgezeigt oder verdeutlicht worden sind. II. Teil Theologische Grundlagen Die päpstlichen Dokumente Provida Mater und Primo Feliciter enthalten schon beachtliche Aussagen über die Theologie der Säkularinstitute: Durch die konziliare Wegweisung und die Lehre der Päpste sind diese erweitert und vertieft worden. Verschiedene Studienbeiträge lieferten auch die Fachleute. Trotzdem darf man sagen, daß die theologische Forschung noch nicht abgeschlossen ist. Somit werden hier grundlegende Aspekte dieser Theologie in gedrängter Form geboten. Im wesentlichen wird eine Studie wiedergegeben, die von einer Sonderkommission erarbeitet und mit Zustimmung Pauls VI. 1976 veröffentlicht worden ist. 1. Die Weltlichkeit der Welt Gott hat aus Liebe die Welt erschaffen mit dem Menschen als Mittelpunkt und Gipfel, und über die erschaffene Wirklichkeiten sprach er sein Ürteil: 1731 KON GREGA TIONEN „valde bona = sehr gut“ (Gen 1, 31). Dem Menschen, der im Worte und nach dem Bild und Gleichnis Gottes erschaffen und berufen worden ist, in Christus in inniger Lebensgemeinschaft mit Gott zu leben, ist die Aufgabe anvertraut, durch Weisheit und Tat alle Realitäten zur Erreichung dieses seines letzten Zieles auszurichten. Das Geschick der Welt ist demnach an das Geschick des Menschen gebunden; daher bezeichnet das Wort „Welt“ die „menschliche Familie mit der Universalität der Dinge, innerhalb derer sie wirkt“ (GS 2). Infolgedessen ist die Welt miteinbezogen in den Sündenfall des Menschen und der „Hinfälligkeit unterworfen“ (Röm 8, 20); sie ist aber auch einbezogen in ihre Erlösung durch Christus, den Erretter des Menschen, der von ihm durch die Gnade zum Gotteskind erhoben und - soweit seines Leidens und seiner Auferstehung teilhaftig - neu befähigt worden ist, in der Welt nach dem Ratschlüsse Gottes zu leben und zu wirken zum Lob seiner Herrlichkeit (vgl. Eph 1, 6; 1, 12-14). Im Licht der Offenbarung erscheint die Welt als „saeculum“. Das „saeculum“ ist die gegenwärtige Welt, die sich aus dem Ursündenfall des Menschen ergibt. „Diese Welt“ (1 Kor 7,31) ist dem Reich der Sünde und des Todes unterworfen und nimmt ein Ende („consummatio saeculi“). Sie steht der neuen Ära = aion gegenüber, dem ewigen Leben, das durch den Tod und die Auferstehung Christi eingeleitet worden ist. Diese Welt bewahrt ihre Güte, Wahrheit und wesentliche Ordnung, die ihr aus ihrer Geschöpflichkeit erwachsen (vgl. GS 36); jedoch ist sie von der Sünde befallen und kann sich nicht aus sich erretten, ist aber zu der von Christus gewirkten Erlösung berufen (vgl. GS 2, 13, 37, 39). Diese erfüllt sich in der Teilnahme der Menschen am Ostergeheimnis, sofern sie im Glauben und in der Taufe wiedergeboren und in die Kirche eingegliedert sind. Diese Erlösung vollzieht sich in der Menschheitsgeschichte, durchdringt diese mit ihrem Licht und ihrer Kraft; sie weitet ihr Wirken auf alle Werte der Schöpfung aus, um sie zu scheiden und der Zwiespältigkeit zu entziehen, die ihnen nach der Sünde anhaftet (vgl. GS 4), um sie im Hinblick auf die Freiheit der Kinder Gottes (vgl. Röm 8,21) wiederaufzunehmen. 2. Neue Beziehung des Getauften zur Welt Die Kirche als Gesellschaft der in Christus zum ewigen Leben wiedergeborenen Menschen ist demnach das Sakrament der Welterneuerung, die endgültig durch die Macht des Herrn in der Auflösung des „saeculum“ vollzogen wird. Das geschieht durch die Vernichtung jeder Macht des 1732 KON GREGA TIONEN Dämons, der Sünde und des Todes und durch die Unterwerfung aller Dinge unter ihn und den Vater (vgl. 1 Kor 15, 20-28). In der Kirche sind durch Christus die vom Heüigen Geist gezeichneten und beseelten Menschen zu einem „königlichen Priestertum“ bestellt (1 Petr 2,9), in dem sie sich selber, ihre Tätigkeit und ihre Welt zur Ehre des Vaters darbringen (vgl. LG 34). Aus der Taufe ergibt sich somit ein neues Verhältnis zur Welt für jeden Christen. Auch er übernimmt zusammen mit allen Menschen guten Willens die Verpflichtung zum Aufbau der Welt und zur Förderung des menschlichen Wohlergehens, indem er gemäß der rechten Selbständigkeit der irdischen Wirklichkeiten wirkt (vgl. GS 34 und 36). Das neue Verhältnis zur Welt entzieht tatsächlich der Naturordnung nichts. Auch wenn es einen Bruch mit der Welt bedeutet, sofern sie dem Gnadenleben und der Erwartung des Reiches Gottes zuwider ist, bedeutet sie gleichzeitig den Willen, in der Liebe Christi für das Heil der Welt zu wirken. Das heißt: neben der Hinführung der Menschen zu einem Leben des Glaubens Mitverantwortung zur Neuordnung der zeitlichen Wirklichkeiten nach dem Plan Gottes, damit sie dem Wachstum des Menschen in der Gnade für das ewige Leben dienen (vgl. AA 7). Die Getauften tragen in Christus zur Erlösung bei, indem sie diese neue Beziehung zur Welt in ihrem Leben zum Ausruck bringen. Die Welthaf-tigkeit eines Getauften, gesehen als Dasein in dieser Welt und Teilnahme an vielseitiger weltlicher Tätigkeit, kann man darum allein - wie immer die konkrete Form aussehe - im Zusammenhang mit dieser Wesensbeziehung verstehen. 3. Verschiedenartigkeit der Stellung zur Welt im Leben konkret Alle leben diesen Wesensbezug zur Welt und sollen nach der Heiligkeit streben, die Teilhabe am göttlichen Leben in der Liebe ist (vgl. LG 40). Doch Gott teilt jedem seine Gaben zu „nach dem Maß der Schenkung Christi“ (Eph 4,7). Gott ist nämlich souverän frei in der Verteilung seiner Gaben. Der Geist Gottes verteilt sie in seiner freien Initiative „an jeden, wie er will“ (1 Kor 12,11). Dabei blickt er auf das Wohl der einzelnen Person, aber auch gleichzeitig auf das gemeinsame Wohl der ganzen Kirche und der ganzen Menschheit. Gerade aufgrund eines solchen Reichtums der Gaben bekundet sich die grundlegende Einheit des mystischen Leibes, der die Kirche ist, in der 1733 KON GREGA TIONEN zusätzlichen Verschiedenheit ihrer Glieder, die unter der Einwirkung des Geistes Christi für den Aufbau seines Leibes leben und wirken. Die universale Berufung zur Heiligkeit in der Kirche wird nämlich gemäß den vielfältigen besonderen Berufungen in den je verschiedenen Lebensweisen und Diensten gepflegt (vgl LG 41). Diese verschiedenen Berufungen bedenkt der Herr mit jenen Gaben, die den Menschen zum Nachvollzug befähigen. Die Berufungen ihrerseits lösen in der Begegnung mit der freien Antwort der Personen verschiedene Arten der Verwirklichung aus. Dann ergeben sich verschiedene Weisen, in denen die Christen eine der Taufe gemäße Stellung zur Welt einnehmen. 4. Die Nachfolge Christi in der Praxis der evangelischen Räte Die Nachfolge Christi bedeutet für jeden Christen eine restlose Vorentscheidung für ihn, die notfalls bis zum Martyrium führt (vgl. LG 42). Christus lädt jedoch einige seiner Gläubigen ein, ihm bedingungslos zu folgen, um sich ihm und dem Kommen des Himmelreiches ganz und gar hinzugeben. Es ist eine Berufung zu einem unwiderruflichen Entschluß. Dieser beinhaltet die Ganzhingabe seiner selbst an die Person Christi, um dessen Leben, Sendung und Geschick zu teilen, und - als Voraussetzung dazu - die Selbstverleugnung, der Verzicht auf die Ehe und die zeitlichen Güter. Dieser Verzicht ist den Berufenen lebensmäßig eine Bedingung, um ohne Hindernisse zur absoluten Liebe, die ihnen in Christus begegnet, zu gelangen. Sie gestattet ihnen, inniger in die Bewegung dieser Liebe zur Schöpfung einzudringen: „Gott hat so sehr die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn hingegeben hat“ (Joh 3,16), damit durch ihn die Welt erlöst werde. Aufgrund ihrer Ganzheit und Endgültigkeit - was den Erfordernissen der Liebe entspricht - erhält eine solche Entscheidung das Merkmal eines Gelübdes unbeschränkter Treue zu Christus. Sie setzt naturgemäß das Taufversprechen des Christgläubigen voraus; doch hebt sie sich von ihm ab und vervollkommnet es. Aufgrund seines Inhalts radikalisiert dieser Entschluß das Verhältnis des Getauften zur Welt, sofern der Verzicht auf die herkömmliche „Nutzung“ dieser Welt deren relativen und provisorischen Wert bestätigt und das Kommen des eschatologischen Reiches ankündigt. In der Kirche äußert sich diese Hingabe in der Befolgung der evangelischen Räte (gottgeweihte Keuschheit, Armut, Gehorsam) in ihren verschiedenen konkreten, spontanen oder institutionalisierten Formen. Die Verschiedenartigkeit dieser Formen ist zurückzuführen auf die verschie- 1734 KONGREGA TIONEN dene Art und Weise, mit Christus für das Heil der Welt zu wirken. Diese kann von der tatsächlichen Trennung von der Welt, wie sie gewissen Formen des Ordenslebens eigen ist, bis zu jener Form reichen, welche die typische Präsenz der Mitglieder der Säkularinstitute ist. Die Anwesenheit der letzteren mitten in der Welt bedeutet eine besondere Berufung zu einer heilbringenden Präsenz, die zum Ausdruck kommt im Zeugnis für Christus und in einer Tätigkeit, die auf die Neuordnung der zeitlichen Dinge nach dem Ratschluß Gottes abzielen. Im Zusammenhang mit diesem Wirken kommt der Befolgung der evangelischen Räte die besondere Sinngebung einer Befreiung von den Hindernissen (Stolz, Habsucht) zu, die den Menschen daran hindern, die von Gott gewollte Ordnung zu erkennen und zu verwirklichen. 5. Kirchlichkeit der Profeß der evangelischen Räte — Weihe Jeder Ruf zur Nachfolge Christi ist ein Ruf zur Lebensgemeinschaft in ihm und in der Kirche. Die Befolgung und das Bekenntnis der evangelischen Räte in der Kirche erfolgt daher nicht nur in individueller Weise, sondern vollzieht sich in Gemeinschaften, die vom Heiligen Geist durch das Charisma der Gründer ins Leben getreten sind. Diese Gemeinschaften sind zutiefst an das vom Heiligen Geist beseelte Leben der Kirche gebunden und sind somit der Unterscheidung und dem Urteil der Hierarchie unterstellt, die ihr Charisma überprüft, die sie annimmt, approbiert und sie unter Anerkennung ihrer Sendung zur Mitwirkung am Aufbau des Reiches Gottes aussendet. Die völlige und endgültige Hingabe an Christus, vollzogen von den Mitgliedern dieser Institute, wird also im Namen der Christus vertretenden Kirche und in der von dieser gutgeheißenen Form, von den in ihnen bestellten Vorgesetzten derart entgegengenommen, daß eine heilige Bindung entsteht (vgl. LG 44). Indem nämlich die Kirche die Hingabe einer Person annimmt, zeichnet sie diese im Namen Gottes mit einer besonderen Weihe aus, so daß sie ausschließlich Christus und seinem Heilswerk angehört. Die Taufe enthält die sakramentale und grundlegende Weihe des Menschen. Doch diese kann man mehr oder minder „tief und innig“ leben. Die feste Entschlossenheit, dem besonderen Rufe Christi zu entsprechen, vollzieht sich, wenn die freie Eigenexistenz ganz hingegeben und auf alles verzichtet wird. Darin besteht diese neue Weihe (vgl LG 44), die, „verwurzelt in der Taufweihe, diese noch voller zum Ausdruck bringt“ (PC 5). 1735 KONGREGA TIONEN Sie ist das Werk Gottes, der die Person ruft, durch den Dienst der Kirche an sich bindet und durch besondere Gnadenhilfe befähigt, treu zu sein. Die Weihe der Mitglieder der Säkularinstitute hat nicht den Charakter einer äußerlich sichtbar gemachten Absonderung. Sie hat jedoch den wesentlichen Charakter einer Gesamtverpflichtung für Christus innerhalb einer bestimmten ekklesialen Gemeinschaft, mit der das Mitglied eine gegenseitige und dauerhafte Bindung eingeht und an deren Charisma es teilhat. Daraus ergibt sich eine besondere Folgerung bezüglich der Gehorsamsauffassung in den Säkularinstituten: Sie betrifft nicht nur das persönliche oder gemeinsame Streben nach dem Willen Gottes in der Übernahme der dem weltlichen Leben eigenen Verpflichtungen, sondern auch die freie Annahme der Vermittlung der Kirche und der Gemeinschaft durch die eigenen Verantwortlichen im Rahmen der grundlegenden Satzungen der einzelnen Institute. 6. Die Welthaftigkeit der Säkularinstitute Die „Nachfolge Christi“ in der Befolgung der evangelischen Räte hat bewirkt, daß sich in der Kirche ein Lebensstand herausgebildet hat, der gekennzeichnet ist durch ein gewisses „Verlassen der Welt“. Das geschieht im Ordensleben. Als Ordensstand bedeutet er eine Andersartigkeit gegenüber den Gläubigen, die in den weltlichen Bedingungen und Tätigkeiten verbleiben und daher Weltleute heißen. So kam es, daß die Kirche auf der Suche nach einem Namen für die neuen Gemeinschaften, in denen die evangelischen Räte zwar vollkommen gelobt werden, aber von Gläubigen, die in der Welt bleiben und sich in ihrer Tätigkeit für ein Wirken von innen her („in saeculo ac veluti ex saeculo“) zum Heil der Welt einsetzen, sie kurzerhand Säkularinstitute genannt hat. Das Eigenschaftswort säkular, weltlich, welthaft, das diesen Instituten gegeben worden ist, enthält eine Aussage, die man als „negativ“ empfinden könnte: Sie sind keine Ordensleute (vgl PC 11); noch darf man auf sie die den Ordensleuten eigene Gesetzgebung oder Prozedur anwenden. Jedoch ist die Aussage, die wirklich Gewicht hat und sie in ihrer spezifischen Berufung definiert, „positiv“: Welthaftigkeit weist sowohl auf eine soziologische Bedingung hin - mitten in der Welt bleiben - wie auf die Haltung apostolischen Einsatzes, ist gepaart mit dem Wachsein für die Werte der irdischen Gegebenheiten und geht von ihnen aus in der Absicht, sie mit dem Geist des Evangeliums zu durchdringen. Dieser Einsatz erfolgt von seiten der Laien und Priester in verschiedener 1736 KON GREGA TIONEN Weise. „Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“ (LG 31). Genau das ist deren besondere Aufgabe und charakterisiert deren Evangelisation und Glaubenszeugnis in Wort und Werk. Die Priester hingegen - abgesehen von Sonderfällen (vgl. LG 31, PO 8) - nehmen diese Verantwortlichkeit gegenüber der Welt nicht in einer direkten und unmittelbaren Wirksamkeit im zeitlichen Bereich auf sich, wohl aber kraft ihres priesterlichen Amtes und ihrer Rolle als Erzieher zum Glauben (vgl. PO 6). Dies ist das erlesenste Mittel, um dazu beizutragen, daß sich die Welt ständig vervollkommne gemäß der Ordnung und der Sinngebung der Schöpfung (vgl. Paul VI., 2. Februar 1972), und um den Laien „sittliche und geistliche Elilfen zu gewähren, damit die zeitliche Ordnung auf Christus ausgerichtet werde“ (AA 7). Wenn man nun aufgrund der Weihe die Säkularinstitute zu den Gemeinschaften gottgeweihten Lebens rechnet, ist es die Besonderheit der Welt-haftigkeit, die sie von jeder anderen Gemeinschaftsform unterscheidet. Dadurch, daß Weihe und weltlicher Einsatz in ein und derselben Berufung zusammenfallen, empfangen beide ihre Eigenart. Das volle Bekenntnis der evangelischen Räte bewirkt, daß die innige Verbindung mit Christus das Apostolat in der Welt besonders fruchtbar macht. Der Einsatz mitten in der Welt verleiht dem Bekenntnis zu den Räten eine besondere Daseinsweise und treibt zu einer immer stärkeren evangelischen Authentizität an. III. Teil Die Rechtsnormen Die Rechtsnormen für die Säkularinstitute schufen die Apostolische Konstitution Provida Mater, das Motu proprio Primo Feliciter und die Instruktion der Ordenskongregation Cum Sanctissimus. Die Ordenskongregation war autorisiert, neue Normen für die Säkularinstitute zu erlassen, „je nachdem die Notwendigkeit es verlangte oder die Erfahrung es nahelegte“ (PM II, § 2-2°). Während der neue Codex des kanonischen Rechts die bisherigen Normen außer Kraft setzt, greift er auf sie zurück und paßt sie der neuen Zeit an. Er legt eine systematische und in sich abgeschlossene Gesetzgebung vor. 1737 KONGREGA TIONEN Er ist die Frucht der Erfahrung dieser Jahre und der Lehre des 2. Vatikanischen Konzils. Diese im Codex enthaltenen Rechtsnormen werden hier in ihren Wesenselementen dargestellt. 1. Institute gottgeweihten Lebens (Buch II, Teil III, Sektion II) Die Ansiedelung der Säkularinstitute im Codex ist in sich lehrreich und bedeutsam. Sie zeigt, daß sie sich zwei Aussagen des Konzils (PC 11) zu eigen macht, die schon in den vorausgehenden Dokumenten enthalten sind. a) Die Säkularinstitute sind wirklich und vollgültig Gemeinschaften gottgeweihten Lebens. Der Codex behandelt sie in der Sektion De institu-tis vitae consecratae. b) Sie sind jedoch keine Orden. Der Codex bringt die zwei Typen von Instituten unter zwei verschiedenen Titeln: II - De institutis religiosis, III — De institutis saecularibus. Daraus folgt, daß man nicht mehr die leider noch häufige Gleichsetzung von „gottgeweihtem Leben“ mit „Ordensleben“ machen darf. Der Titel I - Normae Communes bietet in den Canones 573-578 eine Beschreibung des gottgeweihten Lebens. Doch diese genügt einerseits nicht, um das Ordensleben zu bestimmen; denn dazu bedarf es anderer Elemente (vgl. can. 607). Andererseits ist sie weiter; denn die Vortrefflichkeit der Weihe, die mit der Nachfolge Christi und in der ekklesialen Dimension die Ganzhingabe an Gott besiegelt, trifft auch für die Säkularinstitute zu. Desgleichen ist die Definition der drei evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams (vgl. can. 599-601) ganz und gar auf die Säkularinstitute anwendbar, auch wenn die konkrete Anwendung ihrer Eigenart angemessen sein muß. Die andern im Titel I behandelten Punkte betreffen hauptsächlich die Aspekte der Prozedur. Neben anderem ist bemerkenswert, daß die bischöfliche Anerkennung auch eines Säkularinstitutes den Eingriff des Apostolischen Stuhles voraussetzt (can. 579, vgl. can. 583-584). Dieses Verfahren ist vorgeschrieben, weil das Säkularinstitut nicht einen Übergang zu andern kanonischen Formen darstellt; zum Beispiel konnten die religiösen Vereine oder Verbände des früheren Codex Formen des Durchgangs sein. Hingegen ist das Säkularinstitut im Vollsinn des Wortes ein Institut des gottgeweihten Lebens. Als solches darf man es nur dann errichten, wenn es alle nötigen Merkmale besitzt und schon hinreichende 1738 KONGREGA TIONEN Gewähr für die geistliche und apostolische Festigkeit bietet und auch zahlenmäßig gut entwickelt ist. So ergibt sich die prinzipielle Feststellung: Auch die Säkularinstitute führen ein ausgesprochenes Leben der Gottgeweihtheit. Daß ihnen ein eigener Titel mit einem Eigenrecht gewidmet ist, verdeutlicht, wie sehr sie sich von jeder anderen Art von Instituten unterscheiden. 2. Originelle Berufung: Welthaftigkeit (can. 710-711) Die Berufung in einem Säkularinstitut verlangt, daß man nach der Heiligung oder der Vollkommenheit der Liebe strebe, indem man die Forderungen des Evangeliums „mitten in der Welt“ (can. 710) und „unter den gewöhnlichen Lebensbedingungen“ (can. 714) erfüllt. Die Verpflichtung und der Einsatz zur Mitwirkung an der Rettung der Welt erfolge „vornehmlich von innen“ (can. 710) und „nach Art des Sauerteigs“ und für die Laien nicht nur „in der Welt“, sondern auch „aus der Welt heraus“ (can. 713, §§ 1-2). Diese wiederholten Klarstellungen über die spezifische Art der Lebensweise in der Radikalität des Evangeliums belegen, daß das gottgeweihte Leben in diesen Gemeinschaften im eigentlichen Sinne mitbestimmt wird durch die Welthaftigkeit. Darum stellen deren mitgestaltende Wesenheit und die Unzertrennlichkeit von Welthaftigkeit und Weihe eine Berufung dar, die eine originelle und typische Form der Nachfolge Christi ist. „Eure Art ist eine neue und originelle Form der Weihe, die vom Heiligen Geist eingegeben worden ist“ (Paul VI., 20. September 1972). „Keine der beiden Aspekte eurer Spiritualität darf zum Nachteil der andern überbewertet werden. Beide sind gleichermaßen wesentlich ... Ihr seid wirklich gottgeweiht und wirklich in der Welt“ (ebd.). „Euer weltlicher Stand sei gottgeweiht“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Aufgrund dieser Originalität spricht der Canon 711 eine Tatsache großer rechtlicher Bedeutung aus: Abgesehen von den Forderungen des gottgeweihten Lebens sind die Laien-Mitglieder der Säkularinstitute Laien mit allen diesbezüglichen Folgen. Daher werden auf sie die Canones 224-231 bezüglich der Rechte und Pflichten der Laien angewandt. Ihrerseits sind die Priester-Mitglieder der Säkularinstitute an die Normen des allgemeinen Rechts für Weltpriester gebunden. Daraus ergibt sich auch die Forderung der formellen Nicht-Unterschie- 1739 KONGREGA TIONEN denheit von den andern Gläubigen. Aus diesem Grund verlangen einige Institute von ihren Mitgliedern eine gewisse Zurückhaltung bezüglich der Mitteilung ihrer Mitgliedschaft. „Ihr bleibt Laien und seid den spezifisch weltlichen und dem Laienstand eigenen Werten verpflichtet“ (Paul VI., 20. September 1972). „Eure Lage ändert sich nicht: Ihr seid und bleibt Laien“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). „Der Priester, der sich den Säkularinstituten anschließt, bleibt gerade als Weltpriester dem Bischof in engster Einheit des Gehorsams und der Zusammenarbeit verbunden“ (Paul VI., 2. Februar 1972). In verschiedenen Canones bekräftigt der Codex, daß diese Welthaftigkeit als Lebensbedingung („in saeculo“) zu verstehen ist. Jedoch muß man sie auch in ihrem theologischen und dynamischen Aspekt und in dem von Evangelii nuntiandi genannten Sinn sehen. Es geht nämlich um die „Verwirklichung aller christlichen, vom Evangelium her gegebenen Möglichkeiten, die zwar verborgen, aber dennoch in den Dingen der Welt schon vorhanden sind und aktiv sich auswirken“ (70). Paul VI. hat am 25. August 1976 ausdrücklich erklärt, die Säkularinstitute sollen diesen Abschnitt aus Evangelii nuntiandi auch als ihnen zugesprochen vernehmen. 3. Die evangelischen Räte (can. 712) Zur Anerkennung eines Institutes gottgeweihten Lebens verlangt die Kirche die freie und ausdrückliche Verpflichtung auf dem Weg der drei evangelischen Räte der Keuschheit, der Armut und des Gehorsams. Es ist dies „eine göttliche Gabe, welche die Kirche vom Herrn empfangen hat“ (can 575, § 1). Ferner beansprucht sie, zuständig zu sein für die Auslegung und Normengebung (vgl. can. 576). Die Canones 599-601 beschreiben zwar den Inhalt der drei evangelischen Räte; doch verweisen sie auf das Eigenrecht der einzelnen Institute für die entsprechende Anwendung der Armut und des Gehorsams; bezüglich der Keuschheit bestehen sie auf die Verpflichtung zur vollkommenen Enthaltsamkeit in der Ehelosigkeit. Dies bekräftigt Canon 721, § 1, 3, indem er sagt: Die Zulassung eines „Verheirateten während der Ehe“ ist ungültig. Den Satzungen der einzelnen Institute obliegt die Definition der Verpflichtungen, die sich aus den evangelischen Räten ergeben. Sie seien so angelegt, daß im Lebensstil („in vitae ratione“) der Personen die Fähigkeit zum Zeugnis gemäß der weltlichen Art verbürgt ist. 1740 KONGREGA TIONEN „Die evangelischen Räte, die auch andern Formen des gottgeweihten Lebens eigen sind, gewinnen eine neue, zum gegenwärtigen Zeitpunkt besonders aktuelle Bedeutung“ (Paul VI., 2. Februar 1972). Die Satzungen müssen definieren, mit welchem heiligen Banddiz evangelischen Räte übernommen werden. Der Codex bestimmt nicht, welche Bindungen als heilig zu betrachten sind. Jedoch im Licht des Sondergesetzes der Apostolischen Konstitution Provida Mater (Art. III, 2) sind es: das Gelübde, der Eid oder die Weihe für die Keuschheit in der Ehelosigkeit, das Gelübde oder das Versprechen für den Gehorsam und die Armut. 4. Das Apostolat (can. 713) Aufgrund der Taufe sind alle Gläubigen berufen, an der kirchlichen Sendung teilzuhaben, um zu bezeugen und zu verkünden, daß „Gott in seinem Sohn die Welt geliebt hat“, daß der Schöpfer Vater ist, daß alle Menschen Brüder sind (vgl. EN 26) sowie im Hinblick auf den Aufbau des Reiches Christi und Gottes in vielfacher Weise wirksam zu werden. Die Säkularinstitute haben innerhalb dieser Mission eine besondere Aufgabe. Die ihnen anvertraute apostolische Tätigkeit bestimmt der Codex in den drei Paragraphen des Canon 713. Der erste Paragraph befaßt sich mit allen Mitgliedern der Säkularinstitute und unterstreicht die Beziehung zwischen Weihe und Sendung. Die Weihe ist ein Gottesgeschenk, das die Teilnahme an der heilbringenden Sendung der Kirche zum Ziel hat (vgl. can. 574, § 2). Wer berufen ist, ist auch Gesandter. „Die besondere Weihe muß euer ganzes Leben und euer Tagewerk durchdringen“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Ferner ist ausgesagt, daß die apostolische Tätigkeit „etwas Dynamisches“ ist, ausgerichtet auf die hochherzige Verwirklichung des Erlösungsplanes des Vaters. Es ist eine evangelische Präsenz in der Umwelt des Gottgeweihten. Es bedeutet eine solche Verwirklichung der radikalen Forderungen des Evangeliums, daß das Leben Sauerteig wird. Die Mitglieder der Säkularinstitute sind berufen, diesen Sauerteig in die Geschicke der menschlichen Wechselfälle, in die Arbeit, in das Berufs- und Familienleben, in die Solidarität mit den Brüdern einzubringen. Das geschehe in Zusammenarbeit mit den in andern Formen der Evangelisation Tätigen. Hier nimmt der Codex für alle Säkularinstitute das auf, was das Konzil den Laien sagt: „suum proprium munus exercendo, spiritu evangelico 1741 KONGREGA TIONEN ducti, fermenti instar = ihre eigentümliche Aufgabe, vom Geist des Evangeliums geleitet, ausüben, so wie ein Sauerteig“ (LG 31). „Dieser Entschluß ist euch eigen: Die Welt von innen her verändern“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Der zweite Paragraph befaßt sich mit den Laien. Im ersten Teil stellte er heraus, was das Besondere in den Laien-Säkularinstituten ist: die Präsenz und die Tätigkeit, welche die Welt von innen her, im Hinblick auf die Ausführung des göttlichen Heilsplanes, umformt. Der Codex wendet auch hier das an, was das Konzil als die allen Laien gestellte Aufgabe bezeichnet: „Laicorum est, ex vocatione propria, res temproales gerendo et secundum Deum ordinando, regnum Dei quaerere. = Sache der Laien ist es, kraft der ihnen eigenen Berufung in der Verwaltung und gottgemäßen Regelung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen“ (LG 31, vgl. AA 18-19). Das ist tatsächlich die apostolische Zielsetzung, um deretwillen die Säkularinstitute entstanden sind, wie das Konzil belegt, indem es Provida Mater und Primo Feliciter zitiert: „Ipsa instituta propriam ac peculiarem indolem, saecularem scilicet, servent, ut apostolatum in saeculo ac veluti ex saeculo, ad quem exercendum orta sunt, efficaciter et ubique adimplere valeant. = Die Institute ihrerseits müssen den ihnen eigenen und besonderen Weltcharakter bewahren, damit sie dem Apostolat in der Welt und gleichsam von der Welt her, das der Grund für ihre Entstehung war, überall wirksam gerecht zu werden vermögen“ (PC 11). Im zweiten Teil sagt der Paragraph aus, daß die Mitglieder der Säkularinstitute wie alle Laien auch den Dienst innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft leisten können, zum Beispiel den katechetischen Unterricht, die Beseelung der Gemeinschaft und anderes mehr. Einige Institute haben diese apostolische Aufgabe als ihr Ziel übernommen, besonders in jenen Ländern, in denen man einen Dienst dieser Art von seiten der Laien als vordringlich empfindet. Indes sanktioniert der Codex gesetzgebend diese Wahl mit der bedeutsamen Wendung: „iuxta propriam vitae rationem saecularem = gemäß der eigenen weltlichen Lebensart“. „Die Unterstreichung eines spezifischen Beitrags eures Lebensstils darf jedoch nicht zu einer Unterschätzung der anderen Formen der Hingabe an die Sache des Gottesreiches führen, zu denen ihr berufen sein könnt. Ich möchte auf das verweisen, was in der Nr. 73 des Schreibens ,Evangelii nuntiandi1 gesagt ist. Dort heißt es: ,Die Laien müssen sich auch berufen fühlen oder berufen sein zur Mitarbeit mit den Hirten am Dienst der kirchlichen Gemeinschaft für das Wachstum und das Leben in ihr, indem sie sehr verschiedene Dienste ausüben, je 1742 KONGREGA TIONEN nach der Gnade oder nach den Gnadengaben, die der Herr ihnen gewähren will“ “ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Der dritte Paragraph befaßt sich mit den Klerikern, sofern Mitglieder, für die freilich auch das gilt, was im §1 steht. Diesen Mitgliedern ist eine besondere Beziehung zum Presbyterium zugesprochen. Wenn die Säkularinstitute berufen sind, das Evangelium in ihrer Umwelt sichtbar zu machen, kann man von einer Sendung des Zeugnisses auch unter den andern Priester sprechen. Es gilt, „dem Presbyterium des Bistums gemäß den evangelischen Räten und durch einen gemeinschaftlichen Beitrag nicht nur eine Lebenserfahrung zu schenken, sondern auch eine Feinfühligkeit für die Beziehung der Kirche zur Welt“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Außerdem sagt der Paragraph dieses aus: Die Beziehung der Kirche zur Welt, wofür die Säkularinstitute spezialisierte Zeugen sein sollen, muß auch in den Priester-Mitgliedern dieser Institute Beachtung und Anwendung finden, einmal für die Hinführung der Laien zu einer sachgerechten und lebendigen Verbindung, und dann für eine spezifische Tätigkeit, sofern sie Priester sind. „Auch der Priester als solcher hat eine wesentliche Beziehung zur Welt“ (Paul VI., 2. Feburar 1972). „Bezüglich der Lage der Laien obliegt dem Priester, immer hellhöriger zu werden“ (Johannes Paul II., 28. August 1980). Für die klerikalen Säkularinstitute gibt es außer diesem Paragraphen den Canon 715, der sich mit der Inkardination befaßt, die sowohl im Bistum wie im Institut möglich ist. Für die Inkardination im Institut ist auf den Canon 266, § 3 verwiesen, wo es heißt, sie sei „vi concessionis Sedis Apostolicae = kraft der Verleihung durch den Apostolischen Stuhl“ möglich. Die einzigen Fälle, bei denen die klerikalen Säkularinstitute Normen unterstehen, die von denen der Laien verschieden sind, sind im Titel III die zwei zitierten Canones (713 und 715), die Vorschrift des schon erwähnten Canons 711 und die Bestimmung des Canon 727, § 2, die den Austritt aus dem Institut betrifft. Für alle andern Aspekte führt der Codex keine Unterschiede ein. <134> <134> Das brüderliche Leben (can. 716) Die Berufung in ein Institut, das nicht aus Menschen besteht, die sich voneinander abschließen, findet ihre Erfüllung im brüderlichen Leben, „qua sodales omnes in peculiarem veluti familiam in Christo coadunantur = 1743 KONGREGA TIONEN durch das alle Mitglieder sich wie in einer eigenen Familie in Christus zusammenschließen“ (can. 602). Die Gemeinsamkeit der Mitglieder desselben Instituts ist wesentlich und erfüllt sich in der Einheit desselben Geistes, in der Teilnahme am selben Charisma des gottgeweihten Lebens mitten in der Welt, in der Identität der besonderen Mission, in der Brüderlichkeit der gegenseitigen Beziehung, in der aktiven Teilnahme am Leben der Gemeinschaft (can. 716, vgl. can. 717, § 3). Das brüderliche Leben wird gepflegt mittels Begegnungen und Austausch verschiedener Art: unter andern verdienen Beachtung das Gebet (darunter die Jahresexerzitien und die übrigen periodischen Einkehrtage), Gegenüberstellung der Erfahrungen, Dialog, Formation und Information. Diese innige Gemeinsamkeit und die verschiedenen Mittel zu ihrer Pflege bedeuten um so mehr, je verschiedener die konkreten Lebensformen sein können: „vel soli, vel in sua quisque familia, vel in vitae fraternae coetu = ein jeder entweder alleinstehend oder in seiner Familie oder im brüderlichen Lebenskreis“ (can. 714). Selbstverständlich darf das brüderliche Leben der Gruppe nicht dem Gemeinschaftsleben der Orden gleichwertig sein. <135> <136> <135> Die Formation Die Natur dieser Berufung welthafter Weihe verlangt eine beständige Anstrengung, um zwischen Glauben, Weihe und Leben in der Welt einen Zusammenklang herzustellen. Gleicherweise verpflichtet die Lage der Personen, die gewohnheitsmäßig an weltliche Aufgaben und Tätigkeiten gebunden sind und nicht selten ganz allein stehen, zu einer gründlichen und entsprechenden Formation der Mitglieder der Säkularinstitute. Vorteilhaft wird diese Notwendigkeit in verschiedenen Canones, zumal im Canon 719, eingeschärft. Dort sind die wichtigsten geistlichen Verpflichtungen der einzelnen angezeigt: das ständige Gebet, Lesung und Betrachtung des Wortes Gotts, die Zeiten der Geisteserneuerung, Empfang der hl. Eucharistie und des Bußsakramentes. Der Canon 722 gibt einige Anweisungen für die erste Formation, die vor allem das Leben nach den evangelischen Räten und das Apostolat grundlegt. Der Canon 724 beschreibt die dauernde Formation „in rebus divinis et humanis, pari gressu = in menschlichen und göttlichen Dingen, in gleichem Schritt“. Daraus geht hervor, daß die Formation den grundlegenden Bedürfnissen des Lebens der Gnade für gottgeweihte Personen mitten in der Welt 1744 KONGREGA TIONEN angepaßt sein muß. Sie muß sehr konkret sein und dazu anleiten, die evangelischen Räte in Taten und Haltungen zu leben, welche die Gottesgabe im Dienst an den Brüdern ausdrücken. Sie muß behilflich sein, die Gegenwart Gottes in der Geschichte zu spüren. Sie soll zu einem Leben der Annahme des Kreuzes und zu den Tugenden der Selbstverleugnung und Abtötung erziehen. Man darf vermerken, daß die einzelnen Institute sehr wohl um die Wichtigkeit dieser Formation wissen. Sie suchen auch einander zu helfen. Das geschieht auf der Ebene der Nationalkonferenzen und der Weltkonferenz. 7. Pluralität der Institute Die Canones 577 und 578 finden auch auf die Säkularinstitute Anwendung. Unter ihnen besteht tatsächlich eine solche Gabenverschiedenheit, daß sich ein positiver Pluralismus ergibt. Er besteht darin, daß die gemeinsame welthafte Weihe verschieden gelebt wird, und daß das Apostolat verschieden ausgeübt wird, je nach den von der kirchlichen Autorität approbierten Absichten und Plänen der Gründer. Der Canon 722 besteht also zu Recht auf der Notwendigkeit, den Kandia-ten eine gründliche Kenntnis der besonderen Berufung des Institutes zu vermitteln und sie gemäß seinem Geist und seiner Eigenart arbeiten zu lassen. Diese Pluralität ist im übrigen eine tatsächüche Gegebenheit. „Da die Bedürfnisse der Welt sowie die Einsatzmöglichkeiten in der Welt und mit den Mitteln der Welt sehr verschiedenartig sind, ist es natürlich, daß verschiedene Formen der Verwirklichung dieses Ideals entstehen, einzelne und gemeinsame, verborgene und öffentliche, gemäß den Anweisungen des Konzils (vgl. AA 15-22). Alle diese Formen sind für die Säkularinstitute und deren Mitglieder ebenfalls möglich“ (Paul VI., 2. Februar 1972). <137> <137> Andere Normen des Codex Die übrigen Canones des Titels, der sich mit den Säkularinstituten befaßt, betreffen Aspekte, die wir eher als technische bezeichnen können. Viele Bestimmungen sind jedoch dem Eigenrecht überlassen. Dabei ergibt sich eine einfache Struktur und eine handliche Organisation. Die Aspekte, die diese übrigen Canones betreffen, sind die folgenden: 1745 KONGREGA TIONEN 717 die innere Leitung, 718 die Verwaltung, 720-721 die Zulassung zum Institut, 723 die Einverleibung in das Institut, 725 die Möglichkeit der Mitgliedschaft im weiteren Sinn, 726-729 die etwaige Trennung vom Institut, 730 der Übertritt in ein anderes Institut. Beachtlich ist die Tatsache, daß in den Canones von der ewigen Eingliederung und von der endgültigen Eingliederung die Rede ist (vgl. vor allem can. 723). Tatsächlich bestimmen einige approbierte Satzungen, daß das heilige Band (Gelübde oder Versprechen) immer zeitlich sei, natürlich mit dem Vorsatz, es regelmäßig zu erneuern. Andere Satzungen hingegen -deren Mehrheit - sehen vor, daß nach einer gewissen Zeit die Bindung für immer übernommen werde oder übernommen werden könne. Wenn die Bindung für immer übernommen wird, heißt die Eingliederung in das Institut ewig, mit allen rechtlichen Folgen, die sich daraus ergeben. Wenn dagegen die Bindung immer zeitlich bleibt, müssen die Satzungen bestimmen, daß nach einem gewissen Zeitpunkt (nicht kürzer als fünf Jahre) die Eingliederung in die Gemeinschaft als endgültig angesehen wird. Die wichtigste Rechtswirkung besteht darin, daß von jenem Zeitpunkt an die Person die Fülle der Rechte und Pflichten in der Gemeinschaft erhält. Andere Wirkungen müssen die Satzungen bestimmen. Schlußbemerkung Die Geschichte der Säkularinstitute ist noch kurz. Darum und aufgrund ihrer Natur bleiben sie offen und aufgeschlossen für die Anpassung an die Zukunft. Indes haben sie schon eine klar bestimmte Physionomie, der sie in der Neuheit des Geistes treu bleiben müssen. Der neue Codex bietet in dieser Hinsicht einen notwendigen und sicheren Berührungspunkt. Jedoch sind sie nicht genügend bekannt und verstanden. Dafür gibt es einige Gründe. Diese berühren vielleicht ihre Identität (Weihe und gleichzeitig Welthaftigkeit). Sie leiten sich vielleicht daraus ab, daß die Säkularinstitute mit Reserviertheit auftreten. Sie gehen vielleicht auf eine ungenügende Aufmerksamkeit zurück. Sie rühren vielleicht daher, daß bis auf den heutigen Tag noch ungelöste problematische Aspekte bestehen. Was dieses Dokument über die Geschichte, die Theologie und die Rechtsnormen bietet, kann nützlich sein, um die mangelhafte Kenntis zu überwinden und „den Gläubigen eine Kenntnis der Säkularinstitute zu vermit- 1746 KONGREGA TIONEN teln, die nicht ungefähr oder bequem, sondern genau ist und deren maßgebende Eigenschaften anerkennt“ (Johannes Paul II., 6. Mai 1983). Dann wird es auf der Ebene der Seelsorge leichter sein, diese besondere Berufung zu unterstützen und zu schützen, damit sie ihrer Identität, ihren Erfordernissen und ihrer Sendung treu sei. Appendix I. Instituta Saecularia Legitime Erecta Argentina - Instituto Cristifero Azul Austria - Ancillae Christi Regis Wien - Gemeinschaft Unserer Lieben Frau Vom Wege Wien - Franz Von Sales Wien Belgio Gent La Buissiere-Tournai Gent Säo Paulo Ribeiräo Preto Montreal Chicoutimi Trois-Rivieres Quebec Montreal Trois-Rivieres - Assistantes de 1’Apostolat Sacerdotal - Notre Dame de la Joie - (Notre Dame du Carmel) Brasile - Missionarias de Säo Francisco de Assis - Servas de Jesus Sacerdote Canada Les Equipieres Sociales - Notre Dame de Chicoutimi - Oblates Missionnaires de Marie -Immaculee - Pie X - Servantes de Marie-Immaculee - Voluntas Dei 1747 KONGREGA TIONEN Cecoslovacchia - Opus Beatae Zdislavae Litomerice Colombia Fieles Siervas de Jesus Bogota - Misioneras de los Trabajadores Medellin Ecuador - (Perpetuo Socorro) Quito Francia - Caritas Christi Parigi - Deus Caritas Lisieux - Institut Dominicain de Sainte Catherine Paris - Jesus Divin Ouvrier Tours - Mission Notre Dame de Bethanie Besangon - Missionnaires de la Paternite divine Paris - Missionnaires de Notre Dame de Fourviere Lyon - Missionnaires de Notre Dame du Mont Carmel Paris - Missionnaires du Seigneur Paris - Notre Dame de l’Offrande Verdun - Notre Dame de Vie - Section feminine Avignon - Section des Pretres Avignon - Section masculine laique Avignon - Notre Dame du Travail Paris - Orleans (I. S. Dominicain d’) Orleans - Presence et Vie Paris - Pretres du Coeur de Jesus Paris - Pretres du Prado Lyon - Saint-Amand (Institut de) Cambrai - Saint Joseph Artisan Lyon - Saint Nom de Jesus (Institut Dominicain du) Lyon - Sainte Frangoise Romaine Lyon - Servantes du Sacerdoce Saint-Flour Germania - Ancillae Augsburg - Ancillae Sanctae Ecclesiae München 1748 KONGREGA TIONEN - Christi Regis Institutum Augsburg - Frauen von Schönstatt Trier - I.S. Schönstatter Marienschwestern Trier - I.S. Schönstattense Sacerdotum Fulda - Missionshelferinnen Würzburg - Sacerdoti deli’Opus Spiritus Sancti Limburg - St. Bonifatius Paderborn - Sozial-Religiöse Vereinigung Freiburg/Breisgau Inghilterra - Servite Secular Institute London - The Grail Westminster Italia - Ancelle della Divina Misericordia Bari — Ancelle della Madre di Dio Trieste - Ancelle „Mater Misericordiae“ Macerata - Apostole dei Sacri Cuori di Gesü e Maria Cagliari - Apostole del Sacro Cuore Milano - Apostole della Santificazione Universale Napoli - Amore-Riparazione-Apostolato (A.R.A.) Novara - Ausiliarie Missionarie Agostiniane Roma - Compagnia della Santa Famiglia Brescia - Compagnia di Gesü Maestro Roma - Compagnia di San Paolo Roma - Compagnia di S. Orsola - Figlie S. Angela Merici Brescia - Compagnia Missionaria del S. Cuore Bologna - Cordis Jesu Arezzo - Cristo Re Milano - Figlie dei Sacri Cuori di Gesü e Maria Bitonto - Filiae Reginae Apostolorum (F.R.A.) Roma - Missionari della Regalitä di Cristo Milano - Missionarie Comboniane Rimini - Missionarie degli Infermi Milano - Missionarie del Lavoro Milano - Missionarie del Sacerdozio Regale Milano - Missionarie del Vangelo Catania - Missionarie dell’Amore Infinito Ivrea - Missionarie della Regalitä di Cristo Roma 1749 KONGREGA TIONEN - Missionarie Secolari della Passione - Oblate del Sacro Cuore - Oblate di Cristo Re - Oblate di Nostra Signora del S. Cuore di Gesü - Opera del Cuore Immacolato di Maria - Opera del Divino Amore - Pia Societä di Don Nicola Mazza - Piccola Famiglia Francescana - Piccole Apostole della Caritä - Piccole Apostole di Cristo Re - Regnum Mariae - Sacerdoti del Sacro Cuore di Gesü - Sacerdoti Missionari della Regalitä di Cristo - San Raffaele Arcangelo - Santa Caterina da Genova - Santa Maria degli Angeli - Santa Milizia di Gesü - Servi della Chiesa - Spigolatrici della Chiesa - Unio Filiarum Dei - Unione Carmelitana Teresiana - Unione Catechisti del SS. Crocifisso Catania Tropea Chiavari Cremona Ogliastro Napoli Verona Brescia Milano Lucca Ancona Milano Arezzo Vittorio Veneto Genova Saluzzo Troia Reggio Emilia Prato Treviso Lucca e di Maria Immacolata - Volontarie della Caritä - Volontarie di Don Bosco - Zelatrici del Divin Cuore di Gesü Torino Verona Torino Mondovi Iugoslavia - Suradnice Krista Kralja Zagreb Messico - Discipulas del Senor Monterrey Olanda - Servitium Christi Rotterdam Polonia - Ancillae SS. Cordis Jesu Varsavia 1750 KONGREGA TIONEN Portogallo - Cooperadoras da Familia Lisboa Repubblica Dominicana - Nuestra Senora de la Altagracia (Altagraciano) Santo Domingo Spagna - Acies Christi Salamanca - Activas del Apostolad Social Valencia - Alianza en Jesus por Maria Madrid - Catequistas de la Virgen del Pino Isias Canarias - Cruzada Evangelica Santander - Filiacion Cordimariana Pamplona - Hijas de la Natividad de Maria Santiago-Compostela — Instituciön Teresiana Madrid - Roma - Instituto Misioneras Seculares (I.M.S.) Madrid - Misioneras Apostolicas de la Caridad Astorga - Obreras de la Cruz Valencia - San Isidoro Leon - Sacerdoti Operai Diocesani Madrid - Roma - Senoritas Operarias Parroquiales Valencia — Siervas Seglares de Jesucristo Sacerdote Madrid - Vita et Pax in Christo Jesu Pamplona Svizzera - Compagnia di Santa Teresa del Bambino Gesü Lugano - Caritasgemeinschaft Zürich - Katharina Von Siena Basel Uruguay - Sociedad de Magisterio y del Apostolado Parroquial Dependent a: Sacra Congregatione pro Ecclesis Orientalibus Montevideo 1751 KONGREGA TIONEN Brasile - Institutum Catechistarum SS. Cordis Jesu Säo Joäo Batista (per gli Ucraini) Em Curitiba India Kottayam - Caritas Secular Institute Sacra Congregatione pro Gentium Evangelizatione India Sri Lanka Lucknow - Secular Institute Our Lady of Lanka - Society of the Maids of Poor Japan Nagoya - Catechists of Mary Virgin and Mother Laos - Ausiliarie di Maria Madre della Chiesa Marocco - Pro Ecclesia Tanger Repubblica Sud Africa - Handmaids of Christ the Priest Hammanskraal - Servants of Christ the Priest Hammanskraal II. Nota Bibliographica De Institutis saecularibus: Documenta Edita a „Conference Mondiale des Instituts seculiers“ Roma 1981: lingua Anglica, Gallica, Hispanica, Italica. Roma 1974: lingua Germanica, Lusitana. 1752 KONGREGA TIONEN Conspectus bibliographicus Institutorum Saecularium (auctore F. Morlot) I - 1981-1972 II - 1973-1982 Romae - „Commentarium pro Religiosis et Missionariis“ vol. 54, pp. 231-297, 354-362- vol. 64, pp. 193-253. 1753 Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über einige Aspekte der „ Theologie der Befreiung“ 6. August 1984 KON GREGA TIONEN Inhalt Vorwort I. Eine Sehnsucht II. Ausdrucksformen dieser Sehnsucht III. Die Befreiung als christliches Thema IV. Biblische Grundlagen V. Die Stimme des Lehramtes VI. Eine Neuinterpretation des Christentums VII. Die marxistische Analyse VIII. Untergrabung des Sinnes für Wahrheit und die Gewalt IX. Die „theologische“ Übersetzung dieses Kerns X. Eine neue Hermeneutik XI. Orientierungen Abschluß Anmerkungen 1756 KONGREGA TIONEN Vorwort Das Evangelium Jesu Christi ist eine Botschaft der Freiheit und eine Kraft der Befreiung. Diese grundlegende Wahrheit haben Theologen in den letzten Jahren zum Gegenstand der Überlegung gemacht, verbunden mit einer neuen Aufmerksamkeit, die in sich selbst reich an Hoffnungen ist. Die Befreiung ist vor allem und grundsätzlich eine Befreiung von der radikalen Knechtschaft der Sünde. Ihr Ziel wie ihre Grenze ist die Freiheit der Kinder Gottes, ein Geschenk der Gnade. Sie umschließt in logischer Konsequenz die Befreiung von vielfältigen Versklavungen auf kulturellem, ökonomischem, sozialem und politischem Gebiet, die letzten Endes alle von der Sünde herrühren und die ebensosehr Hindernisse bilden, welche die Menschen daran hindern, ihrer Würde entsprechend zu leben. Klar zu unterscheiden, was grundlegend ist und was zu den Folgerungen gehört, ist demnach eine unerläßliche Bedingung für eine theologische Reflexion über die Befreiung. In der Tat, angesichts der Dringlichkeit der Probleme sind manche versucht, den Akzent einseitig auf die Befreiung von der Versklavung auf irdischem und weltlichem Gebiet zu setzen, so daß es scheint, daß diese die Befreiung von der Sünde an die zweite Stelle setzen und ihr hierdurch faktisch nicht mehr die erste Bedeutung einräumen, die ihr zukommt. Daher ist die Art, wie sie die Probleme darstellen, verworren und zweideutig. In der Absicht, die Ursachen der Versklavung, die sie beseitigen wollen, genau zu erkennen, bedienen sich andere ohne hinreichend kritische Vorsicht eines geistigen Instrumentariums, das nur sehr schwer, vielleicht überhaupt nicht, von ideologischen Vorstellungen gereinigt werden kann, die mit dem christlichen Glauben und den daraus folgenden ethischen Forderungen unvereinbar sind. Die Kongregation für die Glaubenslehre beabsichtigt nicht, das weite Thema der christlichen Freiheit und der Befreiung vollständig zu behandeln. Sie nimmt sich vor, dies in einem späteren Dokument zu tun, das - in positiver Ausrichtung - alle Reichtümer ins rechte Licht stellt, sowohl in der Lehre als auch in der Praxis. Die vorliegende Instruktion hat ein sehr präzises und begrenztes Ziel: Sie will die Aufmerksamkeit der Hirten, Theologen und aller Gläubigen auf die Abweichungen und die Gefahren der Abweichung lenken, die den Glauben und das christliche Leben zerstören, wie sie gewisse Formen der Theologie der Befreiung enthalten, die in ungenügend kritischer Weise ihre Zuflucht zu Konzepten nehmen, die von verschiedenen Strömungen des marxistischen Denkens gespeist sind. Diese Warnung darf in keiner Weise als eine Verurteilung all derer ausgelegt werden, die hochherzig und im authentischen Geist des Evangeliums auf die 1757 KONGREGA TIONEN „vorrangige Option ftir die Armen“ antworten wollen. Sie darf in keiner Weise denen zum Vorwand dienen, die sich angesichts der tragischen und drängenden Probleme des Elends und der Ungerechtigkeit hinter einer Haltung der Neutralität und der Indifferenz verschanzen. Im Gegenteil, sie ist von der Gewißheit bestimmt, daß die tiefgreifenden ideologischen Abweichungen, die sie anzeigt, unabdingbar dazu führen, die Sache der Armen zu verraten. Mehr denn je ist es erforderlich, daß die zahlreichen Christen, die in ihrem Glauben erleuchtet und dazu entschlossen sind, ein christliches Leben ohne Abstriche zu fuhren, sich aus Liebe zu ihren enterbten, unterdrückten und verfolgten Brüdern im Kampf für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde einsetzen. Mehr denn je will die Kirche die Mißbräuche, die Ungerechtigkeiten und die Verstöße gegen die Freiheit verurteilen, wo immer sie begegnen und wer immer sie anzettelt, und mit den ihr eigenen Mitteln kämpfen, um die Menschenrechte, insbesondere in der Person der Armen, zu verteidigen und zu fördern. 1758 KONGREGA TIONEN I. Eine Sehnsucht 1. Die mächtige und gleichsam unwiderstehliche Sehnsucht der Völker nach Befreiung stellt eines der wichtigsten Zeichen der Zeit fax, die die Kirche ergründen und im Licht des Evangeliums auslegen soll.1 Dieses bedeutende Phänomen unserer Epoche hat eine universale Tragweite; es zeigt sich aber unter den Völkern in verschiedenen Formen und Graden. Diese Sehnsucht kommt bei den Völkern, die die Last des Elends kennen, und unter den entrechteten Schichten besonders stark zum Ausdruck. 2. Diese Sehnsucht drückt eine echte, wenn auch dunkle Wahrnehmung der Würde des Menschen aus, der „nach dem Bild und Gleichnis Gottes“ {Gen 1, 27) geschaffen ist, jener Würde, die durch vielfältige, oft gehäufte Unterdrückungen kultureller, politischer, rassischer, sozialer und ökonomischer Art geschändet und mißachtet wird. 3. Die Berufung zur Gotteskindschaft aufdeckend, hat das Evangelium in den Herzen der Menschen die Forderung und den positiven Willen nach einem brüderlichen, gerechten und friedlichen Leben eingestiftet, in dem jeder die Achtung und die Bedingungen seiner geistlichen und materiellen Entfaltung finden kann. Dieser Anspruch ist ohne Zweifel die Quelle jener Sehnsucht, von der wir sprechen. 4. Daher ist der Mensch nicht mehr bereit, die erdrückende Not mit ihren Folgen, Tod, Krankheiten und Entwürdigungen, passiv hinzunehmen. Er erlebt diese Not als eine unerträgliche Verletzung seiner angestammten Würde. Verschiedene Faktoren, darunter der „Sauerteig“ des Evangeliums, haben zum Erwachen des Bewußtseins der Unterdrückten beigetragen. 5. Selbst die noch analphabetischen Bevölkerungsgruppen wissen heute, daß die Menschheit, dank der bewundernswerten Entwicklung der Wissenschaften und der Technik, auch bei beständigem Bevölkerungswachstum in der Lage sein wird, jedem menschlichen Wesen das Minimum an Gütern zu sichern, die die Würde der Person erfordert. <138> <138> Der Skandal der himmelschreienden Ungleichheiten zwischen Reichen und Armen - ob es sich um die Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern oder um die Ungleichheiten unter den sozialen Schichten desselben Nationalgebietes handelt - wird nicht länger geduldet. Auf der einen Seite hat man einen bislang noch nie dagewesenen Überfluß erreicht, der die Ver- 1759 KONGREGA TIONEN schwendung fördert; auf der anderen Seite lebt man noch in einem Zustand der Not, die durch das Fehlen der lebensnotwendigsten Güter gekennzeichnet ist, so daß die Opfer der Unterernährung zahllos geworden sind. 7. Das Fehlen der Gerechtigkeit und des Sinnes für Solidarität im internationalen Austausch gereicht den industrialisierten Ländern zum Vorteil, wodurch der Abstand zwischen Reichen und Armen ständig wächst. Daher stammen das Gefühl der Frustration bei den Völkern der Dritten Welt sowie der gegen die industrialisierten Länder gerichtete Vorwurf der Ausbeutung und des ökonomischen Kolonialismus. 8. Die Erinnerung an die Untaten und die verhängnisvollen Folgen eines gewissen Kolonialismus vertieft dabei oft die Wunden und Verletzungen. 9. Auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils haben der Apostolische Stuhl ebenso wie die Bischofskonferenzen unermüdlich den Skandal gebrandmarkt, den das gigantische Wettrüsten darstellt, das, neben der Bedrohung des Friedens, enorme Summen verschlingt, von denen ein Teil schon genügen würde, um die allemotwendigsten Bedürfnisse jener Bevölkerungen zu stillen, denen es am Notwendigen mangelt. II. Ausdrucksformen dieser Sehnsucht 1. Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und effektiver Anerkennung der Würde jedes menschlichen Wesens erfordert, wie jede tiefe Sehnsucht, daß sie geklärt und geleitet wird. 2. Die theoretischen und praktischen Ausdrucksformen dieser Sehnsucht bedürfen der Prüfung. Denn zahlreiche politische und soziale Bewegungen geben sich als die authentischen Sprecher der Sehnsucht der Armen aus und halten sich für befugt, notfalls unter Zuhilfenahme von gewalttätigen Mitteln, die radikalen Veränderungen zu bewirken, die der Unterdrückung und der Not des Volkes ein Ende bereiten werden. 3. So wird die Sehnsucht nach der Gerechtigkeit oft von Ideologien in Beschlag genommen, die deren Sinn verdunkeln oder pervertieren, indem sie dem Kampf der Völker für ihre Befreiung Ziele setzen, die dem waHren Ziel des menschlichen Lebens entgegengesetzt sind, und Wege der Aktion vertreten, 1760 KONGREGA TIONEN die den systematischen Rückgriff auf die Gewalt einschließen und einer die Personen achtenden Ethik entgegenstehen. 4. Die Deutung der Zeichen derZeit im Licht des Evangeliums erfordert daher, daß man einerseits den Sinn der tiefen Sehnsucht der Völker nach Gerechtigkeit ergründet, daß man aber auch anderseits mit kritischer Unterscheidung die Ausdrucksformen theoretischer und praktischer Art prüft, die man dieser Sehnsucht gibt. III. Die Befreiung als christliches Thema 1. Die Sehnsucht nach Befreiung kann, in sich betrachtet, im Herzen und im Geist der Christen nur ein starkes und brüderliches Echo finden. 2. Im Einklang mit dieser Sehnsucht ist jene theologische und pastorale Bewegung entstanden, die unter dem Namen „Befreiungstheologie“ bekannt ist, zuerst in den Ländern Lateinamerikas, die vom religiösen und kulturellen Erbe des Christentums geprägt sind, dann auch in anderen Gegenden der Dritten Welt wie auch in bestimmten Gebieten der industrialisierten Länder. 3. Der Ausdruck „Befreiungstheologie“ bezeichnet zunächst eine besondere, das Engagement für die Gerechtigkeit weckende Betroffenheit zugunsten der Armen und der Opfer der Unterdrückung. Von diesem Ansatz aus kann man verschiedene, oft miteinander unvereinbare Weisen unterscheiden, die Bedeutung der christlichen Armut aufzufassen sowie die Art des Einsatzes für die Gerechtigkeit, die sie verlangt. Wie jede Ideenbewegung nehmen auch die „Befreiungstheologien“ unterschiedliche theologische Positionen ein; ihre lehrmäßigen Grenzen sind nicht genau abgesteckt. <139> <139> Die Sehnsucht nach Befreiung entspricht, wie der Ausdruck es selber nahelegt, einem Grundthema des Alten und Neuen Testaments. So ist auch der Ausdruck „Befreiungstheologie“ für sich genommen ein vollgültiger Ausdruck: Er bezeichnet dann eine theologische Reflexion, die sich mit dem biblischen Thema der Befreiung, der Freiheit und ihren drängenden praktischen Konsequenzen befaßt. Das Zusammentreffen der Sehnsucht nach Befreiung mit den Befreiungstheologien ist daher nicht zufällig. Die Bedeutung dieses Zusammentreffens kann nur im Licht der Eigenart der Offenbarungsbotschaft korrekt verstanden werden, welche das Lehramt der Kirche authentisch auslegt.2 1761 KON GREGA TIONEN IV. Biblische Grundlagen 1. Eine recht verstandene Befreiungstheologie stellt eine Aufforderung an die Theologen dar, gewisse wesentliche biblische Themen zu vertiefen, in der Auseinandersetzung mit den schweren und dringlichen Fragen, die die zeitgenössische Sehnsucht nach Befreiung und die Befreiungsbewegungen, die ihr mehr oder weniger getreu entsprechen, an die Kirche stellen. Unmöglich kann man die Situationen dramatischer Not vergessen, die den Theologen diese Herausforderung stellt. 2. Die radikale Erfahrung der christlichen Freiheit bildet hier den ersten Bezugspunkt. Christus, unser Befreier, hat uns von der Sünde befreit wie auch von der Knechtschaft des Gesetzes und des Fleisches, die die Situation des sündigen Menschen kennzeichnet. Frei werden wir also durch das neue Feben der Gnade, die Frucht der Rechtfertigung. Das bedeutet, daß die tiefste Knechtschaft die Knechtschaft der Sünde ist. Die anderen Formen der Knechtschaft wurzeln daher letztlich in der Knechtschaft der Sünde. Deshalb darf die Freiheit im Vollsinn ihrer christlichen Bedeutung, die durch das Leben im Heüigen Geist gekennzeichnet ist, nicht mit der Freizügigkeit gegenüber den Begierden des Fleisches verwechselt werden. Sie ist neues Leben in der Liebe. 3. Die „Befreiungstheologien“ berufen sich weitgehend auf den Bericht des Exodus. Dieser bildet das grundlegende Heilsereignis des Alten Testaments: die Befreiung aus der Fremdherrschaft und der Sklaverei. Man muß die besondere Bedeutung dieses Ereignisses im Blick behalten, die ihm von seinem Ziel her zukommt; denn diese Befreiung ist auf die Gründung des Volkes Gottes und auf den am Berg Sinai gefeierten Bundesschluß hingeordnet. <140> Deshalb kann die Befreiung des Exodus nicht auf eine Befreiung zurückgeführt werden, die hauptsächlich und ausschließlich politischer Natur wäre. Es ist im übrigen bezeichnend, daß der Begriff der Befreiung in der Hl. Schrift manchmal durch den ihm sehr nahestehenden Begriff der Erlösung ersetzt wird. <140> Die Sehnsucht nach Befreiung entspricht, wie der Ausdruck es selber nahelegt, einem Grundthema des Alten und Neuen Testaments. So ist auch der Ausdruck „Befreiungstheologie“ für sich genommen ein vollgültiger Ausdruck: Er bezeichnet dann eine theologische Reflexion, die sich mit dem biblischen Thema der Befreiung, der Freiheit und ihren drängenden praktischen Konsequenzen befaßt. Das Zusammentreffen der Sehnsucht nach Befreiung mit den Befreiungstheologien ist daher nicht zufällig. Die Bedeutung dieses Zusammentreffens kann nur im Licht der Eigenart der Offenbarungsbotschaft korrekt verstanden werden, welche das Lehramt der Kirche authentisch auslegt.2 .4. Das Stiftungsereignis des Exodus wird nie aus der Erinnerung Israels schwinden. Auf dieses Ereignis bezog man sich, als nach der Zerstörung Jerusalems und dem babylonischen Exil die Hoffnung auf eine neue Befreiung und darüber hinaus die Erwartung einer endgültigen Befreiung auflebten. In dieser Erfahrung wird Gott als der Befreier anerkannt. Er wird mit seinem Volk einen Neuen Bund schließen, der durch die Gabe seines Geistes und durch die Bekehrung der Herzen gekennzeichnet ist. 1762 KONGREGA TIONEN 5. Die vielfältigen Ängste und Nöte, die der Mensch erlebt, der dem Gott des Bundes treu bleibt, sind das Thema mehrerer Psalmen: Klagen, Hilferufe, Danksagungen erwähnen das religiöse Heil und die Befreiung. In diesem Kontext wird Not nicht einfach mit einer sozialen Notsituation identifiziert noch mit der Not, die der politisch Unterdrückte erleidet. Sie umfaßt auch die Gegnerschaft der Feinde, die-Ungerechtigkeit, den Tod, die Schulde Die Psalmen verweisen uns auf eine wesentliche religiöse Erfahrung: Von Gott allein werden Heil und Heilung erwartet. Gott, nicht der Mensch, hat die Macht, die Notsituationen zu wenden. So leben die „Armen des Herrn“ in einer völligen Abhängigkeit, die auf die liebende Vorsehung Gottes vertraut. Überdies hat der Herr während der ganzen Wüstenwanderung ständig für die Befreiung und die geistliche Reinigung seines Volkes gesorgt. 6. Im Alten Testament erinnern die Propheten seit Arnos mit besonderer Eindringlichkeit unablässig an die Forderungen der Gerechtigkeit und Solidarität und verurteilen die Reichen äußerst scharf, die den Armen unterdrücken. Sie verteidigen die Witwen und Waisen. Sie drohen den Mächtigen: Die Anhäufung von Unrecht kann nur zu schrecklichen Bestrafungen fuhren. Denn die Treue zum Bund läßt sich nicht ohne das Tun der Gerechtigkeit denken. Gerechtigkeit gegenüber Gott und Gerechtigkeit gegenüber den Menschen sind untrennbar. Gott ist der Verteidiger und der Befreier der Armen. 7. Solche Forderungen finden sich auch im Neuen Testament. Sie werden dort sogar radikalisiert, wie die Rede über die Seligpreisungen zeigt. Die Bekehrung und die Erneuerung müssen im Tiefsten des Herzens vollzogen werden. 8. Das Gebot der brüderlichen Liebe, das bereits im Alten Testament angekündigt wurde, stellt in seiner Ausweitung auf alle Menschen die oberste Regel des sozialen Lebens dar. Der Anerkennung eines jeden Menschen als des Nächsten dürfen sich weder Diskriminierungen noch Grenzen entgegenstellen. 9. Die Armut um des Reiches Gottes willen wird hochgeschätzt. Wir werden angeleitet, in der Gestalt des Armen das Bild und die geheimnisvolle Gegenwart des Sohnes Gottes zu erkennen, der aus Liebelnuns arm wurde. Das ist die Grundlage jener unausschöpfbaren Worte Jesu über das Gericht in Mt 25, 31-46. Unser Herr ist mit aller Not solidarisch; alle Not ist von seiner Gegenwart gezeichnet. <141> <141> Gleichzeitig werden die bereits im Alten Testament ausgesprochenen Forderungen der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit vertieft, so sehr, daß sie im 1763 KONGREGA TIONEN Neuen Testament eine neue Bedeutung erhalten. Die Leidenden und Verfolgten werden mit Christus identifiziert. Die Vollkommenheit, die Jesus von seinen Jüngern fordert (Mt 5,18), besteht in der Pflicht, barmherzig zu sein, „wie euer Vater barmherzig ist“ (Lk 6, 36). 11. Im Lichte der christlichen Berufung zur brüderlichen Liebe und zur Barmherzigkeit werden die Reichen streng an ihre Pflicht erinnert. Angesichts der Unordnungen in der Kirche von Korinth unterstreicht der heilige Paulus nachdrücklich die Verbindung, die zwischen der Teilnahme am Sakrament der Liebe und dem Teilen mit dem notleidenden Bruder besteht. 12. Die Offenbarung des Neuen Testaments lehrt uns, daß die Sünde das tiefste Übel ist, das den Menschen im Herzen seiner Persönlichkeit trifft. Die erste Befreiung, Bezugspunkt aller anderen Befreiungen, ist die von der Sünde. 13. Das Neue Testament verlangt wohl deshalb als Vorbedingung zum Eintritt in diese Freiheit nicht zuerst eine Änderung der politischen und sozialen Situation, weil es dadurch den radikalen Charakter des Loskaufes anzeigen will, den Christus gewirkt hat und der jedem Menschen angeboten ist, ob er politisch frei oder Sklave ist. Dennoch zeigt der Philemonbrief, daß die neue Freiheit, die die Gnade Christi bringt, notwendigerweise Auswirkungen auf der sozialen Ebene haben muß. 14. Man darf folglich den Bereich der Sünde, deren erste Wirkung es ist, die Beziehung zwischen Mensch und Gott in Unordnung zu bringen, nicht auf das beschränken, was man „die soziale Sünde“ nennt. In Wirklichkeit vermag nur eine richtige Lehre von der Sünde die Schwere ihrer sozialen Auswirkungen zu zeigen. <142> <142> Man darf auch nicht das Böse vorrangig und allein in den ökonomischen, sozialen und politischen „Strukturen“ orten, als hätten alle anderen Übel ihre Ursache und Quelle in diesen Strukturen, so daß die Schaffung eines „neuen Menschen“ von der Errichtung anderer ökonomischer und sozio-politischer Strukturen abhinge. Gewiß, es gibt Unrechte Strukturen, die auch wieder Unrecht hervorbringen und die zu ändern man den Mut haben muß. Die Früchte des menschlichen Tuns, die Strukturen, gute oder böse, sind eher Folgen als Ursachen. Die Wurzel des Bösen liegt in den freien und verantwortlichen Personen, die durch die Gnade Jesu Christi bekehrt werden sollen,-um als neue Geschöpfe zu leben und zu handeln, in der Liebe zum Nächsten, im wirksamen Streben nach Gerechtigkeit, in der Selbstbeherrschung und in der Übung der Tugenden.13 1764 KONGREGA TIONEN Wenn man im Namen einer radikalen Revolution der sozialen Beziehungen, die der erste Imperativ wäre, das Streben nach persönlicher Vollkommenheit kritisiert, so läuft man Gefahr, den Sinn für die Person und ihre Transzendenz zu verlieren und die Ethik und ihr Fundament, nämlich den absoluten Charakter der Unterscheidung von Gut und Böse, zu zerstören. Da im übrigen die Liebe für die echte Vollkommenheit grundlegend ist, kann sie nicht ohne Öffnung auf den anderen hin und ohne den Geist des Dienens verstanden werden. V. Die Stimme des Lehramtes 1. Das Lehramt der Kirche hat häufig und immer wieder die Aktualität und die Dringlichkeit der in der Offenbarung enthaltenen Imperative in Erinnerung gerufen, um der Herausforderung zu antworten, die Unterdrückung und Hunger an unsere Zeit richten. Das Lehramt ist dabei von der Sorge geleitet, das christliche Gewissen für den Sinn für Gerechtigkeit, für soziale Verantwortung und Solidarität mit den Armen und Unterdrückten zu wecken. 2. Beschränken wir uns hier darauf, einige dieser Stellungnahmen zu erwähnen: die neueren päpstlichen Rundschreiben Mater et Magistra, Pacem in terris, Populorum prögressio, Evangelii nuntiandi. Wir erwähnen ebenso den Brief an Kardinal Roy Octogesima adveniens. 3. Das Zweite Vatikanische Konzil hat seinerseits die Fragen der Gerechtigkeit und der Freiheit in seiner Pastoralkonstitution Gaudium et spes angesprochen. 4. Der Heilige Vater hat wiederholt diese Themen behandelt, besonders in den Enzykliken Redemptor hominis, Dives in misericordia und Laborem exer-cens. Die zahlreichen Stellungnahmen, die die Lehre von den Menschenrechten in Erinnerung rufen, behandeln direkt die Probleme der Befreiung der menschlichen Person aus den verschiedenen Arten von Unterdrückung, deren Opfer sie ist. Besondere Erwähnung verdient dabei die Rede vor der XXXVI. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 2. Oktober i979. Am 28. Januar desselben Jahres hatte Johannes Paul II. bei der Eröffnung der dritten Konferenz des CELAM in Puebla darauf hingewiesen, daß die volle Wahrheit über den Menschen die Grundlage einer echten Befreiung darstellt. Dieser Text ist ein direktes Bezugsdokument zur Befreiungstheologie. <143> <143> Zweimal, in den Jahren 1971 und 1974, hat die Bischofssynode Themen behandelt, die direkt die christliche Auffassung von der Befreiung betreffen: 1765 KON GREGA TIONEN das Thema der Gerechtigkeit in der Welt und das Thema der Beziehung zwischen der Befreiung der Unterdrückten und der umfassenden Befreiung oder dem Heil des Menschen. Die Arbeiten der Synoden von 1971 und 1974 haben Papst Paul VI. bewogen, in dem Apostolischen Lehrschreiben Evangelii nun-tiandi die Beziehungen zwischen der Evangelisation und der Befreiung oder Förderung des Menschen genauer zu bestimmen. 6. Die Sorge der Kirche um die Befreiung und Förderung des Menschen zeigt sich auch in der Errichtung der Päpstlichen Kommission Iustitia et Pax. 1. Zahlreiche Episkopate haben in Übereinstimmung mit dem Heiligen Stuhl ihrerseits die Dringlichkeit und die Wege einer authentischen menschlichen Befreiung angesprochen. In diesem Zusammenhang verdienen die Dokumente der Konferenzen des CELAM in Medellin (1968) und in Puebla (1979) besondere Erwähnung. Paul VI. war bei der Eröffnung von Medellin, Johannes Paul II. bei der von Puebla anwesend. Beide haben dabei das Thema der Bekehrung und der Befreiung angesprochen. 8. Paul VI. hatte die Besonderheit der Botschaft des Evangeliums betont, die mit ihrem göttlichen Ursprung zusammenhängt. In seiner Ansprache in Puebla hat Johannes Paul II. dies aufgegriffen und die drei Pfeiler genannt, auf denen jede echte Befreiungstheologie aufruhen soll: die Wahrheit über Jesus Christus, die Wahrheit über die Kirche, die Wahrheit über den Menschen. VI. Eine Neuinterpretation des Christentums 1. Wie könnte man die unermeßliche Summe an uneigennütziger Mühe vergessen, die Christen, Hirten, Priester, Ordensleute oder Laien, darauf verwenden, aus Liebe zu ihren in unmenschlichen Situationen lebenden Brüdern Hilfe und Linderung in den zahllosen Nöten zu bringen, die das Elend verursacht? Unter ihnen gibt es manche, die danach trachten, wirksame Mittel zu finden, die es möglich machen würden, einer unerträglichen Situation möglichst schnell ein Ende zu bereiten. 2. Es besteht freilich die Gefahr, daß der Eifer und das Mitgefühl, die alle Hirten im Herzen tragen sollen, irregeleitet und Unternehmungen zugeführt werden, die für den Menschen und seine Würde ebenso verderblich sind wie das Elend, das man bekämpft, wenn man sich gewissen Versuchungen gegenüber nicht genügend wachsam zeigt. 1766 KONGREGATIONEN 3. Das beängstigende Gefühl der Dringlichkeit der Probleme darf nicht dazu verleiten, das Wesentliche aus dem Blick zu verlieren und die Antwort Jesu zu vergessen, die er dem Versucher gab: „Der Mensch lebt nicht nur von Brot, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt“ (Mt 4,4; vgl. Dtn 8,3). So sind manche versucht, angesichts der Dringlichkeit, das Brot zu teilen, die Evangelisierung einzuklammem und auf später zu verschieben: zuerst das Brot, später das Wort. Es ist ein tödlicher Irrtum, die beiden zu trennen oder einander entgegenzusetzen. Im übrigen drängt ihr christliches Gespür sie ganz spontan dazu, beides zugleich zu tun. 4. Manchen scheint sogar der notwendige Kampf für Gerechtigkeit und menschliche Freiheit, beide in ihrem ökonomischen und politischen Sinn verstanden, das Wesentliche und das Ganze des Heüs darzustellen. 5. Die Situierung der verschiedenen Befreiungstheologien bestimmt sich einerseits nach ihrer Beziehung zur vorrangigen Option für die Armen, wie sie, nach Medellin, die Konferenz von Puebla klar und ohne Zweifel bekräftigt hat, andererseits hinsichtlich der Versuchung, das Evangelium vom Heil auf ein irdisches Evangelium zu reduzieren. 6. Wir rufen ins Gedächtnis, daß die vorrangige Option für die Armen, wie sie in Puebla festgehalten ist, eine doppelte ist: für die Armen und für die Jugendlichen. Es ist bezeichnend, daß die Option für die Jugendlichen allgemein völlig in Vergessenheit geraten ist. 7. Wir haben weiter oben gesagt (vgl. IV, 4), daß es eine authentische „Theologie der Befreiung“ gibt, die im recht verstandenen Wort Gottes verwurzelt ist. 8. Von einem beschreibenden Standpunkt aus gesehen muß man von den Befreiungstheologien sprechen; denn dieser Begriff umfaßt nicht nur verschiedene, sondern häufig auch miteinander unvereinbare theologische Positionen. 9. In diesem Dokument wird nur von solchen Ausformungen dieser Gedankenrichtung die Rede sein, die unter dem Namen „Befreiungstheologie“ eine Deutung des Glaubensinhaltes und der christlichen Existenz vorlegen, die in Wirklichkeit ganz neu ist und schwerwiegend vom Glauben der Kirche abweicht, mehr noch, die dessen praktische Leugnung bedeutet. <144> <144> Unkritische Anleihen bei der marxistischen Ideologie und der Rückgriff auf die Thesen einer vom Rationalismus geprägten biblischen Hermeneutik 1767 KON GREGA TIONEN sind die Wurzeln dieser neuen Deutung, die daran ist, das zu verderben, was das anfängliche großherzige Engagement für die Armen an Echtem besaß. VII. Die marxistische Analyse 1. Die Ungeduld und der Wille zur Effizienz haben manche Christen, die an allen anderen Methoden verzweifelten, dazu geführt, sich dem zuzuwenden, was sie „marxistische Analyse“ nennen. 2. Ihre Überlegung ist folgende: Eine unerträgliche und explosive Situation erfordert ein wirksames Handeln, das nicht mehr zuwarten kann. Ein wirksames Handeln setzt eine wissenschaftliche Analyse der strukturellen Ursachen des Elends voraus. Nun hat aber der Marxismus die Instrumente einer solchen Analyse entwickelt. Es genügt also, diese auf die Situation der Dritten Welt und besonders Lateinamerikas anzuwenden. 3. Daß die wissenschaftliche Kenntnis der Situation und der möglichen Wege sozialer Umgestaltung die Voraussetzung eines Handelns ist, das fähig ist, die gesteckten Ziele zu erreichen, ist selbstverständlich. Darin liegt ein Kennzeichen der Ernsthaftigkeit des Engagements. 4. Der Begriff „wissenschaftlich“ übt freilich eine fast mythische Faszination aus, und doch ist nicht alles auch wirklich wissenschaftlich, was dieses Etikett trägt. Deshalb muß der Verwendung einer Methode des Zugangs zur Wirklichkeit eine kritische Prüfung erkenntnistheoretischer Art vorausgehen. Diese vorgängige kritische Prüfung fehlt bei manchen „Befreiungstheologien“. 5. In den Sozial- und Humanwissenschaften ist es wichtig, auf die Vielfalt der Methoden und Gesichtspunkte zu achten, von denen jede nur einen Aspekt einer Wirklichkeit hervorhebt, die wegen ihrer Komplexität keine einheitliche und univoke Erklärung zuläßt. <145> <146> <147> <145> Im Falle des Marxismus, wie man ihn in der Befreiungstheologie zu gebrau- chen beansprucht, drängt sich eine vorgängige Kritik um so mehr auf, als das Denken von Marx eine Weltanschauung darstellt, in der zahlreiche Daten der Beobachtung und der beschreibenden Analyse in eine philosophisch-ideologi- sche Struktur integriert sind, die bestimmt, welche Bedeutung und relative Wichtigkeit man diesen Daten zumißt. Die ideologischen Apriori werden bei 1768 KON GREGA TIONEN der Lektüre der sozialen Wirklichkeit vorausgesetzt. So wird es unmöglich, die heterogenen Elemente auseinanderzuhalten, die dieses erkenntnistheoretisch hybride Gemisch bilden. Man glaubt, nur das aufzugreifen, was sich als Analyse darbietet, und wird dabei verleitet, gleichzeitig die Ideologie anzunehmen. Deshalb geschieht es nicht selten, daß unter dem, was viele „Befreiungstheologen“ marxistischen Autoren entleihen, die ideologischen Aspekte überwiegen. 7. Die Warnung Pauls VI. hat bis heute ihre volle Gültigkeit bewahrt: Im Marxismus, so wie er konkret gelebt wird, kann man verschiedene Aspekte und Fragen unterscheiden, die sich der Reflexion und dem Handeln der Christen stellen. „Es wäre freilich illusorisch und gefährlich, darüber zu vergessen, daß sie durch ein inneres Band untereinander radikal verbunden sind; die Elemente der marxistischen Analyse zu übernehmen, ohne deren Bezug zur Ideologie zu erkennen; in die Praxis des Klassenkampfes und dessen marxistische Interpretation einzutreten, und dabei zu übersehen, zu welchem Typus von totalitärer Gesellschaft dieser Prozeß führt.“ 8. Es stimmt zwar, daß sich marxistisches Denken von Anfang an, in deutlicherer Weise aber in den letzten Jahren in verschiedener Weise ausgeformt hat, so daß mehrere Strömungen entstanden sind, die sich beträchtlich voneinander unterscheiden. In dem Maße jedoch, wie solche Strömungen wirklich marxistisch bleiben, folgen sie weiterhin einigen Grundthesen, die mit der christlichen Auffassung vom Menschen und der Gesellschaft nicht zu vereinbaren sind. In diesem Rahmen sind gewisse Sprachformeln keineswegs neutral, sondern bewahren jene Bedeutung, die sie in der ursprünglichen marxistischen Doktrin erhalten haben. So verhält es sich zum Beispiel mit dem Ausdruck „Klassenkampf1. Dieser bleibt durchdrungen von der Interpretation, die ihm Marx gegeben hat; er sollte deshalb nicht für gleichbedeutend mit dem empirisch verstandenen Ausdruck „zugespitzter Sozialkonflikt“ gehalten werden. Wer ähnliche Formeln benutzt und dabei behauptet, nur gewisse Elemente der marxistischen Analyse beizubehalten, während er letztere als Ganzes zurückweise, schafft im Denken seiner Leser zumindest eine tiefe Zweideutigkeit. <148> <149> <150> <148> Wir rufen in Erinnerung, daß der Atheismus und die Negation der mensch- lichen Person, ihrer Freiheit und ihrer Rechte, sich im Zentrum der marxisti- schen Konzeption befinden. Diese enthalten auch die Irrtümer, die die Wahrheiten des Glaubens über die ewige Bestimmung der Person direkt bedrohen. Mehr noch, wer eine solche Analyse in die Theologie integrieren will, bei der 1769 KONGREGA TIONEN die Kriterien der Interpretation von dieser atheistischen Konzeption ab hängen, verstrickt sich in schlimme Widersprüche. Das Verkennen der geistigen Natur der Person führt dazu, diese völlig dem Kollektiv unterzuordnen und ebenso die Prinzipien eines sozialen und politischen Lebens zu leugnen, die mit der Menschenwürde übereinstimmen. 10. Die kritische Prüfung der analytischen Methoden, die man anderen Disziplinen entlehnt, ist für den Theologen besonders dringlich. Das Glaubenslicht vermittelt der Theologie ihre Prinzipien. Wenn daher der Theologe philosophische oder humanwissenschaftliche Ergebnisse gebraucht, so hat dieser Gebrauch „instrumentalen“ Wert und muß Gegenstand einer kritischen Prüfung theologischer Art sein. Anders gesagt, das letzte und entscheidende Wahrheitskriterium kann letztlich nur selber ein theologisches Kriterium sein. Die Gültigkeit oder der Grad an Gültigkeit dessen, was die anderen Disziplinen, im übrigen oft mehr mutmaßend, als Wahrheiten über den Menschen, seine Geschichte und sein Ziel vorlegen, muß im Licht des Glaubens geprüft werden, im Licht dessen, was der Glaube uns über die Wahrheit des Menschen und den letzten Sinn seines Weges lehrt. 11. Die Anwendung von der marxistischen Denkströmung entliehenen Interpretationsschemata auf die ökonomische, soziale und politische Wirklichkeit von heute kann auf den ersten Blick eine gewisse Wahrscheinlichkeit bieten, in dem Maße, als die Situation gewisser Länder einige Analogien mit den Situationen aufweist, die Marx in der Mitte des letzten Jahrhunderts beschrieben und interpretiert hat. Auf Grund dieser Analogien nimmt man Vereinfachungen vor, die von wesentlichen spezifischen Faktoren absehen und dadurch eine wirklich genaue Analyse der Ursachen des Elends verhindern und die Verwirrungen andauem lassen. <151> <151> Die Anhäufung des Großteils der Reichtümer durch eine Besitzeroligarchie ohne soziales Gewissen, das fast völlige Fehlen oder die Mängel des Rechtsstaats, die Militärdiktaturen, die die elementaren Menschenrechte mißachten, die Korruption bestimmter Machthaber, die zügellosen Praktiken des ausländischen Kapitals bilden in manchen Gegenden Lateinamerikas Faktoren, die ein gewaltiges Gefühl des Aufbegehrens bei denen hervorrufen, die sich als die ohnmächtigen Opfer eines neuen technologischen, finanziellen, monetären oder ökonomischen Kolonialismus betrachten. Das Bewußtwerden der Ungerechtigkeiten ist von einem Pathos begleitet, das seine Sprache oft dem Marxismus entlehnt, die mißbräuchlich als eine „wissenschaftliche“ Sprache hingestellt wird. 1770 KONGREGA TIONEN 13. Die erste Bedingung einer Analyse ist die völlige Bereitschaft, sich von der zu beschreibenden Wirklichkeit belehren zu lassen, ohne vorgefaßte Ideen. Ein kritisches Bewußtsein muß mit dem Gebrauch der Arbeitshypothesen Hand in Hand gehen, die man übernimmt. Man muß wissen, daß diese einem Teilgesichtspunkt entsprechen, was unweigerlich zur Folge hat, daß gewisse Aspekte der Wirklichkeit hervorgehoben, andere im Dunkel gelassen werden. Diese Begrenztheit, die sich aus der Natur der Sozialwissenschaften ergibt, wird von denen übersehen, die, statt Hypothesen zu gebrauchen, die als solche erkannt werden, eine umfassende Weltanschauung übernehmen, wie sie das Denken von Marx darstellt. VIII. Untergrabung des Sinnes für Wahrheit und die Gewalt 1. Diese Gesamtkonzeption besticht in ihrer Logik und treibt die „Theologien der Befreiung“ an, eine Summe von Positionen zu übernehmen, die mit dem christlichen Menschenbild unvereinbar sind. Der ideologische, dem Marxismus entlehnte Kern, auf den man sich bezieht, übt in der Tat die Funktion eines bestimmenden Prinzips aus. Diese Rolle wird ihm aufgrund der Qualifikation als wissenschaftlich, das heißt als notwendig wahr, zugesprochen. In diesem Kern kann man verschiedene Komponenten unterscheiden. 2. In der Logik des marxistischen Denkens ist die „Analyse“ nicht von der Praxis und von der Geschichtsauffassung, die mit ihr verbunden ist, zu trennen. So ist die Analyse ein Instrument der Kritik, und die Kritik ist ihrerseits nur ein Moment des revolutionären Kampfes. Der Kampf ist der der Klasse des Proletariats, die mit einer geschichtlichen Sendung betraut ist. 3. Deshalb kann nur derjenige, der an diesem Kampf teilnimmt, eine korrekte Analyse durchführen. 4. Das richtige Bewußtsein ist daher das parteiliche Bewußtsein. Man sieht, daß hier die Auffassung von der Wahrheit auf dem Spiel steht. Sie wird vollständig umgekehrt: Wahrheit gibt es nur, so wird behauptet, in der und durch die parteiliche Praxis. <152> <152> Die Praxis und die Wahrheit, die sich aus ihr ergibt, sind parteiliche Praxis und Wahrheit, da die Grundstruktur der Geschichte vom Klassenkampf gekennzeichnet ist. Es besteht daher eine objektive Notwendigkeit, in den 1771 KONGREGA TIONEN Klassenkampf einzutreten (der das dialektische Gegenteil der Ausbeutungsbeziehung ist, die man anprangert). Die Wahrheit ist Klassenwahrheit; Wahrheit gibt es nur im Kampf der revolutionären Klasse. 6. Das Grundgesetz der Geschichte, der Klassenkampf, beinhaltet, daß die Gesellschaft auf der Gewalt aufbaut. Der Gewalt, die die Herrschaftsbeziehung der Reichen über die Armen darstellt, antwortet die revolutionäre Gegengewalt, durch die diese Beziehung umgestürzt werden wird. 7. Der Klassenkampf wird als ein objektives, notwendiges Gesetz dargestellt. Indem man in diesen Prozeß auf seiten der Unterdrückten eintritt, „tut“ man die Wahrheit, handelt man „wissenschaftlich“. Folglich geht diese Auffassung von der Wahrheit mit der Behauptung der Notwendigkeit von Gewalt Hand in Hand und damit mit dem politischen Amoralismus. In diesen Perspektiven verliert die Bezugnahme auf ethische Forderungen nach radikalen und mutigen strukturellen und institutioneilen Reformen jeden Sinn. 8. Das Grundgesetz des Klassenkampfes hat den Charakter des Umfassenden und Universalen.- Es spiegelt sich in allen Lebensbereichen, den religiösen, ethischen, kulturellen und institutioneilen. Keiner dieser Bereiche ist diesem Gesetz gegenüber autonom. In allen diesen Bereichen ist dieses Gesetz das bestimmende Element. 9. Durch die Abhängigkeit dieser Thesen vom marxistischen Ursprung wird besonders das Wesen der Ethik radikal in Frage gestellt. De facto wird das transzendente Prinzip der Unterscheidung von Gut und Böse, das Grundprinzip der Moral, in der Sicht des Klassenkampfes implizit geleugnet. IX. Die „theologische“ Übersetzung dieses Kerns 1. Die in Frage stehenden Positionen finden sich mitunter wörtlich in gewissen Schriften der „Befreiungstheologen“. Bei anderen erscheinen sie von ihren Prämissen logisch abgeleitet. Zudem sind sie bei bestimmten liturgischen Praktiken vorausgesetzt, wie zum Beispiel die „Eucharistie“ in eine Feier des Klassenkampfes umgeformt wird, auch wenn es denjenigen, die daran teilnehmen, nicht voll bewußt ist. Es handelt sich also um ein wirkliches System, wenn auch manche zögern, der Logik bis auf den Grund zu folgen. Dieses so beschaffene System ist eine Perversion der christlichen Botschaft, wie Gott sie seiner 1772 KONGREGA TIONEN Kirche anvertraut hat. Diese Botschaft wird also in ihrer Ganzheit bei den „Befreiungstheologien“ in Frage gestellt. 2. Die „Befreiungstheologien“ übernehmen nicht die Tatsache der gesellschaftlichen Schichtungen und die mit ihnen verbundenen Ungerechtigkeiten, sondern die Theorie des Klassenkampfes als strukturelles Grundgesetz der Geschichte. Man zieht dabei die Schlußfolgerung, daß der so verstandene Klassenkampf selbst die Kirche spaltet und daß man die kirchliche Wirklichkeit von ihm her beurteilen muß. Man behauptet auch, es hieße unredlicherweise eine trügerische Illusion aufrechterhalten zu beanspruchen, daß die Liebe in ihrer Universalität das besiegen könnte, was doch das erste Strukturgesetz der kapitalistischen Gesellschaft darstellt. . 3. In dieser Sicht ist der Klassenkampf der Motor der Geschichte. Dadurch wird die Geschichte zu einem Zentralbegriff. Man sagt, Gott sei Geschichte geworden. Man fügt hinzu, es gebe nur eine Geschichte, in der nicht mehr zwischen Heils- und Profangeschichte unterschieden werden darf. Die Unterscheidung aufrechterhalten hieße, in einen „Dualismus“ zu fallen. Dergleichen Aussagen zeugen von einem historizistischen Immanentismus. Dadurch ist man bestrebt, das Reich Gottes und sein Werden mit der menschlichen Befreiungsbewegung zu identifizieren und aus der Geschichte das Subjekt ihrer eigenen Entwicklung als Prozeß der Selbsterlösung des Menschen durch den Klassenkampf zu machen. Diese Identifizierung steht zum Glauben der Kirche in Widerspruch, wie ihn das Zweite Vatikanische Konzil in Erinnerung gerufen hat. 4. In dieser Richtung gehen manche so weit, Gott selbst mit der Geschichte zu identifizieren und den Glauben als „Treue zur Geschichte“ zu definieren, womit eine Treue gemeint ist, die in der politischen Praxis engagiert ist, wie sie der Vorstellung von der Entwicklung der Menschheit entspricht, die als ein rein zeitlicher Messianismus aufgefaßt wird. 5. Folglich erhalten Glaube, Hoffnung und Liebe einen neuen Inhalt: Sie bedeuten „Treue zur Geschichte“, Vertrauen in die Zukunft“ und „Entscheidung für die Armen“. Das heißt, sie werden in ihrer theologischen Wirklichkeit geleugnet. <153> <153> Eine radikale Politisierung der Glaubensaussagen und der theologischen Urteile ist die unvermeidliche Folge dieser neuen Auffassung. Es geht nicht mehr nur darum, die Aufmerksamkeit auf die politischen Folgen und Auswir- 1773 KONGREGATIONEN kungen der Glaubenswahrheiten zu lenken, die in ihrem transzendenten Wert geachtet werden. Vielmehr wird jede Aussage des Glaubens und der Theologie einem politischen Kriterium unterzogen, das seinerseits wieder von der Theorie des Klassenkampfes als des Motors der Geschichte abhängt. 7. Daher wird der Einsatz im Klassenkampf als eine Forderung der Liebe hingestellt. Man prangert es als eine demobilisierende und der Liebe zu den Armen entgegengesetzte Haltung an, wenn man schon jetzt jeden Menschen lieben will, zu welcher Klasse er auch gehöre, und wenn man ihm auf den Wegen des gewaltlosen Dialogs und der Überzeugung begegnen möchte. Wenn man auch sagt, er solle nicht Gegenstand des Hasses sein, so behauptet man doch, daß er aufgrund seiner objektiven Zugehörigkeit zur Welt der Reichen zuerst ein zu bekämpfender Klassenfeind sei. Daher wird die Universalität der Nächstenliebe und der Brüderlichkeit zu einem eschatologischen Prinzip, das erst für den „neuen Menschen“ gelten wird, der aus der siegreichen Revolution hervorgehen wird. 8. Bezüglich der Kirche besteht die Tendenz, in ihr nur eine innergeschichtliche Wirklichkeit zu sehen, die auch nur den Gesetzen gehorcht, die angeblich die geschichtliche Entwicklung in ihrer Immanenz lenken. Diese Reduktion entleert die Kirche von ihrer eigenen Wirklichkeit, die Gabe der Gnade Gottes und Geheimnis des Glaubens ist. Gleicherweise bestreitet man, daß die Teilnahme am gleichen eucharistischen Tisch für Christen, die ansonsten entgegengesetzten Klassen angehören, noch einen Sinn habe. 9. In ihrer positiven Bedeutung bezeichnet die Kirche der Armen die Bevorzugung - ohne Ausschließlichkeit - der Armen in allen Formen des menschlichen Elends, weil sie die Bevorzugten Gottes sind. Der Ausdruck bezeichnet zudem, daß in unserer Zeit der Kirche als Gemeinschaft und als Institution sowie ihren Gliedern die Forderungen der evangelischen Armut bewußt werden. <154> <154> Die „Befreiungstheologien“ haben zwar das Verdienst, die großen Texte der Propheten und des Evangeliums über die Verteidigung der Armen wieder aufgewertet zu haben, doch verwechseln sie darüber hinaus in verderblicher Weise den Armen der Schrift mit dem Proletariat von Marx. Dadurch wird der christliche Sinn der Armut pervertiert, und der Kampf für die Rechte der Armen verwandelt sich in eine Klassenauseinandersetzung im ideologischen Sinn des Klassenkampfes. Die Kirche der Armen bezeichnet dann eine Klassenkirche, die sich der Notwendigkeit des revolutionären Kampfes als Etappe zur Befreiung bewußt geworden ist und die diese Befreiung in ihrer Liturgie feiert. 1774 KONGREGA TIONEN 11. Eine analoge Bemerkung muß bezüglich des Ausdrucks: Volkskirche gemacht werden. Vom pastoralen Standpunkt aus kann man darunter die vorrangigen Adressaten der Evangelisierung verstehen, diejenigen, denen sich wegen ihrer Lebensbedingungen die pastorale Liebe der Kirche besonders zuwendet. Man kann von der Kirche auch als vom ,yolk Gottes“ sprechen, d. h. vom Volk des Neuen Bundes, den Christus geschlossen hat. 12. Die „Befreiungstheologien“, von denen wir hier sprechen, verstehen aber unter Volkskirche eine Klassenkirche, die Kirche des unterdrückten Volkes, das es „bewußtzumachen“ gilt für den organisierten Befreiungskampf. Das so verstandene Volk wird für manche sogar zum Glaubensgegenstand. 13. Ausgehend von einer solchen Auffassung von der Volkskirche wird eine Kritik der Kirchenstrukturen entwickelt. Es geht nicht mehr nur um eine brüderliche Zurechtweisung derjenigen Hirten der Kirche, deren Verhalten nicht den evangelischen Geist des Dienens widerspiegelt und sich an überholte Autoritätszeichen klammert, die den Arm en ein Ärgernis sind. Es handelt sich vielmehr um eine Infragestellung der sakramentalen und hierarchischen Struktur der Kirche, wie der Herr selber sie gewollt hat. Man verurteilt die Hierarchie und das Lehramt als eindeutige Vertreter der herrschenden Klasse, die man notwendigerweise bekämpfen muß. Theologisch läuft diese Position darauf hinaus, daß gesagt wird, das Volk sei die Quelle der Ämter, es könne sich deshalb selber die Amtsträger seiner Wahl geben, entsprechend den Bedürfnissen seiner historischen, revolutionären Sendung. X. Eine neue Hermeneutik 1. Die parteiliche Auffassung von der Wahrheit, die sich in der revolutionären Klassenpraxw kundtut, erhärtet diese Position. Die Theologen, die die Thesen der „Befreiungstheologie“ nicht teilen, die Hierarchie und vor allem das römische Lehramt werden apriori diskreditiert, da sie zur Unterdrückerklasse gehören. Argumente und Lehren brauchen daher erst gar nicht für sich geprüft werden, da sie nur Klasseninteressen widerspiegeln. Dadurch wird deren Rede für prinzipiell falsch erklärt. 2. Hier zeigt sich der umfassende und totalisierende Charakter der „Befreiungstheologie“. Diese muß folglich nicht in dieser oder jener ihrer Aussagen kritisiert werden, sondern auf der Ebene des Klassenstandpunktes, den sie 1775 KON GREGA TIONEN apriori einnimmt und der in ihr als ein b estimmendes hermeneutisches Prinzip wirkt. 3. Aufgrund dieses Klassenvorverständnisses wird es äußerst schwierig, um nicht zu sagen unmöglich, von manchen „Befreiungstheologen“ einen echten Dialog zu erreichen, in dem der Gesprächspartner gehört und seine Argumente objektiv und aufmerksam diskutiert werden. Denn diese Theologen gehen, mehr oder weniger bewußt, von der Voraussetzung aus, daß der Standpunkt der unterdrückten und revolutionären Klasse, der der ihre sei, den einzigen Standpunkt der Wahrheit ausmache. Die theologischen Wahrheitskriterien werden dadurch relativiert und den Forderungen des Klassenkampfes untergeordnet. In dieser Perspektive ersetzt man die Orthodoxie als die rechte Glaubensregel durch die Idee der Orthopraxie als Wahrheitskriterium. In dieser Hinsicht darf die praktische Ausrichtung, die auch der herkömmlichen Theologie eigen ist, und zwar mit dem gleichen Recht wie die spekulative Ausrichtung, mit einem bevorzugten Primat, wie er in einer bestimmten Form von Praxis vorkommt, nicht verwechselt werden. Letztere ist in der Tat eine revolutionäre Praxis, die zum obersten Kriterium der theologischen Wahrheit erhoben wird. Eine gesunde theologische Methodologie berücksichtigt ohne Zweifel die Praxis der Kirche und findet dort eine ihrer Grundlagen, aber nur deshalb, weil sie aus dem Glauben hervorkommt und sein gelebter Ausdruck ist. 4. Die Soziallehre der Kirche wird verächtlich verworfen. Sie gehe, so sagt man, von der Illusion eines möglichen Kompromisses aus, die für die Mittelklassen typisch sei, die ohne historische Bestimmung sind. 5. Die neue Hermeneutik, die in den „Befreiungstheologien“ vertreten wird, führt zu einer im wesentlichen politischen „relecture“ der Schrift. So wird dem Ereignis des Exodus eine vorrangige Bedeutung zugemessen, insofern er Befreiung aus der politischen Knechtschaft ist. Auch das Magniflkat wird politisch gelesen. Der Fehler besteht hier nicht darin, daß man für eine politische Dimension der biblischen Berichte aufmerksam ist, sondern darin, daß aus ihr die wichtigste und ausschließliche Dimension gemacht wird, was zu einer verkürzenden Lektüre der Schrift führt. <155> <156> <157> <158> <155> Ebenso stellt man sich in die Perspektive eines zeitlichen Messianismus, der eine der radikalsten Ausdrucksformen der Säkularisierung des Reiches Gottes und seines Verschwindens in der Immanenz der menschlichen Geschichte dar- stellt. 1776 KON GREGA TIONEN 7. Indem man auf diese Weise die politische Dimension privilegiert, gelangt man dazu, die radikale Neuheit des Neuen Testaments zu leugnen und vor allem die Person unseres Herrn Jesus Christus zu verkennen, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist, sowie den spezifischen Charakter der Befreiung, die er uns gebracht hat und die zuerst Befreiung von der Sünde ist, der Quelle aller Übel. 8. Anderseits entfernt man sich eben dadurch von der Tradition, daß man die autorisierte Auslegung durch das Lehramt ablehnt, indem man sie als eine klassenbedingte Auslegung verurteilt. Dadurch beraubt man sich eines wesentlichen theologischen Auslegungskriteriums und in dem dadurch entstandenen Leerraum greift man zu den radikalsten Thesen der rationalistischen Exegese. So übernimmt man unkritisch den Gegensatz zwischen dem „Jesus der Geschichte“ und dem „Christus des Glaubens“. 9. Gewiß hält man am Buchstaben der Glaubensformeln fest, besonders an der von Chalkedon, doch gibt man ihnen eine neue Bedeutung, die eine Verneinung des kirchlichen Glaubens ist. Einerseits verwirft man die von der Tradition getragene christologische Lehre im Namen des Klassenkriteriums; anderseits beansprucht man, dem „Jesus der Geschichte“ von der revolutionären Erfahrung des Befreiungskampfes der Armen her zu begegnen. 10. Man gibt vor; eine analoge Erfahrung zu der zu erleben, die Jesus gemacht haben soll. Die Erfahrung der Armen, die für ihre Befreiung kämpfen, die die Erfahrung Jesu gewesen sein soll, offenbare einzig und allein die Erkenntnis des wahren Gottes und seines Reiches. 11. Es ist klar, daß hier der Glaube an das fleischgewordene Wort, das für alle Menschen gestorben und auferstanden ist und das Gott „zum Herrn und Christus gemacht hat“, geleugnet wird. Man ersetzt es durch eine Jesusgestalt, die eine Art Symbol darstellt, das in sich die Forderungen des Kampfes der Unterdrückten zusammenfaßt. 12. So gibt man dem Tod Christi eine ausschließlich politische Deutung. Dadurch leugnet man seine Heilsbedeutung und die ganze Heilsökonomie der Erlösung. <159> <159> Die neue Interpretation betrifft daher das Ganze des christlichen Mysteriums. 1777 KONGREGA TIONEN 14. Ganz allgemein betrachtet bewirkt sie eine Art Umkehr der Symbole.. Anstatt zum Beispiel mit dem hl. Paulus im Exodus ein Bild für die Taufe zu sehen, ist man geneigt, aus dieser ein Symbol der politischen Befreiung des Volkes zu machen. 15. Da dasselbe hermeneutische Kriterium auch auf das kirchliche Leben und die hierarchische Verfassung der Kirche angewandt wird, werden die Beziehungen zwischen der Hierarchie und der „Basis“ Herrschaftsbeziehungen, die dem Gesetz des Klassenkampfes gehorchen. Die Sakramentalität, die die Wurzel der kirchlichen Ämter ist und die aus der Kirche eine geistliche Wirklichkeit macht, die nicht auf eine rein soziologische Analyse beschränkt werden kann, wird einfach übergangen. 16. Die Umkehrung der Symbole kann man auch im Bereich der Sakramente beobachten. Die Eucharistie wird nicht mehr in ihrer Wahrheit als sakramentale Gegenwart des Opfers der Versöhnung und als die Gabe von Leib und Blut Christi verstanden. Sie wird zur Feier des Volkes in seinem Kampf. Daher wird die Einheit der Kirche radikal geleugnet. Die Einheit, die Versöhnung, die Gemeinschaft in der Liebe werden nicht mehr als eine Gabe verstanden, die wir von Christus empfangen. Die Einheit wird von der historischen Klasse der Armen durch ihren Kampf aufgerichtet werden. Der Klassenkampfist der Weg dieser Einheit. Die Eucharistie wird so zur Klasseneucharistie. Gleichzeitig wird die siegreiche Kraft der Liebe Gottes geleugnet, die wir empfangen. XI. Orientierungen 1. Die Warnung vor den schweren Abweichungen, die in manchen „Befreiungstheologien“ enthalten sind, darf keinesfalls als eine auch nur indirekte Gutheißung derer verstanden werden, die zur Fortdauer des Elends der Völker beitragen, die davon profitieren, die sich daran beteiligen oder die dieses Elend unberührt läßt. Die Kirche, die dem Evangelium von der Barmherzigkeit und der Liebe zum Menschen folgt, hört den Ruf nach Gerechtigkeit und möchte mit allen ihren Kräften darauf antworten. 2. Ein immenser Anruf richtet sich daher an die Kirche. Mit Mut und Wagnis, mit Klarsicht und Klugheit, mit Eifer und Seelenstärke, mit einer bis zum Opfer gehenden Liebe zu den Armen sollen die Hirten - und viele tun es bereits - es als eine vorrangige Aufgabe betrachten, auf diesen Ruf zu antworten. 1778 KONGREGA TIONEN 3. Alle, Priester, Ordensleute und Laien, die diesen Ruf nach Gerechtigkeit hören und für die Evangelisierung und die Förderung des Menschen arbeiten wollen, werden es in Gemeinschaft mit ihrem Bischof und mit der Kirche tun, jeder entsprechend seiner spezifischen kirchlichen Berufung. 4. Im Bewußtsein des kirchlichen Charakters ihrer Berufung werden die Theologen loyal und im Geist des Dialogs mit dem Lehramt der Kirche Zusammenarbeiten. Sie werden im Lehramt ein Geschenk Christi an seine Kirche erkennen und sein Wort und seine Weisung mit kindlichem Respekt entgegennehmen. 5. Die Anforderungen einer echten menschlichen Förderung und Befreiung kann man nur von dem in seiner Ganzheit gesehenen Auftrag zur Evangelisierung her verstehen. Die unerläßlichen Pfeiler dieser Befreiung sind die Wahrheit über Jesus Christus, den Erlöser, die Wahrheit über die Kirche und die Wahrheit über den Menschen und seine Würde. Die Kirche, die auf der ganzen Welt Kirche der Armen sein will, ist entschlossen, den wichtigen Kampf für die Wahrheit und für die Gerechtigkeit zu führen, und dies im Licht der Seligpreisungen, vorab der Seligpreisung der vor Gott Armen. Sie wendet sich an jeden Menschen und aus diesem Grunde an alle Menschen. Sie ist „die universale Kirche, die Kirche der Menschwerdung. Sie ist keine Kirche einer Klasse oder nur einer Kaste. Und sie spricht im Namen der Wahrheit. Diese Wahrheit ist realistisch“. Sie lehrt, Jede menschliche Wirklichkeit, jede Ungerechtigkeit, jede Spannung, jeden Kampf131 wahrzunehmen. 6. Eine wirksame Verteidigung der Gerechtigkeit muß sich auf die Wahrheit über den Menschen stützen, der nach dem Bild Gottes geschaffen und zur Gnade der Gotteskindschaft berufen ist. Die Anerkennung der wahren Beziehung des Menschen zu Gott stellt das Fundament jener Gerechtigkeit dar, die die Beziehungen unter den Menschen regelt. Deshalb ist der Kampf für die Menschenrechte, den die Kirche ständig in Erinnerung ruft, der wahre Kampf für die Gerechtigkeit. <160> <160> Die Wahrheit über den Menschen erfordert, daß dieser Kampf mit Mitteln geführt wird, die der menschlichen Würde gemäß sind. Deshalb muß der systematische und planmäßige Gebrauch der blinden Gewalt, von welcher Seite sie auch komme, verurteilt werden.32 Man wird das Opfer einer tödlichen Illusion, wenn man auf gewalttätige Mittel vertraut, in der Hoffnung, mehr Gerechtigkeit zu erwirken. Gewalt erzeugt Gewalt und entwürdigt den Menschen. Sie schändet die Würde des Menschen in der Person der Opfer, und sie erniedrigt diese gleiche Würde bei denen, die Gewalt anwenden. 1779 KONGREGA TIONEN 8. Die Dringlichkeit der radikalen Reformen jener Strukturen, die Elend hervorbringen und die selber Formen der Gewalt darstellen, darf nicht dazu verleiten, daß man übersieht, daß die Quelle der Ungerechtigkeit im Herzen des Menschen liegt. Soziale Veränderungen, die wirklich im Dienst des Menschen sind, wird man nur dadurch erreichen, daß man an die ethischen Fähigkeiten der Person und an die beständige innere Umkehr appelliert. Denn je mehr die Menschen frei, aus eigener Initiative und solidarisch an diesen notwendigen Veränderungen mitwirken werden, desto mehr werden sie in ihrer Menschlichkeit wachsen. Die Verkehrung von Moralität und Strukturen stammt aus einer materialistischen Anthropologie, die mit der Wahrheit über den Menschen unvereinbar ist. 9. Es ist daher gleichfalls eine tödliche Illusion zu glauben, neue Strukturen brächten von sich aus einen „neuen Menschen“ hervor, im Sinne der Wahrheit über den Menschen. Der Christ kann nicht verkennen, daß der uns verliehene Heilige Geist die Quelle jeder wahren Neuheit ist und daß Gott der Herr der Geschichte ist. 10. Ebenso ist der Umsturz von Ungerechtigkeit erzeugenden Strukturen durch die revolutionäre Gewalt nicht ipsofacto der Beginn der Errichtung einer gerechten Herrschaft. Eines der wichtigsten Fakten unserer Zeit muß alle, die ehrlich die Befreiung ihrer Brüder wollen, zum Nachdenken anregen. Millionen unserer Zeitgenossen sehnen sich legitimerweise danach, die grundlegenden Freiheiten wiederzuerlangen, deren sie durch totalitäre und atheistische Regierungsformen beraubt wurden, die auf revolutionärem und gewalttätigem Weg die Macht an sich gerissen haben, und dies im Namen der Befreiung des Volkes. Man kann diese Schande unserer Zeit nicht übersehen: Ganze Nationen werden unter menschenunwürdigen Bedingungen in Knechtschaft gehalten, während gleichzeitig behauptet wird, man bringe ihnen die Freiheit. Diejenigen, die, vielleicht unbewußt, sich zum Verbündeten solcher Unterdrückung machen, verraten die Armen, denen sie zu dienen behaupten. <161> <161> Der Klassenkampf als Weg zu einer klassenlosen Gesellschaft ist ein Mythos, der die Reformen verhindert sowie das Elend und die Ungerechtigkeiten verschlimmert. Diejenigen, die sich von diesem Mythos faszinieren lassen, sollten die bitteren geschichtlichen Erfahrungen bedenken, zu denen dieser geführt hat. Sie sollen verstehen, daß es sich nicht darum handelt, eine wirksame Form des Kampfes zugunsten der Armen auf Kosten eines Ideals aufzugeben, das wirkungslos sein wird. Es handelt sich im Gegenteil darum, sich von einem Blendwerk zu befreien, um sich auf das Evangelium und seine befreiende Kraft zu berufen. 1780 KONGREGA TIONEN 12. Eine der Voraussetzungen für die notwendige theologische Erneuerung ist es, die kirchliche Soziallehre wieder zu betonen. Diese Lehre ist keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil, sie ist offen für alle neuen Fragen, die im Laufe der Zeit auftauchen. In dieser Hinsicht ist der Beitrag der Theologen und Denker der Dritten Welt zur Reflexion der Kirche heute unerläßlich. 13. Ebenso ist die Erfahrung derer, die direkt in der Evangelisierung und der Förderung der Armen und Unterdrückten arbeiten, für die Lehr- und Pastoral-reflexion der Kirche notwendig. In diesem Sinne kann man sagen, daß gewisse Aspekte der Wahrheit von der Praxis her bewußt werden, wenn man darunter die pastorale und soziale Praxis versteht, die sich am Evangelium ausrichtet. 14. Die kirchliche Soziallehre bietet die großen ethischen Richtlinien. Damit sie aber direkt das Handeln leiten kann, braucht es kompetente Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Technik. Die Hirten sollen auf die Ausbildung solcher kompetenter Persönlichkeiten achten, die tief aus dem Evangelium leben. Es gehört zur ureigenen Sendung der Laien, die Gesellschaft zu formen; hier sind sie höchstpersönlich betroffen. 15. Die Thesen der „Befreiungstheologien“ werden in einer vereinfachten Form weit verbreitet in Bildungstagungen und in Basisgruppen, denen es an katechetischer und pastoraler Vorbereitung mangelt. So werden diese Thesen von hochherzigen Männern und Frauen übernommen, ohne daß ihnen ein kritisches Urteil möglich wäre. 16. Deshalb müssen die Hirten über die Qualität und den Inhalt der Katechese und der Ausbildung wachen, welche immer die Heilsbotschaft in ihrer Ganzheit und, in deren Rahmen, die Forderungen der wahren menschlichen Befreiung darstellen sollen. <162> <162> In dieser ganzheitlichen Darlegung des christlichen Mysteriums wird es angebracht sein, gerade jene wesentlichen Aspekte zu betonen, die die „Befreiungstheologien“ in besonderer Weise verkennen oder ausschließen: die Transzendenz und die Ungeschuldetheit der Befreiung in Jesus Christus, der wahrer Gott und wahrer Mensch ist; die Souveränität seiner Gnade, die wahre Natur der Heilsmittel, besonders der Kirche und der Sakramente. Man wird an die wahre Bedeutung der Ethik erinnern, in der die Unterscheidung von Gut und Böse nicht relativiert werden darf, an den authentischen Sinn der Sünde, die Notwendigkeit der Bekehrung und die Universalität des Gebotes der Nächstenliebe. Man wird vor einer Politisierung der menschlichen Existenz warnen, 1781 KONGREGATIONEN die die Eigenart des Reiches Gottes und die Transzendenz der Person verkennt und die auf eine Sakralisierung des Politischen und eine Vereinnahmung der Volksreligiosität für revolutionäre Vorhaben hinausläuft. 18. Den Verteidigern der „Orthodoxie“ wirft man manchmal Passivität, Nachsichtigkeit und schuldhafte Mitwisserschaft gegenüber unerträglichen Situationen der Ungerechtigkeit und gegenüber politischen Regimen, die diese erhalten, vor. Wie es auch um die Berechtigung dieses Vorwurfs stehen mag, sicher ist von allen, besonders aber von den Hirten und den Verantwortlichen, die geistliche Bekehrung, die intensive Gottes- und Nächstenliebe, der Eifer für Gerechtigkeit und Frieden, der evangelische Sinn für die Armen und die Armut gefordert. Die Sorge um die Reinheit der Lehre geht nicht ohne die Bemühung, durch ein integrales theologales Leben die Antwort eines wirksamen Zeugnisses des Dienstes am Nächsten, besonders aber am Armen und Unterdrückten, zu geben. Durch das Zeugnis ihrer dynamischen und konstruktiven Fähigkeit zu lieben werden die Christen so die Grundlagen jener „Zivilisation der Liebe“ legen, von der, nach Paul VI., auch die Konferenz von Puebla gesprochen hat. Im übrigen gibt es zahlreiche Priester, Ordensleute und Laien, die sich in wahrhaft evangelischem Geist der Bildung einer gerechten Gesellschaft widmen. 1782 KONGREGA TIONEN Abschluß Die Worte Pauls VI. in seinem Credo des Gottesvolkes sprechen in großer Klarheit den Glauben der Kirche aus, von dem man sich nicht entfernen darf, ohne Gefahr zu laufen, nicht nur geistlich Schifibruch zu erleiden, sondern auch neues Elend und neue Knechtschaften zu verursachen. „Wir bekennen, daß Gottes Reich hier auf Erden in der Kirche Christi seinen Anfang nimmt und nicht von dieser Welt ist, deren Antlitz ja vergeht, und daß das Wachstum der Kirche nicht mit dem Fortschritt der Zivilisation, der Wissenschaft und Technik des Menschen gleichgesetzt werden darf, sondern daß die Kirche nur aus dem einen Grunde besteht, um immer tiefer den unergründlichen Reichtum Christi zu erkennen, immer zuversichtlicher auf die ewigen Güter zu hoffen, immer besser der Liebe Gottes zu antworten und den Menschen immer freigebiger die Güter der Gnade und Helligkeit mitzuteilen. Ebenso ist es die Liebe, die die Kirche bewegt, sich stets um das wahre zeitliche Wohl der Menschen zu sorgen. Unablässig erinnert sie ihre Kinder daran, daß ihnen hier auf Erden keine bleibende Wohnung beschieden ist. Sie drängt sie dazu, daß jeder von ihnen, entsprechend seiner Berufung und seinen Möglichkeiten, zum Wohle seiner Gemeinschaft beiträgt, daß er Gerechtigkeit, Frieden und Brüderlichkeit unter den Menschen fordert und seinen Brüdern, vor allem den Armen und Unglücklichen, hilft. Die stete Sorge der Kirche, der Braut Christi, für die Not der Menschen, für ihre Freuden und Hoffnungen, für ihre Arbeiten und Mühen ist demnach nichts anderes als die große Sehnsucht, ihnen nahe zu sein, um sie zu erleuchten mit dem Lichte Christi und sie alle in ihm, ihrem alleinigen Heüand, zu vereinen. Diese Sorge kann niemals bedeuten, daß sich die Kirche den Dingen dieser Welt gleichförmig macht, noch kann sie die brennende Sehnsucht mindern, mit der die Kirche ihren Herrn und sein ewiges Reich erwartet.“ Diese Instruktion, die in der ordentlichen Versammlung dieser Kongregation verabschiedetwurde, hat Papst Johannes Paul II. in der dem Unterzeichneten Kardinalpräfekten gewährten Audienz gutgeheißen und ihre Veröffentlichung angeordnet. Gegeben am 6. August 1984, dem Fest der Verklärung des Herrn, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre in Rom. Joseph Kardinal Ratzinger Präfekt Alberto Bovone Tit.-Erzbischof von Cesarea in Numidien Sekretär 1783 KONGREGA TIONEN Anmerkungen 1 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, 4. 2 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Dei verbum, 10. 3 Vgl. Gal 5, 1 ff. 4 Vgl. Ex 24. 5 Vgl. Jer 31, 31-34; Ez 36, 26 ff. 6 Vgl. Ze/3, 12 ff 7 Vgl. Dtn 10, 18-19. 8 Vgl. Lk 10, 25-37. 9 Vgl. 2 Kor 8, 9. 10 Vgl. Mt 25, 31-46; Apg 9, 4-5; Kol 1, 24. 11 Vgl. Jak 5, 1 ff 12 Vgl. 1 Kor 11, 17-34. 13 Vgl. Jak 2, 14-26. 14 Vgl. AAS 11 (1979) 1144-1160. 15 Vgl. AAS 71 (1979) 196. 16 Vgl. Evangelii nuntiandi, 25-33: AAS 68 (1976) 23-28. 17 Vgl. Evangelii nuntiandi, 32: AAS 68 (1976) 27. 18 Vgl. AAS 11 (1979) 188-196. 19 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, 39; Papst Pius XI., Quadragesimo anno:AAS23 (1931) 207. 20 Vgl. Nr. 1134-1165 und Nr. 1166-1205. 21 Vgl. Dokument von Puebla IX II. 22 Papst Paul VI., Octogesima adveniens, 34: AAS 63 (1971) 424-425. 23 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Lumen gentium, 9-17. 24 Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Gaudium et spes, 39. 25 Vgl. Apg 2, 36. 26 Vgl. 1 Kor 10, 1-2. 27 Vgl. Eph 2, 11-22. 28 Vgl. Dokument von Puebla I, III, 3. 3. 29 Vgl. Lk 10, 16. 30 Vgl. Papst Johannes Paul II., Eröffnungsrede auf der Konferenz von Puebla: AAS 71 (1979) 188-196; Dokument von Puebla II, I. 31 Vgl. Papst Johannes Paul II., Rede an die Favela „Vidigal" in Rio de Janeiro, 2. Juli 1980:^44572 (1980) 852-858. 32 Vgl. Dokument von Puebla II, II, 5. 4. 33 Vgl. Dokument von Puebla IXIII, 3. 3. 34 Vgl. Dokument von Puebla IX II, 2. 3. 35 Papst Paul VI., Credo des Gottesvolkes, 30. Juni 1968: AAS 60 (1968) 443-444. 1784 KONGREGA TIONEN VARIATIONES Die Änderungen, die in den liturgischen Büchern gemäß den Normen des neuen Codex Iuris Canonici einzuführen sind 12. September 1983 <163> <163> Die „Variationes“ werden gemeinsam mit dem Dekret der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst in diesem Dokumentationsband des Jahres 1984 ergänzt um einen Kommentar nach Inkrafttreten des neuen CIC veröffentlicht. 1785 KON GREGA TIONEN Inhalt Vorwort Dekret I. Allgemeine Einführung in das Meßbuch II. Pastorale Einführung in die Leseordnung der Messe III. Kommunionspendung und Eucharistieverehrung außerhalb der Messe IV. Die Feiern der Eingliederung - Allgemeine Vorbemerkungen V. Die Feier der Kindtaufe VI. Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche VII. Die Feier der Firmung VIII. Die Feier der Buße IX. Die Feier der Krankensakramente X. Die Feier der Kirchweihe und Altarweihe XI. Die Feier der Ölweihen XII. Die Feier der Ordensprofeß XIII. Die kirchliche Begräbnisfeier XIV. Allgemeine Einführung in das Stundengebet Kommentar 1786 KONGREGATIONEN Vorwort Der Codex Iuris Canonici, den Papst Johannes Paul II. am 25. Januar 1983 veröffentlicht hat, ist vom 1. Adventssonntag des Jahres 1983 an verpflichtend. Hinsichtlich der liturgischen Gesetze ist zu beachten, was in can. 2 des neuen Codex festgesetzt ist, nämlich: „Die bislang geltenden liturgischen Gesetze behalten ihre Geltung, soweit nicht eines von diesen den Canones des Codex zuwiderläuft.“ Daher hat die Sektion für den Gottesdienst der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst „Variationes“ erarbeitet, die in Neuausgaben liturgischer Bücher gemäß den Normen des neuen Codex Iuris Canonici einzuführen sind. Dazu gehören: 1. das Dekret, durch das die „Variationes“ approbiert werden (S. 6); 2. die Texte der „Variationes“ (S. 7-44); 3. ein Kommentar (S. 45-50). Zu 1+2: Entsprechend einem Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz werden hier die „Variationes“ in deutscher Übersetzung veröffentlicht. Die vorliegende Übersetzung enthält jeweils den bisher geltenden Text des liturgischen Buches und anschließend den neuen Text. Dabei richtet sich die Übersetzung, soweit es sich um wörtliche Zitate aus dem Codex Iuris Canonici handelt, nach der offiziellen Übersetzung des Codex Iuris Canonici. Die Änderungen sind jeweils kursiv gedruckt. Stimmen der alte und der neue Text der lateinischen Praenotanda mit dem Wortlaut des Codex überein, so ist bei der neuen deutschen Fassung der Wortlaut der deutschen Codex-Ubersetzung übernommen; dadurch entstehende Abweichungen vom Wortlaut der betreffenden Pastoralen Einführung sind nicht durch Kursiv-Schrift kenntlich gemacht. Wenn bei fälligen Neuauflagen der liturgischen Bücher die „Variationes“ berücksichtigt werden, sind die Änderungen darum noch auf Stil und Terminologie des betreffenden Buches abzustimmen. Zu 3: Angefügt ist der von der Kongregation zusammen mit den „Variationes“ in der Zeitschrift „Notitiae“ veröffentlichte Kommentar von Pierre-Marie Gy OP. 1787 KONGREGA TIONEN Dekret Prot. Nr. CD 1200/83 Nach der Veröffentlichung des Codex Iuris Canonici, mit dessen Hilfe die Kirche ihre Aufgabe entsprechend dem Geist und der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils besser erfüllen kann, behalten die liturgischen Bücher ihre Geltung, wie can. 2 eben dieses Codex sagt. Wenn dennoch in den liturgischen Büchern Dinge zu finden sind, die den Canones des Codex zuwiderlaufen, so sind diese Dinge zu berichtigen. Darum hat die Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst für die Erarbeitung einer Anzahl von Änderungen gesorgt, die in Neuausgaben liturgischer Bücher gemäß den Normen des neuen Codex Iuris Canonici einzuführen sind. Die Sektion für den Gottesdienst, die dafür verantwortlich ist, die heilige Liturgie für die ganze lateinische Kirche pastoral und rituell zu ordnen, hat diese Änderungen erarbeitet. Darauf hat sie dieselbe Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst approbiert und angeordnet, daß sie veröffentlicht werden und daß alle, die es angeht, sie einhalten. Alles Entgegenstehende ist hiermit aufgehoben. Am Sitz der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst, 12. September 1983. + Josephus Card. Casoria + Vergilius Noe Präfekt Sekretär 1788 KONGREGA TIONEN I. Allgemeine Einführung in das Meßbuch (Die Nummern der Allgemeinen Einführung in das Meßbuch stimmen in der lateinischen und deutschen Fassung überein.) Nr. 42 alt: An Sonn- und gebotenen Feiertagen ist in allen Messen, an denen Gläubige teilnehmen, eine Homilie zu halten; für die übrige Zeit. . . neu: An Sonn- und gebotenen Feiertagen ist in allen Messen, an denen Gläubige teilnehmen, eine Homilie zu halten; sie darf nur aus einem schwerwiegenden Grund ausfallen; für die übrige Zeit . . . Nr. 56, h: Anm. 44: alt: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“ vom 25. 5. 1967, Nr. 31, 32: AAS 59 (1967), S. 558-559; über die Erlaubnis, zweimal am Tag zu kommunizieren, vgl. Sakramenten-kongregation, Instruktion „Immensae caritatis“ vom 29. 1. 1973, Nr. 2: AAS 65 (1973), S. 267-268. neu: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“ vom 25. 5. 1967, Nr. 31, 32: AAS 59 (1967), S. 558-559; zum zweimaligen Kommunionempfang am gleichen Tag vgl. CIC, can. 917. Nr. 153: alt: Die Konzelebration, in der die Einheit des Priestertums und des Opfers wie auch des ganzen Gottesvolkes passend zum Ausdruck kommt, ist neben den in bestimmten liturgischen Ordnungen vorgeschriebenen Anlässen gestattet: 1. a) am Gründonnerstag für die Chrisam-Messe und für die Abendmesse, b) bei Meßfeiem anläßlich von Konzilien, Bischofsversammlungen und Synoden, c) bei der Meßfeier anläßlich einer Abtsweihe. 2. Mit Einverständnis des Ortsordinarius, dem die Beurteilung zusteht, ob eine Konzelebration angebracht ist: a) für die Konventsmesse und den Hauptgottesdienst in Kirchen 1789 KONGREGATIONEN und Oratorien, soweit nicht die Bedürfnisse der Gläubigen Einzelzelebrationen aller anwesenden Priester erfordern, b) für Meßfeiern bei Zusammenkünften von Welt- und Ordens-priestem. neu: Die Konzelebration, in der die Einheit des Priestertums und des Opfers wie auch des ganzen Gottesvolkes passend zum Ausdruck kommt, ist () in () den liturgischen Ordnungen selbst bei der Bischofsweihe, bei der Priesterweihe und bei der Chrisam-Messe vorgeschrieben ( ). Empfohlen wird sie, sofern nicht die Bedürfnisse der Gläubigen etwas anderes erfordern oder nahelegen: a) am Gründonnerstag () für die Abendmesse, b) bei Meßfeiern anläßlich von Konzilien, Bischofsversammlungen und Synoden, c) bei der Meßfeier anläßlich einer Abtsweihe, () d) für die Konventsmesse und den Hauptgottesdienst in Kirchen und Oratorien, () e) für Meßfeiern bei Zusammenkünften von Welt- und Ordenspriestern. Anm. 62: alt: Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art. 57. neu: Vgl. II. Vatikanisches Konzil, Liturgiekonstitution Art. 57; CIC, can. 902. Nr. 155: alt: Dem Bischof steht es zu, entsprechend dem geltenden Recht für die Konzelebration in seiner Diözese Richtlinien aufzustellen, die auch für exempte Kirchen und halböffentliche Oratorien gelten. Der jeweilige Ordinarius beziehungsweise höhere Vorgesetzte auch nichtexempter Orden und Gemeinschaften von Klerikern ohne Gelübde hat für seine Kirchen und Oratorien zu entscheiden, ob eine Konzelebration angebracht ist; ihm steht es auch zu, die Erlaubnis dafür zu erteilen. neu: Dem Bischof steht es zu, entsprechend dem geltenden Recht für die Konzelebration in seiner Diözese Richtlinien aufzustellen, die auch für exempte Kirchen und () Oratorien gelten ( ): 1790 KONGREGATIONEN Nr. 211: alt: Nur aus schwerwiegenden Gründen darf eine Messe ohne Altardiener gefeiert werden. Es entfallen dann die Grußworte und der Segen am Schluß der Messe. neu: Nur aus einem gerechten und vernünftigen Grund darf eine Messe ohne Altardiener oder wenigstens einen Gläubigen gefeiert werden. Es entfallen dann die Grußworte und der Segen am Schluß der Messe. Nr. 242, 6: alt: Kranke und alle Anwesenden bei der Spendung der Wegzehrung, wenn die Messe, in Übereinstimmung mit den rechtlichen Vorschriften, im Hause des Kranken gefeiert wird; neu: Kranke und alle Anwesenden bei der Spendung der Wegzehrung, wenn die Messe () im Hause des Kranken gefeiert wird; Nr. 255: alt: Die Kirchen sollen feierlich konsekriert werden. . . . neu: Alle Kirchen sind feierlich zu weihen oder wenigstens zu segnen. Bischofskirchen und Pfarrkirchen sind jedoch immer zu weihen. . . . Nr. 262: alt: Der Hauptaltar soll freistehen, damit man ihn ohne Schwierigkeiten umschreiten und an ihm, der Gemeinde zugewandt, die Messe feiern kann. Er soll so auf gestellt sein, daß er wirklich den Mittelpunkt des Raumes bildet, dem sich die Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinde von selbst zuwendet. In der Regel soll er feststehend und konsekriert sein. neu: Für gewöhnlich soll eine Kirche einen feststehenden, geweihten Altar haben, der frei steht, damit man ihn ohne Schwierigkeiten umschreiten und an ihm, der Gemeinde zugewandt, die Messe feiern kann. Er soll so aufgestellt sein, daß er wirklich den Mittelpunkt des Raumes bildet, dem sich die Aufmerksamkeit der ganzen Gemeinde von selbst zuwendet. 0 1791 KONGREGA TIONEN Nr. 265: alt: Feststehende und tragbare Altäre werden nach dem in den liturgischen Büchern beschriebenen Ritus konsekriert. Bei tragbaren Altären genügt auch eine Segnung. Bei einem tragbaren Altar oder Tisch, der außerhalb des Kirchenraumes zur Eucharistiefeier verwendet wird, ist kein Altarstein nötig (vgl. Nr. 260). neu: Feststehende und Tragaltäre werden nach dem in den liturgischen Büchern beschriebenen Ritus geweiht. Bei Tragaltären genügt auch eine Segnung. ( ) Nr. 266: alt: Den Brauch, bei der Konsekration in oder unter einem Altar Reliquien von Märtyrern oder anderen Heiligen einzufügen, möge man - soweit angebracht - beibehalten. Die Echtheit der Reliquien muß jedoch gesichert sein. neu: Den Brauch, bei der Weihe () unter einem Altar Reliquien von Märtyrern oder anderen Heiligen einzufügen, möge man ( ) beibehalten. Die Echtheit der Reliquien muß jedoch gesichert sein. Nr. 267: alt: Es soll nur wenige Nebenaltäre geben. Bei Neubauten sollen sie in vom Hauptraum möglichst getrennten Seitenkapellen stehen. neu: Es soll nur wenige andere Altäre geben. Bei Neubauten sollen sie in vom Hauptraum möglichst getrennten Seitenkapellen stehen. Nr. 277: alt: Die Eucharistie soll nur in einem einzigen, festen und sicheren Tabernakel aufbewahrt werden. Jede Kirche soll daher in der Regel nur einen Tabernakel haben. neu: Die Eucharistie soll nur in einem einzigen, nicht beweglichen, undurchsichtigen und festen Tabernakel aufbewahrt werden, der so verschlossen ist, daß, soweit irgend möglich, die Gefahr der Profanierung vermieden wird. Jede Kirche soll daher in der Regel nur einen Tabernakel haben. 1792 KON GREGA TIONEN Anm. 89: alt: Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“ vom 25. 5. 1967, Nr. 52: AAS 59 (1967), S. 568; Instruktion „Inter-Oecumenici“ vom 26. 9. 1964, Nr. 95: AAS 56 (1964), S. 898; Sakramentenkongregation, Instruktion „Nullo umquam tempore“ vom 28. 5. 1938, Nr. 4: AAS 30 (1938), S. 199-200; Rituale Romanum, De sacra Communione et de cultu mysterii eucharistici extra Missam, ed. typ. 1973, Nr. 10-11. neu: Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“ vom 25. 5. 1967, Nr. 52: AAS 59 (1967), S. 568; Instruktion „Inter-Oecumenici“ vom 26. 9. 1964, Nr. 95: AAS (1964), S. 898; Sakramentenkongregation, Instruktion „Nullo umquam tempore“ vom 28. 5. 1938, Nr. 4: AAS 30 (1938), S. 199-200; Rituale Romanum, De sacra Communione et de cultu mysterii eucharistici extra Missam, ed. typ. 1973, Nr. 10 (); CIC can. 938. Nr. 282: alt: Gemäß der Überlieferung verwendet die gesamte Kirche für die Eucharistiefeier Weizenbrot, das nach dem Brauch der lateinischen Kirche ungesäuert ist. neu: Das Brot zur Feier der Eucharistie muß () aus reinem Weizenmehl bereitet und noch frisch und nach dem Brauch der lateinischen Kirche ungesäuert sein. II. Pastorale Einführung in die Leseordnung der Messe (Die Nummern der Pastoralen Einführung in die Leseordnung der Messe stimmen in der lateinischen und deutschen Fassung überein.) Nr. 25: alt: An Sonntagen und gebotenen Feiertagen muß in allen Gemeindemessen - einschließlich der Vorabendmessen - eine Homilie gehalten werden. . . . 1793 KONGREGATIONEN neu: An Sonntagen und gebotenen Feiertagen ist in allen Messen, die unter Beteiligung des Volkes gefeiert werden, einschließlich der Vorabendmessen, eine Homilie zu halten; sie darf nur aus schwerwiegendem Grund ausfallend2. . . . III. Kommunionspendung und Eucharistieverehrung außerhalb der Messe (Die Nummern der Studienausgabe „Kommunionspendung und Eucharistieverehrung außerhalb der Messe“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Nr. 8: alt: Die Seelsorger sollen veranlassen, daß die Kirchen und.öffentlichen Oratorien, in denen nach Maßgabe des Rechts die heilige Eucharistie aufbewahrt wird, täglich wenigstens mehrere Stunden während der günstigeren Tageszeit geöffnet sind, damit die Gläubigen ohne Schwierigkeiten vor dem Allerheiligsten beten können10. neu: Die Seelsorger sollen, wenn kein schwerwiegender Grund dem entgegensteht, veranlassen, daß die Kirchen ( ), in denen nach Maßgabe des Rechts die heilige Eucharistie aufbewahrt wird, täglich wenigstens mehrere Stunden während der günstigeren Tageszeit geöffnet sind, damit die Gläubigen ohne Schwierigkeiten vor dem Allerheiligsten beten können10. Anm. 10: alt: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 51: AAS 59 (1967). neu: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 51: AAS 59 (1967), S. 567; CIC can. 937. Nr. 10: alt: Die heilige Eucharistie soll in einem festen und sicheren (nicht in einem durchsichtigen Tabernakel) aufbewahrt werden. In der Regel darf eine Kirche nur einen "einzigen Tabernakel haben; er soll auf 1794 KONGREGA TIONEN einem Altar stehen oder nach dem Urteil des Ortsordinarius an einer anderen würdigen und angemessen hergerichteten Stelle der Kirche11. Für den Schlüssel des Tabernakels, in dem die heiüge Eucharistie aufbewahrt wird, muß der Priester, dem die Verantwortung für die Kirche oder das Oratorium obliegt, oder der außerordentliche Beauftragte, der als Kommunionhelfer dient, sehr gewissenhaft Sorge tragen. neu: Die heilige Eucharistie soll in einem nicht beweglichen, festen und undurchsichtigen Tabernakel aufbewahrt werden, der so verschlossen ist, daß, soweit irgend möglich, die Gefahr der Profanierung vermieden wird. In der Regel darf eine Kirche oder Kapelle nur einen einzigen Tabernakel haben; er muß () sich an irgendeinem hervorragenden Platz der Kirche oder Kapelle befinden, der gut sichtbar, kunstvoll ausgestaltet und zum Gebet geeignet ist. Wer für eine Kirche oder Kapelle zu sorgen hat, hat Vorkehrungen zu treffen, daß der Schlüssel des Tabernakels, in dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, ( ) mit größter Sorgfalt gehütet wird11. Anm. 11: alt: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 52-53: AAS 59 (1967), S. 567-568. neu: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 52-53: AAS 59 (1967), S. 567-568; CIC can. 938. Nr. 11: alt: Die Gegenwart der Eucharistie im Tabernakel soll durch das Kono-peum angezeigt werden oder in einer anderen Weise, die von der zuständigen Autorität festgelegt ist. Gemäß überliefertem Brauch soll als Zeichen der dem Herrn gebührenden Ehrfurcht in der Nähe des Tabernakels ständig eine Lampe brennen, die mit öl oder Wachs genährt wird12. neu: Die Gegenwart der heiligen:Eucharistie im Tabernakel soll durch das Konopeum angezeigt werden oder in einer anderem Weise,- die von der zuständigen Autorität festgelegt ist. Vor dem Tabernakel, in dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, muß ununterbrochen ein besonderes Licht brennen, durch das Christi Gegenwart angezeigt und verehrt wird. 1795 KONGREGA TIONEN Gemäß überliefertem Brauch soll () die Lampe wenn möglich mit Öl oder Wachs genährt werden. Anm. 12: alt: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 57: AAS 59 (1967), S. 569. neu: Vgl. Ritenkongregation, Instruktion „Eucharisticum mysterium“, Nr. 57: AAS 59 (1967), S. 569; CIC can. 940. Nr. 14: alt: Die Gläubigen sollen dazu angehalten werden, innerhalb der Eucharistiefeier zu kommunizieren. Der Priester soll sich jedoch nicht weigern, Gläubigen die heilige Kommunion auch außerhalb der Messe zu reichen, wenn sie ihn darum bitten2. neu: Die Gläubigen sollen dazu angehalten werden, innerhalb der Eucharistiefeier zu kommunizieren. Der Priester soll sich jedoch nicht weigern, Gläubigen die heilige Kommunion auch außerhalb der Messe zu reichen, wenn sie ihn aus einem gerechten Grund darum bitten2. Nr. 21: alt: . . . Bei der Austeilung der heiligen Kommunion unter der Gestalt des Weines sollen die Normen der Instruktion „Sakramentali Commu-nione“ vom 29. Juni 1970 eingehalten werden. neu: . . . Bei der Austeilung der heiligen Kommunion unter der Gestalt des Weines sollen die liturgischen Normen () eingehalten werden. Anm. 12: alt: Vgl. Nr. 6: AAS 62 (1970), S. 665-666. neu: Vgl. Meßbuch I, Allgemeine Einführung Nr. 242; Gottesdienstkongregation, Instruktion „Sacramentali Communione“ vom 29. Juni 1970, Nr. 6: AAS 62 (1970), S. 665-666. 1796 KON GREGA TIONEN Nr. 23: alt: ... Deshalb schreibt die Kirche vor: „Niemand, der sich einer Todsünde bewußt ist, darf ohne vorausgegangene sakramentale Beichte zur heiligen Eucharistie hinzutreten, auch wenn er Reue zu haben glaubt.“13 Wenn eine dringende Notwendigkeit zum Kommunionempfang vorliegt und keine Möglichkeit zur Beichte besteht, soll vorher ein Akt vollkommener Reue erweckt werden, mit dem Vorsatz, zu gegebener Zeit einzeln alle Todsünden zu beichten, die im Augenblick nicht gebeichtet werden können. neu: . . . Deshalb schreibt die Kirche vor: „Niemand, der sich einer Todsünde bewußt ist, darf ohne vorausgegangene sakramentale Beichte zur heiligen Eucharistie hinzutreten, auch wenn er Reue zu haben glaubt.“13 Wenn ein schwerwiegender Grundzum Kommunionempfang vorliegt und keine Gelegenheit zur Beichte besteht, soll vorher ein Akt vollkommener Reue erweckt werden mit dem Vorsatz, sobald wie möglich einzeln alle Todsünden zu beichten, die im Augenblick nicht gebeichtet werden können. Nr. 24: alt: Die Gläubigen, die das heilige Sakrament der Eucharistie empfangen wollen, sollen eine Stunde vor dem Empfang keine festen Speisen und Getränke — Wasser ausgenommen — zu sich nehmen. Die Dauer der eucharistischen Nüchternheit, d. h. der Enthaltung von Speisen und alkoholischen Getränken, wird auf etwa eine Viertelstunde verkürzt: 1. für Kranke in Krankenhäusern und daheim, auch wenn sie nicht bettlägerig sind; 2. für ältere Menschen, die wegen ihres Alters das Haus nicht verlassen können oder in einem Altersheim wohnen; 3. für alte und kranke Priester, auch wenn sie nicht bettlägerig sind, sooft sie die Messe feiern oder die heiligen Kommunion empfangen; 4. für Personen, die Kranke oder ältere Menschen pflegen, sowie für deren Angehörige, die zusammen mit ihnen die heilige Kom- 1797 KONGREGA TIONEN munion empfangen wollen, wenn sie das einstündige Nüchternheitsgebot nur schwer befolgen können15. neu: Die Gläubigen, die das heilige Sakrament der Eucharistie empfangen wollen, sollen eine Stunde vor dem Empfang keine ( ) Speisen und Getränke - mit alleiniger Ausnahme von Wasser und Arznei -zu sich nehmen. Ältere Leute oder wer an irgendeiner Krankheit leidet sowie deren Pflegepersonen dürfen die heiligste Eucharistie empfangen, auch wenn sie innerhalb der vorangehenden Stunde etwas genossen haben15. Anm. 15: alt: Vgl. Sakramentenkongregation, Instruktion „Immensae caritatis“ vom 29. Januar 1973, Nr. 3. neu: Vgl. CIC can. 919 § 1 und 3. Nr. 83: alt: Es ist verboten, während der Aussetzung des heiligen Sakramentes innerhalb des gleichen Kirchenraumes die Messe zu feiern. neu: Es ist verboten, während der Aussetzung des heiligen Sakramentes im selben Raum der Kirche oder Kapelle die Messe zu feiern. Nr. 86: alt: In Kirchen, in denen die Eucharistie ständig aufbewahrt wird, soll jährlich eine feierliche, längere Zeit (wenn auch mit Unterbrechungen) andauernde Aussetzung des Allerheiligsten stattfinden, damit die Ortsgemeinde dieses Geheimnis mit größerer Hingabe betrachten und anbeten kann. Eine solche Aussetzung - mit Genehmigung des Ortsordinarius gehalten - soll jedoch nur stattfinden, wenn eine entsprechend große Beteiligung der Gläubigen erwartet werden kann6. neu: In Kirchen oder Kapellen, in denen die Eucharistie () aufbewahrt wird, soll jährlich eine feierliche, längere Zeit (wenn auch mit Unterbrechungen) andauernde Aussetzung des Allerheiligsten 1798 KONGREGA TIONEN stattfinden, damit die Ortsgemeinde dieses Geheimnis mit größerer Hingabe betrachten und anbeten kann. Eine solche Aussetzung () soll jedoch nur stattfinden, wenn eine entsprechend große Beteiligung der Gläubigen erwartet werden kann6. Nr. 91: alt: ... Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung von Priester und Diakon können folgende Beauftragte die heilige Eucharistie zur Anbetung öffentlich aussetzen und reponieren: a) Akolyth und Kommunionhelfer; b) jeder Angehörige einer Ordensgemeinschaft oder Säkulargemeinschaft, sowohl Männer wie Frauen, deren Aufgabe die eucharistische Anbetung ist; sie müssen aber vom Ortsordinarius dazu bestellt sein. . . . neu: ... Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung von Priester und Diakon können folgende Beauftragte die heilige Eucharistie zur Anbetung öffentlich aussetzen und reponieren: ein Akolyth oder ein außerordentlicher Spender der heiligen Kommunion oder ein anderer vom Ortsordinarius dazu Beauftragter. . . . Nr. 101: alt: . . . Es ist jedoch Sache des Ortsordinarius zu entscheiden, inwieweit solche Prozessionen den heutigen Verhältnissen entsprechen, . . . neu: ... Es ist jedoch Sache des Diözesanbischofs zu entscheiden, inwieweit solche Prozessionen den heutigen Verhältnissen entsprechen, . . . Nr. 102: alt: ... In Großstädten oder in bestimmten pastoralen Situationen können mit Zustimmung des Ortsordinarius mehrere Prozessionen in den verschiedenen Stadtteilen angeordnet werden. . . . neu: ... In Großstädten oder in bestimmten pastoralen Situationen können mit Zustimmung des Diözesanbischofs mehrere Prozessionen in den verschiedenen Stadtteilen angeordnet werden. . . . 1799 KON GREGA TIONEN IV. Die Feiern der Eingliederung - Allgemeine Vorbemerkungen (Die Nummern der Allgemeinen Vorbemerkungen in der Studienausgabe „Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche“, die sich auf die gesamte Initiation beziehen, stimmen mit denen der Praenotanda genera-lia im Ordo baptismi parvulorum überein.) Nr. 10: alt: Deshalb soll der Pate, den der Bewerber oder die Eltern sich wählen, um seine unter Nr. 9 aufgezählten liturgischen Aufgaben erfüllen zu können, nach dem Urteil des Seelsorgers die folgenden Eigenschaften haben: a) Er muß die seiner Aufgabe entsprechende Reife haben. b) Er muß selber die Sakramente der Taufe, der Firmung und der Eucharistie bereits empfangen haben. c) Er muß der katholischen Kirche angehören und darf durch kein Rechtshindernis von der Patenschaft ausgeschlossen sein. Ein Getaufter aber, der aus einer getrennten Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft stammt und ein gläubiger Christ ist, kann zusammen mit einem katholischen Paten oder einer katholischen Patin als Pate oder christlicher Zeuge der Taufe zugelassen werden, wenn die Eltern es wünschen; dabei sind von Fall zu Fall die entsprechenden, für die ökumenischen Beziehungen auf gestellten Normen zu beachten (vgl. Ökumenisches Direktorium I, Nr. 57). neu: Deshalb soll der Pate, den der Bewerber oder die Eltern sich wählen, um seine unter Nr. 9 aufgezählten liturgischen Aufgaben erfüllen zu können, folgende Eigenschaften haben: a) Er muß vom Täufling selbst bzw. von dessen Eltern oder dem, der deren Stelle vertritt, oder, wenn diese fehlen, vom Pfarrer oder von dem Spender der Taufe dazu bestimmt sein; er muß zudem geeignet und bereit sein, diesen Dienst zu leisten. b) Er muß die seiner Aufgabe entsprechende Reife haben. Das wird vorausgesetzt, wenn er das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, außer vom Diözesanbischof ist eine andere Altersgrenze festgesetzt oder dem Pfarrer oder dem Spender der Taufe scheint aus einem gerechten Grund eine Ausnahme zulässig. c) Er muß selber die Sakramente der Taufe, der Firmung und der 1800 KONGREGA TIONEN Eucharistie bereits empfangen haben und ein Leben führen, das dem Glauben und dem zu übernehmenden Dienst entspricht. d) Er darf nicht Vater oder Mutter des Täuflings sein. e) Es kann nur ein Pate oder eine Patin sein oder ein Pate und eine Patin. f) Er muß der katholischen Kirche angehören und darf durch kein Rechtshindernis von der Patenschaft ausgeschlossen sein. Ein Getaufter aber, der nicht zur katholischen Gemeinschaft gehört und ein gläubiger Christ ist, kann zusammen mit einem katholischen Paten oder einer katholischen Patin als () christlicher Zeuge der Taufe zugelassen werden, wenn die Eltern es wünschen ( ),9a. Was die getrennten Ostkirchen betrifft, ist gegebenenfalls die besondere Disziplin der Ostkirchen zu beachten. Anm. 19 a: Vgl. CIC can. 873 und 874 § 1 und § 2. Nr. 11: alt: Ordentliche Spender der Taufe sind der Bischof, die Priester und die Diakone. Bei jeder Feier dieses Sakramentes mögen sie sich bewußt sein, daß sie in der Kirche im Namen Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes handeln, Mit Sorgfalt mögen sie das Wort Gottes verkünden und das Mysterium feiern. Dabei sollen sie alles vermeiden, was von den Gläubigen mit Recht so ausgelegt werden kann, als geschehe es lediglich um des Ansehens der Person willen20. neu: Ordentliche Spender der Taufe sind der Bischof, die Priester und die Diakone. a) Bei jeder Feier dieses Sakramentes mögen sie sich bewußt sein, daß sie in der Kirche im Namen Christi und in der Kraft des Heiligen Geistes handeln. Mit Sorgfalt mögen sie das Wort Gottes verkünden und das Mysterium feiern. b) Dabei sollen sie alles vermeiden, was von den Gläubigen mit Recht so ausgelegt werden kann, als geschehe es lediglich um des Ansehens der Person willen20. c) Außer im Notfall dürfen sie nicht ohne die nötige Erlaubnis in einem fremden Gebiet die Taufe spenden, selbst ihren Untergebenen nicht. 1801 KONGREGA TIONEN V. Die Feier der Kindertaufe (Die Nummern der Pastoralen Einführung in „Die Feier der Kindertaufe“ stimmen nicht mit denen der lateinischen Fassung überein, da die deutsche Fassung an die pastoralen Verhältnisse im deutschen Sprachgebiet angepaßt wurde. Im Folgenden ist darum auch jeweils auf die Nummer der deutschen Ausgabe verwiesen. Die Änderungen betreffen die Nrn. 56, 43 und 12 der deutschen Ausgabe.) Nr. 8 = Die Feier der Kindertaufe, Nr. 56: alt: Bei der Frage des Tauftermins muß man vor allem an das Heil des Kindes denken, damit ihm die Gnade des Sakramentes nicht verlorengeht. Ein zweiter Gesichtspunkt ist die Gesundheit der Mutter; soweit es möglich ist, sollte nämlich auch sie an der Tauffeier teilnehmen. Schließlich sind, soweit das ohne Schaden für das Heil des Täuflings, das immer Vorrang hat, geschehen kann, die seelsorglichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen, d. h., die Taufe sollte so angesetzt werden, daß genügend Zeit bleibt zur Vorbereitung der Eltern und zu einer sachgerechten Gestaltung der Feier. Daher sollen die folgenden Grundsätze gelten: a) Schwebt das Kind in Lebensgefahr, so soll es unverzüglich nach der oben (Nr. 17) beschriebenen Weise getauft werden. b) In allen anderen Fällen sollen die Eltern den Pfarrer frühzeitig [unübersetzt war in den bisherigen Praenotanda, was im lateinischen Text stand: gegebenenfalls sogar schon vor der Geburt des Kindes] von der bevorstehenden Taufe verständigen, damit die Tauffeier entsprechend vorbereitet werden kann (vgl. Nr. 34). c) Die Tauffeier soll in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes stattfinden. [Der restliche Text der lateinischen Praenotanda wurde in das deutsche Rituale nicht auf genommen: Die Bischofskonferenz kann allerdings aus schwerwiegenden seelsorglichen Gründen einen längeren Zeitraum zwischen Geburt und Taufe festsetzen. d) Sache des Pfarrers ist es, gemäß den Richtlinien der Bischofskonferenz über den Tauftermin für Kinder zu entscheiden, deren Eltern noch nicht vorbereitet sind, um den Glauben zu bekennen und die Aufgabe der Erziehung der Kinder im christlichen Glauben auf sich zu nehmen.] neu: Bei der Frage des Tauftermins muß man vor allem an das Heil des 1802 KON GREGA TIONEN Kindes denken, damit ihm die Gnade des Sakramentes nicht verlorengeht. Ein zweiter Gesichtspunkt ist die Gesundheit der Mutter; soweit es möglich ist, sollte nämlich auch sie an der Tauffeier teilnehmen. Schließlich sind, soweit das ohne Schaden für das Heil des Täuflings, das immer Vorrang hat, geschehen kann, die seelsorglichen Notwendigkeiten zu berücksichtigen, d. h. die Taufe sollte so angesetzt werden, daß genügend Zeit bleibt zur Vorbereitung der Eltern und zu einer sachgerechten Gestaltung der Feier. Daher sollen die folgenden Grundsätze gelten: a) Schwebt das Kind in Lebensgefahr, so soll es unverzüglich () getauft werden. Das ist auch gegen den Willen der Eltern erlaubt, auch wenn es sich um ein Kind nichtkatholischer Eltern handelt. Die Taufe wird dabei in der unten/oben (Nr. 21 / Feier der Kindertaufe: Nr. 17) beschriebenen Weise gespendet. b) In allen anderen Fällen müssen die Eltern oder wenigstens ein Elternteil bzw. wer rechtmäßig ihre Stelle einnimmt, der Taufe zustimmen. Zur entsprechenden Vorbereitung der Tauffeier sollen sie den Pfarrer möglichst frühzeitig, gegebenenfalls schon vor der Geburt des Kindes selbst, von der bevorstehenden Taufe verständigen ( ). c) Die Tauffeier soll in den ersten Wochen nach der Geburt des Kindes stattfinden. () Wenn die begründete Hoffnung völlig fehlt, daß das Kind in der katholischen Religion erzogen wird, ist die Taufe gemäß den Vorschriften des Partikularrechts aufzuschieben (vgl. Nr. 25 / Feier der Kindertaufe: Nr. 37). Dabei sind die Eltern auf den Grund hinzuweisen. d) Sache des Pfarrers ist es, gemäß den Richtlinien der Bischofskonferenz über den Tauftermin für Kinder zu entscheiden, wenn die unter b) und c) genannten Bedingungen nicht vorliegen. Nr. 11 = Die Feier der Kindertaufe, Nr. 43: alt: Der Bischof kann nach Anhören des Ortspfarrers die Errichtung eines Taufbrunnens in einer anderen Kirche oder öffentlichen Kapelle innerhalb der Pfarrgrenzen gestatten oder anordnen. Normalerweise ist es das Recht des Pfarrers, auch an diesen Orten die Tauffeiern zu halten. neu: Der Ortsordinarius kann nach Anhören des Ortspfarrers die Errichtung eines Taufbrunnens in einer anderen Kirche oder () Kapelle innerhalb der Pfarrgrenzen gestatten oder anordnen. 1803 KON GREGA TIONEN Wenn aber wegen der Entfernung oder anderer Umstände ein Täufling nicht ohne große Unannehmlichkeiten dahin kommen oder gebracht werden kann, darf und muß die Taufe in einer anderen näher gelegenen Kirche oder Kapelle oder auch an einem anderen geziemenden Ort gespendet werden. Dabei ist zu beachten, was über den Zeitpunkt und die Struktur der Feier festgesetzt ist (vgl. Nr. 8—9; 15—22 / Feier der Kindertaufe Nr. 56—58; 9—19). Nr. 12: (Der neue Text sieht gegenüber dem alten die Erweiterung vor, daß durch den Ortsordinarius Bedingungen festgelegt werden können, unter denen auch außerhalb des Notfalls eine Taufe in einem Privathaus erlaubt werden kann. Das deutsche Rituale enthielt bereits bisher eine entsprechende Regelung:) alt: (deutsches Rituale, Nr. 47): In Privathäusern dürfen Taufen nur gehalten werden, wenn Lebensgefahr für das Kind besteht oder eine andere gesundheitliche Gefährdung zu befürchten ist. Ein weiterer Grund könnte sehr große Entfernung zwischen Elternhaus und Kirche sein. Normalerweise soll die Taufe in der Kirche stattfinden; denn sie ist nicht nur Sache der Gemeinde, sondern soll auch im Haus der Gemeinde gefeiert werden. Wenn die Haustaufe allgemein gestattet würde, wäre eine Bevorzugung der Reichen unvermeidlich. neu: (lateinisches Rituale, Nr. 12): Außer im Notfall darf die Taufe in Privathäusern nur gefeiert werden, wenn der Ortsordinarius dies aus schwerwiegenden Gründen erlaubt. VI. Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche (Die Nummern der Vorbemerkungen in der Studienausgabe „Die Feier der Eingliederung Erwachsener in die Kirche“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Nr. 8: Die Anm. 3 (= teilweise Aufhebung des alten CIC can. 790) ist getilgt. 1804 KONGREGA TIONEN Nr. 34: alt: Nach dem alten Brauch, der in der römischen Liturgie erhalten blieb, soll kein Erwachsener getauft werden, ohne sogleich nach der Taufe, falls nicht schwerwiegende Gründe dagegenstehen, die Firmung zu empfangen (vgl. Nr. 46). . . . neu: Nach dem alten Brauch, der in der römischen Liturgie erhalten blieb, soll kein Erwachsener getauft werden, ohne sogleich nach der Taufe, falls nicht ein schwerwiegender Grund entgegensteht, die Firmung zu empfangen (vgl. Nr. 46). . . . Nr. 44: alt: Es ist Aufgabe des Bischofs20, die seelsorgliche Unterweisung der Bewerber persönlich oder durch einen Beauftragten einzurichten, zu leiten und zu fördern und die Bewerber zur Einschreibung und zu den Sakramenten zuzulassen. Es ist zu wünschen, daß er möglichst selbst die Liturgie der österlichen Bußzeit und die Feier der Einschreibung leitet und die Sakramente der Eingliederung in der Osternacht spendet. Auch soll der Bischof entsprechend seiner seelsorglichen Verantwortung den Katecheten, die für diese Aufgabe geeignet erscheinen und entsprechend vorbereitet sind, den Auftrag erteilen, die Gebete um Befreiung (kleine Exorzismen) in der Zeit zwischen der Feier der Annahme und der Einschreibung zu feiern21. neu: Es ist Aufgabe des Bischofs20, die seelsorgliche Unterweisung der Bewerber persönlich oder durch einen Beauftragten einzurichten, zu leiten und zu fördern und die Bewerber zur Einschreibung und zu den Sakramenten zuzulassen. Es ist zu wünschen, daß er möglichst selbst die Liturgie der österlichen Bußzeit und die Feier der Eingliederung leitet und die Sakramente in der Osternacht spendet, mindestens für jene, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben. (Anm. 21, in der can. 1153 des alten CIC außer Kraft gesetzt wird, wird gestrichen.) Nr. 66: alt: Der Bischof hat für seine Diözese folgende Rechte: 1. die stufenweise Vorbereitung (Katechumenat) als Institution zu 1805 KONGREGA TIONEN gründen und den Erfordernissen entsprechende Richtlinien zu erlassen (vgl. Nr. 44); 2. den Gegebenheiten gemäß zu bestimmen, ob und wann die Eingliederung außerhalb ihres eigentlichen Zeitpunktes gefeiert werden darf (vgl. Nr. 58); 3. aus schwerwiegenden Gründen von einer, in außerordentlichen Fällen auch von zwei Bußfeiern zu dispensieren (vgl. Nr. 240); 4. zu bestimmen, ob die einfache Form der Eingliederung teilweise oder ganz verwendet werden darf (vgl. Nr. 240); 5. wirklich würdige und entsprechend vorbereitete Katecheten zu beauftragen, die Gebete um Befreiung (Exorzismen) und Segnungen vorzunehmen (vgl. Nr. 44 und 47); 6. die Feier der Einschreibung zu leiten und die Zulassung selber oder durch einen Beauftragten auszusprechen (vgl. Nr. 44). neu: Der Bischof hat für seine Diözese folgende Rechte: 1.-6. 7. das Alter der Paten gemäß dem geltenden Recht festzusetzen (vgl. Allgemeine Vorbemerkungen, Nr. 10,2). VII. Die Feier der Firmung (Die Nummern der Vorbemerkungen zur „Feier der Firmung“ stimmen nicht mit denen der lateinischen Ausgabe überein, da sie an die Verhältnisse im deutschen Sprachgebiet angepaßt wurden. Im Folgenden ist darum jeweils auch auf die Nummer der deutschen Ausgabe verwiesen. Die Änderungen betreffen die Nrn. 15, 17, 18, 26 und 27 der deutschen Ausgabe.) Nr. 5 = Die Feier der Firmung, Nr. 15: alt: . . . Im Hinblick auf die heutige pastorale Situation empfiehlt es sich, daß der Taufpate auch Firmpate ist (Can 796,1 wird damit außer Kraft gesetzt). . . . neu: (Der Satz: „Can 796,1 wird damit außer Kraft gesetzt“ ist gestrichen.) 1806 KONGREGA TIONEN Nr. 7 = Die Feier der Firmung, Nr. 17: alt: ... Außer den Bisctiöfem können von Rechts wegen firmen: a) Apostolische Administratoren, die nicht Bischöfe sind, Prälaten und Äbte mit eigenem Jurisdiktionsbezirk, Apostolische Vikare uncFApostolische Präfekten und Kapitelvikare, und zwar in den Grenzen ihrer Gebiete und für die Dauer ihrer Amtszeit; b) Priester, die aufgrund ihres rechtmäßig erteilten Auftrags Erwachsene oder Kinder im Schulalter taufen oder bereits Getaufte in die volle Gemeinschaft der Kirche aufnehmen. c) Ist ein Getaufter in Lebensgefahr und ein Bischof nicht leicht zu erreichen oder verhindert, können die Firmung spenden: Pfarrer oder Pfarrvikare, in ihrer Abwesenheit ihre Pfarrkooperatoren; Priester, die einer besonderen, rechtmäßig errichteten Pfarrei vorstehen, Pfarrverweser, Substitute und Pfarradjutoren. Ist keiner der Genannten erreichbar, kann jeder Priester, sofern er nicht unter einer Zensur oder Kirchenstrafe steht, die Firmung spenden. neu: . . . Außer den Bischöfen haben von Rechts wegen die Befugnis, die Firmung zu spenden: a) Gebietsprälaten und Gebietsäbte, Apostolische Vikare und Apostolische Präfekten, Apostolische Administratoren und Diözesan-administratoren, und zwar in den Grenzen ihrer Gebiete und für die Dauer ihrer Amtszeit; b) für die betreffende Person der Priester, der kraft seines Amtes oder im Auftrag des Diözesanbischofs jemand, der dem Kindesalter entwachsen ist, tauft oder als bereits Getauften in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche aufnimmt; c) für jene, die sich in Todesgefahr befinden, der Pfarrer und sogar jeder Priester. (Die Anm. 1 der lateinischen Ausgabe, die auf CIC can. 451, 471, 476, 216 § 4, 472, 474, 475 verwies, ist gestrichen.) Nr. 8 = Die Feier der Firmung, Nr. 18: alt: Die in Abschnitt 17 genannten Firmspender können, wenn es aus besonderen Gründen - etwa wegen der großen Zahl der Firmlinge -notwendig erscheint, Priester zur Spendung der Firmung mitheran- 1807 KON GREGA TIONEN ziehen; das gleiche gilt für Firmspender, die durch besonderes Indult des Apostolischen Stuhles oder von Rechts wegen bestellt sind. Als Mitspender der Firmung können nur herangezogen werden: a) Priester, die in der Diözese ein besonderes Amt haben - Generalvikar, Bischofsvikar oder Bischöflicher Delegat, Bezirks- oder Regionaldekan —, oder Priester, die aufgrund bischöflicher Anweisung diesen gleichgestellt sind: b) der Pfarrer des Ortes, in dem die Firmung gespendet wird; der Pfarrer des Ortes, zu dem die Firmlinge gehören, oder Priester, die den Firmunterricht erteilt haben. neu: Der Diözesanbischof hat die Firmung persönlich zu spenden oder dafür zu sorgen, daß sie durch einen anderen Bischof gespendet wird; wenn eine Notlage es erfordert, kann er einem oder mehreren bestimmten Priestern die Befugnis verleihen, die dieses Sakrament zu spenden haben. Aus schwerwiegendem Grund - etwa wegen der großen Zahl der Firmlinge — können der Bischof und ebenso der Priester, der von Rechts wegen oder durch besondere Verleihung der zuständigen Autorität die Befugnis zu firmen besitzt, in einzelnen Fällen Priester hinzuziehen, damit auch diese das Sakrament spenden. Es empfiehlt sich, daß Priester eingeladen werden, a) ( ) die in der Diözese ein besonderes Amt haben, also Generalvikare, Bischofsvikare oder Dekane (Anm. 2 der lateinischen Ausgabe = Verweis auf can. 217 § 1, wird gestrichen); b) der Pfarrer des Ortes, . . . Nr. 14 = Die Feier der Firmung, Nr. 26: alt: Der Pfarrer soll den Namen des Spenders, die Namen der Gefirm-ten, ihrer Eltern und Paten sowie Tag und Ort der Spendung in ein besonderes Buch eintragen. Außerdem soll er den Vorschriften entsprechend eine Notiz ins Taufbuch machen. neu: Die Namen der Gefirmten sind unter Angabe des Spenders, der Eltern und der Paten sowie des Ortes und Tages der Firmspendung in das Firmbuch der Diözesankurie einzutragen oder, wo dies die Bischofskonferenz oder der Diözesanbischof vorgeschrieben hat, in ein Buch, das im Pfarrarchiv zu verwahren ist; der Pfarrer muß den Pfarrer des Taufortes von der Firmspendung in Kenntnis setzen, damit nach Maßgabe des Rechts der Vermerk im Taufbuch erfolgt. 1808 KON GREGA TIONEN Nr. 15 = Die Feier der Firmung, Nr. 27: alt: Wenn der Pfarrer der Gefirmten nicht bei der Spendung zugegen ist, soll ihn der Spender der Firmung persönlich oder durch andere möglichst bald von der Firmung unterrichten. neu: Wenn der Ortspfarrer nicht anwesend war, hat ihn der Spender () persönlich oder durch jemand anderen möglichst bald von der Firmspendung zu unterrichten. VIII. Die Feier der Buße (Die Nummern der Studienausgabe „Die Feier der Buße“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Nr. 9 b: alt: Für den Dienst der sakramentalen Versöhnung ist jener Priester zuständig, der nach dem kanonischen Recht die Vollmacht zur Lossprechung besitzt. . . . neu: Für den Dienst der sakramentalen Versöhnung ist jener Priester zuständig, der gemäß CIC can. 967-975 die Vollmacht zur Lossprechung besitzt. . . . Nr. 12: alt: Das Bußsakrament wird an dem vom Recht vorgesehenen Ort vollzogen. neu: Das Bußsakrament wird, wenn nicht ein gerechter Grund entgegensteht, für gewöhnlich in einer Kirche oder Kapelle gefeiert. Was den Beichtstuhl anbelangt, sind von der Bischofskonferenz Normen zu erlassen; dabei ist jedoch sicherzustellen, daß sich immer an offen zugänglichem Ort Beichtstühle befinden, die mit einem festen Gitter zwischen Pönitent und Beichtvater versehen sind, damit die Gläubigen, die dies wünschen, frei davon Gebrauch machen können. Außerhalb des Beichtstuhls dürfen Beichten nur aus gerechtem Grund entgegengenommen werden43“. Anm. 43 a: Vgl. CIC can. 964. 1809 KONGREGA TIONEN Nr. 31: alt:. Das vollständige Sündenbekenntnis und die Lossprechung des einzelnen sind nach wie’von der einzige1 ordentliche Weg der Versöhnung der Gläubigen mit Gott und der Kirche, wenn ein’ solches'. Sündenbekenntnis nicht physisch oder moralisch unmöglich ist. Es können nämlich gelegentlich besondere Umstände eintreten, unter denen es erlaubt oder sogar notwendig ist, mehreren Gläubigen ohne vorhergehendes Bekenntnis der einzelnen eine Generalabsolution zu erteilen. Man kann: mehreren Gläubigen, die nur ein. allgemeines Sündenbekenntnis abgelegt haben, aber entsprechend in die: Bußgesinnung eingestimmt sind; außer in Todesgefahr auch dann eine sakramentale Generalabsolution erteilen, wenn eine schwerwiegende Notwendigkeit vorliegt. Dies trifft zu, wenn angesichts der Zahl der Gläubigen nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen, um innerhalb einer angemessenen Zeit das Bekenntnis der.einzelnen in gebührender Weise zu hören, so daß sie - ohne ihre Schuld - lange die Gnade des Sakramentes oder die heilige Kommunion entbehren müßten. Dies kann vor allem in Missionsgebieten Vorkommen, aber auch an anderen Orten und bei Personengruppen, die sich in einer solchen Notlage befinden. Nur wegen eines großen Andranges, wie er z,B. bei einem großen Fest oder bei einer Wallfahrt Vorkommen kann45, ist dies nicht erlaubt, wenn genügend Beichtväter zur’Verfügung stehen können. neu: Das persönliche und vollständige Bekenntnis und die Absolution bilden? den einzigen ordentlichen Weg/, auf; dem ein Gläubiger, der sich einer schweren Sünde bewußt ist-- mit Gott und der Kirche versöhne wird; allein physische oder moralische Unmöglichkeit entschuldigt: von einem solchen Bekenntnis;: in diesem Fall kann die Versöhnung auch auf andere Weise erlangt1 werden. MehrerenPönitenten gleichzeitig< kann ohne vorangegangenes persönliches'-Bekenntnis die Absolution in allgemeiner Weise nur erteilt werden: a) wenn Todesgefahr besteht und für den oder die Priester die Zeit, die Bekenntnisse der einzelnen Pönitenten zu hören, nicht ausreicht; b) wenn eine schwere Notlage besteht, das heißt, wenn unter Berücksichtigung der Zahl der Pönitenten nicht genügend Beichtväter vorhanden sind, um die Bekenntnisse der einzelnen 1810 KONGREGA TIONEN innerhalb einer angemessenen Zeit ordnungsgemäß zu hören, so daß die Pönitenten ohne eigene Schuld gezwungen wären, die sakramentale Gnade oder die heilige Kommunion längere Zeit zu entbehren; als ausreichend begründete Notlage gilt aber nicht, wenn allein aufgrund eines großen Andrangs von Pönitenten, wie er bei einem großen Fest oder einer Wallfahrt Vorkommen kann, nicht genügend Beichtväter zur Verfügung stehen können. Anm. 45: alt: S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolutionem sacramentalem generali modo impertiendam, 16. Juni 1972, Nr. III: AAS 64 (1972), S. 511. neu: Vgl. CIC can. 960 und 961 § 1. Nr. 32: alt: Es bleibt dem Diözesanbischof nach Beratung mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz Vorbehalten zu beurteilen, ob die obengenannten Voraussetzungen zutreffen, und dann zu entscheiden, wann es erlaubt ist, eine sakramentale Generalabsolution zu erteilen. Wenn sich außer in den vom Diözesanbischof festgesetzten Fällen eine schwerwiegende Notwendigkeit ergeben sollte, mehreren Gläubigen gleichzeitig eine sakramentale Generalabsolution zu erteilen, ist der Priester verpflichtet, sich wenn möglich vorher an den Ortsordinarius zu wenden, damit er die Lossprechung erlaubterweise erteilen kann; andernfalls soll er den Ortsordinarius möglichst bald von der gegebenen Notlage und der erteilten Absolution in Kenntnis setzen. neu: Das Urteil darüber, ob die oben in Nr. 31 genannten erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, steht dem Diözesanbischof zu; dieser kann unter Berücksichtigung der Kriterien, die mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmt sind, feststellen, wann solche Notfälle gegeben sind. ( ) Anm. 46: alt: S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolutionem sacramentalem generali modo impertiendam, 16. Juni 1972, Nr. V: AAS 64 (1972), S. 512. 1811 KONGREGA TIONEN neu: Vgl. CIC can. 961 § 2. Nr. 33: alt: Damit die Gläubigen die Generalabsolution empfangen können, ist es unbedingt erforderlich, daß sie in geeigneter Weise vorbereitet sind: jeder soll die begangenen Sünden bereuen und den Vorsatz fassen, nicht mehr zu sündigen sowie gegebenes Ärgernis und allenfalls zugefügten Schaden gutzumachen. Zugleich soll er sich vornehmen, innerhalb der vorgeschriebenen Zeit jene schweren Sünden einzeln zu bekennen, die er jetzt nicht in dieser Weise beichten kann. Über diese innere Vorbereitung und die Voraussetzungen, die zur Gültigkeit des Sakramentes erfüllt sein müssen, sollen die Gläubigen von den Priestern sorgfältig unterrichtet werden47. neu: Damit ein Gläubiger die sakramentale Absolution, die gleichzeitig mehreren erteilt wird, gültig empfängt, ist nicht nur erforderlich, daß er recht disponiert ist; er muß sich vielmehr gleichzeitig auch vornehmen, seine schweren Sünden, die er gegenwärtig nicht auf diese Weise bekennen kann, zu gebotener Zeit einzeln zu beichten. Die Gläubigen sind, soweit möglich auch beim Empfang der Generalabsolution, über die oben genannten Erfordernisse zu belehren; der Generalabsolution ist, selbst bei Todesgefahr, wenn die Zeit dafür ausreicht, die Aufforderung voranzuschicken, daß sich jeder bemüht, einen Akt der Reue zu erwecken. Anm. 47: alt: S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolutionem sacramentalem generali modo impertiendam, 16. Juni 1972, Nr. VI und XI: AAS 64 (1972), S. 512-514. neu: Vgl. CIC can. 962 §§ 1 und 2. Nr. 34: alt: Wer durch eine Generalabsolution Vergebung seiner schweren Sünden erhalten hat, soll diese, bevor er erneut eine solche Lossprechung erhalten will, einzeln bekennen, es sei denn, daß er aus einem hinreichenden Grund daran gehindert wird. Auf jeden Fall aber ist er verpflichtet, innerhalb eines Jahres einen Beichtvater 1812 KONGREGA TIONEN aufzusuchen, vorausgesetzt, daß ihm dies nicht moralisch unmöglich ist. Denn es besteht auch für ihn die Vorschrift, nach der jeder Christ verpflichtet ist, alle Sünden, wenigstens die schweren, die er noch nicht einzeln gebeichtet hat, zumindest einmal im Jahr dem Priester zu bekennen48. neu: Wer durch eine Generalabsolution Vergebung seiner schweren Sünden erhalten hat, soll diese bei nächstmöglicher Gelegenheit, bevor er erneut eine solche Lossprechung erhalten will, einzeln bekennen, es sei denn, daß er aus einem hinreichenden Grund daran gehindert wird. . . . Anm. 48: alt: S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolutionem sacramentalem generali modo impertiendam, 16. Juni 1972, Nr. VII und VIII: AAS 64 (1972), S. 512-513. neu: Vgl. S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolutionem sacramentalem generali modo impertiendam, 16. Juni 1972, Nr. VII und VIII: AAS 64 (1972), S. 512-513; CIC can. 963, 989. Nr. 38: alt: Es ist Sache der Bischofskonferenzen: a) Richtlinien für die Disziplin des Bußsakramentes festzulegen, vor allem was den Dienst der Priester und die Reservation von Sünden betrifft; b) durch Richtlinien genauere Anordnungen zu treffen über den Ort, an dem das Bußsakrament gewöhnlich gefeiert wird, und hinsichtlich des Zeichens, das die Gläubigen vor dem Empfang der sakramentalen Generalabsolution geben sollen (vgl. oben Nr. 35); . . . neu: Es ist Sache der Bischofskonferenzen: a) Richtlinien für die Disziplin des Bußsakramentes festzulegen, vor allem, was den Dienst der Priester () betrifft; b) durch Richtlinien genauere Anordnungen zu treffen über den Beichtstuhl, in dem das Bußsakrament gewöhnlich gefeiert wird, und hinsichtlich des Zeichens, das die Gläubigen vor dem Empfang der sakramentalen Generalabsolution geben sollen (vgl. oben Nr. 35); . . .. 1813 KONGREGA TIONEN Nr. 39 b: alt: Dem Diözesanbischof obliegt es: nach Beratung mit anderen Mitgliedern der Bischofskonferenz zu entscheiden, wann es entsprechend den vom Heiligen Stuhl festgesetzten Bedingungen erlaubt ist, die sakramentale Generalabsolution zu erteilen55. neu: Dem Diözesanbischof obliegt es: unter Berücksichtigung der vom Recht festgesetzten Bestimmungen (vgl. oben Nr. 31) und der Kriterien, die mit den übrigen Mitgliedern der Bischofskonferenz abgestimmt sind, festzustellen, wann solche Notfälle gegeben sind, in denen es erlaubt ist, die sakramentale Generalabsolution zu erteilen55. Anm. 55: alt: Vgl. S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolu-tionem sacramentalem generali modo impertiendam, Nr. V: AAS 64 (1972), S. 512. neu: Vgl. S. Congr. pro Doctrina Fidei, Normae pastorales circa absolu-tionem sacramentalem generali modo impertiendam, Nr. V: AAS 64 (1972), S. 512; CIC can. 961 §§ 1 und 2. Nr. 40: alt: Sache der Priester, vor allem der Pfarrer, ist es: a) die Feier der Versöhnung für einzelne oder für eine Gemeinschaft den konkreten Lebensumständen anzupassen, ohne die Grundzüge des Aufbaues und die Worte der Lossprechung zu verändern. Aus seelsorglichen Gründen können sie jedoch, entsprechend den von der Bischofskonferenz festgelegten Richtlinien, bestimmte Teile auslassen oder erweitern, unter den Schriftlesungen oder Gebetstexten auswählen und den geeigneten Ort für die Feier bestimmen. So soll eine reiche und fruchtbare Gestaltung der ganzen Feier erreicht werden; b) einige Male im Jahr, vor allem in der österlichen Bußzeit, Bußgottesdienste anzubieten und mit Hilfe von anderen, auch Laien, so vorzubereiten, daß die ausgewählten Texte und der Ablauf der Feier den Lebensumständen der Gemeinde oder 1814 KONGREGA TIONEN einer bestimmten Gruppe (z.B. Kinder, Kranke usw.) wirklich angepaßt sind; c) im Falle einer vom Diözesanbischof nicht vorhergesehenen schwerwiegenden Notwendigkeit und wenn es nicht möglich ist, sich vorher an ihn zu wenden, über die Erteilung der sakramentalen Generalabsolution, der nur ein allgemeines Bekenntnis vorausgeht, zu entscheiden. Sie sind jedoch verpflichtet, den Ortsbischof möglichst bald von der gegebenen Notlage und der erteilten Absolution in Kenntnis zu setzen. neu: (Der Punkt c) wird gestrichen.) Anhang I, Nr. 1: alt: Bei der Lossprechung von Sünden, die derzeit um ihrer selbst willen oder auf Grund der mit ihnen verbundenen Kirchenstrafen reserviert sind, werden die Worte der Lossprechung nicht verändert. Es genügt, daß der Priester den Sünder, der in geeigneter Weise vorbereitet ist, auch von den reservierten Sünden lossprechen will'. Dabei ist - solange nichts anderes bestimmt wird oder die Sache selbst es verlangt - hinsichtlich der Rekurspflicht das geltende Recht zu beachten. Der Beichtvater kann jedoch, bevor er von den Sünden losspricht, von der Kirchenstrafe absolvieren. Er spricht dazu die unten zur Verwendung außerhalb des Bußsakramentes angegebene Formel. neu: Wenn der Priester gemäß dem Recht im sakramentalen Bereich einem Poenitenten, der in geeigneter Weise vorbereitet ist, eine Beugestrafe als Tatstrafe nachläßt, werden die Worte der Lossprechung nicht verändert. Es genügt, daß der Priester ihn auch von dem Beugestrafen absolvieren will. ( ) Der Beichtvater kann jedoch, bevor er von den Sünden losspricht, von der Kirchenstrafe absolvieren. Er spricht dazu die unten zur Verwendung außerhalb des Bußsakramentes angegebene Formel. 1815 KONGREGA TIONEN IX. Die Feier der Krankensakramente (Die Nummern der Pastoralen Einführung in „Die Feier der Krankensakramente“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Nr. 12: alt: Auch Kinder können die heilige Salbung empfangen, wenn sie so weit zum Vernunftgebrauch gekommen sind, daß sie durch dieses Sakrament Stärkung erfahren können. neu: Auch Kinder sollen die heilige Salbung empfangen, wenn sie so weit zum Vernunftgebrauch gekommen sind, daß sie durch dieses Sakrament Stärkung erfahren können. Im Falle eines Zweifels darüber, ob sie den Vernunftgebrauch auch erlangt haben, ist dieses Sakrament zu spenden“. Anm. 8 a: Vgl. CIC can. 1005. Nr. 14: alt: Kranken, die das Bewußtsein oder auch den Vernunftgebrauch verloren haben, kann das Sakrament gespendet werden, wenn sie im Besitz ihrer geistigen Kräfte mit Wahrscheinlichkeit als gläubige Menschen nach dem Sakrament verlangt hätten. neu: Kranken, die das Bewußtsein oder auch den Vernunftgebrauch verloren haben, ist das Sakrament zu spenden, wenn sie als gläubige Christen wenigstens einschlußweise um dieses Sakrament gebeten haben, als sie noch bei Bewußtsein waren. Anm. 9: alt: Vgl. CIC can. 943. neu: Vgl. CIC can. 1006. Nr. 15: alt: ... Im Zweifel, ob der Kranke auch wirklich verstorben ist, kann er ihm das Sakrament bedingungsweise spenden (s. u. Nr. 135). neu: ... Im Zweifel, ob der Kranke auch wirklich verstorben ist, ist ihm dieses Sakrament nach dem unten beschriebenen Ritus (Nr. 135) zu spenden. 1816 KONGREGA TIONEN Die Krankensalbung darf jenen nicht gespendet werden, die in einer offenkundigen schweren Sünde hartnäckig verharren. Anm. 10: alt: Vgl. CIC can. 941. neu: Vgl. CIC can. 1005. Nr. 16: alt: Der eigentliche Spender der Krankensalbung ist allein der Priester, und zwar üben diesen Dienst als ordentliche Träger der Vollmacht die Bischöfe, die Pfarrer mit ihren Kooperatoren, die Seelsorger der Krankenhäuser und Altenheime und die Oberen der Klerikergemeinschaften aus. neu: Der eigentliche Spender der Krankensalbung ist allein der Priester, und zwar üben diesen Dienst als ordentliche Träger der Vollmacht die Bischöfe, die Pfarrer, die Pfarrvikare, die Krankenhausseelsorger und die Oberen der Klerikergemeinschaften aus. Anm. 11: alt: Vgl. Konzil v. Trient, 14. Sitzung, Über die Letzte Ölung, Kap. 3 u. Kanon 4: DS 1697 u. 1719; CIC can. 938. neu: Vgl. Konzil v. Trient, 14. Sitzung, Uber die Letzte Ölung, Kap. 3 u. Kanon 4: DS 1697 und 1719; CIC can. 1003 § 1. Anm. 12: alt: Vgl. CIC can. 938. neu: Vgl. CIC can. 1003 § 2. Nr. 17: alt: . . . Dem Ortsordinarius obliegt die Verantwortung für die größeren Feiern, in denen etwa Kranke aus verschiedenen Pfarreien oder Krankenhäusern zum Empfang der heiligen Salbung zusammengeführt werden. 1817 KONGREGA TIONEN neu: . . . Dem Diözesanbischof obliegt die Verantwortung für die größeren Feiern, in denen etwa mehrere Kranke ( ) zum Empfang der heiligen Salbung zusammengeführt werden. Nr. 18: alt: Die übrigen Priester spenden die Krankensalbung nur mit Zustimmung der oben in Nr. 16 genannten Amtsträger. Im Notfall allerdings genügt es, die Zustimmung zu präsumieren und dem Pfarrer oder Krankenhausseelsorger nachträglich die Spendung des Sakraments zu melden. neu: Aus vernünftigem Grund darf jeder andere Priester mit der wenigstens vermuteten Zustimmung des in der Nr. 16 genannten Amtsträgers dieses Sakrament spenden. Diesem soll er nachträglich die Spendung des Sakraments melden. Nr. 21: alt: . . . Außer dem Bischof kann von Rechts wegen das Krankenöl weihen: a) wer nach dem Kirchenrecht dem Diözesanbischof gleichgestellt ist, b) jeder Priester, wenn eine echte Notwendigkeit gegeben ist14, neu: . . . Außer dem Bischof kann von Rechts wegen das Krankenöl weihen: a) wer nach dem Kirchenrecht dem Diözesanbischof gleichgestellt ist, b) im Notfall jeder Priester, jedoch nur bei der Feier des Sakramentes selbstu. Anm. 14: alt: Vgl. Ordo benedicendi Oleum catechumenorum et infirmorum et conficiendi Chrisma. Praenot. Nr. 3, Typ. Pol. Vat. 1970. neu: Vgl. CIC can. 999. 1818 KONGREGA TIONEN Nr. 26, Anm. 16: alt: Vgl. Ritenkongreg., Instr. Eucharisticum mysterium, v. 25. 5. 1967, Nr. 36, 39, 41: AAS 59 (1967) 561, 562, 563; Paul VI., Ap. Sehr. Pastorale munus, v. 30. 11. 1963, Nr. 7: AAS 56 (1964) 7; CIC can. 822,4. neu: Vgl. Ritenkongreg., Instr. Eucharisticum mysterium, v. 25. 5. 1967, Nr. 36, 39, 41: AAS 59 (1967) 561, 562, 563. () Nr. 29: alt: Ordentliche Spender der Wegzehrung sind der Pfarrer und seine Kooperatoren, der Krankenhausseelsorger und der Obere eines Priesterordens oder einer ordensähnlichen Klostergemeinschaft. Im Notfall soll jeder andere Priester wenigstens mit präsumierter Erlaubnis des zuständigen Spenders die Wegzehrung reichen. Wenn kein Priester zur Verfügung steht, kann ein Diakon (oder Akolyth) die Wegzehrung zum Gläubigen bringen oder auch ein anderer Gläubiger, Mann oder Frau, der auf Grund päpstlicher Ermächtigung vom Bischof dazu bestellt ist, die Eucharistie den Gläubigen auszuteilen (Kommunionhelfer). In diesem Fall gebraucht der Diakon den gleichen Ritus, wie er hier im Rituale beschrieben ist; die anderen aber halten sich an den Ritus, den sie sonst für gewöhnlich bei der Spendung der Kommunion benutzen, verwenden dabei allerdings die besondere Formel, die für die Spendung der Wegzehrung im Rituale (siehe unten, Nr. 112) vorgeschrieben ist. neu: Ordentliche Spender der Wegzehrung sind der Pfarrer, die Pfarrvikare, die Kapläne und der Obere einer Gemeinschaft in klerikalen Ordensinstituten oder Gesellschaften des apostolischen Lebens für alle, die sich im Haus aufhalten. Im Notfall oder mit der wenigstens vermuteten Zustimmung des zuständigen Spenders soll jeder andere Priester oder ein Diakon die Wegzehrung reichen, wenn jedoch kein Amtsträger zur Verfügung steht, ein entsprechend beauftragter Gläubiger. Der Diakon gebraucht den gleichen Ritus, wie er im Rituale für den Priester beschrieben ist (Nr. 101—114); die anderen aber halten sich an den Ritus, der im Ritualeteil „Kommunionspendung und Eucharistieverehrung außerhalb der Messe“ (Nr. 68-78) für den außerordentlichen Kommunionspender beschrieben ist. 1819 KONGREGA TIONEN Nr. 31: alt: Wenn dem Kranken noch das Sakrament der Firmung zu spenden ist, möge man sich an die unten gegebenen Anweisungen Nr. 117, 124, 136-137 halten. Im Falle von Todesgefahr besitzen, wenn ein Bischof nicht leicht zu erreichen oder wenn er verhindert ist, folgende Priester von Rechts wegen die Vollmacht zu firmen: Pfarrer und Pfarrvikare und in ihrer Abwesenheit auch ihre Pfarrkooperatoren; Priester, die einer besonderen rechtmäßig errichteten Pfarrei vorstehen; Pfarrver-weser, Substitute und Pfarradjutoren. Ist keiner der Genannten erreichbar, so kann jeder Priester, sofern er nicht unter einer Zensur oder Kirchenstrafe steht, die Notfirmung spenden18. neu: ... Im Falle von Todesgefahr besitzt () von Rechts wegen der Pfarrer, () ja sogar jeder Priester, die Vollmacht zu firmen (). Anm. 18: alt: Vgl. Ordo Confirmationis, Praenot. Nr. 7 c, Typ. Pol. Vat. 1971; vgl. „Die Feier der Firmung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes“, S. 20, Nr. 9. neu: Vgl. Ordo Confirmationis, Praenot. Nr. 7 c; vgl. „Die Feier der Firmung in den katholischen Bistümern des deutschen Sprachgebietes“, S. 20, Nr. 9 [zu ergänzen wäre: CIC can. 883,3], Nr. 35, Anm. 24: alt: Vgl. CIC can. 468, 1. neu: Vgl. CIC can. 529, § 1. Nr. 80: alt: Wenn der Zustand des Kranken es erlaubt, und zumal wenn er die heilige Kommunion empfangen möchte, kann die Krankensalbung im Rahmen einer Meßfeier gespendet werden. Das kann in einer Kirche oder auch, mit Zustimmung des Ortsordinarius, in der Wohnung des Kranken oder in einem geeigneten Raum des Krankenhauses geschehen. neu: Wenn der Zustand des Kranken es erlaubt, und zumal wenn er die heilige Kommunion empfangen möchte, kann die Krankensalbung im Rahmen einer Meßfeier gespendet werden. Das kann in einer 1820 KONGREGA TIONEN Kirche oder auch () in der Wohnung des Kranken oder in einem geeigneten Raum des Krankenhauses geschehen. Nr. 83: alt: . . . Wenn mit Zustimmung des Ortsordinarius eine größere Zahl von Kranken zur gleichen Zeit die Krankensalbung empfängt, soll der Ordinarius oder sein Beauftragter darüber wachen, daß alle Vorschriften für die Spendung der Krankensalbung (Nr. 8-9), die seelsorgliche Vorbereitung und die liturgische Feier (Nr. 17, 84, 85) eingehalten werden. . . . neu: . . . Wenn mit Zustimmung des Diözesanbischofs eine größere Zahl von Kranken zur gleichen Zeit die Krankensalbung empfängt, soll der Bischof oder sein Beauftragter darüber wachen, daß alle Vorschriften für die Spendung der Krankensalbung (Nr. 8-9), die seelsorgliche Vorbereitung und die liturgische Feier (Nr. 17, 84, 85) eingehalten werden. . . . Nr. 94: alt: Die Wegzehrung darf dem Kranken innerhalb einer Messe gespendet werden, wenn mit Zustimmung des Ordinarius die Eucharistie bei ihm gefeiert werden kann (Nr. 26). . . . neu: Die Wegzehrung darf dem Kranken innerhalb einer Messe gespendet werden, wenn ( ) die Eucharistie bei ihm gefeiert werden kann (Nr. 26). ... Nr. 135: alt: Bedingte Spendung der Krankensalbung. Wenn der Priester Zeifel hat, ob der Kranke noch lebt, kann die Salbung in der folgenden Weise vollzogen werden: Dann spendet er ihm die Krankensalbung. Die Spendeformel wird in der folgenden Weise der Situation angepaßt: Wenn du noch lebst, empfange nun das Sakrament der Kranken. Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: . . . 1821 KONGREGA TIONEN neu: Die Krankensalbung im Fall des Zweifels, ob der Kranke noch lebt. Wenn der Priester Zweifel hat, ob der Kranke noch lebt, soll die Salbung in der folgenden Weise vollzogen werden: Dann spendet er ihm die Krankensalbung mit den folgenden Worten: () Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr in seinem reichen Erbarmen, er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes: . . . X. Die Feier der Kirchweihe und Aitarweihe (Die Nummern in der Studienausgabe „Die Feier der Kirchweihe und Altarweihe“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Die Segnung (Benediktion) einer Kirche Fünftes Kapitel: Nr. 1: alt: ... Privatoratorien, Kapellen oder andere gottesdienstliche Räume, die nur vorübergehend oder zeitweise dem Gottesdienst dienen, sollen nach der unten beschriebenen Ordnung gesegnet (benedi-ziert) werden. neu: . . . Kapellen, Privatkapellen oder andere gottesdienstliche Räume sollen nach der unten beschriebenen Ordnung gesegnet (benedi-ziert) werden. XI. Die Feier der ölweihen (Die Nummern in der Studienausgabe „Die Feier der Ölweihen“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Nr. 8: alt: . . . Aufgrund des Rechtes dürfen das Krankenöl weihen: 1822 KONGREGA TIONEN a) Priester, die rechtlich einem Diözesanbischof gleichgestellt sind; b) in Notsituationen jeder Priester. neu: . . . Aufgrund des Rechtes dürfen das Krankenöl weihen: a) Priester, die rechtlich einem Diözesanbischof gleichgestellt sind; b) in Notsituationen jeder Priester, jedoch nur bei der Feier des Sakramentes selbst. XII. Die Feier der Ordensprofeß (Die Nummern in der Studienausgabe „Die Feier der Ordensprofeß“ stimmen mit denen der lateinischen Ausgabe überein.) Einführung, Nr. 4: alt: Das Ordensleben beginnt mit dem Noviziat, einer Zeit der Erprobung für den Novizen und die betreffende Ordensgemeinschaft. neu: Das Leben im Institut beginnt mit dem Noviziat, einer Zeit der Erprobung für den Novizen und die betreffende Ordensgemeinschaft. Anm. 6: alt: Vgl. Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute, Instruktion „Renovationis causam“ vom 6. Januar 1969, Nr. 13. neu: Vgl. CIC can. 646. Einführung, Nr. 5: alt: In der auf das Noviziat folgenden ersten Profeß verpflichtet sich der Novize durch zeitliche Gelübde vor Gott und der Kirche, den Weg der evangelischen Räte zu gehen. Diese zeitlichen Gelübde können - allerdings ohne besondere Feierlichkeit - innerhalb der Eucharistiefeier abgelegt werden. Der Ritus der ersten Profeß sieht neben der Übergabe anderer äußerer Zeichen des Ordenslebens auch die 1823 KONGREGA TIONEN Überreichung des Ordensgewandes vor. Er knüpft damit an eine sehr alte Gewohnheit an, das Ordensgewand als Zeichen der Pro-feßweihe erst nach Beendigung der Probezeit zu überreichen7. Wenn an die Stelle der ersten Profeß ein Versprechen oder Bindungen anderer Art treten, so wird deren Ablegung sinnvollerweise in eine entsprechende liturgische Handlung, etwa in einen Wortgottesdienst oder in das Stundengebet eingebaut; dafür eignen sich besonders Laudes und Vesper. Wenn es die Umstände erfordern, kann diese Feier auch in die Eucharistiefeier einbezogen werden8. neu: (Der 2. Absatz: „Wenn . . . werden8“ wird gestrichen.) Ordnung der Profeß in männlichen (weiblichen) Ordensgemeinschaften Nr. 14: (In „Die Feier der zeitlichen Profeß innerhalb der Messe“ [S. 33 bzw. S. 57] wird der Verweis auf das einfache Versprechen gestrichen.) Ritus des „Versprechens“: (Der ganz Dritte Teil: Ritus des „Versprechens“ [S. 87-102] wird gestrichen.) XIII. Die kirchliche Begräbnisfeier (Die Pastorale Einführung in „Die kirchliche Begräbnisfeier“ ist an die Verhältnisse im deutschen Sprachgebiet angepaßt. Die Nummern stimmen darum nicht mit denen der lateinischen Ausgabe überein. Die Änderungen betreffen keine Nr. der deutschen Ausgabe, sondern enthalten eine Ergänzung und die Streichung eines im deutschen Text nicht enthaltenen Verweises.) Nr. 14 a (lateinische Ausgabe — der Ort, an dem bei einem Neudruck des deutschen Buches die folgende Regelung eingefügt wird, ist noch zu bestimmen): neu: Für Katechumenen ist eine Begräbnisfeier zu halten. Außerdem ist eine Begräbnisfeier gemäß CICcan. 1183 zu gewähren: 1824 KONGREGA TIONEN a) Kindern, wenn Eltern vorhatten, ihre Kinder taufen zu lassen, diese aber vor der Taufe verstorben sind; b) Getauften, die einer nichtkatholischen Kirche oder kirchlichen Gemeinschaft zugezählt werden, nach klugem Ermessen des Ortsordinarius, wenn nicht ihr gegenteiliger Wille feststeht, und unter der Voraussetzung, daß ein eigener Amtsträger nicht erreicht werden kann. Nr. 15 (lateinische Ausgabe): (Der zu tilgende Verweis auf die Instructio Sacrae Congregationis S. Officii, diei 8 maii 1963, de cadaverum crematione, nn. 2-3, ist im deutschen Rituale nicht enthalten.) XIV. Allgemeine Einführung in das Stundengebet (Die Nummern der Allgemeinen Einführung in das Stundengebet stimmen in der lateinischen und deutschen Ausgabe überein.) Nr. 29: alt: Die Bischöfe, die Priester und Diakone, die von der Kirche den Auftrag zum Stundengebet empfangen haben (vgl. Nr. 17), sollen es täglich ganz verrichten und soweit wie möglich den zeitgerechten Ansatz der Gebetsstunden wahren. . . . neu: Die Bischöfe, die Priester und die Diakone, die Anwärter auf den Presbyterat sind, haben von der Kirche den Auftrag zum Stundengebet empfangen (vgl. Nr. 17). Sie sind verpflichtet114a, es täglich ganz zu verrichten und sollen soweit wie möglich den zeitgerechten Ansatz der Gebetsstunden wahren. . . . Anm. 114 a: Vgl. CIC can. 276 §2,3 und 1174 § 1. Nr. 30: alt: Für die ständigen Diakone ist es sehr angebracht, jeden Tag wenigstens einen Teil des Stundengebetes, den die Bischofskonferenz festlegen soll, zu verrichten. 1825 KON GREGA TIONEN neu: Die Ständigen Diakone aber, die das Gebot der Kirche auch betrifft, haben täglich das Stundengebet in dem von der Bischofskonferenz bestimmten Umfang zu verrichten. Anm. 116: alt: Papst Paul VI., Motuproprio „Sacrum Diaconatus ordinem“ vom 18. 6. 1967, Nr. 27: AAS 59 (1967), S. 703. neu: Vgl. GIC can. 276 § 2, 3; Papst Paul VI., Motuproprio „Sacrum Diaconatus ordinem“ vom 18. 6. 1967, Nr. 27: AAS 59 (1967), S. 703. 1826 KONGREGA TIONEN Kommentar Wie schon der Codex von 1917, so sagt auch der Codex Iuris Canonici von 1983 in Canon 2, daß das liturgische Recht neben den eigentlichen kanonischen Vorschriften einen eigenen Teil im Codex bildet. Dieser bestimmt, daß die liturgischen Gesetze gültig bleiben, „soweit nicht eines von diesen den Canones des Codex zuwiderläuft“. Der Canon 2 des Kirchenrechts von 1917 hatte eine etwas andere Formulierung: „wenn nicht eines von diesen im Codex ausdrücklich korrigiert wird“. Bekanntlich hat die kanonische Disziplin den liturgischen Fragen im Laufe der Jahrhunderte immer einen gewichtigen Platz eingeräumt, und die „Fontes“ des CIC von 1917 erwähnen häufig die damals geltenden liturgischen Bücher, besonders das Rituale Romanum Pauls V. Die Prae-notanda dieses Rituales Paul V. bieten bereits einen Entwurf dessen, was man heute eine Liturgie- und Sakramentenpastoral nennt; Sie hatten einen bemerkenswerten Einfluß auf die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums. Sie erörterten eine Anzahl von interessanten Fragen bezüglich der Liturgiepastoral und des kanonischen Rechts. Acht Jahre nach Erscheinen des Codex von 1917 wurde das Rituale Romanum den Normen des kanonischen Rechts angepaßt. Dabei wurden die disziplinären und auch die rein redaktionellen Neuerungen der neuen Canones in die Praenotanda aufgenommen, allerdings ohne ihren unterschiedlichen Stil und ihre unterschiedliche Funktion deutlich zu machen. Nach der Veröffentlichung des neuen Codex stellt sich 1983 das Problem der Anpassung der Praenotanda der liturgischen Bücher unter neuen Gesichtspunkten. Deren wichtigster ist die gewaltige Entwicklung des erstmals in der Erneuerung der Ostervigil im Jahre 1951 sichtbar gewordenen pastoralen Aspekts der Liturgie, der alle nach dem Zweiten Vatikanum veröffentlichten liturgischen Bücher geprägt hat. In diesen Büchern handeln die Praenotanda nicht nur von der zeremoniellen Seite der Riten, sondern von allen pastoralen Aspekten der Feier und der Vorbereitung auf sie. Einen gewichtigen Platz räumen die Praenotanda dem Verständnis der Riten und deren Katechese ein. Wo nötig begründen sie die im Ritus festgelegten Bestimmungen. Der neue Codex aber achtet mit Recht auf Nüchternheit und auf den spezifisch kanonistischen Stil seiner Formulierungen - Merkmale, die schon den Codex von 1917 kennzeichneten und die der von 1983 nicht aufgeben wollte. Daher ist jetzt der Unterschied im 1827 KON GREGA TIONEN Stil zwischen den Texten des Codex und denen der Praenotanda noch größer geworden. Auf der anderen Seite war dem Codex von 1917 eine Liturgiereform vorausgegangen, die zwar in mehreren Punkten wichtig war, die aber durch den Tod von Pius X. ein Ende gefunden hatte, noch bevor das Sakramentenrituale in Angriff genommen worden war. Im Gegensatz dazu hat heute die vom Zweiten Vatikanum beschlossene Liturgiereform die gesamten liturgischen Bücher umgestaltet und allen, bzw. fast allen, umfangreiche Praenotanda vorangestellt. Dieser Tatsache trägt das Buch IV des neuen Codex weitestgehend Rechnung. Ja, man kann sagen, der neue Codex ist in seinem Buch IV in hohem Maß an die seit dem Zweiten Vatikanum veröffentlichen liturgischen Bücher angepaßt. Jetzt ist es allerdings an der Zeit, die liturgischen Bücher ihrerseits in den Punkten anzupassen, die zum neuen Codex im Gegensatz stehen, und ganz allgemein die liturgischen Gesetze mit dem kanonischen Recht in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck hat die „Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst“ eine Arbeitsgruppe aus Liturgikem und Kirchenrechtlern gebildet und ihr den Auftrag erteilt, die Änderungen („Variationes“) vorzubereiten, die jetzt in den neuen Ausgaben der liturgischen Bücher einzuführen sind1. Die Änderungen, von denen das Dekret der heiligen Kongregation spricht, sind nach der Ordnung der liturgischen Bücher angelegt und entsprechen damit auch den verschiedenen Teilen der Liturgiekonstitution. Die Änderungen berühren auf verschiedene Weise 76 Nummern der Praenotanda. Sie reichen von einer einfachen Abänderung eines Verweises bis zu einer Umgestaltung des Textes und der Disziplin. Fast ein Drittel der Änderungen betrifft Verweise auf das kanonische Recht, die Terminologie sowie geringfügige redaktionelle Veränderungen. Eine terminologische Änderung im liturgischen Recht besteht darin, daß der neue Codex der Feier der Kirchweihe und Altarweihe folgend das Wort „Konsekration“ durch „Weihe“ ersetzt (can. 1217-1218, 1237-1238). An die Stelle der früheren Unterscheidung zwischen Kirchen und verschiedenen Arten von Oratorien tritt nun eine dreifache Einteilung: Kirchen, Kapellen und Privatkapellen (can. 1214-1223, 1226)2. Die terminologischen Änderungen sind selbstverständlich in die liturgischen Bücher aufzunehmen und in einer den verschiedenen Sprachen entsprechenden Weise zu übersetzen. Die redaktionellen Änderungen sind zwar nicht unbedingt erforderlich, jedoch bringen sie einen doppelten Vorteil: Die liturgischen Bücher gewinnen durch bestimmte 1828 KON GREGA TIONEN nützliche Präzisierungen des Codex, so z. B. wenn can. 918 einen angemessenen Grund für den Kommunionempfang außerhalb der Messe verlangt. Andererseits lassen sie die Einheit aller Anordnungen deutlicher hervortreten. Verschiedene Änderungen im liturgischen Bereich ergeben sich indirekt aus Änderungen in anderen Bereichen des Rechts. Das gilt z. B. in bezug auf die Änderungen in der Zensurendisziplin oder in bezug auf die Abschaffung des „Versprechens“ der Religiösen, das die Instruktion „Renovationis causa“ 1969 vorgesehen hatte und für das der „Ordo professionis religiosae“ von 1970 einen eigenen geeigneten Ritus enthält. Auch ist nach dem neuen Codex der Diözesanbischof für Dinge zuständig, die früher dem Ortsordinarius zukamen. Die Änderungen, die direkt den liturgischen und sakramentalen Bereich betreffen - wobei hier eine genaue Unterscheidung zwischen liturgischem Recht und Sakramentenrecht oft schwierig, ja unmöglich ist -, kann man in vier Gruppen einteilen. Es handelt sich 1. um wenige Fälle, in denen der neue Codex zu der Disziplin zurückkehrt, die vor der Neuordnung der liturgischen Bücher durch den Apostolischen Stuhl Geltung hatte; 2. um häufigere Fälle, in denen der neue Codex über die Liturgiereform hinausgeht oder deren Verwirklichung vereinfacht; 3. um den Sonderfall der Generalabsolution ohne vorausgehende Einzelbeichte; 4. um die Einfügung gewisser neuer kanonischer Vorschriften in die liturgischen Bücher. Ein kleiner Teil der Änderungen gehört zur ersten Kategorie. Von nun an verlangt zum Beispiel die Allgemeine Einführung in das Meßbuch (Nr. 281), wie schon die Instruktion „Inaestimabile donum“ (Nr. 8) und entsprechend can. 924 § 2 sowie entsprechend dem Codex von 1917, daß das für die eucharistische Feier bestimmte Brot „mere triticeus“ ist. Früher verlangte die Allgemeine Einführung wie das Konzil von Florenz und das nachtridentinische Meßbuch lediglich, daß es „triticeus“ ist. Oder: Bei Sterbenden, die das Bewußtsein verloren haben oder von denen man nicht weiß, ob sie noch leben, erlaubte der Ordo Unctionis den Priestern, das Sakrament der Krankensalbung zu spenden: „praeberi potest“, „potest praebere“, machte dies aber nicht zur Pflicht. Der neue Codex dagegen greift hier die Formulierung des alten Codex wieder auf: „ministretur“, „conferatur“ (can. 1005-1006). Eine zweite Kategorie von Änderungen, und zwar eine große Anzahl, unterstreicht Vorschriften und Empfehlungen der Liturgiereform oder 1829 KON GREGA TIONEN erweitert Möglichkeiten, die diese schon vorher eröffnet hatte. Eine solche Verstärkung hegt etwa vor, wenn der Codex die Vorschrift der Liturgiekonstitution aufgreift, daß die Homilie in der Sonntagsmesse nur aus einem schwerwiegenden Grund unterbleiben darf (can. 767 § 2, vgl. Sacrosanctum Concilium, 52). In der Allgemeinen Einführung in das Meßbuch hatte diese Vorschrift keinen Eingang gefunden. Eine andere Anordnung schreibt jetzt vor, daß Pfarrkirchen zu weihen sind (can. 1217 § 2). Mit Nachdruck - „ministretur“ anstatt „ministrari potest“ - betont der neue Codex jetzt, was das Rituale über die Krankensalbung von Kindern und über die Stärkung, die sie daraus erfahren können, sagt (can. 1004 § 1 und 1005). Dankbar nimmt man die Aufhebung der Einschränkungen bezüglich der Konzelebration (can. 902) zur Kenntnis sowie die gegebenenfalls notwendigen Erleichterungen in bezug auf die Feier der Eucharistie in nichtsakralen Räumen (can. 932). Man könnte noch viele Beispiele anführen. Eine eigene Kategorie bilden die Änderungen in bezug auf das Bußsakrament. Zwei Punkte sind hervorzuheben: Erstens hatte der Ordo Paeniten-tiae von 1973 - abweichend von den sonstigen Gepflogenheiten der Liturgiereform - es offenkundig dem künftigen Codex überlassen, neue Bestimmungen bezüglich Ort der Beichte und Beichtstuhl festzulegen, wobei den Bischofskonferenzen ein Adaptationsrecht eingeräumt wurde. Can. 964 § 2 bestimmt nun, daß dieses Adaptationsrecht den Beichtstuhl betrifft, wobei die Gläubigen die Möglichkeit haben müssen, hinter einem Gitter zu beichten. Im Zusammenhang mit der Beichte kommt der Codex auf die wichtige Frage der Generalabsolution ohne vorausgehendes Einzelbekenntnis zu sprechen. Grundlegend für Lehre und Disziplin sind die Normen der Glaubenskongregation von 1972, die ein Jahr später im Ordo Paeniten-tiae ihren Niederschlag gefunden haben. Ohne an das Wesentliche dieser Normen zu rühren, hat der Codex verschiedene Stellen redaktionell so geändert, daß der Ausnahmecharakter der Generalabsolution so stark wie möglich unterstrichen wird. Selbstverständlich werden diese vom Codex eingeführten Änderungen ohne Abstriche in den Ordo Paenitentiae aufgenommen. Bei einer letzten Gruppe von Änderungen geht es nicht um einen Gegensatz zwischen den Bestimmungen des Codex und den liturgischen Vorschriften, sondern darum, die Übereinstimmung zu vergrößern und den Zelebranten in den liturgischen Büchern mehr Hinweise zu geben zu den Punkten, in denen die Bestimmungen des Codex neu sind (z. B. bezüglich der Beichtvollmacht) und zu den Bedingungen, unter denen ein Sakra- 1830 KONGREGATIONEN ment gespendet oder empfangen werden kann. So werden zum Beispiel die Bedingungen für die Erlaubtheit der Kindertaufe (can. 863) genauer umschrieben, als das bisher im Ordo baptismi parvulorum der Fall war. Diese Änderungen schöpfen zwar bei weitem das nicht aus, was im neuen Codex für das liturgische und sakramentale Leben der lateinischen Kirche von Bedeutung ist und was jeden angeht, der dafür irgendwie Verantwortung trägt. Sie haben aber auch nicht nur die Dinge berücksichtigt, die in den nachkonziliaren liturgischen Büchern geändert werden müssen, weil sie „Codicis canonibus contraria“ sind. Es ging auch um eine weitere Harmonisierung zwischen dem liturgischen Recht und den Canones des Codex, immer unter der Rücksicht, den Unterschied der beiden Genera zu beachten. Im übrigen gilt: Wo (durch die „Variationes“) keine Änderungen eingeführt werden, kann man sicher sein, daß die Praenotanda unverändert in Kraft bleiben. Dies gilt insbesondere in bezug auf die Vorschriften für die Vorbereitungen zur Herausgabe der liturgischen Bücher und ihre Adaptation in den Landessprachen, „actis ab Apostolica Sede recognitis“. Dieses Verfahren (der Konfirmierung) kodifiziert der neue Codex nicht: es ist jedoch, ohne ins Detail zu gehen, in can. 838 § 2 und 3 dargestellt. Die wichtigste Bedeutung der Änderungen liegt in der Klarstellung, wie das liturgische Recht nach dem Inkrafttreten des neuen Codex aussieht. Der Inhalt der Änderungen gehört zum Codex und zugleich zum liturgischen Recht; er tritt darum mit dem Codex in Kraft. In den liturgischen Büchern sind die Änderungen gemäß dem Dekret der Kongregation bei Neuauflagen einzufügen, und zwar sowohl in den volkssprachlichen Ausgaben wie auch in den lateinischen. Das Dekret läßt die Frage offen, ob es von Vorteil wäre, wenigstens in bestimmten Fällen, schon jetzt die Änderungen in die bestehenden Bücher (einschließlich der volkssprachlichen) aufzunehmen. Das ist eine besondere Frage, bei der man den materiellen und pastoralen Verhältnissen der verschiedenen Länder Rechnung tragen muß. Das Dekret „De Variationibus“ beschränkt sich ausschließlich auf die Änderungen, die mit der Veröffentlichung des neuen Codex Zusammenhängen. Diese Veröffentlichung hat ohne Zweifel eine andere, indirekte Auswirkung auf die verschiedenen „Feiern“, die zusammen Rituale und Pontifikale bilden. Deren schrittweise Herausgabe hatte keine vollkommene Einheitlichkeit erlaubt. So hat zum Beispiel das Pontifikale mit den Ordinationen noch keine Praenotanda. Die Praenotanda der verschiedenen Riten müßten miteinander in Einklang gebracht werden. Jetzt, da der neue Codex veröffentlicht ist, ist es möglich, diese Aufgabe zu verwirklichen. Wenn die zuständige Autorität diese Aufgabe bejaht, so 1831 KONGREGA TIONEN wäre dies zum Vorteil des vom Zweiten Vatikanum unternommenen Werkes des liturgischen und sakramentalen Rechts, ein Werk, das man mit zwei anderen aus früheren Jahrhunderten vergleichen kann: Das Vierte Laterankonzil wurde ergänzt durch die diözesanen Synodalstatuten des 13. Jahrhunderts, die bis heute von fundamentaler Bedeutung für das Sakramentenrecht sind; das Konzil von Trient führte in Mailand zur Entstehung des liturgischen und sakramentalen Werkes von Karl Borro-mäus und in Rom zur Entstehung des Rituale Sacramentorum Romanum von Kardinal Santori und des Rituale Pauls V. Pierre-Marie Gy, O.P. Anmerkungen: 1 Vgl. Notitiae 20 (1983) 280-281. 2 Die Änderungen erwähnen die Tatsache nicht, daß der neue Codex den Ausdruck „Bischofsweihe“ beibehalten hat, anstatt den Ausdruck „Ordination des Bischofs“ aufzu-nehmen, der im neuen Pontifikale steht. 1832 KONGREGA TIONEN „ Tridentinische Messe“ bedingt erlaubt Brief der Gottesdienstkongregation an alle Vorsitzenden der Bischofskonferenzen vom 3. Oktober Vor vier Jahren wurden auf besonderen Wunsch von Papst Johannes Paul II. die Bischöfe der ganzen Kirche aufgefordert, Bericht zu erstatten: - über die Art und Weise, wie Priester und Gläubige in ihren Diözesen das von Papst Paul VI. promulgierte Missale in genauer Befolgung der Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils angenommen haben; - über die Schwierigkeiten bei der Durchführung der Liturgiereform; - über eventuelle Widerstände, die es zu überwinden galt. Das Ergebnis dieser Umfrage wurde an alle Bischöfe gesandt (vgl. Noti-tiae, Nr. 185, Dezember 1981). Aufgrund ihrer Antworten schien das Problem der Priester und Gläubigen, die dem sogenannten „tridentini-schen Ritus“ verbunden geblieben waren, fast vollständig gelöst. Da aber das Problem weiterbesteht, gibt der Heilige Vater in dem Wunsch, diesen Gruppen entgegenzukommen, den Diözesanbischöfen die Vollmacht, von dem Indult Gebrauch zu machen, aufgrund dessen Priester und Gläubige, die in dem an den eigenen Bischof zu richtenden Gesuch genau anzugeben sind, die Messe nach dem Missale Romanum in seiner Ausgabe von 1962 feiern dürfen, wobei jedoch die folgenden Bestimmungen beachtet werden müssen: a) Es muß eindeutig und öffentlich feststehen, daß der jeweilige Priester und die jeweiligen Gläubigen in keiner Weise die Positionen derjenigen teilen, die die Legitimität und Rechtgläubigkeit des Missale Romanum in Zweifel ziehen, das Papst Paul VI. 1970 promulgiert hat. b) Die Feier soll ausschließlich den Gruppen Vorbehalten sein, die darum ersuchen; in Kirchen und Oratorien, die der Bischof bestimmt (nicht jedoch in Pfarrkirchen, es sei denn, daß der Bischof dies in außerordentlichen Fällen eigens erlaubt); an den Tagen und unter den Bedingungen, die vom Bischof nach Art einer Gewohnheit oder durch einen eigenen Akt approbiert sind. c) Diese Feiern müssen nach dem Missale von 1962 und in lateinischer Sprache gehalten werden. d) Es soll keine Vermischung zwischen Riten und Texten der beiden Missale erfolgen. e) Jeder Bischof soll diese Kongregation über die von ihm gegebenen Erlaubnisse informieren und nach Ablauf eines Jahres seit der Gewährung des Indults über das Ergebnis seiner Anwendung berichten. 1833 KONGREGA TIONEN Diese Erlaubnis, die kennzeichnend ist für die Sorge des gemeinsamen Vaters um alle seine Söhne, muß in einer Weise benutzt werden, die die Befolgung der Liturgiereform im Leben der jeweiligen kirchlichen Gemeinschaften nicht beeinträchtigt. Gern benutze ich die Gelegenheit, Ihnen meine Verbundenheit im Herrn zu bekunden. Erzbischof Augustinus Mayer, Pro-Präfekt Erzbischof Virgilio Noe, Sekretär 1834 VI. Anhang ANHANG „Abrüsten, um miteinander zu leben“ Rede von Erzbischof Achille Silvestrini, Sekretär des Rates für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche, vor der Abrüstungskonferenz in Genf am 15. März Herr Präsident! 1. Es ist mir eine Ehre und eine Freude, mich heute vormittag an eine so qualifizierte und sachkundige Versammlung wenden zu können wie die Teilnehmer an dieser Jahressession 1984 der Abrüstungskonferenz, des einzigen „multilateralen Verhandlungsforums“, das zum Ziel hat, einen Konsens über die für den Frieden und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern wesentlichen Aspekte zustande zu bringen. Ich möchte besonders Herrn Datcou, den Botschafter Rumäniens, begrüßen und ihm vollen Erfolg bei der Wahrnehmung seiner Funktionen als Vorsitzender im Monat März wünschen. Zugleich möchte ich Herrn Turbanski, dem Botschafter Polens, dafür danken, daß er dieselbe Aufgabe als erster Vorsitzender der Konferenz sachkundig und erfolgreich übernommen hat. 2. Dieser Tagung kommt durch den Auftrag, der ihr anvertraut wurde, die allgemeine und vollständige Abrüstung unter einer wirksamen internationalen Kontrolle zu fördern, besondere Bedeutung zu. Der lange Weg der Abrüstungskonferenz hat schließlich zu einer Tagesordnung geführt, die unter anderem die Ausarbeitung eines internationalen Vertragsentwurfes für das Verbot von Kernwaffenversuchen und den Entwurf eines internationalen Abkommens über das vollständige und wirksame Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung sämtlicher chemischer Waffen sowie ihrer Zerstörung vorsieht. Es geht um eine Aufgabe von großer Tragweite, deren Bedeutung und Wert der Hl. Stuhl zu schätzen weiß. Papst Johannes Paul II., der unermüdliche Apostel des Friedens, hat mich ausdrücklich darum gebeten, dieser Konferenz das Interesse zu bekunden, das er ihren Arbeiten entgegenbringt, und die Hochachtung, die er für jedes einzelne ihrer Mitglieder hat, die aufgrund ihrer hohen Verantwortlichkeit dazu beitragen wollen, daß der heutige Mensch seine wunderbaren Fähigkeiten fernab von dem ihn verfolgenden Schreckensbild von Konflikten entfalten kann, die, wie man befürchten muß, nicht wiedergutzumachen wären. Im übrigen ist sich der Papst, wenn er die Anstrengungen all jener, die für die Errichtung eines echten Friedens kämpfen, ermutigt und häufig daran 1837 ANHANG erinnert, daß der Friede eine Verpflichtung aller ist, bewußt, sozusagen der Wortführer von Millionen Männern und Frauen, jugendlichen und erwachsenen, nahen und fernen zu sein, die es ablehnen, in einer Welt zu leben, wo der Krieg anscheinend nur durch ein unsicheres Gleichgewicht des Schreckens vermieden werden kann. 3. Offen gestanden, haben die Arbeiten dieses Jahres - trotz der noch immer bestehenden Spannungen - unter Anzeichen begonnen, die ermutigen können; während sich die Konferenz von Stockholm bemüht, einen Weg vorzuzeichnen, der das gegenseitige Vertrauen in Europa fördern kann, hofft man, demnächst die Wiederaufnahme der Wiener Verhandlungen über die Begrenzung konventioneller Waffen zu sehen. Viel mehr aber bleibt noch auf der Ebene der Maßnahmen zur Abwendung der Atomkriegsgefahr zu tun, auf die der Papst in seiner Ansprache am 25. Februar 1981 in Hiroshima hingewiesen hat, an der Stelle, wo sich die schauerliche Wirklichkeit dessen, was ein atomarer Holocaust sein könnte, in ihrem ganzen Grauen enthüllt hat. „Angesichts des vom Menschen bewirkten Unheils, das jeder Krieg darstellt, muß man immer wieder und wieder beteuern und bekräftigen, daß Kriegführen nicht unvermeidbar und unabänderlich ist. . . Konflikte von Ideologien, Erwartungen und Bedürfnissen können und müssen mit anderen Mitteln als durch Krieg und Gewalt beigelegt und gelöst werden“ {Ansprache vor dem Friedensdenkmal in Hiroshima, am 25. Februar 1981, Nr. 4: Wort und Weisung, 1981, S. 327). Dank der Vermittlung der Delegation Venezuelas wurde dieser Text unter die offiziellen Dokumente dieser Konferenz aufgenommen, und ich kann nur wünschen, daß er für sie eine Empfehlung bleibt. In diesem Zusammenhang möchte der Hl. Stuhl, ohne sich zu den technischen Aspekten der Arbeiten und Diskussionen äußern zu wollen, im Geist der Solidarität und des Dienstes einige seiner Überzeugungen mitteilen, die sich an der Botschaft Christi inspirieren, die das menschliche Gewissen in besonderer Weise erleuchtet. 4. Ein grundlegendes Ziel dieser Tagung ist sicher, den Atomkrieg zu verhüten, was sämtliche damit zusammenhängenden Fragen einschließt. Es geht da zweifellos um eine vorrangige Notwendigkeit. Immer größer wird die Zahl unserer Brüder in einer Menschheit, die das schreckliche Gefühl hat, auf einem Vulkan zu leben, der jeden Augenblick ausbrechen, seine zerstörerischen Kräfte entfachen, seinen Todesschleier über unseren Planeten ausbreiten und unserer Geschichte ein Ende setzen könnte. 1838 ANHANG Bedenken wir, daß ein solches Gefühl besonders bei den jungen Menschen Frustration auslösen kann. In dieser Welt, die sich in Todesgefahr befindet, beginnen sich diejenigen, die leben, verstehen, lieben, aufbauen wollen, allmählich zu fragen: Welchen Sinn hat das Dasein und welches Interesse kann menschliches Tun bieten, wenn der totale Krieg immer unabwendbarer zu werden scheint? Selbst das Gefühl der Vaterschaft und der Mutterschaft, das ihm den Keim der schöpferischen Hoffnung der Menschheit und der Zukunft vermittelt, bleibt nicht von dieser Sinnkrise verschont: Junge Ehepaare beginnen sich nach der Zukunft1 ihres Nachwuchses zu fragen, von Entsetzen gepackt bei der Vorstellung, daß ihre Kinder früher oder später zum Opfer werden könnten . . . Die öffentliche Meinung, die des Redens über den Frieden müde ist, hält sich an die kleinere, freilich sehr bescheidende Initiative, die so etwas wie der Same zu einer beruhigenderen Welt sein könnte und vielen die Hoffnung auf ein helleres Morgen zurückgäbe. Deshalb würde der Abschluß eines Vertrages, der die Atomversuche untersagt, ohne Zweifel eine Garantie für den Willen aller Staaten darstellen, sich in einer neuen Richtung zu engagieren. Es ist bedauerlich, daß der Vertragsentwurf über die Nichtweiterverbreitung von Kernwaffen, dem sich der Hl. Stuhl 1971 angeschlossen hat, noch nicht die ganze Dynamik, die seiner Vereinbarung zugrunde hegt, freisetzen konnte, sei es, weil er noch nicht die weltweite Zustimmung erhalten hat, die man mit Recht erwarten dürfte, sei es, weil man weit von der Verwirklichung der Verpflichtungen entfernt ist, die von den ersten Atommächten feierlich übernommen wurden, nämlich das Wettrüsten zu beenden und den allmählichen Rüstungsabbau unter geeigneter Kontrolle bis hin zur vollständigen Abrüstung zu garantieren. Ja, im Gegenteil, nicht nur, daß man nicht zu einem entsprechenden Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Stand gelangen konnte, nein, man hat die Tür zu einem hemmungslosen und sehr gefährlichen Rüstungswettlauf offengelassen. Papst Johannes Paul II. hat in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 1984 betont, daß die Verantwortlichen der Nationen überzeugt sein müssen, daß „der Krieg in sich irrational ist und das ethische Prinzip von der friedlichen Lösung der Konflikte der einzige menschenwürdige Weg ist“. Und er präzisierte: „. . . Die entsetzlichen Risiken von Waffen mit ungeheurer Vernichtungskraft müssen Entwicklungen in die Wege leiten, die zu Zusammenarbeit und Abrüstung führen und den Krieg praktisch undenkbar machen“ (Nr. 4; in: O.R. dt. vom 23. 12. 83, S. 5). Eine gleichzeitige, fortschreitende Abrüstung, die wirkliche internationale 1839 ANHANG Kontrollen zuläßt und organisiert, würde ein neues Klima schaffen, ein Klima des Vertrauens, das nicht nur auf strategischem Gebiet, sondern auch im wirtschaftlichen und sozialen Bereich wohltuende Auswirkungen hätte. Wie Papst Johannes Paul II. in seiner Predigt am 1. Januar dieses Jahres anläßlich des Weltfriedenstages sagte: „Die Welt von heute ist immer mehr gekennzeichnet von Gegensätzen, verstrickt in Spannungen, die offene Wunden reißen und sich in den Beziehungen zwischen Ost und West, zwischen Nord und Süd überkreuzen.“ Es wird immer deutlicher, daß in der Richtung Nord-Süd, so fügt der Papst hinzu, „der besorgniserregende Aspekt in den Kontrasten besteht, die sich daraus für die Situation der Menschen ergeben. In den reichen Ländern verbessern sich die Gesundheit und die Ernährung, in den armen hingegen fehlen die Nahrungsmittel zum Überleben und wütet die Sterblichkeit, besonders unter den Kindern“ (Predigt am 1. Januar 1984, Nr. 5, in: O.R. dt. vom 13. 1. 84, S. 4). Mehrere Begleitfaktoren sind die Ursache des Grabens, der die armen von den reichen Ländern trennt. Aber es besteht kein Zweifel, daß dieser Graben immer tiefer wird aufgrund der Vergeudung wirtschaftlicher Mittel, die für aufwendige Rüstung verschwendet werden, aber richtiger für die Hilfe an den ärmeren Völkern eingesetzt werden sollten. In dieser Situation kann es einen nicht verwundern - betonte der Papst -, daß sich die Gefahr der atomaren Katastrophe und die Geißel des Hungers in zahlreichen Ländern, eng miteinander verbunden, furchterregend am Horizont des Friedens zeigen wie die apokalyptischen Reiter. 5. Ähnliche Überlegungen ließen sich über die anderen Kriegsformen anstellen, die sogenannten „konventionellen“ Kriege, die für kontrollierbarer gehalten werden. Was sie betrifft, kann man die Tatsache nicht schweigend übergehen, daß es einen Handel mit konventionellen Waffen gibt, der den Marktgesetzen folgt, als handelte es sich um Produkte des täglichen Gebrauchs. Man darf ebensowenig vergessen, daß der größte Teil der Militärbudgets der Staaten für diese Art der Rüstung verwendet wird. Was soll man von einer Menschheit denken, die derart unproportioniert ihre besten Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Todeswaffen verwendet, oft ohne zwischen dem Gebot der Verteidigung und mehr oder weniger eingestandenen Angriffsplänen zu unterscheiden? Wenn so viele lobenswerte Anstrengungen erfolgreich durchgeführt werden, um gewisse Seuchen, den Terrorismus oder die Geißel des Drogenhandels zu bekämpfen und jeder Staat dafür Sorge trägt, auf seinem 1840 ANHANG Staatsgebiet das Tragen und den Gebrauch von Waffen gesetzlich zu regeln, ist es dann naiv zu fragen, warum die internationale Gemeinschaft nicht zu einer Verständigung über Vorschriften gelangt, die eine wirksame Kontrolle der Herstellung und Verbreitung konventioneller Waffen ermöglichen? Vorläufig sehen wir leider, wie chronische Konflikte unaufhörlich von den Lieferanten der Todeswaffen geschürt werden, die sich auf einen regelrechten Wettkampf einlassen, um mit immer höherem Gewinn ihre „Kunden“ zu bedienen ... 6. Angesichts dieser komplexen Wirklichkeit, deren ganzen Ernst der Hl. Stuhl ermißt, erlaube ich mir, Herr Präsident, ohne die Sachkenntnis, mit der diese Konferenz an das Problem herangeht, bagatellisieren zu wollen, nun den Akzent auf eine Reihe von Prioritäten zu legen, die geeignet sind, zu einer tatsächlichen Abrüstung und damit zu einem dauerhafteren Frieden zu führen. Zunächst: niemals auf die Verhandlung verzichten. Da eine übernationale Autorität fehlt, bleibt die Verhandlung für einen fortschreitenden, gleichzeitigen und international kontrollierbaren Rüstungsabbau eine zwingende Notwendigkeit, der man nicht ausweichen darf. Jede Vereinbarung über unmittelbare, selbst bescheidene Maßnahmen würde zu einer beachtlichen Verringerung der Gefahr von Konflikten beitragen. Dann: das Vertrauen wiederherstellen. Immer müssen gegenseitige Loyalität und Achtung die Kommunikation und die Bewertung von Informationen inspirieren, um so einen aufrichtigen und fruchtbaren Dialog zu begünstigen. Schließlich: sich darum bemühen, Wissenschaft und Technologie in den Dienst des Lebens und nicht des Krieges zu stellen. Sie haben die von der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften veröffentlichte „Erklärung über die Folgen der Anwendung von Kernwaffen“ in Händen; Papst Johannes Paul II. Heß 1981 den Staatsoberhäuptern der im Besitz von Atomwaffen befindlichen Nationen persönlich ein Exemplar dieses Dokumentes überreichen. Es stellt auf geradezu erschütternde Weise die schrecklichen Folgen dar, die der Einsatz bestimmter Waffen für die Zivilbevölkerung und die Umwelt hervorrufen würde. Es ist von absoluter Dringlichkeit, sich daran zu erinnern, daß die wissenschaftliche Forschung im Dienst des Menschen steht. Muß man nicht wünschen, wie es der Papst getan hat, daß „zumindest ein nicht unbeachtlicher Prozentsatz der für Technologie und Weiterentwicklung der Waffen verwendeten Gelder für die Entwicklung von Mechanismen und Vorrichtungen bereitgestellt werden, die das Leben und Wohlergehen der Men- 1841 ANHANG sehen gewährleisten“ (Botschaft an die 2. außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen, 14. Juni 1982, Nr. 10, in: O.R.dt. vom 30. 7. 82, S.ll)? Diese Seite der Beziehungen zwischen Wissenschaft und Rüstung scheint mir besonders wichtig, wenn man von Weltraum-, Strahlen- oder chemischen Waffen spricht. Was die letzteren betrifft, mit denen sich diese Konferenz, Herr Präsident, gerade in diesen Tagen beschäftigt, ist es höchst wünschenswert und dringend, daß die dazu bereits bestehenden Vereinbarungen im Hinblick auf ihre totale Verurteilung vervollständigt und Realität werden. Ein geeignetes und wirksames Überprüfungssystem müßte sorgfältig ausgearbeitet werden. Der Hl. Stuhl, der dem Genfer Protokoll von 1925 über das Verbot von bakteriologischen und chemischen Waffen beigetreten ist, wird auch in Zukunft jeder Initiative seine moralische Unterstützung gewähren, die dazu beitragen könnte, für alle Zeiten die Schrecken des totalen Krieges zu beseitigen in Übereinstimmung mit der feierlichen Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das hier die bereits von den letzten Päpsten ausgesprochenen Verurteilungen erneuert hat. Denn das Konzil sagt ausdrücklich: „Jede Kriegshandlung, die auf die Vernichtung ganzer Städte oder weiter Gebiete und ihrer Bevölkerung unterschiedslos abstellt, ist ein Verbrechen gegen Gott und gegen den Menschen, das fest und entschieden zu verwerfen ist“ (Gaudium et spes, Nr. 80). 7. Abrüsten ist ein vorrangiges Ziel für die gesamte internationale Gemeinschaft. Den Frieden fördern, zum Frieden erziehen, den Frieden retten - das ist ein Bereich, in dem die Kirche ihren ganz besonderen Beitrag leisten kann. Sie fordert unaufhörlich alle Menschen ohne Unterschied auf, sich auf sittliche Entscheidungen einzulassen, die einen dauerhaften Frieden sichern können. Die gegenwärtige Situation bleibt eine Notsituation. Der Friede kann und darf nicht nur Nicht-Krieg sein. Er ist mehr als eine Technik. Er ist ein Geist. Er setzt die Verwirklichung geistiger Werte, wie Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, voraus. Das ist eine Aufgabe, für die sich jeder verantwortlich fühlen muß. In letzter Zeit haben sich die Bischöfe zahlreicher Länder zum Problem der Rüstung geäußert. Aufschlußreich sind die Titel einiger ihrer Dokumente, die für die christliche Gewissens- und Bewußtseinsbildung bestimmt sind: - „Gerechtigkeit baut Frieden“ (deutsche Bischöfe); - „Die Herausforderung des Friedens“ (nordamerikanische Bischöfe); 1842 ANHANG - „Den Frieden gewinnen“ (französische Bischöfe); -„Abrüsten, um den Frieden aufzubauen“ (belgische Bischöfe); - „Friede in Gerechtigkeit“ (holländische Bischöfe); - „Die Sehnsucht nach dem Frieden“ (japanische Bischöfe). So viele Appelle, die alle die gleiche Sorge zum Ausdruck bringen: den Geist der Menschen wachzurütteln und eine Katharsis, eine Reinigung von der Aggressivität, in Gang zu bringen, damit sie solidarisch zu sein und besser zu lieben lernen! Damit ist gesagt, daß die über die ganze Welt verbreitete katholische Kirche ein Ferment des Friedens sein will; denn sie ist, wie Papst Paul VI. 1965 vor der UNO gesagt hat, überzeugt, daß wir „gegeneinander“ auf unsere Vernichtung zugehen, während wir „miteinander“ in unserer Welt den Frieden aufbauen! Während seiner Pilgerreise nach Hiroshima sprach Papst Johannes Paul II. den Wunsch aus, daß „sich die internationale Gemeinschaft selbst eine Gesetzesordnung geben sollte, die die internationalen Beziehungen regelt und den Frieden wahrt, genauso wie die Gesetzesordnung die Ordnung auf nationaler Ebene schützt“ (Ansprache vor dem Friedensdenkmal in Hiroshima, 25. 2. 1981, Nr. 4, in: Wort und Weisung, 1981, S. 328). Man kann meinen, es handle sich hier um eine Utopie. Man kann aber auch der Ansicht sein, daß das ein erster Schritt zu einer wirklichen Abrüstung sei. Das wäre jedenfalls ein Beweis dafür, daß man immer an den Menschen, an seine Fähigkeiten glauben kann, über sich selbst hinauszugehen, seine kriegerischen Instinkte zu überwinden, um sich in den Dienst der „Gesellschaft im Zeichen der Liebe“ zu stellen. 8. Zum Abschluß, Herr Präsident, möchte ich unterstreichen, daß man auch, um abzurüsten, Gründe angeben muß, für die es zu kämpfen gilt. Die Menschen unserer Zeit, ganz besonders die jungen Generationen, brauchen starke Motive, um sich mobilisiert zu fühlen. Sie müssen in ihren Gründen bestärkt werden, zu leben und zu hoffen. Einheit, Gerechtigkeit, Eintracht, Kampf gegen Hunger, Elend und Unterentwicklung sind Werte, die sicher existieren, aber Gefahr laufen, daß sich ideologische Konfrontationen oder künstliche Spaltungen an ihnen stoßen. Die Kirche ihrerseits kann nicht umhin, sich für alle Menschen guten Willens verantwortlich zu fühlen - und es gibt davon eine Menge in der! Welt -, die glauben, daß die Menschheit nicht ein bloßes Nebeneinander von Individuen ist, und mit ihrem ganzen Wesen bestrebt sind, eine einzige universale Menschheitsfamilie zu bilden! 1843 ANHANG Abrüsten, um miteinander zu leben! Bei dieser schwierigen Aufgabe, die immer wieder begonnen werden muß, hat der Hl. Stuhl bewußt eine Stimme, die daran erinnert, daß der Sieg der Abrüstung letzten Endes der Sieg des Friedens ist. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, daß Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, vor dieser Versammlung zu sprechen. Die Organe der römischen Kurie Stand: Mai 1984 Johannes Paul II., Bischof von Rom, Statthalter Jesu Christi, Nachfolger des Apostelfürsten, Oberhaupt der Allgemeinen Kirche, Patriarch des Abendlandes, Primas von Italien, Erzbischof und Metropolit der Kirchen-provinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes, Karol Wojtyla Heiliges Kollegium der Kardinäle - Dekan: - Sekretär: - Substitut: - Schatzmeister: Kardinal Carlo Confalonieri Erzbischof Lucas Moreira Neves OP Msgr. Felice Costantini Comm. Luigi Righi Schwammer Staatssekretariat - Staatssekretär: Kardinal Agostino Casaroli - Substitut: Erzbischof Eduardo Martinez Somalo - Assessor: Msgr. Giovanni Battista Re Die Tätigkeit umfaßt u. a. folgende Aufgaben: Chiffre, Briefe und Apostolische Breven, Beziehungen zu den Dikaste-rien, Beziehungen zu den beim Hl. Stuhl akkredidierten Vertretungen der Länder und zu den Vertretungen des Hl. Stuhls im Ausland. Korrespondenz, internationale Einrichtungen, Information und Dokumentation, Auszeichnungen und Zeremoniell, Personalfragen, Verwaltung, allgemeine Dienste. Angegliedert ist das Zentralamt für kirchliche Statistik. 1844 ANHANG Rat für die öffentlichen Angelegenheiten der Kirche - Präfekt: Kardinal Agostino Casaroli - Sekretär: Erzbischof Achille Silvestrini - Untersekretär: Msgr. Audrys Juozas Backis Die Tätigkeit gilt u. a. den Beziehungen zwischen Staat und Kirche. Kongregationen Kongregation für die Glaubenslehre - Präfekt: Kardinal Joseph Ratzinger - Sekretär: Erzbischof Alberto Bovone Der Glaubenskongregation angeschlossen sind: - die Internationale Theologische Kommission - die Bibelkommission Kongregation für die Bischöfe - Präfekt: Kardinal Bernardin Gantin - Sekretär: Erzbischof Lucas Moreira Neves OP - Untersekretär: Msgr. Marcello Costalunga Der Kongregation für die Bischöfe angeschlossen sind: - die Päpstliche Kommission für Lateinamerika - die Päpstliche Kommission für die Seelsorge am Menschen unterwegs Kongregation für die Orientalischen Kirchen - Präfekt: Kardinal Wladyslaw Rubin - Sekretär: Erzbischof Miroslav Stefan Marusyn - Untersekretär: Msgr. Mario Rizzi Kongregation für die Sakramente - Pro-Präfekt: Erzbischof Augustin Mayer OSB - Sekretär: Erzbischof Lajos Kada Kongregation für den Gottesdienst - Pro-Präfekt: Erzbischof Augustin Mayer OSB - Sekretär: Erzbischof Virgilio Noe 1845 ANHANG Kongregation für den Klerus - Präfekt: - Sekretär: - Untersekretär: Kardinal Silvio Oddi Erzbischof Maximino Romero de Lema Msgr. Guglielmo Zannoni Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute Erzbischof J. Jerome Hamer OP Erzbischof Vincenzo Fagiolo - Pro-Präfekt: - Sekretär: - Beigeordneter Untersekretär für die Ordensleute: - Untersekretär für die Säkularinstitute: P. Basil Heiser OFM Conv. Rev. Mario Albertini Kongregation für die Glaubensverbreitung - Pro-Präfekt: Erzbischof Dermot J. Ryan - Sekretär: Erzbischof Simon D. Lourdusamy - Untersekretär: Msgr. Tiziano Scalzotto Innerhalb dieser Kongregation bestehen verschiedene Kommissionen und Räte für Spezialfragen. Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse - Präfekt: Kardinal Pietro Palazzini - Sekretär: Erzbischof Traian Crisan - Untersekretär: Msgr. Fabijan Veraja Kongregation für das katholische Bildungswesen - Präfekt: Kardinal William Wakefield Baum - Sekretär: Erzbischof Antonio M. Javierre Ortas SDB - Untersekretär: Msgr. Francesco Marchisano Gerichtshöfe Apostolische Pönitentiarie - Pro-Großpönitentiar: Erzbischof Luigi Dadaglio - Regens: Msgr. Luigi de Magistris 1846 ANHANG Oberstes Tribunal der Apostolischen Signatur - Präfekt: Kardinal Aurelio Sabattani - Sekretär: Bischof Zenon Grocholewski Sacra Romana Rota - Dekan: Msgr. Arturo de Jorio Sekretariate Sekretariat für die Einheit der Christen - Präsident: Kardinal Jan Willebrands - Sekretär: P. Pierre Duprey PB - Untersekretär: Msgr. Jean-Frangois Arrighi Sekretariat für die Nichtchristen - Pro-Präsident: Erzbischof Francis Arinze - Sekretär: P. Marcello Zago OMI - Untersekretär: Rev. John B. Shirieda Masayuki SDB Sekretariat für die Nichtglaubenden - Pro-Präsident: Erzbischof Paul Poupard - Sekretär: P. Jordan Gailego Salvadores OP - Untersekretär: P. Franc Rode CM Räte, Kommissionen und Komitees Päpstlicher Rat für die Laien - Präsident: Kardinal Eduardo Pironio - Vizepräsident: Bischof Paul Josef Cordes - Untersekretär: Msgr. Peter Coughlan Päpstliche Kommission „Justitia et Pax“ - Präsident: Kardinal Roger Etchegaray - Vizepräsident: Bischof Jan Schotte CICM - Untersekretär: Msgr. William F. Murphy 1847 ANHANG Päpstliche Kommission für des Kirchenrechts die authentische Interpretation - Pro-Präsident: Erzbischof Rosalio Jose Castillo Lara SDB - Sekretär: Msgr. Julian Herranz - Untersekretär: Msgr. Mariano de Nicolö Päpstliche Kommission für die Revision des Orientalischen Kirchenrechts - Präsident: Kardinal Joseph Parecattil - Vizepräsident: Bischof Emilio Eid - Sekretär: P.Ivan Zuzek SJ Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation - Präsident: Erzbischof John P. Foley - Sekretär: P. Romeo Panciroli MCCI - Untersekretär: P. Karlheinz Hoffmann SJ Päpstliche Kommission für Lateinamerika - Präsident: Kardinal Bernardin Gantin - Sekretär: Msgr. Michele Büro Päpstliche Kommission für die Seelsorge am Menschen unterwegs - Präsident: Kardinal Bernardin Gantin - Pro-Präsident: Erzbischof Emanuele Clarizio - Sekretär: P. Giulivo Tessarolo CS - Untersekretär: Msgr. Pietro Fantö Päpstlicher Rat „ Cor Unurr, i“ - Präsident: Kardinal Roger Etchegaray - Vizepräsident: Bischof Alois Wagner - Sekretär: P. Roger Du Noyer MEP - Untersekretär: P. Henry Forest SJ Päpstlicher Rat für die Familie - Pro-Präsident: Erzbischof Edouard Gagnon PSS - Präsidentenkomitee: Erzbischof Simon D. Lourdusamy Erzbischof Raymond-Marie Tchidimbo CSSp 1848 ANHANG Bischof Kazimierz Majdanski Bischof J. Thomas Welsh Bischof Francisco Jose Cox Huneeus Bischof Paul J. Cordes Bischof Francisco Jose Cox Huneeus P. Pierre Primeau PSS - Sekretär: - Untersekretär: Päpstlicher Rat für die Kultur - Präsidentenkomitee: Kardinal Gabriel-Marie Garrone (Präsident) Kardinal Eugenio de Araujo Sales Erzbischof Paul Poupard - Exekutivkomitee: Erzbischof Paul Poupard (Präsident) Antonio M. Javierre Ortas SDB (Berater) Rev. P. Herve Carrier SJ (Sekretär) Es gibt noch weitere Päpstliche Kommissionen wie z.B. die Vulgata-Kommission, die Kommission für sakrale Archäologie, für Geschichtswissenschaften, für die Kirchenarchive in Italien, für die Sakralkunst in Italien, für die Heiligtümer von Pompei, Loreto und Bari, für Rußland, für den Staat der Vatikanstadt. Ämter Apostolische Kammer - Camerlengo der Hl. Römischen Kirche: Kardinal Paolo Bertoli - Vize-Camerlengo: Erzbischof Ettore Cunial Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Hl. Stuhls - Präsident: Kardinal Giuseppe Caprio - Sekretär: Msgr. Giovanni Angelo Abbo Verwaltung der Güter des Apostolischen Stuhls - Präsident: Kardinal Agnelo Rossi - Sekretär: Erzbischof Lorenzo Antonetti 1849 ANHANG Präfektur des Päpstlichen Hauses - Präfekt: Bischof Jacques Martin - Regens: Msgr. Dino Monduzzi Amt für Päpstliche Zeremonien - Päpstlicher Zeremoniar: Msgr. John Magee Capelia Sistina - Leiter: Msgr. Domenico Bartolucci Zentralamt für kirchliche Statistik (angeschlossen an Staatssekretariat) - Beauftragter: Msgr. Pietro Silvi Dombauhütte von St. Peter - Präsident: Kardinal Aurelio Sabattani - Delegat: Erzbischof Lino Zanini Vatikanische Apostolische Bibliothek - Pro-Bibliothekar: Erzbischof Alfons Stickler SDB - Präfekt: P. Leonard E. Boyle OP - Vizepräfekt: Msgr. Jose Ruysschaert Vatikanisches Geheimarchiv - Präfekt: P. Joseph Metzler OMI - Vizepräfekt: Msgr. Terzo Nataloni Unter den Ämtern werden u. a. weiter aufgeführt: die Schweizergarde, das Unterstützungsswerk des Papstes und das Archiv des Zweiten Vatikanums. 1850 ANHANG Dialog im Dienst der Kirche und Völker Vor 20 Jahren errichtete Paul VI. das Sekretariat für die Niehtchristen Am 19. Mai 1964, Pfingstsonntag, errichtete Paul VI. im ersten Jahr seines Pontifikats und ganz in der Atmosphäre des Zweiten Vatikanischen Konzils offiziell das Sekretariat für die Nichtchristen. Kurz danach, am 6. August desselben Jahres, veröffentlichte der Montini-Papst seine erste Enzyklika Ecclesiam suam, die als die Magna Charta des Dialogs angesehen wird. Und 1967 umriß derselbe Papst in der Apostolischen Konstitution Regimini ecclesiae die Aufgaben des neuen vatikanischen Dikaste-riums: „Suche nach Methode und Wegen zur Eröffnung eines geeigneten Dialogs mit den Nichtchristen. Es bemüht sich also darum, daß die Nichtchristen von den Christen richtig erkannt und mit Recht geschätzt werden und die Nichtchristen ihrerseits die christliche Lehre und christliches Leben entsprechend erkennen und schätzen können.“ Die Errichtung dieses Sekretariats steht im Horizont der neuen theologischen Sicht und der neuen missionarischen Verpflichtungen, die die Kirche im Konzil auf sich nahm. Sie ist auch Teil einer praktischen Reform der Zentralorgane des Vatikans, die auch zur Errichtung der Sekretariate für die Einheit der Christen und für die Nichtglaubenden führte. Die Erfahrung dieser 20 Jahre zeigt die Zweckmäßigkeit einer solchen Einrichtung für das Leben der Kirche und die Beziehungen zwischen den Religionen und den Völkern. Gerade die letzte Asienreise Johannes Pauls II. vom 2. bis 12. Mai ist eine Bestätigung des Weges, der in gegenseitiger Achtung und unter Förderung positiver Beziehungen zurückgelegt wurde. Das Sekretariat hat seine Arbeit, entsprechend den satzungsgemäßen Richtlinien getan, entsprechend den dringenden Erfordernissen und entsprechend der Persönlichkeit der verschiedenen Verantwortlichen. Auf diese Weise lassen sich, nach den aufeinanderfolgenden Präsidenten, drei Abschnitte unterscheiden. Kardinal Marella (1964-1973) hat das Kennenlernen der Religionen gefördert; Kardinal Pignedoli (1973-1980) hat für Begegnungen zwischen Katholiken und Anhängern anderer Religionen gesorgt; und Erzbischof Jadot (1980-1984) hat besonders die Zusammenarbeit mit den Ostkirchen betont. Es handelt sich um klare Akzentsetzungen, weil das Sekretariat von Anfang an versuchte, die gesteckten Ziele zu verwirklichen. Die Erfahrung zeigte die Vielfalt der Formen, die der Dialog annehmen 1851 ANHANG konnte. Anfangs erschien der Dialog wie ein Gespräch zwischen Experten, die bestrebt waren, die jeweilige religiöse Mentalität kennenzulernen oder bekanntzumachen, um bessere gegenseitige Beziehungen herauszustellen. Nach und nach entwickelte sich neben dem Dialog von Experten und offiziellen Vertretern der Dialog des Zusammenlebens im Alltag, der sozialen Zusammenarbeit, der Gemeinsamkeit religiöser Erfahrungen. Die christlichen Gemeinschaften sind sich immer mehr der Notwendigkeit und Bedingungen des Dialogs selbst bewußt geworden. Die neuen Beziehungen zu den Anhängern anderer Religionen haben den Christen geholfen, sich in ihre eigene Kultur und Gesellschaft zu integrieren. Das Sekretariat trachtete von Anfang an danach, die verschiedenen großen Religionen durch eine Reihe von Publikationen bekanntzumachen, die Anleitungen zum Kennenlernen und für den Dialog darstellen. Es hat auch eine Darstellung des Christentums veröffentlicht. Insbesondere durch das zweisprachige „Bulletin“ fördert es die pastoral-theologi-sche Reflexion über den Dialog und verwandte Probleme und informiert über verschiedene Initiativen. Das Sekretariat hat den Dialog bei den Ortskirchen dadurch gefördert, daß es bestehende Initiativen ermutigte und neue vorantrieb und die entsprechende Gesinnung und Haltung schuf. Das geschah durch die oben genannten Publikationen, durch direkten Briefkontakt mit Nuntien, Bischöfen, Fachzentren und Einzelpersonen sowie durch die Teilnahme an Seminaren oder Tagungen, die von den Bischofskonferenzen veranstaltet wurden, durch Begegnungen mit Gruppen von Bischöfen, Priestern und Laien, die das Sekretariat besuchen. Von besonderer Bedeutung sind die Vollversammlungen der Mitglieder-Kardinäle und Bischöfe -, von denen eine 1979 in Rom abgehalten wurde, um die Situation zu beurteilen, und eine zweite 1984 in Grottafer-rata, um ein Dokument über die Dialogbeziehung und die Mission zu erwägen und abzufassen. Tagungen der Konsultoren hat es in viel größerer Zahl und ganz verschiedener Art gegeben. Einige fanden als Generaltagungen unter Beteiligung sämtlicher Konsultoren statt (in Rom 1967, 1968, 1972, 1975; in Paris 1971), andere waren begrenzter und galten der Behandlung eines einzelnen Aspekts, wie z. B. der Überarbeitung der Anleitungen, und wieder andere schließlich führen mehr oder weniger regelmäßig die in Rom ansässigen Konsultoren zu einem Gedankenaustausch über bestimmte Punkte zusammen. Das Sekretariat hat an der Organisation einiger interreligiöser Begegnungen für einen Dialog thematischer Art teilgenommen. Zahlreich sind die Besuche, die die Präsidenten und die Sekretäre religiö- 1852 ANHANG sen Persönlichkeiten in den betreffenden Ländern und bedeutenden Zentren abgestattet haben. Oft handelte es sich um reine Höflichkeitsbesuche, mitunter aber waren sie von einem Meinungsaustausch über Spezialthemen begleitet. Das Sekretariat hat vor allem offizielle Oberhäupter und Delegationen empfangen und für ihre Unterbringung Sorge getragen. Man denke an die verschiedenen Besuche des Dalai Lama aus Tibet, der sich im Exil befindet, in den Jahren 1973, 1980 und 1982 und anderer tibetanischer Persönlichkeiten; an die Besuche des Patriarchen von Thailand, 1972, und Laos, 1973, an die Besuche des Gründers und Präsidenten von Rissho Kosei Kai Nikkyo Niwando nicht nur 1974 und 1979, sondern bereits 1965, während der sechsten Sitzungsperiode des Konzils, zu der er als Beobachter eingeladen worden war, und an die Besuche vieler anderer Führer verschiedener Religionen. Solche Besuche, die auch von einer Papstaudienz begleitet sind, haben im allgemeinen formellen Charakter, sie finden jedoch großen Widerhall und beeindrucken die jeweiligen Gemeinschaften. Sehr oft werden Gruppen empfangen, mit denen es leicht ist, einen ernsthaften und sehr verschiedenartigen Dialog in Gang zu bringen. Die Begegnungen mit den Einzelpersonen gestalten sich je nach den Interessen: Mit den Gelehrten kommen Fragen der Methode oder des Inhalts zur Sprache, mit den Meditationsmeistern werden die diesbezüglichen Erfahrungen ausgetauscht, die einfachen Besucher informiert man und trachtet, den Kontakt mit ihnen zu vertiefen. Die Spontaneität nimmt breiten Raum ein, was ein Klima des Vertrauens und der Freundschaft schafft. Mitunter schafft das Sekretariat mit gemischten Gruppen zusammen, das heißt Gruppen, die aus Mitgliedern verschiedener Religionen oder aus Buddhisten und Christen gebildet werden. Sie sind äußerst verschiedenartig; dazu gehören z. B. jene Gruppe junger aus Laos geflüchteter Christen und Buddhisten im August 1983; die von einem buddhistischen Patriarchen und einem katholischen Bischof angeführte laotische Delegation im Juni 1973, die von Ordensleuten und Laien begleitet wurde; die Delegation der Khmer, bestehend aus buddhistischen Mönchen und Laien, protestantischen Pastoren und katholischen Ordensleuten, im Dezember 1983. Diese gemischten Delegationen erleichtern den Dialog an Ort und Stelle und verleihen ihm mehr Authentizität. 1853 ANHANG Den Gesichtskreis der Mission erweitert Ein wichtiger Aspekt des Sekretariats betrifft die Beziehungen zu den anderen Dikasterien der Römischen Kurie, was Haltungen und Entscheidungen erleichtert, die dem vom Zweiten Vatikanum gewünschten interreligiösen Dialog Rechnung tragen sollen. Die Formen der Zusammenarbeit sind äußerst vielfältig und reichen von der einfachen Information über das Studium eines Problems bis zur Begegnung von Personen und Gruppen. In diesen Jahren wurde ein gutes Einvernehmen mit der entsprechenden Sektion des Weltrates der Kirchen in Genf erzielt. An den wichtigsten Versammlungen nehmen stets die wechselseitigen Vertreter teil; es gibt einen regelmäßigen Informationsaustausch, und die Beamten der beiden Organe treffen sich jährlich, abwechselnd in Rom und in Genf. Der Dialog zwischen den Religionen in seinen vielfältigen Formen wird zu einem Weg, um im Ökumenismus die Einheit zwischen den Kirchen weiterzubringen. In manchen Ländern fehlt es nicht an diesbezüglichen Erfahrungen. Die Auffassung und die Erfahrung des Dialogs haben den Gesichtskreis der Mission der Kirche erweitert. Sie hat nun nicht mehr bloß innerkirchliche Zielsetzungen, also in Funktion der Bekehrung zur Kirche und der Errichtung kirchlicher Gemeinden in allen Kulturkreisen. Die Mission hat auch außerkirchliche Ziele, nämlich in Funktion des Gottesreiches als eschatologische Wirklichkeit, nach der alle Menschen streben, und als umfassendste Wirklichkeit der Kirche selber. Die Kirche wird sich so der Erweiterung ihrer Verpflichtungen in der Welt bewußt, die ihrer besonderen Natur entspricht, die der Liebe entspringt und dem Heil zugewandt ist. Gleichgewicht und Integrierung der verschiedenen Komponenten und Aktivitäten der Weltmission sind notwendig. Aber sehr oft begünstigen die objektiven Situationen bestimmte Einsatzformen oder machen diese überhaupt möglich. Für die Kirche ist von Bedeutung, daß sie in der immer vollkommeneren Treue zu Christus lebt, der durch den Geist der Hauptakteur der Mission ist. Die Qualität des Seins mehr als die Zweckdienlichkeit des Handelns macht die Kirche zum geeigneten Werkzeug und zur treuen Mitarbeiterin für die Mission. Die vatikanischen Dikasterien sind zu immer größerer Zusammenarbeit untereinander, zu größerer Kreativität und zu einer aufmerksamen und hilfsbereiten Gemeinschaft mit den Ortskirchen aufgerufen, um den missionarischen Bedürfnissen der heutigen Welt zu entsprechen. 1854 ANHANG Was das Sekretariat für die Nichtchristen betrifft, so hat sich seine Errichtung als von der Vorsehung bestimmt und notwendig nicht nur für ein modernes Bild der Kirche, sondern auch für ihren Sendungsauftrag in der Welt bewahrheitet. Es wird auch weiterhin seinen vielgestaltigen Beitrag leisten müssen auf der von einer zwanzigjährigen Erfahrung bereits bestätigten Linie wie auch in der Förderung der Kenntnis der Religionen und des interreligiösen Dialogs, der Anregung und Koordinierung der Beziehungen mit den anderen Glaubenden, der Harmonisierung zwischen Dialog und Mission. Als notwendig erweisen sich auch neue Wege und Initiativen, z. B. im Hinblick auf die Vertiefung der Theologie des Dialogs und der Religionen in ihrer Gesamtheit und in ihrer Besonderheit; die geeignete Darstellung des Christentums für die Gläubigen anderer Traditionen; die Beachtung neuer oder auch traditioneller Religionen, wie der afro-amerikanischen oder der para-orientalischen; die Ausbildung zu neuen Haltungen und Erfordernissen; der Prozeß der Inkulturation; die Integrierung positiver Beziehungen zwischen Religionen und den Forderungen der Menschenrechte. Natürlich kann ein nach Personal und Mitteln begrenzter Organismus nicht von der Verwirklichung so vieler Projekte träumen, doch er kann dazu beitragen, indem er immer mehr zu einem Zentrum der Belebung und Förderung wird. Marcello Zago OMI Sekretär des Sekretariats für die Nichtchristen Für eine „Kultur des Friedens“ Intervention von Erzbischof Paul Poupard, Delegationsleiter des Hl. Stuhls, auf der 4. Konferenz der europäischen Minister für Kultur in Berlin am 24. Mai Herr Präsident! Im Namen der Delegation des Hl. Stuhls darf ich Ihnen für die Aufnahme danken, die Sie uns in Berlin anläßlich der 4. Konferenz der europäischen Minister für kulturelle Angelegenheiten zuteil werden lassen. Als Vorsitzender des Exekutivausschusses des Päpstlichen Rates für die Kultur - 1855 ANHANG einer neuen, von Papst Johannes Paul II. 1982 geschaffenen Einrichtung -habe ich die Ehre, an diesem Treffen teilzunehmen, das hauptsächlich zwei Problemen gewidmet ist, die für die Kultur in Europa von großer Bedeutung sind. In meiner Darlegung will ich kurz neun Punkte behandeln. 1. Priorität kultureller Zielsetzungen Das erste Problem betrifft die Europäische Erklärung über die kulturellen Zielsetzungen. Nach einem Prozeß langer Überlegung und geduldigen Reifens ist es den im Europarat vertretenen Ländern gelungen, die großen kulturellen Ziele zu formulieren, die sie in ihrer Innenpolitik wie in ihren Beziehungen zu den anderen Ländern zu verfolgen gewillt sind. Der Hl. Stuhl freut sich über das Zustandekommen dieser Erklärung und wünscht, daß dadurch den höheren Zielsetzungen, die die Kultur betreffen, ein neuer Impuls verliehen werde - zum größten Nutzen jeder einzelnen Nation und aller hier vertretenen Länder. Ohne die anderen politischen Leistungen, die die Nationen vollbringen, unbeachtet lassen zu wollen, muß doch anerkannt werden, daß die kulturellen Zielsetzungen eine echte Priorität im praktischen Tun der Regierungen verdienen, denn diese Ziele betreffen die höchsten Werte des menschlichen Seins.) 1856 ANHANG 3. Kultur und Erziehung Wir stellen besonders die enge, organische Verbindung fest, die zwischen kultureller Entfaltung und Erziehung besteht. Das ist ein Punkt, den die Erklärung mit aller Klarheit formuliert hat, und dafür müssen wir ihr unsere Anerkennung aussprechen. Unter allen kulturellen Leistungen Europas kommt der Schule ein besonderer Platz zu, der Schule als einzigartiger Schöpfung des europäischen Geistes und bevorzugtes Mittel zur kulturellen Förderung und zum sozialen Fortschritt. Die Schule muß mit der freien Entscheidung der Familien bei der Verwirklichung ihres Erziehungsvorhabens verbunden bleiben. Darüber hinaus ist in Europa die moderne Universität entstanden, eine der wohl typischsten Einrichtungen dieses Kontinents, die die intellektuelle und kulturelle Entwicklung der Länder Europas und der ganzen Welt so tief prägt. Ihrer ursprünglichen Berufung entsprechend muß die Universität offen bleiben für die Erforschung der ganzen Wirklichkeit und der ganzen Wahrheit und ihre unaufhörliche Suche nach Wissen und Weisheit fortsetzen.3) 4. Familie und Kultur Im Fortschritt der Kultur gilt es außerdem, der Familie eine besondere Rolle vorzubehalten; die Familie ist eine Einrichtung, die die ganze Sorge der Staaten verdient, denn sie ist stets die natürliche Zelle und das geeignetste Milieu für die Wahrung der Grundwerte, wie sie die Muttersprache, die sittliche Erziehung, die Glaubensüberzeugungen, der Sinn für soziale Verantwortung und menschliche Brüderlichkeit darstellen. Die europäische Kultur, die im Laufe der Jahrhunderte einem besonderen Familienideal Gestalt gegeben hat, könnte sich selbst kaum treu bleiben ohne das Fundament, das die Einrichtung der Familie darstellt. In unseren Tagen üben, wie in den Vorbereitungsphasen dieser Konferenz immer wieder bestätigt wurde, die Medien und die Datenverarbeitung beträchtlichen Einfluß auf das Leben der Familie aus durch die Einführung neuer Arbeitsweisen im Haus und die Auslösung neuer Weisen des Verhaltens, der Kommunikation, der Erziehung und der Erholung. Wenn man wünscht, daß die Familie ein bevorzugter Ort der sittlichen und kulturellen Entfaltung bleibt, muß man sich mit aller Bestimmtheit die folgende Frage stellen: Sollten die Entscheidungen, die den Gebrauch und die Entwicklung der Medien betreffen, nicht immer unter Berücksichtigung der fundamentalen Interessen der Familie getroffen werden? Das setzt voraus, daß die für die Kulturpolitik Verantwortlichen imstande 1857 ANHANG sind, dem Druck der Kräfte aus Wirtschaft und Industrie nicht nachzugeben, die mitunter dazu neigen, allein nach den Kriterien von Gewinn oder Nutzen zu entscheiden. Das will heißen, daß eine authentische Kulturpolitik auch eine entsprechende Familienpolitik erfordert. Hier liegt der Beweis für eine Treue zum geschichtlichen Erbe Europas und die moralische Hoffnung, die Zukunft der Menschheit mit den jungen Generationen aufbauen zu können.) 5. Das ganze Europa Eine Rede in Berlin über die Kultur Europas kann es nicht unterlassen, auf diesen Kontinent als ganzen Bezug zu nehmen, dessen historisches Schicksal von einer in der Welt ganz besonderen kulturellen Eigenart geprägt wurde. Die politischen und ideologischen Spaltungen der Länder Europas können uns ihre gemeinsame Identität nicht vergessen lassen, was auch immer ihr Regime heute ist. Wenn es wichtig ist, zum vereinten und hochherzigen Bemühen der Länder des Europarates zu ermutigen, so ist es ebenso notwendig, unablässig daran zu erinnern, daß die große europäische Familie sich über alle Teil- oder regionalen Grenzen hinaus erstreckt. Es sei gestattet, den Wunsch auszusprechen, daß die vorliegende Erklärung ermöglicht, immer stärker zum kulturellen Dialog zwischen allen Angehörigen Europas anzuspornen, wodurch alle nationalen und regionalen Gemeinschaften, die Minderheiten, die Gastarbeiter - die wegen ihrer zahlenmäßigen Bedeutung eine besondere Aufmerksamkeit verdienen - erreicht werden sollen. Es scheint offenkundig, daß alle Völker dieses Kontinents sich in den großen kulturellen Grundsätzen und Zielen, die von der Erklärung formuliert wurden, erkennen können, denn das europäische Erbe, das im Laufe der Jahrhunderte von so vielen großen Geistern, Künstlern, Gelehrten, Mystikern und bekannten oder verborgenen Heiligen bereichert wurde, stellt das gemeinsame Erbe des ganzen Europa dar.) <164> <165> <164> Eine offene Erklärung Aus all diesen Gründen stellt die Erklärung einen wichtigen Abschnitt in den Überlegungen und im kulturellen Reifungsprozeß der Europäer dar. Dieser Text darf jedoch nicht, wie man gesagt hat, als ein geschlossenes und endgültiges Dokument angesehen werden. Auch ist zu wünschen, daß die jetzige Erklärung als Grundlage für eine weitere gemeinsame Reflexion dient. Auf diese Weise wird die Erklärung durch die Erfahrung aller 1858 ANHANG betroffenen Länder bereichert werden können. Der Text, den wir heute approbieren, ist daher zugleich eine Errungenschaft wie eine Investierung für die Zukunft. Denn die kulturelle Dimension jeder dynamischen Politik verlangt, daß die vorliegende Erklärung offen bleibt für die Kreativität wie für die Vertiefung der kulturellen Bestrebungen und Bedürfnisse der Europäer. 7. Kulturelle Zielsetzungen der neuen Kommunikationstechniken Das zweite große Problem, das die Aufmerksamkeit dieser Konferenz auf sich zieht, ist das der neuen Kommunikationstechniken. Der Hl. Stuhl interessiert sich für diese neuen Techniken, soweit sie den höchsten Fähigkeiten des Menschen dienen und die Kommunikation zwischen allen Einzelmenschen und allen Gruppen bereichern können. Die wirtschaftlichen, finanziellen, rechtlichen und technischen Aspekte in bezug auf die Anwendung der neuen Techniken stellen uns vor komplexe Probleme, doch sollten sie niemals von der eigentlich kulturellen Dimension getrennt werden. Diese Techniken sollten zur Verwirklichung neuer Systeme der Teilhabe an den örtlichen und regionalen Gemeinschaften führen und zum Dialog zwischen allen Kulturen des europäischen Kontinents ermuntern. Ebenso sind die Medien ein bedeutendes Mittel, um die Verständigung zwischen den Generationen und zwischen allen geistlichen Familien zu entwickeln. <166>) <167> <166> Eine offene Erklärung <167> Ethische und erzieherische Dimensionen Es ist angebracht, die kulturelle Zielsetzung zu unterstreichen, die von den neuen Kommunikationsmöglichkeiten - insbesondere durch die Verwendung von Satelliten, Kabelfernsehen oder Video-Kassetten - gefördert werden kann. Die von den Massenmedien und der Datenverarbeitung angewandte Elektronik kann seitdem nicht ausschließlich in der Gewinnperspektive entwickelt werden. Die Staaten machen sich mit Recht Sorgen um die neuen ethischen und erzieherischen Probleme, die die systematische Verbreitung der Gewalt und des sittlichen Verfalls durch gewisse kommerzielle Medien aufwirft, und es ist zu wünschen, daß in Achtung der Rechte und der Würde der Bürger entsprechende Lösungen gefunden werden. Die Massenmedien gehören fortan zum Kulturgut der modernen Gemeinschaften und müssen infolgedessen in den Dienst der Förderung des ganzen Menschen und aller Menschen gestellt werden. So werden die 1859 ANHANG sozialen Kommunikationsmittel dazu dienen, den Bürgern ihre Würde, ihre private und soziale Verantwortlichkeit stärker bewußtzumachen, indem sie den Dialog, das gegenseitige Verständnis und die Zusammenarbeit fördern. In der Kultur der Massenmedien muß der Achtung der Wahrheit als erstem Wert und den Grundrechten der einzelnen, der Familien und der sozialen Gemeinschaften ihr Platz zurückgegeben werden. 9. Das Europa der Kommunikationen und der Kultur In der Sicht eines im Aufbau begriffenen Europa, das um die Wiederbestätigung seiner gemeinsamen Identität bei voller Achtung der nationalen Traditionen bestrebt ist, muß man hoffen, daß die Staaten zur Ausarbeitung einer gemeinsamen und wirksamen Kulturpolitik gelangen, was den Einsatz von Nachrichtensatelliten betrifft, deren technische Wirkung die Grenzen überschreitet. Eine neue Herausforderung wird also an das Europabewußtsein herangetragen, und die rechtlichen, wirtschaftlichen, politischen und vor allem kulturellen Dimensionen dieser technischen Entwicklung entgehen keinem erfahrenen Beobachter. Es sind vor allem kulturelle Kriterien, die die gemeinsame Politik auf diesem Gebiet bestimmen müßten. Europa hat sich im Laufe seiner 1000jährigen Geschichte durch die Vielfalt seiner Traditionen, durch seine ruhmreichen und schmerzlichen Erfahrungen bereichert und hat auf diese Weise ein einzigartiges Erbe aus Weisheit, Wissen, Recht, Kunst und Erfindungen angehäuft. Dieses Erbe hat seine Wurzeln in einem Humusboden vor allem christlicher Spiritualität und einem edlen weltlichen Humanismus. Dieses Erbe vermag noch immer ganz entscheidend zum Fortschritt der Wissenschaft, des Denkens, des Kulturschaffens und der internationalen Verständigung beizutragen.) Der Kulturdialog zwischen allen europäischen Nationen wird sich als ein entscheidendes Element für die Errichtung einer Kultur des Friedens erweisen können, deren unsere Welt so dringend bedarf. <168>) Das kulturelle Europa bewahrt eine historische Verantwortung im Dialog der Völker, die nach Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden streben. Der Hl. Stuhl spricht den Wunsch aus, daß dieses sittliche Ideal alle Europäer inspirieren möge, und er ermutigt insbesondere die Christen herzlich, sich hochherzig in der Verwirklichung der kulturellen Ziele zu engagieren, die Europa zu fixieren bestrebt ist. <168> Ethische und erzieherische Dimensionen Es ist angebracht, die kulturelle Zielsetzung zu unterstreichen, die von den neuen Kommunikationsmöglichkeiten - insbesondere durch die Verwendung von Satelliten, Kabelfernsehen oder Video-Kassetten - gefördert werden kann. Die von den Massenmedien und der Datenverarbeitung angewandte Elektronik kann seitdem nicht ausschließlich in der Gewinnperspektive entwickelt werden. Die Staaten machen sich mit Recht Sorgen um die neuen ethischen und erzieherischen Probleme, die die systematische Verbreitung der Gewalt und des sittlichen Verfalls durch gewisse kommerzielle Medien aufwirft, und es ist zu wünschen, daß in Achtung der Rechte und der Würde der Bürger entsprechende Lösungen gefunden werden. Die Massenmedien gehören fortan zum Kulturgut der modernen Gemeinschaften und müssen infolgedessen in den Dienst der Förderung des ganzen Menschen und aller Menschen gestellt werden. So werden die 1860 ANHANG Anmerkungen ') Vgl. Botschaft Papst Johannes Pauls II. an die Weltkonferenz für Kulturpolitik in Mexiko, 26. Juli 1982, in: DAS, 1982, S. 1231-1234. 2) Vgl. Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils, Dignitatis humanae, über das Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen, vom 7. Dezember 1965 und Ansprache Johannes Pauls II. an die 34. Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 2. Oktober 1979. 3) Vgl. Ansprache Papst Johannes Pauls II. an die UNESCO in Paris am 2. Juni 1980. 4) Vgl. Charta der Familienrechte, vorgelegt vom Hl. Stuhl, vom 22. Oktober 1983. 5) Vgl. Ansprache Johannes Pauls II. an die Teilnehmer des internationalen Kolloquiums über „Die gemeinsamen christlichen Wurzeln der europäischen Nationen“ am 6. November 1981. 6) Vgl. Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils, Inter mirifica, vom 4. Dezember 1963 und die Pastoralkonstitution Communio etprogressio der päpstlichen Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation vom 23. Mai 1971. 7) Vgl. Ansprache Papst Johannes Pauls II. an die Repräsentanten von Wissenschaft und Kunst in Wien am 2. September 1983. 8) Vgl. Ansprache Papst Johannes Pauls II. an den Päpstlichen Rat für die Kultur am 16. Januar 1984 und Publikation Eglise et Cultures des Päpstlichen Rates für die Kultur, Vatikanstadt, Nr. 1/1984, S. 9. „Begegnung von Glaube und Kultur“ Überlegungen der Päpstlichen Kommission für die Massenmedien zum Thema des Welttages der sozialen Kommunikationsmittel am 3. Juni Mancher äußert sich skeptisch bezüglich der kulturellen Möglichkeiten der sozialen Kommunikationsmittel. Andere bezweifeln grundsätzlich, daß die ganze Intensität des christlichen Glaubens über die Medien vermittelt werden kann. Die kulturelle Vermittlung der sozialen Kommunikationsmittel ist jedoch von der Kirche akzeptiert worden; sie anerkennt die Medien als „bevorzugtes Element der modernen Kultur“ (Communio et progressio, Nr. 49). Dank des vermehrten Austausches (ebd.), der je nach den Ansprüchen und Erfordernissen einer jeden Kultur {ebd., Nr. 51) in großer Mannigfaltigkeit der Beiträge {ebd., Nr. 50) und mit Produktionen von hohem künstlerischem und kulturellem Niveau erfolge {ebd., Nr. 53), werde eine immer umfassendere Begegnung zwischen den Kulturen ermöglicht {ebd., Nr. 94) und so zu deren Bereicherung beigetragen {ebd., Nr. 50). In der Praxis lassen sich allerdings zwei grundsätzliche Abweichungen feststellen: eine hervorgerufen durch die Banalität verschiedener Sendun- 1861 ANHANG gen, die zu einer kulturellen Verflachung führt, die andere durch den Versuch einer kulturellen Vorherrschaft in Abhängigkeit und im Interesse von irgend jemandem. Innerhalb internationaler Organisationen, wie z. B. der UNESCO, ist man sich vor kurzem dieses Phänomens wohl bewußt geworden (vgl. Johannes Paul II., Botschaft zum Welttag 1983, Nr. 4: AAS 1983, S. 575—576; O.R., dtsch. Ausgabe, 22.4.83, S. 4). Die Funktion der sozialen Kommunikationsmittel gegenüber dem christlichen Glauben ist mehrfach dargelegt worden: Sie wurde und wird verstanden als Recht der Welt auf Wahrheit (Pius XII., Audienz vom 11. Juli 1946; Johannes XXIII., Pacem in terris, Nr. 12; 2. Vat. Konzil, Inter mirifica, Nr. 12); als Pflicht und Aufgabe der Kommunikatoren, den Glauben kundzutun, als besonderer Sendungsauftrag, ihn durch die Medien „von den Dächern“ zu verkünden und auch die entferntesten Menschengruppen zu evangelisieren (Paul VI., Evangelii nuntiandi, Nr. 45, in: Wort und Weisung, 1975, S. 567-568); als Möglichkeit, das innere Leben der Kirche mit ihrem apostolischen Wirken zu vereinen (Paul VI., in: fructibus multis); als Aufruf zur Mitarbeit des ganzen Gottesvolkes am Dialog mit der modernen Welt (Communio et progres-sio, Nr. 125). Angesichts solcher Absicht und Wegweisungen nötigt uns die konkrete Situation zu der Feststellung, daß sich die Massenmedien inmitten des Dramas unserer Zeitepoche befinden, nämlich dem „Bruch zwischen Evangelium und Kultur“ (Paul VI., Evangelii nuntiandi, Nr. 20, a.a.O., S. 552). Sämtliche Glieder der Kirche, an erster Stelle die Laien, sind nachdrücklich auf gef ordert, sich der Tatsache zu stellen, daß sie verantwortlich und beauftragt sind, kraft ihrer Charismen diese Situation zu verändern (vgl. Johannes Paul II., Audienz für Bischöfe Australiens, 11. November 1983). Genau das ist der entscheidende Punkt des Themas für den Welttag der sozialen Kommunikationsmittel 1984. Man kann sich fragen, ob dieser Bruch zwischen Glaube und Kultur nicht ein „Sich-gegenseitig-negativ-Sehen“ als schlimme Folge hat, nämlich eben genau in Wort und Bild, in der Sprache der Information und Kommunikation, die die Medien uns anbieten können. Haben sich die sozialen Kommunikationsmittel vielleicht deshalb der Kultur entfremdet und der Religion gegenüber verschlossen, um diese Konfrontation zu vermeiden? Alle drei - soziale Kommunikationsmittel, Kultur und Glaube - haben wertvolle Möglichkeiten vertan: Der Glaube wird nicht mehr allen verkündet, die Kultur wurde ihres inneren Gehalts entleert, die sozialen Kommunikationsmittel wurden der beiden oben genannten 1862 ANHANG Funktionen beraubt, um sich auf rein kommerzielle oder politische Interessen und Strategien zu beschränken. Auf diese Weise verflüchtigt sich der Treffpunkt zwischen Glaube und Kultur, und auf jeder Stufe der menschlichen Gemeinschaft gerät die moralische Qualität in Auflösung. Während man sämtliche moralischen Tabus (die beschuldigt werden, die Kultur im Sinne der Religion auf Abwege zu bringen) zu vermeiden trachtet, gewinnen schließlich andere Tabus die Oberhand - zum Schaden der Würde und der Freiheit der menschlichen Person. Einige Kommunikatoren sind sich zum Glück über dieses Fehlen lebendiger Vermittlung aus Gründen der Gewinnsucht oder aufgrund von Vorurteilen klargeworden, die sie vom Besten, was die Menschheit zu bieten hat, isolieren: von der Kultur, die offen ist für den Glauben mit seinen konkreten sittlichen Optionen, im Dienst an der Menschheit. Der Kampf wird so zu einem gemeinsamen Kampf und zu einer ermutigenden Aktion, die nicht der Sympathie für die Kommunikatoren entbehrt. Wenn die Glaubensverkündigung die Grundlage des Medienapostolats bildet, läßt sie sich nicht außerhalb der Kultur und der Kulturen verwirklichen: daran erinnert das Zweite Vatikanische Konzil ausdrücklich (Gaudium et spes). Vermittlung religiöser Tatsachen bedeutet nicht, daß man sich auf die sensationellen Aspekte der Geschehnisse beschränkt (was nicht der Dynamik des Glaubens eigen ist), sondern sie wird als Aufdeckung der tiefen Quellen der Kultur vollzogen, die in dem religiösen Erbe und in der religiösen Sichtweise zusammengedrängt sind: Identität der Völker, Quellen der Kunst, literarische Zeugnisse ... bis hin zu den großen religiösen Texten der Menschheit und dem christlichen Einfluß, den die großen und echten Mystiker des Evangeliums dargestellt haben und ausüben. Die jungen Generationen unserer heutigen Welt lassen ihren besonderen Durst nach diesen Quellen erkennen, die durch die sozialen Kommunikationsmittel vermehrt, angereichert, in Produktionen dargestellt werden können; die Medien könnten zu diesen Quellen im pädagogischen Sinne hinführen und nach ihnen bilden und formen durch eine Information, die wirklich zur Plattform für die Begegnung jeder menschlichen Erfahrung wird, mag sie innerlich oder offenkundig, direkt oder im Herzen des Menschen verborgen sein. Wenn die sozialen Kommunikationsmittel eine „Begegnung“ dieser Art akzeptieren, können sie zur Ebene der gewünschten Gegenüberstellung aller Handlungen und aller Gedanken der Menschen werden. Vorrangig ist jedoch die Ausbildung der Kommunikatoren für den religiösen Bereich: angefangen von denen, die Nachrichten durchgeben, bis hin 1863 ANHANG zu den Verantwortlichen für die entsprechenden Sendungen, zu den Produzenten der Programme und den Kameraleuten . . . Ihre Rolle entwickelt sich ausgehend von dieser „Begegnung“ zwischen Glaube und Kultur durch die sozialen Kommunikationsmittel und nicht schon aufgrund hektischer Aktualität und äußerlicher und oberflächlicher Mitteilung der Ereignisse, die momentan Staub aufwirbeln ... Im Rahmen dieses von innen kommenden Antriebs wird das ganze Volk Gottes sich der Kommunikation widmen können, um alles, was es im Glauben lebt und erlebt, durch den Reichtum einer jeden Kultur und in der Gemeinschaft einer einzigen Kirche des Herrn weiterzugeben. Hierin liegt der Sinn einer Erneuerung und des erneuten Aufrufs zur Mitarbeit aller verfügbaren Kräfte der Kirche im Hinblick auf einen allgemeinen gegenseitigen Austausch und in Vorbereitung auf eine neue Dimension des menschlichen Daseins, welche die Kommunikationstechnologien ankündigen. Zum größeren Wohl oder zum Schaden des Menschen - das hängt davon ab, nicht zuletzt von der Qualität dessen, was wir anzubieten imstande sind. Sie wird ausschlaggebend dafür sein, ob die Begegnung zwischen Glaube und Kultur nicht nur glaubwürdig, sondern auch umwandelnd sein wird. Dialog und Mission Gedanken und Weisungen über die Haltung der Kirche gegenüber den Anhängern anderer Religionen vom Päpstlichen Sekretariat für die Nichtchristen vom 10. Juni. Einführung Ein neuer Abschnitt 1. Das II. Vatikanische Konzil hat für die Beziehungen der Kirche zu den Anhängern der anderen Religionen einen neuen Abschnitt eingeleitet. Zahlreiche Konzilsdokumente beziehen sich ausdrücklich auf sie, und eines, nämlich Nostra aetate, ist ganz dem „Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ gewidmet. in einer sich wandelnden Welt 2. Die raschen Wandlungen in der Welt und die Vertiefung des Geheimnisses der Kirche als „allumfassendes Heilssakrament“ {LG 48) haben diese Haltung gegenüber den nichtchristlichen Religionen begünstigt. 1864 ANHANG „Durch die Öffnung, die vom II. Vatikanischen Konzil vollzogen wurde, konnten die Kirche und alle Christen zu einem vollständigeren Wissen um das Geheimnis Christi kommen“ (RH 11). Das Ideal des „Dialogs“ 3. Diese neue Haltung hat den Namen „Dialog“ bekommen. Das Wort ist als Norm und Ideal in der Kirche durch Paul VI. in der Enzyklika vom 6. August 1964 Ecclesiam suam gewürdigt worden. Seitdem wurde es oft beim Konzil und in der Sprache der Kirche verwendet. Es bezeichnet nicht nur das Gespräch, sondern auch das Ganze der positiven und konstruktiven Beziehungen zwischen den Religionen, mit Personen und Gemeinschaften anderen Glaubens, um sich gegenseitig kennenzulernen und einander zu bereichern. Das vatikanische Sekretariat 4. Als institutionelles Zeichen für diesen Willen zu Gespräch und Begegnung mit den Anhängern anderer religiöser Traditionen in der Welt hat Papst Paul VI. in der Atmosphäre des II. Vatikanischen Konzils am Pfingstsonntag 1964 das Sekretariat für die Nichtchristen (Secretariatus pro non christianis) als von der Kongregation für die Evangelisierung der Völker unterschiedenes Organ eingesetzt. Seine Aufgaben wurden in der Konstitution Regimmi ecclesiae wie folgt umschrieben: „Methoden und Wege suchen zur Eröffnung eines entsprechenden Dialogs mit den Nichtchristen. Es wirkt also dahin, daß die Nichtchristen von den Christen richtig gekannt und gerecht eingeschätzt werden und daß die Nichtchristen ihrerseits Lehre und Leben der Christen entsprechend kennenlernen und schätzen können“ (AAS 59, 1967, pp. 919-920). schaut auf 20 Jahre Erfahrung zurück 5. Zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung von Ecclesiam suam und nach seiner Gründung hat das Sekretariat in einer Vollversammlung die Dialogerfahrung überall in der Kirche ausgewertet und über die Haltungen kirchlicherseits gegenüber Andersgläubigen nachgedacht, zumal über das Verhältnis zwischen Dialog und Mission. und legt ein Dokument vor 6. Die theologische Ausrichtung dieses Dokumentes geht vom II. Vatikanischen Konzil und den nachfolgenden Äußerungen des Lehramtes aus. Eine weitere Vertiefung durch die Theologen bleibt dennoch wünschenswert und notwendig. Die hier vorgelegten Gedanken sind von der Erfah- 1865 ANHANG rung angeregt und angereichert worden und haben daher vor allem pastoralen Charakter. Das Dokument möchte ein dem Evangelium entsprechendes Verhalten gegenüber den Andersgläubigen fördern, mit denen die Christen in der Stadt, am Arbeitsplatz und in der Familie Zusammenleben. für die christlichen Gemeinschaften 7. Mit diesem Dokument soll den christlichen Gemeinschaften und zumal ihren Verantwortlichen eine Hilfe geboten werden, um gemäß den Weisungen des Konzils zu leben; es möchte Elemente zur Lösung der Schwierigkeiten anbieten, die sich bei der Mission aus der gleichzeitigen Verpflichtung zu Evangelisierung und Dialog ergeben können. Die Vertreter der anderen Religionen können dann auch besser verstehen, wie die Kirche sie sieht und wie sie sich ihnen gegenüber verhalten möchte. in ökumenischem Geist 8. Viele christliche Kirchen haben ähnliche Erfahrungen mit Andersgläubigen gemacht. Der ökumenische Rat der Kirchen besitzt ein Organ für den „Dialog mit den Völkern lebendigen Glaubens und Ideologien“ innerhalb der Abteilung „Mission und Verkündigung des Evangeliums“. Mit diesem Gremium unterhält das Sekretariat für die Nichtchristen ständige brüderliche Beziehungen, berät sich mit ihnen und arbeitet mit ihnen zusammen. I. Mission Die Liebe ist Quelle 9. Gott ist Liebe (1 Joh 4, 8.16). Seine Heilsliebe wurde den Menschen in Christus geoffenbart und mitgeteilt; sie ist in der Welt präsent und tätig durch den Heiligen Geist. Die Kirche muß für diese Liebe ein lebendiges Zeichen sein, so daß sie Lebensnorm für alle wird. Von Christus gewollt, ist ihre Mission eine Sendung der Liebe, denn in der Liebe findet sie Quelle, Ziel und Art der Ausübung dieser Sendung (vgl. AG2; 5,12; EN 26). Jeder Aspekt und jede Tätigkeit der Kirche müssen daher von der Liebe geprägt sein, gerade um der Treue zu Christus willen, der die Mission aufgetragen hat und sie weiter innerlich trägt sowie innerhalb der Geschichte möglich macht. für die Kirche 10. Wie das Konzil betont hat, ist die Kirche das messianische Volk, die sichtbare Versammlung und geistliche Gemeinschaft, das Volk, das pil- 1866 ANHANG gemd mit der ganzen Menschheit unterwegs ist, deren Erfahrung sie ebenfalls macht. Sie muß Sauerteig und Seele der Gesellschaft sein, um sie in Christus zu erneuern und zur Familie Gottes zu machen (vgl. LG 9; GS 9.40). „Dieses messianische Volk hat zum . . . Gesetz das neue Gebot zu lieben, wie Christus uns geliebt hat. Seine Bestimmung ist das Reich Gottes, das von Gott selbst auf Erden grundgelegt wurde“ (LG 9). „Die pilgernde Kirche ist daher ihrem Wesen nach ,missionarisch“1 (AG2, vgl. 6.35.36). Missionarisches Verhalten ist für jeden Christen normaler Ausdruck seines gelebten Glaubens. der Mission 11. „Die Sendung der Kirche vollzieht sich mithin durch das Wirken, kraft dessen sie im Gehorsam gegen Christi Gebot und getrieben von der Gnade und Liebe des Heiligen Geistes allen Menschen und Völkern in voller Wirklichkeit gegenwärtig wird . . .“ (AG 5). Diese Aufgabe ist nur eine, vollzieht sich aber auf verschiedene Weise, je nach den Bedingungen, in denen die Mission im einzelnen zu wirken hat. „Diese Bedingungen hängen entweder von der Kirche oder von den Völkern, den Gemeinschaften und den Menschen ab, an die sich die Sendung richtet. . . Jeder der genannten Bedingungen bzw. Stadien müssen eigene Wirkformen und geeignete Mittel entsprechen . . . Das eigentliche Ziel dieser missionarischen Tätigkeit ist die Evangelisierung und die Einpflanzung der Kirche bei den Völkern und Gemeinschaften, bei denen sie noch nicht Wurzel gefaßt hat“ (AG 6). Andere Aussagen des gleichen Konzils betonen, daß zur Sendung der Kirche auch das Wirken für die Ausbreitung des Reiches und seiner Werte bei allen Menschen gehört (vgl. LG 5.9.35; GS 39. 40^15. 91.92; UR 2; DH 14; AA 5). Diese ist ständig zu vertiefen 12. Die verschiedenen Weisen und Aspekte der Sendung sind im Ganzen vom II. Vatikanischen Konzil umschrieben worden. Die folgenden Akte und Dokumente des kirchlichen Lehramtes, wie die Bischofssynode über soziale Gerechtigkeit (1971), die für Evangelisierung (1974) bzw. Katechese (1977), zahlreiche Ansprachen Pauls VI. und Johannes Pauls II. sowie der Bischofskonferenzen aus Asien, Afrika und Lateinamerika haben weitere Aspekte der Lehre des Konzils weiter entfaltet und z.B. „als ein wesentliches Element ihrer Sendung, das hiervon nicht getrennt werden darf“ (RH 15), das Eintreten für den Menschen, für soziale Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenrechte bezeichnet, auch die Änderung ungerechter sozialer Strukturen. 1867 ANHANG und in vielfältigen Tätigkeiten zu verwirklichen 13. Im Bewußtsein der Kirche steht die Mission als eine einheitliche, aber komplexe und ausgeprägte Wirklichkeit da. Es lassen sich die Hauptelemente nennen. Die Mission wird bereits Wirklichkeit durch die einfache Präsenz und das lebendige Lebenszeugnis der Christen (vgl. EN21), auch wenn anzuerkennen bleibt, daß wir „diesen Schatz in zerbrechlichen Gefäßen tragen“ (2 Kor 4,7) und daher der Abstand zwischen dem, wie der Christ existentiell erscheint, und dem, was er zu sein behauptet, immer unüberbrückbar bleibt. Dazu kommt dann der konkrete Einsatz im Dienst amMsnschen und alles Wirken für sozialen Fortschritt, auch der Kampf gegen die Armut und die Strukturen, dig sie hervorrufen. Hinzuweisen ist ferner auf das liturgische Leben, Gebet und Kontemplation als beredte Zeugnisse für ein lebendiges und befreiendes Verhältnis zum lebendigen und wahren Gott, der uns zu seinem Reich und zu seiner Herrlichkeit beruft (vgl. Apg 2,42). Dann ist da der Dialog, bei dem die Christen den Anhängern anderer religiöser Überheferungen begegnen, um gemeinsam auf die Wahrheit ] zuzustreben und bei Werken von gemeinsamem Interesse zusammenzuarbeiten. Endlich sind Verkündigung und Katechese zu nennen, wo die Frohbotschaft des Evangeliums verkündet wird und die Folgen für Leben und Kultur weiter vertieft werden. Dies alles gehört zur Mission. als Aufgabe aller 14. Jede Teilkirche ist für die ganze Mission verantwortlich. Auch jeder Christ ist kraft seines Glaubens und seiner Taufe auf gerufen, sie irgendwie ganz zu erfüllen. Die Erfordernisse der Situationen, die besondere Stellung des Volkes Gottes und das persönliche Charisma befähigen den Christen, vorwiegend den einen oder anderen Aspekt der Mission mitzutragen. nach dem Beispiel Christi 15. Das Leben Jesu enthält alle Elemente der Mission. Nach den Evangelien stellen wir bei ihm Schweigen und Tätigkeit fest, Gebet, Dialog und Verkündigung. Seine Botschaft ist untrennbar von seinem Tun; er verkündet Gott und sein Reich nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten und den Werken, die er vollbringt. Er nimmt den Widerspruch hin, den Mißerfolg und den Tod; sein Sieg erfolgt durch die Hingabe seines Lebens. Alles ist bei ihm Mittel und Weg der Offenbarung und des Heiles (vgl. EN 6-12). So müssen es auch die Christen tun: „Daran werden alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander hebt“ (Joh 13,35). 1868 ANHANG wie die Urkirche 16. Auch das Neue Testament bietet ein vielschichtiges und gegliedertes Bild der Mission. Es gibt eine Vielfalt von Diensten und Funktionen aufgrund verschiedenartiger Charismen (vgl. 1 Kor 12,28-30; Eph 4,11-12; Röm 12,6-8). Paulus selber betont die Besonderheit seiner eigenen missionarischen Berufung, wenn er erklärt: „Christus hat mich nicht gesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden“ (2 Kor 1,17). Daher finden wir neben den Aposteln, Propheten und Evangelisten andere, die zu gemeinschaftlichen Werken und zur Hilfe für die Leidenden berufen sind. Es gibt die Aufgaben der Familien, der Männer, Frauen und Kinder; es gibt die Pflichten der Herren und der Knechte. Jeder hat innerhalb der Gesellschaft ein besonderes Zeugnis zu geben. Der 1. Petrusbrief gibt den Christen, die in einer Diasporasituation leben, Hinweise, die wegen ihrer Aktualität bis heute überraschen. Johannes Paul II. bezeichnete einen Abschnitt daraus als „Goldene Regel für das Verhältnis der Christen zu ihren andersgläubigen Mitbürgern: Haltet in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt; aber antwortet bescheiden und ehrfürchtig, denn ihr habt ein reines Gewissen“ (1 Petr 3,15-16), (Ankara 29.11.1979). und die bedeutenden Missionare 17. Unter den zahlreichen Beispielen aus der Geschichte der christlichen Mission sind die Normen bezeichnend, die der hl. Franziskus in der nicht bullierten Regel von 1221 den Brüdern gibt, die „von Gott angeregt zu den Sarazenen gehen möchten . . . Sie können auf doppelte Weise unter ihnen die geistlichen Beziehungen ordnen. Die eine ist, daß sie keinen Streit oder Disput anfangen, sondern jedem menschlichen Geschöpf aus Liebe zu Gott untertan sind und bekennen, Christen zu sein. Die zweite Weise besteht darin, daß, wenn sie es als dem Herrn wohlgefällig erkennen, das Wort Gottes verkündigen“. Unser Jahrhundert hat erlebt, wie vor allem in der islamischen Welt die Erfahrung von Charles de Foucauld begann und sich bewährte, der die Mission in einer Haltung der Demut und des Schweigens in Vereinigung mit Gott ausübte, in Gemeinschaft mit den Armen und in universaler Brüderlichkeit. in Achtung vor der Freiheit 18. Die Sendung richtet sich an den Menschen immer in voller Achtung vor seiner Freiheit. Deshalb hat das II. Vatikanische Konzil zwar die 1869 ANHANG Notwendigkeit und Dringlichkeit betont, Christus, das Licht des Lebens, „mit der Tapferkeit der Apostel bis zur Hingabe des Lebens — wenn nötig - mit allem Freimut zu verbreiten“ {DH 14), zugleich aber die Forderung eingeschärft, bei jedem Gesprächspartner echte Freiheit zu fördern und zu achten, ohne jeden Zwang, vor allem im Bereich des Religiösen. „Die Wahrheit muß nämlich auf eine Weise gesucht werden, die der Würde der menschlichen Person und ihrer Sozialnatur eigen ist, d. h. auf dem Wege der freien Forschung, mit Hilfe des Lehramtes oder der Unterweisung, des Gedankenaustauschs und des Dialogs, wodurch die Menschen einander die Wahrheit, die sie gefunden haben oder gefunden zu haben glauben, mitteilen, damit sie sich bei der Erforschung der Wahrheit gegenseitig zu Hilfe kommen; an der einmal erkannten Wahrheit jedoch muß man mit personaler Zustimmung festhalten“ {DH 3). „Man muß sich also bei der Verbreitung des religiösen Glaubens und bei der Einführung von Gebräuchen allzeit jeder Art der Betätigung enthalten, die den Anschein erweckt, als handle es sich um Zwang oder um unehrenhafte oder ungehörige Überredung, besonders wenn es weniger Gebildete oder Arme betrifft. Eine solche Handlungsweise muß als Mißbrauch des eigenen Rechtes und als Verletzung des Rechtes anderer betrachtet werden“ {DH 4). und vor der Person 19. Die Achtung für jede Person muß in der heutigen Welt die Missionstätigkeit kennzeichnen (vgl. ES 77; AAS 56, 1964, S. 642-643; EN 79-80; RH 12). „Der Mensch ist der erste Weg, den die Kirche bei der Erfüllung ihres Auftrages beschreiten muß“ {RH 14). Diese Werte, die die Kirche weiter von Christus, ihrem Meister, lernt, müssen den Christen dahin führen, all das zu lieben und zu achten, was an der Kultur und am religiösen Bemühen des anderen sich an Gutem findet. „Es handelt sich um die Achtung vor allem, was der Christ in ihm gewirkt hat, der weht, wo er will“ {RH 12; vgl. EN19). Die christliche Mission kann sich nie von der Liebe und der Achtung für die anderen loslösen, und das macht für uns Christen die Wichtigkeit des Dialogs bei der Mission deutlich. 1870 ANHANG II. Dialog A) Grundlagen 20. Der Dialog ergibt sich nicht aus dem taktischen Opportunismus eines Augenblicks, sondern aus Vernunftsgründen, die durch Erfahrung, Nachdenken und sogar die Schwierigkeiten vertieft wurden. Der Dialog gründet in personalen und sozialen Bedürfnissen 21. Die Kirche öffnet sich für den Dialog, um dem Menschen treu zu bleiben. In jedem Menschen und in jeder Menschengruppe lebt der Wunsch und das Bedürfnis, als verantwortliche Personen betrachtet zu werden und handeln zu können, sei es, wenn man etwas von anderen braucht, sei es vor allem, wenn man sich bewußt ist, etwas Mitteilenswertes zu besitzen. Wie die Humanwissenschaften betonen, erfährt der Mensch im zwischenpersönlichen Dialog seine eigenen Grenzen, aber auch die Möglichkeit, sie zu überwinden: Er findet heraus, daß er die Wahrheit nicht in vollkommener und totaler Weise besitzt, aber mit den anderen zusammen ihr vertrauensvoll entgegengehen kann. Das gegenseitige Überprüfen, die Verbesserung des einen durch den anderen, der brüderliche Austausch der jeweiligen Gaben führen zu immer größerer Reife, aus der die zwischenpersönliche Gemeinschaft erwächst. Bei diesem Austauschvorgang können sogar religiöse Erfahrungen und Ansichten gereinigt und bereichert werden. Diese Dymnaik menschlicher Beziehungen drängt uns Christen zum Hören und Verstehen dessen, was uns Andersgläubige vermitteln können, so daß wir die von Gott geschenkten Gaben uns nutzbar machen. Der sozio-kulturelle Wandel mit den unvermeidlichen Spannungen und Schwierigkeiten, die wachsende gegenseitige Abhängigkeit auf allen Gebieten des menschlichen Zusammenlebens und der Förderung des Menschen, zumal alles, was für den Frieden gefordert ist, machen einen dialogischen Stil der Beziehungen heute noch dringlicher. er wurzelt im Glauben an Gott, den Vater 22. Die Kirche fühlt sich freilich vor allem aufgrund ihres Glaubens zum Dialog gedrängt. Im Dreifaltigkeitsgeheimnis läßt uns die Offenbarung ein Leben in Gemeinschaft und gegenseitigem Austausch erahnen. In Gott, dem Vater, betrachten wir eine Liebe, die zuvorkommt, ohne Grenzen an Raum und Zeit zu kennen. Das Weltall und die Geschichte sind voll von seinen Gaben. Jede Wirklichkeit und jedes Ereignis sind von seiner Liebe unterfangen. Obwohl sich das Böse gelegentlich gewaltsam 1871 ANHANG bemerkbar macht, bleibt im Geschick eines jeden Menschen und Volkes die Kraft der Gnade präsent, die aufrichtet und erlöst. Die Kirche hat die Aufgabe, den ganzen Reichtum zu entdecken, ans Licht zu heben und aufgehen zu lassen, den der Vater in Schöpfung und Geschichte verborgen hat, nicht nur, um den Ruhm Gottes in ihrer Liturgie zu feiern, sondern auch, um die Gaben des Vaters unter allen Menschen immer mehr kreisen zu lassen. und den Sohn, der sich mit jedem Menschen vereint hat 23. In Gott, dem Sohn, ist uns das Wort und die Weisheit geschenkt, in der schon vor aller Zeit alles enthalten ist und besteht. Christus ist das Wort, das jeden Menschen erleuchtet, denn in ihm offenbart sich zugleich das Geheimnis Gottes und das Geheimnis des Menschen (vgl. RH 8.10.11.13), Er ist der Erlöser, der mit seiner Gnade bei jeder menschlichen Begegnung dabei ist, um uns von unserem Egoismus zu befreien und uns einander lieben zu lassen, wie er uns geliebt hat. Johannes Paul II. schreibt: „Der Mensch - und zwar jeder Mensch ohne jede Ausnahme - ist von Christus erlöst worden. Christus ist mit jedem Menschen, ohne Ausnahme, in irgendeiner Weise verbunden, auch wenn sich der Mensch dessen nicht bewußt ist: Christus, der für alle gestorben und auf erstanden ist, schenkt dem Menschen - jedem einzelnen und allen zusammen - fortwährend Licht und Kraft durch seinen Geist, damit er seiner höchsten Berufung entsprechen kann“ (RH 13). im Geist, der am Werk ist 24. In Gott, dem Heiligen Geist, läßt uns der Glaube jene Lebenskraft, Bewegungsmacht und Möglichkeit zu ständiger Erneuerung erkennen (vgl. LG 4), die in der Tiefe des Bewußtseins wirkt und den verborgenen Weg der Herzen zur Wahrheit hin begleitet (vgl. GS 22). Dieser Geist wirkt auch „außerhalb der sichtbaren Grenzen des mystischen Leibes“ (RH 6; vgl. LG 16; GS22; AG 15). Der Geist nimmt den Weg der Kirche vorweg und begleitet ihn. Dabei weiß die Kirche sich freilich beauftragt, die Zeichen für seine Gegenwart zu erkennen und ihm zu folgen, wohin auch immer er sie führt, ihm endlich als demütige und taktvolle Mitarbeiterin zu dienen. für die Verwirklichung des Reiches 25. Das Reich Gottes ist das Endziel aller Menschen. Die Kirche ist als sein „Keim und Beginn“ (LG 5,9) darum bemüht, als Erste diesen Weg auf das Reich hin zu gehen und den ganzen Rest der Menschheit in die gleiche Richtung sich bewegen zu lassen. 1872 ANHANG Zu dieser Aufgabe gehört der Kampf gegen das Böse und die Sünde sowie der Sieg über sie, wobei sie immer bei sich selber beginnt und das Geheimnis des Kreuzes umfängt. Die Kirche bereitet damit auf das Reich vor, bis alle Brüder und Schwestern in Gott zu vollkommener Gemeinschaft gelangen. Christus bedeutet für die Kirche und die Welt die Garantie dafür, daß die Endzeit bereits begonnen hat, daß das Ende der Geschichte bereits festgelegt ist (vgl. LG 48), daß daher die Kirche befähigt und aufgerufen ist, für die Vollendung aller Dinge in Christus sich einzusetzen. durch Pflege der Keime 26. Diese Sicht hat die Väter des II. Vatikanischen Konzils zur Feststellung veranlaßt, daß in den nichtchristlichen religiösen Überlieferungen „wahre und gute Dinge“ (OT 16) vorhegen, „wertvolle Elemente der Religion und Humanität“ (GS 92), „Saatkörner des Wortes“ (AG 11.15), „Strahlen jener Wahrheit, die alle Menschen erleuchtet“ (VA 2). Nach ausdrücklichen Hinweisen des Konzils finden sich diese Werte in den großen Überheferungen der Menschheit verdichtet vor. Sie verdienen daher die Aufmerksamkeit und Achtung zum Dialog (vgl. NA 2.3; AG 11), der nicht nur die schon irgendwie gemeinsamen Elemente umfaßt, sondern auch die gegensätzlichen. in einem aufrichtigen Dialog. 27. Das II. Vatikanische Konzil vermochte daher auf konkrete Aufgaben hinzuweisen und folgende Aussagen zu machen: „Um dieses Zeugnis Christi mit Frucht geben zu können, müssen sie (die Christen) diesen Menschen in Achtung und Liebe verbunden sein. Sie müssen sie als Glieder der Menschengruppe, in der sie leben, betrachten; durch die verschiedenen Beziehungen und Geschäfte des menschlichen Lebens müssen sie an den kulturellen und sozialen Angelegenheiten teilnehmen. Sie müssen auch mit ihren nationalen und religiösen Traditionen vertraut sein; mit Freude und Ehrfurcht sollen sie die Saatkörner des Wortes aufspüren, die in ihnen verborgen sind . . . Wie Christus selbst. . . so sollen auch seine Jünger, ganz von Christi Geist erfüllt, die Menschen, unter denen sie leben und mit denen sie umgehen, kennen; in aufrichtigem und geduldigem Zwiegespräch sollen sie lernen, was für Reichtümer der freigebige Gott unter den Völkern verteilt hat; zugleich aber sollen sie ^ sich bemühen, diese Reichtümer durch das Licht des Evangeliums zu erhellen, zu befreien und unter die Herrschaft Gottes, des Erlösers, zu bringen“ (AG 11; vgl. 41; AA 14.29 usw.). 1873 ANHANG B) Formen des Dialogs 28. Die Erfahrung der letzten Jahre hat eine Fülle von Formen gezeigt, in denen der Dialog sich vollziehen kann. Die hier aufgezeigten hauptsächlichen und typischen Formen werden je für sich oder zusammen mit anderen praktiziert. Der Dialog des Lebens 29. Der Dialog ist vor allem ein Stil des Vorgehens, eine Haltung und ein Geist, der das Verhalten bestimmt. Zu ihm gehören Aufmerksamkeit, Achtung und Aufgeschlossenheit dem anderen gegenüber, dem man Raum läßt für seine persönliche Identität, seine Ausdrucksformen und Werte. Ein solcher Dialog ist Norm und notwendiger Stil für die ganze christliche Mission und jeden ihrer Teile, ob es um einfache Präsenz und um Zeugnisgeben geht, oder um Dienstangebote, oder um die direkte Verkündigung (CIC 787 § 1). Eine Mission, die nicht vom Geist des Dialogs durchdrungen wäre, würde sich gegen die Forderungen nach echter Menschlichkeit richten und den Hinweisen des Evangeliums widersprechen. für alle 30. Jeder Jünger Christi ist kraft seiner Berufung als Mensch und Christ zu echtem Dialog in seinem täglichen Leben aufgerufen, ob er in einer Mehrheits- oder Minderheitssituation lebt. Er muß mit dem Geist des Evangeliums jede Umgebung prägen, in der er lebt und arbeitet: den familiären, sozialen, erzieherischen, künstlerischen, wirtschaftlichen, politischen usw. Bereich. So fügt sich der Dialog in die große Dymanik der Sendung der Kirche ein. Der Dialog der Werke 31. Eine weitere Ebene bildet der Dialog der Werke und Zusammenarbeit für Zielsetzungen humanitären, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Charakters, die auf die Befreiung und Förderung des Menschen hinzielen. Das geschieht häufig in örtlichen, nationalen und internationalen Organisationen, wo Christen und Anhänger anderer Religionen gemeinsam die Probleme der Welt aufgreifen. für die Zusammenarbeit 32. Sehr weit gespannt kann das Feld der Zusammenarbeit sein. Besonders im Hinblick auf die Muslime mahnt das II. Vatikanische Konzil, „das Vergangene beiseite zu lassen . . . und gemeinsam einzutreten für Schutz 1874 ANHANG und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen“ (NA 3; vgl. AG 11.12.15.21 . . .). Im gleichen Sinn haben sich Paul VI. zumal in Eccle-siarn suam (AAS 56, 1964, p. 655) und Johannes Paul II. in seinen zahlreichen Begegnungen mit Oberhäuptern und Vertretern der verschiedenen Religionen ausgesprochen. Die großen Probleme, die die Menschheit bedrängen, rufen die Christen zur Zusammenarbeit mit den Andersgläubigen auf, gerade kraft der jeweiligen Glaubensüberzeugungen. Der Dialog der Fachleute 33. Von besonderem Interesse ist der Dialog auf Ebene der Fachleute, sei es um das jeweilige religiöse Erbe vorzulegen, zu vertiefen und zu bereichern, sei es um seine Kräfte für die Probleme nutzbar zu machen, die sich der Menschheit im Verlauf ihrer Geschichte stellen. Zu solchem Dialog kommt es normalerweise dort, wo der Gesprächspartner bereits eine Weltanschauung besitzt und einer Religion anhängt, die ihn zum Handeln treibt. Leichter wird er in den pluralistischen Gesellschaften, wo unterschiedliche Überlieferungen und Ideologien koexistieren und gelegentüch aufeinandertreffen. im Dienst des Verstehens 34. Bei dieser Auseinandersetzung kennen und schätzen die Gesprächspartner ihre gegenseitigen geistlichen Werte und kulturellen Maßstäbe und fördern Gemeinschaft und Brüderlichkeit unter den Menschen (vgl. NA 1). Für den Christen handelt es sich zugleich um Mitarbeit an der Umwandlung der Kulturen im Sinn des Evangeliums (vgl. E/V18-20.63). Der Dialog der religiösen Erfahrung 35. Auf tieferer Ebene können in ihrer eigenen Überlieferung verwurzelte Menschen ihre Erfahrungen in Gebet und Kontemplation, in Glauben und Tun austauschen als Ausdrucksformen und Wege des Suchensl nach dem Absoluten. Diese Art von Dialog führt zu gegenseitiger^ Bereicherung und fruchtbarer Zusammenarbeit bei der Förderung und ’ Wahrung der höchsten geistlichen Werte und Ideale des Menschen. Er regt natürlicherweise an, sich gegenseitig die Gründe des eigenen Glaubens mitzuteilen, und er hört nicht auf angesichts manchmal tiefreichender Gegensätze, er vertraut sich vielmehr in Demut und Zuversicht Gott an, „der größer ist als unser Herz“ (i Joh 3,20). Der Christ hat damit Gelegenheit, dem anderen die Möglichkeit zu bieten, daß er auf existentielle Weise die Werte des Evangeliums erfahren kann. 1875 ANHANG III. Dialog und Mission 36. Die Beziehungen zwischen Dialog und Mission sind vielfältig. Wir verweilen hier bei einigen Aspekten, die im Augenblick bedeutsamer sind für die Herausforderungen und Probleme, die sich stellen, und für die geforderten Haltungen. A) Mission und Bekehrung Der Aufruf zur Bekehrung 37. Die missionarische Verkündigung hat für das II. Vatikanische Konzil die Bekehrung zum Ziel: „Nur so werden sich die Nichtchristen glaubend, mit einem Herzen, das ihnen der Heilige Geist geöffnet hat, frei zum Herrn bekehren und ihm aufrichtig anhangen . . .“ (AG 13; C/C787, Par. 2). Im Kontext des Dialogs zwischen Anhängern verschiedener Glaubensüberzeugungen läßt sich die Überlegung zum geistlichen Weg der Bekehrung nicht vermeiden. In der biblischen und christlichen Sprache besteht die Bekehrung des demütigen und zerknirschten Herzens zu Gott in dem Verlangen, ihm das eigene Leben hochherziger zu unterwerfen (vgl. AG 13). Alle sind beständig zu solcher Bekehrung aufgerufen. In diesem Prozeß kann sich die Entscheidung ergeben, eine frühere geistliche oder religiöse Situation zu verlassen, um sich einer anderen zuzuwenden. So kann sich das Herz zum Beispiel von einer begrenzten Liebe aus für eine universale Liebe öffnen. Jeder echte Ruf Gottes bringt jeweils eine Selbstüberschreitung mit sich. Es gibt kein neues Leben ohne Tod, wie es die Dynamik des Paschamysteriums zeigt (vgl. GS 22). Außerdem ist jede Bekehrung „Werk der Gnade. In ihr muß der Mensch vollständig zu sich selbst zurückfinden“ (RH 12). in Achtung vor dem Gewissen 38. Bei diesem BekehrungsVorgang hat das oberste Gesetz des Gewissens Vorrang, denn niemand darf „gezwungen werden, gegen sein Gewissen zu handeln. Er darf aber auch nicht daran gehindert werden, gemäß seinem Gewissen zu handeln, besonders in Bereich der Religion“ (DH 3). und dem lebenspendenden Geist 39. In christlicher Sicht ist Hauptagent der Bekehrung nicht der Mensch, sondern der Heilige Geist. „Er ist es, der jeden antreibt, das Evangelium 1876 ANHANG zu verkünden, und er ist es auch, der die Heilsbotschaft in den Tiefen des Bewußtseins annehmen und verstehen läßt“ (EN15). Er führt die Bewegung der Herzen und läßt den Akt des Glaubens an Jesus, den Herrn, entstehen (vgl. 1 Kor 2,4). Der Christ ist nur Werkzeug und Mitarbeiter Gottes (vgl. 1 Kor 3,9). im gegenseitigen Verlangen nach Wachstum 40. Auch beim Dialog nährt der Christ normalerweise in seinem Herzen das Verlangen, seine Christuserfahrung mit dem Bruder aus der anderen Religion zu teilen (vgl. Apg 26, 29; ES 46). Ebenso natürlich erscheint es, daß der Andersgläubige etwas Ähnliches wünscht. B) Der Dialog zum Aufbau des Reiches Mitarbeit beim Plan Gottes 41. Gott versöhnt weiter die Menschen mit sich durch den Geist. Die Kirche vertraut auf die ihr gegebene Verheißung Christi, daß der Geist sie innerhalb der Geschichte in die Fülle der Wahrheit einführen wird (vgl. Joh 16,13). Deshalb geht sie den Menschen und Völkern und ihren Kulturen entgegen im Bewußtsein, daß jede menschliche Gemeinschaft Keime des Guten und der Wahrheit besitzt, und daß Gott einen Plan der Liebe für jede Nation hat (vgl. Apg 17,26-27). Die Kirche will daher mit allen an der Verwirklichung dieses Planes mitarbeiten und so den ganzen Reichtum der unendlichen und vielförmigen Weisheit Gottes auswerten, zugleich aber zur Evangelisierung der Kulturen beitragen (vgl. EN 18-20). Förderung des universalen Friedens 42. „Wir wenden uns dann auch allen zu, die Gott anerkennen und in ihren Traditionen wertvolle Elemente der Religion und Humanität bewahren, und wünschen, daß ein offener Dialog uns alle dazu bringt, die Anregungen des Geistes treulich aufzunehmen und mit Eifer zu erfüllen. Der Wunsch nach einem solchen Dialog, geführt einzig aus Liebe zur Wahrheit und unter Wahrung angemessener Diskretion, schließt unsererseits niemanden aus, weder jene, die hohe Güter der Humanität pflegen, deren Urheber aber noch nicht anerkennen, noch jene, die Gegner der Kirche sind und sie auf verschiedene Weise verfolgen. Da Gott, der Vater, Ursprung und Ziel aller ist, sind wir alle dazu berufen, Brüder zu sein. Und darum können und müssen wir aus derselben menschlichen und göttlichen Berufung ohne Gewalt und ohne Hintergedanken zum Aufbau 1877 ANHANG einer wahrhaft friedlichen Welt Zusammenarbeiten“ (GS 92; vgl. die Botschaft Pauls VI. und Johannes Pauls II. zum Welttag des Friedens). in der Hoffnung 43. Der Dialog wird damit Quelle der Hoffnung und Werkzeug der Gemeinschaft in gegenseitiger Umformung. Der Heilige Geist aber leitet die Verwirklichung des Planes Gottes innerhalb der Geschichte der einzelnen und der gesamten Menschheit, bis die infolge der Sünde zerstreuten Kinder Gottes wieder zur Einheit zusammengeführt sind (vgl. Joh 11,52). gemäß der Geduld Gottes 44. Gott allein kennt die Zeiten, er, dem nichts unmöglich ist, er, dessen geheimnisvoller und schweigsamer Geist den Einzelpersonen und Völkern die Wege des Dialogs öffnet, um die rassischen, sozialen und religiösen Unterschiede zu überwinden und sich gegenseitig zu bereichern. Wir leben also in der Zeit der Geduld Gottes, und in dieser Zeit wirkt die Kirche und jede christliche Gemeinschaft, denn niemand kann Gott verpflichten, schneller zu handeln, als er sich zu handeln entschlossen hat. Doch angesichts der neuen Menschheit des dritten Jahrtausends möchte die Kirche ein offenes Christentum ausstrahlen, bereit, geduldig zu warten, bis der unter Tränen und doch vertrauensvoll ausgestreute Same aufgeht (vgl. Jak 5,7-8; Mk 4,26-30). Gemeinsame Erklärung von Kardinal Willebrands, Präsident des Sekretariats der römisch-katholischen Kirche für die Einheit der Christen, und Pfarrer Dr. Philip A. Potter, Generalsekretär des ökumenischen Rates der Kirchen, anläßlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. beim ökumenischen Rat der Kirchen am 12. Juni 1984 <169> <169> Anläßlich des Besuches Seiner Heiligkeit, Papst Johannes Pauls II. beim Ökumenischen Rat der Kirchen sagen wir Gott Dank für alles, was er wirkt, um die Christen und ihre Kirchen und Gemeinschaften durch die ökumenische Bewegung, die ein Geschenk seiner Gnade ist, enger zusammenzuführen. Durch den Heiligen Geist sammelt er die zerstreuten 1878 ANHANG Kinder zu einem Volk und senkt in ihre Herzen ein Verlangen nach der „einen, sichtbaren Kirche Gottes, die in Wahrheit allumfassend und zur ganzen Welt gesandt ist“ <170>). <170> Anläßlich des Besuches Seiner Heiligkeit, Papst Johannes Pauls II. beim Ökumenischen Rat der Kirchen sagen wir Gott Dank für alles, was er wirkt, um die Christen und ihre Kirchen und Gemeinschaften durch die ökumenische Bewegung, die ein Geschenk seiner Gnade ist, enger zusammenzuführen. Durch den Heiligen Geist sammelt er die zerstreuten 2. Dieser Besuch findet 15 Jahre nach dem Besuch Papst Pauls VI. statt, der seine Anwesenheit im ökumenischen Zentrum beschrieb als „offenbares Zeichen der christlichen Gemeinschaft, die schon jetzt unter allen Getauften und damit zwischen den Mitgliedskirchen des Ökumenischen Rates der Kirchen und der römisch-katholischen Kirche besteht“). 3. Getrieben durch die Kraft des Heiligen Geistes, der uns in dieser Pfingstzeit erfüllt, erneuern wir unsere Verpflichtung, für die Einheit aller Christen zu arbeiten, ein Werk, das in der Vision von der „sichtbaren Einheit im einen Glauben und der einen eucharistischen Gemeinschaft, die ihren Ausdruck im Gottesdienst und im gemeinsamen Leben in Christus findet“), verankert ist. Indem er die Kirchen dazu aufruft, einander zu begegnen und in einen Austausch einzutreten, hat der ÖRK eine bedeutsame Rolle im Eintreten für diese ökumenische Vision gespielt. Dieser Vision verleiht auch die römisch-katholische Kirche in den Texten des Zweiten Vatikanums und insbesondere in ihrem Dekret über den Ökumenismus Ausdruck. 4. Heute beten wir mit den Worten Papst Johannes Pauls II., daß wir „Mittel und Wege finden, wie wir den Glauben, den wir bereits teilen und die wahrhafte, wenn auch unvollständige Gemeinschaft, die uns bereits in Christus und im Mysterium seiner Kirche eint, bezeugen können“). 5. Wir bringen dieses Gebet dar in Buße für unsere Spaltungen und unseren Ungehorsam. Unterschiede in wichtigen Lehrfragen, in gesellschaftlichen Fragen und in der pastoralen Praxis halten die Christen nach wie vor getrennt und sind „ein Schaden für die heilige Sache der Verkündigung des Evangeliums vor allen Geschöpfen“). „Die Kraft der Evangelisierung wird sehr geschwächt, wenn die Verkündiger des Evangeliums unter sich durch vielfältige Spaltungen entzweit sind . . . Die Spaltung der Christen ist ein so schwerwiegender Umstand, daß dadurch das Werk Christi selbst in Mitleidenschaft gezogen wird“). So ist es denn auch unsere Überzeugung, daß die Einheit der Kirche und gemeinsames Zeugnis in der Welt zusammengehören. 6. Wenn wir zusammen beten, wie wir das heute getan haben, dann erfahren wir die tiefen Bande, die uns bereits mit Christus, dem Haupt des Leibes, und miteinander verbinden. „Gleichwohl läßt diese Gemeinschaft im Gebet um so stärker den Schmerz der Gespaltenheit der Kirchen bei der Feier des heiligen Abendmahls empfinden, welches das sichtbarste Zeugnis des einzigartigen Opfers Christi für das Heil der ganzen Welt sein 1879 ANHANG sollte“). Wir sind daher unablässig aufgefordert, uns zu bauen „als lebendige Steine zum geistlichen Hause und zur heiligen Priesterschaft, zu opfern geistliche Opfer, die Gott angenehm sind durch Jesus Christus“). 7. Schritte hin zur Einheit und zum gemeinsamen Zeugnis werden eher möglich durch die wachsende Konvergenz in unserem Verständnis der Autorität des Wortes Gottes in der Bibel, der altkirchlichen Bekenntnisse und des Glaubens, den sie bekräftigen. Sie sind aber vor allem abhängig und werden getragen von ständiger und noch eindringlicher Fürbitte, in der alle Christen einander und alle Menschen vor Gott bringen und im Mysterium des Gebets aus dem tiefsten Quell der Einheit schöpfen. Die Gebetswoche für die Einheit der Christen spielt hier eine bedeutsame Rolle, indem sie alle Christen in der ganzen Welt dazu aufruft, sich zum gemeinsamen Gebet zu vereinen, das entscheidend ist für unser Streben nach vollständiger Einheit. 8. Es besteht ein „wachsendes Bewußtsein für das wesentliche Einssein des Volkes Gottes an jedem Ort und an allen Orten. Ein Einssein, das gegründet ist in einer wirklichen, wenn auch unvollkommenen Gemeinschaft unter allen, die an Christus glauben und in seinem Namen getauft sind“). Obwohl noch viel zu tun bleibt, um „die Hindernisse zu überwinden, die der vollen ekklesialen Gemeinschaft noch im Wege stehen“), erkennen wir doch, welch große Möglichkeiten die bereits bestehende Gemeinschaft für die Verkündigung des Evangeliums in sich birgt. 9. In den letzten 20 Jahren hat sich gezeigt, daß „Christen und Kirchen auf der ganzen Welt in zunehmendem Maße fähig sind, gemeinsames Zeugnis abzulegen“). Dieses Zeugnis, das im gemeinsamen Gebet verwurzelt ist und in verpflichteter Gemeinschaft und Zusammenarbeit auf örtlicher Ebene seinen Ausdruck findet, trägt dazu bei, die Gemeinschaft im Heiligen Geist zu vertiefen und ihr sichbaren Ausdruck zu verleihen). 10. Wir sind dankbar für unser gemeinsames Bemühen in der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen, das zur Erarbeitung der Erklärung über „Taufe, Eucharistie und Amt“ geführt hat. Diese Erklärung „enthält die bedeutsamen theologischen Konvergenzen, die die Kommission für Glauben und Kirchenverfassung erkannt und formuliert hat“) und weist in eine verheißungsvolle Richtung. Wir beten, daß der Heilige Geist, der in denen wohnt, die glauben, uns erleuchte und unsere Herzen bereitmache, damit die immer noch bestehenden Hindernisse für eine volle Gemeinschaft unter den Christen überwunden werden können. Wir sehnen uns nach einer solchen Gemeinschaft, die gegründet ist auf die eine Taufe, die geeint ist im Bekennen des einen apostolischen Glaubens, der das eine apostolische 1880 ANHANG Amt dient und die in der gemeinsamen Feier für Eucharistie ihren Ausdruck findet - zur Ehre Gottes und für das Heil der Menschen. 11. Von großer Dringlichkeit ist auch ein gemeinsames Zeugnis, das gegeben wird in der Linderung menschlicher Not und im Eintreten für Gerechtigkeit im Leben aller Menschen und in den Strukturen der Gesellschaft. Das bedeutet, daß Initiativen für ein gemeinsames Engagement in sozialen Fragen wirksamer zum Ausdruck kommen müssen, indem die Partner auf beiden Seiten eng Zusammenarbeiten und darum bemüht sind, sich für einige der dringlichsten Fragen und insbesondere die Sorge um den Frieden in der Welt gemeinsam einzusetzen. Durch solche Zusammenarbeit können wir eine Botschaft der Hoffnung und des Friedens in einer zerbrochenen Welt verkünden. 12. Solchen Schritten auf unserer ökumenischen Reise wird das erneuerte Mandat der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der römisch-katholischen Kirche und des Ökumenischen Rates der Kirchen dienen, die seit fast 20 Jahren die Beziehungen zwischen den beiden Partnern gefördert hat. In der vor ihr liegenden neuen Arbeitsperiode wird sie fortfahren, nach Wegen zur Förderung der Einheit zu suchen, und sich den Aufgaben widmen, die sie in ihrem fünften Bericht Umrissen hat. Dabei wird sie der Klärung des Zieles und der Förderung des Weges zur Einheit, dem gemeinsamen Zeugnis, der Zusammenarbeit in sozialen Fragen und der ökumenischen Erziehung auf allen Ebenen Priorität einzuräumen. 13. Wir sind Brüder und Schwestern in Christus, der uns die Gabe neuen Lebens zur Ehre Gottes geschenkt hat. Unser heutiges Zusammensein bringt etwas davon zum Ausdruck, was uns in einer gemeinsamen Berufung verbindet und worin unsere Verantwortung füreinander als Glieder Christi besteht. Möge es ein Anlaß zur Hoffnung sein, ein Zeichen des Zukünftigen, eine fruchtbringende Antwort auf Gottes Willen und auf das Gebet unseres Herrn, daß „sie alle eines seien . . . damit die Welt glaube“). Anmerkungen 0 Unitatis redintegratio, Nr. 1, Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils über den ökumenismus. 2) Ansprache Papst Pauls VI. in Erwiderung der Begrüßungsansprache von Dr. Eugene Carson Blake am 10. Juni 1969 im Ökumenischen Zentrum in Genf. In öpd, Juni 1969. 3) Verfassung des ÖRK, Art. III, Paragraph 1. In: Bericht aus Vancouver 1983, Offizieller Bericht der Sechsten Vollversammlung, Verl. O. Lembeck, Frankfurt a. M., 1983, S. 306. 4) Schreiben Papst Johannes Pauls n. an Bischof Ramon Torrelia, 23. Februar 1979, anläßlich der Tagung der Gemeinsamen Arbeitsgruppe. 5) Unitatis redintegratio, Nr. 1. 1881 ANHANG 6) Apostolisches Schreiben Evangelii nuntiandi Papst Pauls VI, über die Evangelisierung in der Welt von heute, Nr. 77. 7) Gemeinsames Zeugnis, ein Studiendokument der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der römisch-kathohschen Kirche und des ökumenischen Rates der Kirchen, Paragraph 31. In: Sonderdruck aus ökumenische Rundschau, Heft 1, 1982, S. 85. 8) 1 Petr 2,5. 9) Fünfter Bericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der römisch-kathohschen Kirche und des Ökumenischen Rates der Kirchen (1982), 3. In: Ökumenische Rundschau, Heft 3, Juh 1983, Verl. O. Lembeck. 10) Vierter Bericht der Gemeinsamen Arbeitsgruppe der römisch-kathohschen Kirche und des ökumenischen Rates der Kirchen (1975). In: Bericht aus Nairobi 75, Verl. O. Lembeck, Frankfurt a. M., 1976, S. 272 f. n) Gemeinsames Zeugnis, Paragraph 1. 12) Gemeinsames Zeugnis, Paragraph 23. 13) Taufe, Eucharistie und Amt, Konvergenzerklärung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK, Verl. O. Lembeck, Frankfurt a. M./Verl. Bonifatius-Druckerei, Paderborn, 1982, S. 6. Gemeinsame Erklärung Papst Johannes Pauls II. und des syrisch-orthodoxen Patriarchen von Antiochien, Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas vom 23. Juni 1. Seine Heiligkeit Johannes Paul II., Bischof von Rom und Papst der katholischen Kirche, und Seine Heiligkeit Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas, Patriarch von Antiochien und des ganzen Ostens und Oberhaupt der universalen syrisch-orthodoxen Kirche, knien voll Demut vor dem erhabenen und hochgepriesenen himmlischen Thron unseres Herrn Jesus Christus und sagen Dank für die einzigartige Gelegenheit, die ihnen gewährt worden ist, nämlich einander in seiner Liebe zu begegnen, um die Beziehungen zwischen ihren beiden Schwesterkirchen, der Kirche von Rom und der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien, weiter zu stärken - die Beziehung war bereits hervorragend durch die gemeinsame Initiative Ihrer Heiligkeit seligen Andenkens Papst Paul VI. und Patriarch Moran Mar Ignatius Jacoub III. 2. Ihre Heiligkeiten Papst Johannes Paul II. und Patriarch Zakka I. erklären feierlich ihren Wunsch, den Horizont ihrer Brüderlichkeit auszuweiten und damit die Bedingungen der tiefen geistlichen Gemeinschaft, die sie und die Prälaten, den Klerus und die Gläubigen ihrer beiden 1882 ANHANG Kirchen bereits miteinander verbindet, zu bestärken, die Bande des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu festigen und weiterzuschreiten auf ein voll gemeinsames kirchliches Leben hin. 3. Zunächst bekennen sich Ihre Heiligkeiten zum Glauben ihrer beiden Kirchen, wie er vom Konzil von Nizäa im Jahr 325 formuliert wurde; allgemein bekannt als das Nizäische Glaubensbekenntnis. Die Verwirrungen und Schismen, zu denen es in den folgenden Jahrhunderten zwischen ihren Kirchen kam, betreffen oder berühren, wie sie heute erkennen, in keiner Weise die Substanz ihres Glaubens, da diese lediglich aufgrund von Unterschieden in der Terminologie und Kultur und den vielfältigen Formeln entstanden, die von den verschiedenen theologischen Schulen angewandt wurden, um ein und dieselbe Sache auszudrücken. Dementsprechend finden wir heute ebensowenig eine echte Grundlage für die bedauerlichen Trennungen und Schismen, die in der Folge zwischen uns bezüglich der Menschwerdungslehre entstanden sind. Wir bekennen in Worten und Leben die wahre Lehre von Christus, unserem Herrn, ungeachtet der Unterschiede in der Interpretation dieser Lehre, die zur Zeit des Konzils von Chalkedon entstanden. 4. Wir wollen daher erneut unser Bekenntnis gemeinsamen Glaubens an die Menschwerdung unseres Herrn Jesus Christus feierlich bestätigen, wie es 1971 Papst Paul VI. und Patriarch Moran Mar Ignatius Jacoub III. getan haben. Sie bestritten, daß es irgendeinen Unterschied in dem von ihnen bekannten Glauben an das Geheimnis des Fleisch und wahrhaft Mensch gewordenen Wortes Gottes gebe. Wir bekennen unsererseits, daß er für uns Mensch geworden ist, indem er einen wirklichen Leib mit einer vernunftbegabten Seele annahm. Er teilte unser Menschsein in allem außer der Sünde. Wir bekennen, daß unser Herr und unser Gott, unser Erlöser und König aller, Jesus Christus, seiner göttlichen Natur nach vollkommener Gott und seiner menschlichen Natur nach vollkommener Mensch ist. In ihm ist seine Göttlichkeit mit seiner Menschlichkeit vereint. Diese Einheit ist wirklich, vollkommen, ohne Täuschung oder Vermischung, ohne Verwirrung, ohne Veränderung, ohne Teilung, ohne die geringste Trennung. Er, der ewige und unsichtbare Gott, wurde sichtbar im Fleisch und nahm Knechtsgestalt an. In ihm sind auf eine wirkliche, vollkommen unteilbare und untrennbare Weise Gottheit und Menschheit vereint, und in ihm sind alle ihre Eigenschaften gegenwärtig und wirksam. 5. Da wir dasselbe Christusverständnis haben, bekennen wir auch dasselbe Verständnis seines Geheimnisses. Durch seine Menschwerdung, 1883 ANHANG seinen Tod und seine Auferstehung hat unser Herr, Gott und Erlöser, Sünde und Tod besiegt. Durch ihn ist es in der Zeit zwischen Pfingsten und der Wiederkunft, der Zeit, die der Endzeit vorausgeht, dem Menschen geschenkt, die neue Schöpfung, das Reich Gottes, den bereits unter uns vorhandenen, alles verwandelnden Sauerteig (vgl. Mt 13,33) zu erfahren. Zu diesem Zweck hat Gott ein neues Volk erwählt, seine heilige Kirche, die der Leib Christi ist. Durch das Wort und durch die Sakramente ist der Heilige Geist in der Kirche am Werk, um jeden einzelnen zu berufen und alle zu Gliedern des Leibes Christi zu machen. Diejenigen, die glauben, werden im Heiligen Geist im Namen der Heiligsten Dreifaltigkeit getauft, damit sie einen Leib bilden und durch das heilige Sakrament der Firmung ihr Glaube vervollkommnet und von demselben Geist gestärkt wird. 6. Das sakramentale Leben findet so sehr in der heiligen Eucharistie seine Erfüllung und seinen Höhepunkt, daß die Kirche durch die Eucharistie ihre eigene Natur am tiefsten verwirklicht und offenbart. Durch die heilige Eucharistie breitet sich das Ereignis des Leidens und Sterbens Christi über die ganze Kirche aus. Durch die heilige Taufe und Firmung werden die Glieder Christi in der Tat vom Heiligen Geist gesalbt und in Christus eingegliedert; und durch die heilige Eucharistie wird die Kirche das, wozu sie durch Taufe und Firmung bestimmt ist. Durch die Gemeinschaft mit dem Leib und Blut Christi wachsen die Gläubigen in jene geheimnisvolle Vergöttlichung hinein, die sie durch den Heiligen Geist im Sohn zu Kindern des Vaters macht. 7. Die anderen Sakramente, die die katholische Kirche und die syrischorthodoxe Kirche von Antiochien in ein und derselben Nachfolge des apostolischen Dienstes verbinden, nämlich Priesterweihe, Ehe, Versöhnung der Büßer und Krankensalbung, sind der Feier der heiligen Eucharistie untergeordnet, die den Mittelpunkt des sakramentalen Lebens und den höchsten sichtbaren Ausdruck kirchlicher Gemeinschaft darstellt. Die Gemeinschaft der Christen untereinander und der Ortskirchen, die durch ihre rechtmäßigen Bischöfe miteinander verbunden sind, wird in der versammelten Gemeinde verwirklicht, die denselben Glauben bekennt, die in Hoffnung auf die kommende Welt und in Erwartung der Wiederkunft des Erlösers nach vorwärts schaut und vom Heiligen Geist gesalbt wird, der in ihr Wohnung nimmt mit einer Liebe, die niemals trügt. 8. Da die heilige Eucharistie der höchste Ausdruck christlicher Einheit zwischen den Gläubigen und zwischen Bischöfen und Priestern ist, kann 1884 ANHANG sie von uns noch nicht gemeinsam gefeiert werden. Eine solche Feier setzt eine vollkommene Identität des Glaubens voraus, die zwischen uns noch nicht besteht. Denn gewisse Fragen, die den Willen des Herrn für seine Kirche sowie die lehrmäßigen Implikationen und kirchenrechtlichen Details unserer nun schon zu lange voneinander getrennten Gemeinschaften und ihrer Überlieferungen betreffen, müssen noch gelöst werden. 9. Unsere wenn auch noch nicht vollkommene Identität im Glauben berechtigt uns, die Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen ins Auge zu fassen: in der Seelsorge, in Situationen, die heutzutage sowohl wegen der Zerstreuung unserer Gläubigen über die ganze Welt als auch wegen der unsicheren Zustände dieser schwierigen Zeiten nicht selten sind. Es ist in der Tat unseren Gläubigen oft aus materiellen oder moralischen Gründen unmöglich, Zugang zu einem Priester ihrer eigenen Kirche zu finden. Bemüht, ihren Bedürfnissen entgegenzukommen, und in der Sorge um ihr geistliches Wohl ermächtigen wir sie, in solchen Fällen rechtmäßig Priester unserer beiden Schwesterkirchen um die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung zu bitten, wenn sie sie brauchen. Eine logische Folge der Zusammenarbeit in der Seelsorge wäre es, auch auf dem Gebiet der Priesterausbildung und theologischen Erziehung zusammenzuarbeiten. Die Bischöfe werden ermutigt, die Teilnahme an Möglichkeiten für die theologische Erziehung zu fördern, wenn sie es für ratsam halten. Dabei vergessen wir nicht, daß wir noch alles in unserer Macht Stehende unternehmen müssen, um zur vollen sichtbaren Gemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien zu gelangen, und unaufhörlich und flehentlich unseren Herrn bitten müssen, uns jene Einheit zu gewähren, die allein es uns ermöglichen wird, der Welt ein im Vollsinn einmütiges Zeugnis des Evangeliums zu geben. 10. Während wir dem Herrn danken, der uns gewährt hat, uns zu begegnen und uns des Zuspruchs des gemeinsamen Glaubens zu erfreuen (vgl. Rom 1,12) und vor der Welt das Geheimnis von der Person des menschgewordenen Wortes und seines Heilswerkes zu verkünden, das das unerschütterliche Fundament dieses gemeinsamen Glaubens bildet, verpflichten wir uns feierlich, alles uns mögliche zu tun, um die letzten Hindernisse zu beseitigen, die einer vollen Gemeinschaft zwischen der katholischen Kirche und der syrisch-orthodoxen Kirche von Antiochien noch im Wege stehen, so daß wir eines Herzens und einstimmig das Wort 1885 ANHANG verkünden können: „Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ und daß „alle, die an seinen Namen glauben, Kinder Gottes werden“ (vgl. Joh 1,9-12). Rom, am 23. Juni 1984 Aufrichtige Rückkehr zu Gott Botschaft des Pro-Präsidenten des Sekretariats für die Nichtchristen, Erzbischof Francis A. Arinze, an die Welt des Islam zum Abschluß des Fastenmonats Ramadan vom 29. Juni An alle Muslime zum Abschluß des Fastenmonats Ramadan Ende Juni 1984/Ramadan 1404 Ramadan Karim! Wa Kuli ’Am wa Antom Bikhair! Zu Beginn dieses neuerlichen Festes, zum Abschluß des Fastenmonats ist es uns eine Freude, der ganzen muslimischen Gemeinschaft überall in der Welt Glück, Wohlergehen und Frieden zu wünschen. Dazu hegen wir den sehnlichen Wunsch, daß alle und jeder einzelne sich im kommenden Jahr in reichem Maße der geistlichen Früchte erfreue, die mit Gottes Hilfe im Laufe dieses Monats der Askese und des Gebets gesammelt wurden. Wie eure geistlichen Lehrer in den soeben zu Ende gegangenen Wochen unablässig in Erinnerung gerufen haben, erwartet ihr vom Fastenmonat die Wiederherstellung eurer Würde als Menschen und Gläubige, dadurch, daß ihr euch Gott unterwerft. Das treue Festhalten an diesen Appellen soll jedes Zaudern auf unserem Weg zu Gott verbannen. In dieser Hinsicht laßt mich euch, liebe Freunde, sagen, daß die Katholiken in dem am 22. April zu Ende gegangenen Jahr, das wir aus diesem Grund ein Heiliges Jahr nannten, dieselbe Sorge geteilt haben. Auf den Appell unseres Heiligen Vaters Papst Johannes Paul II. hin haben auch wir uns bemüht, eine aufrichtige Rückkehr zu Gott zu vollziehen im Gebet, im Fasten, im Nachdenken über das Wort Gottes und in Handlungen der Vergebung, der Güte und Nächstenliebe gegenüber allen. Auch haben wir uns ganz offen mit euch über die Bemühungen gefreut, die unternommen wurden, um die geistliche Dimension des Menschen zu wahren und Gott seinen Platz in der Gesellschaft zu erhalten. Das geht nicht soweit, daß wir die Unterschiede leugnen, die uns unter- 1886 ANHANG scheiden. Aber wir sind überzeugt, daß sie uns positiv anregen können, wenn sie uns auffordern, unseren Glauben zu vertiefen und den euren besser zu begreifen, wiederzuentdecken, was unsere Religionen uns an Wahrem und Heiligem bieten, wohl wissend, daß das alles das Werk Gottes in seinem unerforschlichen Geheimnis ist. Wir sind daher bereit, liebe Freunde, wenn ihr es für angebracht haltet, unsere Bemühungen mit den eurigen zu verbinden, in der Achtung unserer jeweiligen Identität und unserer Entscheidungen, um uns in den Dienst des ruhelosen, leidenden oder bedrängten Menschen zu stellen und zur Erhaltung religiöser Werte in unserer modernen, vor allem auf Humanismus und Wohlstand bedachten Gesellschaft beizutragen. Wir alle vertrauen auf den einen Gott, der uns in seiner Verehrung versammelt und uns durch sein Wort leitet. Wir können auch dem Menschen vertrauen, der mit Gottes Hilfe imstande ist, einen neuen Abschnitt auf dem Weg zu beginnen, der uns zu ihm führt. Erzbischof Francis A. Arinze Pro-Präsident Die Entwicklungstheorien und ihre Wurzeln kritisch analysieren Stellungnahme von Bischof Jan Schotte als Chef der Delegation des Hl. Stuhls auf der internationalen Konferenz der Vereinten Nationen für Bevölkerungsfragen in Mexiko City vom 6. bis 13. August Herr Präsident! Der Heilige Stuhl nimmt gern an dieser internationalen Konferenz der Vereinten Nationen für Bevölkerungsfragen 1984 teil, und er prüft gern mit den Mitgliedern und den Beobachtern sowie den internationalen Organisationen und Agenturen die Folgen der Ausrichtung der bevölkerungspolitischen Maßnahmen für die Zukunft der ganzen Menschheitsfamilie. Der Hl. Stuhl möchte als Beitrag zu diesen Begegnungen und Diskussionen die ethische oder moralische Perspektive der zu prüfenden menschlichen Probleme anbieten. Der Gesichtspunkt des Heiligen Stuhles wird natürlich von seiner Glaubensauffassung bestimmt, insbesondere von 1887 ANHANG seiner Überzeugung, daß die ganze Welt und jedes Menschenwesen von Gott geschaffen wurde, daß jeder Mensch von Jesus Christus erlöst und von der Vorsehung Gottes zu einer irdischen Existenz, aber auch zu einer ewigen Bestimmung berufen ist. Kraft dieser Überzeugung aber macht sich der Hl. Stuhl eine tief menschliche Auffassung von der Person des Menschen und seiner Einfügung in die Gesellschaft zu eigen. Mit anderen Worten: seine Auffassung stellt die Person in den Mittelpunkt und betrachtet diese in ihrer ganzen Fülle, in Achtung vor all ihren menschlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten, wie auch in Achtung vor der Notwendigkeit, eine umfassende Gemeinschaft aufzubauen, in der alle in Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden leben können. Es geht mit einem Wort um das Bemühen, „das Leben menschlicher zu machen“. Und zwar für alle. In dieser Sicht möchte die katholische Kirche, völlig frei von politischer, wirtschaftlicher und ideologischer Festlegung, dem Menschen und der internationalen Gemeinschaft dienen und so zugleich ihre prophetische Sendung zum Wohl der Person und der Menschheit erfüllen. Der Hl. Stuhl erkennt die Vielschichtigkeit der Fragen an, vor welche die Bevölkerungsprobleme stellen, und auch ihr Gewicht für die Gegenwart und Zukunft. Er versteht, daß, wenn man diese Probleme in einer für das Wohl der Menschheit zufriedenstellenden Weise lösen möchte, man sie vom ethischen Standpunkt aus prüfen muß, und möchte daher die Aufmerksamkeit an erster Stelle auf einige fundamentale Werte richten, die bei dieser Debatte auf dem Spiel stehen: auf den sakralen Charakter des menschlichen Lebens und seiner Weitergabe; auf die Würde und Bedeutung jeder Person; auf die Unverletzlichkeit sämtlicher Menschenrechte; auf den Wert der Ehe als naturgegebene Einrichtung, der in ausschließender Weise die Weitergabe des Lebens anvertraut ist; endlich auf die Notwendigkeit eines Eintretens aller für soziale Gerechtigkeit und sozio-ökonomische Entwicklung. Einzig im Licht dieser Werte - die allgemein von den Völkern verschiedener Kulturen, Religionen und Nationen anerkannt sind - dürfen politische und strategische Entscheidungen gefällt werden. Auf der Weltkonferenz über Bevölkerungsfragen von 1974 hat sich der Hl. Stuhl nach der Zustimmung angeschlossen, die der Weltaktionsplan für Bevölkerungsfragen erhielt. Obwohl er sich an der Konferenz von Bukarest aktiv beteiligt und einen Großteil dieses Planes inhaltlich geschätzt hat, war der Hl. Stuhl über einige Gedankenrichtungen, die diesem Dokument zugrunde lagen, ernsthaft besorgt, zumal im Hinblick auf die Familie, die Achtung vor dem Leben und einen unterschiedslosen 1888 ANHANG Rückgriff auf Systeme der Geburtenregelung. Die aufgeworfenen Probleme waren und sind auch Probleme, die mit fundamentalen Aspekten einer Grundauffassung von der menschlichen Person Zusammenhängen. Im Geist dieser Stellungnahme hat der Hl. Stuhl die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Weltaktionsplanes für Bevölkerungsfragen“ studiert und möchte nun dazu folgende Bemerkungen machen: Bevölkerung und Entwicklung Der Heilige Stuhl hat sorgfältig die Entwicklung der demographischen Situation und die entsprechenden Hochrechnungen nach der Weltkonferenz über Bevölkerungsfragen 1974 in Bukarest studiert und auch an den vorbereitenden Tagungen für diese Konferenz im vergangenen Jahr teilgenommen. Viele der äußerst pessimistischen Voraussagen der früheren Jahre haben sich nicht bewahrheitet, daneben haben sich einige Tendenzen herausgebildet, die man nicht vorausgesehen hatte. Tatsächlich steht die Welt in verschiedenen Gebieten und Nationen noch vor zahlreichen demographischen Einzelproblemen, die oft sehr eng mit der Gesamtentwicklung Zusammenhängen. Wir wissen, daß sich im allgemeinen das Bevölkerungswachstum in der Welt vermindert hat, ebenso die Fruchtbarkeit und die Sterberate. In einigen entwickelten Ländern ist der Durchschnitt des Bevölkerungswachstums und der Fruchtbarkeit in alarmierendem Ausmaß abgesunken, während gleichzeitig der Prozentsatz der alten Leute gewachsen ist; in einigen Entwicklungsländern dagegen bleibt der Wachstumsdurchschnitt deutlich hoch. Wir stellen in der Welt Fortschritte bei der Sammlung und Analyse von Daten fest, und eine wachsende Anzahl von Ländern wendet die Volkszählung an. Gleichzeitig aber warnt uns die Erfahrung vor der Vielschichtigkeit und der Unsicherheit von Voraussagen auf lange Sicht. Die „Empfehlungen zur Weiterentwicklung des Weltaktionsplans für Bevölkerungsfragen“ sagen uns, daß der soziö-ökonomische Wandel die Grundlage zur Lösung der demographischen Probleme bleibt und die jeweilige Bevölkerungspolitik einen Teil der umfassenden sozio-ökono-mischen Entwicklungspolitik bilden muß, aber nicht ihre Stelle einnehmen darf. Der Hl. Stuhl möchte betonen, daß auf allen Ebenen der Entwicklung und zumal bei der Bevölkerungspolitik wegen ihrer Zusammenhänge mit Aspekten des menschlichen Verhaltens, die tief mit der Natur und dem Wohl der Person verbunden sind, notwendig eine kritische Analyse der 1889 ANHANG verschiedenen Entwicklungstheorien erfolgen muß, wobei diese auf ihre eigentlichen Wurzeln befragt werden. Die jeweilige Bevölkerungs- und Entwicklungspolitik, deren Teil sie sind, haben mit dem Wohlergehen der einzelnen und dem Gemeinwohl zu tun. Würde und Wohlergehen der Person bilden aber einen zentralen Teil der Fundamente, auf denen die Bevölkerungspolitik gründet. Infolgedessen betont der Hl. Stuhl, daß beim Entwicklungsprozeß die geistige und materielle Entwicklung der Person gemeinsam bedacht werden muß, weil es die geistigen Werte sind, die dem materiellen Fortschritt Sinn geben, ebenso den Erfolgen der Technologie und dem Aufbau politischer und sozialer Strukturen im Dienst jener Gemeinschaft von Personen, die wir als Gesellschaft bezeichnen. Die geistigen Werte gestatten es dem Menschen, den wahren Preis der materiellen Güter zu ermessen und für ihren Erwerb zu arbeiten, ohne andere Werte zu opfern und sich auch dann noch des Lebens zu freuen, wenn einzelne materielle Vorteile fehlen. Die sozio-ökonomische Entwicklung stellt daher nicht länger eine einfache Frage wirtschaftlicher Philosophie oder Strategie dar; sie muß vielmehr ein aktiver Prozeß werden, bei dem Wert und Einzigartigkeit jeder Person geachtet wird und bei dem es jeder Person überlassen bleibt, die Verantwortung für das eigene Geschick und für die jeweilige Selbstverwirklichung zu übernehmen. Freilich ist die Person nicht im absoluten Sinn autonom, vor allem ist sie nicht unabhängig von allen anderen Personen. Jede Person bildet ja ein Glied einiger und oft vieler Gemeinschaften wie Familie, Stamm und Nachbarschaft; darüber hinaus gehört sie den sozialen und religiösen, den nationalen und internationalen Gemeinschaften an. Zugleich trägt jede Person gegenüber der Gemeinschaft Verantwortung. Die sozio-ökonomische Entwicklung hat die Erweiterung der Grundlage für eine gerechte Beteiligung und einen entsprechenden Genuß der materiellen Güter zum Ziel. Wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt müssen neue Wege finden, um einer immer größeren Anzahl von Personen nicht nur das Überleben, sondern das Zusammenleben in Würde, sozialem Zusammenhalten, Harmonie und Frieden zu ermöglichen. Dies erfordert internationale Zusammenarbeit, zumal auf den Gebieten der Wirtschaft und Technologie und im Dialog zwischen den Nationen, im ständigen Bemühen, neue Mittel zu finden, die Entwicklung und Fortschritt für alle sichern. Den Fortschritt einzig an das Sinken des Bevölkerungswachstum binden zu wollen, bedeutet eine kurzsichtige Politik wählen und wenig Energie aufbringen. Außerdem führt dies allzuoft zu einer Politik oder zu Initiativen, welche die menschliche Würde bedrohen und 1890 ANHANG das Gemeinwohl in Frage stellen. Im Licht der großen Ungleichheit zwischen Reichen und Armen stehen wir im Gegenteil vor einer Herausforderung für die ganze Gemeinschaft: nämlich, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen und allen Ländern zu helfen, ihre menschlichen und materiellen Güter einzusetzen; endlich um ein geeignetes internationales Wirtschaftssystem zu schaffen, das allen Nationen offensteht und ihnen eine freie und ausgewogene Beteiligung unter gebührender Achtung vor den Überlieferungen und den verschiedenen Kulturen gestattet. Der Heilige Stuhl spricht seine Beunruhigung darüber aus, daß man quantitative Ziele für das Bevölkerungswachstum festlegt. Es besteht nämlich immer die Gefahr, daß diese Ziele bei ihrer Verwirklichung, vor allem bei einer Verminderung des Bevölkerungswachstums, oder wenn man Fruchtbarkeitsmaßstäbe aufstellt, zur Vorbedingung für eine allfällige wirtschaftliche Hilfe werden. Die bilaterale oder multilaterale Wirtschaftshilfe für den Fortschritt der Völker dürfte dagegen nie vom Beweis für einen Abfall der Geburtenrate noch von einer Beteiligung an Programmen der Familienplanung abhängig gemacht werden. Krankheit und Sterblichkeit Die Empfehlungen erkennen an, daß sich im Weltmaßstab die Sterblichkeit vermindert hat. Sie schlagen eine bestimmte Zahl von spezifischen Maßnahmen zur weiteren Zurückdrängung von Krankheiten und Sterblichkeit vor. Die Würde, der Person und der Wert des menschlichen Lebens erfordern tatsächliche Strategien, um die Gesundheit zu verbessern und eine längere Lebensdauer zu sichern. Der Hl. Stuhl stimmt der Tatsache zu, daß immer größere Anstrengungen zu unternehmen sind, um die Infektionskrankheiten unter Kontrolle zu bekommen und die Nahrungs- bzw. Gesundheitsvorsorge zu verbessern; um ferner eine weiter verbreitete gesundheitliche Betreuung zu erreichen, zur Erhaltung der Gesundheit und zur Hilfe in wirklichen Notfällen, bei Erwachsenen ebenso wie bei Kindern. Besonders wichtig sind dabei Programme, welche die Sterblichkeit von Müttern und Neugeborenen vermindern und Hilfe zur physischen und psychisch-sozialen Entwicklung der Kinder in ihren ersten Lebensjahren bieten. Fortpflanzung, Familie und Lage der Frau Die auf eine Ehe gegründete Familie ist die Grundeinheit der Gesellschaft: Der Staat schuldet ihr rechtlichen Schutz, Stütze und Ermutigung. Zugleich ist die Familie eine Gemeinschaft der Liebe und Solidarität und 1891 ANHANG allein in der Lage, die kulturellen, ethischen, sozialen, geistigen und religiösen Werte zu lehren und weiterzugeben, die für Entwicklung und Wohlergehen ihrer Mitglieder und in der Gesellschaft wesentlich sind. Status und Rolle der Familie als kleinste Zelle verdienen größte Aufmerksamkeit, und die Regierungen sind zu einer Sozialpolitik verpflichtet, die mit diesen Grundsätzen übereinstimmt und den Akzent auf die Wohltaten legt, welche die Festigkeit der Ehe den einzelnen Ehepaaren und der Gesellschaft vermittelt. Man kann nämlich unmöglich die Bevölkerungsfrage ernsthaft behandeln oder gültige Vorschläge zur Lösung der damit verbundenen Probleme machen, wenn man nicht die Institution Familie beachtet. Die Empfehlung weisen auf die unersetzliche Aufgabe der Familie hin, wie sie der Weltaktionsplan für Bevölkerungsfragen als „Grundzelle der Gesellschaft“ anerkennt, und sie zeigen auch noch weitere wichtige Funktionen der Familie auf. Leider wird diese grundsätzliche Aussage nicht wirksam genug in den Einzelheiten der Empfehlungen aufgegriffen. In gewissen Punkten wird die grundsätzliche Aussage sogar tatsächlich aufgehoben, oder es wird das Gegenteil gesagt. Die dem Text zugrunde liegende Konzeption bedeutet in Wirklichkeit einen krassen Individualismus. Sogar der Begriff Familienplanung wird verfälscht, wenn er nicht ausschließlich auf verheiratete Paare angewendet wird, sondern auch auf Einzelpersonen und sogar auf unverheiratete Jugendliche. Der Hl. Stuhl macht in diesem Zusammenhang auf die in den Empfehlungen enthaltene Formulierung zu verantwortungsvollen Entscheidungen über den Abstand zwischen den einzelnen Geburten oder deren Beschränkung aufmerksam. Vor der Konferenz in Bukarest war diese Entscheidung als Vorrecht der verheirateten Paare in Ausübung ihrer verantworteten Elternschaft anerkannt. Der Weltaktionsplan für Bevölkerungsfragen spricht dagegen von „einzelnen und Ehepaaren“ und nimmt somit einen Standpunkt an, der zugesteht, sexuelle Beziehungen und Elternschaft seien auch bei nichtverheirateten Einzelpersonen legitim. Damit mindert der Text die besondere und exklusive Rolle, die der Ehe und der Familie zukommt. Man kann ferner irgendwie sagen, daß die im Verlauf des letzten Jahrzehnts zunehmenden sexuellen Beziehungen und Schwangerschaften außerhalb der Ehe, zumal in den entwickelten Ländern, dem Fehlen eines ethischen, allgemein anerkannten Prinzips zuzuschreiben sind, das der Ehe einen einzigartigen Status gibt und in ihr den einzigen Ort sieht, wo sexuelle Beziehungen und Elternschaft legitim und verantwortlich praktiziert werden dürfen. 1892 ANHANG Die Delegation des Hl. Stuhls lädt die Konferenz zum Nachdenken über die Folgen dieses schweren Attentats auf die Institution Familie ein. Entwicklungsprogramme, die irgendwie zur Schwächung dieser Institution Familie beitragen oder die unveräußerüchen Rechte der Familie antasten, führen nicht zu echt menschlicher Entwicklung, sondern vielmehr zu einer Schwächung der sozialen und kulturellen Zusammenhänge und zur Entfremdung der Person, verliert sie doch hier eine Hauptdimension ihres Menschseins. Einige Gesellschaften stehen heute schon vor der Aufgabe, sich mit den schädlichen Wirkungen dieser Schwächung der Familie und mit den sich daraus ergebenden schweren Folgen - vor allem für die Ehepaare, für Frauen, Kinder und Jugendliche - auseinandersetzen zu müssen. Angesichts dieser Lage hat der Hl. Stuhl kürzlich eine Charta der Familienrechte veröffentlicht und verteilt, um die wesentlichen Rechte der Institution Familie einzuschärfen. Im besonderen sind die Regierungen ernsthaft verpflichtet, Voraussetzungen zu schaffen, die es den Ehepaaren erlauben, ihr fundamentales Recht zur Schaffung einer Familie verantwortlich wahrzunehmen, Kindern Leben zu schenken und sie heranzubilden, ohne gezwungen oder gedrängt zu sein, sich mit dem Modell der Kleinfamilie zu begnügen oder die Geburten auf ein oder zwei Kinder je Familie zu beschränken. Es bleibt ein Recht der Ehepaare, frei, bewußt und gemeinsam zu entscheiden, gemäß objektiven moralischen Normen, in welchem Abstand und wieviel Kinder sie bekommen möchten. Diese Entscheidung muß sich auf dem Bewußtsein ihrer Verantwortung vor Gott und sich selber, vor ihren Kindern und ihrer Familie, endlich auch vor der Gesellschaft gründen. Beim Treffen ihrer Entscheidung müßten die Eheleute auf jene moralisch erlaubten Mittel zur Familienplanung zurückgreifen können, die der Würde der Person und dem echten Ausdruck ehelicher Liebe entsprechen. Es ist Aufgabe der Regierungen und der internationalen Organisationen, den Ehepaaren durch den Aufbau einer sozio-ökonomischen Ordnung zu helfen, die das Familienleben, die Weitergabe des Lebens und die Erziehung der Kinder begünstigt; diesen Paaren ferner genaue Informationen über die demographische Lage zur Verfügung zu stellen, damit sie korrekt ihre Pflichten und ihre Verantwortung einschätzen können. Man müßte die Ehepaare gegen jede Form von Zwang schützen, wie etwa das Fehlen gesundheitlicher Hilfe für Mütter und Kinder und von Erziehungshilfen, die Verweigerung steuerlicher Entlastung oder die Bestrafung jener, die eine festgelegte Zahl von Kindern überschreiten. Die 1893 ANHANG Eheleute müßten ferner vor Druckmaßnahmen - wenn auch manchmal subtilerer Form - geschützt sein, wie sie von Propagandaaktionen gegen weitere Kinder, von Geldangeboten durch Familienplaner, die weitere Anhänger suchen, verwendet werden. Die Freiheit ärmerer Ehepaare wird ferner oft durch verlockende Angebote eingeschränkt, die kurzfristig etwas Verführerisches an sich haben, während sie langfristig die Einheit der Ehe und die Festigkeit der Familie bedrohen. Der Hl. Stuhl muß ferner aus moralischen Gründen seinen Widerstand gegen Abtreibung, Sterilisation und Empfängnisverhütung aussprechen. Unter allen Menschenrechten ist das fundamentalste das Recht auf das Leben selber. Menschliches Leben muß daher vom Augenblick der Empfängnis an geachtet und geschützt werden, und Abtreibung kann als Vernichtung menschlichen Lebens in den frühesten Stadien seiner Entwicklung nicht erlaubt sein, weder als demographische Strategie noch als Mittel zur Lösung von Schwangerschaftsproblemen. Dabei läßt sich die Abtreibungspraxis nicht durch Einführung und massenweise Verteilung von empfängnisverhütenden Mitteln einschränken. Die Abtreibung ist tatsächlich heute ein derart schwerwiegendes Problem für das menschliche Gewissen geworden, daß die Gesellschaft es nicht länger ignorieren oder verheimlichen kann. Das Problem darf auch diese Konferenz nicht gleichgültig lassen. Trotz gegenteiliger Behauptungen, die oft auch in Gegensatz zu ausdrücklichen Formulierungen nationaler Gesetze stehen, wird die Abtreibung immer mehr als integraler Teil der Programme zur Familienplanung eingesetzt und überdies noch von Regierungen und internationalen Organisationen finanziert. Der Hl. Stuhl ruft alle Regierungen und internationalen Organisationen auf, sich klar und ausdrücklich zum Wert, zur Unverletzlichkeit und Würde des menschlichen Lebens vom Augenblick der Empfängnis an auszusprechen und folgerichtig die Abtreibung als Element der Familienplanung zu verhindern und auszuschließen. Sterilisierung und Empfängnisverhütung müssen ebenfalls als moralisch unerlaubt gelten, weil sie das natürliche Band zwischen ehelichen Beziehungen und Fortpflanzung verletzen. Es ist aber gerade dieses Band, das der menschlichen Sexualität als einzigem und ausschließlichem Ausdruck ehelicher Liebe Sinn gibt. Der Aktionsplan und die Empfehlungen, die dieser Konferenz vorgelegt wurden, sprechen nirgendwo ausdrücklich von Sterilisierung, die in den zehn Jahren seit Bukarest immer umfangreicher in den Programmen für Familienplanung in zahlreichen Ländern vorgesehen wird. 1894 ANHANG Der Hl. Stuhl hat sich beständig der Praxis der Sterilisierung widersetzt, weil ihr Ziel die Zerstörung eines der größten Privilegien der Person bedeutet, nämlich der Zeugungsfähigkeit, und weil sie als demographische Maßnahme leicht unter Verletzung der Menschenrechte, zumal bei Armen und wenig informierten Menschen angewandt werden kann. Der Hl. Stuhl fordert diese Konferenz auf, vorbeugende Maßnahmen zum Schutze aller, zumal der Frauen, also der besonders Verwundbaren zu finden, so daß kein Zwang oder Druck zugunsten der Sterilisierung auf sie ausgeübt werden kann. Im übrigen ist wohlbekannt, daß die katholische Kirche immer die Empfängnisverhütung als moralisch unerlaubt abgelehnt hat. Diese Einstellung hat sich nicht geändert; sie wird im Gegenteil mit neuem Nachdruck betont. Der Hl. Stuhl bejaht hingegen den in den Empfehlungen enthaltenen Vorschlag einer natürlichen Geburtenregelung, der zugleich den Regierungen empfiehlt, so den Ehepaaren in Achtung vor ihren religiösen Werten eine konkrete Hilfe anzubieten, damit sie für den Abstand zwischen den einzelnen Geburten verantwortete Entscheidungen treffen können. Jüngere wissenschaftliche Studien unterstreichen Gültigkeit und Wirksamkeit der neuesten natürlichen Methoden, und es wurden bereits pädagogische Techniken erarbeitet, die praktisch verwertbar sind und korrekt mit den verschiedenen Kulturen harmonieren. Die Frauen erreichen ein besseres Bewußtwerden und Wertschätzen ihrer Sexualität, wenn sie die natürlichen Methoden lernen. Die Ehepaare aber, die sich der natürlichen Familienplanung anvertrauen, festigen ihr Verhältnis, die gegenseitige Achtung und die gemeinsame Verantwortung für die Nachkommenschaft. Die Achtung vor dem Gewissen und die Gültigkeit dieser natürlichen Methoden zur Förderung der Festigkeit der Ehe erfordern freilich eine entsprechende Einführung, um diese Methoden korrekt verwenden zu können. Hier ist weitere Forschung nötig, um den Fruchtbarkeitszyklus der Frau noch besser zu ergründen. Bei den Problemen des Familienlebens und der Sexualerziehung macht der Hl. Stuhl auf die Rechte der Eltern aufmerksam, Werte zu vermitteln und für ihre Kinder Verhaltensgrundsätze festzulegen, die im Rahmen der ethischen Prinzipien bleiben und eine Förderung des Familienlebens bedeuten. Die Erziehungsprogramme in den Schulen und bei verschiedenen Organisationen müssen die Rechte der Eltern achten und dürfen nur unter Kontrolle der Eltern und mit ihrer Beteiligung durchgeführt werden. Recht und erste Aufgabe der Eltern ist ferner die Hinführung zu verantwortlicher Elternschaft und die Information über Familienplanung. Die 1895 ANHANG Weitergabe dieser Art von Informationen und die in den Schulen und bei anderen Institutionen angebotenen Dienste kümmern sich im allgemeinen nicht darum, ethische Normen und Werte zu vermitteln, und zuweilen ermuntern sie sogar zu einem Sexualverhalten, das den durch die Eltern vermittelten Grundsätzen und Werten widerspricht. Programme solcher Art sollten von den Regierungen und den öffentlichen Autoritäten weder begonnen noch gefördert werden. Der Hl. Stuhl hat sich immer für die soziale und personale Förderung der Frauen eingesetzt, um ihre Wünsche zu schützen und eine echt menschliche Entwicklung für die kommenden Generationen sicherzustellen. Bei der Unterstützung von Programmen zur Förderung der Frau in allen Bereichen ihres Lebens ist der Gedanke wichtig, daß diese Förderung nicht ausschließlich mit der Arbeit außerhalb der Familie gleichgesetzt werden darf. Auch das Muttersein und die Arbeit der Frau daheim müssen gerechte Anerkennung finden wegen des Wertes, den sie darstellen, sei es für die Frauen selbst, sei es für Familie und Gesellschaft, und zwar nicht nur in materieller Hinsicht, sondern auch unter anderen Aspekten, insbesondere auf dem Gebiet der Erziehung. Den Müttern muß jeder soziale Schutz und alle notwendige Hilfe während ihrer Schwangerschaft und einer angemessenen Zeit danach zukommen, damit sie während dieser Zeit, die für deren Entwicklung entscheidend ist, ihren Kindern nahe sind. Die Bildung der Frauen und vor allem der Mütter stellt einen ausschlaggebenden Faktor für Gesundheit, Wohlergehen und Entwicklung der Kinder dar. Die Mütter müßten im notwendigen Maße vorbereitet werden, um fachkundig und mit Erfolg ihre Aufgaben in der Erziehung, Ernährung und elementaren Gesundheitsfürsorge für das Kind erfüllen zu können. Die hier angewandte Politik müßte bemüht sein, die schwere Arbeitslast zu vermindern, die zahlreiche Frauen in manchen Gesellschaften, entwickelten und unterentwickelten, tragen müssen. Man müßte auch Bildungsprogramme für die Väter bereitstellen, damit diese auf ihre Weise, was Pflichten und Verantwortung der Familie und der Eltern angeht, wirksam mitarbeiten. Bevölkerungsverschiebungen und Alter Der Hl. Stuhl erkennt die Schwierigkeiten an, die der nationale und internationale Strom der Wanderungsbewegungen mit sich bringt, und er besteht darauf, daß die Menschenrechte der Auswanderer und Flüchtlinge, einschließlich derer ihrer Familie, anerkannt und ernsthaft geschützt werden. Die Migranten und ihre Familien haben ein Recht auf 1896 ANHANG Achtung vor ihrer eigenen Kultur sowie auf den Empfang von Unterstützung und Hilfe für ihre freie Integration in jene Gemeinschaft, zu deren Leben sie beitragen. Besonders besitzen die Gastarbeiter das Recht auf das Nachkommen ihrer Familien, sobald das möglich ist. Bei Bevölkerungsverschiebungen innerhalb eines Landes entstehen besondere Probleme durch das Abwandem aus dem ländlichen Raum oder von landwirtschaftlicher Tätigkeit zu den großen Städten hin, wodurch sich dann die sozialen Probleme einer raschen Verstädterung vermehren, oft verbunden mit dem gleichzeitigen Niedergang der Landwirtschaft mit seinen negativen Auswirkungen auf Ernährung und wirtschaftliches Wachstum. Der Hl. Stuhl unterstützt die Vorschläge, die in Achtung vor den Rechten auf Freiheit der Umsiedlung die regionale und ländliche Entwicklung fördern und angemessene Anreize für jene bieten, die in der Landwirtschaft arbeiten. Er unterstützt ferner die Empfehlungen, was Achtung und Anerkennung von Wert und Rolle der alten Menschen innerhalb der Entwicklung der Gesellschaft angeht. Er betont, daß die Politik zur Sicherung von Gesundheit, Wohlergehen und Sicherheit alter Menschen sich nicht auf technische und wirtschaftliche Hilfe beschränken darf. Sie müßten die Anerkennung und Wertschätzung der Rolle des alten Menschen als Hauptperson der sozialen Gemeinschaft anregen, in der als er integraler Teil der Gesellschaft und Träger ihrer Entwicklung gelten kann. Die Formen der Hilfe, die alte Menschen jungen Familien und anderen Mitgliedern ihrer Familien bieten können, sowie ihr freiwilliger Beitrag an Zeit, besonderem Fachwissen und persönlicher Energie für viele Interessengebiete und Initiativen der Gemeinschaft sind von großem Wert für die ganze Gesellschaft. Diese Gedanken zu besonderen Aspekten des demographischen Problems richten unsere Aufmerksamkeit erneut auf die Tatsache, daß, wenn wir von Schätzungen und Tendenzen bei Bevölkerungsfragen sprechen, wir an erster Stelle von Menschen reden. Demographische Information hat so weit Wert, als Tatsachen und Tendenzen aufgezeigt werden, die das Leben und eine gute Zukunft für lebende Menschen und kommende Generationen betreffen, und so weit die Bedeutung der demographischen Faktoren beim Suchen nach einer besseren Zukunft in Freiheit und Würde für alle herausgestellt wird. Allzu einfach und utopisch aber wäre es, die Bevölkerungspolitik mit der Bevölkerungskontrolle gleichzusetzen: Im Mittelpunkt der Bevölkerungspolitik stehen das Wohl, die Gesundheit und die volle Entfaltung der menschlichen Person. Man muß den Menschen endlich immer als aktives 1897 ANHANG Mitglied betrachten, das am Leben der Gesellschaft teilnimmt, als ein kostbares Gut, das Liebe verdient; man darf ihn dagegen nicht lediglich als Objekt der Regierungspolitik ansehen. Internationales Jahr der Jugend 1985 Intervention der Delegation des Hl. Stuhls bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York am 19. Oktober Die Vereinten Nationen haben 1985 zum Internationalen Jahr der Jugend erklärt. Die dritte Kommission der UNO-Vollversammlung in New York hat dieses Thema als Punkt 85 der Tagesordnung erörtert. Wir dokumentieren im folgenden den Text der Intervention über das Internationale Jahr der Jugend, der von Sr. Janet Richardson, Mitglied der Delegation des Hl. Stuhls, am 19. Oktober verlesen wurde. Sozusagen am Vorabend des Internationalen Jahres der Jugend möchte der Hl. Stuhl seine Wertschätzung zum Ausdruck bringen für alle, die sowohl in diesem wie im Beratungsausschuß zur Planung des Jahres der Jugend beigetragen haben. Gleichzeitig teilt der Hl. Stuhl mit Ihnen die Hoffnung, daß sich dieses internationale Ereignis als ein Gewinn für junge Menschen in allen Teilen der Welt heraussteilen wird, die dieselben Ängste im Hinblick auf die Welt, in der wir leben, und dieselbe Hoffnung auf eine bessere Zukunft für alle erfahren. Die katholische Kirche und der Hl. Stuhl haben übereinstimmend ihr Vertrauen und ihre Hoffnung in die jungen Menschen beteuert, die, wie Papst Johannes Paul II. oft wiederholt, die Hoffnung der Gesellschaft sind. Als Beispiel dafür möchte ich zwei Anlässe aus jüngster Zeit erwähnen: Die Dritte Generalversammlung der katholischen Bischöfe Lateinamerikas 1979 in Puebla verkündete eine „bevorzugte Option für die Jugend“. Zu Beginn des Jahres 1984 wurde im Verlauf der Feier des Heiligen Jahres der Erlösung in Rom ein außergewöhnliches viertägiges Jugendtreffen abgehalten, an dem mehr als 300 000 junge Menschen aus über 40 Nationen teilnahmen. Diese einzigartige Versammlung zeigte die ungeheure geistliche Kraft, die Brüderlichkeit und Hoffnung, die unter jungen Menschen vorhanden ist. 1898 ANHANG Probleme, mit denen sich die Jugend konfrontiert sieht „Ihr fühlt euch von einer Gesellschaft bedroht, die ihr nicht gewählt habt“, sagte Papst Johannes Paul II. in seiner Ansprache an die Jugend (am 14. April). Junge Menschen haben in der Tat ein scharfes Gespür für die Widersprüche in unserer Gesellschaft, die Ungleichheiten, ja die bestehende Möglichkeit der Selbstzerstörung der ganzen Menschheit. Sie sehen, daß wissenschaftücher Fortschritt nicht immer zu echtem menschlichem Fortschritt geführt hat. Sie erkennen, daß der Mensch bei dem Versuch, die materielle Welt zu beherrschen, letzten Endes oft die menschliche Person manipuliert. Sehr häufig haben sie wenig Vertrauen in politische Führer oder sie sind ihnen gegenüber sehr mißtrauisch mit der Begründung, daß sie sich allem Anschein nach von nationalistischen oder Blockinteressen bestimmen lassen und unfähig sind, kühnere Initiativen zum Aufbau eines Systems des nationalen und internationalen Lebens zu ergreifen, das die Achtung der Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden sicherstellt. Mancherorts sehen die Jugendlichen, daß nicht einmal ihr legitimes Recht respektiert wird, sich zu kultureller oder religiöser Aktivität zusammenzuschließen, ohne Einschränkungen und Verdächtigungen ausgesetzt zu sein. Andernorts erfahren sie die schwere Last der Vernachlässigung von seiten der Erwachsenen, die sie aus der Gesellschaft auszuschließen versuchen. Noch schlimmer, es gibt Fälle, wo Jugendliche von Erwachsenen für Zwecke ausgenutzt werden, die für sie selbst sicher nicht von Nutzen sind. Erwachsene gehen sogar soweit, Todeswaffen in die Hände der Jugend zu legen. Unvermeidlich stellen junge Menschen grundlegende Fragen und blicken, um zu sehen, ob unsere Kultur wirklich eine authentische Antwort darauf zu geben versucht: Was ist eigentlich der Sinn des Lebens? Wohin steuert die Welt? Welchen Platz haben wir als Jugendliche hier und jetzt? Viele begeben sich auf diesen Weg des Fragens mit Aufrichtigkeit und Idealismus, mit Hochherzigkeit und der Bereitschaft, das bequeme Leben, das sie leicht wählen könnten, beiseite zu lassen. Aber sie erhalten oft nicht die Antworten, die sie suchen, ihr Suchen stößt auf Hindernisse und Ablehnung, denn sie selbst entscheiden sich für Lösungen, die befremdend sind. Manche Tagungen auf Regionalebene haben mit Recht die Unzulänglichkeit der Erziehungssysteme für die Entwicklung und Entfaltung der vollen, authentischen Persönlichkeit des jungen Menschen hervorgehoben. Wir können uns selbst fragen: Gibt es heute Lehrer mit 1899 ANHANG einem Lebensstil, zu denen die Jugend mit Begeisterung und voll Vertrauen aufblicken kann? Haben wir heute „Propheten“, die in den Herzen junger Menschen den Durst und die Leidenschaft nach dem Guten, Wahren und Schönen wecken können? Trotz der großen schöpferischen Kräfte, über die sie verfügt, findet sich die Jugend allzuoft an den Rand gedrängt und isoliert von anderen Generationen und Gesellschaftsstrukturen. Die Jugend leidet in Kriegen am meisten; ihre Möglichkeit, einen Beitrag zur Welt der Arbeit zu leisten, wird durch Arbeitslosigkeit wirkungslos; in vielen Nationen stellen Selbstmord und Tod durch Drogenmißbrauch ein alarmierendes Phänomen unter den Jugendlichen dar, das ernste Fragen aufwirft, die von den Führern der Gesellschaft, von Eltern und von Lehrern beantwortet werden müssen. Ernsthaft beachtet werden muß natürlich jener Schwund der religiösen und sittlichen Werte - worüber auch bei manchen Regionaltagungen diskutiert wurde -, der einen erschreckenden Mangel an Gewißheiten und Idealen im Denken und in den Ansichten junger Menschen hervorgerufen hat. Jugendliche gehören auch zu denjenigen, die wegen ihres scharfen Gespürs für die Übel der Gesellschaft als erste Protest und Anklage erheben. Und es ist eine traurige Tatsache, daß einige von ihnen, weil sie sich andernfalls machtlos fühlen, in dieser Situation irgend etwas zu tun, schließlich den Weg des Widerspruchs wählen und versuchen, durch Haß und Gewalt eine bessere Welt zu bauen. Das bringt uns zu dem Grundproblem: Die Gesellschaft hat es versäumt, ihren Jugendlichen die Kunst echter Lebensfülle zu vermitteln, die in der Wahrheit und in den wahren menschlichen Werten wurzeln muß. Niemand stellt mehr Fragen als der junge Mensch, sucht nach echten Antworten auf seine eigenen und die Probleme der Menschheit, trachtet, die Oberflächlichkeit zu überwinden und mit Hochherzigkeit und Idealismus zu antworten. Ihnen irgend etwas vorzulegen, was keine vollständige Antwort ist, wird die jungen Leute nur in die Frustration, in das Randgruppendasein und die Isolierung führen, die in der heutigen Gesellschaft nur allzu bekannt sind. Jugend: Familie, Arbeit, Kultur Die Familie spielt eine zentrale Rolle bei diesem Suchen nach den wahren Wurzeln der Menschlichkeit. In einer Situation der Unbeständigkeit, die vom raschen gesellschaftlichen Wandel oder der Oberflächlichkeit einer von Konsumismus oder Ideologien bestimmten Scheinwelt herrührt, ist 1900 ANHANG die Liebe, die Unterstützung und der Sinn für Solidarität, die eine stabile Familie bieten, für das Wachstum junger Leute unersetzlich. Jeder, der mit Jugendlichen arbeitet, weiß, wieviel die Familie - selbst eine Familie, die nur über sehr begrenzte materielle Mittel verfügt - durch eine sinnvolle Erziehung zu erreichen vermag. Verantwortungsvolle Führer müssen dringend Wege finden, um das Vertrauen in die Familie wieder zu stärken, ihre Familie in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag wirksam auszuführen. Sozialpolitische Maßnahmen, die die Institution der Familie schwächen, berauben damit die Jugend der wichtigsten natürlichen Gemeinschaft, wo sie ihre persönliche, kulturelle und religiöse Identität finden können. Allzuoft erkennt die Sozialpolitik diese-Tatsache nur in einer merkwürdig negativen Weise an: Man erkennt die negativen Auswirkungen eines unangemessenen familiären Hintergrundes auf die Jugend, wie sie sich aus der Analyse von Erscheinungen wie soziale Unzulässigkeit, Verbrechen oder Drogenmißbrauch ergeben. Aber viel zu wenig wird getan, um den Familien zu helfen, auf die Herausforderung angemessen zu antworten, dadurch, daß sie ihre Kinder darauf vorbereiten, ihr Leben in schwierigen und wechselvollen Situationen in reifer Weise zu bewältigen. Die Jugendzeit ist oft die Zeit, in der der Mensch die lockersten Familienbande hat, in der er nach einer unabhängigen und individuellen Identität sucht. Doch die große Mehrheit der Jugendlichen erkennt, daß die Gründung einer glücklichen und erfüllten Ehe und Familie ein grundlegender und entscheidender Faktor für ihr zukünftiges persönliches Glück ist. Viele Gesellschaften sehen sich bereits mit den Nachteilen und Folgen der Permissivität und des um sich greifenden Niedergangs der Familie konfrontiert. Diese Folgen lassen sich an der Instabilität, die sie für das Sozialgefüge mit sich bringen, und an den wirtschaftlichen Kosten, die sie enthalten, erkennen. Aber jeder von uns weiß aus dem Umgang mit Menschen, die wir persönlich kennen, um den Preis an tiefem menschlichem Leid, den diese Tatsache mit sich bringt. Angesichts einer solchen Situation würde es für die Führer der Gesellschaft Selbstmord bedeuten, die Tatsachen zu ignorieren oder Entscheidungen außerhalb ihrer Verantwortlichkeit zu treffen. Es würde bedeuten, junge Menschen zu einer unmenschlichen Zukunft zu verdammen. Die wahre Antwort wird in einer Gesellschaft zu finden sein, die den Wert wahrer Gewissenbildung anerkennt und fördert und die gleichzeitig Angriffen auf die geistige und moralische Integrität der jungen Leute -wie z. B. die Ausbeutung durch Prostitution oder überhandnehmende Pornographie - Widerstand leisten. Angriffe, die ausgelöst werden von 1901 ANHANG einem schmutzigen Gewinnstreben auf Kosten junger Menschen. In einer solchen Gesellschaft wird man die Jugend zu verantwortlicher Selbstbeherrschung im Bereich ihrer Sexualität, zur Ablehnung eines zu starken Individualismus zugunsten der Werte der Gemeinschaft und Solidarität sowie zu einer Wiederentdeckung des Wertes der Treue, die ein entscheidender Faktor echter Liebe ist, führen müssen. Diese Liebe stellt die innere Kraft der Familiengemeinschaft dar, die alle ihre Mitglieder - Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Alte - bereichert, unterstützt und schützt. Diese Liebe ist die mächtigste Quelle der Menschlichkeit. Unserer Jugend bei der Bewahrung dieser Quelle in ihrer vollen Wahrheit und Authentizität zu helfen, heißt, sie anzuleiten, eine grundlegende Herausforderung anzunehmen, die den Aufbau einer wahrhaft menschlichen Zukunft für die Welt betrifft. Nicht weniger ernst ist die Verantwortung des modernen Staates in einem anderen, ihm eigenen Zuständigkeitsbereich: dem Bereich der Arbeit. Wir wollen die Bedeutung des Begriffes nicht auf Produktion und Beschäftigung beschränkt sehen. Die fundamentale Wahrheit lautet hingegen, daß die Arbeiter - was auch immer ihre Arbeit sein mag -, eben durch ihre Arbeit am Wirken des Schöpfers teilnehmen, indem sie mit der Entdeckung von Quellen und Werten, die in der ganzen Schöpfung enthalten sind, die Schöpfung weiterführen, entwickeln und vervollständigen. Wir sehen, daß die Arbeit eine für das Leben notwendige Struktur ist. Die Arbeit ist eine der Aktivitäten, die die Menschen von den anderen Geschöpfen unterscheidet. Sie ist ein Merkmal dessen, der in einer Gemeinschaft von Personen lebt, und hier liegt die Qualität, die der inneren Dimension der Arbeit Sinn verleiht und ihr eigentliches Wesen darstellt. Arbeit bedeutet für Jugendliche wie für Erwachsene, Tag für Tag das menschliche Leben aufzubauen. Das kommt daher, daß durch die Arbeit der stetige Fortschritt von Wissenschaft und Technik sichergestellt und vor allem das kulturelle und moralische Niveau der Gesellschaft gehoben wird. Darum ist die heutige Situation, in der junge Leute nach angemessener kultureller, technischer oder beruflicher Vorbereitung keine Arbeit finden, besonders schmerzlich, und sie erleben eine traurige Enttäuschung, wenn ihr aufrichtiger Wunsch zu arbeiten und ihre Bereitschaft, ihrerseits die Verantwortung für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Gemeinschaft zu übernehmen, behindert wird. Ein geeignetes Arbeitsmilieu ist die Weckung der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Kräfte. Mit dem Arbeitsplatz sollte der Ort gemeint 1902 ANHANG sein, wo der Mensch in seiner eigenen Identität wächst; und an den Arbeitsplätzen, wo sich diese Sorge oder dieses Ziel nicht deutlich erkennen lassen, darf es uns nicht überraschen, Jugendliche in Träume abgleiten zu sehen, die von Rauschgiften hervorgerufen werden. Überall dort, wo eine rasche Industrialisierung stattfindet und wo Jugendliche und in zunehmender Zahl junge Frauen die Unterdrückung und den Verlust der persönlichen Würde am Arbeitsplatz erfahren, wird nach einer Reaktion gegen solche Ungerechtigkeiten und schädliche Praktiken gesucht, um die Menschenrechte der Arbeiter, insbesondere der Jugendlichen unter ihnen, zu schützen. Nicht, daß die Jugend aus einer unmöglichen Arbeitssituation heraus unvermeidlich in den Tod geht. Wenn ein Versuch zum Überleben, wie es heißt, von den Drogen angeboten wird, so gibt es auch andere „Überlebenstechniken“, die unserer Jugend schmackhaft gemacht werden: die Unterwelt, von der Prostitution bis zum Diebstahl, zum Schwarzmarkt -ein ausgedehntes und lehrreiches Kapitel für diejenigen, die es lesen wollen. Ein anderer Bereich, dem die Verantwortung, die Jugend vernachlässigt zu haben, zufällt, ist der kulturelle Bereich. Nur wenigen Jugendlichen gelingt es, ihre künstlerischen Initiativen und Ausdrucksformen auf den Markt zu bringen. Die Beziehung zwischen dem intellektuellen Engagement und der Jugend ist noch schwerer zu finden. Auf dem Gebiet der Orientierung von Ideen scheinen in letzter Zeit nicht viele auf die Jugend bezogen zu sein. Erforderlich ist die Umgestaltung der für das Studium der Menschlichkeit zuständigen Forschungszentren, so daß sie die Jugendlichen als einen wesentlichen Bestandteil berücksichtigen mit interdisziplinären Annäherungen, vergleichenden Studien auf internationaler Ebene und durch die Gegenüberstellung von Wissenschaft auf der einen und Intuition und Meditation auf der anderen Seite. Auf diese Weise wird die Menschheitsfamilie neue Kenntnisse über jene Generation gewinnen, die morgen die Verantwortung für unseren Planeten trägt, und so neue Richtlinien für ihr Vorgehen erhalten. „Frieden und Jugend, gemeinsam unterwegs“ Herr Präsident, die verehrten Delegierten wird es interessieren zu erfahren, daß Friede und Jugend das Thema des 18. Weltfriedenstages am 1. Januar 1985 ist. Papst Johannes Paul II. hat für dieses Ereignis das Leitwort „Frieden und Jugend, gemeinsam unterwegs“ gewählt. Dieses Thema beabsichtigt nicht, irgendeiner Menschengruppe einen 1903 ANHANG besonderen Platz einzuräumen oder eine andere auszuschließen, denn jeder ist aufgerufen, Träger des Friedens und Arbeiter für den Frieden zu sein, um aus der Weltgemeinschaft ein Volk des Friedens zu machen. Doch die Jugend kann mit ihrer Kraft, ihrem Schwung und ihrer Hochherzigkeit dazu einen besonderen Beitrag leisten. Zwei konkrete Anlässe machen die Wahl dieses Themas besonders bedeutsam. Der erste, innerhalb der Kirche, war die Reihe der großen Veranstaltungen von Jugendlichen in Rom während des Heiligen Jahres 1983/84 und dann in den verschiedenen, vom Papst besuchten Ländern. Alle diese Begegnungen waren von der ausgeprägten Sensibilität der jungen Menschen für den Frieden gekennzeichnet. Der zweite Anlaß ist natürlich das für 1985 ausgerufene Jahr der Jugend mit seinem Bezug auf das Friedensthema. Außer, daß es internationale Bedeutung besitzt, stellt das Thema die Botschaft in den Vordergrund, auf die sich der Papst immer wieder bezieht: das Bedürfnis der Jugendlichen, sich zum Aufbau einer friedlichen Welt nicht nur auf lokaler, sondern auch auf gesamtmenschlicher Ebene zu verpflichten. Das Wohl der Menschheit ist das einzige Ziel Schließlich, Herr Präsident, zeigte Papst Johannes Paul II. kürzlich den Jugendlichen ihre prophetische Sendung, als er sagte: „Ihr könnt die Übel unserer Zeit von allem dadurch anprangern, daß ihr euch gegen die ,Kultur des Todes1 aussprecht. . . ; auf eine solche Kultur zu reagieren ist euer Recht und eure Pflicht. Ihr müßt das Leben immer hochschätzen und euch darum bemühen, das Leben lebenswert zu machen, dadurch, daß ihr jene systematischen Vergewaltigungen ablehnt, die mit der Tötung der Ungeborenen beginnen, mit den unzähligen Gewaltakten der Kriege weitergehen, zum Ausschluß der Behinderten und alten Menschen führen, um in der Endlösung der Euthanasie ihren Höhepunkt zu finden.“ Da die Kirche erkennt, daß Jugendliche nicht nur den Weg zum Frieden für andere erleichtern, sondern auch zusammen mit anderen in Sachen Frieden Fortschritte machen können, appelliert sie an alle jungen Leute, jetzt und in Zukunft ihren Beitrag und sich selbst in den Dienst für eine echte Entwicklung zu stellen und zusammenzuarbeiten, und bittet sie, nie gleichgültig zu bleiben angesichts des Unrechts in seinen verschiedenen zeitlichen und geschichtlichen Aspekten, sondern stets durch Selbstbeherrschung und Opferbereitschaft in der Liebe Gottes anderen zu dienen. 1904 ANHANG So bietet die Situation der Jugendlichen heute die Möglichkeit, uns alle wieder zu neuen Grundsätzen menschlicher Orientierung in Richtung auf lebenspendende Ziele wachzurütteln. Die hoffnungsvollen Auslegungen des gegenwärtigen Geschehens verleihen uns die Kraft und weisen uns die Richtung, um entscheidende Handlungen vorzunehmen. Das Wohl der Menschheit ist das einzige Ziel, das imstande ist, uns den unendlichen Wert der Vereinigung unserer Kräfte entdecken zu lassen. Die Geschichte zeigt, daß in Krisenzeiten ähnlich der unsrigen geistliche Führer aufgetreten sind, die die unersetzliche Rolle entsprechender Gesellschaftsstrukturen erkannten, echte menschliche Beziehungen zu fördern und für eine dem Wachstum förderliche Atmosphäre und Umgebung zu sorgen. An ihrem Beispiel wird die heutige Generation Möglichkeiten finden, um Modelle für die ganze Weltgemeinschaft aufzustellen. In diesen Modellen werden Familie, Arbeit und Kultur ihre Rolle bei der Formung der Person finden, nicht eines von der Gemeinschaft getrennten Individuums, sondern des Menschen in der Gemeinschaft. Die Jugend erkennt hier die ganze Faszination des Planes Gottes für die Menschheit. Harte Arbeit und verpflichtender Einsatz bieten uns die Mittel, all das gemeinsam zu verwirklichen. 1905 Abkürzungen AA ,,Apostolicam actuositatem” II. Vat. Konzil: Dekret über das Apostolat der Laien AG „Ad gentes” II. Vat. Konzil: Dekret über die Missionstätigkeit der Kirche DH „Dignitatis humanae” II. Vat. Konzil: Erklärung über die Religionsfreiheit DV „Dei Verbum” II. Vat. Konzil: Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung EN „Evangelii nuntiandi” Paul VI.: Apostolisches Schreiben über die Evangelisierung in der Welt von heute vom 8.12.1975 ES „Ecclesiam suam” Paul VI.: 1. Enzyklika „Die Wege der Kirche” vom 6.8.1964 GS „Gaudium et spes” II. Vat. Konzil: Pastoralkonstitution über die Kirche in der Welt von heute HV „Humanae vitae” Paul VI.: Enzyklika über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens vom 25.7.1968 LG „Lumen gentium” II. Vat. Konzil: Dogmatische Konstitution über die Kirche NA „Nostra aetate” II. Vat. Konzil: Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen OT „Optatam totius” II. Vat. Konzil: Dekret über die Ausbildung der Priester PC „Perfectae caritatis” II. Vat. Konzil: Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens PM „Provida Mater” Pius XII.: Apostolische Konstitution über die kanonischen Stände und Weltgemeinschaften zur Erlangung der christlichen Vollkommen heit vom 2.2.1947 PO „Presbyterorum Ordinis” II. Vat. Konzil: Dekret über Dienst und Leben der Priester RH „Redemptor Hominis” Johannes Paul II.: Antrittsenzyklika über die Würde des Menschen in Christus vom 4.3.1978 UR „Unitatis redintegratio” II. Vat. Konzil: Dekret über den Ökume-nismus 1906 Wortregister Abendgebet — tägliches 556 Abendmahl 334 — letztes 551, 1073, 1363 Abendmahlssaal 1462 Abrüsten 1837, 1842 Abrüstung 866, 872, 924, 1027, 1837, 1839, 1841, 1843 — kontrollierte allgemeine 874 Abrüstungskonferenz 1837 Abrüstungsverhandlungen 750 Absolution 59, 66, 1810, 1812 Abstinenz 49 Abtreibung(en) 740, 752, 829, 836, 897, 1028, 1251, 1385f„ 1669, 1705, 1894 — Abbruch einer begonnenen Zeugung 158 — Übel der 1113 Advent 1601f. — der Schöpfung 1602 Afrika — Rassenkonflikt in 1321 Agape 110, 113f. Agrarreform 279 AKP (Arbeitsgemeinschaft Katholische Presse) 1138 Alkohol 628, 736 — und Drogenmißbrauch 592, 657 Alkoholismus 361, 838, 1270f. A Ikoholmißbrauch — Begünstigung des 1271 Allerheiligen 219, 221 Allerheiligstes — Gegenwart des 559 — Aussetzung des 1798 Allerseelen 219 Almosen 1552 Alphabetisierung 896, 1394, 1630 — Methoden der 1394 Altar 1791 — versinnbildet Christus 521 Altarweihe 521, 1822 Altenfürsorge 745 Alter Bund 1520 — letzter Prophet des 122 Altes Testament 1530 — Predigt des 1533 Amnestie 149 Amoralismus 1772 Amt — des Priesters 613 Amtspriestertum 365, 553, 788, 1457 Analphabeten 1394 Analphabetismus 1418 Analyse — marxistische 1768 Anbetung 123, 407, 717, 1612 — eucharistische 442 — ewige 547 — Christi 1040 Anthropologie 1150 — biblische 141 — philosophische 243 — christliche 991 — materialistische 1780 Antikultur 903 Apartheidsystem 1323 Apokalypse — Drache aus der 1359 Apollo-13-Unternehmen 1416 Apostelkonzil 1516 Apostolat(e) 305, 328, 386, 517, 623, 659, 661, 922f„ 1066, 1078, 1084f„ 1088, 1099, 1129, 1132, 1216, 1725f. — Werke des 326 — Schwierigkeiten des 408 — des Amtes 520 — der Laien 520, 1712 — Berufung zum 659, 1257 — Aufruf zum 660 — Vielfalt des 661 — Ziel des 661 — Fruchtbarkeit jedes 663 — geistliches 742 — Teilhabe am A. der Kirche 1099 — benediktinisches 1397 Apostolatsarbeit 348 Apostolatsbewegungen 1718 Arbeit 34f., 87, 220, 229, 320, 517, 541, 1069, 1218, 1902 — Bedeutung der menschlichen 34 — Ausdruck der Berufung des Menschen 35 — unmittelbarer Ausfluß der Person 36 — Selbstverwirklichung durch 36 — am Werk des Schöpfers 37 — besondere Berufung 37 — Mensch ist Ziel der 57f. — menschliche A. ist erlöst 58 — Fest der 87 — ist Gut für den Menschen 88 — Wert der 88, 1218 — Grundwahrheit vom beständigen Wert der 89 — Heiligung der 230 — menschliche 361 — Recht auf 739, 794 — wahre Natur der 790 — Evangelium der 790f., 1070, 1072 — immer Faktor sittlicher Erhebung 791 — Vorrang menschlicher 791 — Realität der 1069 — beständiges Element im Leben des Menschen 1069 — Errungenschaften der menschlichen 1069 — Bestandteil des Erlösungswerkes 1070 — Werte der 1070, 1072 — personale Würde der menschlichen 1070 — exegetische 1217 — Verchristlichung der Welt der 1219 — Sinn der 1405 Arbeiter — echter Mitarbeiter des Schöpfers 321 — Rechte der 679 — Würde als 792 — Menschenrechte der 1903 Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten 699 Arbeitslose 699, 1627 Arbeitslosigkeit 57, 89, 281, 468, 615, 629, 638, 654, 783, 789, 794, 800, 905, 1218, 1335, 1376, 1703, 1900 — bedarf Solidarität aller Menschen 91 Arbeitswelt 1478 Archäologie — christliche 1600 Arme — Not der 679 — Option für die 1767 Armut 721, 1093 — ernsteste Bedrohung für den Frieden 896 — Heilscharakter der 1094 — Sensibilität für die neue 1475 — Formen der 1618, 1620 — christlicher Sinn der 1774 Aschenauflegung — Ritus der 49 Aschermittwoch 48f. Askese 171, 174, 223, 743, 947 — der Enthaltsamkeit 211 — eheliche 231 Aszese 1508 Aszetik — christliche 54 Atheismus 611, 817, 1043, 1525, 1769 1908 Atomkrieg 63, 639, 963, 1158, 1588, 1838 Atomkriegsgefahr 1838 Atommächte 1839 Atomtod 768 Atomversuche 1839 Atomwaffen 465, 740, 1841 Atomzeitalter 1605 Auferstandener — Erscheinung des 83 — Erfahrung des 979 Auferstehung 83, 608, 970, 979 — Licht der 239 — Christi 295 — Freiheit der 628 — Sprache der 978 — ist zur Offenbarung der Herrlichkeit geworden 980 — Jesu 1182 — des Leibes 1393 Aufklärung 1407 Aufnahme Mariens in den Himmel 1359 Aufrüstung — Spirale der 768 Ausbeutung — der Armen 1618 — des Menschen 1624 Ausbildung — theologische 454, 760 Ausländerfrage 1376 Ave Maria 193 Bamherzigkeit 44, 46, 56, 1471, 1514, 1763 — Gottes 56, 231, 1022, 1513, 1531, 1557 — göttliche 967 — Werke der 1424, 1565 — Seligpreisung der 1574 Basisgemeinden 1445, 1677 Bedrohung — nukleare 722 — atomare 1624 Befreiung 1759, 1761f., 1765 — von der Sünde 851 — vom Zuständ der Sündhaftigkeit 1120 Befreiungstheologie s. Theologie der Befreiung 1761f„ 1765-1768, 1775 Begegnung ■ — ökumenische 274 — eucharistische 1363 Begeisterung — religiöse 299 Begierde — Beherrschung der sinnlichen 213 Begierlichkeit — Beherrschung der 196 Begräbnisfeier 1824 Behinderte(r) 1000 — Stellung der 591 — ist vollmenschliche Person 1123 Beichtdienst 1338 Beichte 44, 54, 1338, 1556, 1564 — individuelle, gewöhnliche Form des Bußsakramentes 61 — Quelle der Heiligkeit 76 — Gleichgestaltung mit Jesus, dem Sieger über die Sünde 76 — sakramentale 80 — Verpflichtung zur persönlichen 1571 Beichtstuhl 1809 Beichtvater 1565 Bekehrung 869, 954, 967, 1876 — Notwendigkeit der 1521 Bekenntnis — persönliches 59 Bergpredigt 241, 380, 488, 680f., 1081, 1083, 1259, 1316 1909 Berufsethik 1248 Bevölkerungszunahme 146 Berufsvorbereitung 282 Berufung(en) 117, 181, 191, 222, 389, 415, 421, 460, 930, 954, 982, 987, 989, 992, 1000, 1017, 1078f., 1132, 1160, 1237 — der Arbeit 37 — Wesen der 181, 1081, 1083, 1091 — zum christlichen Leben 190 — Spiritualität der 190 — des Menschen zur Ehe 231 — ökumenische B. der Kirche 274 — wahre Natur der 317 — zum Priestertum und Ordensleben 353 — christliche 384, 399, 1083 — missionarische 386 — Vielfalt von 427 — zum Priestertum 509, 1403 — zur Gastfreundschaft 565 — zum Apostolat 659, 1257 — pastorale B. der Priester 675 — Geschenk der 785 — ewige B. des Menschen 817 — religiöse 932 — künstlerische 1005 — zur Unsterblichkeit 1007 — priesterliehe 1019, 1198, 1421 — irdische B. des Menschen 1071 — des Menschen zur Vollkommenheit 1081 — anthropologische Grundlagen der 1082 — und Charismen 1100 — als Eheleute und Eltern 1112 — geistliche 1210 — zur Herrlichkeit 1359 — zur Heiligkeit 1369, 1421, 1734 — der Familie 1465 — zur Gotteskindschaft 1759 Besitzteilung 586 Betrachtung — kontemplative 602, 1423 Bevölkerungsfragen 1249 Bevölkerungskontrolle 1254, 1897 Bevölkerungspolitik 1250, 1253, 1890, 1897 Bevölkerungswachstum 1889 Bewegung — ökumenische 429, 661, 1268, 1368, 1878 — eucharistische 1457 Bewußtsein — vom Geheimnis der Erlösung 407 — sittliches 766 — für Gott 1535 Bibel 1216 — Verbreitung der 96 Bibelbewegung 1457 Bibelkatechese 1682 Bibelstudien — Erneuerung der 431 Bildung — und fortschrittliche Berufsvorbereitung 282 — des bürgerlichen Gewissens 282 — religiöse B. der Christen 1043 Bildungswesen 517 — katholisches 1287 Biologie 1195 — Entwicklung der menschlichen 757 Bischöfe — Nachfolger der Apostel 298 — als Doctores Fidei, als Glaubenslehrer 300 — Dienstamt der 400 — Autorität der 501 Bischof — Einheit mit 502 — Sendung des 1649 — Lehramtsfunktion des 1706 Bischofsamt — kollegiale Natur des 1351 — Privileg des 1643 Bischofskollegium 499 — Einheit des 1685 Bischofskonferenz(en) 360, 498, 506, 755, 762, 901f„ 1461, 1498f. 1910 Bischofsweihe 755, 882, 884, 1213, 1352, 1595 — Sakrament der 1595 Bittgebet(e) 716f. Blutzeugen — koreanische 94 Brautleute 100 — Wahrhaftigkeit der Liebe der 124 Bruderkriege 503 Bruderschaften 1124 Brüderlichkeit 293, 879, 898, 1034, 1471, 1475, 1597 — universale 877, 879 Buchdruck — Erfindung des 844 Buddha 294, 339 Buddhismus 96f., 293, 338, 378, 402 — Staatsreligion des 98 Buddhisten 308, 1853 Bündnis — eheliches B. von Mann und Frau 129 Bürgerkrieg 200 Bund(es) 715f. — zwischen Gott und der Frau 6 — zwischen Gott und den Menschen 10, 1457 — Wiederholung des mosaischen 21 — neuer und ewiger B. Gottes mit der Menschheit 122 — vollkommener B. in Jesus Christus 1018 — bräutlicher Liebe 1087 — ewiger B. im Kreuz 1178 — mit Gott 1515 Bund der Baptistengemeinden 474 Bußakt — der hl. Messe 1556 Bußbruderschaften 1127 Bußdisziplin — der Kirche 1551 Buße 15, 49, 743, 1065, 1128f., 1507, 1524, 1545, 1549, 1662, 1809 — Sakrament der 46, 708, 758, 1117, 1606, 1885 — Einzelbeichte einzig normale Form der sakramentalen 59 — und Eucharistie 81 — Akten und Taten der 1508 — Praxis der 1543 — Pastoral der B. und Versöhnung 1543f., 1549 — Katechese über die 1550 Bußetun 1551 Bußgesinnung 81 — Erweckung einer aufrichtigen 82 Bußgottesdienste 259 Bußordnung 1561 Bußpraxis — umfassende 49 Bußritus 75 — der Meßliturgie 1555 — sakramentaler 1561 Bußsakrament 40f., 49, 64, 192, 231, 366, 370, 653, 1197, 1517, 1538, 1556f., 1560f., 1565, 1702 — Priester Spender des 43 — gewöhnliche Form des 61 — sakamentale Lossprechung im 77 — Praxis des 497 — Lebensnotwendigkeit des 1338 — Spendung des 1338 — Pastoral des 1340 — ordentlicher Weg 1561 — Bedeutung des 1562 Bußtaufe 9 — zur Vergebung der Sünden 9 Bußübungen 50 Cäcilienfest 1480 Caritas 25, 513, 1001, 1470, 1555, 1689 Caritas Internationalis 1469f., 1472 1911 Caritasverband 528 C.C.E.E. (Consilium Conferentiarum Episco-palium Europae) Rat der europäischen Bischofskonferenzen 1410 CELAM (Episcopal Latino-americano) Lateinamerikanische Bischofskonferenz 204, 811, 819, 821f., 831, 1765f. CEPAC (Epicopal Conference of the Pacific) 1348 Chaos — moralisches 315 Charisma 70, 660, 674, 742, 746, 760, 906, 1035, 1098JF., 1169f., 1312, 1325, 1652, 1724 — der Wahrheit 40 — bischöfliches 301 — des Ordenslebens 326 — der Seele 796 — der göttlichen Wahrheit 1313 — der Säkularinstitute 1729 — des gottgeweihten Lebens 1744 Charismen 325, 383, 441, 513, 519, 613, 623, 655, 1672 — und Berufungen 1100 — Vielfalt der 1279 — des Geistes 1606 Charta der Familienrechte 1436 Chemie 1195, 1417 Chorgesang 1483 Christ(en) — Sendung des 24 — Einheit der 24, 451, 723, 1597 — zum kulturellen Fortschritt beitragen 30 — Einheit unter den 677 — Einheit aller 706 — Wiederversöhnung der orientalischen und der abendländischen 706 Christentum — und Kultur 1002 Christkönigsfest 239, 1487 Christologie 933, 1514 C.I.C. s. Codex Iuris Canonici Codex Iuris Canonici (vgl. C.I.C.) 85, 880ff., 914, 1356f., 1443, 1787 — authentische Interpretation des 880 — neuer 915, 921 — unerläßliches Werkzeug 1357 COERR (Catholic Office for Emergency Relief and Refugees) 395 Computer 89, 321 Confessio Augustana 1038 Credo 7, 185, 219, 1411 Dasein — sittliches 330 — neues D. durch Christus 425 Datenverarbeitung 1857, 1859 Dekalog 1530, 1533 Dekolonisationsprozess 891 Demokratie 465, 481, 565 Demut 262, 441, 461, 479, 498, 627, 677, 843, 846, 1096, 1397, 1626 — Jesu 9 — geistliche 610 — Mut der 870 Diakon(e) 513f., 1670 — ständige 616 Diakonia 935 Diakonie 527 Dialog 288, 312, 1037, 1041, 1162, 1206, 1865, 1871, 1874 — ehrlicher 313 — konstruktiver 314 — zwischen Glaube und Kultur 328 — mit allen großen Religionen 338 — brüderlicher 338f. — mit anderen Religionen 435 — theologischer 680 — patoraler 901 1912 — und Mission 1041, 1876 — zwischen den Religionen 1042, 1854 — intermonastischer 1043 — gehört in den Heilsauftrag der Kirche 1044 — des Glaubens 1074 — der Wahrheit 1160 — Gesellschaft des 1204 — theologischer 1308, 1518 — der Liebe 1309 — zwischen Christen und Juden 1317 — Erziehung zum 1318 — ökumenischer 1546f. — interreligiöser 1855 — mit Nichtchristen 1865 Diaspora 509, 1031, 1200 Öichotomie 329 Didache 1384 Diebstahl 1903 Dienen — Ideal des 590 Dienst — des Nächsten 35 — priesterlicher 317 — an unserem Nächsten 1026 Diktatur 870 Diözesan- oder Pfarrgemeinderäte 661 Diözesan-Caritas 906 Diplomaten 464 Diplomatie 464 Diskriminierung(en) 735, 1505 — aus rassischen Gründen 1321 — religiöse 1505 Dogmatik 1217, 1559 Dogmen — der Kirche 301 Dominikaner 368 Dominikanerinnen 368 Dreifaltigkeit — Einheit der 549 Dreifaltigkeitssonntag 1265 Droge(n) 399f., 470, 503, 628, 736, 795, 1028, 1160, 1388, 1903 — Alkohol- und D.-mißbrauch 592, 657 — Geißel der 1390 — als Ersatz 1390 — Sog der 1628 — Zuflucht zur 1653 Drogenabhängige — Identität 1389 Drogenangebot 1391 Drogenhandel 829, 1391 — Geißel des 1840 Drogenkonsum 1388 Drogenmißbrauch 905, 1270, 1900f. Drogensucht 1705 Dürre 1472 — und Hungersnot 1688 Dürreopfer 1231 Dynamik — ökumenische 1331 — missionarische 1429 Egoismus — sozialer und persönlicher 323 Ehe 1642, 1884, 1891 — sakramentales Zeichen 105, 110, 113 — Spiritualität der 120, 190, 195, 197, 216f., 236, 238 — ist „tiefes Geheimnis” 128 — Einheit und Unauflöslichkeit der 129, 241, 836, 1113 — Heiligkeit der 131 — und Familienmoral 134 — Spender der 135 — natürliche und sakramentale Wirklichkeit der 137 — personaler Aspekt der 137 1913 — auf Fortpflanzung hingeordnet 140 — Sakrament der 190f„ 259, 1210, 1681 — und Familie 191, 233, 1107 — und Familienleben 192, 362 — Berufung des Menschen zur 231 — Sakramentalität der 242, 244 — konfessionsverschiedene 475, 502 — Würde der 636, 918 — Unauflöslichkeit der 636, 660, 918 — Selbsthingabe in der 740 — Krise der 757 — Werte der 809 — Verzicht auf 1092 — christliche 1232 — Vorbereitung auf die 1235 — sakramentale 1669 — Wert der 1888 Ehebruch — im Herzen begangener 241 Ehebund 1364 — sakramentales Zeichen des 129 Eheconsensus 917 Ehegatten — personale Würde der E. als Eltern 216 Eheleben — Ethik des 227 Eheleute 364 — Liebe der 129 — geistliches Leben der 190 — Spiritualität der 191f. — asketisches Bemühen der 211 — Personengemeinschaft der 238 Ehelosigkeit 168, 444, 552, 670, 1040, 1730, 1740 Ehemoral 148, 158 Ehepartner — sittliches Streben der 233 Eherecht 915, 917 Ehesakrament 232f., 370, 1233, 1236, 1555, 1717 — Zeichen des 129 — Gnade des 238, 1112, 1115 Ehescheidung 631, 1112 Eheschließung 1364 — sakramentale 131 Eheseelsorge 1681 Ehespiritualität 231 — Liebe ist grundlegendes Element der 230 Eheverständnis — christliches 227 Ehevorbereitung 1233, 1633 Ehevorbereitungskurse 1669 Ehezwecke — Lehre über die 196 Ehrfurcht 236 — vor Christus 210 Einheit 118, 1492 — personale E. von Gott und Mensch in Christus 4 — der Christen; Weltgebetswoche für die 12f., 16 — Gebet für die 13 — Taufe Fundament der 17 — der Christen 24, 274, 451, 677, 706, 723, 937 1075, 1597 — Eucharistie ist Quelle der 33 — ^Sehnsucht nach 273 — der jungen Kirche 273 — des Sohnes mit dem Vater 297 — mit Gott 300 — nationale 311 — in der Verschiedenheit 360 — der Kirche 398, 694, 702, 1118, 1430, 1546 — Verantwortung für 418 — zugleich Vielfalt 425 — Wille zur 429 — Suche nach 429, 1074, 1309 — im Glaubensbekenntnis 433 — im Bekenntnis 436 — mit dem Lehramt 453 — zwischen Getauften 461 — des mystischen Leibes Christi 519 — Wiederherstellung der vollen 678 — in Christus 712 1914 — volle E. im Glauben 911 — bleibt immer Geschenk Gottes 911 — mit Christus 932 — des Sohnes mit dem Vater 975 — Verpflichtung zur christlichen 1037 — des Glaubens 1217, 1328 — Fortschritt auf dem Weg zur 1268 — Berufung zur 1269 — des Leibes Christi 1432 — der Priester 1445 — universale 1613 — Dienst an der katholischen 1614 — katholische E. ist Merkmal der Universalkirche 1639 — kirchliche 1696 Einswerden — personales 212 Einswerdung — personale 168 Einzelbeichte 66 — einzig normale Form der sakramentalen Buße 59 Ekklesiologie 455, 1612f. Elend 1703 Eltern — personale Würde der Ehegatten als 216 — natürliche Rechte der 1192 — Grundrechte der 1287 Elternschaft 1892 — verantwortliche 151f., 153, 159, 171, 190, 226, 1251f„ 1895 — Bereitschaft zur 740 — Entscheidung zur 1252 Embryo — Experimente am menschlichen 749 Emigration 235 Empfängnisverhütung 158, 178, 236, 829, 1251, 1894f., 1251 — künstliche 159, 1705 — sittliches Übel der 171, 190 Endgericht 719 Entfremdung — berufliche 89 Enthaltsamkeit 231, 233 — periodische 172, 174, 197, 210 — und Selbstbeherrschung 179 — Tugend der 197, 209f., 212f„ 217, 227f. Entwicklung — neuer Name für Frieden 719 Entwicklungshilfe 1254 Entwicklungsländer 1418, 1889 — Verarmung der 878 — Hunger in den 1497 Entwicklungsprojekte 1230 Ephesus — Konzil von 4 Epidemien 1315 Epiphanie 11 — Erscheinung des Herrn 7, 883 Episkopat — Kollegialität des 506 Erbarmen — Gottes 66, 1541 — Geschenk des 304 Erben — des ewigen Lebens 303 Erbmanipulation 330 Erbschuld — Adams 163 Erbsünde 50, 250, 303, 970, 1555, 1593 Erde — Raubbau an der 1419 Erfüllung — eschatologische 1083 Erkenntnis — der Pflichten christlichen Lebens 72 Erlöserliebe 716 1915 Erlösung 1762 — Kreuz, alleinige Quelle unserer 16 — durch Christus 19 — der Arbeit 36 — des Leibes 131 — Ethos der E. des Leibes 142 — Geheimnis der 407 — Kreuz ist Zeichen der 666 — ist historische Wahrheit 922 — durch das Kreuz Christi 959 — aus sühnender Liebe erwirkte 983 — Geheimnis der E. der Welt 996 — Gnade der 1015, 1086 — Geschenk der 1078 — Wesen der 1985 Erntedankfest 230 Eroberung — und Kolonisierung 825 Eros — Grenzen des 111 Erotismus 1160 Erscheinung — innere Kraft der 884 — Reichtum der E. Gottes 884 Erster Weltkrieg s. Weltkrieg(e) Erstkommunion 1449 Erwachsenentaufe 258 Erzengel 1592 Erzieher — katholische 642 — christliche 1446, 1450 Erziehung 400, 406, 562, 993, 1040, 1132, 1234, 1537, 1896, 1901 — christliche 159, 645, 1287, 1635, 1663 — zur Selbstkontrolle des Willens 209 — eines getauften Kindes 258 — Recht auf 647 — Katechese und 745 — im Glauben 836 — katholische 1286, 1450 — der Jugend 1705 Erziehungsprogramm 1132 Erziehungssystem(e) — katholisches 646 — Verbesserung der 1249 Ethik 141, 172, 243, 434, 500, 892, 1153, 1536, 1574, 1714, 1781 — des Ehelebens 227 — politische 361 — Vorrang der E. vor der Technik 714 — individualistisches Verständnis der christlichen 720 — Forderung der 921 — christliche 1537 — Wesen der 1772 Ethos — der Erlösung des Leibes 142 Eucharisti 377, 432, 435, 441, 443, 462, 511, 514, 519, 523, 615, 652, 982, 1015, 1020, 1100, 1117f., 1197, 1227, 1236f., 1266, 1347, 1364, 1370, 1397, 1456, 1461f., 1493, 1644, 1662, 1702, 1772, 1778, 1884 — Ereignis der Gemeinschaft 33 — Quelle der Einheit 33 — Gemeinschaft mit Gott, Vater, Sohn und Heiligem Geist 33 — Sakrament der 79, 1483, 1606, 1801, 1885 — Sakrament, das Sünden nachläßt 80 — als Opfer 80 — Ursprung aller Sakramente 80 — Mittelpunkt im Leben des Gottesvolkes 80 — und Buße 81 — Empfang der 81 — Christus in der 122 — lebendige Quelle der 192 — Quelle u. Mittelpunkt 306, 369 — Geschenk der 317 — Nahrung priesterlichen Lebens 318 — Feier der 366, 1363 — Grundelement der Kirche 423 — Sakrament des neuen und ewigen Bundes 423 — Quelle der Versöhnung mit Gott 523 — Wesen der 524 — Opfer Jesu Christi 525 — Mittelpunkt christlicher Gemeinschaft 525 — Geheimnis der 525 1916 —■ Diener der 551 — bedeutet Danksagung 633 — Liebe zur 674 — Spender der 1170 — Quell des priesterlichen Dienstes 1209 — das Paschamahl 1362 — Sakrament der brüderlichen Liebe 1363 — Sakrament der Familie 1363 — Quelle des Apostolats der Familie 1365 — Sakrament des Glaubens 1555 Eucharistiefeier 82, 458, 478, 671, 758, 1342 — Teilnahme an der sonntäglichen 1370 Eucharistische Kongresse 123 Eucharistische Weltkongresse 123 Eucharistischer Weltkongreß 13 Europa — Einheit 1466 — Einigungsprozeß 1609 Europarat 901 Euthanasie 1160, 1384-1387, 1904 Evangelisierung 7, 96, 200, 202, 204f., 215, 291, 350, 354, 360f., 367, 370, 383, 435, 497, 500, 517, 781, 1044, 1232, 1246 — der Neuen Welt 201 — Voraussetzungen der 301 — der Kultur(en) 328, 331, 343, 902 — kirchlicher Dienst der 355 — Dringlichkeit einer neuen 479 — Beginn der 556 — der Welt 678, 1597 — Verkündigung des Gottesreiches 920 Evangelisierungsauftrag 1057 Evangelium 6, 109, 159, 183, 191, 980, 1043, 1089, 1178 — Neuheit des 84 — Christi 201 — Verkündigung des 202 — Wahrheit des 272, 362, 1059 — ist Weg zum Heil 295 — des Heiles 302 — des Leidens 308, 309 — der Arbeit 322, 790f., 1070, 1072 — Sauerteig der Kultur 331 — Grundsätze des 345f. — Werte des 385, 426, 679, 1040, 1132 — des Friedens 399, 487, 1156 — Prinzipien des 434 — Klarheit des 460 — von der Heimsuchung Mariens 609 — und Kultur 711 — Anwendung des 769 — vom Leiden 984-986, 990 — Dienst am 1021 — Heilswahrheit des 1099 — der Liebe 1150 — vom Heil der Welt 1166 — Geist des 1221 — Werkzeuge für die Verbreitung des 1246 — Umkehr zum 1259 — Seligpreisungen des 1269, 1729 — Seele der katholischen Schule 1290 — Heilscharisma des 1313 — Pädagogik des 1488 — von der Menschenwürde 1626 — Inkulturation des 1691 Exerzitien 1421 Exil 1316 — ist Vergewaltigung menschlichen Gewissens 396 Existenz — Gutheit der 962 Existenzangst 1608 Expansion — wirtschaftliche 679 Familie 361f., 517, 836, 1162, 1190, 1210, 1251f., 1362, 1435, 1645, 1652, 1658, 1668, 1705, 1717, 1857, 1891-1894, 1900f. — ist Herz der Kirche 61 — wahre Güter des Lebens und der 172 — Theologie der 172 — christliche F. als „Hauskirche” 194, 342 — Glaubensleben in der 342 — christliche 342, 364, 370, 1106 — katholische 684 — Bedeutung der christlichen 1040 — Schwächung der F. als Institution 1190 1917 — Stärkung der F. als Institution 1190 — Pflanzstätte religiösen Lebens 1193 — erste und natürliche Erziehungsgemeinschaft 1291 — Förderung der 1335, 1680 — eine Art „Hauskirche” 1364 — Eucharistie ist Quelle des Apostolats der 1365 — apostolische Dynamik der christlichen 1365 — Heiligung der 1365, 1633 — Gebet in der 1370 — Schutz der 1376 — Berufung der 1465 Familienapostolat 1669 Familienhilfe 993 Familienkatechese 1370 Familienleben — Würde des 757 Familienpastoral 782, 1232, 1681, 1699, 1712 Familienplanung 1251, 1254, 1891f., 1894f. — natürliche 226f., 636, 1642 — Mittel zur 1893 Familienpolitik 1858 Familienrechte 1191 — Chartader 1191,1251 — Vergewaltigung der 1436 Familienseelsorge 1669f. FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen) 878 Fasten 1052, 1054, 1552 Fastenzeit 48f. „Fastenzeit der Nächstenliebe” 53 Fatalismus 380 Fegfeuer 1521, 1532 Fernsehen 1246 Fest der Darstellung des Flerrn 931 Fest des Heiligsten Herzens Jesu 1302 Finsternis — Geist der 1359 Firmung 302, 471, 546, 659, 1555, 1805, 1807f., 1884 — Sakrament der 305, 1257, 1800 — Feier der 1806 Flüchtlinge 97, 381f., 393, 1315, 1474, 1627 — politische 465, 752 — afrikanische 1231 — Millionen von 1471 Föderalismus 481 Förderung — soziale 819 — von Kenntnis und Wissen 942 Folter 654, 894, 1186, 1505 Forschung — theologische 433, 1275 — Freiheit der 453 — medizinische 1194f. — interdisziplinäre 1298 Forschungsfreiheit 449 Forschungstechniken 452 Fortschritt(e) 1027 — kultureller; Beitrag der Christen 30 — der Wissenschaft und Technik 469 — neuer Name für Frieden 719 — der Kultur 903 Frau(en) — Internationaler Tag der 48 — Würde der 106,108,1191,1251 — Mann und F. als Ebenbild Gottes 130 — neue Annahme der 281 — in Kirche und Gesellschaft 474 — in der Gesellschaft 1253 Freiheit 155, 203, 304, 328, 376, 469, 480, 586, 638, 701, 721, 1145, 1160, 1465, 1495, 1505, 1528, 1589, 1604, 1609, 1640, 1856, 1867, 1869, 1875 — Grundrechte der religiösen 189 — der Hingabe 209f. — intellektuelle 277 1918 — des Geistes 288, 728, 869 — religiöse 313 — der Forschung 453 — Mißbrauch 555 — der Auferstehung 628 — der Glaubensausübung 761, 763 — verteidigen um Gerechtigkeit zu fördern 870 — religiöse F. als Grundrecht 898 — und Gerechtigkeit 1027 — des Menschen 1080, 1535 — innere 1097 — Wesen der 1113 — katholischer Schulen 1131 — Werte der 1244 — der Meinungsäußerung 1247 — der Person 1527 — christliche 1757, 1762 Freizügigkeit — sexuelle 1251 Freundschaft 105 Friede(n) 3f., 57, 114, 199f., 203, 237, 276, 283, 286, 292f„ 313, 315, 419, 433, 458, 465, 467, 469, 485f„ 488, 529, 540, 586, 638, 640, 657, 694, 699, 701, 717f., 721-723, 764, 766, 768, 796, 865, 869, 890, 924, 939, 1025-1027, 1142, 1152, 1159f., 1226, 1254, 1318, 1351, 1372, 1418, 1455, 1465, 1495f„ 1498, 1507, 1528, 1548, 1588, 1597, 1608, 1626, 1630, 1640, 1680, 1709, 1842f., 1860, 1871, 1875, 1877, 1899, 1903f. — Notwendigkeit des 24 — in der Welt 58 — Gott ist Quelle des Lebens und 230 — Christus ist unser 240 — Werkzeuge des F. u.d. Versöhnung 304 — Welt des 307 — Sehnsucht nach 311, 1186, 1243 — Suche nach 312 — Hindernis für den 314 — Bedrohung des 314, 1760, 1860 — für den F. wirken 380 — Feinde des F. bekämpfen 380 — Ideal des 419,1143 — Bedingung für 722, 767, 892 — neue Vorstellung vom 750 — Gesellschaft des 751 — ist gefährdet 865 — Wiederherstellung des 869 — Erhaltung des 869 — Geist des 87lf. — Werk und Frucht der Gerechtigkeit 871 — Mentalität des F. schaffen 871, 906 — Unsicherheit des 872 — ist Pflicht aller 872 — in der Familie 874 — Hoffnung auf 879 — Armut ist ernsteste Bedrohung 896 — Kultur des 903 — Errichtung eines wahrhaften 906 — Grundlage des 943 — Sicherung des 1027 — Wachstum des F. und der Gerechtigkeit 1056 — Wirken für den 1139, 1143 — Forderung nach 1153 — Aufforderung zum 1174 — gerechter F. im Nahen Osten 1175 — Baumeister des 1202 — Schaffung des 1322 — Gerechtigkeit und 1374 — Festigung des 1464 — auf allen Ebenen 1509 — sozialer 1666 — soziale Gerechtigkeit ist Grundlage des 1672, 1676 — eine Verpflichtung 1838 Friedensdienst 544 — Ideal des 1143 Friedensfürst 1173 Friedensinitiativen 487 Friedensordnung — internationale 1588 Friedensstifter 1589 Friedenswelttag 1589 Friedenswerk 208 Frömmigkeit 223, 605, 1128f., 1541 — des Volkes 224 — Werke der 49, 1320 — persönliche 194, 1342 — marianische 559 1919 Fronleichnamsfest 1265 — Fest vom Heiligsten Leib und Blut Christi 122 Fruchtbarkeit — Regulierung der 158, 233 — natürliche Regelung der 158f., 173 — gewissenhafte Regelung der 176 — natürliche Ordnung der menschlichen 177 — sittlich richtige Regelung der 177 — biologische Dimension der menschlichen 217 Fruchtbarkeitszyklus 1895 Fürbittgebet 325 Gastarbeiter 1199, 1897 Gastfreundschaft 560 Gattenliebe 171 Gebet 14, 49, 109, 125, 139, 143, 169, 185, 193, 216, 222, 230f., 300f., 344, 361, 371, 407, 415, 432, 454, 458, 472, 511, 614, 641, 663, 680, 742, 1015, 1034, 1054, 1088, 1101, 1115, 1118, 1207, 1208, 1210, 1214, 1308, 1372, 1423, 1483, 1485f„ 1521, 1728 — Macht des 16, 547, 873 — der Mutter 47 — liturgisches 47, 384 — der Kirche 164, 386 — Aufruf zum 300 — hohepriesterliches 356 — Notwendigkeit des 501 — gmeinsames und persönliches 601 — des Angelus 657 — gemeinsames 717 — Erfahrung des 873 — der ganzen Kirche 1032 — Hohepriesterliches 1090 — um geistliche Berufe 1211 — in der Familie 1370 — Bedingungen für das 1485 Gebetserfahrung 1484 Gebetserziehung 1109 Gebetswoche — für die Einheit der Christen 16 Gebot — des Schöpfers 36 — Christi 1151 Geburt — zum übernatürlichen Leben 886 Geburtenkontrolle 153 Geburtenrate — Abfall der 1891 Geburtenregelung 1889 — Lehre über rechte 146 — moralisch unerlaubte Weise der 158 — Methoden einer 160 — natürliche 171, 1895 — einwandfreie 171, 179 — sittlich einwandfreie 172 — moralisch gerechtfertigte 173 — künstliche Methoden der 174 — sittliche Werte der natürlichen 179 — sittlich erlaubte 190, 192 — verantwortungsbewußte 228 — sittlich gerechtfertigte 178 Gedächtnismessen 222 Gedanken- und Glaubensfreiheit 465 Gedankenfreiheit 277 Gefangenenhilfswerk 482 Geheimnis — menschlichen Daseins 358 — vom lebendigen Christus 398 — der Kirche 398 — der Dreieinigkeit 634 — der Liebe Gottes 910 Gehorsam 1094 Geist — Quelle der Freiheit 432 Gelöbnis — der evangelischen Räte 1078 Gelübde 365, 932, 1085 — Merkmal des 1734 Gemeinde — christliche 23, 651 1920 Gemeinschaft(en) — mit Gott 45 — mit Christus 301 — mit dem Ortsbischof 366 — Sinn für 646 — Geschenk der G. mit Gott 657 — therapeutische 1389 — von Gläubigen 1443 Gemeinschaftssinn 299 Gemeinwohl 119, 279, 371, 433, 466, 481, 564, 647, 729, 748, 892f., 920, 935, 1028, 1218, 1246, 1250, 1372, 1376, 1465, 1474, 1499, 1528, 1554, 1597, 1609, 1666, 1676, 1696, 1890f. — Dienst am 88, 935 — Verwirklichung des 599 — der Gesellschaft 712 — Verantwortung am 729 Generalabsolution 1570f., 1812-1814 Genetik 1062 Genossenschaftsbewegung(en) — Solidarität in landwirtschaftl. 281 Genugtuung 58, 1565 — Ausdruck eines neuen Lebens 50 — Werke der 1565 Gerechtigkeit 203, 322, 586, 638, 649, 657, 717, 721-723, 728, 764, 766, 768, 787, 828, 890, 1057, 1145, 1160, 1351, 1465, 1471, 1495f„ 1498, 1528, 1589, 1609, 1626, 1630, 1640, 1645, 1666, 1709, 1763, 1765, 1860, 1899 — Herrschaft der 9 — menschliche 164 — Gottes 164, 756, 965 — soziale 203f„ 482, 661, 680, 783, 809, 817, 924, 1608, 1618, 1857, 1867, 1888, 1891 — des Reiches Gottes 271 — Sinn für 288, 312, 869 — und Frieden 293, 1374 — Erreichung größerer 321 — Dienst an der 632 — Verwirklichung der 649 — Gleichheit und 654 — internationale 748 — Vorbilder für soziale 809 — zwischen Sozialpartnern 870 — zwischen Völkern 870 — Gewähr für 894 — Förderung der 935 — transzendente Ordnung der — Wachstum des Friedens und der 1056 — und Gleichheit 1200 — Werte der 1244 — soziale G. Grundlage des Friedens 1672, 1676 Gericht 1553 — göttliches 60 — Lossprechung Ausdruck des G. Gottes 65 — gerechtes G. Gottes 979 Gesamtfamilie — Wohl der 152, 154 Gesamtkirche — im Meßopfer vereint 377 — Wohl der 762 — Sendung der 763 — Gemeinschaft von Kirchen 1612 Geschichtsrelativismus 1536 Geschichtsunterricht 1317f. Gesellschaft — Aufbau einer gerechteren 34 — Wohl der 178, 361 — des Friedens 751 — Säkularisierung der 828 — des Dialogs 1204 Gesellschaft Jesu 291 Gesellschaft vom Göttlichen Wort 355 Gesellschaftswissenschaften 452 Gesetz(e) — göttliches 777 — wahrer Sinn der 880 — konkreter Ausdruck des Willens Gottes 915 Gesinnung — technologische 696 Gesundheit 1494 1921 Gesundheitserziehung 1191 Gesundheitsfürsorge 749, 1191, 1239, 1249, 1253, 1896 Gesundheitsniveau 1494 Gesundheitsprioritäten 1494 Gesundheitsvorsorge 1891 Gewalt — und Intoleranz 189 — mafioser 795 — Ablehnung der 1465 Gewissen 3, 41, 55, 153f., 176, 378, 383, 398, 400, 414,-471, 489, 498, 544, 563, 612, 614, 763, 812, 867, 870, 872, 897, 905, 954, 1006, 1020, 1034, 1056, 1058f„ 1084, 1115, 1153, 1186, 1423, 1465f., 1509, 1529, 1530, 1535f„ 1542, 1545f„ 1552, 1563, 1618f., 1628, 1698, 1876, 1895 — Urteil des persönlichen 152 — bürgerliches 282 — moralisches 282, 767, 1006 — der Menschheit 393 — politisches 560f. — Freiheit des 587 — Achtung vor 646 — Führer der 756 — sittliches 768 — für den Geschmack am Guten formen 926 — künstlerisches 1006 — ist Stimme der Wahrheit 1114 — irriges 1538 — Katechese über das 1551 — christliches 1765 Gewissensbildung 1716, 1901 — soziale 1674 Gewissenserforschung 56, 58, 75, 169, 1563, 1633 — zur Erkenntnis der Sünden 54 — ist Konfrontierung mit dem Sittengesetz 55 Gewissensfreiheit 654, 1145, 1291 Gewissensprüfung 1205 Gewissens- und Glaubensfreiheit 1856 Gewissens- und Kultusfreiheit 434 Gewissens- und Religionsfreiheit 893 Gewissensurteil 160 Glaube(n) 451, 472, 492, 509, 511, 516, 530, 544, 549, 610, 939f., 978,1010f., 1126, 1163, 1200 — ist ein Licht 17 — Grundwirklichkeit unseres 23 — Gewißheiten des 84 — Wahrheiten des 246 — guter Kampf des 347 — Zuversicht im 510 — Geschenk Gottes 570, 1245 — und Kultur 586, 1245f., 1862f. — Freiheit und Dynamik des 610 — Mut des 612 — Wertschätzung des 645 — Verlebendigung des 654 — Öffnung eines 800 — Kreativität des 824 — Grundwahrheiten des 844 — Primat des 946 — an gekreuzigten und auferstandenen Christus 953 — Leben im 1029 — Geschenk des christlichen 1040 — heißt Öffnung der Seele 1124 — Begegnung zwischen Gott und Mensch 1245 — Einheit des 1328 — Geheimnis des 1541 — Unversehrtheit des 1616, 1657 Glaubensausübung — Freiheit der 761, 763 Glaubensbekenntnis 86, 1311, 1481 — greifbares 478 — Athanasisches 549 — nizänokonstantinopolitanisches 1411 Glaubenseifer 299f. Glaubenseinheit 499, 506 — sichtbares Prinzip und Fundament der 1285 Glaubenserziehung 451, 454 Glaubensidentität 1368 1922 Glaubensleben — in der Familie 342 Glaubenslehre 1506 Glaubenspädagogik 1340 Glaubensschatz 1616 Glaubenssinn — übernatürlicher 507 Glaubensunterricht 1517 Glaubensunterweisung — Dienst der 5 Glaubensverkündigung — ökumenischer Charakter der 96 — apostolische 247 — Dringlichkeit der 1129 Gleichgewicht — des Schreckens 1143 — strategisches 1472 Gleichgültigkeit — religiöse 509 Gleichheit 586 — und Gerechtigkeit 654, 1200 — fundamentale G. aller menschlichen Geschöpfe 1321 Gleichnis(se) 271 — vom barmherzigen Samariter 990f., 993f., 1057, 1195 — von den Talenten 1451, 1454 — vom Schatz 150 — vom Kaufmann 150 — vom Netz 150 — von den Arbeitern im Weinberg 181 — vom Weinstock und den Reben 425 — vom Weinberg 798 — vom verlorenen Sohn 1513f., 1522, 1550, 1559 Gnade 785, 1005, 1064, 1622 — „habituelle” 71 — Stand der 77 — der Einheit 118 — helfende G. Gottes 147 — Gottes 303, 887 — der Versöhnung 303 — Geschenk der 369 — ist Kraft Gottes 438 — heiligmachende 523, 833, 970, 1325, 1532 — göttliche 1005 — der Erlösung 1015, 1086 — Werkzeug der 1018 — reines Geschenk der Liebe 1018 — Einwirkung der 1091 — rechtfertigende 1337 — des Priestertums 1420 — Quelle der 1455 — durch G. zum Gotteskind 1732 Gnadendichte 1656 Gnadengaben 1339 — Gottes 1099 Gnadengemeinschaft — mit Gott 1515 Gnadenleben — Teilhabe am G. der Dreifaltigkeit 1483 Gnadenplan 1468 Gnostiker 1540 Götzen 1653 Götzendienst 1531 Götzenverehrung 1534 Gott(es) — der liebevolle Vater 14 — „Erniedrigung” 18 — Abbild 19, 20 — Gemeinschaft mit 45, 357 — Versöhnung mit 46 — Barmherzigkeit 56 — Erflehen des Erbarmens 66 — Ebenbild 106 — ist Liebe 108, 306 — Mann und Frau als Ebenbild 130 — Plan 148, 353, 355 — ewiger Liebesplan 166 — Urheber menschlichen Lebens 190 — ist heilig 222 — ist Quelle des Lebens und Friedens 230 1923 — Achtung für das Wirken 236 — höchstes Gut und Quelle alles Guten 268f. — das unendlich Gute 269 — das Gute für den Menschen 269 — für den Menschen eine entscheidende Stütze 269 — Spender des Lebens 307 — Schöpfer der Welt 307, 964 — Erbarmen und Liebe 330 — Wort 347, 732 — Wohlwollen 379, 816 — Begegnung mit 451 — Gegenwart 451, 1485 — Mysterium 549 — Sinn für den lebendigen 611 — Wesen 620 — Gegenwart des lebendigen 625 — ist Herr der Geschichte 705 — Attribute 716 — Abhängigkeit von 739 — eschatologisches Reich G. 742 — Geheimnis der Menschwerdung 875 — Schöpfermacht 876 — Vaterschaft 876, 879, 1151, 1281, 1537 — Leugnung 964 — Wirken 968 — Sinn für 1009 — Bewußtsein von der gnadenhaften Sohnschaft 1019 — Heilsplan 1042 — ist Vater der ganzen Menschheitsfamilie 1042 — Gnadengaben 1099 — Macht über Leben und Tod 1142 — Allmacht und Liebe 1143 — Vater alles Guten 1153 — Beistand 1210 — Ausschluß 1525 — Ungehorsam gegen 1525 — Abfall von 1531 — Wiederversöhnung mit 1559 — Geschenk 1623 — Anbetung 1642 — Spender aller Gnaden 1696 Gottes- und Nächstenliebe 1047 Gottesbegegnungen — Wege der 1043 Gottesbewußtsein 1535 Gottesdienst — Laien im 1477 Gottesdienstbesucher 509 Gottesebenbildlichkeit 21 Gotteserfahrung 624, 743f. — persönliche 492 Gottesfurcht 238 — Gabe der 210 — Gabe des Heiligen Geistes 210 — Tugend der 233 Gotteskind(er) 885 — durch Gnade zum 1732 Gotteskindschaft 161, 621, 729, 1377, 1380, 1504, 1779 — Würde der 10 — Jesu Christi 582 — aller Menschen 825 — Berufung zur 1759 Gottesknecht 11, 34, 388f„ 554, 972-974, 9 Gottesknecht 11, 34, 388f., 554, 972-974, 976 — leidender 9 Gotteslamm — Tod des 1172 Gottesliebe 150, 712 Gottesmutterschaft — erhellt Sinn der Menschwerdung 5 Gottesreich — Aufbau des 321 Gottessohnschaft 10 Gottesverehrung — Werke der 1565 Gottesvolk — Wohl des 354 — Gemeinschaft des 369 — Universalität des 1328 Gottferne 1514 1924 Gottheit — Mysterium der 634 Gottlosigkeit 1534, 1623f. Gründonnerstag 82 — Priesteramt und Sakrament der Eucharistie eingesetzt 79 Grundfreiheiten — Ausübung der 1042 Grundrecht(e) 19, 1025, 1250, 1609 — der religiösen Freiheit 189 — des Menschen 313, 794, 870, 1055, 1375, 1465, 1499, 1607, 1704 — Aushöhlung der sittlichen 544 — Förderung der 801 — religiöse Freiheit als 898 — sittliche 993 — der Eltern 1287 — Verletzung der 1497 Güter — gerechtere Verteilung der 323, 868 Güterteiiung 654 — gerechtere 469 Hauskirche 782, 1110, 1193, 1668 Hedonismus — nihilistischer 330 Heiden 356 Heil — Geschichte des 1120 Heilige — Geschichte der 270 — Gemeinschaft der 1527 Heilige Schrift — Studium der 408 — Ergründung der 1215 — Seele der Theologie 1217 Heiliger Geist — Wirken des 5, 8, 142, 425, 875f., 1091, 1325, 1694 — Gabe des 50 — „Einwohnung” des 73 — Beistand des 75 — Kommen des 109, 438, 1478 — Herabkunft des H.G. ist Geburtsstunde der Kirche 110 — Gaben des 114, 130-132, 236, 238, 886, 1037 — Einheit im 118 — Einfluß des 231 — Wiedergeburt im 303 — Geschenk des 305, 982, 1285 — Siegel des 305 — Gnade des 358, 911, 929 — Kraft des 367, 1463 — Macht des 423, 1237, 1256 — Mysterium des 475 — Leib Tempel des 1150, 1160 — Spendung des 1169 — Fülle des 1170 — Hauch des 1184 — Führung des 1193 — Inspiration des 1355 — Geist der Wiederversöhnung 1518 Heiligkeit — Beichte Quelle der 76 — der Menschlichkeit 129 — der Ehe 131 — des Lebens 298 — der Kirche 300 — priesterliche 324 — Berufung zur 1046, 1369, 1734 Heiligsprechung 324 Heiligsprechungsliturgie 335 Heiligste Dreifaltigkeit 95, 303, 336, 354-356, 359, 367, 437 — Fest der 116 — wirkliches Leben der 398 — Einheit der 1640 Heilsankunft — Gottes 1606 Heilsarmee 474 Heilsbotschaft — Gottes 341 Heilsdialog 1518, 1545 1925 Heilsgeheimnis — durch Maria offenbart 69 Heilsgeschichte 354 Heilsgnade 715 — Geheimnis der 1095 Heilsinitiative — Gottes 1602, 1604 Heilsökonomie 21, 1452, 1462f. — Offenbarung der 1539 — der Erlösung 1777 Heilsplan 66 — Erfüllung des ewigen 369 — der Vorsehung 1440 Heilssendung — des ganzen Gottesvolkes 1220 Heimat 1315f. Heimsuchung — Mariens 815 Hermeneutik 29, 1775f. — juridische 916 — biblische 1706, 1767 Herrschaft Gottes — Sinn der 1491 Hilfsorganisationen — katholische 1231 Himmelfahrt 109 — des Herrn 412 Himmelreich — Wahrheit vom 150 Hingabe — an Gott 696 Hirtensorge — Auftrag der 1284 Hochgebet — eucharistisches 523, 548, 1453, 1600 Hochzeitsmahl — endzeitliches 1363 Hölle 1553 Hoffnung(en) 414, 456, 530, 545-547, 632, 703, 830, 945, 949, 982, 1036, 1089, 1109f., 1161 — Seele unseres Gebetes 16 — der Kirche 240 — des ewigen Lebens 318 — neue 399 — christliche 503, 842 — Kreuz Ort der 532 — Quelle der 543 — lebendige 604 — eschatologische 655 — Berufung zur 829 — auf das ewige Leben 970 — Gründe zur 1163 Holocaust — atomarer 1 Homilie 1789,1794 Humanismus 756, 844 — Grundlagen eines integralen 447 — christlicher 946f. — übernatürlicher 946 — ohne Gott 954 Humanwissenschaften 901, 918 Humilitas 846 Hunger 721, 1703 — Geißel des 878, 1469, 1471, 1624, 1840 — Krieg und 1479 — in den Entwicklungsländern 1497 — Kampf gegen den 1627 — Dürre u. Hungersnot 1688 Hungerkatastrophe 1472 Hungertod 768, 1186, 1605 ICCJ (Internationaler Christlich-Jüdischer Rat) 1317 Identität — priesterliche 406 — katholische 498 Ideologie(n) 406, 408 — gegensätzliche 315 — marxistische 1767 1926 Ikonen 277 Ikonographie 1483 Immaculata 163 Immanentismus — historizistischer 1773 Indianer — Verklavung und Ausbeutung der 825 Industrialisierung 280, 293 Informatik — Einführung der 89 Initiationssakrament 1555 Inkulturation 901 — des Evangeliums 1691 Inkulturationsprozeß 328 Inspiration — des Geistes 932 Instrumentalmusik 1483 Internationale Paneuropa-Union 108 Internationaler Christlich-Jüdischer Rat (ICCJ) 1317 Internationaler Tag der Frau 48 Internationales Rotes Kreuz 421, 1139 Interpretation — authentische 917 Intoleranz — und Gewalt 189 Islam 1174, 1317, 1886 Israelitischer Gemeindebund 467 Italienische Bischofskonferenz 38 Jerusalem — himmlisches 42 Jesus Christus 3, 323, 1614 — Demut 9 — wahrer Gott und wahrer Mensch 7 — Sohn Gottes 10, 18, 55, 161, 170, 245, 307, 363, 382, 398, 627, 638, 641, 1046, 1068, 1164, 1167, 1266, 1440 — Kontinuität seiner messianischen Sendung 11 — herrscht zur Rechten des Vaters 15 — Erlösung durch 19 — Zugang zur letzten Wahrheit 20 — Heilswerk 23 — ist Urprinzip der Wirklichkeit 29 — der wahre „Hohepriester” 33 — Hoherpriester 34, 198, 390 — Erlöser 37, 128, 155, 378, 398, 443, 498, 509, 518, 545, 707, 793, 940, 1036, 1088, 1100, 1111, 1128, 1140, 1162, 1167, 1207, 1216 — menschgewordener Gottes 37, 276 — Wiedergeburt in 50 — Gegenüberstellung mit 55 — unsere Versöhnung 65 — unser Friede 65, 240, 377, 381 — Urheber unserer Versöhnung 67 — Sieger über Sünde, Leidenschaft und Versuchung 72 — Einverleibung in Chr. durch die Taufe 83 — der Auferstandene 84 — ist Wahrheit 98 — in der Eucharistie 122 — Lamm Gottes 122 — Rechtfertigung in 164 — Sohn Mariens 170 — zum Mittelpunkt des Lebens machen 203 — eins in 212 — als König der Zeiten und Herrn der Herrscher 239 — auferstandener Erlöser 289 — Paschaopfer 289 — Licht der Welt 289 — Gegenwart in der Kirche 290 — oberster Hirte 298 — ist Schlußstein 298 — menschgewordenes Wort 299 — Begegnung mit Chr. in Sakramenten 303 — Ebenbild Chr. 304 — Prophet, Priester, König 305 — der Gute Hirt 305, 377, 390, 613, 739, 741, 857, 1126, 1128 — fleischgewordenes Wort 332 1927 — Wahrheit von 334 — der Weg, die Wahrheit, das Leben 336 — wahrer Gott und wahrer Mensch 336, 1094, 1167, 1206 — unser Herr 356 — persönliche Begegnung mit 358 — Gespräch mit 370 — Einheit mit 377 — Heiland 378, 641 — Friedensfürst 380, 765, 770 — Hirtensorge für Kirche 389 — oberster und ewiger Priester 406 — ist Maßstab 410 — Fülle des Lebens in 431 — Leidensgemeinschaft mit 537 — der Gesalbte 546 — Gotteskindschaft J.Chr. 582 — Menschensohn 583, 1125 — ist Emmanuel 715 — der Gekreuzigte und Auferstandene 770, 1130, 1179 — der göttliche Arbeiter 792 — Herr, Licht des Lebens 813 — das fleischgewordene Wort 884 — „Göttesknecht” 885f„ 912 — Licht der Welt 930, 1124, 1125 — Nachfolge 935 — „philanthropos” d.h. „erfüllt von Liebe zum Menschen” 940 — der neue Adam 946, 995 — ist Alpha und Omega 947 — Erniedrigung Chr. 980 — Ähnlichkeit mit 986 — der göttliche Künstler 1006 — der Messias 1019 — Heiland der Menschen 1029 — der einzige Schatz 1031 — der Meister 1058 — Heil in 1059 — Gottes Geschenk an die Welt 1059 — bewirkt Erlösung 1064 — höchste Erfüllung der Verheißung 1070 — in J.Chr. Gott geweiht 1084 — der Gekreuzigte 1085 — Bräutigam der Kirche 1088, 1111 — der Ärmste im Kreuzestod 1094 — Licht, Hirt, Welterlöser 1127 — Licht des Lebens 1128 — Zeuge der ewigen Liebe des Vaters 1142 — ewiger und einziger Priester des N.B. 1170 — Sohn Mariens 1179 — unser Paschalamm 1184 — Licht der Völker 1269 — Herr der Geschichte 1369 — Mittelpunkt des Kosmos 1399 — König der Zeiten 1487 — König und Hirte 1487 — Zugehörigkeit zu 1487 — Geburt 1601 Journalismus — Tugenden des 924 Journalist(en) 534, 920 — Berufung des 921 Juden 467 — Dialog zwischen Christen und 1317 Jugend 239f„ 344, 441, 468, 639, 836f„ 1157, 1210, 1646, 1652, 1658, 1899-1904 — wahre 1162 — Erziehung der 1251, 1705 — katholische Erziehung der 1286 — Internationales Jahr der 1394, 1479, 1588, 1898 — christliche Erziehung der 1635, 1663 — Kontinent der 1653 Jugendbewegungen 468 Jugendbildung 1633 Jugenderziehung 503 Jugendkatechese 1653 Jugendliche — Entwicklung der 1234 Jugendmission 1658 Jugendpastoral 1646, 1700 Jugendseelsorge 1646, 1687, 1699f. Jugend- und Erwachsenenkatechese 1716 Jugend- und Familienpastoral 1696 Justitia et Fax — Päpstliche Kommission 1495 1928 Kabelfernsehen 1859 Kapellen 1822 Karwoche 78f. Katastrophe — Gefahr einer atomaren 878, 912 — des Kreuzes 1108 katecheo s. Katechese Katechese(n) 53, 248, 216, 252f„ 282, 361, 398, 406, 408, 503, 513f„ 521, 598, 614, 781, 818, 830, 1152, 1155, 1217, 1228, 1246, 1287f„ 1347, 1457, 1538, 1545, 1549, 1551, 1556, 1633f., 1645, 1647, 1662, 1664, 1669, 1671, 1673, 1679, 1682, 1693, 1702, 1716, 1728, 1781, 1868 — Beginn der 248 — systematische 248, 258 — gründet im Glauben 257 — ständige 259 — Voraussetzungen der 301 — und Erziehung 745 — Förderung der 800 — wichtigste Sitz der 1443 — über die Versöhnung 1550 — über die Buße 1550 — über das Gewissen 1551 Katecheten 96, 208, 350, 361, 364, 368f., 375, 468, 515, 661, 1682, 1689, 1694, 1703 Katechismus 304 — spricht von „habitueller Gnade” 71 Katechismusunterricht 1370 Katechisten 838 Katechumenat 258 — Taufvorbereitung Erwachsener 253 Katechumene(n) 253, 303f., 1169f., 1183 Katholiken 308 — Identität als 377 Katholikentag 1334 — in München 128 — Deutscher 1333 Katholische Werkgemeinschaft für die Leprosen 310 Katholizität 1428, 1611 KEK (Konferenz Europäischer Kirchen) 1410 Kernwaffen — Abbau der 950 — Nichtweiterverbreitung von 1839 Kern Waffen versuche — Verbot von 1837 Kerygma — Verkündigung 252 Keuschheit 130, 197, 231, 237, 1092, 1730 — als Tugend und als Gabe 131 — eheliche 152, 171-173, 198, 210f., 213, 230f., 233, 236, 238, 1682 — Aufgabe der ehelichen 212 Kind(er) 1188, 1434 — sind kleine Freunde Jesu 888 — ein einmaliges Geschenk Gottes 1040 — Zeichen des Geheimnisses des Lebens 1188 — Zeichen der Hoffnung der Menschheit 1188 — Entwicklung und Entfaltung des 1189 — Angst vor dem 1190 — moralisches Wohl der 1235 — Wohl der 1434 — die „neuen lebendigen Tabernakel” 1449 Kinderreichtum 1368 Kindertaufe 260, 1802 Kino 1246 Kirche(n) — Mutterschaft der 8 — Wirken der 23 — Sendung der 30, 412, 473, 506, 636 — Vermittlung der 40 — ewige Braut Gottes 52 — handelt durch Priester 65 — Pilgerweg der 74 — Missionstätigkeit der 95, 97 — Geburtsstunde der 110 — Erbin des Alten Bundes 122 — Gebet der 164 1929 — Hoffnung der 240, 1479 — Geburt der 247, 423, 1256 — Tradition der 269, 1078 — Ursprung der ökumenischen Berufung der 274 — aus Seite Christi geboren 290 — Wesen der 298, 527 — Heiligkeit der 300 — Reflexion über Wesen der 301 — Braut Christi 325 — Leib Christi 353 — Versöhnungsamt der 365 — zur Mission berufen 386 — ist unversales Heilssakrament 390 — Heilssendung der 390, 554, 569 — Geheimnis der 398, 983, 1455 — Volk Gottes 412, 423 — Erneuerung der 438 — orthodoxe 438 — Lebens- und Einheitsprinzip der 475 — Universalität der 506, 1407 — Identität 507 — Identifikation mit der 520 — ist Gemeinschaft der Glaubenden 532 — Dienstleistungen der 558 — des Gebets 586 — Sakramente der 641 — Lebendigkeit der 655 — Sendungsauftrag der 660 — Einheit der 694, 702, 1118, 1430, 1433, 1546 — ökumenische Bemühungen der 706 — apostolische Dimension der 805 — katholische Reform innerhalb der 846 — mystischer Leib 886, 1407 — ruft zum Handeln aus Liebe auf 898 — gottmenschliche Natur der 984 — Treue zur 1012 — leidende 1119 — Pastoraltätigkeit der 1136 — Apostolats werk der 1244 — sakramentaler Charakter der 1309 — Lehramt der 1325, 1496, 1765 — Liebesbund Christi mit der 1364 — Pastoral der 1475 — Soziallehre der 1478, 1495f., 1498f., 1553, 1627, 1670f., 1776 — versöhnte 1517 — Morallehre der 1538 — der Armen 1774 — Infragestellung der sakramentalen und hierarchischen Struktur der 1775 Kirchenbesuch 509 Kirchengeschichte 1497 Kirchengesetze 914 Kirchenrecht 1338, 1357 — neues 760 Kirchenväter 1497 Kirchenzucht 426 Kirch weihe 1822 Klassenkampf 1352, 1528, 1704, 1769, 1771-1774, 1776, 1780 Klausurnonnen 742 Klerikalisierung — des Laienstandes 502 Kleriker — Mangel an 662 Klerus — liturgische Ausbildung des 1458 Königsherrschaft — Jesu und Mariens 42 Koexistenz 465 — menschliche 315 — friedliche 1043 Koinonia All Kollegialität 497-499, 507, 763, 831, 914, 925, 1010, 1684 — Verpflichtung zur 301 — bischöfliche 497, 1222 — der Zwölf 499 — Lehre von der 761 1930 Kolonialismus 892 — neuer 829 — ideologischer 1418 — ökonomischer 1760, 1770 Kolonisierung — Eroberung und 825 Kolpingwerk 82 Kommunikation — zwischen Himmel und Erde 10 — des Heiles 1227 — des Menschen mit Gott in Christus 1246 Kommunikationsmittel — Welttag der sozialen 109 — Vervollkommnung der 534 — Gebrauch der sozialen 920 — Mißbrauch der sozialen 1248 — soziale 501, 921, 1386, 1861-1863 Kommunikationstechniken 1859 Kommunion — heilige 1463 — außerhalb der Messe 1796 Konflikt — zwischen „Kapital” und „Arbeit” 321 Konfuzianismus 94, 293, 338 Konfuzius 292 Kongregationen — alte 441 Konkordat 38, 1225 — Revision des Laterankonkordats 38 Konsumgesellschaft 469, 757 Konsumgüter 736 Konsumismus — egozentrischer 1435 Kontemplation 450, 903, 1078, 1099, 1490, 1661, 1714 Konzelebration 1017, 1790 Konzentrationslager 686, 1408 Konzil von Ephesus 4 Konzil von Calkedon 1883 Konzil von Nizäa 1883 Koreakrieg 293 Korruption 838 Krankenfürsorge 406 Krankenöl 1818 Krankenpflege 745 Krankensakramente 1816 Krankensalbung 1170, 1556, 1702, 1817, 1820-1822, 1884 — Spender der 1817 — Sakrament der 259, 370, 1885 Krankheit 1703 Krebsforschung 1196 Kreuz 202, 494f„ 525, 530, 594, 666, 671, 739, 766, 955, 968, 971f„ 1009, 1031, 1063f„ 1091, 1107, 1121, 1164, 1167, 1184, 1259, 1522, 1590, 1625 — Grund des Schmerzes und der Freude 14 — Zeichen des Leidens 16 — Zeichen des Sieges und der Hoffnung 16 — alleinige Quelle unserer Erlösung 16 — Jesu 78 — Kraft des 202 — tägliches 305 — „Baum des ewigen Lebens” 366 — Ort der Hoffnung 532 — und Auferstehung 608 — ist Zeichen der Erlösung 666 — heilbringende Erhöhung des Sohnes Gottes am 667 — Macht des 669, 672 — Realität des 672 — Geheimnis des 672f„ 1515 — und Schwert 824 — auf sich nehmen 947, 989 — Ärgernis des 948 — Christi 948, 976f„ 979, 1014, 1177 — Wort vom 975 — Sprache des 978 1931 — Ruhm des 981 — Ostergeheimnis des 981 — „Torheit” des 1066 — Katastrophe des 1108 — Annahme des 1121 — erlösender Wert des 1258 — erlösendes Mysterium des 1352 — Quelle allen Trostes 1413 Kreuzerhöhung 664, 666, 671, 687, 695, 697 Kreuzverehrung 1177 Kreuzweg 848, 1177f. Krieg(e) 57, 63, 315, 416, 479, 487, 490, 543, 591, 865, 867, 939, 951, 963, 1139, 1143, 1159f., 1201, 1204, 1206, 1269, 1469, 1548, 1588, 1838 — begrenzte 749 — Ablehnung des 1242 — und Hunger 1479 — konventioneller 1840 Kriegsangst 871 Kriegsmentalität 868 Kriegspsychose 871 Kriegswaffen 1186 Kriegswerkzeuge — Potential der 312 Kriminalität 783, 838, 1628 Kultur(en) 445, 448, 586, 900, 1245 — christliche Prägung der 28, 30 — entsteht auf dem Weg des Menschen zur Wahrheit 276 — Verbindung zwischen Christentum und 276 — und Wissenschaft 327 — Grenzgebiete der 327 — Päpstlicher Rat für die 328 — Krise von Wissenschaft und 445 — Verwirklichung des Menschen 447 — Evangelisierung der 902 — Fortschritt der 903 — des Friedens 903 — ist Beziehungs- und Gesellschaftsdimension 1246 — Förderung der 1247 — Glaube und 1862f. Kulturindustrie 587 Kulturpastoral 902 Kunst 1002 — sakrale 268 — wird zum Gebet 1003 Kurie — Organe der römischen 1844-1850 Länderkonkordate 1374 Laie(n) 25, 362, 369, 383, 385, 434, 455, 460, 501f„ 507, 515f., 659f„ 837, 1197, 1221f„ 1369, 1444, 1496, 1548, 1641, 1726, 1742 — aktive 24 — Pflichten der 85 — muß Zeuge der Auferstehung sein 85 — katholisches Bewußtsein der 95 — Rolle der 361 — tägliches Zeugnis für Christus 364 — in der Kirche 497 — Priesterschaft der 508 — Einsatz der 518 — Teilhabe an der Sendung der Kirche 518f. — und Priester 553 — gemeinsame Verantwortung der L. und Priester 612 — und Familienapostolat 1193 — Sendung des 1219f., 1220 — Verantwortung der 1220, 1222 — theologische Auslegung des Weltstandes der 1221 — Berufung und Sendung der 1221 — weltliche Aufgabe der 1222 — christlich inspitiertes Eingreifen der 1222 — Teilnahme der L. an der Liturgie 1458 — Beteiligung der 1477 — im Gottesdienst 1477 — Qualität der christlichen 1478 — Heranbildung der 1478 — engagierte 1703 — Apostolat der 1712 1932 Laienapostel 96 Laienapostolat 186, 508, 515, 520, 596, 658, 1476 Laienbewegungen 1499 Laiendienste — Vermehrung der 800 Laienführer 364 Laien-Gemeindeleiter 361, 368 Laiengemeinschaften 1728 Laienkatecheten 1664 Laienstand 508 Laientheologen 515 Laisierung — des Klerus 502 Laizismus 562 Landwirtschaft 777, 1419 — Priorität der 278, 280 Lateranverträge 1225 Leben — Wert des 28 — Sinn des 28f., 294, 307, 348, 610, 646, 736, 982, 1158 — Weitergabe des 146, 1252 — ganzheitliche Offenbarung des 166 — wahre Güter des L. und der Familie 172 — menschliches L. ist heilig 173 — ewiges 272, 286, 300, 310, 323, 357, 458, 667, 735, 948, 969, 994, 1011, 1150, 1167, 1266, 1531, 1547, 1732, — geistliches L. der Eheleute 190 — Gott ist Quelle des L. und Friedens 230 — Möglichkeit der Zeugung neuen 236 — Wahrheit des ewigen 294 — Erben des ewigen 303 — Geschenk des 305 — Auslöschung ungeborenen 330, 1160 — neues 336 — zölibatäres 362, 675 — Erneuerung des L. in der Ordensgemeinschaft 442 — alternatives 531 — übernatürliches 595 — Teilhabe an seinem trinitarischen 595 — priesterliches .610 — Gabe des neuen 628 — Freude am 739 — kontemplatives 744 — Recht des ungeborenen 752 — Authentizität christlichen 759 — Moralisierung des öffentlichen 838 — Verlust des ewigen 969 — im Glauben 1029 — Wahrheit über das 1053 — Bedingung des christlichen 1096 — Verteidigung des 1143 — Schutz der Werte des 1143 — Verkündigung des 1182 — Glauben an das 1190 — Offenbarung des 1204 — evangelisches 1212 — gottgeweihtes 1212, 1739 — Versuchung zur Manipulation des menschlichen 1297 — Unantastbarkeit des 1376, 1384, 1609 — Heiligkeit des Geschenkes des 1435 — menschenwürdiges 1470 — Recht auf 1505 Lebensgemeinschaften — freie 757 Lebensqualität 1494 Lebensstandard 699 Lebensstil — alternativer 53lf. Lehramt — und Theologie 1276 — der Kirche 1325, 1496, 1765 — Dokumente des 1497 Lehraussagen — auf sozialem Gebiet 88 Lehre — ekklesiologische 1454 1933 Lehrer — der Wahrheit und Moral 1034 Leib — Sprache des 100f„ 105, 107, 110-112, 125 — Theologie des 105, 241 f. — bräutliche Bedeutung des 111, 210, 227, 236 — ist Ausdrucksmittel des ganzen Menschen 165 — Pädagogik des 190 — Erlösung des 242, 244 — Ethik des 245 — Tempel des Heiligen Geistes 1150 — Auferstehung des 1393 Leib Christi — mystischer 636, 659, 1262, 1615 Leiden — menschliches 309 — und Kranksein 535 — Gefühl der Sinnlosigkeit des 594 — Sinn des 954f„ 958, 963, 965, 989, 995, 1194 — körperliches 960 — moralisches 960 — psychologische Formen des 962 — Wirklichkeit des 962 — ohne Schuld 966 — endgültige 969 — des Gottesknechtes 972 — Christi 977 — Teilnahme am L. Christi 978, 987 — stets eine Prüfung 981 — schöpferischer Charakter des 983 — Offenbarung der heilbringenden Kraft und Bedeutung des 985 — Notwendigkeit des 985 — „für Christus” 986 — siegreiche Kraft des 987 — Heilsbedeutung des 987, 995 — eine Erfahrung von Übel 988 — Nutzlosigkeit des 989 — christlicher Sinn des menschlichen 1260 Leidenschaft — Christus Sieger über 72 Leidensgemeinschaft — mit Christus 537 Leidensknecht 552 Lepra — Krankheit der 1238 Leprakranke 22 Leprastation 95 Liebe 99, 195, 231, 306, 627, 640 — Gebot der 55, 412 — erbarmende L. Gottes 67 — eheliche 99, 129, 146, 1114 — Strahlkraft der 100 — bewirkt besondere Erfahrung des schönen 101 — menschliche L. im Heilsplan Gottes 102 — bräutliche L. zwischen Mann und Frau 102 — Sprache der 105 — der Freundschaft 105 — bräutliche 108, 126, 1080 — Gottes 108, 949 — Wahrheit der 110, 112 — Vertrautheit der Brautleute durch die 110 — menschliche 112, 134, 142 — Wahrhaftigkeit der L. der Brautleute 124 — schöpferische L. Gottes 130 — ist Quelle alles Guten 150 — ist Geschenk der Gnade Gottes 150 — Bezeugung der gegenseitigen 211 — Ausdrucksformen der 219 — ist grundlegendes Element der Ehespiritualität 230, 233 — und Keuschheit 236 — Ausdrucksformen der 237 — Sinn der 307f. — hochherzige L. Christi 364 — pastorale 390 — Epiphanie der 437 — bedeutet Versöhnung 652 — bedeutet Apostolat 652 — soziale 653, 655 — gegenseitige 713 — zum eucharistischen Jesus 956 — erlösende 968, 1080 — die das Übel jeder Sünde überwindet 973 — Wirken der L. Gottes 982 1934 — uneigennützige 992 — Zivilisation der 995 — zu Gott 1026 — ewige L. des Vaters 1080 — zu Christus 1097 — Aufbau einer Kultur der 1151 — Erziehung zur 1234 — Selbstentäußerung aus 1305 — Revolution der 1702 Liebesbezeugungen 237f. Liebesgebot — universales 643 — Christi 874 Liebesplan — Gottes 166 Liturgie 80, 1455, 1634 — ist Handlung Christi 33 — Handlung Christi und der Kirche 33 — Wesen der 33 — Erneuerung der 432, 1562 — byzantinische 702 — Neugestaltung der 1455 — Pflege der 1456 — Echtheit der 1456 — Gegenwärtigsetzung des Geheimnisses Christi 1456 — Teilnahme der Laien an der 1458 — heilige 1461 — Zentrum der 1462 Liturgiekommissionen — nationale 1458 Liturgiereform 1457f. Lossprechung 64, 66, 70f., 1562, 1565f. — Ausdruck des Gerichtes Gottes 65 — ist ausschließlich Geschenk 65 — Pflicht zur persönlichen 66 — ist unverdientes Gnadengeschenk 67 — sakramentale 77, 1560 Ludwig-Frank-Stiftung 108 Lutherischer Weltbund 144 Machiavellismus 872 Macht — Anbetung der 868 Machtblöcke 720 Märtyrerverehrung 1599 Mäßigkeit — Tugend der 209 Mäßigung — Tugend der 213 Mafia-Kriminalität 800 Makrokosmos — Ordnung des M. und des Mikrokosmos 530 Malteserorden, Souveräner 890, 1279 Manipulation — ideologische 868 Mann — und Frau als Ebenbild Gottes 130 Maria — Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft 3 — Mutter Gottes 4, 213, 229, 1402 — Mutter Christi 4, 150, 996, 1521 — Mutter der Kirche 4, 109, 391, 494, 496, 882, 1521 — vollkommene Bild der Frau 4 — Gottesmutterschaft 4, 7 — Ehrentitel „Theotokos” 4 — Mutterschaft 4, 876 — Mutter des Sohnes Gottes 6 — jungfräuliche Mutterschaft 8 — Urbild der Kirche 8, 604 — Fürsprache 47 — vollkommenes Bild der Kirche 52 — Mittlerschaft 52 — offenbart Heilsgeheimnis 69 — Leiden 69, 985 — Mutter Jesu 109, 437f„ 493f., 522, 1203, 1208 — Erste der Erlösten 162, 1359 — Erstberufene 181 — Mutter unseres Herrn 182, 882 — Königin des Friedens 372 — Jungfrau und Mutter 372 — Mutter unseres göttlichen Heilandes 387 1935 Menschenrecht(e) 323, 378, 396f., 433, 465, 475, 482, 486, 503, 541, 586, 654, 680, 687, 721, 728, 751, 865, 924, 951, 1056f., 1146, 1226, 1335, 1344, 1505, 1640, 1758, 1765, 1770, 1779, 1867, 1888, 1894-1896, 1899 — Achtung 288, 312, 869, 1188 — unveräußerliche 313 — auf Religionsfreiheit 376 — Verletzung der 487, 870, 1499 — Erklärung der 686 — Anerkennung der 751 — Wahrung der 1027 — Verteidigung der 1056, 1244 — der Arbeiter 1903 Menschensohn 587, 971, 1162 — Vorbild des 1097 Menschenwürde 527, 982 — als Kinder Gottes 307 — Verteidigung der 1145 — Evangelium von der 1626 Menschheit — war Sklavin der Sünde 363 — mögliche Selbstzerstörung der 963 Menschheitsgeschichte — Erfüllung im ewigen Plan der Heiligsten Dreifaltigkeit 367 Menschlichkeit 1165 Menschsein — Einheit im 105 Mensch werdung — Wahrheit des Geheimnisses der 4 — Sinn der 5 — des Gottessohnes 1601 Messe — tridentinische 1833 Messianismus — zeitlicher 1773, 1776 Messias 333, 388, 570, 884, 1168f. — Kommen des 9, 883 — Sendung des 1168 Meßopfer — Feier des heiligen 295 — Mittelpunkt des Priestertums 296f. Metanoia 1507, 1563 Metaphysiker 448 Methodistische Kirche 368 Mikrokosmos — Ordnung des Makrokosmos und des 530 Militärdiktaturen 1770 Militärvikariat 1674 Minderheiten — Rechte von 893 Missale 1456 Mission — Kirche zur M. berufen 386 — Dialog und 1041, 1876 Missionare 324 Missionare vom Heiligsten Herzen 351, 355 Missionsbewußtsein 1135 Missionsdienst 206 Missionskirche(n) 353, 359 Missionsschwestern der Gesellschaft Mariens 368 Missionstätigkeit — der Kirche 95, 97 — Geschichte der 291 — Fundament der 1136 Mittlerschaft — Mariens 52 Monotheismus 1317 Moral 719 — eheliche 154 — Forderungen der 346 — öffentliche und private 400, 1376 — Umbruch der 632 1936 — christliche 758, 1538 — des Menschen 1616 — Grundprinzipien der 1772 Morallehre — der Kirche 1538 Moraltheologie 1217, 1559 Müttererholung 1253 Musik — Ausdrucksform des Lobpreises Gottes 220 Muslime 1174, 1204, 1368 Mutterschaft 152, 675, 1191, 1839 — der Gottesgebärerin (Theotokos) 875 Muttertag 93 „Myongdo Society” („Gesellschaft, die den Weg erleuchtet”) 342 Mysterium — dreifältiges 1463 Nachrichtensatelliten 1860 Nächstenliebe 85, 307, 357, 363, 380, 503, 652, 744, 992f„ 1000, 1049, 1229, 1239, 1373, 1423, 1443, 1470, 1473-1475, 1528, 1647, 1692, 1886 — Werke der 49, 995, 1565 — als Zeugnis des Glaubens 53 — Ausübung brüderlicher 660 — Gebot der 990 — Entfaltung der 1655 — gelebte 1693 — Universalität der 1774 Nächster — Dienst am 413 Naher Osten — gerechter Friede im 1175 Nahostkriese 1175 Namibia — Unabhängigkeit 1322 Natur — Gleichgewicht der 446 Naturgesetz(e) 166, 1060 — Norm des 136, 137 — Subjekt des N. ist der Mensch 166 Naturkatastrophen 896, 963, 1473 Naturkräfte — Beherrschung der 165 Naturrecht 917 Naturwissenschaften 517, 530 Neuer Bund 710, 715, 1520, 1762 — Heilsplan des 780 — Spiritualität des 1574 Neues Testament 1530 — das eine Opfer des 318 Neutralität 421 Nichtchristen — Dialog mit 1865 Nord-Süd-Gefälle 720 Nord-Süd-Konßikt 895, 907 Norm — sittliche 135, 216 — des Naturgesetzes 136f. — sittliche N. des ehelichen Zusammenlebens 145 — moralische 147, 1536 Not — der Armen 679 Noviziat 259, 1823 Oblaten von der Unbefleckten Jungfrau Maria 291 Ökologie — geistige 592 Ökonomie — des Geldes 1452 — des Menschen 1452 Ökumene 430f. — Notwendigkeit der ökumenischen Bewegung 677 1937 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) 429f., 1879 Ökumenisches Zentrum 429 Ökumenismus 119, 274, 761, 937, 1547, 1641, 1854 — schwieriger Weg des 479 — Apostel des 1415 Ölweihen 1822 ÖRK (Ökumenischer Rat der Kirchen) Offenbarung 240, 243, 320, 452, 549, 619, 946, 953, 965, 1081, 1274, 1311, 1732 — Gottes im Alten Bund 11 — ganzheitliche O. des Lebens 166 — des Wortes Gottes 299 — der Liebe Gottes 387 — Gottes 544, 1173 — Jesu 703 — der göttlichen Liebe 967 — Christi 994 — der messianischen Macht Christi 1063 — Ökonomie der 1093 — Weitergabe der Inhalte der 1136 — des Lebens 1204 — des Johannes 1359, 1361 Offenbarungswahrheit 1661 — transzendenter Ursprung der 1275 Olympische Charta 1149 Olympische Spiele 1344 Opfer — des Gottessohnes 297 — eucharistisches 384, 673, 1170 Opferbereitschaft — priesterliche 317 Optimismus — immanentistischer Konzeption 946 Ordenleute — Pflicht der 385 Ordensberuf — Bedeutung des 444 — Geschenk Gottes 623 Ordensfrauen 742 Ordensgelübde 443, 745, 931 Ordensgemeinschaft 441 — Ernerung des Lebens in 442 Ordensjugend — Ausbildung der 1341 Ordensleben 168 — kontemplative Form des 325 — Charisma des 326 Ordensleute 365 Ordensmänner 742 Ordensprofeß 1082, 1084f., 1823 Ordensweihe 326, 1102 Ordnung — sittliche 143, 153 — natürliche O. der menschlichen Fruchtbarkeit 177 — biologische 238 — soziale 361 — internationale 907 — moralische 965, 966 Orthodoxie 1776 Ortsbischof — Gemeinschaft mit 366 Ortskirchen 361 Ostergeheimnis 979 Ostermysterium 608, 1141, 1236, 1457 Ost-West-Beziehungen 907 Ost-West-Spannung 895 Pädagogik — des Leibes 190 — des Lebens 1400 — des geistlichen Lebens 1423 Päpstlicher Rat für die Kultur 328, 900, 902 Päpstliches Kindermissionswerk 888 1938 Paradies 1553 — Vertreibung 69 — künstliches 628 Pascha — Übergang vom Tod zum Leben 1183 — Teilhabe am P. des Herrn 1397 Paschafest — neues 1182 Paschamahl 1362 Passion 98 Passionsgeheimnis 979 Pastoral 475, 919, 1042f„ 1131, 1193, 1217, 1444, 1506, 1522, 1533 — der Seligpreisungen 512 — der Berufe 760 — der Kirche 1475 — organische 1445 — der Buße und Versöhnung 1543f., 1549 — missionarische 1658 Pastoralarbeit 274, 1444 Pastoralpädagogik 1339 Pastoralplanung 1664 Pastoralprogramm 1443 Pastoralräte 519 Pastoraltätigkeit 1331 — der Kirche 1136 Pate 1800 Pazifismus 870 Person — Würde der 88, 598, 751, 1225, 1315, 1320, 1609, 1616, 1619, 1759, 1856 — Unverletzlichkeit der 107 — Wahrheit der 107, 177 — Unantastbarkeit als 108 — Geheimnis der 110 — Wohl der 148, 313 — grundlegende Konstitution der 165 — sittliche Reife der 178 — Achtung der 237, 397, 1499 — Primat der 714 — Würde und Grundrechte der 1250 — Erschaffung jeder P. durch Gott 1250 — transzendenter Charakter der menschlichen 1250 — Transzendenz der 1782 Personengemeinschaft 227, 231 — der Eheleute 238 Personenrechte 203 Personenwürde 232, 1056 — Verständnis der 237 Pessimismus — manichäischer Prägung 946 Petrusamt — ein Amt der Liebe 1285 — ist Hirtensorge 1285 Pfarrei 655, 1442 — Haus der Pfarrfamilie 655 — Wesen der 1443 — Gültigkeit der 1443 Pfarrgemeinde(n) 1444f. Pfingsten 109, 412 — Herabkunft des Heiligen Geistes 110 — Gabe des Geistes 429 Philanthropie 503, 653 Philosophie — Integration der 448 Physik 1195, 1417 pietas 1555 pietas (eusebeia) 1541 PIME-Missionare 350 Pluralismus 539 — von Denkströmungen 586 — der Traditionen 709, 712 — von Kulturen 712 — gesunder 1613 Politik — Grundlinien der 313 1939 Polizeibeamte 1441 Polygamie 1112 Pornographie 657, 829, 1228, 1705, 1901 Praxis — religiöse 611 Predigt 1662 Presse 1246 — katholische 1138 Presseapostolat 220 Prexbyterium — Väter des 505 Priester 65 — Diener der Vergebung 40 — Spender des Bußsakraments 43 — menschliche Wirklichkeit des 65 — Diener der sakramentalen Gnade 75 — handelt „in persona Christi” 66, 408, 514, 1020 — Teilhabe am Paschamysterium Christi 317 — findet in Eucharistie Sinn des Lebens 318 — Bild des 388 — des Neuen Testamentes 388 — Identität des 508, 513 — „nach der Ordnung Melchisedechs” 550 — ist Seelenführer 551 — Lehrer der Wahrheit 551 — des Neuen Bundes 551 — und Laien 553 — Sendung der 553 — gemeinsame Verantwortung der Laien und 612 — Amt des 613 — Pastorale Berufung der 675 — Zeuge des Glaubens 786 — Missionar des Evangeliums 786 — Prophet der Hoffnung 786 — des Neuen und Ewigen Bundes 1019 — Bedarf an 1208 — Verwalter der Eucharistie 1237 — Einheit der 1445 — Verwalter des Bußsakramentes 1558 Priesteramt 79, 455, 505, 742 — Einsetzung des 79 — Geschenk des 316, 407 — Gottes größtes Geschenk 319 — Kandidaten zum 454 — Vorbereitung auf das 1641 Priesteramtskandidaten 502, 1665 Priesterausbildung 497, 1668, 1885 Priesterberufe 1131 Priesterberufung 455 Priesterräte 513 Priesterschaft — der Laien 508 — Väter der 609 Priesterseminare 1132 Priestertum 455, 1211, 1433 — Vorbereitung auf 296 — Mittelpunkt des 296 — sakramentale Gnade des 387 — Ziel des 415 — sakramentales 511, 1017 — Christi 672, 1457 — ist Dienst 1020 — Gnade des 1263, 1420 — Berufung zum 1403 — allgemeines 1457 — Fülle des 1595 Priesterweihe 77, 316, 387, 551, 661, 1236, 1884 — Sakrament der 259, 390, 1170, 1236f„ 1421, 1493 — Vorbereitung auf 455 Prinzipien — der Wahrheit, Freiheit, Gerechtigkeit, des Friedens 203 Privatbesitz 1417 Profeß (s. auch Räte, evangelische) 1725 — der evangelischen Räte 1079 Prostitution 1901, 1903 1940 Protestanten 308 Rehabilitierung 1271 Prozeßrecht 916 — Reform des kanonischen 916 Pseudo-Freiheit 470 Psychologie 452 Radikalismus — evangelischer 117 Radio Vatikan 1152 Räte, evangelische (s. auch: Profesß) 745, 1078, 1089, 1379, 1726, 1728f., 1731, 1734 — Gelöbnis der 1210 Rassendiskriminierung 592, 1320 — und -trennung 1321 Rassenkonflikt — in Afrika 1321 Rassentrennung 1320f., 1323 Rauschgift 837 Rauschgiftsucht 838 Realismus — christlicher 191, 545 Rechte — soziale 1315, 1465 Rechtfertigung 300, 323, 365, 1337, 1762 — Geheimnis der 1095 Rechtschaffenheit — moralische 1205 Rechtsschöpfung 916 Rechtsstaat 486 Rechtsstaatlichkeit 481 Reflexion — über Wesen der Kirche 301 Reformation 119f., 457 Reformationszeit 119, 1074 Reformierter Weltbund 478 Reich Gottes — Dynamik des 240 — Gleichnisse vom 792 Reichskonkordat 1374 Reichtum — transzendenter 817 Religionsfreiheit 96, 378, 515, 1055, 1288, 1291, 1425, 1428, 1471, 1552, 1704 — Menschenrecht auf 376 — Recht auf 647, 751, 1055, 1057 — Verweigerung von 751 — Einschränkung der 1058 — Respektierung der 1288 Religionslehrer 1664 Religionsunterricht 182, 796, 1287f., 1635, 1653, 1663, 1669 Religiosität 1160 — natürliche 184 Reue 64, 67, 708, 1187, 1523, 1550f„ 1557, 1563f„ 1566 — ehrliche 59 — Ernsthaftigkeit der 1564 Ritus — byzantinischer 703f. Rosenkranz 42, 193 — ein biblisches Gebet 188 — typisches Gebet der christlichen Familie 194 Rosenkranzgebet 188, 207, 608 Rota-Rechtsprechung — Wert der 917 Rüstung — konventionelle und atomare 543, 895, 1497 — Gleichgewicht der 871 — Verhandlungen über Abbau der atomaren 895 Rüstungsabbau 1839 1941 Rüstungspotential — Vermehrung 896 Rüstungswettlauf 595, 866, 1505, 1839 Rundfunk 1246, 1673 — und Fernsehübertragung 1154 — Bedeutung des 1154 Sacra Romana Rota 913 Säkularinstitute 1723-1725 — Charisma der 1729 Säkularisierung 120, 185, 557, 611, 756, 786 — Phänomen der 501 — der Gesellschaft 828 — des Reiches Gottes 1776 Säkularisierungsprozeß 1657 Säkularismus 1536, 1607, 1693 Sämann — Gleichnis vom 138 Sahelzone — Stiftung Johannes Paul II. für die 1229f. Sakrale — Sinn für das 1459 Sakrament(e) 361, 758, 1545, 1554 — der Vergebung 43, 49 — der Versöhnung 44, 46, 58 — der Buße 46, 708, 758, 1117, 1606, 1885 — Dynamik des 59 — der Priesterweihe 259, 390, 1170, 1236f., 1421 — der Ehe 190f„ 259, 1210 — der Krankensalbung 259, 358, 370, 1885 — der Taufe 303, 885,1800 — der Firmung 305, 1257 — Gnade des 305, 1325 — der heiligen Weihen 370 — der Eucharistie 377, 1483, 1606, 1885 — der Kirche 641 — von Brot und Wein 1172 — des Leibes und Blutes Christi 1172, 1364 — Verwaltung der 1357 — Zeichen und Werkzeug der Versöhnung 1520 — Lebensquelle für die Kirche 1521 — Aussetzung des heiligen 1798 Sakramentalität 1778 Sakramentenpastoral 1827 Salbung — priesterliche 1020 Samariter — barmherziger 694, 990f., 993f., 1195 Samariter-Dienst 992 Satan 966, 988, 1359, 1360 Satelliten 1154, 1416, 1418, 1859 Schalom 467 Scheidung 757 Schmerz — apostolische Dimension des 1261 Schmerzensmutter 698 Schönstattbewegung 881 Schöpfer — Gebot des 36 — Mensch als Bild und Gleichnis des Sch. geschaffen 114 — Treue gegenüber dem 173 Schöpfergnade 634 Schöpfung 115 — Ehrfurcht vor Gottes 232 — des neuen Menschen 909 — neue 948, 1088 Schöpfungsplan — Gottes 134 Schrecken — Gleichgewicht des 1143 Schuld 64 — Vergebung der 40, 72 — persönliche Lossprechung von der 59 — Erkenntnis der 72 1942 Schule 1234f., 1645, 1647, 1857 — katholische 208, 646, 736, 1131f., 1287, 1289, 1391, 1663 — Evangelium ist Seele der katholischen 1290 — Freiheit und Gleichheit für die katholischen 1291 Schulsystem — säkularisiertes 647 Schwangerschaft 1191, 1896 — unerwünschte 752 Schwarzmarkt 1903 Schweizer Rotes Kreuz 561 Schweizergarde 421 Schweizerische Eidgenossenschaft 117 Seele 563, 689, 994, 1058, 1087, 1091, 1093f., 1121, 1160, 1536 — Schönheit der 1006 — Sehvermögen der 1126 — Unsterblichkeit der 1393, 1547 Seelsorge 496, 515, 521, 1079, 1199, 1248, 1342, 1443-1445, 1645, 1658, 1885 — Zielsetzung der 501 — in den Stadtpfarreien 1442f. — organische 1697f. Seelsorger 1458 Seelsorgeräte 513 Seelsorgetätigkeit 781 Sein — Wahrheit, transzendenter Grund des 20 Seinsphilosophie 448 Selbstbeherrschung 165, 171, 628 — Tugend der 178, 218, 220 Selbstbestimmung — gerechtes Maß an 728 — der Völker 1321 Selbstentfremdung 1107 Selbsterkenntnis 1524 Selbsterziehung — durch Kontrolle des eigenen Willens 213 Selbsthingabe 226 Selbstlosigkeit 627, 632, 639 Selbstmord 1900 Selbstverleugnung 1564 Selbstverwirklichung — durch Arbeit 36 — evangelische S. des Menschen 1054 Selbstzucht 171 Seligpreisung(en) 309, 340, 347, 379f., 504, 512, 594, 611, 764-766, 768, 770, 971, 1035, 1049, 1093f„ 1202, 1316, 1709, 1763, 1779 — Wahrheit der 324 — Geist der 342 — Hinführung zum Geist der 615 — des Evangeliums 1269, 1729 Sendung — des Christen 24 — der Kirche 30 — Teilhabe an der messianischen S. Christi 181 — der Gesamtkirche 763 — priesterliche 786 — der Laien 1477 — des Bischofs 1649 Sexualerziehung 757, 1895 Sexualität 1235, 1894, 1902 Siebentag-Adventisten 368 Sinn — für das eigene Dasein 36 — des Lebens 646, 736 Sittengesetz 55, 1554 — Konfrontierung mit dem 55 — natürliches 140, 141 Sittenlehre 141 Sittlichkeit 172, 790, 1654 — des Verhaltens von Mann und Frau 135 1943 Skeptizismus 922 Sklaverei 868 Soldatenseelsorge 1444 Solidarität 35, 280 — Prinzip der 57 — Arbeitslosigkeit bedarf S. aller Menschen 91 — gewerkschaftliche 280 — in landwirtschaftl. Genossenschaftsbewegung 281 — weltweite 288, 312 — kirchliche 299 Solidarnosc 687 Sonntagsmesse 472 — Teilnahme an der 157 — Bedeutung der 1642 South Seas Evangelical Mission 368 Souveränität — nationale 396 — der Staaten 893 Sozialdienst katholischer Frauen 25 Soziale Frage 1676 Sozialgesetzgebung 794, 1158 Soziallehre 221, 1219 — katholische 1218, 1554 — der Kirche 894, 1478, 1495f., 1498f., 1553, 1627, 1670f„ 1699, 1776, 1781 — Prinzipien der 1497 Sozialmodelle 777 Sozialpastora! 1699 Sozialpolitik 1892, 1901 Spaltung(en) — kirchliche 477 — führen zur Abtötung der Taufe 910 — ist sündhafte Wirklichkeit 910 Spiritualität 197, 337, 477, 525, 645, 742, 790, 1341, 1429, 1485, 1700, 1718 — der Ehe 129, 190, 195, 216f„ 236, 238 — christliche 190, 238 — der Berufung 190 — von Ehe und Familie 191, 233 — der Eheleute 191, 196 — eheliche 233 — marianische 602 — byzantinische 706 — künstlerische 1003 — Wiederbelebung der 1034 — biblische 1355 — des Neuen Bundes 1574 Sport 557, 1147 — Philosophie des 1148 — Mittel der Brüderlichkeit und des Friedens 1148 — Ethik des 1150 Staaten — Souveränität der 893 Staatsreligion 96 Stadtplanung 905 Sterbender — Auslöschung des 1297 Sterblichkeit 1494 Sterilisation 1113, 1251, 1894f. — direkte 158 — Rechtfertigung 1669 Stiftung Johannes Paul II. für die Sahelzone 1229f. Strafe — personale Dimension von 967 Strahlenwaffen 1842 Stundengebet 442, 511, 1021, 1342, 1397, 1825f. Subsidiaritätsprinzip 1708 Sühneandachten 1556 1944 Sünde(n) 192, 490, 512, 545, 625, 954f., 965, 1063, 1081, 1091, 1506, 1508, 1510, 1523-1525, 1532, 1539, 1762, 1764, 1777, 1873, 1878 — Vergebung der S. der Menschheit 9 — hatte den Himmel verschlossen 10 — Neigung zur 50 — Möglichkeit zur 50 — Erkenntnis der 54 — Entscheidung im Widerspruch zur sittlichen Norm 54 — gehört zur Wahrheit unseres Lebens 56 — Aufzählung der ... erfolgt in Form religiösen Dialogs 60 — Christus Sieger über 72 — läßliche 75-77, 938, 1530, 1532f. — Vergebung der 80, 1184 — Realität der 115, 641, 1360 — Sklaverei der 303, 1649 — soziale 817, 1526-1529, 1620, 1764 — und Gnade 824 — Bewußtsein von der 948 — Sinn für die 954 — Herrschaft der 970, 1064 — Folge der Vesuchung 1064 — Geheimnis der 1095 — Wurzeider 1166 — Existenz der 1360 — Erfahrung der 1486 — Urwunde der 1509 — Befreiung von der 1515 — Überwindung der 1517 — Macht der 1520 — erste 1526 — personale 1526, 1529 — Gemeinschaft der 1527 — Situation der 1529 — Theologie der 1532 — schwere 1533 — Vergeltung der 1543 — Gelegenheiten zur 1552 — unserer Stammeltern 1603 — Knechtschaft der 1757 — Sinn der 1781 — Bekenntnis der 1564 — Schwere der 1564 — Lossprechung von 1814 Sündenbekenntnis 59, 61 — Wert des 58 — im Bußsakrament 59 — nicht nur ein Augenblick angeblicher psychologischer Selbstbefreiung oder eine menschliche Notwendigkeit 59 — „Gerichtscharakter” 59 Sündenbewußtsein 759, 1535-1538, 1541, 1552, 1557 Sündenfall 1591, 1732 Sündenlosigkeit 1540 — Illusion von 1541 Sündenvergebung 39f., 1558 Sünder — Bedürfnis des 59 — subjektive Schuld des 1534 Sukzession — apostolische 1308, 1338, 1493 Szientismus 611 Tabernakel 1792, 1795 Tätigkeit(en) — pastorale 442 — Entfaltung der karitativen 1280 Talente — Gleichnis von den 1451, 1454 — Vermehrung der 1453 — des Evangeliums 1453 Taufe(n) 302, 431, 443, 460, 471, 476, 478, 507, 509, 516, 546, 659, 736, 982, 1049, 1085-1087, 1183, 1338, 1735, 1741, 1803, 1805, 1884 — christliche 10 — leitet sich vom Opfertod Christi her 10 — Quelle eines höheren Lebens 11 — ist Grundlage jeder Einheit 15 — Fundament der Einheit 17 — Gnade der 76 — Einverleibung in Christus durch die 83 — erste und grundlegende Weihe 254 — Sakrament der 303, 885, 1125, 1800 1945 — begründet Band der Einheit 431, 910 — Fest der T. Jesu 885 — ist geistige Neugeburt 886 — durch T. von Erbsünde befreit 886 — Eingießung der heiligmachen Gnade 886 — durch Gnade der einen T. vereinigt 910 — Spender der 1801 — in Privathäusern 1804 Taufgelübde — Erneuerung des 384 Taufgnade 71, 1726 Taufkatechese 248, 254 Taufpaten 260 Taufversprechen 15, 304, 1734 Taufweihe 1085, 1735 Teilhabe — an Gottes Natur 634 — an Sendung Christi 635 Telekommunikationstechniken 1417 Terror 1160 Terrorismus 895, 1186, 1224, 1505, 1840 — internationaler 465 — fanatischer 865 Theater 1246 Theologe(n) 451 — und Lehramt 453 — Sendung des 453 Theologenberuf 1275 Theologie 448, 477, 1272f„ 1538 — des Leibes 105, 141-143, 147, 159, 611 — des sakramentalen Zeichens der Ehe 105 — der Familie 172 — Ziele der 450 — und Geisteswissenschaften 452 — kritische Funktion der 452 — methodische Grundregel der 453 — der Sakramente 455 — Prinzipien der katholischen 918 — von der Erlösung 968 — Seele der 1216 — Heilige Schrift ist Seele der 1217 — Leidenschaft für die 1273 — ist Dienst an der Wahrheit 1273f. — Untrennbarkeit von T. und Spiritualität 1275 — Dienst am Lehramt 1276 — und Ethik 1298 — der Sünde 1532 Theologie der Befreiung 817, 1650, 1677, 1755, 1757, 1761f., 1765-1768, 1775 Tochter Zion 69 Tod 1140, 1553 — Auflösung der ganzen leibseelischen Persönlichkeit 970 — Wahrheit über den 1053, 1140 — Wurzel ist die Sünde 1141 — Kultur des 1159f Todesgefahr — ständige 1474 Todesstatistik 1140 Todsünde(n) 71, 59, 1530, 1532-1534, 1797 Töchter der Maria Immaculata 353, 368 Töchter U.L. Frau vom Heiligsten Herzen 351 Toleranz 375, 481 Totalitarismus 870 Tourismus 557 Touristen 1444 Tradition(en) 453 — demokratischen Lebens 235 — Kontinuität der 452 — lebendige 497 — christliche 550 — Pluralismus 709, 712 — liturgische 712 — der Kirche 269, 1078 — benediktinische 1398 1946 Transzendenz 730, 903, 947, 1475 — der Person 276, 1620, 1782 — absolute 620f. — Abwendung von der 948 — des Menschen 958 — Gottes 1174 — Christi 1663 Treue — zum göttlichen Plan 154 — gegenüber der Person des Schöpfers 173 — Gottes 632 — eheliche 660 Tridentinische Messe 1833 Tugend(en) 172, 926, 949, 982, 1149 — ehelicher Keuschheit 152, 198 — der Selbstbeherrschung 178 — der Enthaltsamkeit 197, 209f., 226 — der Mäßigkeit 209 — der Liebe, Keuschheit und Enthaltsamkeit 231 — der Gottesfurcht 233 — der Vaterlandsliebe 392 — christliche 498 — evangelische 1423 Überflussgesellschaft 509 Überleben — Grundvoraussetzungen zum 1434 UER (Europäische Runfunkunion) 1152 VIT (Union internationale des telicommunica-tions) 1154 Umkehr — und Versöhnung 1509 Umwelt — Ausbeutung und Zerstörung der 729 Umweltkatastrophen 1419 Umweltschutz 679, 762, 1376 Umweltverschmutzung 592 Unabhängige Kommission für Internationale Entwicklungsfragen 907 Unabhängige Kommission für Sicherheits- und Abrüstungsfragen 907 Unabhängigkeit — Namibias 1322 Unauflöslichkeit — Einheit und U. der Ehe 129 Unbefleckte Empfängnis 1591f., 1594, 1598, 1601 — Ziel ist Gottesmutterschaft 1593 UNDRO (UNO-Organisation für die Hilfe in Katastrophenfällen) 1475 UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) 29, 330, 587, 901, 920, 1394 UNFPA Fonds der Vereinten Nationen für Bevölkerungsfragen) S. 1253 Ungehorsam — gegen Gott 1525 Ungerechtigkeit — soziale 1325 Unglaube 1126 UNICEF (Internationales Kinderhilfswerk d. UN) 878, 1188, 1434 UNITALSI 952 UNITAS 1555 Universalgeschichte — Beginn der 823 Universalität — des Gottesvolkes 1328 Universalkirche 86, 340, 371, 712 — katholische Einheit ist Merkmal der 1639 — Verbindung mit 343 — Einheit mit 343, 353f. — Gemeinschaft der 683 Universitäten — kathoüsche 1133 UNO 892, 1843 1947 Unsterblichkeit 346, 1007, 1071 — Berufung des Menschen zur 1167 — Hoffnung auf 1467 Unterentwicklung 1375 Unterernährung 749 — Opfer der 1760 Unwissenheit — religiöse 653 Uranfang 1632 Urbanisierung 653 Ureltern — Fall der 1524 Urgemeinde 423, 1118, 1363 Urkirche 437, 439, 1869 — Kontinuität der 1282 Ursünde 5, 969, 970, 1064, 1090, 1107, 1440, 1506 Urversöhnung 1508-1510 Vaterlandsliebe — Tugend der 392 Vaterschaft 152, 675, 1839 — Gottes 270, 876f., 879, 1537 Vaterunser 193, 476 Verantwortung — ökumenische 1411 — gemeinsame V. der Laien und Priester 612 — moralische 920 Vererbungslehre 1062 — moderne 1060 Vergebung 627 — der Sünden 9 — der Schuld 40, 72 — menschlicher Wert der 43 — Sakrament der 43, 49 — unentgeltlich 60 — persönlicher Charakter der 65f. — Gottes 72 — sakramentale 676 — Zeichen der 1560 Verheißung — Gottes 1068 Verherrlichung — Gottes in Christus 406 Verkündigung — authentische 289 Verkündigungsdienst 1288 Verschwendung — der Reserven der Erde 1435 Versklavung 721 Versöhnung 524, 694, 1026f„ 1074, 1173, 1507, 1545, 1583f., 1680 — zwischen Gott und der Menschheit 6, 10, 370 — mit Gott 46, 1036, 1078, 1173, 1197, 1523 — Sakrament der 46, 50, 58, 1255 — Christus Urheber unserer 67 — Werkzeuge des Friedens u.d. 304 — durch Umkehr und Teilen in Liebe 343 — Amt der 364, 366 — der Menschen untereinander 370 — persönliche V. mit Gott 1106 — mit Gott und dem Nächsten 1107 — Sehnsucht nach 1506 — Geschenk Gottes 1509, 1514 — Ursache der 1515 — Dienst der 1516 — in der Wahrheit 1518 — Pastoral der Buße und 1543f., 1549 — Katechese über die 1550 — Feier der V. für einzelne 1568 — Gemeinschaftliche Feier der V. mit Bekenntnis und Lossprechung des einzelnen 1568 — Gemeinschaftliche Feier der V. mit allgemeinem Bekenntnis und General absolu-tion 1568 Versöhnungsamt — der Kirche 365 1948 Versuchung 1064 — Christus Sieger über 72 Vertrauen — zu Gott 696 Vertriebene 1315 Video-Kassetten 1859 Völker — Selbstbestimmung der 1321 — Elend von 1505 Völkerrechte 466 Volk — palästinensisches 1176 Volk Gottes 1775 Volksfrömmigkeit 193, 597, 1654, 1656, 1695 1697 — Bedeutung der 1656 — Dynamisierung der 1698 Volkskirche 829, 1775 Volksmissionen 1553 Volksreligiosität 781, 1673, 1703 Vollendung — eschatologische 743, 1363 Vollkommenheit — Berufung des Menschen zur 1081 Vorherrschaft — Streben nach 1505 Waffen — atomare 866, 1505 — chemische 68, 1837, 1842 — Macht der 869 — Reduzierung der atomaren und konventionellen 878 Waffenherstellung 749 Waffenstillstand 68 Wahrheit(en) 29, 203, 346, 1589 — des Menschen 19, 168 — Streben nach voller Transparenz der 20 — transzendenter Grund des Seins 20 — Zugang zur letzten 20 — Primat der 29 — Charisma der 40 — des Sich-Schenkens 112 — antropologische 179 — des Evangeliums 272 — des ewigen Lebens 294 — Weg der 348 — Konvergenz der 448 — Waffen der 741 — vom Kommen des Messias 883 — Achtung vor der objektiven 924 — die Christus selbst ist 1037 — Suche nach der 1074 — Dialog der 1160 — Dienst der 1244 — absolute 1274 Wanderapostolat 1036 Warschauer Aufstand 155 Wasser — Symbol der göttlichen Gnade 1111 Wegzehrung — Spendung der 1791 — Spender der 1819 Weihe 1084, 1087 — Wesen der 1089 Weihegnade 613 Weiheliturgie 1237 Weihesakrament 365, 508, 550, 554, 1555 Weihnachten — ist das Geheimnis der Gottesmutterschaft von Maria 7 Weisheit 1059 — nichtchristlicher Traditionen 379 — wahre Schöpferin von Kultur 448 — ewige 697, 698 — göttliche 698 — des Kreuzes 945 1949 Weiterbildung 282 Weit — neuer Dynamismus zur Umgestaltung der 470 — Diaspora der säkularisierten 1298 Weltbevölkerung 528 Weitende 1487, 1491 Weltfriede(n) 322, 463, 630, 1318, 1323 Weltfriedenstag 487, 865, 1205, 1589, 1620, 1840 Weltgebetstag — für die geistlichen Berufe 92 Weltgebetswoche — für die Einheit der Christen 12f., 909f., 937 Weltgemeinschaft 580 Weltgericht 994f., 1424 Weltkirche 123, 1431 Weltkrieg(e) 766f., 1607 — erster 482, 560, 686, 1152 — zweiter 155, 368, 370, 372, 482, 561, 686, 748, 1039, 1242, 1438 Weltmission 1854 Weltmissionssonntag 1258, 1446, 1450 Weltmissionstag 206 Weltordnung — Aufbau einer gerechteren 313 — der Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und des Friedens 908 Weltrat der Kirchen 7 31 Weltraum 1417 — Besitzergreifung des 1417 — angemessene Nutzung des 1418 Weltraumsonden 1416f. Weltraumstationen 1416f. Weltraumtechnologie 1416, 1418f. Weltraumwaffen 1842 Weltrüstung 749 Wert(e) — sittliche 135, 179 — christliche 1075 — evangelische 1206 — Krise der 610 — rechte Hierarchie der 943 Wertordnung 271, 321 Wettrüsten 465, 750, 768, 1145, 1760, 1839 Wiedergeburt — in Christus 50 — im Heiligen Geist 303 — geistige 303 Wille — Kontrolle des eigenen 213 Wirklichkeit — Urprinzip der 29 — des mystischen Leibes Christi 426 — soziale 1499 Wirtschafts- und Währungskrise 653, 699, 772, 878, 893, 1497, 1714 Wirtschaftshilfe 1251, 1891 Wirtschaftskrise Wirtschaftsordnung 1451 Wirtschaftssystem 1891 Wirtschaftswachstum 293 Wissenschaft — und Kultur 327 — Krise von W. und Kultur 445 — Aufschwung der 445 — keine W. ohne Gewissen 446 — Fortschritte der W. und Technik 469 — Autonomie der 846 Wissenschaftlichkeits-Ideologie 447 Wissenschaftsgläubigkeit — Grenzen der 446 1950 Wohlstandsgesellschaft 795 Wohltätigkeit 1128f. Wort Gottes — Quelle der Inspiration 1004 — Verständnis des 1216 Würde — der Gotteskindschaft 10 — der Person 19, 88, 392, 598, 751, 1057, 1225, 1250, 1315, 1320, 1609, 1616, 1619, 1759, 1856 — des Menschen 19, 147, 504, 518, 687, 738, 1231, 1389 — der Kinder Gottes 70 — Wahrheit der persönlichen 107 — von Mann und Frau 158 — personale W. der Ehegatten als Eltern 216 — Bedrohung der W. des Menschen 330 — behinderter Menschen 591 Zärtlichkeit — selbstlose 106 Zerknirschung — Geist der 72 Zeugung — neuen Lebens 135 — Möglichkeit der 218 Zeugungsfähigkeit 1895 Zeugungsfunktionen — natürlicher Zyklus der 158 Zölibat 508, 514, 616, 675, 1021 — geweihte Ehelosigkeit 324 — Geschenk des 390 — Zeichen der Freiheit 675 Zusammenarbeit — ökumenische 476 Zweiter Weltkrieg s. Weltkrieg(e) Personenregister Organe und Mitglieder der römischen Kurie, Personenverzeichnis siehe Seite 1844 bis 1850 Mel Sohn Adams und Evas 868 Abraham Nebenform Abram (= „erhabener Vater”), nach israelitischer Überlieferung der erste der drei Erz- oder Stammväter (Patriarchen) der Israeliten und verwandter Völker 715, 997, 1068-1070, 1072, 1174, 1217, 1317, 1378, 1685 Acosta, Josä de SJ (1540-1600) Professor und Rektor des Kollegs von Lima 825 Adalbert (Wojciech, Vojtech) OSB, hl. (um 956-997) 2. Bischof von Prag, Märtyrer; Patron Polens 1407 Adam hebr. Mensch, biblischer Stammvater der Menschheit 69, 162f., 239, 250, 995, 1141, 1491, 1595 Adam, Franz Nestor Altbischof von Sitten/Schweiz 559 Aegidius von Viterbo (Familienname: Antonini) (1469-1532) 1074 Agostino, Giuseppe Erzbischof von Crotone 788 Aguggiari, Gian Battista (17. Jh.) Kapuzinerpater 841 Alanus von Solminihac s. Solminihac, Alain de Albert, Frederico (Friedrich) sei. (1820-1876) Gründer der Albertinen zur Sorge für die arme Landbevölkerung; Priester aus Piemont 188, 1403 Ambrosius von Mailand, hl. (um 339-397) 374 Bischof von Mailand, Kirchenlehrer 79, 428, 841, 857, 1178, 1684 Amichia, Joseph Doyen des Diplomatischen Korps beim Hl. Stuhl, Botschafter der Elfenbeinküste 890 Arnos um 760 v.Chr. Prophet, Wirksamkeit im Nordreich vor allem in Bethel unter Jero-boam II (787-746 v.Chr.) 1763 Anchieta, Jose de SJ (1534-1591) 825, 827 Andreas, hl., Apostel Bruder des hl. Petrus (Simon) aus Bethsaida in Galiläa 1210, 1307, 1309, 1332, 1492f. Andreas Bischof von Prag (1215-1224) 1407 Andreotti, Giulio ital. Außenminister 1223 Angelico, Fra Beato OP, sei. (Giovanni da Fiesoie) (gest. 18.2.1455) Florentiner Maler 1001-1007 Anna — Mutter Marias 597, 601, 1594 — Prophetin, Tochter Phanuels v. Stamme Äser 932 Anselm, hl. (von Canterbury) OSB Kirchenlehrer (um 1033-1109) 1594 Antonius (muß heißen: Antoninus) Pierozzi von Florenz OP (um 1389-1459), hl., Erzbischof v. Florenz 1340 Antoniutti, Ildebrando (1898-1974) Kardinalpräfekt 1730 Aponte Martlnez, Luis, Kardinal Erzbischof (seit 1954) von San Juan (Puerto Rico) 832 Arinze, Francis A. Erzbischof von Onitsha in Nigeria (West-Afrika); Pro-Präsident des Sekretariates für die Nichtchristen, Präsident der Bischofskonferenz von Nigeria 1886f. 1953 Arokiaswamy, Packiam Erzbischof von Bangalore/Indien 1354 Assad, Hafez el syrischer Präsident (ab 2.3.1971) 32 Aubin, Giovanni Maria SM Titularbischof v. Andifilo (1935-1967), Apostolischer Vikar der südlichen Salomoninseln (1935-1958) 368 Augustinus, hl. (354-430) 395 Bischof von Hippo, Kirchenlehrer 19, 206, 253, 446, 666, 824, 943, 1060f„ 1073, 1273, 1286, 1325, 1331, 1337, 1341-1343, 1424, 1481, 1532, 1548, 1555, 1562, 1614, 1634, 1684 Augustus (63 v. Chr. — 14. n. Chr.) Kaiser 576, 1622 Azarian, Stefan armenischer Patriarch 1330 Bacciarini, Aurelio (gest. 27.6.1935) Titularbischof von Daulia 428 Baggio, Sebastiano, Kardinal Titularerzbischof von Ephesus (1953) 936 Balthasar, Hans Urs von Professor 1272f„ 1275, 1277 Barelli, Armida Professor an der Kath. Universität „Sacro Cuore” in Mailand 1296 Bärta, Simon 'Bischof von Böhmisch Budweis (1920-1940) 1407 . Barth, Karl (1886-1968) reformierter Theologe 219 Bartholomäus (Bartholomaios) v. Simeri (Kalabrien), hl. (gest. 1130) 780 Bascape, Carlo (um 1580) Biograph des hl. Karl Borromäus 842 Basilios Paulus II. Katholikos von Indien 1267 Battifol, Pierre (1861-1929) franz. Kirchenhistoriker 1684 Baudouin I. König von Belgien (seit 1951) 1629 Baum, William Wakefield, Kardinal 1131, 1215 Bausola, Adriano Rektor der Kath. Universität „Sacro Cuore”, Mailand 1384 Bea, Augustin SJ, Kurienkardinal (1881-1968) 1966 Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, 1960 Leiter des Päpstl. Sekretariates für die Einheit der Christen 431, 1217, 1354 Beiträn, Luis (Ludwig) OP, hl. (1526-1581) Missionar in Neu-Granada (Kolumbien) 827 Benedikt von Nursia, hl. (um 480-547) gründete um 529 Monte Cassi-no, das Ursprungskloster des Benediktiner-ordens 133, 491, 521, 702, 824, 1397 Benedikt XIV., Papst (1740-1758) 1177 Benedikt XV., Papst (1914-1922) 482, 880, 1296 Beran, Joseph, Kardinal Erzbischof v. Prag (1946-1969) u. Primas v. Böhmen 1407f. Bernadette (Soubirous) (1844-1879) B. erschien die Gottesmutter 1858 in Lour-des 956, 1594 Bernanos, Georges (1888-1948) franz. Schriftsteller 840 Bernasconi, Guiseppe (17. Jh.) Architekt des Heiligtums Santa Maria del Monte in Varese 841 Berneux, Simeon, hl. Bischof in Korea, 1866 dort Märtyrertod erlitten 298, 337, 1427 1954 Bernhard von Clairvaux, hl. (um 1090-1153) brachte den Zisterzienser-Orden zur Blüte; predigte den 2. Kreuzzug 1424 Bertreux, Bischof erster Apostolischer Vikar der südlichen Salomoninseln 368 Bessette, Andrä, Bruder (gest. 1937) 184, 621 Bethancur, Pedro de 827 Biffi, Franco, Msgr. aus Lugano 1056 Boccadoro, Luigi Bischof von Viterbo e Tuscania 406 Bochenski, Jözef OP Professor an der Universität Fribourg 561 Boismenu, Alain Guynot de Bischof, 2. Apostolischer Vikar von Neuguinea (Ende 19. Jh.) 351 Bonifatius, hl. (um 672-754) 67, 213 Bonner, Tatjana Adoptivtochter von Prof. Andrej Sacha-row 416 Boom, van de Priester aus Oudenbosch 169 Borecky, Isidore ukrainischer Bischof in Toronto 695, 703 Borromäus, Karl (1538-1584) (Carlo Borromeo) 1560 Kardinaldiakon u. Administrator v. Mailand, 1563 Priester-und Bischofsweihe 223-225, 419, 428, 493, 565, 839f., 844-861, 1129, 1615, 1832 Borromeo, Federico (1564-1631) Kardinal (1587) u. (1595) Erzbischof v. Mailand, Vetter des hl. Karl 841, 847 Borromeo, Giberto Fürst u. Schirmherr des Kollegs San Carlo Borromeo in Pavia 843 Borromeo, Giberto Vater des hl. Karl Borromäus 843 Bosco, Don, Giovanni, hl. (1815-1888) Stifter der Kongregation der Salesianer Don Boscos (SDB) 70, 511 Bourgeoys, Marguerite, hl. (1620-1700) 184, 621 Bovone, Alberto Tit.-Erzbischof v. Cesarea in Numidien, Sekretär der Kongregation für die Glaubenslehre 1783 Brandt, Willy 907 Branimir (um 880) Fürst von Kroation, unterstellt sein Land dem Stuhl Petri 1366, 1382 Brasca, Glan Carlo Professor an der Kath. Universität ,,Sacro Cuore” in Mailand 1296f. Brdbeuf Jean de SJ (1593-1649) Huronenmissionar in Kanada, dort 1649 getötet worden, 29.6.1930 heiliggespro-" chen 184, 186, 691f. Broermann, Johannes Professor, Verleger aus Berlin 1587 Brottier, Daniel (gest. 1936) Missionar der Kongregation v. Hl. Geist u. des Unbefleckten Herzens Mariens (CSSp), am 25.11.1984 seliggesprochen worden 239, 1487-1489 Bruguiäre, Barthelemy, Msgr. (gest. 1835) erster ernannter Apostolischer Vikar Tür Korea 1427 Bruno, hl. (um 1030-1101) Stifter des Kartäuserordens 780 Budka, Niceta (1877-1959) Titularbischof von Patara in Lykien; Bischof des byzantinischen Ritus (1912-1959) 705 Busca, Ignazio Nuntius in Brüssel, Kardinal (1789), Kardinalstaatssekretär (1796-1797) unter Pius VI. 847 1955 Byrne, Damian, Pater General der Dominikaner 1003 Cäcilia, hl. 1480-1483 Cafasso, Josef, hl. (1811-1860) aus Turin, Patron der Gefängnisseelsor-ger 1560 Caimi, Fra Bernardino (15. Jh.) 851 Calixtus (Kallistos) I., hl., Papst (217-222) 1052 Calvin, Johannes (Jean Cauvin) (1509-1564) seiner Wirkung nach wichtigster Reformator neben Luther 119, 477 Camillo de Lellis, hl. (1550-1614) Begründer des Ordens der Kamillianer 1243 Candia, Marcello Laienapostel der Aussätzigen, Leprakranken 1239 Canisius, Petrus SJ, hl. (1521-1597) Kirchenlehrer 493, 565 Caporale, Don Francesco Priester aus Catanzaro, dessen Seligsprechungsprozeß läuft 787 Cards, Julian Missionar 825 Carney, James Francis Erzbischof von Vancouver 730 Carrier, Herre SJ Sekretär des Päpstl. Rates für die Kultur 900 Carstens, Karl Professor, früherer Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland 1374 Carter, Gerald Emmett, Kardinal Erzbischof von Toronto seit 1978 674, 681, 695 Cartier, Jacques beginnt 1534 mit der Indianermission in Neufundland/Kanada 584 Casaroli, Agostino Kardinalstaatssekretär 1134, 1587 Casoria, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst 1788 Cassin, Marie während der Franz. Revolution hingerichtet worden (1794); stammte aus der Diözese Angers; seliggesprochen am 19.2.1984 1012 Catanoso, P. Gaetano (1879-1953) Priester aus Reggio Calabria dessen Seligsprechungsprozeß läuft 787 Caterina, (a Pallantia) sei Gründerin des Klosters St. Maria del Monte in Varese (16. Jh.) 841 Chabanel, Noel SJ (1616-1649) Huronenmissionar in Kanada, 1649 dort getötet worden; 29.6.1930 heiliggesprochen 692 Ch ’adon, Yi aus Korea 294 Chagas, Carlos Professor, Präsident der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften 1415 Champlain Indianerseminar, Gründer von Quebec (1608) 584 Chanel, Pierre-Louis-Marie SM, hl. (1803-1841) auf Futuna (Ozeanien) ermordet worden 1690 Chastan, Jacques Missionar; 1837 bei der Christenverfolgung in Korea getötet worden 1427 Chich’ung, Paul Youn Märtyrer in Korea 304 Chimy, Jeromim Isidor ukrainischer Bischof in New Westminster, Kanada 731 Chiwatena, Joseph aus Kanada (Huronenmission, 19. Jh.) 692f. — Antonnetta, seine Gattin 692 — Joseph, sein Bruder 692 1956 Cho, Peter 335 Chong, Mark koreanischer Märtyrer, der am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen wurde 335 Chong Ha-sang, Paul, hl. koreanischer Märtyrer (19. Jh.) am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen 94, 305, 342f. Chrispin (Crispinus) von Viterbo (Pietro Fioret-ti), OFMCap, hl. (1669-1750) 99, 413 Chrysologus, Petrus, hl. (um 380-450) Kirchenlehrer 1286 Cicero, Marcus Tullius (106-43 v.Chr.) röm. Redner, Schriftsteller und Staatsmann 915 Cicognani, Amleto Giovanni, Kardinal (1883-1973) 219 Cid, Tecla Maria Äbtissin, gab 1605 den Auftrag zum Bau der 14 Kapellen des Hl. Rosen kranzes beim Heiligtum St. Maria del Monte in Vare-se 841 Claver, Pedro (Petrus) SJ, hl. (1580-1654) Apostel von Cartagena (Kolumbien), Patron der Negermission 201, 827 Clemens L, Papst, hl. (Bischof von Rom 92-101) 1684 Colombo, Guiseppe Professor, Mitglied der Päpstl. Akademie der Wissenschaften 1417 Comini, Angela, Msgr. Rektor des Kollegs San Carlo Borromeo in Pavia 843 Comte, Marcelle 561 Cooray, Thomas B. O.M.I., Kardinal Erzbischof em. von Colombo/Ceylon 1710 Coppenrath, Michel Erzbischof von Papeete/Tahiti 1345 Cordero, Miguel (Michael) Febres (gest. 1910) aus Ekuador, am 21.10.1984 heiliggesprochen; Mitglied des Ordens der Christlichen Schulbrüder 201, 207f„ 827, 1278, 1446-1450, 1675 Cornelius römischer Hauptmann 290 Cottolengo, Giuseppe Benedetto, hl. (1786-1842) 1243 Coudrin, Marie-Joseph (Pierre) (1768-1837) Begründer der Kongregation v. den hist. Herzen Jesu u. Marä (Picpus-Missionare) 1346, 1348 Couppä, Louis MSC (1850-1926), Bischof Erster Apostolischer Vikar von Neubrittan-nien/Neuguinea 351 Crawford, Eusebius John OP Apostolischer Vikar der Westl. Salomoninseln, Bischof von Gizo 368 Craxi, Bettina ital. Ministerpräsident 1223 Crispin von Viterbo s. Chrispin Cros, Edward Professor 561 Cyprian von Karthago (Caecilius Cyprianus) hl. (ca. 200-258) 1463, 1684 Dadaglio, Luigi, Msgr. Pro-Großpönitentiar 1336 Dalai Lama 1853 Damaskinos Papandreou Metropolit (Orthodoxes Zentrum in Cham-besy) 119 3 Damasus hl., Papst (366-384) 155§f. D’Amelio, Carlo Rechtsanwalt 934 Dammertz, Viktor Benediktinerabt in Rom 1395 1957 Daniel, Antoine SJ (1598-1648) Huronenmissionar in Kanada; 1648 dort getötet worden; heiliggesprochen am 29.5.1930 692 Datcou Botschafter Rumäniens in Genf 1837 Daveluy, Antoine Bischof (Koadjutor von Bischof Berneux) in Korea, begann 1845 die Koreamission, 1866 dort den Märtyrertod erlitten 298, 1427 David König über Israel (1000-960) 939, 997, 1018, 1127, 1163-1165, 1168f„ 1174, 1523, 1543, 1566, 1622 De Cardona, Carlo Priester aus Cosenza, dessen Seligsprechungsprozeß läuft 781, 787 Delmonte, Aldo Bischof von Novara 852 De Loor, Isidor, sei. (gest. 1916) belgischer Passionistenbruder, am 1.10.1984 seliggesprochen 188, 1404f., 1413, 1415 Delp, Alfred SJ (geb. 15.9.1907, am 11.1.1945 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt; am 2.2.1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden) 1334 Denkha IV. (Mar Denkha IV.) Patriarch der assyrisch-orthodoxen Kirche 1468 Deveuster, Damian SSCC (1840-1889) Pater auf Molokai bei den Aussätzigen 1239 De Vito, Salverino Minister 774 Diano, Vincenzo entführtes Kind aus Lazzaro in Kalabrien 151 Dimitrios I., Papadopulos, Erzbischof Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel 439, 1307, 1310, 1492 Dionysius Bischof von Korinth (um 170) 1684 Dominikus hl. (um 1170-1221) Stifter des Dominikanerordens 1002, 1127 Dominikus von der Muttergottes, sei. (gest. 1849) 1415 do Nascimento, Alexandre, Kardinal Erzbischof von Lobango/Angola 1469 Don Bosco hl. s. Bosco, Don Donoso Cortes, Juan, Marques de Valdegamas spanischer Politiker, Diplomat und Journalist (1809-1853) 80 Dorothea Ehefrau des Nikolaus von Flüe 52f., 117, 484, 489-491, 1066f. Dorothea von Montau (1347-1394), sei. 493 Durocher, Marie-Rose, sei. (gest. 1849) 621 in Montreal am 11.9.1984 seliggesprochen 184, 621 Dyba, Johannes, Erzbischof Bischof von Fulda 67, 213 Einstein, Albert (1879-1955) Physiker 448 Elisabeth hebr. mein Gott ist Fülle, Frau des Priesters Zacharias, aus Aarons Geschlecht, eine Verwandte Marias; sie wurde in hohem Alter Mutter Johannes’ des Täufers 52, 122, 199, 215, 255, 369, 494, 603, 605ff„ 658, 815 Elisabeth aus dem Hause Habsburg, Mutter des hl. Kasimir 1046 Elisabeth von der hist. Dreifaltigkeit (Marie-Josephine Catez) (1880-1906) franz. Ordensfrau aus dem Orden der Unbeschuhten Karmelitinnen, am 25.11.1984 seliggesprochen 239, 1487, 1489f. 1958 Eminescu, Michele (Mihai) (1850-1889) rumänischer Nationaldichter 1598 Epalle Bischof, erster Apostolischer Vikar von Melanesien-Mikronesien; 1847 ermordet worden auf den Salomonen 367 Estrade Fräulein 956 Etchegaray, Roger, Kardinal Erzbischof von Marseille 1230, 1473, 1495 Eudoxia byzantinische Kaiserin 650 Eva Name, den Adam seiner Frau gibt, kann als Mutter der Lebendigen gedeutet werden 52, 69, 604 Exner, Adam Erzbischof von Winnipeg 711 Ezechiel, Prophet hebr. Gott ist oder macht stark, wirkte zwischen 594 und 571 v.Chr. unter den Exulanten in Babylon 556, 1144, 1304 Feillatreau, Renee aus der Diözese Angers; während der Franz. Revolution hingerichtet wor den (1793); seliggesprochen am 19.2.1984 1012 Felinus, hl. 853 Feo, Carlo de Ingenieur aus Neapel 13 Ferrini, Contardo, sei. (1859-1902) 847 Ferti, Jacques de la Abbe 605 Foresti, Bruno Bischof von Brescia 1272 Forlanini, Carlo Erfinder des Pneumothorax 847 Fortunatus, hl. 575 Foucauld, Charles de (1858-1916) 511, 1044, 1869 Fournier, Antoine aus der Diözese Angers; 1794 während der Franz. Revolution hingerichtet, seliggesprochen am 19.2.1894 1012 Fra Angelico OP (gest. 1455) aus Viesole; erhielt den Beinamen „Angelico”, Florentiner Maler 1001-1007 Francesco di Paola hl. s. Franz v. Paul Francois-Charon 589 Frania, Msgr. 560 Franz von Assisi hl. (um 1181/82-1226) wählte als reicher ital. Kaufmannssohn den Weg der Armut u. reiner Christusnachfolge, Gründer des Franziskanerordens 169, 620, 987, 1033, 1035f., 1044, 1127, 1589, 1869 Franz von Paul, hl. (1436-1507) Begründer des Ordens der Paulaner (Minimen); Patron der italienischen Seeleute 775, 781 Franz von Sales, hl. (1567-1622) Mitbegründer des Salesianer-Ordens 511, 927 Franz Xaver, hl. (1506-1552) Missionar in Indien, auf den Molukken u. in Japan 692, 1261 Frassati, Pier Giorgio 1151 Frassinetti, Paola, hl. (1809-1882) Stifterin der Suore di S. Dorotea, Heiligsprechung am 11.3.84 52f., 1066f., 1065 Fusco, Anna Maria im November 1983 entführte Lehrerin 53 Gabriel Erzengel, hebr. Mann Gottes 603, 833 Galilei, Galileo (1564-1642) ital. Astronom und Physiker 901, 1416 Gandhi, Indira Premierminister von Indien, 1984 ermordet 221f„ 1467 1959 Gante, Pedro de Bruder 826 Gantin, Bemardin, Kardinal Präsident der Päpstl. Kommission „Justitia et Pax” 162, 1348 Garnier, Charles SJ (1606-1649) Huronenmissionar in Kanada, dort 1649 getötet worden, heiliggesprochen am 29.6.1930 692f. Garonne, Gabriel-Marie, Kardinal Präsident des Präsidialkomitees des Päpstl. Rates für die Kultur 900 Gemelli, Agostino OFM (1878-1959) 1921 Gründer der Katholischen Universität „Sacro Cuore” in Mailand 1296-1299, 1301, 1305 Ghergel, Petra Bischof von Jassi/Rumänien 252 Gianfraneschi, Giuseppe Pater, Präsident der Päpstl. Akademie der Wissenschaften und 1. Direktor von Radio Vatikan (1931-1934) 1155 Giovanni Battista Taufname Papst Paul VI. 122 Giovanni, Fra s. Fra Angelico Giuliana (Juliana a Busto Arsitio), sei. Gründerin (zusammen mit der sei. Caterina) des Klosters St. Maria del Monte in Varese (16. Jh.) 841 Gnädinger, Karl Weihbischof em. in Freiburg 220 Goethe, Johann Wolfgang 903f. Gonzäles, Roque (Gonzales de Santa Cruz, Rochus) SJ, sei. (1568-1628) 825f., 1701 Goupil, Rene SJ (Laienbruder) (1607-1642) Huronenmission in Kanada, dort 1642 getötet worden; heiliggesprochen am 29.6.1930 692 Grandin, Vital-Justin OMI (1829-1902) Bischof von St. Albert/Kanada 726 Grasset, Andre, sei. Priester 184, 621 Gratinianus, hl. 853 Gregor der Große, hl., Papst (590-604) 525, 1224, 1332 Gregor X., Papst (1271-1276) 411 Gregor XIII., Papst (1572-1585) 1329 Gregor XVI., Papst (1831-1846) 1427 Greschuk, Martin Weihbischof und Generalvikar in Edmonton/Kanada 718 Grijalva 825 Grollier, Pierre-Henri OMI (1826-1864) Missionar in Nordwestkanada 726 Gruget, Simon Priester aus der Diözese Angers; während der Franz. Revolution (1793) hingerichtet; seliggesprochen am 19.2.1984 1012, 1014 Gy, Pierre-Marie OP 1787, 1832 Hacault, Antoine Erzbischof von Saint Boniface 712 Hadrian IV., Papst (1154-1159) 1074 Hagar Leibmagd Saras 997 Haibel, Hans Präsident der Vollversammlung der Schwäbischen Wirtschaft 1218 Hamao, Stephen Fumio Bischof von Yokohama 1590 Hanna Frau des Tobit 997 Hansen, Gerhard 1240 Hasang, Paul Chong, hl. s. Chong Ha-sang, Paul 1960 Hassun, Antonius, Kardinal 1330 Hayes, James Martin Erzbischof von Halifax 666 Hellemons, Pater aus Oudenbosch, Bistum Breda 169 Hengsbach, Franz Bischof von Essen 199 Hermaniuk, Maxim Ukrainischer Erzbischof der Erzdiözese Winnepeg 704, 711 Hermes, Peter, Dr. Botschaft der Bundesrepublik Deutschland beim Hl.Stuhl 1374 Herodes (37-4 v.Chr.) König von Judäa 882, 985, 1312 Herre, Anton Weihbischof in Rottenburg-Stuttgart 67 Hiskija (Ezechias) König von Juda (725/15-697/87 v. Chr.) 997 Homeyer, Josef Bischof von Hildesheim 67 Hosea hebr. Jahwe hat gerettet, Prophet zw. 750 und ca. 725 v.Chr. 1480 Hubert, hl. (gest. 727) 1180 Hume, George Basil, Kardinal Erzbischof von Westminster 1410 Ignatius Jacoub III. (Moran Mar Ignatius Jacoub III.) Patriarch von Antiochien 1267f., 1882f. Ignatius von Antiochien, hl. 430, 1459, 1684 Ignatius von Loyola, hl. (1491-1556) gründete die Jesuiten 692, 987, 1216, 1424 Ignatius Zakka I. Iwas (Moran Mar Ignatius Zakka I. Iwas) Patriarch der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien 1266, 1882 Ijob hebr. wo ist der Vater? 309, 593, 964-969, 974, 977, 997 Imbert, Laurent, hl. Bischof, 2. Apostolischer Vikar in Korea; dort 1839 bei der Christenverfolgung getötet worden 298, 337, 1427 Immanuel (Emmanuel) hebr. „Gott mit uns” 261 Innozenz XI., Papst (1676-1689) 392 Irenaus von Lyon, hl. (gest. um 202) Kirchenvater 429, 431, 622, 1054, 1684, 1711 Isaak 715 Isais (Jesse) 261 Isidor, sei. 1413f. Isoardi, Federica entführtes Mädchen aus Cuneo 39 Israel Volk 21f. Jacobus de (a) Voragine OP, sei. (1228/30-1298) Erzbischof von Genua 1480 Jadot, Jean Erzbischof; Präsident des Sekretariates für die Nichtchristen (1980-1984) 1041, 1851 Jahwe Eigenname des Gottes Israels 668 Jakob 697, 715 Jakobus, Apostel, hl. 310, 358, 380, 703, 804, 1071, 1312, 1424 Jeremias, Prophet 997, 1446, 1597 Jeremias von der Walachei, sei. (gest. 1625) 1035 Jesaja hebr. Rettung ist Jahwe, 742 v. Chr. im Tempel von Jerusalem zum Pro pheten be- 1961 rufen 9, 11, 138, 201, 270, 379, 388f., 492f., 523, 542f., 688, 721f„ 733, 765, 778, 780, 798, 870, 912, 972, 974, 976, 1086, 1120, 1165, 1168, 1345, 1460, 1584, 1596, 1601, 1610 Jesus Christus siehe Wortregister Jesus Sir ach 1453 Joachim Vater der Gottesmutter Maria 1594 Joel, Prophet 247 Jogues, Isaac SJ (1607-1646) Huronenmissionar in Kanada, 1646 dort getötet worden; 29.6.1930 heilig gesprochen 692 Johannes, Apostel und Evangelist 26, 54, 56, 58, 60f., 78, 127, 221, 289, 306f„ 411, 495, 639, 668, 697f„ 703, 729, 732, 1047, 1071, 1118, 1150, 1302, 1312, 1359, 1361, 1384, 1514, 1523, 1531, 1540f„ 1610, 1684 Johannes Bosco s. Bosco, Don Johannes Chrysostomus, hl. (344/54-407) Kirchenvater und Patriarch von Konstantinopel 649-655, 757 Johannes Damascenus, (v. Damascus) hl. (um 650 — um 750) Kirchenlehrer 19 Johannes der Täufer 9, 11, 122, 204, 626, 642, 658, 832, 886, 1171, 1272, 1278f„ 1281, 1554, 1605f. Johannes vom Kreuz OCarm (1542-1591) Kirchenlehrer, spanischer Mystiker 1424, 1490 Johannes v. Jenstejn (Jenzenstein) Erzbischof von Prag (1380-1396) 1407 Johannes von Nepomuk, hl. (um 1350-1383) Märtyrer des Beichtgeheimnisses 1560 Johannes VIII., Papst (872-882) 1372, 1382 Johannes XXIII., Papst (1958-1963) 96, 173, 279, 376, 401, 466, 714, 767, 1055, 1057, 1267, 1286, 1289, 1301, 1439, 1620 Johannes Paul I., Papst, 33 Tage (gest. am 28.9.1978) 1398 Johannes Paul II., Papst (seit 1978) 307, 372, 588, 670, 881, 997, 1103, 1130, 1135, 1177, 1199, 1203, 1212, 1214, 1229f„ 1249, 1316, 1345, 1349, 1353, 1355, 1358, 1365, 1372, 1383, 1395, 1412, 1437, 1467, 1493, 1729, 1765f., 1783, 1787, 1833, 1837, 1839ff., 1843, 1851, 1856, 1867, 1869, 1872, 1875, 1878f., 1882, 1886, 1898f., 1903f. Josaphat von Polozk, hl. (1580-1623) Brasilianermönch, später Erzbischof, bemühte sich um Reformen in seinem Orden u. um Ausbreitung der ruthenischen Kirche 706 Josef (Joseph), hl. Bräutigam Mariens, Patron Kanadas 17, 57f., 88, 90f., 261ff., 321, 694, 931f„ 943, 1068, 1070, 1622, 1624 Journet, Charles, Kardinal 120 Judas (Iskariot), Mann aus Kariot oder Dolchmann, hat Jesus auf Betreiben des Satans verraten 652, 1171 Kain Sohn Adams und Evas, erschlug seinen Bruder Abel 868, 1566 Kajaphas Hoher Priester 1162 Kaniecki Bischof 287 Karl Borromäus s. Borromäus, Karl Kasimir, hl. (1458-1484) Fürst, Patron Polens und des kath. Litauen 46-48, 169-171, 1039-1041, 1045f„ 1372f. 1962 Kaspar, Karel, Kardinal Fürst-Erzbischof von Prag (1931-1941) 1407 Kasparian, Jean Pierre XVIII. Armenischer Patriarch von Kilikien 1327 Katharina vom hl. Augustin 585, 621 Katharina von Siena, hl. (um 1347-1380) Dominikanerin vom 3. Orden, Mystikerin 536, 620, 845 Kephas s. Petrus Keppler, Johannes (1571-1630) Astronom 1416 Ketling, Prugar General 561 Kettmann, Theodor Weihbischof in Osnabrück 102 Kim, Stephen Sou Hvtan, Kardinal Erzbischof von Seoul 95 Kim Tae-gon, Andreas, hl. (1821-1846) erster koreanischer Priester u. Märtyrer, am 6.5.1984 heiliggesprochen 94, 295f., 324, 349 King, F. Anglikaner 219 Kino, Pater 826 Kitbunchu, Michael, Kardinal Erzbischof von Bangkok 376 Klara von Assisi, hl. (1194-1253) Mitbegründerin des Klarissenordens 169 König, Franz, Kardinal Erzbischof von Wien 1366, 1381 Koivisto, Mauno Präsident Finnlands 950, 952 Kolbe, Maximilian Maria, hl. (gest. 1941) Märtyrer in Auschwitz 511,684,847 Kolumbus, Christoph (1451-1506) italienischer Seefahrer in spanischen Diensten, suchte einen westlichen Seeweg nach Indien und entdeckte dabei 1492 die Antilleninsel Guanahani sowie Kuba und Haiti, auf drei weiteren Reisen die Kleinen Antillen, Puerto Rico, Jamaika, Trinidad und die mittelamerikansiche Küste; er hielt Amerika für (Ost-)Indien, nannte die Bewohner Indios 201f„ 204f., 813, 815, 823, 831, 832 Kolvenbach, Peter-Harts Pater, Generalober der Gesellschaft Jesu 1215 Konfuzius (Kung Fu-tse) (551-479 v. Chr.) 292 Konrad, hl. (um 900-975) Sohn des Weifengrafen Heinrich von Altdorf, Bischof von Konstanz 493 Kosciuszko, Tadeusz (1746-1817) 1794 Freiheitskampf der Polen unter seiner Führung 560 Krol, John, Kardinal Erzbischof von Philadelphia 681 Kuharic, Franjo, Kardinal Erzbischof von Zagreb 1366 Kuntner, Florian Weihbischof in Wien 31 Küster, Pastor Arbeitsgem. christl. Kirchen 473 Kwon, Teresa koreanische Märtyrerin, die am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen wurde 335 Kyrill(os) (Konstantinos), hl. (826/27-869) Apostel und Lehrer der Slawen, Gründer der altslawischen Kirchensprache 132f., 701-703, 824,1407, 1410 Labre, Benedikt Josef, (gest. 1783) 493 Lacombe, Albert OMI (1827-1916) Indianermissionar in Kanada 726 1963 Lalemant, Gabriel SJ (1610-1649) Huronenmissionar in Kanada, dort 1649 getötet worden; heiliggesprochen am 29.6.1930 692 Lande, Jean de la SJ (Laienbruder) in der Huronenmission in Kanada, dort 1646 getötet worden; heiliggesprochen am 29.6.1930 692 Lanza, Antonio Erzbischof von Reggio Calabria 787 Laroque Bischof von Sherbrooke 622 La Salle, Johannes Baptist de, hl. (1651-1719) Gründer der Kongregation der Christlichen Schulbrüder 1449f. Las Casas, Bartolom de OP (1474-1566) Missionar und Indianerprotektor 825 Laszlo, Stefan Bischof von Eisenstadt 31 Laurentius von Brindisi (Giulio Cesare Russo) OFMCap, hl. (1559-1619) Kirchenlehrer 1035 Laval, Francois de, sei. erster Bischof von Quebec, in Montreal seliggesprochen 184, 581, 585, 621 Lazarus (der Arme) 721 Lazarus von Bethanien 1140-1142, 1144, 1303 Leo der Große, hl., Papst (440-461) 1516 Leo XIII., Papst (1878-1903) 16, 88, 90, 823, 942, 1329, 1407f., 1553 Leopold (III.), hl. (um 1075-1136) Markgraf von Österreich 1035 Leopold von Castelnuovo (Bogdan Mandic) OFMCap, hl. (1866-1942) 40, 1369, 1560 Limbrock, Eberhard Missionar in Neuguinea (1896) 351 Litur, To 351 1964 Lourdusamy, D. Simon, Erzbischof Sekretär der Kongregation für die Glaubensverbreitung, Präsident der Päpstlichen Missionswerke 1135 Ludmilla, hl. (um 860-921) 1410 Lukas, hl. Evangelist 17, 71, 289, 658, 1512, 1685 Luther, Martin (1483-1546) Reformator 1038, 1073f. Luzia (Lucia), hl. Märtyrerin in Syrakus 1601 Macchi, Pasquale, Msgr. Erzpriester von Santa Maria del Monte in Varese, ehern. Sekretär Pauls VI. 840 Maclas, Juan, hl. (gest. 1645) Missionar in Amerika 201, 827 MacNeil, Joseph N. Erzbischof von Edmonton/Kanada 718 Maiolo, Don Francesco Priester aus Nicastro, dessen Seligsprechungsprozeß läuft 787 Mandic, Leopold, hl. s. Leopold v. Castelnuovo Mangin, Abbe 742 Manning, Timothy, Kardinal Erzbischof von Los Angeles 1344 Manso, Alonso erster Erzbischof von San Juan de Puerto Rico 833 Manyanet (Manahezt) y Vives, Jose, sei. (gest. 1901) span. Priester, 1864 Gründer der Kongregation der Söhne der Heiligen Familie und des Instituts der Missionarinnen der Heiligen Familie von Nazaret; am 25.11.1984 seliggesprochen 239, 1487f. Manzoni, Alessandro (1785-1873) italienischer Dichter und Schriftsteller 1239 Marchisio, Clemente, sei. (gest. 1903) Priester aus Piemont 188, 1404 Marconi, Guglielmo (1874-1937) italienischer Funktechniker; erbaute Radio Vaticana (1. Sendung 12.2.1931), Mitglied der Päpstl. Akademie der Wissenschaften 1154f., 1417 Marella, Paolo, Kardinal Präsident des Sekretariates für die Nichtchristen (1964-1973) 1851 Marescotti, Giacinta, hl. (1585-1640) 99, 413 Marguerite (Margherita) d’Youvill, sei. 184, 621 Maria s. Wortregister Maria Frau des Klopas 695 Maria Mutter des Jakobus 1181f. Maria Magdalena (von Magdala) 695, 1181f. Maria von Bethanien Schwester Marthas 602, 746, 1140 Maria von der Menschwerdung, sei. 184 Marianita de Quito 827 Mariano von Turin, Pater 1035 Marie-Anne von den Barmherzigen Schwestern, aus der Diözese Angers; während der Franz. Revolution (1793) hingerichtet; seliggesprochen am 19.2.1984 1012 Marie Läonie Paradis, sei. s. Paradis, Marie-Leonie Marie-Zita von Jesus, Schwester 742 Markus, Evangelist 664, 1238, 1685 Markus von Aviano (Carlo Domenico Cristofo-ri) OFMCap (1631-1699) Bußprediger und Diplomat 1035 Martha von Bethanien 746, 1140 Martin, hl. (316/17-397) Bischof von Tours 229 Martin von Porres OP, hl. (1569-1639) 201 Martinazzoli, Mino Senator 843 Martini, Carlo Maria SJ, Kardinal Erzbischof von Mailand 840 Marx, Karl Heinrich (1818-1883) Begründer des dialektischen und klassischen Materialismus 1768-1771, 1774 Mathieu Ingenieur 1155 Matthäus, Evangelist 7, 9, 181, 665, 764, 824, 939, 971, 994, 1005, 1071, 1685 Maubant, Pierre Missionar; 1836 bei der Christenverfolgung in Korea getötet worden 1427 Mauritius, hl. (gest. 280/300) Märtyrer, Thebäische Legion 117, 121, 550, 565 Maximos V. Patriarch der griechisch-katholischen Mel-chiten 936 Maximus 1481 Mayer, Augustinus Erzbischof, Pro-Präfekt 1834 Mazzucconi, Giovanni Battista Priester und Missionar, seliggesprochen am 19.2.1984, stammte aus Lecco; wurde 1855 mit 29 Jahren getötet, gehörte zu den ersten Mitgliedern des Päpstl. Instituts für die Auslandsmission 38, 351, 364, 1013, 1015 M’Bow, Amadou-Mahtar Generaldirektor der UNESCO 1394 Meier, Gerhard Generalsekretär der Caritas International« 1469 1965 Meinrad (Meginrad), hl. (gest. 861) Benediktiner und Einsiedler 493, 521, 565 Meisner, Joachim, Kardinal Bischof von Berlin 61 Melchisedech hebr. Melek ist gerecht oder König ist Sedek, König von Salem und Priester des höchsten Gottes 550, 1462 Mendel, Gregor (gest. 1884) Abt des Augustinerordens 1059-1063 Mendieta, Jerönimo de (1525-1604) OFM Missionar in Mexiko 825 Method(ios), hl. (gest. 885) Apostel der Slawen, Kirchenvater 132f., 701-703, 824, 1407, 1409f. Mied, Costanzo Bischof von Fano 571 Mickiewicz, Adam Bernard (1798-1855) polnischer Dichter 688 Mogrovejo, Toribio de 825, 827 Molinari, Giorgio Zahnarzt aus San Martino Spino di Miran-dola, im März 1984 entführt 208 Mollie, Marie begrüßte den Papst bei seinem ersten Besuch in Alaska 287 Montesinos, Antonio de 814, 825 Montini, Giovanni Battista (später Papst Paul VI.) 1272 Montmorency-Laval, Frangois de, sei. (1623-1708) 1. Bischof von Quebeck 184, 581, 585, 621 Morone, Giovanni, Kardinal (1509-1580) Päpstlicher Diplomat 858 Moser, Karl Weihbischof in Wien 73 Moses in den atl. Überlieferungen Gesetzgeber und Begründer Israels, der das Volk aus Ägypten herausgeführt hat 512, 549, 551f., 618ff. 666f., 709f., 712, 715, 756, llllf., 1302, 1354 Motolinia (Motilinea) s. Toribio de Benevente Mottola, Don Francesco (1901-1969) Priester aus Tropea, dessen Seligsprechungsprozeß läuft 787 Müller, Manfred Bischof von Regensburg 260 Namatianus, Rutilius Claudius lateinischer Dichter des frühen 5. Jh. 904 Narai der Große (Phra-Narai) König von Thailand (17. Jht.) 392 Nathan hebr. (Gott) hat gegeben, Prophet zur Zeit Davids und Salomos 1523, 1543, 1566 Navarre, Andri Missionar in Neuguinea 351 Neri, Filippo, hl. (1515-1595) katholischer Reformer, Gründer des Oratoriums 1127 Nero (54-68) röm. Kaiser; lenkte den Verdacht der Brandstiftung Roms auf die Christen und ließ sie grausam verfolgen 1312f. Newman, John Henry (1801-1890), Kardinal 1481 Newton, Isaac (1643-1727) engl. Physiker 1416 Nicoletti, Luigi Priester aus Cosenza, dessen Seligsprechungsprozeß läuft 781, 787 Nikodemus gelehrter jüdischer Rabbi, Mitglied des Hohen Rates, Pharisäer 666f., 671, 886, 968-970, 972, 976, 1304 Nikolaus, hl. Bischof von Myra 268f., 271-276 1966 Nikolaus von der Flüe, hl. (1417-1487) 116f., 121, 422, 481, 484-491, 493, 554, 565f. Nilo (Neilos der Jüngere von Rossano), hl. (910-1004) 780 Nöbrega, Manuel da SJ (1517-1570) Gründer der brasilianischen Jesuiten-Mission 825 Noä, Vergilius Sekretär der Kongregation für die Sakramente und den Gottesdienst 1788, 1834 Noel, Laurent Bischof von Trois-Riveres 607 Nordhues, Paul Weihbischof in Paderborn 25 Olga (Helga), hl. (gest. 969) Fürstin von Kiew 704f., 1439 Olgiati, Francesco aus Mailand Päpstl. Protonotar; Mitbegründer der Kath. Universität „Sacro Cuore” in Mailand 1296 Olivelli, Teresio 1945 im Vernichtungslager Hersbruck getötet worden 847 Ortas, Antonio Javierre S.D.B. Titularerzbischof von Meta, Berater des Päpstl. Rates für die Kultur 900 Osuchowski, Antonio 560 Paderewski, Ignacy Jan (1860-1941) polnischer Pianist, Komponist und Politiker 560f, Palme, Olof 907 Pani, Ramon, Bruder 838 Papcynski, Stanislaus, Pater 1320 Paradis, Marie-Lionie, Schwester (gest. 1912) am 11.9.1984 in Montreal seliggesprochen worden; Gründerin der Kleinen Schwestern von der hl. Familie v. Sherbrooke (1874) 184, 617, 622f. Pascal, Blaise (1623-1662) franz. Naturwissenschaftler und Philosoph 56, 923, 1416 Pasch, Hans, Dr. Botschafter der Republik Österreich beim Hl. Stuhl 1026 Paschalis I., Papst (817-824) 1480 Patemotte de La Vailie, Alexandre Baron, Botschafter Belgiens beim Hl. Stuhl 1629 Paternianus, hl. (wohl 4. Jh.) erster Bischof von Fano 575 Paul III., Papst (1534-1549) 725 Paul V., Papst (1605-1621) 1827, 1832 Paul VI., Papst (1963-1978) 16, 38, 84f., 89, 96, 119, 122, 134-136, 141f., 145f., 148, 153, 156-158, 165, 172, 188, 191f., 211, 216, 242f., 245, 279, 291, 353, 360, 376, 430, 433, 436f., 441, 508, 662, 669f., 677f., 703, 713, 718, 721f., 728, 767, 777, 831, 834, 842, 845, 855, 860, 870, 914, 949, 1010, 1041, 1056, 1058, 1078, 1096, 1130, 1136, 1146, 1153, 1173, 1214, 1223, 1230, 1232, 1240, 1267, 1270, 1272f., 1277, 1286, 1288f., 1298, 1321, 1351, 1391, 1398, 1400, 1416, 1439, 1461, 1477, 1496f., 1517, 1522, 1545, 1552, 1555, 1566, 1618, 1620, 1657, 1689, 1695, 1706, 1714, 1723f., 1729-1731, 1766, 1769, 1782f., 1826, 1833, 1843, 1851, 1865, 1867, 1875, 1879, 1882f. Paul vom Kreuz (Paolo Francesco Danei), hl. (1694-1775) Gründer der Passionisten und Passionistin-nen 1413, 1415 Paulus, Apostel 3, 17f., 21, 26, 28, 31, 44, 46, 49-51, 71, 75, 77, 80-82, 84, 112-114, 130f„ 143, 147, 150, 213, 229f., 239, 245 , 249, 252, 254, 295, 300f„ 303f., 309, 316, 336, 345, 355, 358, 365, 374, 385, 411, 427, 430, 440, 455, 461, 484f„ 495, 518, 528, 536f„ 544f., 547, 550, 552, 609, 634, 637, 644, 649f„ 655, 657, 1967 660, 668, 672f., 677, 680, 682, 689, 691, 693f., 696, 710, 722, 727f„ 731-733, 735f., 757, 774, 783, 793, 796-799, 802, 804, 813, 818, 832, 849, 853f., 873, 876, 909-912, 921f., 928, 937-939, 953, 958f., 972, 975-980, 982f., 985, 987, 1000, 1005, 1007, 1010-1013, 1016, 1026, 1029, 1032, 1047, 1064, 1069, 1071, 1079-1081, 1085-1087, 1091f., 1094, 1096, 1106, 1117, 1122, 1124, 1129, 1147-1150, 1165, 1172, 1178, 1183, 1237, 1269, 1272, 1278, 1282, 1292, 1294f„ 1307, 1310, 1312-1314, 1321, 1326, 1339f„ 1342, 1348, 1350, 1353, 1355, 1363, 1378, 1414, 1420, 1422, 1424, 1429, 1440, 1448, 1469, 1472, 1476, 1493, 1514-1516, 1518, 1520, 1525, 1532, 1539-1541, 1597, 1607, 1614, 1616, 1623, 1633, 1649, 1666, 1672, 1679, 1684, 1688, 1710, 1764, 1778, 1869 Pellegrini, Pellegrino Architekt 845 Perillo, Francesco Entführter aus San Guiseppe Vesuviano 162 Pertini, Sandro ital. Staatspräsident 1223, 1241 Petrus (Kephas, Simon Petrus), Apostel 34, 39, 41, 83, 85f. 156, 197, 206, 247-249, 252, 254, 290, 335f„ 345, 360, 371, 389, 411-414, 418, 420, 426, 430, 451, 462, 489, 495, 497, 499, 505, 550, 552, 566, 570f., 573f„ 580, 582-584, 588f., 596, 604, 617, 630, 632, 664, 666, 703, 706-708, 728, 746, 755, 798, 802, 805, 808, 813, 832, 904, 906, 921, 943, 945, 948, 972, 977, 980, 1029, 1046, 1069, 1071, 1080, 1115, 1135, 1185, 1206, 1210, 1256f., 1259, 1269, 1278, 1282-1286, 1292, 1294f„ 1307, 1309-1314, 1325, 1329, 1332, 1348, 1366, 1372, 1395, 1401, 1403, 1407, 1432, 1451, 1469, 1486, 1493, 1554, 1574, 1595, 1607, 1611, 1613f„ 1616, 1633, 1643, 1651, 1666, 1672, 1685, 1691, 1714f. Philippus, Apostel 296, 327, 411, 644 Picha, Moric Bischof von Königgrätz 1407 Piche, Paul O.M.I. Bischof von Mackenzie-Fort Smith 726 Pignedoli, Sergio, Kardinal Präsident des Sekretariates für die Nichtchristen (1973-1980) 1041, 1851 Pilatus, Pontius 26-36 n.Chr. Statthalter der Provinz Judäa, entschied den Prozeß Jesu u. ordnete die Kreuzigung an 345f., 583 Pinot, Noel, Abbe, sei. (1747-1794) aus der Diözese Angers; während der Franz. Revolution enthauptet wor den; Seligsprechdung 1926 1012 Pio di S. Luigi (Luigi Campidelli) CP (1868-1899) 1035 Pironio, Eduardo, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute 1476, 1730 Pius IV., Papst (1559-1565) 846, 858f., 1415 Pius V., hl., Papst (1566-1572) 845 Pius VII., Papst (1800-1823) 1600 Pius IX., Papst (1846-1878) 1329, 1432, 1593 Pius X., hl., Papst (1903-1914) 1215, 1217, 1828 Pius XI., Papst (1922-1939) 70, 441, 871, 1154f., 1289, 1599f. Pius XII., Papst (1939-1958) 35, 62, 75, 87, 193, 441, 1134, 1224, 1289, 1535, 1634, 1644, 1725, 1728 Plourde, Joseph Aurele Erzbischof von Ottawa 764, 1356 Poege 293 Popieluszko, Jerzy entführter und ermordeter Priester der Erzdiözese Warschau 214, 216, 222, 1466, 1467 Porres, Martin de (gest. 1639) 827 1968 Potter, Philip A., Dr. Pastor, Generalsekretär des Weltrats der Kirchen 119,435,1878 Poupard, Paul Titularerzbischof, Pro-Präsident des Sekretariates für die Nichtglaubenden und Präsident des Exekutivkomitees des Päpstl. Rates für die Kultur 900, 1855 Proulx, Adolphe E. Bischof von Gatineau-Hull/Kanada 746 Quirinius Statthalter von Syrien 1622 Quiroga, Vasco de Bischof 826 Raffael, Santi (1483-1520) Maler und Architekt 1483 Raguel (Jithro) Vater der Sara, Schwiegervater des Moses 124 Ratzinger, Joseph, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre 1783 Raucaz Bischof, Nachfolger von Bischof Bertreux 368 Reagan Präsident der U.S.A. 287f. Remesal 825 Repin, Guillaume, Dekan aus der Diözese Angers, z.Zt. der Franz. Revolution hingerichtet worden (1793); seliggesprochen am 19.2.1984 101 lf., 1015 Ricci, Matteo (gest. 1610) Chinamissionar 1029, 1031, 1044 Richardson, Sr. Janet 1898 Rimedio, Vincenzo Bischof von Nicastro 774 Rittweger de Moor Baron, ehern. Botschafter Belgiens beim Hl. Stuhl 1629 Robu, Ioan Bischof, Apostolischer Administrator von Bukarest 252, 1595-1597 Rosa von Lima, hl. (1586-1617) 201, 827 Rosa von Viterbo, hl. (um 1233-1252) 99, 411, 413 Ross, William Missionar in Neuguinea (1896) 351 Rossano, Pietro, Msgr. Rektor der Päpstl. Lateran-Universität 1056 Rossi, Agnelo, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung und Großkanzler der Päpstl. Universität Urbaniana 1135,1278 Rossi, Opilio, Kardinal Präsident des Päpstlichen Rates für die Laien 1362 Roy, Maurice, Kardinal 1765 Rubin, Wladyslaw, Kardinal Präfekt der Kongregation für die Orientalischen Kirchen 1327 Rusnak, Michael Bischof von St. Cyril and Methodius of Toronto (byzantinischer Ritus) 703 Ryan, Dermot J. Erzbischof von Dublin; Pro-Präfekt der Kongregation für die Glaubensverbreitung 144 Sacharja (Zacharias), Prophet 997 Sacharow, Jelena 416 Sacharow, Prof. Andrej 416 Sales, Eugenio de Araüjo, Kardinal Päpstl. Rat für die Kultur 900 Salome eine der galiläischen Anhängerinnen Jesu, die der Kreuzigung beiwohnten 1181f. 1969 Salomon König von Israel und Juda (etwa 965-926 v.Chr.) 373, 1174 Samori, Antonio, Kardinal (1905-1983) Archivar und Bibliothekar der Hl. Römischen Kirche 1278, 1501 Samuel Prophet und Richter im AT 997, 1126 Santori (Sanctorius), J.A., Kardinal verfaßte 1584 das erste Rituale Romanum 1832 Sapieha, Adam Stefan ehern. Bischof von Krakau 561 Sara Ehefrau des Tobias, Tochter des Raguel 123-126 Sartre, Jean-Paul (1905-1980) französischer Philosoph und Schriftsteller 1604 Saulus von Tarsus (Paulus) 798, 1313 Sauve, Jeanne Generalgouvemeurin von Kanada 183, 578, 630 Savaryn, Nile Nicholas Bischof der Eparchie Edmonton der Ukrainer 718 Schäfer, Ivo Missionar in Neuguinea (1896) 351 Schambeck, Herbert, Professor (Wien) 1587 Scharf, Albert 1152 Schotte, Jan Bischof, Vizepräsident der Päpstl. Kommission „Justitia et Pax” 1887 Schwery, Henri Bischof von Sitten, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz 420 Seripando, Girolamo, Kardinal (1492-1563) Legat auf dem Tridendinum 859 Serra, Junipero OFM (1713-1784) „Apostel Kaliforniens”, Volks- und Bußprediger 826 Sienkiewicz, Henryk (1846-1916) polnischer Schriftsteller 560f„ 683 Silvestrini, Achille Erzbischof, Sekretär des Rates für die Öffentlichen Angelegenheiten der Kirche 1837 Simeon hebr. Erhöhung, Zeuge der Darstellung Jesu im Tempel 12, 52, 930, 932f„ 985 Simon Petrus siehe: Petrus Simon von Cyrene hebr. Erhöhung; er wird gezwungen, Jesu Kreuz nach Golgata zu tragen 739 Singh, Giani Zail Präsident Indiens 1467 Sixtus IV., Papst (1471-1484) 942 Skarvada, Jaroslav Bischof von Litomyse (Leitomischl) CSSR 1408 Slipyj, Josyf, Kardinal (1892-1984) Titularbischof von Serra, Metropolit der Ukrainer von Lwow, Halyc und Kamieniec 704, 1437-1441 Solano, Francisco OFM, hl. (1549-1610) Missionar bei den Indianern, „Wundertäter der Neuen Welt” 201, 827 Solminihac, Alain de (1593-1659) Chorherr, Abt v. Chancelade u. Bischof v. Cahors, ehrw. 1342 Sorbara, Alfredo im Mai 1984 in Kalabrien entführt 151 Sorrentino, Aurelio Erzbischof von Reggio Calabria, Vorsitzender der Bischofskonferenz von Kalabrien 774, 802 1970 Sosan 293 Soter, hl., Papst (166-174) 1684 Spital, Hermann Josef Bischof von Trier 180 Stammati, Giovanni Bischof der Eparchie Lungro 783 Stephanus, hl. erster Märtyrer der Kirche 262 Stickler, Alfons SDB Erzbischof, Pro-Bibliothekar der Heiligen Römischen Kirche 942 Stoica, Jeremia, sei. Kapuziner 1596 Strambi, Vinzenz Maria, hl. (1745-1824) Bischof von Macerata-Tolentino 1415 Strebler, Joseph in Straßburg verstorbener Missionar 1711 Stucky-Schaller Mitglied der Arbeitsgemeinschaft christl. Kirchen 474 Stuyvenberg, Daniel S.M. Erzbischof (1959) von Honiara, Apostolischer Vikar der Südlichen Salomoninseln 368 Stylianos, Harkianakis orthodoxer Erzbischof von Australien 1307, 1310 Suenens, Leo Jozef, Kardinal Erzbischof von Mechelen-Brüssel 219 Szczepan, Bischof 682 Szeptyckyj, Graf Andreas (Andrei) linierter Metropolit von Lwöw (Lemberg) (1900-1944) 704f., 1438 Szoka, Edmund Bischof von Detroit 681 Taech’ol, Peter Yu 306 Taegon, Andrew s. Kim Tae-gon Tekakwitha, Kateri, sei. (1656-1680) Irokesin 184, 597, 621, 692, 694 Terzani, Carlo 1152 Theodul, hl. 550 Theresia vom Kinde Jesu OCD (Theresia von Lisieux) (1873-1897) 598, 744, 1261, 1424, 1489f. Thomas, Apostel 86, 98, 289f., 607, 1187 Thomas von Aquin (um 1225-1274), hl. bedeutendster Theologe u. Philosoph des Hochmittelalters 19, 219, 620, 943, 1002, 1274, 1305, 1337, 1451, 1531f. Thouret, Johanna Antida, hl. (gest. 1826) 493 Timotheus Schüler des Apostels Paulus 345f., 981, 1071, 1313, 1539, 1616 Tobias Ehemann der Sara 123ff., 130 Togni, Ernesto Bischof von Lugano 427 Tomäsek, Frantisek, Kardinal Erzbischof von Prag 128 Tomko, Jozef Bischof, Generalsekretär der Bischofssynode Rom 1220 Toribio de Benevente OFM genannt Motolina (der Arme), einer der 12 Apostel Mexikos (1524) 825 Toribio, Alfons von Mongrovejo (gest. 1606) Missionar in Amerika 201 Torres Oliver, Juan Fremiot Bischof von Ponce/Puerto Rico 832 Trabalzini, Dino Erzbischof von Cosenza-Bisignano 780 Truquetil 726 Turbanski Botschafter Polens in Genf 1837 1971 Ulrich, hl. (890-973) Bischof von Augsburg 493 Urban II., Papst (1088-1099) 274 Urban VIII., Papst (1623-1644) 690 Ursus, hl. (gest. 424/29) Erzbischof von Ravenna 575 Vachon, Louis-Albert Erzbischof von Quebec 581, 588 Valerianus 1481 Volle, Juan del 825 Vancouver, George, Kapitän 734 Vangeke, Louis Bischof von Bereina/Papua-Neuguienea 535 Vasari, Giorgio (1511-1574) Maler, Architekt und Schriftsteller 846 Vaz, Joseph (1651-1711) „Apostel Ceylons” 1707 Ventulani, Adam, Professor 561 Vergil 904 Ver jus, Henri, Bischof 351 Vianney, Johannes Maria (Jean-Baptiste-Marie), hl. (1786-1859) Pfarrer von Ars, Patron der Seelsorger 511, 1560 Vierira, Antonio 826 Vieuxpont SJ Missionar bei den Micmac-Indianern 597 Vimont SJ Missionar bei den Micmac-Indianern 597 Vinzenz von Paul, hl. (1581-1660) Organisator der Caritas in Frkr.; stiftete 1625 die Kongregation der Lazaristen 511, 1471 Visser’t Hooft, Willem Pastor, Ehrenvorsitzender des Weltrats der Kirchen 119 Vito, Francesco Professor an der Kath. Universität „Sacra Cuore” in Mailand 1296 Vitoria, Francisco de OP (ca. 1483-1546) spanischer Moraltheologe 825 Weber, Anton Alois Bischof von Leitmeritz 1407 Weizsäcker, Richard von, Dr. Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland 1376 Wenzel, hl. (903/5-929) Herzog von Böhmen 1409f. Wetter, Friedrich, Kardinal Erzbischof von München u. Freising 1333 Whelan, Robert L. Bischof von Fairbanks 287 Willebrands, Johannes, Kardinal Präsident des Sekretariats für die Einheit der Christen 1213, 1307, 1492, 1878 Wilson, William A. US-amerikanischer Botschafter beim Hl. Stuhl 1145 Wladimir, hl. (um 960-1015) Großfürst von Kiew 704f„ 1439 Wöste, Wilhelm Weihbischof in Münster 82 Wolfgang, hl., (gest. 994) Bischof von Regensburg 493 Wonhoy 293 Wyszyriski, Stefan, Kardinal (1901-1981) Primas von Polen 688, 1467 Yang’up, Thomas Choe, Pater 295f. Ybarra, Rafaela de Vilallonga, sei. (gest. 1900) Spanierin, Gründerin der Schutzengel-Schwestern 188, 1405 Yelena Königin Kroatiens 1382 1972 Yi, Agatha Koreanische Märtyrerin, die am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen würde 335f. Yi Sunghun erster Christ Koreas 94 Yrjö-Koskinen, Kaarlo Juhana Botschafter Finnlands beim Hl. Stuhl 950 Yu, Augustin Koreanischer Märtyrer, der am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen wurde, Vater des Peter Yu 335 Yu, Peter Koreanischer Märtyrer, der am 6.5.1984 in Seoul heiliggesprochen wurde 335 Yulgok 293 Zacchi, Cesare, Erzbischof Präsident der Päpstlichen Diplomatenakademie 927 Zachäus Oberzöllner in Jericho; Jesus kehrte bei ihm ein 629 Zacharias hebr. Jahwe hat sich erinnert; Vater Johannes’ des Täufers 122, 603 Zago, Marcello OMI Sekretär des Sekretariates für die Nichtchristen 1855 Zeghoudo, Mohammed CMrif 219 Zoungrana, Paul, Kardinal Erzbischof von Ouagadougou 1220 Zwingli, Huldrych (1484-1531) Schweizer Reformator 119, 477 Länder- und Ortsregister Aachen Diözese 220 Abruzzen mittelitalienische Gebirgslandschaft 93 Acadien s. Akadien Acquapendente 415 Diözese in Italien (ehern. Kirchenstaat, heute mit der Diözese Bagnoregio uniert) 99 Ägypten 250, 619, 666, 709, 985, 1111, 1171, 1183, 1255, 1378 Äthiopien 1472, 1474, 1627 Afghanistan 894 Afrika 144, 276, 618, 711, 763, 884, 895, 1173, 1230-1232, 1281, 1315, 1321f., 1362, 1365, 1474, 1489, 1627, 1629, 1712, 1867 Aitape Diözese (vorm. Apostolisches Vikariat) in Papua-Neuguinea, Suffragan von Madang 352, 355 Akadien Landschaft in Kanada, südöstl. der Mündung des St. Lorenz-Stromes 622, 649, 653, 655 Alaska 287f„ 291, 1137 Alatri (Italien) 1615 Albanien 43, 784 Alberta (Kanadische Provinz) 719 Alexishafen bei Madang 353 Aljmas Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Alotau-Sideia Diözese in Papua-Neuguinea 355 Altagracia lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 807 Amerika 585f„ 588, 804-807, 812, 815, 818-823, 844, 1145f., 1430f., 1433 Ancona an der italienischen Adriaküste 1750 Andacollo Marienheiligtum in Chile 1656 Andros Diözese in Griechenland 1685 Angers Hauptstadt des franz. Departements Maine-et-Loire 38, 1012 Angola Staat in Westafrika 1023 Antigua mittelamerikanischer Staat auf den Kiemen Antillen, früher Britische Kolonie 1639 Antillen mittelamerikanische Inselgruppe 1615, 1639 Antiochien in Syrien 57 Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien 1266f„ 1269, 1312, 1882, 1884f. Anyang (Korea) 310 Apulien südöstl. Teil der Apenninhalbinsel/Italien 42f„ 274, 277f. Aranzazu Marienwallfahrtsort in Spanien 806 Arecibo Diözese in Puerto Rico 204 Arezzo italienische Provinzhauptstadt in der Toskana 1749f. Argentinien 208, 1500, 1615, 1643, 1645, 1647f„ 1660, 1747 1975 Armenien 1332 Arona (italienische Stadt) 223, 852f., 855 Ascona im Kanton Tessin/Schweiz 225, 852 Asien 93, 97, 618, 711, 763, 884, 1173, 1255, 1474, 1867 Astorga Ort in Spanien 1751 Augsburg 1038, 1748f., Australien 1023, 1307, 1310, 1439 Auteuil westl. Stadtteil von Paris 1489 Aviano (Italien) 1035 Avignon (Frankreich) 1748 Avila (Spanien) 810 Ayudhaya (Ayuthia, Ayuthya, Ayutthaya, Juthia) ehern. Hauptstadt des Königreichs Siam 38 Apostolisches Vikariat 392 Azul (Argentinien) 1747 Babel nach dem AT Ort der Sprachenverwirrung 1524-1526 Babylon Hauptstadt von Babylonien, im 19. Jh. v. Chr. gegründet 431 Bagnoregio 415 Diözese in Italien 91 Bahamas s. Commonwealth der B. 1639 Bangalore Erzdiözese in Indien 1354 Bangkok Hauptstadt von Thailand 91 Erzdiözese 96, 383, 388, 391 Barbados mittelamerikanischer Staat/Karibik 1639 Barban Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Barbuda mittelamerikanischer Staat 1639 Barcelona 808 Bari Hauptstadt Apuliens/Süditalien 42f., 267f., 272f„ 278, 1284, 1615, 1749, 1849 Basel 1751 Diözese 11 Bayern 41 Beirut Hauptstadt von Libanon 27, 1327 Belgien 145, 1022, 1180, 1199, 1295f., 1629f., 1747 Belize mittelamerikanischer Staat; früher Britisch-Hunduras 890, 1494, 1639, Belo Horizonte Hauptstadt des brasilianischen Staates Minas Gerais 468 Benin Staat in West-Afrika; vor 1975 Daho-mey 1712 Bereine Diözese in Papua-Neuguinea 355 Berlin 1587, 1855, 1858 Bern 488 Besanfon Hauptstadt des französischen Departements Doubs 1748 Bethanien (Betanien) 746, 1141, 1144 Bethlehem nach dem Evangelium Geburtsstadt Jesu 188, 257, 261, 263, 765, 875, 883f., 985, 1102, 1126, 1182, 1360, 1593, 1603f., 1611, 1621-1626, 1628 Betsaida Ortschaft an der Nordseite des Sees Genesa-ret; Heimat der Apostel Philippus, Andreas u. Simon 904 1976 Biskupija bei Knin in Kroatien/Jugoslawien 1366 Bitonto bei Bari 278, 283, 1615, 1749 Bocholt 198 Böhmen 1406-1408 Bogota Hauptstadt von Kolumbien 1748 Bolivien 1615, 1648, 1653 Bologna 1749 Bomana in Papua-Neuguinea 353, 362 Bonn Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland 108 Bosnien 1367 Boston 468 Bougainville Diözese in Papua-Neuguinea 352, 355 Bova Diözese, Suffragan von Reggio Calabria 802 Bozen 208 Brasilien 1023, 1241, 1747, 1752 Breda Diözese in den Niederlanden, Suffragan von Utrecht 169 Brescia 1749f. Diözese, Suffragan von Mailand 11 Brijeg Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Brindisi süditalienische Stadt, Westküste der Adria 1035 Britisch-Kolumbien Provinz in Kanada 719, 730, 734, 737 Bromberg s. Bydgoszcz Brünn (Tschechoslowakei) 1060f., 1063, 1409 Brüssel 1464 Budapest 144 Budweis Diözese in Böhmen (Tschechoslowakei), Suffragan von Prag 1407 Buenos Aires 1644 Bukarest Hauptstadt Rumäniens 1888f., 1892, 1894 Erzdiözese 252, 1595-1597 Bunde Stadt in den Niederlanden 67 Bundesrepublik Deutschland s. Deutschland Burundi Republik in Ostafrika 11 Bydgoszcz (Bromberg) 214 Cäsarea Philippi (Cäsarea) Ort an den östlichen Jordanquellen; nach Mk und Mt Ort des Messiasbe kenntnisses Petri 570, 582f., 585, 588, 1285, 1310 Cagli 575 italienische Diözese in Umbrien, Suffragan von Urbino 51 Cagliari (Italien) 1749 Calgary Diözese in Kanada, Suffragan von Edmonton 719 Cambrai (Frankreich) 1748 Cannobbio (Italien) 852 Canterbury 15 Cap Verde s. Kapverdische Inseln Cape Breton in der Kanadischen Provinz Neuschottland 597, 666 1977 Caques Diözese in Puerto Rico 204 Cardiff 468 Castel Gandolfo Sommerresidenz des Papstes 138f., 156, 170, 181, 1155, 1349, 1359, 1365, 1377, 1384 Castries Hauptstadt der Antilleninsel Santa Lucia 1639 Catania (Sizilien) 1749f. Catanzaro (Süditalien) 784, 787 Erzdiözese 71 Celle di Proconsolare Titularbistum 1595 Chalkedon Kleinasien, 451 Konzil von Ch. 1777, 1883 Chambisy Orthodoxes Zentrum des Ökumenischen Patriarchats in der Schweiz 119,437 Chäteaudun Stadt im franz. Departement Eure-et-Loire 605 Chiavari italienische Hafenstadt 1750 Chicoutimi (Kanada) 1747 Chikago 934 Chile 208, 223, 235,-1500, 1615, 1647, 1654, 1658, 1660, 1663-1665 Ch ’ilgok (Korea) 310 China 94, 288, 333f., 343, 1029-1031 Chiquinquirä Marienwallfahrtsort in Kolumbien 807 Cholm im Verwaltungsbezirk Lublin/Polen 706 Chur 450 Diözese 120, 427 Cluny 1346 Colorado 814 Commonwealth der Bahamas mittelamerikanischer Staat/Karibik 1639 Compostela s. Santiago di Compostella Concepciön (Chile) 1665 Copacabana brasilianischer Marienwallfahrtsort 807 Coromoto lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 807 Cosenza in Kalabrien/Süditalien 778, 780-782, 787 Erzdiözese 780f. Costa Rica Republik in Mittelamerika 1494, 1614f., 1666f., 1669, 1672 Covadonga Marienwallfahrtsort in Spanien 806 Cremona Stadt in der Lombardei/Italien 1750 Crotone Hafenstadt der italienischen Provinz Catanzaro 788f. Cuneo norditalienische Stadt 39 Curitiba (Brasilien) 1752 Dachau 198 Dänemark 1023, 1117 Damaskus z.Zt. Davids mächtige Aramäerstadt; Paulus wird auf dem Weg nach D. bekehrt 979, 1312 Dapango (Togo) 1712 Daru Diözese in Papua-Neuguinea 355 Detroit 681 1978 Deutschland 46, 73, 82, 87, 108, 119, 132, 137, 193, 197, 228, 234, 1023, 1127, 1138, 1748 Bundesrepublik Deutschland 67, 1199, 1230, 1374-1376 Deutsche Demokratische Republik 61 Dillingen/Saar 168, 220 Divaccia in Jugoslawien 140 Djibouti (Dschibuti) Republik in Nordost-Afrika 1022 Dominikanische Republik 204, 811f., 822, 831, 1639, 1650, 1751 Donje Hrasno Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Ecuador s. Ekuador Edmonton Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta 12 Eparchie der ukrainisch-katholischen Kirche in Kanada 704,718 Erzdiözese 718, 723 Edschmiadzin in der Armenischen Sowjetrepublik, Armenisches Katholikat 1328 Einsiedeln Schweizer Wallfahrtsort 116, 118, 120f., 473, 491, 494, 496, 498, 505, 515, 521, 526f., 529, 533, 535, 565 Eisenstadt Diözese in Österreich (Burgenland) 31 Ekuador Republik in Südamerika 207, 1278, 1446-1448, 1450, 1615, 1672-1677, 1748 el Camino Marienwallfahrtsort in Spanien 806 el Carmen lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 807 el Pino Marienwallfahrtsort in Spanien 806 el Rocio Marienwallfahrtsort in Spanien 806 El Salvador mittelamerikanische Republik 200, 1494, 1615, 1679, 1681f. Emmaus Ort in Judäa 333, 336 England 1023, 1199, 1749 Ephesus antike Weltstadt an der Kaystromündung in Kleinasien; 3. Ökumenisches Konzils 431 in E. 4, 7, 440, 1684 Essen Diözese 180, 198 Europa 48, 108, 128, 149, 162, 184, 419, 480-483, 543, 560f., 565, 588, 596, 686, 702, 725, 735, 775, 811, 824, 866, 884, 951, 1045, 1075, 1111, 1128, 1173, 1292, 1367, 1375, 1411f., 1439, 1448f., 1464-1466, 1495, 1607-1609, 1629, 1838, 1856-1858, 1860 Evanston Stadt im Staate Illinois/USA 431 Fairbanks (Alaska) 287-289, 291, 1137 Fano 569-571, 574-576, 1615 exemte mittelitalienische Diözese 571 Fatima Wallfahrtsort in Portugal, Marienerscheinungen jeweils am 13. der Mo nate Mai bis Oktober 1917 92f., 1198, 1633f. Feldkirch Österreichische Diözese, Suffragan von Salzburg 180 Ferner Osten 97 X Fidschi-Inseln 890 Finnland 950f., 1117 Florida 814 1979 Flüeli bei Sächseln (Schweiz, Kanton Obwalden) Geburtsort von Nikolaus v.d. Flüe 117, 484f„ 487, 565 Fort Sainte-Anne (Kanada) 597 Fort Simpson (Kanada) 183, 596, 724 Fort-de-France Erzdiözese und Kirchenprovinz auf Martinique/Antillen 1639 Fossombrone 575 italienische Diözese mit der Diözese Fano uniert 51 Frankreich 561, 581, 584, 605, 621, 1022, 1127, 1183, 1199, 1427, 1430, 1495, 1748 Freiburg (Breisgau) 1749 Erzdiözese 21 Freiburg (Schweiz) 121, 440, 445, 448-450, 456f., 463, 466, 468, 473, 561, 565 Diözese 120, 427, 459 Schweizer Kanton 458 Fribourg s. Freiburg (Schweiz) Fulda 1749 Diözese 41 Galiläa Landschaft zwischen dem oberen Jordantal und dem Mittelmeer 570, 575, 582, 603, 835, 852, 1223, 1237, 1307, 1311, 1520, 1574 Galway (Irland) 468 Gambier-Inseln (Polynesien) 1345 Gatineau-Hull (Ottawa) 741 Genezareth See in Galiläa 570, 804 Genf 119, 429, 488, 1231, 1842, 1854 Diözese s. auch Lausanne-Genf-Freiburg 41 Genovas. Genua Gent (Belgien) 1747 Genua 1750 Gerace Locri Diözese in Italien, Suffragan von Reggio Calabria 802 Gerovo Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Getsemani am Fuß des Ölbergs, Jerusalem 974f. Ghana Republik in Westfarika 1183 Golgata 820, 922, 974, 1014 Goroka Diözese in Papua-Neuguinea 355 Gospa od Otoka Marienheiligtum in Solin/Jugosla-wien 1366, 1370 Grenada Staat in Mittelamerika/Karibik 1639 Grenadinen Inselgruppe der Kleinen Antillen, neuer Staat in Mittelamerika 1639 Griechenland 844, 1615, 1684 Grouard-McLennan Erzdiözese in Kanada 719 Guadalupe Marienwallfahrtsort in Spanien (Provinz Cäceres) 806 Guadalupe (Hidalgo), Stadtteil der Stadt Mexiko Hauptwallfahrtsort und Nationalheiligtum von Mexiko 807 Guatemala Republik in Zentralamerika 1494, 1583 Guinea Republik Äquatorial-Guinea in West-Afrika 1615 Guinea-Bissau Republik in West-Afrika 1023 1980 Gurk-Klagenfurt Diözese in Kärnten/Österreich, Suffragan von Salzburg 37 Halifax 183, 613, 656-658, 664, 666 Erzdiözese in Kanada 666, 669 Halyc (Halle) Unierte Metropolie mit Sitz in Lemberg 1438 Hammanskraal (Republik Südafrika) 1752 Haran im Lande Ur in Chaldäa, Heimat Abrahams (Gen 11,31) 1068 Harare Südafrikanische Region 1350 Helsinki Hauptstadt von Finnland 951 Hersbruck Vernichtungslager in Mittelfranken, Kreis Nürnberg 847 Herzegowina (Jugoslawien) 1367 Hildesheim Diözese 67 Hilversum Stadt in den Niederlanden 67 Hippo (Hippo Regius) ehern, antike Stadt beim heutigen Annaba in Algerien gelegen 1331, 1684 Hiroshima — (Nagasaki) über diese Städte wurden die ersten beiden Atombomben abgeworfen 1588, 1838, 1843 Holland 1214, 1750 Honduras Republik in Mittelamerika 1494 Honiara Hauptstadt der Salomoninseln 31 Erzdiözese 95, 360 Hüll Stadt in der Provinz Quebec 744 Huronia Ort in Midland/Kanada; Heiligtum der kanadischen Märtyrer 184, 596, 688, 690, 692, 694 Indiana Staat der USA 622 Indien 221, 735, 1023, 1267, 1467, 1752 Innsbruck 1438 Irak 68, 416, 895 Iran 68, 416, 895 Irland 1023 Island 1117 Isias Canarias (Kanarische Inseln) spanische Inselgruppe vor der NW-Küste Afrikas 1751 Israel 883, 892, 932, 1111, 1127, 1176 Istrien Halbinsel in der Adria, zu Jugoslawien gehörig 1367 Italien 27, 93, 122, 182, 194, 216, 235, 263, 268, 278, 411, 571f„ 575, 618, 775, 782-784, 793, 796, 801, 920, 934, 1003' 1017, 1022, 1068, 1111, 1119, 1124, 1139, 1157, 1164, 1183, 1223-1226, 1242-1244, 1257, 1284, 1290, 1296f., 1299f., 1400, 1615, 1749, 1849 Ivrea Gemeinde in der italienischen Provinz Turin 1749 Jamaica 1639 Japan 94, 1023, 1183, 1588f., 1752 Jasi (Jassy) Diözese in Rumänien, Suffragan von Bukarest 252 Jasna Göra (Polen) Kloster bei Tschenstochau 149, 155, 471, 563 Jericho 990 1981 Jerusalem Hauptstadt Israels, Mittelpunkt des jüd. Volkes 25, 69, 109, 246-248, 252f„ 273, 327, 333f„ 373, 423, 426, 539, 582,698, 824, 882-885, 931, 936, 971, 990, 1114, 1163-1165, 1168, 1173-1176, 1215, 1254-1257, 1265f., 1280f., 131 lf., 1328, 1516, 1622, 1762 Judäa Wohnsitz der Juden nach der Babylonischen Gefangenschaft (um Jerusalem), schließlich das Reich Herodes’ des Gr. 334, 852, 1237, 1255 Jugoslawien 140, 1366, 1368, 1371, 1383, 1750 Kaiserslautern 87 Kalabrien Region in Süditalien 151, 773-777, 780-782, 784, 786-789, 792, 794, 796f., 799, 801f., 1127, 1615 Kambodscha 895 Kamieniec (Kamenez-Podolskij) Diözese in der Westukraine 1438 Kamloops Diözese in Britisch-Kolumbien (Kanada), Suffragan von Vancouver 731 Kana Ort in Galiläa 21, 52, 835f. Kanaan Wohngebiet im Westjordanland; biblischer Name des den Patriarchen verheißenen Landes 1068 Kanada \16, 181, 183-187, 202, 577f., 583f„ 586-589, 597, 601f., 605f., 609f., 612, 615, 617f., 621-623, 633-635, 637, 639, 641, 646f., 669f., 676f„ 681-688, 690, 694, 699-701, 704f., 710-714, 722-725, 727, 729, 737f. 745-748, 750, 753, 760f., 763, 770f. 813f., 1022f., 1439, 1615, 1747 Kappadozien antike Landschaftsbezeichnung für das östl. Kleinasien 1255 Kapverdische Inseln (Kapverden) Inselgruppe vor der Westküste Afrikas 890, 1023 Karibik (Karibische Inseln/Kleine Antillen) 803 Karthago 1684 Katalonien Landschaft in Spanien 1488 Kavieng Diözese in Papua-Neuguinea auf der Insel Neuirland 355 Kehrsatz (Schweiz) 473, 476, 479 Kenia (Kenya) Republik in Ostafrika 123, 1023, 1183, 1362, 1365 Kerema Diözese in Papua-Neuguinea 355 Kieta Hafenstadt auf Bougainville (Salomoninseln) 352 Kiew 706 Kilikien (Armenien) Landschaft im SO des antiken Kleinasien 1328 Kingston in Jamaica; Erzdiözese 1639 Kinshasa Hauptstadt der Republik Zaire 144 Kitts-Nevis s. Saint Christopher-Nevis Kleinasien 651, 1492 Knin Stadt in der Volksrepublik Kroatien/ Jugoslawien 1366 Köln 780 Erzdiözese 82, 102, 187, 780 Königgrätz (Hradec Krälove) Diözese in Böhmen/Tschechoslowakei, Suffragan von Prag 1407 Kolumbien 1748 Kondzilo Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 1982 Konstantinopel 275, 651, 654f. Konzil 76 Patriarchat 133, 650, 702, 1307, 1328, 1492 Konstanz 485 Korea 87, 92-95, 200, 286f„ 292-300, 302, 306-308, 311, 315, 324-329, 331f., 334f., 338, 340-345, 347, 1023, 1137, 1183, 1241, 1258, 1260, 1426-1428, 1430, 1615 Korinth griechische Hafenstadt; Paulus schrieb zwei Briefe an die Gemeinde 295, 911, 1295, 1476, 1514, 1684, 1764 Kottayam (Indien) 1752 Krakau 560f., 681, 706, 1046, 1233, 1341 Krakau-Vorstad 155 Kroatien (Jugoslawien) 1366, 1381 Kundiawa Diözese in Papua-Neuguinea 355 Kwangju (Kwangdschu, Kwang Ju) Stadt in Südkorea 95, 296, 302, 304 la Almudena Spanischer Marienwallfahrtsort 806 la Aparecida Lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 807 Labrador 633, 637 La Buissiere-Tournai (Belgien) 1747 la Candelaria Spanischer Marienwallfahrtsort 806 Lae Diözese in Papua-Neuguinea, Suffragan von Madang 355 la Fuensanta Spanischer Marienwallfahrtsort 806 Lamezia Terme (Amato) in Kalabrien/Italien 774 Laos 1752, 1853 Las Angustias Spanischer Marienwallfahrtsort 806 Lateinamerika 201f„ 205, 618, 763, 771, 804-806, 811-813, 1128, 1281, 1474, 1676, 1714, 1761, 1768, 1867 La Tirana Marienheiligtum in Chile 1656 Latium Region in Mittelitalien 93 Lausanne Diözese 427 Lausanne-Genf-Freiburg (Schweiz) Diözese 120, 427 La Verna (Alverna, Alvernia) Berg bei Arezzo in der Toscana/Ita-lien 1033 Lazzaro in Kalabrien 151 Lecco Stadt in der italienischen Provinz Co-mo 38, 1015 Leitmeritz (Litomerice) 1748 Diözese in Böhmen/Tschechoslowakei, Suffragan von Prag 11 Lemberg (s. Lwow) (Westukraine) 705, 1438 Leon Stadt in Nicaragua 1751 Lesotho Königreich im südl. Afrika (früher britisches Protektorat Basutoland) 1615, 1688f. Leutschau (Levoca) Stadt in der Ostslowakei/Tschechoslowakei 133 Levoca (Leutschau) 133 Libanon 26f„ 32, 894, 938f., , 1176, 1201-1207, 1281 Libyen 1255 1983 Ligurien italienische Region am Golf von Genua 53 Limburg 1749 Diözese 21 Limburg Stadt in Belgien 1180 Lisboa s. Lissabon Lissabon (Lisboa) Hauptstadt Portugals 468, 1751 Lisieux (Frankreich) 337, 1261, 1748 Litauen 46-48, 169, 171, 1039, 1045f., 1050, 1372, 1748 Litomefice (Tschechoslowakei) 1748 s. Leitmeritz Lluch spanischer Marienwallfahrtsort 806 Lomi Hauptstadt von Togo/Afrika 1712 London 1345, 1749 Loreto Marienheiligtum in Italien 574, 1284, 1849 Los Angeles 1344 los Desamparados spanischer Marienwallfahrtsort 806 los Heyes spanischer Marienwallfahrtsort 806 Lourdes Marienwallfahrtsort in Südfrankreich (Marienerscheinungen 1858 in der Grotte von Massabielle) 468, 763, 952-954, 997, 1015, 1178, 1212, 1594 Lo Väsquez Marienheiligtum in Chile 1656 Lucca ital. Prov.-Hauptstadt in der Toskana 1750 Lucknow (Lakhnau) Hauptstadt des Staates Uttar Pradesch/ Indien 1752 Lugano 419, 423, 565, 1751 Diözese 14 Lujän Marienwallfahrtsort in Argentinien 807, 1648 Luzern 120, 450, 467, 537, 542, 548, 565 Lwow (Lemberg) 705 Lyon 1684, 1748 Macerata Stadt in Italien 1749 Maciejowice Stadt in der Woiwodschaft Warschau; Schlacht am 10.10.1794 560 Madagaskar 144 Madang Metropolitansitz in Papua-Neuguinea; Suf-fragandiözesen Aitape, Lae, Vanimo und Wewak 352f., 355 Madrid Hauptstadt Spaniens 805, 810, 1751 Mähren (Morava) Landesteil der Tschechoslowakei 702, 1060, 1407-1409 Mailand (Milano) 224, 263, 840, 848f., 852, 859f., 1013, 1239, 1627, 1684, 1749f., 1832 — Erzdiözese 840, 842, 846, 849, 855-857, 861, 1015, Mainz Diözese 206, 213 Maipu Marienheiligtum in Chile 1656 Malaysia 1023 Mallersdorf in Niederbayern 198 1984 Malta Insel und Staat im Mittelmeer; Staat auf der gleichnamigen Inselgruppe zwischen Sizilien u. der Aripolitanischen Küste 11 Managua Erzdiözese in Nicaragua 137 Mangareva auf den Gambier-Inseln in Polynesien 1345 Manitoba Stadt und Provinz in Kanada 708, 711 Mariazell Marienwallfahrtsort in Österreich 1441 Marija (Marika) Bistrica (Kroatien) Marienwallfahrtsort in Jugoslawien 1366, 1370f., 1382 Mariquita (Chile) 1665 Marituba Leprastation 1241 Marocco 1752 Marseille Erzdiözese 1473, 1495 Massa („Versuchung”) Station auf dem Wege der Israeliten von Ägypten zum Sinai, z.B. Ex 17,1; s. auch Meriba 1112f. Massabielle Marienerscheinungsort in der Grotte von M. in Lourdes, Diözese Tarbes 953 Matupitinsel in Papua-Neuguinea 351 Mayrhofen im Zillertal 87 Maysgüez Diözese in Puerto Rico 204 Medellin Stadt in Kolumbien 816, 819, 827, 1618, 1668, 1697, 1748, 1766f. Melanesien Inselgruppe im westl. Stillen Ozean, wozu u.a. auch Neuguinea und die Salomoninseln gehören 1690f. Memramcook in Akadien (Kanada) 622 Mendi Diözese in Papua-Neuguinea, Suffragan von Mount Hagen 355 Meriba („Hader”) Bezeichnung der Stätte in Raphi-dim auf dem Wüstenzug der Israeliten (z.B. Ex 17,1) — Hadern mit Gott wegen Wassermangel.— s. auch Massa 1112f. Mesopotamien 1255, 1468 Messina Erzdiözese auf Sizilien 802 Mexico City 1249, 1887 Mexiko 34, 468, 814, 1022, 1750 Midland (Kanada) 183, 726f. Mikronesien Inselgruppe im nordwestl. Stillen Ozean 1690f. Milano s. Mailand Mileto in Kalabrien 774 Mittel- und Osteuropa 46 Mittelamerika 894, 1494f„ 1668 Mocambique s. Mosambik Molise Landschaft und Region im südl. Apennin in Mittelitalien 93 Molve Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Monoton in Neu-Braunschweig/Kanada 183, 648f„ 655 Mondovi Stadt in Italien 1750 1985 Montefiascone 415 Diözese in Italien 98 Monterrey (Mexiko) 1750 Montevideo Hauptstadt von Uruguay 1751 Montreal 183, 590, 609, 617, 620f., 623, 625, 726, 1747 Montserrat Benediktinerabtei und Wallfahrtsort (schwarze Madonna) bei Barcelona 806 Morbio Inferiore Marienheiligtum in der Schweiz 419 Mosambik Volksrepublik in Südost-Afrika 1023, 1627 Mount Hagen (Papua-Neuguinea) 354, 359 Metropolitansitz; Suffragandiözesen Goro-ka, Kundiawa, Mendi und Wabag 352, 355, 360 München 128, 1333f., 1748 und Freising, Erzdiözese 18 Münster Diözese 78, 82, 198 Mykonos Diözese in Griechenland 1685 Myra Bischofsstadt in Kleinasien 268f., 271, 273 Nagoya (Nagoja) ' Hafenstadt in Mittel-Honschu/Japan 1752 Nairobi Hauptstadt von Kenia 123, 1362, 1394 Namibia (Südwestafrika) 892, 1322 Napoli s. Neapel Naxos Diözese in Griechenland 1685 Nazaret in Galiläa nach dem Evangelium Wohnort der Eltern Jesu 7, 35, 57f„ 78, 132, 138, 163, 200, 220, 229, 234, 246f., 251, 255, 263f„ 294, 321, 323, 435, 443, 493, 526f., 539, 542f., 546, 555, 570, 589, 603, 622, 627, 640, 663, 697, 715, 726, 779, 798, 815, 876, 885, 1052, 1063, 1070, 1081, 1083, 1091, 1102, 1111, 1124, 1140f., 1164f., 1168f., 1171, 1179, 1182, 1237, 1284, 1360, 1396, 1451, 1487f„ 1514, 1593, 1623, 1625 Neapel 13, 263, 1627, 1749f. Neerpelt (Belgien) 1180 Nelson Diözese in Britisch-Kolumbien (Kanada), Suffragandiözese von Vancouver 731 Nepal 890 Neu-Braunsch weig Kanadische Provinz 649 Neubritannien bedeutendste Insel des Bismarckarchipels, Neuguinea 351, 353, 355 Neu-Delhi 221f., 431 Neufundland Provinz in Kanada 633 , 637, 639, 641f., 646f. Neuguinea größte Insel Melanesiens 95, 351, 355 Neu-Schottland Provinz in Kanada 658, 666, 669 Neuseeland 367 New Westminster Eparchie der ukrainisch-katholischen Kirche in Kanada 704, 731 New York 622 Sitz der UNO 18 Nicaragua Staat in Mittelamerika 137f., 1494 Nicastro in Kalabrien/Italien 774, 787 Niederlande 1183, 1199 Niedersachsen 126 1986 Nigeria 1023 Nin in der Sozialistischen Republik Kroatien/Jugoslawien 1366, 1370, 1382 Nizäa Konzil von 325 732, 1883 Nodup Papua-Neuguinea 351 Nordamerika 578, 583f„ 597, 724 Nordkorea 95 Norwegen 890, 1117 Noumea Diözese in Neukaledonien, Insel im westl. Stillen Ozean 371 Novara 1749 Diözese in Norditalien, Suffragan von Vercelli 88 Österreich 37, 46, 73, 82, 87, 108, 132, 137, 175, 193, 197, 228, 234, 1023, 1026f„ 1138, 1747, Ogliastro (Italien) 1750 Olmütz in Mähren/Tschechoslowakei 1409 Olovo Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Ontario Provinz in Kanada 184, 690, 764 Oppido-Palmi (Mamertina) 774 Diözese in Kalabrien, Suffragan von Reggio Calabria 81 Orient 883f. Orleans 1748 Osnabrück Diözese 102, 187 Ostasien 1281 Osteuropa 46, 711, 735 Ost-Neuguinea Apostolisches Vikariat 355 Otok k. Solina Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Ottawa 183, 578, 741, 744, 746f„ 754, 764, 770f., 1356, 1358 Erzdiözese 74 Ottawa/Hull Industrievorort von Ottawa 183 Ouagadougou (Wagadugu) Hauptstadt von Obervolta 1230 Oudenbosch im Bistum Breda in der niederländischen Provinz Nordbrabant 169 Ouidah Stadt in Benin (West-Afrika) 1712 Ozeanien 38, 93, 97, 162, 1348 Paderborn 1749 Erzdiözese 84 Paeron Stadt in Korea 296 Palästina (zur Zeit Jesu) 852, 1313, 1520 Pamphylien antiker Name der südanatolischen Küstenebene 1255 Pamplona Hauptstadt der spanischen Provinz Navarra 1751 Panama 1494f. Paola in Kalabrien 787, 800 Papeete Kirchenprovinz in Polynesien 162, 1345 Papua Küste Neuguineas; Apostolisches Vikariat 351, 353, 355 1987 Papua-Neuguinea (Ozeanien) 87, 92f., 95-97, 285, 287, 350-360, 363f., 374f., 1015, 1137, 1615 Paraguay 826, 1615, 1695f., 1698, 1700f. Parigi s. Paris Paris Hauptstadt Frankreichs 337, 468, 1427, 1489, 1748 Pavia 843f„ 846f. Diözese, Suffragan von Mailand 88 Peking Hauptstadt von China 334, 343, 1426 Pergola 575 italienische Diözese mit der Diözese Cagli uniert 58 Persischer Golf 114 Peru 1615, 1701, 1704 Petersplatz 3 Phanat Nikhom Flüchtlingslager in Thailand 97f., 381, 393, 402, 1315 Philadelphia Erzdiözese in Pennsylvania/USA 681 Philippi Stadt in Makedonien 649 Philippinen 202, 805, 813, 1023 Phrygien Landschaft im inneren Kleinasien 1255 Pidlassia in der Ukraine 706 Piemont (Norditalien) 188 Pilar Marienwallfahrtsort in Spanien 806 Point Cruz (Salomoninseln) 367 Polen 46, 48, 149, 155, 214, 445, 457, 560f„ 563, 605, 681f„ 684, 686-688, 1046, 1223, 1466, 1750, 1837 Polynesien 161f„ 1345, 1349, 1690f. Pompei (Pompeji) 194, 1284, 1849 Ponce Diözese in Puerto Rico 204 Pontus (Pontos) Küstenlandschaft am Südufer des Schwarzen Meeres 1255 Port-au-Prince Hauptstadt Haitis 822 Port Moresby (Papua-Neuguinea) Metropolitansitz; Suffragandiözesen Alo-tau-Sideia, Bereine, Daru und Kerema 350, 355, 357, 359, 363, 374 Port-of-Spain Erzbistum auf Trinidad 1639 Portugal 201f., 813, 1023, 1751 Pozzuoli Diözese in Kampanien/Italien 774 Prag 128, 1407 Prato Stadt in der Toscana/Italien 1750 Premia de Mar (Ekuador) 1448 Prince Edward Island (Prinz-Eduard-Insel/Kanada) 658, 666, 669 Prince Georg Diözese in Britisch-Kolumbien (Kanada), Suffragandiözese von Grouard-McLennan 731 Principe Insel im Golf von Guinea (West-Afrika); s. auch Saö Tome 1023 Puebla (Mexiko) 807, 816, 819, 822, 827, 1618, 1646, 1652, 1668-1670, 1673, 1677, 1697, 1765-1767, 1782, 1898 Puerto Rico 204f„ 807, 832-834, 836f., 1615 1988 Puhunggol Stadt in Korea 296 Punjab (Pandschab) indischer Staat 115 Pusan Stadt in Korea 95, 320 Quebec (Kanada) Stadt und Provinz in Kanada 578, 582-584, 587, 589-591, 601, 609, 618, 623, 625f„ 632, 771, 1747 Erzdiözese 183f., 578, 581, 588, 610, 617 Quito Hauptstadt von Ecuador 1449, 1748 Sabaul Hafen der Matupitinsel (Gazelle-Halbinsel), Neubritannien, Metropoli tansitz in Papua-Neuguinea; Suffragandiözesen Bougainville und Kavieng 351, 355 Rama Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Ranft Einsiedelei des Nikolaus v. Flüe, am Eingang des Melchtales, Kanton Obwalden/Schweiz 117f., 484f„ 490 Rapperswil im Kanton St. Gallen/Schweiz 561 Refidim (Rephidim, Raphidim) Station der Israeliten vor der Ankunft am Sinai; Schauplatz der Wasserspende aus dem Felsen (Ex 17,1; 19,2) 1111 Regensburg Diözese 86, 260, 1263 Reggio (heute: Reggio Calabria) Paulus (Apg 28,13) besuchte diesen Ort 798f. Reggio Calabria 193, 774, 787, 792, 797 Erzdiözese 72 Reggio Emilia Stadt in Norditalien 1750 Reiting (Österreich) 82 Remete Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Republik Südafrika 1752 Rhegion antike Stadt in Unteritalien, heute Reggio Calabria 797, 801 Rheinland-Pfalz 187 Ribeiräo Preto Stadt im brasilianischen Bundesstaat Sao Paulo 1747 Rimini Stadt an der Adriaküste/Italien 1749 Riva del Garda in der italienischen Provinz Trient 1410, 1412 Rocca di Papa italienische Gemeinde i. d. Albaner Bergen 180 Roermond niederländisches Bistum in der Provinz Limburg, Suffragan von Utrecht 175 Rom 13, 46, 48, 57f., 133, 139, 145, 170, 187, 206, 208, 215f., 239f„ 250, 252, 275, 286, 292, 302, 334, 374f„ 411f., 418, 420, 424, 429f„ 435, 468, 474, 484, 495f„ 498, 500, 505, 516, 542, 544, 547, 550, 564, 579, 581-584, 588, 595, 597, 602, 609, 617f„ 621, 638, 656, 676, 692, 702-704, 747, 796, 798, 802, 805, 813, 819, 822, 832, 844, 859, 899, 902-906, 930, 934, 936, 997, 1003f., 1011, 1029, 1032, 1039, 1050-1053, 1055, 1059, 1068, 1079, 1112, 1117-1119, 1127, 1129, 1136, 1139, 1157, 1176-1178, 1180, 1185, 1188, 1198, 1213-1215, 1218, 1223f„ 1237, 1255, 1257, 1259, 1265, 1267-1269, 1283f„ 1286, 1294f., 1299f„ 1310, 1312f„ 1326f., 1329f., 1333, 1336, 1338, 1341, 1349, 1366f., 1383, 1399, 1403, 1406f., 1420, 1430f., 1438f., 1451, 1454, 1464, 1468f„ 1479, 1493, 1510, 1518, 1574f., 1583, 1596, 1600, 1606f., 1621, 1625, 1629, 1631, 1633-1635, 1644, 1661, 1666, 1668, 1672, 1684f„ 1695, 1711, 1713, 1749, 1751, 1783, 1832, 1852, 1854, 1882, 1898, 1904 Rooke Insel Papua-Neuguineas 350 1989 Rossano Stadt in Süditalien 780 Rottenburg-Stuttgart Diözese 67, 86 Rotterdam 1750 Rumänien 1595f., 1837 Rußland 1849 Sabina und Mandela (Sabina e Poggio Mirteto) suburbikarisches Bistum, zur Kirchenprovinz Rom gehörig 1278 Sächseln Grab des hl. Nikolaus v. Flüe, Kanton Obwalden/Schweiz 490 Sahelzone 896, 1229-1231, 1474 Saint Boniface Erzdiözese in der kanadischen Provinz Manitoba 712 Saint Boniface b. Winnipeg 183, 709 Saint Christopher-Nevis (St. Kitts-Nevis) Parlamentarisch-konstitutionelle Monarchie in Mittelamerika/Karibik 1639 Sainte Anne de Beaupre (Kanada) 183, 596f., 726 Sainte-Foy (Kanada) 578, 1748 Saint-Flour (Frankreich) 1748 Saint John’s s. St. John’s Saint Kitts-Nevis s. Saint Cristopher-Nevis Saint-Lucia Antilleninsel in der Karibik/Mittelamerika, konstitutionelle Monarchie 1639 Saint-Maurice (St. Moritz) Augustiner-Chorherren-Abtei im Kanton Wallis/Schweiz 117, 120f. Saint Paul (in Alberta) Diözese in Kanada, Suffragan von Edmonton 719 Saint Vincent, Grenadinen Konstitutionelle Monarchie in der Karibik-/Mittelamerika 1639 Salamanca (Spanien) 825, 1751 Salomoninseln (Salomonen) in Ozeanien Apostolisches Vikariat 87, 92f., 95-97, 285, 287, 352, 355, 359f., 363, 367-374, 1137, 1615 Salona s. Solin antike Stadt bei Split/Jugoslawien 1367 Saloniki Apostolisches Vikariat in Griechenland 1685 Saluzzo (Italien) 1750 Salzburg Erzdiözese 61, 180 Samaria Zentralpalästinensische Landschaft zwischen Judäa und Galiläa, dem Jordan und der Saron-Ebene — Hauptstadt des israelitischen Nordreiches 411, 852, 990 Sampran (Thailand) 387 Sandwich-Inseln (Hawai-Inseln) 1348 San Giuseppe Vesuviano in der italienischen Provinz Neapel 162 San Jose Hauptstadt von Costa Rica 1667 San Juan (de Puerto Rico) Erzdiözese in Puerto Rico 204f., 832 Sankt Gallen s. St. Gallen Sankt Martin Gsies s. St. Martin Gsies San Marco in Kalabrien 774 San Martino Spino di Mirandola (Italien) 208 San Salvador Hauptstadt El Salvadors 1679 Santa Maria del Monte Marienwallfahrtsort nordwestlich von Va-rese auf dem Sacro Monto 840f. 1990 Santander (Spanien) 1751 Santiago Hauptstadt Chiles 1656, 1658 Santiago di Compostella (Spanien) 573, 806, 1751 Santo Domingo 200-205, 807, 810-812, 820f., 1615, 1618, 1646, 1653, 1751 Erzdiözese in der Dominikanischen Republik 811 Saö Paulo Stadt an der Ostküste Brasiliens 1747 Sao Tomi Demokratische Republik S.T. und Principe (West-Afrika); früher portugiesische Überseeprovinz 1023 Saragossa (Spanien) 201, 205, 804-808, 822 Saskatchewan kanadische Provinz 719 Saskatoon Eparchie der ukrainisch-katholischen Kirche in Kanada 704 Sasso di Locarno Marienheiligtum in der Schweiz 419 Schlesien 1408 Schutterwald Gemeinde im Kreis Offenburg/Baden-Württemberg 155 Schweden 890, 1023, 1117 Schweiz 46, 73, 78, 82, 108, 114, 116-119, 121, 137, 193, 197f., 228, 234, 417-421, 424, 428f„ 440, 443, 445, 457, 461, 466f„ 472-474, 477f., 480, 483, 485, 487, 489, 495, 498f., 505f„ 513, 515, 518, 527f., 533, 537, 539-541, 543, 545, 548, 550, 554-556, 558-566, 828, 1022f„ 1199, 1325, 1615, 1751 Schwyz Schweizer Kanton 117 Senegal 1489 Seoul Hauptstadt von Korea 94f., 295f., 298, 311, 315, 324, 327, 332f„ 338, 340, 344, 348, 468, 1427 Seoul-Kimbo Flughafen in Korea 292 Serra Titelbistum in Nordafrika 1438 Sherbrooke Erzbistum in der kanadischen Provinz Quebec 622 Shortlandinseln (Neuguinea) 352 Sibirien 1438 Sidon alte Hafenstadt Phönikiens, heute Saida 939 Sinj Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Sirminum (Sirmium — Sirmien/Srem) in Kroation/Jugoslawien 1367 Siroki Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Siscia (Jugoslawien) 1367 Sitten 548, 555, 557-559, 563-565 Diözese 120, 427, 550, 553, 558 Skandinavien 1117 Skrpjel Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Slowakei 133, 701f., 1408 Soletta (Schweiz) 560 Solin Stadtteil von Split in Kroatien/Jugoslawien 136 Sorokdo koreanische Insel Leprastation 95, 308 Spanien 201f., 204f., 804-806, 808-810, 813, 822, 1022, 1199, 1488, 1615, 1751 1991 Speyer Diözese 206 Split Diözese 1382 Sri Lanka 1615, 1707-1709, 1752 St. Gallen Diözese 120, 427 St. John’s (Neufundland) 183, 633, 637, 642 St. Martin Gsies in der Provinz Bozen 208 Stans (Schweiz) 485 Steiermark 180 Steinbach im Odenwald 157 Stockholm Hauptstadt Schwedens 1838 Straßburg 1711 Stuttgart 209 Suava (Suva) in Polynesien 1692 Südafrika 223, 1350, 1353 Republik Südafrika 12 Südamerika 711 Südetrurien 415 Südkorea 95, 285 Südostasien 457 Südtirol 46, 132 Suwon (Su-Won) in Südkorea 296 Suyapa lateinamerikanischer Marienwallfahrtsort 807 Sychar (Sichar) samaritanische Stadt, in der Nähe des Jakobsbrunnen 1111 Sydney (Australien) 353 1992 Syrakus 774, 797 Syrien 649 Taegu Stadt in Korea 95, 296, 316 Tahiti 1346f., 1694 Taiwan 1023, 1029, 1031, 1615 Tanger (Marokko) 1752 Tanzenberg in der Diözese Gurk-Klagenfurt/Österreich; Bischöfl. Seminar Marianum 37 Tarsus türkische Stadt, Geburtsort des Apostels Paulus 793, 798, 958, 1312f., 1688 Teheran 394 Tekije Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Tessin 428 Thailand früher Königreich Siam mit der Hauptstadt Ayuthia 87, 92f., 96-98, 285, 287, 375-378, 381-383, 385-388, 390-394, 397f„ 400-403, 1023, 1137, 1315, 1615, 1853 Tibet 1853 Tinos Diözese in Griechenland 1685 Togo Republik in West-Afrika 1615, 1710f. Togwon Stadt in Korea 296 Torino s. Turin Toronto 183,' 185, 671, 677, 681, 686, 695, 699f. Erzdiözese 681, 684 Eparchie der ukrainisch-katholischen Kirche in Kanada 701-704 Torun Stadt in Polen 214 Toskana Region in Mittelitalien 1127 Tours 1748 Trebinje Diözese in der Herzegowina 1367 Treviso (Italien) 1750 Trient 1410 Konzil von T. tragte 1545/47, 1551/52 u. 1562/64, legte die kath. Lehre in den Hauptpunkten fest und stärkte das Papsttum 21 Trier 1749 Diözese 11 Trieste 1749 Trinidad-Tobago Republik in Süd-Amerika 1639 Troia 1750 Trois Revieres 83, 603, 1747 Diözese in Kanada, Suffragandiözese von Quebec 607 Tropea in Kalabrien 774, 787, 1750 Trsat Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Tschechoslowakei 133, 1183, 1408, 1748 Tschenstochau Marienwallfahrtsort in Polen 683, 688 Tumleo Insel bei Aitape in Neuguinea 352 Turin 1035, 1750 Tuscania 99, 415 s. Viterbo-Tucania Tyrus (Tyros) Handelsstadt in Phönikien 939 Uji Marienwallfahrtsort in Spanien 806 Ukraine 704, 706f. Umbrien Region in Mittelitalien 90, 93 Unionville/Toronto (Kanada) 183, 701 Unterwalden Schweizer Kanton 117 Uppsala 433 Ur antike Stadt im südl. Babylonien; Abraham zog von hier nach Kanaan 1068 Uri Schweizer Kanton 117 Uruguay Republik in Südamerika 1751 USA s. Vereinigte Staaten von Amerika Utrecht 1214 Valencia 1751 Vallombrosa ehemalige Benediktinerabtei in Italien 1317 Valsesia in der Diözese Novara (Norditalien) 851 Valyanera Marienwallfahrtsort in Spanien 806 Vancouver (Kanada) Haupthafen Kanadas am Pazifischen Ozean 183, 432, 729f., 734, 738 Vanimo Diözese in Papua-Neuguinea 355 Varallo in der Diözese Novara (Norditalien) 848, 851 Varese Hauptstadt der italienischen Provinz Varese am Alpenrand 840 Varesotto in der Lombardei/Italien 840 Varsavia s. Warschau 1993 Vatikan 233, 579, 1103, 1134, 1155, 1199, 1203, 1214, 1249, 1263, 1295, 1372, 1374, 1376, 1395, 1420, 1441, 1493, 1586f., 1851 Vatikanstadt 1134, 1152 Vecin Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Venedig 1416 Venezuela 215, 1615, 1713-1715, 1717f., 1838 Vepric Marienheiligtum in Jugoslawien 1371 Verdun 1748 Vereinigte Staaten von Amerika 32, 202, 204, 287, 690, 731, 813, 832, 890, 1023, 1145, 1147, 1430, 1439 Verona (Italien) 240, 1750 Victoria Diözese in Britisch-Kolumbien (Kanada), Suffragandiözese von Vancouver 730 Vietnam 1281 Ville-Marie (Kanada) 617 Vilnius s. Wilna Viterbo 98, 405-407, 409-413, 415, 1074, 1392, 1615 Viterbo-Tuscania Diözese in Latium/Italien 99 Vittorio Veneto Stadt in der italienischen Provinz Treviso 1750 Vunapope Neubritannien 353 Wabag Diözese in Papua-Neuguinea 355 Walachei historische Landschaft Rumäniens 1035, 1596 Waldmünchen im Kreis Cham/Oberpfalz 260 Warmond Holland 1214 Warschau 149, 155, 214, 468, 1467, 1750 Weißkroatien 1367 Westeuropa 711, 735 Westfrankreich 38 Westminster 1749 Wewak Diözese in Papua-Neuguinea 355 Wien Hauptstadt Österreichs 81 Erzdiözese 31 Wilna (Wilno, Vilnius) 46f., 169f., 683, 688, 1039, 1045f„ 1050, 1372f. Winnipeg 704f., 708f., 711, 753, 1439 Erzdiözese in der Provinz Manitoba (Kanada) 74 Erzdiözese (des ukrainischen Ritus) mit den Eparchien/Suffraganen Edmonton, New Westminster, Saskatoon und Totonto 704f., 711 Winnipeg/Saint Boniface 183, 709 Woodlark Insel Papua-Neuguineas 350f., 1013 Württemberg Evangelische Landeskirche 102 Würzburg 1749 Yellow Knife (Kanada) 183 Yongsan Stadt in Korea 296 Zagreb Hauptstadt von Kroatien (Jugoslawien) 1750 Zahle (Sohle) Stadt im Libanon am Ostrand des Libanongebirges 27 Zaire Republik in Zentral-Afrika (vorher: Demokratische Republik Kongo) 144 1994 Zazdrist in der Erzdiözese Lemberg (Westukraine)' 1438 Zell am See in Österreich 174 Zentral-Neuguinea Apostolisches Vikariat 355 Zomergem (Belgien) 145 Zuchwyll (Zuchwil) Gemeinde im Kanton Solothum/Schweiz 560 Zürich 1751 Kloten, Flughafen 41 Zyrene (Cyrene, Kyrene) Seite Zitierte Bibelstellen Seite Buch Genesis 20,13 1384 1,24 204 21,17 1530 1,24-31 115 24 1762 1,26 55, 634, 790, 1245 24,3.7 22 1,27 19, 1321, 1519, 1603, 33,2 884 1759 34,6 551 1,27-28 320 34,9 550f. 1,28 34, 36, 547, 1069, 1072, 1090, 1245 Buch Levitikus 1,31 195, 634, 1732 4,2ff. 1530 2,19-29 1245 5, lff. 1530 2,20 100 11,44 1081 2,23 100 18,26-30 1530 2,23-25 100, 130 19,2 1045, 1081 2,24 135, 137, 142, 231, 241 19,4 1530 2,24-25 166 19,18a 1317 3,5 1064, 1360, 1525 19,18 1318 3,12 1526 20,1-7 1530 3,12f. 1519 3,15 5, 1359, 1591 Buch Numeri 3,19 322, 970, 1053 11,29 1354 4,1-16 1519 15,22-29 1530 4,2-16 1526 15,30 1530 4,7.15 1566 21,7 667 11,1-9 1524 21,8 667 12,1 1067 12, lff. 1378 Buch Deuteronomium 12,2-3 1068 4,7 1486 15,2 961 5,16 1158 15-16 961 5,17 1384 30,1 961 6,1 709 37,33-35 961 6,2-3 711 6,5 709, 1318 Buch Exodus 1378 6,8-9 710 3,5 618 7,7-8 1302 3,6 620 7,27 22 3,13 620 8,3 1767 3,14 620 10,18-19 1763 6,10 850 12,7 1171 1. Buch Samuel 12,8 1171 1,6-10 961 12,12 1171 1,8 961 17,3 1111 3,1 1714 17,7 1112f. 16,7 1304 19,8 22 16,13 1127 Seite Seite 2. Buch Samuel 23,4 858, 860, 1126, 1403 11-12 1523 23,5 1126 12 1566 24,6 1403 12,13 1543 26,28 1007 19,1 961 27,7-9 235 27,14 235 1. Buch der Könige 28,3 1304 19,7 1383 31,1-3.5.16 696 19,12-13 618 31,6.15 696 31,10-11 961 Buch Tobit 31,13 961 6,14 124 31,25 1032 6,19 123, 126 • 32,12 424 8,5-8 125 33,4 1072 8,7 125f. 33,5 1072 10,1-7 961 33,13-15 424 33,20-21 428 2. Buch der Makkabäer 33,22 1072 6,12 967 34,2 1596 34,4-5 1314 Buch Ijob 34,5 1312 1,9-11 966 36,7 965 4,8 966 37,37 1319 16,13 961 38,9.11 961 19,18 961 38,12 961 19,19 961 40,7-8 12 19,25 977 40,8-9 1095 19,25-26 968 40,9-10 649 30,1.9 961 41,10 961 30,27 961 42,3 619 42,4 618 Psalmen 42,10-11 961 8,1 581 44,10-17 961 8,4-8 1519 48,12 965 15,2 1047 51,5 961, 1543 16,2.5 1088 51,5f. 1523 19,10 965 51,6 965 22,2 975, 1515 51,7 1542 22,2-3 961 51,9 1543 22,17-21 961 51,12 1054, 1067 22,20 1123 51,14 1054, 1067, 1564 23 1396 51,17 1054, 1067 23,1 856, 1403 51,50 1054 23,1-3 857, 1126, 1403 55,13-15 961 23,1.6 861 55,23 488 23,3 673, 1403 62,2-3 269 1998 Seite Seite 62,6-7 272 103,1 729 62,8 269 103,1-2 716 62/63,2.4 175 103,1-3 1302 63 229 103,2-4.8 733 63,2-4, 7-9 743 103,3-5 716 63,2.3 492 103,8.17-18 716 66,1 412 103,13-14 716 66,4-5 410 104,24 114 66/67,2-3 164 109(110),4: 67,2 875 Hebr 5,6; 7,17 550 67,5.8 164 110[111],10 816 73,1 1002 111,10 838 73,3-14 961 114/18 1596 73,21 961 116,9 234 73,24-25 1007 118,1.16 1184 73,25-26 1088 118,24 86 77,3-11 961 119,75 965 78,7 666 127,1 521, 1524 78,37 1304 130,7 1078 78,38 1558 131,1 855 79,11 961 131,2-3 855 80,15-16.18 246 133,1 706, 936, 1433 80,15-20 779, 802 135,4 1087 84[85],10 723 137 961 85,9-10 251 138,1 1001 85,9.11 718 138,2 1002 85,11 251 142,1.8 717 85,12 251 142,2 717 88,9.19 961 145 458 89,2 1017 145,2 458 89,3 1018 145,9-11 633 89,15.27 1169 147,12 1265 89,25 1018 147,12-13 1265 89,27 1018 89,51 961 Buch Kohelet 90,12.16 488 3,1-8 1044 95,8-9 1112 4,1-3 961 95/96,13 1636 96,2-3 588 Hohelied 96,3 206 1,5 101 96,4-9 620 1,7-8 111 96,7 207 1,8 101 97,1 1692 1,13-14.16 110 98,1 250, 1337 2,3-6 111 98,3 250 2,7 106, 111 99,4 965 2,16 107, 888 1999 Seite Seite 2,17 111 6,3 492, 4,7 101, 105 6,5-7 492 4,9 105 6,7 523 4,9-10 105 6,8 494 4,12 106 6,8-9 494 5,2 111 7,14 261, 5,6 111 9,1 765 5,8 112 9,5 765 6,3 107 9,6 770 7,1-8 111 11,9 458 7,9-10.11-13 111 12,3 1185 8,6 113, 123, 126, 1088 16,11 961 8,10 106 22,4 961 29,13 1304 Buch der Weisheit 32,15 379 2,24 1519 32,15.17-18 721 3,1-5 1015 32,17 870 3,6-8 1015 35,4-6 1120 3,9 1015 38,1-3 961 4,13 1047 38,13 961 11,23-26 1519 40,31 733 41,13 1601 Buch Jesus Sirach 41,16 1605 6,16 1242 42,1 388 14,20-21 1453 42,3 1572 14,22-24.26 1453 42,3-4 389 15,2-4 1453 42,6 389 24,1.3 695 42,10 1345 24,3 697 43,1 1086 24,8 697 43,4 688 24,9 697 44,22 1081 24,10-11 698 49,1 122 24,12 698 49,6 11 24,21 698 49,15 270 37,1-6 961 52,7 201 44,17 1515 53,2-6 972 50,22 457, 635 53,3 961 53,3-6 961 Buch Jesaja 53,4 69 1,5 1446 53,4-12 10 2,3 1177 53,5 309 2,4 912, 1149 53,6 976 2,5 912 53,7-9 974 5,7 778 53,7.12 1558 5,8 1618 53,10 976 6,1-3 523 53,10-12 976 2000 Seite Seite 53,12 55 55,10-11 138, 1584 55,11 260 60,1 885 60,3-4 884 60,5 884f. 61,1-2 994, 1017, 1019 61,3 1020 62,1 1174 63,3 961 64,7 1378 65,17 410 69,19 1346 Buch Jeremia 1,6 1447 1,9 1447 4,8 961 4,19 961 5,23 1304 5,25-28 1618 6,26 961 8,18 961 13,17 961 14,17-18 961 18,18 961 20,7 961 20,10 961 23,9 961 31,10 1346 31,31-35 1762 31,33 715 31,33-34 715 Klagelieder 1,20 961 1,20-22 961 2,11 961 3,13 961 Buch Baruch 3,38 884, 1456 Buch Ezechiel 9,8 18,23 961 1572 21,11-12 961 26,26ff. 1762 33,11 65 34,13 1403 36,25f. ' 1304 36,26 52, 556, 874 37,12.13 1144 Buch Daniel 3,27f. 965 3,31-40 961 3,52 553 9,16-19 961 Buch Hosea 2,21 1480 2,21-22 52 Buch Amos 8,11 1355 8,10 961 Buch Zefanja 3,12ff. 1763 Buch Sacharja 12,10 961 Buch Maleachi 2,14-15 176 3,16-21 965 Evangelium nach Matthäus 1,15 81, 93, 510 2,2 882, 945 2,11 7, 884 2,11.13 17 3,2 1551 3,2; 4,17 519 3,11 1554 3,14 9 3,15 9, 1555 3,17 835, 886 4,1 1063 4,1-11 1552 4,4 260, 1470, 1767 2001 Seite Seite 4,10 1063 6,14-15 45, 1089 4,17 340, 1507 6,19-20 1083 4,18 1308 6,20-21 1006 4,19 1308 6,21 1083 4,20 947, 1308 6,23 1006, 1530 4,23 1173 6,24 271 5,1-2 677 6,26 278 5,1-12 836 6,26.30.32 270 5,3 757, 1093f„ 1625 6,33 1094 5,3ff. 681 6,34 270 5,3-4, 11-12 309 7,1 1089 5,3-5.7-8.10.12 766 7,1-5 630 5,3-6 816 7,9 14 5,3-11 340, 971 7,12 315 5,3-12 769 7,13-14 985 5,6 764 7,14 191, 193, 1078 5,8 324, 757 7,17 278 5,9 764, 873, 1035, 1319 7,17-20 1005 5,10 324 8,1 309 5,11 1440, 1482 8,20 1625 5,11-12 1049, 1259 8,24 1308 5,11-16 717 8,25 948 5,12 1440 9,2-7 1558 5,13ff. 519 9,35 1021, 1423 5,13-14 660 9,36 1021, 1423 5,13-15 635 9,36f. 1208 5,13-16 836 9,36-37 92, 662 5,14 1387 9,37-38 354, 1022 5,15 782 9,38 13, 1208 5,16 348, 400, 637, 1005, 1100 10,8 657, 1241 5,17 1531 10,17-22 1013 5,18 1764 10,18 1014 5,23f. 1515, 1550 10,19-20 1014 5,23-24 523 10,22 850, 1014 5,28 241, 1530 10,24-25 1264 5,38-40 1550 10,25 945 5,40-42 1089 10,28 981 5,43ff. 1550 10,38 10, 947 5,48 1081 10,39 947, 1082 6,1 1053 11,5 1241 6,2-3 320 11,9 9 6,6 1342 11,11 122, 1605 6,9-10 1379 11,12 1606 6,10 1485 11,25 816 6,12 1550 11,25f. 1305 6,13 1552 11,28 792, 1306, 1437 2002 Seite Seite 11,28-29 127, 689 11,28-30 739 11,29 1142, 1301 11,30 1440 12,20 1572 12,23 1120 12,3 lf. 1530f. 12,49f. 1558 13,3ff. 278 13,24-30 143 13,31-33 143 13,33 1884 14,27 570, 1211 14,28 570 14,30-31 573 15,1-10 1531 15,13 1594 15,19 1530 15,21ff. 939 15,25 939 15,28 939f. 15,31ff. 1057 15,31-45 836 15,31-46 1763 15,40 816 16,3 278 16,13 582 16,15-16 1311 16,16 197, 582f., 755 16,16-17 570 16,17 570, 1311, 1313 16,18 298, 583, 1310f., 1313, 1614 16,18f. 1285 16,18-19 39 16,19 1314 16,23 972 16,24 848, 1091, 1259 16,24-26 1508 16,26 175 16,39 975 16,42 1096 17,21 511, 614 18,5 1189, 1434 18,5-6 1182 18,6 1247 18,12f. 1558 18,18 39, 1558 18,20 212, 289, 440, 717, 1079, 1110 18,21f. 1550 18,21-22 708 19,4 100 19,8 241 19,11 1092 19,12 1092 19,16 1084 19,21 443, 1079, 1083, 1086, 1094, 1396 19,27.29 947 19,28.29 489 19,29 484 20,1 181 20,16 965 20,28 35, 72, 317, 673, 935 21,5 945, 1164 21,9 1163 21,37 780, 798 21,40 798 21,41 798 21,42 798 22,2 1425 22,9 1427 22,16 1558 22,21 1630 22,30 241, 1093 22,39 1528 23,8 945 23,8-10 853 23,10 852 23,11 854 24,34 1492 24,35 1601 25-27 132 25,20 1452 25,21 1453 25,22 1452 25,26ff. 777 25,29 1452 25,31-46 1424, 1764 25,34 1488 25,34-36 994, 1487 2003 Seite 25,35.36 1025 25,35-36 720 25,36.40 537, 665 25,40 18, 21, 720, 854, 994, 1487 25,45 720, 994 26,28 80, 82 26,39 536, 696 26,41 501, 758 26,42 975 26,52.54 972 27,37 945 27,46 1409, 1515 27,54 1259 28,5-8 83 28,6 1182, 1254 28,10 1308 28,18 1236 28,18ff. 1616 28,18-19 765, 886 28,19 164, 247, 302, 340, 495, 669, 710, 1099, 1401 28,19-20 62, 501, 642, 804, 911, 1137, 1287, 1308 28,20 399, 517, 1031, 1110, 1688 Evangelium nach Markus 1,1 341 1,4 1551 1,4.14 1550 l,12f. 1552 1,15 519, 873, 1053, 1504, 1507, 1520 1,15; 16,15.20 458 1,17 575 1,40-42 1238 2,3-12 1558 2,5 708, 1120 2,10-11 1120 2,14 1211 3,2 1550 3,28-30 1530 3,33f. 1558 4,17 1550 4,26-30 1878 Seite 6,35-37 947 6,35-44 1057 6,50 1110, 1211, 1396 8,29 1369 8,34 1091 8,34-36 1508 8,35 982, 1082 9,29 511, 614 9,35 1449 9,37 1449 10,6-9 241 10,13-16 664 10,19 1531 10,21 443, 1079, 1083, 1094, 1396 10,33-34 971 10,45 35, 659, 1097, 1304 12,25 241, 1093 12,28-34 1318 12,31 1317, 1528 14,36 1096 15,26 945 15,34 1515 16,3 1182 16,15 247-249, 357, 360 16,16 246, 249, 252, 254 16,17, 18 357 17,34 965 Evangelium nach Lukas 1,28 603, 833, 1592 1,28.30 494 1,28.35 493 1,30 1592 1,30.35 495 1,30-38 1032 1,31 261 1,31.35 1592 1,31-35 251 1,33 239 1,35 222 1,38 163, 234, 251, 527, 696, 1097, 1360, 1606 1,42 188, 222, 494, 603 1,43 603 1,45 199, 207, 214, 369, 493, 603, 607, 658, 815 2004 Seite Seite 1,45:11,28 17 5,31f. 1558 1,46 718 6,20 323, 1035, 1094, 1625 1,46-48 623 6,21 971 1,46-49 492 6,27-28 651 1,46.49 608 6,35 1089 1,47-48 319 6,35.38 651 1,48 317, 608 6,36 1764 1,48-49 522 7,47-49 1558 1,49 255 8,20f. 1558 l,49f. 838 9,10 1654 1,49-50 816 9,23 947, 985 1,50 522 9,23-25 1508 1,51-53 816 9,23-26 510 1,76 122 9,24 982, 1082 2,7 1624 9,25 947 2,10-11 1622 10,16 1779 2,12 1611, 1622 10,17.20 510 2,14 1626 10,25-37 1763 2,19.51 17, 26, 493, 526 10,27f. 1528 2,22 931 10,29 990, 1057 2,23 931 10,33-34 991 2,27 932 10,39 1396 2,31 933 10,42 1342, 1396, 1486 2,32 11, 526, 930 11,1 1396, 1486 2,34 1162 11,4 1552 2,34-35 933 11,32 96 2,35 12, 933 12,35-37.40 850 2,37-38 932 14,13-14 1089 2,50 17 14,27 366, 1121 2,51 6, 1036 14,28 366 2,52 257, 1305 14,30 366 3,3 1551 14,33 364 3,8 1507, 1550 15,4-6 1558 3,16 1554 15,11-32 1512 4,1 1033 15,17 55, 1550 4,1-13 1552 15,17-21 1566 4,18 302, 546 15,18.21 1523 4,18-19 542, 994, 1169 17,3f. 1551 4,20 542 17,24 628 4,21 542, 1169 18,1 408, 476 4,43 340, 1691 18,16 1189 5,8 1486 18,20 1531 5,10 1286 18,22 532, 1079, 1083, 1094 5,18-25 1558 20,34-36 1093 5,24 65 20,35 241 5,27 1101, 1211 20,38 1088, 1466 2005 Seite 21,12-19 986 21,28 627 22,7-22 1362 22,15-16 1363 22,19 1363 22,19-20 551 22,19-20 par. 550 22,25-27 936 22,32 906, 1098, 1218, 1283, 1285, 1614 22,42 1096, 1485 22,53 627 23,24 627 23,34 980 24,16 333 24,21 333 24,26 333 24,29 1483 24,31 334 24,32 1493 24,34 337 24,35 388 Evangelium nach Johannes 1,1 26 1,1.3 1631 1,1-3 620 1,1-3,10 732 1,1-14 621 1,3 26 1,4-5 948 1,5 625, 1610 1,5.9.14 627 1.9 883 1,9.12 451 1.9-12 1886 1,11 1162 1,11-12 733 1,12 3, 562, 1633 1,13 229 1,14 29, 229, 245, 332, 732, 1275, 1303, 1610 1,16 945, 1595 1,17 929 1,18 626 1,29 72, 122, 969, 973, 1171, 1558 Seite 1,33 1554 1,41 1210, 1332 2,3 835 2,4 835 2,5 22, 492, 526, 835, 882, 1343 2,11 835 3-7 886 3,lff. 1304 3,3 947 3,5 254 3,5-6 886 3,11-15 1384 3,14-15 666 3,16 272, 546, 549, 659, 671, 697, 968, 970, 972, 984, 1080, 1163, 1623, 1734 3,16-17 667 3,16.17 551 3,17 946, 1558 3,21 433, 478, 948, 1412 3,34 1095, 1275 4,7 1111 4,8.16 1636 4,10 1111 4,14 1111 4,15 1113 4,16 1114 4,17 1114 4,17-18 1114 4,19-20 1114 4,23 645 4,34 672, 1095 4,35 278 5,7 604 5,22 719, 1304 5,27 1558 5,30 627, 965, 1095, 1379 6,35f. 1364 6,38 1095 6,40 628 6,45 1174 6,51 1266 6,53 478 6,54 1266 6,56 123 2006 Seite Seite 6,56-57 1265 12,24 317, 326, 1260 6,58 71 12,24f. 947 6,63 231, 233, 632 12,24-25 611 6,66.71 510 12,25 318, 982 6,68 345, 948, 1369, 1662 12,26 317-319 7,37 304 12,27 317 7,37-38 976 12,31 1591 7,39 65 12,32 672, 1378 8,11 708, 1559 13,1 860 8,12 628, 718, 1124 13,2 1171 8,16 1558 13,3 1171 8,29 1095 13,4.5 1172 8,31f. 1610 13,13 945 8,32 449, 948 13,14 945, 1048 8,36 644 13,25 78 9,3 536 13,34 1349, 1520 9,5 1124 13,35 385, 1100, 1380, 1868 9,20-21 1125 14,5 836 9,25 1125 14,6 98, 296f„ 341, 451, 630, 9,35 1125 1378 9,36 1125 14,9 296, 346, 1378 9,37 1125 14,10.11 296 9,38 1125 14,12 1690 10,3f. 1208 14,13 297 10,10 92, 401, 527, 595, 735f., 14,15-17 71 741, 945 14,16 531 10,11 91, 278, 672, 1021 14,16f. 1325 10,11.14 389 14,16.17 412 10,11.14.16 945 14,18 412, 1211 10,14 91, 278, 738 14,20 412 10,14-15 1402 14,21 412 10,16 389, 681 14,23 71 10,17 398, 671 14,26 1084, 1378, 1412 10,17-18 1097 14,26; 16,13 432 10,18 628 14,27 488, 873 10,27 1402 14,28 247 11,21.32 1139 14,31 398 11,25 945, 1186 15,1 278, 425 11,33 1141 15,1-8 516 11,41-42 1142 15,2 425 11,43 1141 15,4-5,8-9 425 11,50-52 1163 15,5 299, 470, 733 11,52 910, 1118, 1515, 1692, 15,7 300 1878 15,9 785 11,52b 12 15,9-10 712, 1047 12,21 327, 644 15,9-17 1151 2007 Seite Seite 15,11 81, 701 15,12 640, 712 15,12.17 1048 15,13 632, 725, 1259 15,14f. 350 15,14-15 884 15,15 712 15,16 353f., 712, 785, 1048, 1084, 1410 15,18-21 986 15,20 1264, 1440, 1482 15,26-27 1325 16,4 861 16,8 428 16,10 247 16,13 542, 1275, 1877 16,13f. 1325 16,16 1208 16,33 530, 580, 947, 986 17,3 458, 659, 1531 17,11 119, 356, 937, 1328 17,11.15.17.19 460 17,11.21-22 996 17,13 462 17,14 458 17,15 1090 17,17-19 356 17,18 458, 510 17,19 63, 462, 1087 17,20 356 17,21 119, 421, 457, 475, 679, 707, 912, 1268, 1468, 1666, 1696 17,21.23 356, 1613 17,23 913 18,11 972 18,37 346, 945, 1426 19,11 768 19,14.19 945 19,25 16, 78, 521, 695, 996 19,26 78f., 495, 697 19,27 79, 697 19,30 976 19,34 290 20,19 418, 537, 1174, 1254f. 20,19-20 66 20,21 535, 659, 1255 20,21-22 65 20,21-23 1109 20,22 65, 1110, 1558 20,22-23 1184, 1255 20,23 63 20,25 289 20,27 290 20,28 86, 290, 607, 945, 1187 20,29 18, 607 21,15ff. 505, 1284, 1614 21,15ff„ 19 1282 21,15-17 39, 755 21,19 1282 21,23-24 1114 22,22-23 67 Apostelgeschichte 1,1 1715 1,5 1554 1,8 390, 459, 511, 1237 1,12-13 109 1,14 109, 438, 522, 1203, 1208 2,1 473 2,2 1256 2,2.3 247 2,4 246f., 1256 2,4.14.38.41 495 2,5 495, 936 2,7-8 1256 2,9-11 1255 2,11 94, 423, 932, 1254 2,17 247 2,22 247 2,23 247 2,23-24 1257 2,24 247 2,32 83, 85, 247 2,36 247, 1777 2,37 247 2,38 247, 249 2,39 1348 2,41 247 2,42 247, 252, 423, 438, 1868 2,42ff. 341, 525 2,44 23, 25 2008 Seite Seite 2,45 525 1,16 408 2,46 423, 1363 1,29-31 1530 2,47 23, 526 2,2 965 3,4-6 1714 3,22 60f. 3,6 596 3,23 1338 4,12 509, 945f., 1259, 1325, 3,23-26 1524 1369, 1701 4,25 1201 4,22 678 5,3-5 982 4,24 477 5,5 191, 196, 230, 451, 479, 4,32 365, 1337 949, 1098, 1115, 1267, 4,32-34 1118 1285, 1423 4,32-36 23 5,8 1115 4,33 1118 5,10f. 1514 5,12 23 5,11 65 5,12-16 23 5,12.16.18-19 1064 5,41 324, 515, 1259 5,15.17 1065 6,1-17 1670 5,15-20 947 6,4 384 5,19 365, 1095 8,5-8.14-17 411 6,3 1183 8,14 852 6,3f. 1554 9,4-5 1764 6,3-4 1085 9,15-16 1313 6,3-5 254 10,36 292 6,4 15, 1183 10,38 971, 994, 1688 6,6 1085 10,42 1558 6,8 1183 10,44 290 6,9 1184 11,16 1554 6,10 1173 12,5 1312 6,11 10, 303, 1085, 1183 12,16 1312 7,7-25 1525 14,22 979 8,2 1098 15,2-33 1516 8,5 130, 1005 17,26-27 1877 8,6 1005 17,27 618 8,7 1005 17,28 470, 620, 875 8,9 65, 71 20,7-11 1363 8,10-11 1007 20,28 659 8,10-23 1440 26,29 1877 8,11 71, 1144 28,12-13 774 8,13 1098 28,13 797 8,14ff. 1378 8,15 949 Brief an die Römer 8,17 71, 946f. 1,3 341 8,17-18 980 1,5 1575 8,18 309, 537, 1440 1,7 515 8,19-21 1089 1,11-12 419, 550 8,19-22 922 1,12 1885 8,20 1732 2009 Seite 8,20f. 536 8,21 949, 1732 8,22 958 8,22-23 544 8,23 131 8,24 545, 949, 1045 8,26 547, 744 8,26-27 71, 143, 1440 8,28 150 8,29 55, 71, 495, 604, 1558 8,31 1014 8,32 1014 8,35 691 8,35.38-39 1016 8,37 691, 101 lf. 8,38-39 694, 1011 8,39 531, 691 10,9 301, 1245 10,14 246, 249, 252 12,1 525, 978, 1087 12,2 757, 1098 12,6-7 661 12,6-8 1869 12,13 912 12,15 1325 12,17.21 1206 13,10 475, 1100 13,13 1530 14,7-8 849 14,8 1384 14,17 42, 484, 488 15,7 1122 15,13 547, 610, 1123 16,26 1575 112,2 928 1. Brief an die Korinther 1,3 578, 948 1,9 245, 1102 1,13 911 1,17 948, 1869 1,17-18 673 1,18 975, 1353, 1414, 1448 l,18f. 948 1,23; 2,2 408 1,23-24 922, 1400 Seite 1,25 1448 1,27 1449 1,30 793 2,4 1877 2,6-7 1274 2,8 26 2,9 736 2,11 71 2,12 71 3,1-20 1508 3,6 478 3,9 384, 780, 1877 3,11 793 3,16 71 4,1 271, 316, 407, 1018, 1048, 1051 4,1.2 552 4,1-2 455, 1339 4,2 319 4,7 316, 319 5,7 1184 5,8 1206 6,15 982 6,17 938 6,19-20 1080 6,20 977, 1080, 1160, 1259 7,7 1098 7,28-40 1092 7,31 1732 7,32 1092, 1396 7,32-34 492 7,34 1092 7,35 365 7,38 1092 8,12 760 9,19-20 1150 9,22 675 9,24 1147 9,25 1149f. 10,1-2 1778 10,13 1552 10,16 1265 10,17 1265 11,17-34 1764 11,24 1172 11,25 1172 2010 Seite Seite 11,26 674, 1172, 1363 4,8-11.14 978 11,27-28 82 4,10 76, 650 11,28 79f„ 1555 4,10-11 336 11,29 81 4,12 650 12,3 1256 4,13 650, 1245 12,4-11 71 4,15 650 12,11 1733 4,16 1091 12,12 304 4,17-18 655, 980 12,12-13 1477 5,5 71 12,13 71, 1257 5,9 1649 12,28-30 1869 5,14 479, 939 12,31 1150 5,15 363 13,1 663 5,17 3, 948, 1088, 1091 13,4-8 113 5,18 364, 680, 694, 873, 1544 13,4.6-8 853 5,18f. 1516 13,6 195 5,18.20 1514 13,12 1378 5,19 44, 365, 524, 1544 13,34 71 5,20 43f., 46, 366, 1055, 1123, 14,33 939 1520, 1578 15,3-4 295 5,21 45, 65, 67, 976 15,20 1491 6,1 1055 15,20-22 239 6,2 694, 727, 1055 15,20-28 1733 6,4-10 1011 15,21-23 162 6,16 938 15,22 1491 6,18 938 15,23 1487 7,1 938 15,24 1491 7,4 953, 1688 15,25-26 1491 8 1295 15,28 239, 1491, 1595, 1603 8,9 1093, 1621, 1624, 1763 16,19 71 8,23 1278 16,23 1124, 1689 9,7 1026 16,24 1118 11,2 1079 11,7 407 2. Brief an die Korinther 11,26-28 691 1,2 724 11,28 1137, 1614, 1660 1,5 978 11,29 1472 1,21-22 71 12,9 981 1,24 309 13,11 1666 3,3 71 13,13 439 3,6 231 13,14 354 3,17 454 4,1-2 814 Brief an die Galater 4,2 818 1,3 1215 4,5 813 1,4 977 4,6 812f. 1,18 1432 4,7 511, 1868 2,5 407, 521 2011 Seite Seite 2,10 301 1,16 383 2,19 78, 1381 1,17 1237 2,19-20 978 1,17-18 1430 2,20 18, 21, 40, 325, 384, 408, 1,18 1101, 1237, 1524 972, 1381 1>19 1238 3,2-5 71 1,23 1238 3,20 945 2,2 1525 3,26 910 2,3-6 71 3,27 909 2,4 1339, 1519f., 1542 3,27-28 15, 17 2,4-5 14 3,28 910 2,11 1363 4,4 367, 495, 832, 876, 1275 2,11-22 1778 4,4-5 832, 877 2,14 65, 524, 793, 873, 1173, 4,6 71, 833, 877 1515 4,7 71, 833, 877, 946 2,14-16 1515, 1520 4,19 644, 1378 2,16 1205 5,1 728 2,17 874, 945 5, lff. 1762 2,18 884 5,11 948 2,19.20.22 461 5,13 728 2,20 462 5,16 72 2,20-21 298 5,16-25 949 2,21 458 5,18 71 3,8-9 355, 356 5,19-21 72 3,9 1093 5,22 419, 488, 1326, 1425 3,11 357 5,22-23 72, 1324 3,11-12 356 5,24 947, 1326 3,14 1101 5,25 72, 172f„ 230 3,14-16 634 5.25- 70 3,16 1101 6,2 528, 1100, 1122 3,17 793, 1490 6,14 979 3,17-19 634, 1102 6,15 60, 71 3,19 1378 6,16 41 3,20-21 363 20 953 3,21 473 4,1 1017 Brief an die Epheser 4,1-3 440, 1422, 1598 1,2 429, 1117, 1492 4,1.3 374 1,2-14 1732 4,2 709 1,3 473, 624 4,3 426, 1020 1,4-14 624 4,4 442, 1420 1,5.11 549 4,4-6 425, 1020, 1411 1,6 477, 1732 4,6 431 1,7 72, 1117 4,7 427, 516, 1733 1,9 884 4,7.12 1021 1,10 929 4,11 77 1,13 71 4,11-12 1422, 1869 2012 Seite Seite 4,12 427 2,6-8 1094 4,13 76, 427, 646, 657, 1424 2,6-11 18, 668 4,15 75-77, 476 2,7 55 4,15f. 1405 2,7-8 1406 4,16 273 2,8 318, 410, 696, 1184 4,22-24 645, 849, 1086 2,8-9 1167 4,23f. 1508 2,9 1406 4,24 948 2,12 1532 4,30 71 3,8 352, 736, 1396 5.8.14 1130 3,8-9 1047, 1091 5,1-2 1081 3,10.11 979 5,2 850 3,10-11 947 5,9 1130 3,13 477 5,21 129-131, 197f„ 209f., 3,13-14 352, 1047 213, 226, 231-233 3,18 948 5,21-23 99 4,3 1427 5,22-23 241 4,4-8 71 5,25 1100 4,5 1610 5,27 472 4,7 722, 802 5,28 130 4,8 949 5,31 103 4,8-9 722, 783 5,32 103, 128 4,12 1429 5,33 130 4,13 981, 1445 6,10 300 4,18 850 6,12 990, 1525 4,19 358 6,17 347 6,24 1355 Brief an die Kolosser 18,11 1178 1,3 947 1,3-4 1032 Brief an die Philipper 1,5 949 1,2 1410 1,14 72 1,3 637 1,15 884, 909 l,3ff., 7ff. 1294 1,15-16 731 1,5 1640 1,16 26 1,6 1690 1,16-17 731 1,9-11 1098 1,16-18 945 1,16 479 1,18-20 733 1,21 673 l,19ff. 1577 1,23 1363 1,19-20 672 1,27 385 1,20 946, 1515 1,27-28 1351 1,20-22 1514 2,1 1406 1,24 12, 51, 309, 358, 398, 2,1-5 649 689, 949, 958, 982, 989, 2,2 1406 995, 1178, 1260, 1427, 2,5 476, 1625 1490, 1764 2,6-7 1091, 1165, 1303 1,27 793 2013 Seite Seite 2,2 31 2,2-3 28 2,3 1306 2,9 632, 947 2,12 1554 3,lf. 1508 3,3 1100, 1490 3,4 793 3,5 49 3,5-6 50 3,9-11 947 3,11 1321 3,12-14 485 3,12-15 1340 3,14 412 3,15 50, 264 3,16 264, 716 1. Brief an die Thessalonicher 1,2 1037 1,2-3 207, 682 2,4.8 710 2,7-8 854 2,9 855 2,12 788 2,13 854 2,17 682 4,3 938 4,4-7 130 4,14 229 5,17 1342 5,17-18 432 5,21 71 2. Brief an die Thessalonicher 1,2 677, 1272 1,4-5 979 2,7 1525 3,1 669, 1031, 1690, 1708 3,5 978 3,18 704, 1479 1. Brief an Timotheus 1,1 1710 1,2 1679 2,4 1671 2,4-5 1030 3,15 1275, 1328, 1541, 1549, 1661 3,15f. 1539 3,16 621 4,10 1710 4,12 1404 6,12 345f. 6,13 345f. 6,15-16 356 6,20 1616 16,19 347 2. Brief an Timotheus 1,6 410 1,7 399 1,8-9 1071 1,12 981 1,17 884 2,9 300 3,12 987 4,2 1616 4,3f. 1616 4,7 1313 4,17 1313 4,18 1313 Brief an Titus 1,4 1639 2,12 191, 1623 2,14 1623 3,4 1560 3,7 71 Brief an die Hebräer 2,6-8 946 2,17 1558 4,12 12, 1021 4,15 833, 1552, 1558 5,1 551, 1331 5,7 695 5,7-8 536 5,7.9 697 5,8 15, 696 5,9 16 7,21 785 2014 Seite Seite 7,25 7,27 8,1 9,12 9.14 10.5.7 10.7 10,10 12,1-2 12,2 13,1 13.7 13.8 13.17 Brief des Jakobus 1,2 1.17 2.14 2,14-26 2.17 3.18 4 5.1.3- 4 5,lff. 5,7-8 5,11 5,13-15 5.14 5.16 1. Brief des Petrus l,lf. 1.3 1.3- 5 1.7 1.8 1.9 1.18 1,18-19 2.4 2.5 2.9 2,9-10 2.16 388 298, 389 1574 1574 1574 498 40, 84, 385, 414, 451 1869 414 1574 1554 664 947, 980, 995 982 300 298, 1643, 1654, 1690 1428 707 617 71 554, 884 322, 410, 1151 1038, 1310 15, 47 495, 1173 33 1173 1462 1087 1095, 1360 1173 1269 676 475 1432 248, 947, 1029, 1433, 1693 1096 1035 1615 1424 1764 323 380 1530 1618 1764 1878 309 310 358 538 1574 603 604 607 607 630 1080 336, 977, 1259 462, 583f. 81, 550, 558, 584, 1880 584, 588, 1691, 1733 421 728 2.24 2.25 3.8 3.8.9.13 3.9.13 3,13.14-16 3.15 3.15- 16 3.16- 17 3.17 3,21 4,10-11 4.13 4.16 5.3 5.4 5.9 5.14 2. Brief des Petrus 1,2 1,3-4 1.4 3,13 3.18 1. Brief des Johannes 1,1-2 1.5 1.6 1.6.9 1,8 l,8f. 1.9 2,15-17 2,16 2,22 3.1 3,1-2 3.2 3.3 3.9 399 627 948 60 54, 56, 1542 1523 54, 56, 58, 60 1089 196 1531 833 71 1486 222 1540 857 861 307 56, 1523, 1531, 1875 3,14 3,16 3,18 3,20 2015 Seite Seite 3,23 55 3,23-24 729 4,7 308 4, 7, 8 306 4,7-8 71 4,8 1302, 1578 4,8.16 1866 4,9 127 4,10 127, 1084, 1481 4,11 127 4,12 1101 4,16 1380, 1636 5,4 639, 946 5,16f. 1531 5,16-21 1531 5,18 1540 5,19 1542 5,21 1531 2. Brief des Johannes 1,3 383 Offenbarung des Johannes 1,5 1412 1,6 1170 1,8 947 2,7 1615 3,5 1427 3,20 71, 1186 4,11 1294 5,9 690, 712, 1639, 1692 5,13 344, 741 7,4 221f. 7,10 221 7,14 947 11,19 1361 12,1 1359, 1361 12,4 1359 12,5 1360f. 12,6 1361 12,10 1361 13,8 1427 19,9 1370 21,27 1427 22,13 947 22,17 744 22,17.20 741 2016 Quellenverzeichnis der Zitate 337-40 S. 1330 Dekret „Ecclesia Catholica” vom 11.8.1889 S. 1724 Casopis Katolickeho duchovenstva XXXI, Prag 1890, 2051. S. 1408 Enzyklika „Rerum novarum” vom 15.5.1891: ASS 23, 1890-91, S. 641-670 S. 88 Schreiben vom 15.7.1892 S. 823 Enzyklika ,, Adiutricem populi” vom 5.9.1895: ASS 28, 1895-96, S. Papst Innozenz All.. (1198-1216) Dekretale „Inter alia”: cap. 31 De sententia excommunicationis X, V, 39 (PL 216, 1245) S. 917 Papst Gregor IX. (1227-1241) Potthast, Regesta Pontificum Romanoruin vol. 1, 813 Nr. 9526: Int. Decr. Gregor IX. lib. I, tit. 2 de const. c. 13: „Quoniam constitutio aposto licae” (Mansi 23, nr. XI, 112f.) S. 880 Papst Leo XIII. (1878-1903) Breve „Benigna hominum parens” vom 1.3.1883: ASS 15, 1882-83, S. 135; zitiert in: Paul VI.: Apostolisches Schreiben „Marialis cultus”, Nr. 33 und in: Wort und Weisung 1974, S. 464 S. 16 ■Papst Benedikt XV. (1914-3922) Motu proprio „Cum iuris canonici” vom 15.9.1917: AAS 9, 1917, S. 483f. S. 880 Papst Pius XI. (1922-1939) Enzyklika „Divini illius magistri” vom 31.12.1929: AAS 22, 1930, S. 49-86 S. 1289 Ansprache vom24.12.1930: AAS 22, 1930, S. 535 S. 871 Enzyklika „Casti connubii” vom 31.12.1930: AAS 22, 1930, S. 539- 592 S.1115 Enzyklika „Quadragesimo anno” vom 15.5.1931: AAS 33, 1931, S. 177-228 S. 1767 Papst Pius XII. (1939-1958) Enzyklika „Mystici corporis”, vom 29.6.1943, AAS 35, 1943, S. 193- 248, hier: 235 S. 75 Radiobotschaft zu Beginn des 6. Kriegsjahres vom 1.9.1944: AAS 36, 1944, S. 249-258 S. 35 Audienz vom 11.7.1946 S. 1862 Radiobotschaft an den Nationalen Katechetischen Kongreß der Vereinigten Staaten von Amerika in Boston vom 26.10.1946 S.1535 AAS 38, 1946, S. 416 S. 193 Apostolische Konstitution über die kanonischen Stände und Weltgemeinschaften zur Erlangung der christlichen Vollkommenheit „Provida Mater” vom 2.2.1947: AAS 39, 1947, S. 114-124 Art. II, § 2-2" S. 1737 Art. III, 2 S. 1741 Enzyklika über die heilige Liturgie „Mediator Dei” vom 20.11.1947: AAS 39, 1947, S. 521-595 S. 1456, 1485 2017 Nr. 1 Nr. 3 Nr. 17 Nr. 37 Nr. 47 Nr. 87 Motu propiro „Primo feliciter” vom 12.3.1948: AAS 40, 1948, S. 283-286 § 2 S.1726 Ansprache „Accogliendo” vom 20.4.1955: AAS 47, 1955, S. 285 u. 289 S. 1002f. Enzyklika über Film, Funk und Fernsehen „Miranda prorsus” vom 8.9.1957: AAS 49, 1957, S. 765-805 Nr. 1 S. 1228 Papst Johannes XXIII. (1958-1963) Apostol. Schreiben „Caritatis uni-tas” vom 4.5.1959: AAS 51, 1959, S. 630-633 S. 1341 Discorsi-Messaggi-Colloqui, II (1960) S. 733 S. 1286 Generalaudienz am 6.8.1960 S. 1286 Enzyklika über die Ordnung des gesellschaftlichen Lebens der Gegenwart im Sinne der christlichen Gebote „Mater et magistra” vom 15.5.1961: AAS 53, 1961, S. 401-464S. S. 173, 279 Enzyklika über den Frieden unter allen Völkern in Wahrheit, Gerechtig keit, Liebe und Freiheit „Pacem in terris” vom 11.4.1963: AAS 55, 1963, S. 257-304 S. 714, 1507, 1576 Nr. 12 S. 1862 Nr. 113 S. 871 Nr. 158 S. 1057 Papst Paul VI. (1963-1978) Ansprache an die entsandten Beobachter beim Zweiten Vatikanischen Konzil vom 17.10.1963: Insegnamen-ti, 1,1963, S. 231 S. 16 Ansprache an die Konzilsväter vom 4.12.1963: AAS 56, 1964, S. 34 S. 1461 Predigt in der Petersbasilika am 3.7.1964 S. 831 Enzyklika „Ecclesiam suam” vom 6.8.1964: AAS 56, 1964, S. 609- 659 S. 1041, 1505, 1518, 1875 Nr. 41f. S. 1042 Nr. 46 S. 1877 Nr. 77 S. 1870 c. III S. 1545 Ansprache zum Abschluß der 3. Sitzungsperiode des II. Vatikanischen Konzils am 21.11.1964: AAS 56, 1964,S 1007-1018 S. 1521 Ansprache vor der UNO vom 5.10.1965: AAS 57, 1965, S. 877- 885 S.1056 Ansprache an die Päpstliche Akademie der Wissenschaften vom 23.4.1966: AAS 58, 1966, S. 372-377 S.1240 Motu proprio zur Ausführung einiger Dekrete des II. Vat. Konzils „Ecclesiae sanctae” vom 6.8.1966: AAS 58, 1966, S. 757-787 Nr. 39-41 S. 441 Enzyklika über die Entwicklung der Volker „Populorum progressio” vom 26.3.1967: AAS 59, 1967, S. 257-299 S. 908 S. 908 S. 89 S.1250 S. 721 S. 718 Apostolische Konstitution über die Römische Kurie „Regimini ecclesiae” vom 15.8.1967: AAS 59, 1967, S. 885-928; hier S. 919f. S. 1041,1865 Nr. 25 S. 1134 2018 Apostolisches Schreiben fünf Jahre nach Abschluß des II. Vat. Konzils „Quinque iam anni” vom 8.12.1970: AAS 63,1971, S. 97-106 S. 1277 Apostolischer Brief „Octogesima ad-veniens” anläßlich der 80-Jahr-Feier der Veröffentlichung der Enzyklika „Rerum novarum” vom 14.5.1971: AAS 63, 1971, S. 401-441 Nr. 16 S. 735 Nr. 34 S. 1769 Apostolisches Schreiben über die Erneuerung des Ordenslebens „Evan-gelica testificatio” vom 29.6.1971: Apostolisches Schreiben über die Marienverehrung „Marialis cultus” Ansprache an den Internationalen Kanonistenkongreß vom 25.5.1968: AAS 60, 1968, S. 337-342 S. 914 Credo des Gottesvolkes, 30.6.1968 S. 1286, 1783 Enzyklika über die rechte Ordnung zur Weitergabe menschlichen Lebens „Humanae vitae” vom 25.7.1968: AAS 60, 1968, S. 481-503 S. 134, 136, 141f., 154, 158, 165, 1115 Nr. 2 S. 165 Nr. 3 S. 146 Nr. 4 S. 141 Nr. 7 S. 153 Nr. 8 S. 153 Nr. 9 S. 153,1114 Nr. 10 S.153f„ 178 Nr. 11 S. 134, 136,140, 142 Nr. 12 S. 134f., 137, 140f„ 146, 154, 162, 167, 192, 195, 211, 226, 232, 238 Nr. 13 S. 173 Nr. 14 S. 158, 174 Nr. 16 S. 158f., 172f„ 176, 179,211 Nr. 19 S. 176 Nr. 20 S. 147, 159, 197 Nr. 21 S. 165, 171f., 174, 177, 179, 211, 227, 231 Nr. 25 S. 190-193,211,231 Nr. 26 S. 231 Ansprache in Erwiderung der Begrüßungsansprache von Dr. Eugene Carson Blake am 10.6.1969 im Öku- menischen Zentrum in Genf S. 1879 Schreiben an die Priester vom 15.9.1969 S. 683 Ansprache an die Mitglieder des Rates des Generalsekretariats der Bischofssynode vom 15.5.1970: AAS 62,1970, S. 443-446 S. 1010 Ansprache vom 26.9.1970 S. 1729 AAS 63, 1971, S. 497-526 Nr. 6 S. 1096 Ansprache vom 2.2.1972 S. 1723f., 1729, 1737, 1740f„ 1743, 1745 Ansprache vom 20.9.1972 S. 1729f., 1739f. Generalaudienz am 28.3.1973 S. 1552 Generalaudienz am 8.8.1973 S. 1552 Generalaudienz am 7.11.1973 S. 1552 Weihnachtsbotschaft vom 25.12.1973: AAS 66, 1974, S. 24-26; OR dt., 1974, Nr. 1, S. 1 S. 949 vom 2.2.1974: AAS 66,1974, S. 113-168 S. 188 Nr. 41 S. 156 Nr. 46 S. 189 Nr. 57 S. 842 Generalaudienz am 8.3.1974 S. 1552 Generalaudienz am 13.3.1974 S. 1552 Ansprache an die Moderatoren von „Consilio de Laicis” vom 2.10.1974: AAS 66, 1974, S. 568 S. 84 2019 Ansprache an das Diplomatische Korps beim Hl. Stuhl am:14.l:l978 S. 1321 .Insegnamenti di Paolo VI, II, 1964, Apostolisches Schreiben über die Versöhnung innerhalb der Kirche „Paterna cum benevolentia” vom 8.12.1974: AAS 67,1975, S 5-23 S. 1546 Botschaft an die Versammlung von Nairobi, 1975 S. 433 Generalaudienz am 12.2.1975 S. 1552 Generälaudienz am 9.4.1975 S.1552 Apostolisches Schreiben über die christliche Freude „Gaudete in Domino” vom 9.5.1975: AAS 67, 1975, S. 289-322 S. 76 Apostolisches Schreiben über die Evangelisierung in der Welt von heute „Evangelii nuntiandi” vom 8.12.1975: AAS 68, 1976, S. 5-76 u. Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 2 Nr. 6-12 S.1868 Nr. 7 S. 340 Nr. 13 S.1352,1517 Nr. 18 S. 1686,1875,1877 Nr. 19 S. 1686, 1875,1877 Nr. 20 S. 329/711, 1686, 1862,1875,1877 Nr. 21 S. 84,1868 Nr. 22 S. 435,726, 1691 Nr. 25-33 S. 1766 Nr. 26 S. 1741,1866 Nr. 27 S. 670 Nr. 29 S. 1351,1692 Nr. 30f. S. 436, 728, 1689 Nr-32 S.1657, 1766 Nr. 39 S.1058 Nr. 45 S. 1862 Nr. 58 S. 1677 Nr. 60 .S. 291 Nr. 63 S. 1875 Nr. 70 S. 1549, 1740 Nr. 71 S. 342 Nr. 73 S. 662 •Nr. 75 S. 1695,1877 Nr. 76 'S. 1714 Nr. 77 S.1879 Nr. 78 S. 1706 Nr. 79 S. 1870 Nr. 80 S. 444, 1101, 1870 Nr. 82 S. 556 Ansprache an-amerikanische Kongreßmitglieder am 26.4.1976 S. 1146 Ansprache an das Komitee für Drogenmißbrauch und —kontrolle des Kongressesider Vereinigten Staaten am 20.11.1976 S. 1271 Generalaudienz am 13.7.1977 S. 1552 S. 231f. S. 1299 Insegnamenti di Paolo VI, VI, 1968, S. 292-310 S. 1286 Insegnamenti,di Paolo VI, X, 1972, S.1286 S.1391 Insegnamenti di Paolo VI, XIV, 1976, S. 963 S. 1391 Insegnamenti di Paolo VI, XVI, 1978, S 591; O.R.dt., 1978, Nr. 33, S. 1 S. 156 Ansprachen, Band VIII., S. 358f. S. 571 Botschaft zum Welttag des Friedens S. 1878 Stiftungsordnung, Artikel 1 S. 1273 Papst Johannes Paul II. (seit 1978) Ansprache beim ‘Besuch der Wallfahrtskirche „La Mentorella” am 29.10.1978 S. 1484 Ansprache in Zapopan, Mexiko am 10.1.1979 Nr. 5 S. 1656 2020 S. 188-205 c. I, 1-9: c. III, 1-7: c. III, 2 lischen Stuhls 6 Nr. 4 Nr. 6 Nr. 8 Nr. 10 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 14-20 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 S. Nr. 18 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr: 22 rungen des Apostolischen Stuhls 12 Nr. 5 Nr. 15 Nr. 19 Nr. 24 Nr. 29 Nr. 46 Nr. 50 Nr. 531 Nr. 62ff. Nr. 67 Nr. 69 Ansprache nach der Ankunft am 25.1.1979 in: „Hoffnung, so weit wie das Meer”, S. 14 S. 821 Ansprache bei der Eröffnung der 3. Konferenz des CELAM am 28.1.1979 in Puebla: AAS 71, 1979, S. 1765f. S.1779 S. 1505 S. 1670, 1704 Predigt in Puebla de los Angeles am 28.1.1979 Nr. 2 S. 1669 Ansprache an Arbeiterfamilien in Guadalajara am 30.1.1979 S. 35 Schreiben an Bischof Ramon Torelia anläßlich der Tagung der Gemeinsamen Arbeitsgruppe vom 23.2.1979 S.1879 Generalaudienz am 28.2.1979 S. 1564 Enzyklika „Redemptor hominis” vom 4.3.1979: AAS 71, 1979, S. 257-324; Verlautbarungen des Aposto- S. 1870 S. 1272 S. 678, 1872 S. 922,1872 S; 19,29, 1198, 1872 S. 1865, 1872 1042, 1044..1412, 1870, 1876 S. 277, 1042,1872 S. 959, 1042,1353 S. 1619 S.1536 S. 714 S.1619 S. 959, ,1200,.1714 S.1694 S:66, 80f., 759 S. 331,460,555,959 S. 959 Audienzansprache am 14.3.1979 S. 1486 Schreiben an alle Bischöfe und Priester der Kirche zum Gründonnerstag 1979 vom 8.4.1979: AAS 71, 1979, S. 389-417; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 7 Nr. 4 S. 1409 Nr. 8 S. 508,675 Nr. 10 S. 1034 Apostolische Konstitution über die kirchlichen .Universitäten und Fa-kultäten „Säpentia christiana” vom 15.4.1979: AAS 71, 1979, S. 469-499; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 9 S. 1133 Homilie anläßlich der 16t Generalversammlung der italienischen Bischöfe am 15.5.1979 S. 1367 Ansprache vor der 36. Vollversammlung 'der Vereinteo. Nationen in New York am 2.10.1979: AAS 71, 1979, S. 1144-1160 S. 1765 Nr. 10 S. 767 Nr. 18 S. 767 Nr. 19 S. 768 Nr;,21 S. 1188, 1252 Nr. 22 S. 768 Ansprache an die Ordensfrauen in Washington am 7.10.1979 S. 1484 Apostolisches Schreiben über die Ka-techese.jn.unserer Zeit „Catechesi tradendae” vom 16.T0.T979: AAS 71, 1979, S. 1277-1340; Verlautba- S,1694 S.1657 S.1694,1716 S.1517 S.1716 S.1246 S.1657 S. 693 S.1682 S. 655, 1443 S. 1289 2021 IV, 5-6 Nr. 8 Nr. 13 Nr. 15 647; Verlautbarungen des Apostoli- schen Stuhls 32 Nr. 9 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 23 Nr. 27 Ansprache an die katholische Gemeinde in Ankara am 29.11.1979 S. 1869 Insegnamenti di Giovanni Paolo II, II, 2,1979, S. 107 S. 1392 Ansprache an die Mitglieder der Sacra Romana Rota zur Eröffnung des neuen Gerichtsjahres am 4.2.1980: AAS 72,1980, S. 172-178 S. 915 Schreiben zum Gründonnerstag des Jahres 1980 über das Geheimnis und die Verehrung der heiligsten Eucharistie „Dominicae Cenae” vom 24.2.1980: AAS 72, 1980, S. 113-148; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 15 Nr. 2 S. 674 Nr. 12 S. 1645 Ansprache an den Exekutivrat der UNESCO in Paris am 2.6.1980 Nr. 6 S. 1245 Nr. 10 S. 276, 331, 586 f. Nr. 13 S. 29, 587 Nr. 14 S. 587 Nr. 15 S. 893 Nr. 16 S. 921 Ansprache an die Ordensleute in Sao Paulo am 22.6.1980 S. 441 Predigt vom 24.6.1980 S. 692 Ansprache an die Favela „Vidigal” in Rio de Janeiro am 2.7.1980 S. 1779 Ansprache an Mitglieder von Säkularinstituten am 28.8.1980 anläßlich der Vollversammlung der Weltkonferenz der Säkularinstitute 120025.-29.8.1980 S. 1729f., 1739-1743 Enzyklika „Dives in misericordia” vom 30.11.1980: AAS 72, 1980, S. 1177-1232; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 26 S.1512 S. 668,1542 S. 709 S. 1542 Apostolisches Schreiben, mit dem die hll. Kyrillos und Methodios zu Mitpatronen Europas erklärt werden, „Egregiae virtutis” vom 31.12.1980 S. 275 PredigtinSt. Peteram 1.1.1981 S. 595 Ansprache vor dem Friedensdenkmal in Hiroshima am 25.2.1981 Nr. 4 S. 1838,1843 Schreiben an den Episkopat der katholischen Kirche zur 1600-Jahrfeier des I. Konzils von Konstantinopel und zur 1550-Jahrfeier des Konzils von Ephesus vom 25.3.1981: AAS 73, 1981, S. 513-527; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 30 Nr. 1,1 S. 1411 Nr. 11,5 S. 1411 Enzyklika über die menschliche Arbeit „Laborem exercens” vom 14.9.1981: AAS 73, 1981, S. 577- S. 592 S. 88 S. 322 S. 1715 S. 1715 S. 280,776,1715 S. 592, 739,1715 S. 1200 S. 36,1200 Apostolisches Schreiben über die Aufgaben der christlichen Familie in der Welt von heute „Familiaris con-sortio” vom 22.11.1981: AAS 74, 1982, S. 81-191; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 33 S. 172, 176, 1115, 1193, 1233 2022 Nr. 1 S. 635 Nr. 6 S. 1113 Nr. 17 S. 740 Nr. 18 S. 1659 Nr. 26 S. 1188 Nr. 27 S. 1387 Nr. 30 S. 740, 1250 Nr. 32 S. 740 Nr. 36-40 ' S. 1289 Nr. 40 S. 1681 Nr. 45 S. 1681 Nr. 53 S. 661 Nr. 54 S. 1365 Nr. 57 S. 1364f. Nr. 60,2 S. 1109 Nr. 65 S. 1387 Nr. 68 S. 1233 Nr. 75 S. 1681 Nr. 84 S. 1573 Nr. 85 S. 1192 Nr. 86 S. 1387 Ansprache über die Hochschulseelsorge vom 8.3.1982 S. 30 Engel des Herrn vom 14.3.1982 S. 1535 Engel des Herrn vom 17.3.1982 S. 1552 Ansprache an die Bischöfe der Region Ost in Frankreich am 1.4.1982 Nr. 2 S. 1536 Predigt bei der Messe in Fatima am 13.5.1982 Nr. 8 S. 1634 Generalaudienz am 19.5.1982 S. 1564 Ansprache in Liverpool am 30.5.1982 Nr. 3 S. 1516 Botschaft an die 2. außerordentliche Abrüstungskonferenz der Vereinten Nationen vom 14.6.1982 Nr. 10 S. 1842 Ansprache an die Teilnehmer der 68. Tagung der Internationalen Konferenz für Arbeit in Genf am 15.6.1982 Nr. 12 S. 90 Ansprache an die Kardinale und alle Mitarbeiter der Römischen Kurie am 28.6.1982 S. 1293 Ansprache an die Päpstliche Universität Gregoriana am 25.10.1982 Nr. 6 S. 1031 Ansprache bei der Ankunft auf dem Madrider Flughafen am 31.10.1982 S. 805 Ansprache an die Spanische Bischofskonferenz in Madrid am 31.10.1982 Nr. 8 S. 808 Ansprache an die Mitglieder der männlichen Orden und Säkularinstitute in Madrid am 2.11.1982 Nr. 8 S. 807 Ansprache in Saragossa am 6.11.1982 S. 822 Predigt beim marianischen Weiheakt in Saragossa am 6.11.1982 S. 804 Predigt bei der Eucharistiefeier im Stadion von Barcelona am 7.11.1982 Nr. 8 S. 809 Ansprache an die Seeleute in Santiago de Compostela am 9.11.1982: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 41, S. 151 S. 573 Abschied in Santiago de Compostela, 9.11.1982 S. 806 Ansprache an die Franziskaner-Volksmissionare der Diözese Rom am 15.11.1982 S. 1036 2023 Ansprache an die Priester in der Ro- Botschaft zum Weltfriedenstag 1983 vom 8.12.1982 Nr. 4 S. 1862 Nr. 6 S. 1620 Weihnachtsansprache an die Kardinale und Mitarbeiter der Römischen Kurie am 23.12.1982 Nr. 9 S. 1074 Homilie in der Messe zum XVI. Weltfriedenstag am 1.1.1983 Nr. 6 S. 1548 Apostolisches Schreiben zum Jubiläumsjahr der Erlösung „Aperite portas redemptori” vom 6.1.1983: AAS 75, 1983, S. 89-106; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 44 Nr. 3 S. 925,1507 Nr. 10 S. 1007 Nr. 11A S. 940 Ansprache an die Mitglieder des Diplomatischen Korps beim Heiligen Stuhl am 15.1.1983 Nr. 4.6.11 S. 1548 Apostolische Konstitution „Sacrae disciplinae leges” zur Einführung des neuen „Codex Iuris Canonici” vom 25.1.1983: Codex des kanonischen Rechts, Lateinisch-deutsche Ausgabe, S. XXV. S. 880, 914 Predigt bei der Messe in San Salvador am 6.3.1983 Nr. 2 S. 1679 Nr. 6 S. 1679 Nr. 7 S. 1679 Predigt bei der Messe auf dem Marsfeld in Guatemala-City am 7.3.1983 S. 1586 Ansprache an den Rat des Generalsekretariats der Bischofssynode vom 30.4.1983 S. 507 Ansprache an die Vollversammlung der Kongregation für die Ordensleute und Säkularinstitute am 6.5.1983 S. 1377,1747 Ansprache an das 106. Generalkapitel des Dritten Regular-Ordens des hl. Franz von Assisi vom 19.5.1983 S. 1034 Predigt in Warschau am 17.6.1983 S. 1467 Ansprache vor polnischen Jugendlichen in Jasna Göra am 18.6.1983 S. 471 Angelus-Ansprache am 24.7.1983 S. 429 Ansprache bei der Ankunft in Tar- bes am 14.8.1983 S. 953 Ansprache an die Pilger bei der Grotte in Lourdes am 14.8.1983 S. 954 senkranz-Basilika in Lourdes am 15.8.1983 S. 955 Generalaudienz vom 17.8.1983 S. 1552 Ansprache an das Diplomatische Korps in Wien vom 11.9.1983 S. 1028 Predigt im Wiener Stephansdom am 12.9.1983 S. 1291 Ansprache zu Beginn der 6. Generalversammlung der Bischofssynode am 29.9.1983 S. 873 Ansprache an die 19. ordentliche Versammlung von CELAM in Haiti am 9.3.1983 S. 822 1,3 S. 1715 Charta der Familienrechte vom 22.10.1983 Präambel E S. 1436 Art. 9 S. 737 2024 Nr. 9 Nr. 13 Nr. 19 Nr. 26 Nr. 27 Nr. 28-30 Nr. 29 Nr. 31 S. 623 S. 443 S. 444 S. 744 S. 742 S. 365 S. 1706 S. 1706 S. 444 Homilie am 30.10.1983 S. 1597 Generalaudienz am 14.3.1984 S.1563 Schreiben an Kardinal Willebrands vom 31.10.1983 S. 1074 Audienz für Bischöfe Australiens am 11.11.1983 S. 1862 Ansprache an die Teilnehmer des Kurses über den neuen Codex des kanonischen Rechts am 21.11.1983 S. 914 Generalaudienz am 7.12.1983 Nr. 2 S. 1575 Botschaft zum Weltfriedenstag 1984 vom 8.12.1983 Nr. 1 S. 312 Nr. 3 S. 288, 312 Nr. 4 S. 906,1839 Ansprache an Vertreter der Wissenschaft und Kultur am 15.12.1983 S. 29 Predigt am 1.1.1984 Nr. 5 S. 1840 Generalaudienz am 4.1.1984 S. 1575 Apostolisches Schreiben über den christlichen Sinn des menschlichen Leidens „Salvifici doloris” vom 11.2.1984 S. 593 S. 1121 S. 1260 S. 593, 955 S. 70, 594, 955,1263 S. 593 S. 1195 S. 1179, 1405 Predigt bei der Heilig-Jahr-Messe der Priester am 23.2.1984 Nr. 5 S. 409 Generalaudienz am 7.3.1984 S. 1566 Generalaudienz am 21.3.1984 S. 1564 Apostolisches Schreiben an die Ordensleute über das gottgeweihte Leben im Licht des Geheimnisses der Erlösung ,,Redemptionis donum” vom 25.3.1984: Nr. 3 Nr. 4-5 Nr. 5 Nr. 11 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Botschaft zum 21. Weltgebetstag für die geistlichen Berufe vom 13.5.1984 S. 1332 Botschaft zum 18. Welttag der sozialen Kommunikationsmittel am 3.6.1984 Nr. 1 S. 110 Predigt in Lugano am 12.6.1984 S. 1399 Ansprache bei der Begegnung mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund in Kehrsatz am 14.6.1984 S. 1412 Predigt bei der Messe in Flüeli am 14.6.1984 Nr. 6 S. 828 Ansprache an den Klerus in Einsiedeln am 15.6.1984 S. 1325 Nr. 7 S. 612 Ansprache an die Kardinale und Mitarbeiter der Römischen Kurie beim Wortgottesdienst in St. Peter am 28.6.1984 S. 1663 Ansprache an die Pönitenziare der Patriarchalbasiliken Roms und an die Beichtväter zum Abschluß des Jubiläumsjahres der Erlösung vom 9.7.1984 S. 1558 2025 Ansprache an die Priester und Seminaristen in Montreal am 11.9.1984 S. 786 Ansprache in Winnipeg am 16.9.1984 S. 1439 Predigt bei der Messe in Santo Domingo am 11.10.1984 S. 202f., 1618, 1650 Ansprache an den CELAM in Santo Domingo vom 12.10.1984 S. 202 Nr. 5 S. 1450 Ad-limina-Besuch chilenischer Bischöfe am 19.10.1984 S. 1660 Botschaft zum Welttag des Friedens S. 1878 Rituale Romanum ex Decreto Sacro-sancti Concilii Oecumenici Vaticani II instauratum, auctoritate Pauli VI promulgatum. Ordo Paenitentiae. Typis Polyglottis Vatica- nis 1974 S. 1561 Notitiae, Nr. 185, Dezember 1981 (betr. Tridentinische Messe) S. 589-611 S. 1833 Kongregation für den Klerus Brief an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen „Inter ea” vom 4.11.1969 S. 1034 Ansprache an die Bischöfe des Pazifik bei ihrem Ad-limina-Besuch S. 1347 Kongregation für die Glaubenslehre Instruktion über einige Aspekte der „Theologie der Befreiung” „Liber-tatis nuntius” vom 6.8.1984: AAS 76, 1984, S. 876-909; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 57 IV, 14-15 S. 1529 XI, 16 S. 1619 Ritenkongregation Instruktion über Feier und Verehrung des eucharistischen Geheimnisses „Eucharisticum mysterium” vom 25.5.1967 Nr. 35 S. 1555 Kongregation für den Gottesdienst Kongregation für die Ordensleute ”Mutuae relationes” Die Beziehungen zwischen Bischöfen und Ordensleuten in der Kirche, Leitlinien vom 14.5.1978: AAS 70, 1978, S. 473-506; Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 8 Nr. 28 S. 1652 Religiosenkongregation "Elementi essenziali” vom 31.5.1983 S. 1085 Kongregation für das katholische Bildungswesen Erklärung zur katholischen Schule vom 19.3.1977: Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls 4 Nr. 5-9 S. 1289 Ordo Paenitentiae vom 2.12.1973; Die Feier der Busse nach dem neuen Rituale Romanum (Deutsche Ausgabe am 20.7.1974 von der Gottes- dienstkongregation konfirmiert und ab 1.1.1975 verpflichtend) Einlei- tung Nr. 7 S. 76 6 a S.1563 6 c S.1562 7b S. 1570 17 S. 1570 Päpstliche Kommission für die Instrumente der sozialen Kommunikation Pastoralintruktion „Communio et Progressio” über die Instrumente der sozialen Kommunikation vom 23.5.1971 S.1138 Nr. 1 S. 1227 Nr. 2 S. 1228 Nr. 11 S. 1227 Nr. 49 S. 1861 2026 der Kirche „Ad gentes” vom 7.12.1965 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 10-12 Nr. llf. Nr. 12 Nr. 13 Nr. 15 Nr. 19 Nr. 21 Nr. 26 Nr. 36 Nr. 38 Nr. 40 Nr. 41 18.11.1965 Nr. 2 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 11 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 17 Nr. 18-19 Nr. 19 Nr. 20 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 29 Nr. 50 S. 1861 Nr. 51 S. 1861 Nr. 53 S. 1861 Nr. 94 S. 1861 Nr. 119 S. 925 Nr. 125 S. 1862 Konzil von Trient S. 1561 Catechismo Romano del Concilio di Trento. Vatikanstadt 1946, S. 239, 242 S. 75 Sessio VI: Decretum de iustificatione Cap. 2, DS 1522 S. 1533 Cap. 10, DS 1535 S. 50 Cap. 11, DS 1536 S. 50 Cap. 15, DS 1544 S. 1533 Canones de iustificatione ec. 18-23, DS 1568-1573 S. 50 c. 23, DS 1573 S. 1533 c. 25, DS 1575 S. 1533 c. 27, DS 1577 S. 1533 Sessio XIII: Decretum de ss. Eucharistia Cap. 2, DS 1638 S. 80 Cap. 7, DS 1647 S. 80 Canones de ss. Eucharistiae sacra-mento c. 11, DS 1661 S. 80 Sessio XIV: Doctrina de sacramento penitentiae Cap. 1,DS 1676-1677 S. 1563 Cap. 4, DS 1676-1677 S. 1563 Cap. 6, DS 1685 S. 1562 Canones ad utramque doctrinam c. 1,DS1701 S. 1560 Sessio XXII: Doctrina de ss. Missae sacrificio Cap. 1,DS 1740 S. 80 Zweites Vatikanisches Konzil S. 158 Dekret über die Missionstätigkeit S. 97 S. 1136,1866f. S. 341,1866f. S. 1867 S. 1042 S. 1545, 1873,1875 S. 1044, 1866 S.1876 S. 651, 1872f., 1875 S. 1194 S. 1875 S. 726 S. 1262 S. 39, 360, 763 S. 742, 744 S. 1873 Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem” vom S. 1257 S. 663, 1381 S. 945,1867 S. 662 S. 837, 1380, 1698, 1733,1737 S. 596, 1129 S.1109,1364 S. 661, 1129 S. 660,1129,1379,1698 S. 1698, 1873 S. 1745 S. 1380, 1745 S. 1745 S. 1129, 1742, 1745 S.1380 S. 1745 S. 1745 S.1745 S. 1698, 1873 Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe „Christus Dominus” vom 28.10.1965 Nr. 12 S. 1288, 1649, 1661 Nr. 12-14 S. 1649 Nr. 13 S. 1545 2027 Nr. 15 Nr. 16 Nr. 30 Nr. 33-35 Nr. 38 Nr. 2 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 8 Nr. 10 Nr. 21 Nr. 22 Nr. 24 Nr. 27 Nr. 29 Nr. 30 Nr. 31 Nr.' 33 Nr. 34 Nr. 35 Nr. 36 Nr. 37 Nr. 38 Nr. 39 Nr. 40 Nr. 41 Nr. 42 Nr. 43 Nr. 44 Nr. 45 Nr. 47 Nr. 48 Nr. 50 Nr. 51 Nr. 52 Nr. 53 Nr. 57 Nr. 58 Nr. 64 Nr. 67 Nr. 75 Nr. 76 Nr. 77-90 Nr. 78 Nr. 79 Nr. 80 Nr. 82 Nr. 91 Nr. 92 Nr. 93 S. 1649 S. 1649,1655 S. 75, 77 S. 1652 S.1350 Dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung „Dei verbum” vom 18.11.1965 S. 884 S. 1275,1649 S. 1396 S. 40,1276 S. 453,1218, 1354f., 1761 S. 431, 1217 S. 1354 S. 1217 Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae” vom 7.12.1965 Nr. 2 S.1058,1552 Nr. 3 S. 1552, 1870,1876 Nr. 4 S. 1552,1870 Nr. 5 S. 1292 Nr. 14 S. 1059,1867,1870 Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes” vom 7.12.1965 S.97, 145,1115 Nr. 1 S. 1228 Nr. 2 S. 1732 Nr. 3 S. 458,462,1536,1620 Nr. 4 S. 89, 1732, 1759 Nr. 5 S. 1033 Nr. 7 S. 1280 Nr. 8 S. 1552 Nr. 9 S. 1867 Nr. 10 S. 175,1509 Nr. 13 S. 50,1359,1732 Nr. 14 S. 1494 Nr. 15 S. 50 Nr. 16 S. 1535,1552 Nr. 19 S. 1552 Nr. 22 S. 20,276, 946,996,1872, 1876 Nr. 24 S. 991, 1045 Nr. 26 S. 1424, 1552,1704 S.1704 S. 1045,1704 S. 1424 S. 1207,1424 S. 1275 S. 1380,1733 S. 321 S. 1732f. S.1732 S. 1520 S. 655, 1732,1767,1775,1867 S. 1620,1867 S.1552,1867 S. 434,462, 654,1867 S. 24, 654, 713, 945,1505, 1867 S. 1505,1867 S. 1867 S. 1113,1680 S. 1552 S. 152,154 S. 145,148,152,836 S. 1292,1681 S. 1428 S. 1245 S. 28, 599 S. 1219 S. 35-37 S. 434,728 S. 1250,1620 S. 767 S. 1045 S. 1143 S. 68, 1842 S. 314 S. 835, 1587, 1867 S. 1545, 1867, 1873,1878 S. 1379 Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis” vom 28.10.1965 S. 1289 Nr. 2 S. 646 Nr. 8 S. 1291,1545 Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter mi-rifica” vom 4.12.1963 S. 1227,1138 Nr. 12 S. 1248, 1862 Nr. 18 S. 1244 2028 S. 937 S. 937 S.1439 S. 937 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 5 Nr. 11 Nr. 14 Nr. 15 Nr. 22 Nr. 47 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8 Nr. 12 Nr. 13 Nr. 16 Nr. 18 Konstitution über die Kirche „Lumen gentium” vom 21.11.1964 S. 97 Nr. 1 S. 24, 945,1370,1516, 1546,1640 Nr. 3 S. 1724 Nr. 4 S. 499,1411,1707, 1872 Nr. 5 S. 1584, 1724, 1867, 1872 Nr. 6 S. 256, 1356, 1724 Nr. 7 S. 1702 Nr. 8 S. 1617, 1724 Nr. 9 S. 23, 25, 1045 1546, 1867, 1872 Nr. 9-17 S. 1773 Nr. 11 S. 45, 194, 342, 384, 662, 1193, 1364, 1561, 1668 Nr. 12 S. 500, 507, 1354 Nr. 13 S. 424, 1045, 1049, 1327, 1546, 1616 Nr. 16 S. 1872 Nr. 17b S. 1324 Nr. 18 S. 1285 Nr. 20 S. 1655 Nr. 21 S. 754f„ 1661 Nr. 22 S. 505, 1029, 1328 Nr. 23 S. 499, 506, 762f., 1432, 1613, 1673 Nr. 25 S. 755, 1276, 1288, 1649, 1661 Nr. 26 S. 359, 758, 760, 763 Nr. 27 S. 755 Nr. 27a S. 1597 Nr. 28 S. 318, 1422 Nr. 31 S. 659, 1221, 1380, 1726, 1737, 1742 Nr. 33 S. 519, 612, 1129 Nr. 34 S. 1129, 1733 Nr. 35 S. 1129, 1365, 1867 Nr. 36 S. 35, 1129 Nr. 37 S. 502, 1661, 1663 Nr. 38 S. 83, 85 Nr. 39 S. 1522,1584 Nr. 40 S. 887, 1733 Nr. 41 S. 1734 Nr. 42 S. 1045, 1379, 1734 Nr. 44 S. 1735 Nr. 48 S. 1864, 1873 Nr. 52-65 S. 815 Nr. 53 S. 200 Nr. 55 S. 21, 132 Nr. 58 S. 18, 78, 493,495, 1381 Nr. 61 S. 835 Nr. 62 S. 835 Nr. 63 S. 604, 835 Nr. 68 S. 16, 606 Erklärung zum Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen „Nostra aetate” vom 28.10.1965 S. 97 Nr. 1 S. 339, 1709,1875 Nr. 2 S. 379, 1873 Nr. 3 S. 1873,1875 Nr. 4 S. 1317f. Dekret über die Ausbildung der Priester „Optatam totius” vom 18.10.1965 S. 1209 Nr. 8 S. 384 Nr. 16 S. 1873 Dekret über die katholischen Ostkirchen „Orientalium Ecclesiarum” vom 21.11.1964 Nr. 1 Nr. 2 Nr. 10 Nr. 24 Dekret über die zeitgemäße Erneuerung des Ordenslebens „Perfectae caritatis” vom 28.10.1965 S. 1095 S. 1280, 1341 S. 745,1085, 1090, 1396,1735 S. 1379, 1736, 1738, 1742 S. 1096 S. 1100, 1343 S. 441 S. 742 Dekret über Dienst und Leben der Priester „Presbyterorum ordinis” vom 7.12.1965 S. 407, 613 S. 513 S. 514, 1288 S. 1370, 1644 S.366,1737 S.1331 S. 1737 S. 1421, 1505 S. 325 S. 552 S. 75, 1567 2029 Konstitution über die hl. Liturgie can. 576 S.1740 „Sacrosanctum Concilium” vom can.579 S.1738 4.12.1963 can. 583f. S.1738 Nr. 1 S. 1456 can. 599-601 S. 1738 Nr. 7 S. 33 can.602 S. 1380, 1744 Nr. 9 S. 1662 can. 607 S. 1738 Nr. 10 S. 80, 1342,1347,1662 can. 678 § 1 S. 1705 Nr. 11 S. 1662 can.680 S. 1652 Nr. 14 S. 1342,1458 can.695 § 3 S. 1100 Nr. 16 S.1459 can.710 S. 1739 Nr. 21 S. 1456 can.713 S. 1743 Nr. 37 S.1456 can. 713 §§ 1-2 S.1739 Nr. 47 S. 442 can.714 S. 1739, 1744 Nr. 52 S.1830 can.715 S. 1743 Nr. 72 S.1561 can.716 S. 1744 can.716,2 S.1380 can.717 § 3 S.1744 Dekret über den Ökumenismus can. 723 S. 1746 „Unitatis redintegratio” vom can. 747,1 S. 1288 21.11.1964 can.755 § 1 S. 429 Nr. 1 S. 476, 911, 1468, 1492, 1879 can.767 § 2 S.1830 Nr. 2 S. 1867 can.781 S. 1136,1262 Nr. 2,2 S. 475 can.787 § 1 S.1874 Nr. 3 S. 15, 430 can. 787 § 2 S.1876 Nr. 4 S. 432, 1522,1547 can.797 S. 837 Nr. 5 S. 1268 can.799 S. 837 Nr. 6 S. 478, 1357 can.835,1 S. 1645 Nr. 7 S. 1547 can.838,4 S. 1645 Nr. 8 S. 680, 913,1547 can.843 § 1 S. 1663 Nr. 12 S. 912 can.843 § 2 S. 1663 Nr. 13 S. 910 can.863 S. 1831 Nr. 15 S. 706, 1493 can. 902 S. 1830 Nr. 22 S. 15,431,910 can.932 S. 1830 can.961-963 S. 1570 can. 964 §§ 2-3 S. 1564 Codex Iuris Canonici (1983) can.1004 § 1 S. 1830 can.16 § 3 S. 917 can. 1005 S. 1830 can.19 S. 919 can. 1063 S. 1235 can.213 S. 1663 can. 1214-1223 S. 1828 can.225 § 2 S. 85 can. 1217 §2 S. 1830 can. 298 S. 1129 can. 1217f. S. 1828 can. 342 S. 1009 can.1226 S. 1828 can. 368 S. 426 can. 1237f. S. 1828 can.369 S. 1701 can.1249 S. 49 can.394 S. 1652 can.1251 S. 49 can.515,1 S. 1443 can.574 § 2 S. 1741 can.575 § 1 S. 1740 Antiphon und Hymnus vom Karfreitag S. 1180 2030 Officium divinum ex decreto Sacro-sancti Oecumenici Concilii Vaticani II instauratum auctoritate Pauli PP. VI promulgatum. Liturgia Horum Bischofskonferenz von Paraguay Hirtenbrief vom 7.10.1984 S. 1697 CELAM Botschaft zur 500-Jahr-Feier der Entdeckung und Evangelisierung Lateinamerikas S. 822 Chinesische Bischofskonferenz Gemeinsamer Hirtenbrief der Chinesischen Bischofskonferenz in Erinne rung an den 400. Jahrestag der An- Eucharistisches Hochgebet III S. 1515 IV S. 549,626 zum Thema Versöhnung S. 461 Gabengebet S. 462 Messe für die Universalkirche S. 1463 Litanei vom Heiligsten Herzen Jesu S. 1575 Magnificat S. 556, 559 Ostersequenz S. 1178 Stundengebet S. 156,1048 Hymnus zur Laudes vom 8. Dezember S. 26 Hymnus zur Non S. 230 iuxta Ritum Romanum, ed. typ., Vol. II, Dominica Pentecostes, Hymnus ad 1 Vesperas, S. 795 S. 1459 Tagesgebet von Allerheiligen S. 222 Weihegebet bei der Priesterweihe S. 552 bei der Altarweihe Nr. 48 S. 524 Bischofssynode in Rom 1971 Proposition 8 S. 599 Entschließungen der Synode, 2. Teil, Nr. 4 S. 508 Bischofssynode in Rom 1978 "Justitia in mundo”, Nr. 1 S. 728 Bischofssynode in Rom 1980 "Die Aufgaben der christlichen Familie in der heutigen Welt” Nr. 9 S. 1659 Nr. 12 S. 1659 kunft M. Riccis in China am 3.12.1981 S. 1030 Italienische Bischofskonferenz Die katholische Schule heute in Italien, 25.8.1983, Nr. 1 S.1290 Pastorales Schreiben Nr. 26 S. 157 Pastoralnote vom Januar 1982, Nr. Id S. 1227 Lateinamerikanische Bischofskonferenz Medellin, Dokument über Familie und Bevölkerungskunde S. 1668 Dokument der III. Generalkonferenz von Puebla, 26.1.-13.2.1979 Teil I, Kap. 111,3.3 S. 1778 Teil II, Kap. I S. 1779 Teil II, Kap. 1,2.4 Nr. 290 S. 807 Teil II, Kap. II, 2.4 Nr. 412 S. 824, 827 Teil II, Kap. II, 3.3 S. 822 Teil II, Kap. II, 5.4 S. 1779 Teil III, Kap. 1,1.3 Nr. 582 S. 1669 Teil IV, Kap. I, 1.1-3 Nrr. 1134-1165 S. 1767 Teil IV, Kap. 1.2 Nr. 1145 S. 1676 Teil IV, Kap. II S. 1767 Teil IV, Kap. II, 2.1-3 Nrr. 1166-1205 S. 1767 Teil IV, Kap. II, 2.1 Nr. 1169 S. 1670 Teil IV, Kap. II, 2.3 S. 1782 Teil IV, Kap. III, 3.3 S. 1780 Sch weizerische Bischofskonferenz Pastorale Richtlinien, Februar 1983, S. 5, 1.3 S. 459 2031 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Präambel S.1251 Präambel, E S.1251 16,3 S.1251 Charta der Vereinten Nationen Art. 26 S. 647 Gemeinsame Arbeitsgruppe der römisch-katholischen Kirche und des Ökuemnischen Rates der Kirchen Vierter Bericht, 1975 S. 1880 Fünfter Bericht, 1982, Nr. 3 S.1880 "Gemeinsames Zeugnis” § 1 S. 1880 "Gemeinsames Zeugnis” § 23 S.1880 "Gemeinsames Zeugnis” § 31 S.1880 Grundgesetz des Vatikanstaates Nr. 1 vom 7.6.1929, Art. 7, § 1 S.1134 Katholischer Weltverband für das Bibelapostolat Statuten, Art. III. S.1354 Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des ÖRK Konvergenzerklärung „Taufe, Eucharistie und Amt’ ’ S. 1880 Konstitution der Gesellschaft Jesu VI, 4,2, Nr. 340 S.1216 Ökumenischer Rat der Kirchen (ÖRK) Verfassung des ÖRK, Art. III, Para-graph 1 S. 1879 Ambrosius De institutione virginis 46 S. 78 49 S. 78 50 S. 79 Aristoteles Rhetor., Buch I, Kap. 15, 1375a-b S. 1563 A ugustiner-Regel Regel 1 S. 1343 Regel 3 S. 1343 Regel 8 S. 1343 Augustinus von Hippo Bekenntnisse (Confessiones) Buch XI S. 1073 Contra litteras Petiliani III, 17,20: PL 43,357 S. 253 De catechicandis rudibus I, 1: PL 40,310 S. 253 De Civitate Dei XIX, 13,1: PL 41, 640 S. 1285 XXII, 17: CCL 48, 835f. S. 1521 De Spiritu et littera, XXVIII: CSEL 60, 202f. S. 1532 Enarrationes in Psalmos 39,22: CCL 38,441 S. 1532 88,14 S. 1343 102.2 S. 1342 118 S.1481 126.3 S. 1614 144.13 S. 1061 Enchiridion ad Laurentium sive de fide, spe et caritate, XIX, 71: CCL 46, 88 S. 1532 In Ioannis Evangelium tractatus 12, 3, 14: CCL 36, 129 S. 1532 26.13 S. 1555 32,8 S. 1325 72: PL 35, 1823 S. 1337 118,4: PL 35, 1949 S. 1286 123,5: PL 35, 1967 S. 1285 Sermo 1,4 S. 1331 Sermo 9,2 S. 1481 Sermo 9,3 S. 1481 Sermo 82, 8: PL 38, 511 S. 1562 Sermo 96, 7 S. 1548 2032 Sermo 340,1: PL 38,1483 S. 1634 Sermo 352, 3. 8-9: PL 39,1558f. S. 1562 Sermo 355 S. 1341 Balthasar, Hans Urs von Cordula oder der Ernstfall, S. 102 S. 1275 Battifol, Pierre L’Eglise naissante et le catholicisme, S. 146 S.1684 Bendiscioli, M. Storia di Milano, X. Mailand 1957, S. 245 S. 860 Benedikt Prolog 1 S.1396 Prolog 14 S.1397 Prolog 45 S. 1396 Regel, c. 4,50-51 S. 77 Regel, Kap. 5,2 S. 1397 Regel, Kap. 58,7 S. 1397 Regel, Kap. 72,4-8 S. 1397 Borromäus, Karl (Carlo Borromeo) Brief vom 15.5.1566 S. 844 Ordo Tractationis de oratione, üb. II, XXII, Mailand 1983 S. 224 Predigt im Mailänder Dom am Sonntag nach der Erscheinung des Herrn, 1584 S. 224 De Certau in Dizionario biografico degli italiani, 20. Rom 1977, S. 263 S. 859 Carter, Kardinal Pastoral Letter, V, 7 S. 674 Chrysologus, Petrus Ad Eutichem, inter epistulas S. Leonis Magni, 25,2: PL 54, 743f. S. 1286 Chrysostomus, Johannes Homiüe 2,5 De diabolo tentatore: PG 49,263f. S. 652 Homilie 24,2 S. 652 Homiüe 27,3-5 S. 652 Homiüe an das Volk von Antiochien S. 652 Homiüe über die Kanaanäerin, lOf. S. 652 Homiüe vor dem Aufbruch ins Exil, 1-3: PG 52, 427-430 S. 651 In Matthäum Homiüa 46 ad cap. 2-3 S. 653 59, 4-7 ad cap. 18,7: PG 58, 580-584 S. 652 65,2-4 ad cap. 20,17: PG 58, 619-622 S. 652 In acta Apostolorum Homiüa 20,3f ad cap. 9,10: PG 60,162-164 S. 652 Cyprian De oratione dominica 23, zitiert in: Lumen gentium, Nr. 4 S. 550 De Loor, Isidor Brief IV, 229 S. 1415 Deroo, A. Saint Charles Borromee refor-mateur, Docteur de la pastorale (1538-1584). Paris 1963 S. 860 Epistula ad Diognetum 6,1: PG 2, 1173 S. 945 Fischer, R.A. Introductory notes on Mendel’ s pa-per. In: J.H. Bennet: Experiments in plant hybridization. Mendel’s original paper in Engüsh translation with commentary and assessment by late Sir Roland A. Fisher, OUver and Bryd 1965, S. 1-16 S. 1062 Fornari, Vito Deüa vita die Gesu Cristo, Buch I, Vorwort, Turin 1930, S. 14f. S. 277 2033 Franziskus von Assisi, hi. Regele. 12 S. 1033 Regel Nr. 41-44 S. 1033 Testament S. 1036 Garofalo, S. La Sacra Bibbia, III. S. 84 S. 1452 Gemelli, Agostino Testament, Ostern 1954 S. 1305 Goethe, Johann Wolfgang Gespräche mit Eckermann vom 9.10.1828 S. 904 Italienische Reise, Rom, Ende Juli 1787 S. 904 Gregor der Große Homilia in Ezechiel 11.10,19: PL 76, 1070 S. 525 Gruget, Simon Tagebuch des Priesters ... S. 1014 Zeugnis des Abbe Gruget S. 1012 Hubert, Anne Presence, 1944 S. 619 Horaz Historien II, 32 S. 904 Ignatius von Antiochien Epistula ad Romanos Vorrede S. 1327 Praescr. 4 S. 430 c. 1 S. 495 Epistula ad Ephesios IV, 1-2: ed. Funk I, S. 216 S. 1460 Irenäus von Lyon Adversus Haereses 111,3,2 S. 1661 III, 17,2 S. 429 IV. 20,7 S. 861 Jedin, H. Carlo Borromeo. Rom 1971, S. 9 S. 858 Katharina von Siena Lettere. Florenz 1970,1, S. 3f. S.1524 Katolicki List Zagreb, 16.3.1939 S. 1367 Leo der Große Tractatus 63 (De passione Domini 12), 6: CCL 138/A, 386 S. 1516 Leseur, Elisabeth Journal et pensees de chaque jour, Ed. J. de Gigord. Paris 1918, S. 31 S. 1527 Manzoni, Alessandro I Promessi Sposi, Kap. 32 S.1239 Mendel, G. Versuche über Pflanzen-Hybriden. Originaltext bei J. Krizenecky, Fun-damenta Genetica. Prag 1965, anläßlich des 100. Jahrestages der Ver öffentlichung S. 1062 Montini, G.B. (später Papst Paul VI.) Discorsi sulla Madonna e sui Santi, Predigt vom 4.11.1958. Mailand 1965, S.346 S. 860 Discorsi su San Carlo, Mailand. NED, 1984, S. 32f. S. 856 Namatianus, Rutilius De reditu suo, 0,63 S. 904 Newman, Kardinal Oxforder Predigten, 1843 S. 1481 2034 Orsenigo, C. Vita di San Carlo Borromeo. Mailand 1911, S. 107f. S. 859 Pascal Pensees, 434; ed. L. Brunschvig S. 923 Pensees, 553, ed. L. Brunschvig S. 56 Pironio, E. 23.8.1976 S. 1723 Sienkiewicz, H. Brief an Stanislaw Osada S. 561 Za chlebem. Warschau 1947, S. 16 S. 683 Sophokles Antigone, Verse 450-460 S. 1563 Susta, J. Die Römische Kurie und das Konzil von Trient. Wien 1904, IV, S. 454S. 858f. Tertullian Summa contra gentiles III, 128, 3003 S. 1285 III, c. 71 S. 947 Summa Theologica I-II, q. 113, a. 9 S. 1337 Ia-IIae, q. 72, a. 5 S. 1532 Ila-IIae, q. 14, a. 3, adprimum S. 1531 Ila-IIae, q. 14, aa. 1-3 S. 1531 III, q.46,a. l,3um S. 948 III, q. 64, a. 2 ad tertium S. 1521 IV, q. 19, a. 3,c S. 948 Supplementum, q. 18 S. 77 Supplementum, q. 35,a.l S. 77 Supplementum, q. 36,a.l S. 77 Thomas von Kempen Nachfolge Christi, L. II, Cap. VIII S. 1439 Vergil Georgica 11,534 S. 904 Dig. I. 3. De legibus, I. 38. Nam Imperator S. 917 Apologeticus cap. 39: PL 1,471 S. 526 cap. 50: PL 1,534 S. 1258 Theresia von Lisieux Geschichte einer Seele, Handschrift B, f. 3' S. 1261 Thomas v. Aquin Compendium theologiae, c. 201 S. 948 De rationibus fidei, c. 5 S. 948 Lectura super Johanneum I, I nr. 33 S. 1274,1305 Scriptum super Sententiis I, d. 3, q. 3 a 1 resp. ad Sum. S. 20 III, d. 18, a. 6, sol. 1, lum S. 948 IV, d.20, a. 1 sol. 2 u. 3um S. 948